Beppe Grillo muss man fürchten, seine Wähler aber nicht. Das ist der erste Schluss, den man aus dem erstaunlichen Erfolg von Grillos Partei Movimento 5 Stelle (M5S) ziehen sollte. Grillo ist ein gnadenloser Populist. Wie ein Rammbock hat er die Türen des Palastes eingetreten. Das ist durchaus ein Verdienst. Denn die politische Kaste Italiens hatte sich vom Volk abgeschottet. Sie kreiste um sich selbst. Was draußen geschah, das verstand sie nicht mehr. Sie hörte weder den Zorn der Massen, noch erkannte sie, was da auf sie zu kam. Sie war blind und taub. Und nun steht der Wüterich Grillo mitten auf der politischen Bühne, geifert, tobt und schreit. Niemand kann ihn mehr ignorieren.
Grillo gibt denen eine Stimme, die nicht gehört wurden. Und er verschaffte ihnen politische Macht. Die „Grillini“ stellen jetzt im italienischen Parlament über einhundert Abgeordnete. Sie sitzen innerhalb der Gemäuer des von Grillo so geschmähten Palastes. Jetzt haben sie die Macht, ihre Pläne umzusetzen. Sie können an einem besseren System mitbauen.
Dass die „Grillini“ das tun wollen, zeigen sie seit einiger Zeit in Sizilien. Dort wurden sie bei den Regionalwahlen im vergangenen Jahr zur stärksten Partei. Die Abgeordneten des Movimento 5 Stelle im sizilianischen Regionalparlament haben umgehend ihr Einkommen radikal gekürzt. Das eingesparte Geld floss in einen Fonds, der Mikrokredite für Unternehmensgründer auszahlte. Das war eine überzeugende Maßnahme. Denn die Italiener sind es leid, eine ebenso teure wie inkompetente politische Kaste zu unterhalten, während gleichzeitig ihre Wirtschaft immer tiefer in die Rezession rutscht.
M5S will keiner Partei ein grundsätzliches Vertrauen aussprechen. Im sizilianischen Parlament unterstützten sie die Regionalregierung von Fall zu Fall. Immer dann, wenn eine Initiative der Regierung ihren Ideen entgegenkommt. So wollten sie es auch im Parlament halten. Dieses Verfahren dient zwar nicht der Bildung einer stabilen Regierung. Denn ohne grundsätzliches Abkommen — ohne formelle Koalition — kann jede Regierung nur Stück für Stück vorankommen. Und sie ist immer in Gefahr, gestürzt zu werden, weil ihr die Grillini die Mehrheit jederzeit entziehen können. Trotzdem: Eine Politik der totalen Blockade ist es nicht.
Die Wähler und die Abgeordneten des M5S wollen also ein besseres Italien schaffen. Sie wollen bauen, nicht zerstören. Ihr Chef Grillo aber ist ein Zerstörer. Er befindet sich im Dauerkrieg mit einem nicht genauer beschriebenen System. Bauen ist seine Sache nicht. Das aber ist jetzt von Nöten. Grillo sollte jetzt abtreten, er hat seine Funktion erfüllt. Jetzt sind die Grillini dran. Zöge er sich zurück, könnte ihm der Staatspräsident sogar eine Medaille verleihen („Verdienste um die Demokratie“) – und Grillo dürfte wieder auf seine angestammte Bühne zurück, auf die des Kabaretts.