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Kann Monti Wahlkampf?

 

Wird Mario Monti in den Ring steigen? Nachdem der italienische Premier am 25. Dezember seinen Rücktritt erklärt hatte, hielt diese Frage die Italiener in Atem. Jetzt hat Monti entschieden. Er will auch nach den Wahlen Ende Februar Premierminister bleiben. Dafür begibt er sich in die gefürchteten Niederungen italienischer Innenpolitik.

Das ist überraschender, als es auf den ersten Blick erscheint. Ein Monti, der sich dem lähmenden innenpolitischen Gezänk aussetzt, war für viele seiner Anhänger kaum vorstellbar. Der distinguierte Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige EU-Bürokrat bezog nämlich einen guten Teil seiner Popularität aus dem Ruf, über dem Parteienstreit zu schweben. Er war de facto der Chef einer Notstandsregierung. Im November 2011 wurde Montiin das Amt des italienischen Premierministers berufen, ohne gewählt worden zu sein. Die Parteien im Parlament unterstützten ihn, weil Italien vor dem Staatsbankrott stand. Zu Monti gab es keine Alternative. Er gab sich als Mann, der nur der Sache verpflichtet war – der Sanierung der maroden Staatsfinanzen. Ein Verwalter und Retter der Nation zugleich.

Diese Zeiten sind vorbei. Jetzt wirbt Monti selbst um Stimmen. Dafür hat er ein Programm, die »Agenda Monti«, veröffentlicht. Klingst alles einfach, ist es aber nicht. Monti selbst kann nicht kandidieren, weil er als Senator auf Lebenszeit bereits in einer der beiden Abgeordnetenkammern sitzt. Die Tatsache, dass er selbst als Person nicht um Stimmen werben muss, versucht er als Vorteil zu nutzen. Er legt den Schwerpunkt auf das Programm seiner »Bewegung«. Sie soll für alle »demokratischen, bürgerlichen und verantwortungsvollen Kräfte« offen sein. Ausdrücklich will Monti seine Lista Monti nicht als eine Bewegung der »Mitte« sehen, denn Kategorien wie »rechts« und »links« sind seiner Meinung nach überholt – Überbleibsel des 20. Jahrhunderts. Es gehe nur um die Sache: die Reform Italiens. Und die sei dringend nötig. Schon das Ergebnis der kommenden Wahlen werde entscheiden, so Monti, ob »Italien weiter eine große Nation im Zentrum europäischer und internationaler Politik sein wird oder ob es in die Isolation und Bedeutungslosigkeit abrutscht«. Dramatischer kann man die Lage kaum beschreiben.

Montis Orientierung an der Sache erinnert an den Satz des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, nach dem es weder eine »rechte oder eine linke Wirtschaftspolitik gibt, sondern nur eine gute und eine schlechte«. Das ist freilich die Reduktion von Politik auf ein technisch–bürokratisches Geschäft. Man müsse die Maschine Italien nur befreien von dem lästigen Gewicht der Parteien, dann würde sie wieder zum Laufen kommen. So lautet die ganz und gar nicht verborgene Botschaft Montis.

Vor fast 20 Jahren betrat in Italien ein Mann mit ähnlichen Ideen die politische Bühne: Silvio Berlusconi. Auch ihm waren Parteien angeblich ein Graus, überholte Apparate allesamt, nur die Sache – behauptete er – zähle. Viele Italiener glaubten Berlusconi damals, weil er ein erfolgreicher Unternehmer war – und daher angeblich politikfern. Heute vertrauen viele Italiener Monti, weil er eine brillante Karriere als Wissenschaftler und Eurokrat hinter sich hat – und auch nach einem Jahr im Amt des Premiers eine angeblich noch politikferne Figur abgibt.

Monti setzt darauf, dass starke Kräfte jenseits der Parteien walten. Sie sollen seine harten Reformen stützen. Doch einstweilen haben sich Männer um die Lista Monti geschart, bei denen viele Italiener das nackte Grauen packen dürfte: Gianfranco Fini und Pier Ferdinando Casini sind nur zwei Beispiele. Beide, der Exfaschist und der ehemalige Parlamentspräsident aus der Ära Berlusconi, sind Prachtexemplare der von den Italienern zutiefst verachteten politischen Klasse.

Monti will nach eigenem Bekunden weder der sozialdemokratischen Partito Democratico noch der Partei Silvio Berlusconis Stimmen abjagen. Er möcht jene Italiener mobilisieren, die, angewidert von der Politik, sich fernhalten. Ihren Anteil schätzt er auf 40 Prozent. Wie Monti aber diese Menschen für sich einnehmen will, wenn er mit Dinosauriern der politische Kaste in den Kampf zieht, bleibt ein Rätsel. Der Mann ist kein Wahlkämpfer – und wird wohl auch keiner mehr werden. Eine relative Mehrheit traut ihm bei den Wahlen keiner zu. Wenn es gut geht, wird er Juniorpartner in einer sozialdemokratisch geführten Koalition.