Die Kämpfer der Terrortruppe Boko Haram haben in den letzten Tagen versucht, Maiduguri einzunehmen, eine Stadt im Norden Nigerias mit zwei Millionen Einwohnern. Die nigerianische Armee hat den Angriff – soweit man den Nachrichten glauben kann – abwehren können.
Trotzdem scheint Boko Haram auf dem Vormarsch zu sein. Ihr letzter spektakulärer, grausamer Erfolg war die Einnahme der Stadt Baga. Dabei soll es zu Massakern gekommen sein, deren Ausmaß nicht feststeht. Die Zahlen schwanken zwischen 2.000 und 150 Opfern. Baga liegt am Ufer des Tschadsees. Dort gab es seit einigen Jahren eine Militärbasis, die mit Soldaten aus dem Tschad und Niger besetzt war. Die Soldaten sind vor Boko Haram geflüchtet. Inzwischen kontrolliert Boko Haram offenbar einen beträchtlichen Teil der Ufer des für die Region wichtigen Tschadsees, rund 150 Kilometer der Grenze zwischen Nigeria und Niger, und 200 Kilometer der Grenze Nigerias zu Kamerun. Mehr als eine Millionen Menschen sind auf der Flucht vor den Kämpfen. Das alles zeigt deutlich, dass Boko Haram zunehmend ein großes Problem für die Region ist.
Aber ist Boko Haram deshalb eine Organisation vom Schlage Al-Kaidas? Ist Boko Haram für den Westen so gefährlich wie Al-Kaida?
In den letzten Wochen hat man diesen Eindruck gewinnen können. Die Untaten Boko Harams bekamen große internationale Aufmerksamkeit. In den Tagen, als Maidiguri angegriffen wurde, war US-Außenminister John Kerry in Nigeria auf Staatsbesuch. Er sprach über Boko Haram und warnte vor den Gefahren des globalen Dschihadismus. Da schwang im Unterton ein Satz mit, den man in den vergangenen Jahren immer wieder gehört hat: Man könne da nicht einfach zuschauen. Man müsse etwas tun. Schließlich wachse da eine Bedrohung auch für den Westen heran.
Das ist eine fahrlässige Übertreibung. Boko Haram ist für den Westen nicht so gefährlich wie Al-Kaida.
Es wäre ein schwerer Fehler, diese Terrortruppe zu „adeln“, indem man sie als international agierende und internationalistisch denkende Organisation behandelt.
Boko Haram ist kein integraler Bestandteil, sondern ein Trittbrettfahrer des globalen Dschihadismus. Es gibt Kontakte zwischen den beiden Organisationen, aber sie sind nicht besonders eng, vorerst noch.
Die Truppe will von der furchteinflößenden Aura des globalen Dschihad profitieren.
Boko Haram ist tief in der Region verankert. Dort liegen die Ursachen für ihren Aufstieg, dort kann die Terrortruppe auch besiegt werden. Es sind die Staaten in dieser Region, allen voran Nigeria, die Boko Haram besiegen können. Dazu müssen sie zusammenarbeiten. Diese Erkenntnis ist nicht neu.
Im Februar 2013 etwa verabschiedeten drei Länder der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) ein detailliertes Papier zum Kampf gegen den Terror. Darin wird ein zentrales Prinzip festgehalten: Ein Terrorangriff auf einen Mitgliedstaat ist wie ein Angriff auf alle anderen Staaten von ECOWAS zu werten.
Daraus resultierte die Pflicht zur Kooperation im Kampf gegen den Terror. Dieses Prinzip könnten sich Nigeria, Tschad und Niger zu eigen machen – das wäre ein erster, entscheidender Schritt, um Boko Haram zu besiegen.