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Wir schaffen es nicht mehr

 

Flüchtlinge, die in Palermo ankommen

Es kommen zu viele Menschen. Ihr lasst uns damit allein. Wir schaffen es nicht mehr. Das ist im Kern die Botschaft der italienischen Regierung, die sie am gestrigen Mittwoch der EU Kommission überbrachte. Solche Klagen kennt man aus der Vergangenheit. Dieses mal ist etwas anders. Noch nie sind so viele Migranten in so kurzer Zeit in Italien gelandet. Der sonst recht phlegmatische italienische Staatspräsident, Sergio Mattarella, sagte, dass die Lage „bald nicht mehr beherrschbar“ sein könnte.

Neu ist: Die Regierung in Rom belässt es nicht mehr bei Klagen. Sie droht mit drastischen Maßnahmen. Die völlig überlasteten italienischen Häfen könnten für die Schiffe der NGOs, die im Mittelmeer Migranten aufnehmen, gesperrt werden. Warum, fragen die Italiener, sollten die vielen Tausenden Migranten nur in italienischen Häfen anlanden? Es gibt doch andere, sichere europäische Häfen. Sie haben damit durchaus recht.

Wenn die italienische Regierung ihre Drohung umsetzt, werden die Schiffe der NGOs bald schon Marseille anlaufen müssen, Barcelona, Rijeka oder den Hafen von Piräus. Man darf gespannt sein, wie die Regierungen der jeweiligen Länder reagieren werden. Sollten die NGOs abgewiesen werden, könnten wir bald Bilder von im Mittelmeer umherirrenden, überfüllten Schiffen erleben.

Ja, Flüchtlinge sollten auf europäische Staaten verteilt werden. Das würde Italien helfen. Doch bisher ist das kaum geschehen. Die viel beschworene europäische Solidarität kommt nicht recht in Gang. Bekanntlich weigern sich vor allem die Visegradstaaten, sich auf eine von der EU-Kommission vorgeschlagene „automatisierte“ Verteilung der Flüchtlinge einzulassen. Dafür werden diese Staaten heftig kritisiert. Doch sie haben gute Argumente für sich.

Warum etwa sollten sie sich auf eine „automatisierte“ Verteilung einlassen, wenn die EU nicht mal ihre Grenzen kontrollieren kann? Warum sollten sie einer Institution vertrauen, die in einer so zentralen Frage versagt?

Die dringendste Aufgabe der EU ist es daher, die Grenzen zu Libyen unter Kontrolle zu bringen. Das ist sehr schwierig. Und man wird das libysche Tor nicht einfach schließen können, wie es der forsche österreichische Außenminister Sebastian Kurz suggeriert. Die EU muss aber entschiedener auftreten. Sie selbst bezeichnet sich gerne als Global Player – und dieser Global Player lässt sich von libyschen Sklavenhändlern an der Nase rumführen? Wie kann es sein, dass die EU den größten Sklavenmarkt der Welt vor seiner Haustür toleriert?

Natürlich, die Lage in Libyen ist kompliziert. Es gibt keine einfache Antworten. Aber das ist ein Mantra, das man allzu häufig hört. Die EU scheut das Risiko. Doch der Hilferuf aus Italien und die damit verbundene Drohung zeigt, dass die Stabilität der EU auf dem Spiel steht. Die Grenze zu Libyen ist für die EU von existenziellem Charakter. Kein Mittel darf daher ausgeschlossen werden, auch kein militärisches.