Ebola, Boko Haram, Staatszerfall, Bürgerkrieg — wenn es Themen aus Afrika in die Schlagzeilen schaffen, dann sind sie derzeit durchweg negativ. Das passt in das Klischee vom Katastrophenkontinent. An dieser Stelle wollen wir deshalb über eine bemerkenswerte politische Nachricht berichten. Sie ist auf den ersten Blick unspektakulär, aber sie kann von großer Tragweite sein. Die Nachricht erreicht uns aus Burkina Faso.
In der Hauptstadt Ouagadougou sind am Wochenende Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen den Präsidenten Blaise Compaoré zu demonstrieren. Compaoré regiert seit 1987. Bei den Wahlen 2015 darf er nicht mehr antreten, doch angeblich bereitet er ein Referendum für eine Verfassungsänderung vor, die ihm eine weitere Amtszeit erlauben würde. Dagegen demonstrieren die Menschen, sie taten es in den vergangenen Monaten wiederholt. Man kann von einem breiten, gesellschaftlichen Widerstand gegen den Präsidenten sprechen, einem demokratischen Widerstand.
Burkina Faso ist ein relativ kleines Land mit etwas mehr als sechzehn Millionen Einwohnern — es fällt nicht besonders ins Gewicht, möchte man sagen. Doch dagegen sprechen zwei Gründe, ein aktueller und ein historischer.
Sollte Compaoré durch die Bewegung zum Rückzug gezwungen werden, dann wäre dies ein weiteres Beispiel für die demokratische Vitalität einer afrikanischen Gesellschaft: Die Demonstranten in Burkina Faso haben sich von der senegalesischen Jugendbewegung „Y’en a marre“ („Wir haben genug!“) inspirieren lassen, die 2012 entscheidend mithalf, den starrsinnigen, langjährigen Präsidenten Abdulaye Wade aus dem Amt zu drängen, der für eine dritte Amtszeit kandidieren wollte, obwohl die Verfassung das nicht vorsah.
„Y’en a marre“ war ein Beweis dafür, dass man die scheinbar ewig herrschenden afrikanischen Staatschefs auch auf friedlichem Wege loswerden kann. Jung, fröhlich und sehr entschlossen war diese Bewegung. Die Strahlkraft von „Y’en a marre“ ist nicht zu unterschätzen. Und sie ist von großer Bedeutung in einer Region, in der eine Terrorgruppe wie Boko Haram für junge Männer attraktiv ist: Die Terrorgruppe rekrutiert offenbar auch Kämpfer in Burkina Faso und in Senegal.
Burkina Faso hat zudem einen Mann hervorgebracht, der viele Afrikaner inspirierte: Oberst Thomas Sankara. Er kam 1983 durch eine Revolution an die Macht und installierte ein linksgerichtetes Regime, das sehr viel Geld in soziale und Entwicklungsprojekte steckte. Sankara wollte die Verbindungen zum „imperialistischen“ Ausland kappen. Um das zu verdeutlichen, benannte er den Staat, der damals noch Obervolta hieß, in Burkina Faso um. Der Name ist Programm. Burkina Faso bedeutet „Land der Ehrenwerten“. Der Kampf gegen Korruption war eines der zentralen Anliegen Sankaras.
1987 wurde Sankara aus dem Amt geputscht, mit stillschweigender Zustimmung der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. Sankara und 30 seiner Mitstreiter wurden erschossen. Compaoré, der ein Weggefährte Sankaras war, wurde Präsident. Für viele war Sankara so etwas wie eine afrikanischer „Che Guevara“ , eine mythische Figur.
Junge Demonstranten in Burkina Faso beziehen sich nun auf ihn. Sie hören seine Reden, schauen Videos mit seinen Auftritten und zitieren ihn. Der Rapper Smockey, einer der Führer der Bewegung, gebrauchte etwa Sankaras folgende Worte: „Eine entschlossene Jugend hat vor gar nichts Angst, nicht einmal vor einer Atombombe!“ Und offenbar auch nicht vor einem Präsidenten, der nicht weichen will.