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Hilfe aus Teheran?

 

Der Iran kann helfen, die syrische Tragödie zu beenden. Das wusste Kofi Annan, der bis vor Kurzem Sonderbeauftragte der UN für Syrien war. Darum wollte er den Iran in Gespräche einbinden. Doch der Plan scheiterte am Widerstand der USA. Washington will das Regime in Teheran auf keinen Fall aufwerten, sondern weiter isolieren. Annan warf daraufhin enttäuscht das Handtuch.

Die Machthaber in Teheran halten gewiss nicht den Schlüssel für eine Lösung des syrischen Bürgerkrieges in Händen. Doch ihr Einfluss ist groß genug, um jede Lösung zu verhindern. Wenn das iranische Regime dies will, kann es Syrien in große Schwierigkeiten bringen, das System entscheidend destabilisieren. Viel deutet darauf hin, dass es dazu bereit ist – bis heute hält es jedenfalls treu zu seinem Verbündeten Baschar al-Assad. Doch das Bündnis mit Damaskus ist kein ideologisches. Die Theokratie Iran und den säkularen Clan der Assads verbindet ein rein strategisches Machtkalkül – das aber kann sich ändern. Irans religiöser Führer Ali Chamenei könnte Assad auch fallen lassen. Dazu müsste sich etwas Grundsätzliches in derwestlichen Syrienpolitik ändern.

Manch ein Interventionist macht keinen Hehl daraus, dass es in Syrien nicht um das syrische Volk geht, sondern darum, »das schwächste Glied jener Kette zu schleifen oder gar zu brechen, die sich von Teheran über Damaskus bis zu den Iranosauriern der Hisbollah spannt« (Bernard-Henri Lévy, ZEIT Nr. 34/12). Das Hauptziel ist also die Schwächung der Islamischen Republik Iran, des Erzfeindes des Westens in der Region. Assads Sturz soll nur die Ouvertüre zum Sturz der Mullahs in Teheran sein. Diese Überlegung, nicht das Interesse an einer demokratischen Zukunft Syriens, verbindet die USA und Europa mit Saudi-Arabien und Katar.

Dabei kann man Syriens Bürgerkrieg als ebenso traurigen wie dringenden Anlass betrachten, den Iran endlich mit in die Nahostpolitik einzubeziehen. Kofi Annan wollte das, als Diplomat weiß er, dass man auch mit Gegnern sprechen muss. Der Iran möchte eine politische Rolle spielen, weil er sich aufgrund seiner Größe, seiner Geschichte und seiner Kultur als Ordnungsmacht in der Region versteht. Solange man aber dem Regime in Teheran die Pistole auf die Brust setzt, wird es mit ebensolcher Härte dagegenhalten. Besonders in der Nuklearfrage ist diese Verhärtung zu spüren.

Kaum jemand weiß, ob das Regime in Teheran überhaupt willens oder gar in der Lage ist, eine konstruktive Politik in der Region zu betreiben, eine Politik, von der keine Bedrohung ausgeht. Doch ein Versuch wäre es wert. In diesen Tagen findet die Konferenz der Bewegung der Blockfreien Staaten statt – ausgerechnet in Teheran. Die Bewegung wurde 1961 von Ägypten, Indien, Jugoslawien gegründet, um den Supermächten USA und Sowjetunion ein Gegengewicht entgegenzustellen. Die Konferenz hat wenig Bedeutung, doch potenziell immer noch viel Gewicht. Denn die Blockfreien vereinen 118 Mitglieder und stellen damit eine Mehrheit der UN-Vollversammlung. Auf dieser Plattform könnte der Iran zu einer neuen Politik ermuntert werden, und es gibt auch schon einen Mann, der diese Einladung aussprechen könnte: der neue ägyptische Präsident Mohammed Mursi. Er reist an diesem Donnerstag nach Teheran. Mursi ist mit einer frischen, demokratischen Legitimation ausgestattet, er ist ein Repräsentant des politischen Islams, als ebensolche verstehen sich auch die Mullahs in Teheran. Mursi verfügt also über einen gewissen Spielraum in der verfahrenen Politik des Nahen Ostens, auch gegenüber Teheran könnte Mursi neue Töne anschlagen. Nach Auskunft seiner Mitarbeiter soll der ägyptische Präsident einen Vorschlag mit nach Teheran bringen: den Iran in eine geplante Syrien-Kontaktgruppe einzuladen.