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Die EU registriert die Flüchtlinge, nur kommen sie nicht weiter

 

Wenn Papst Franziskus Politiker wäre, müsste man ihn als Populisten bezeichnen. Nur ein Populist kann behaupten, dass „viele Flüchtlingslager Konzentrationslager“ seien, so wie der Papst vor ein paar Tagen bei einer Zeremonie für Märtyrer in Rom.

Gemeint hatte er das Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos, das er letztes Jahr besucht hatte. Moria ist ein sogenannter Hotspot, den die EU eingerichtet hat – ursprünglich, um Migranten und Flüchtlinge zu registrieren und anschließend auf die einzelnen EU-Staaten zu verteilen.

Nun hat der Europäische Rechnungshof die Hotspots geprüft und einen Abschlussbericht vorgestellt.

Das Fazit von Hans Gustaf Wassberg, dem Leiter der Untersuchungskommission: „Die Hotspots sind erfolgreich.“ Was das genau bedeutet? Wassberg sagt, man müsse sein Urteil vor dem Hintergrund des Sommers 2015 verstehen. „Damals waren wir drauf und dran, in eine humanitäre Katastrophe zu schlittern.“ Die Messlatte also lag sehr, sehr tief.

Die Hotspots sind auf Initiative der Kommission errichtet worden. Ihre Aufgabe ist klar umrissen. Sie sollen Italien und Griechenland dabei helfen, die Grenzen besser zu managen. Das ist durchaus gelungen.

Im September 2015 – auf dem Höhepunkt der Massenwanderung – wurden in Griechenland gerade mal acht Prozent aller Flüchtlinge und Migranten registriert. Seit März 2016 ist es den griechischen Behörden gelungen, alle Ankommenden zu registrieren. Das liegt freilich auch am Abkommen zwischen der EU und der Türkei, das im gleichen Monat wirksam wurde. Die Zahl der Migranten, die nach Griechenland kommen, ist seit damals dramatisch gesunken.

In Italien hingegen hat der Migrationsdruck nicht abgenommen. Rund 180.000 Menschen sind im Jahr 2016 angekommen, das ist ungefähr die Größenordnung der Jahre 2014 und 2015.  Während in der ersten Hälfte des Jahres nur rund 60 Prozent der Migranten registriert wurden, waren es im Jahr 2016 97 Prozent.

Trotzdem, in den Hotspots gab und gibt es Probleme – besonders in Griechenland. Da mehr Migranten auf den Inseln ankamen, als sie verließen, waren die Lager schnell überfüllt. Im September 2016 kam es in dem Hot Spot Moria auf Lesbos zu Ausschreitungen. Das ist das Lager, das der Papst besucht hatte.

Die Schwierigkeiten haben etwas damit zu tun, dass die Hotspots gewissermaßen nur der erste Schritt der Migranten in die Europäische Union sind. Man kann sie nicht getrennt vom Rest des Weges sehen – doch dort sind ausschließlich die Nationalstaaten für die Migranten zuständig. Sie sind für die Asylverfahren verantwortlich, und im Fall einer Ablehnung auch für die Rückführung.

Alle Migranten, die in Griechenland ankommen und in den Hotspots landen, stellen inzwischen einen Asylantrag. Und bis darüber entschieden ist, dauert es sehr lange. Wenn eine Ablehnung kommt, dann – so sagte es ein Mitverfasser des Rechnungshofsberichts – „bleiben die meisten im Land“.

Auch die von der EU beschlossene Umsiedlung kommt nicht wirklich voran. Im September 2016 beschloss die EU, dass insgesamt 160.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland in andere Mitgliedsstaaten umgesiedelt werden sollten. Italien etwa sollten 35.000 abgenommen werden. Tatsächlich waren es innerhalb eines Jahres gerade mal 1.196.

Schleppende Asylverfahren, mangelnde Umsiedlung, kaum Rückführungen – während immer noch eine große Zahl von Menschen nach Europa kommt. 40.000 kamen über das Mittelmeer in den ersten vier Monaten dieses Jahres nach Italien. 180.000 werden es dieses Jahr nach Schätzungen der italienischen Behörden werden.

In dieser Situation ist klar, dass die Hotspots zu dem werden, was die Prüfer des EU-Rechnungshofes sehr sachlich und treffend als „Flaschenhals“ bezeichnen.