Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Europas Irak

 

Was für Amerika der Irak ist, das ist für Europa Libyen: eine selbst verschuldete Katastrophe.

Im Rückblick mutet es geradezu unglaublich an, mit welcher Leichtfertigkeit die Nato 2011 in Libyen intervenierte. Sie diente sich den Rebellen als Luftwaffe an und trug entscheidend zum Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi bei.

Ohne jeden Plan schlug die Nato zu, ohne auch nur eine Idee zu haben, wie man Libyen nach Gaddafi gestalten könnte. Ja, es war nicht einmal der Wille da, entsprechende Vorstellungen zu entwickeln. Kaum nämlich war Gaddafi gestürzt, da wandte man sich wieder ab. Niemand schien verstehen zu wollen, welche Kräfte man da freigesetzt hatte und welche destruktive Dynamik da in Gang gesetzt worden war. Wen kümmerte das schon? Die Nato hatte im Namen der Menschenrechte einen Diktator gestürzt! Sie suhlte sich in diesem Wohlgefühl.

Die Parallelen zu der Intervention der USA im Irak 2003 sind frappierend. Die Europäer sollten sich lieber nicht über „die kriegswütige Dummheit“ Amerikas auslassen, wie sie das gerne tun. In Libyen verhielten sie sich selber dumm und kriegswütig.

Verantwortlich für den Schlamassel sind in erster Linie der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy und der noch amtierende britische Premier David Cameron. Sie führten sich auf wie pubertierende Gelegenheitsschläger.

Als sich Deutschland im Sicherheitsrat bei der entsprechenden Libyen-Resolution der Stimme enthielt, da hagelte es Kritik von allen Seiten. Deutschland, hieß es, stelle sich mit seinem bequemen Pazifismus außerhalb der westlichen Wertegemeinschaft.

Man muss aber dem damaligen Außenminister Guido Westerwelle dafür danken, dass er Deutschland aus diesem Krieg herausgehalten hat – aus welchen Motiven er es getan hat, das ist angesichts der Lage in Libyen zweitrangig.

Es hilft aber nichts, im Nachhinein recht gehabt zu haben. Denn Libyen ist heute zu einer mannigfachen Bedrohung für Europa geworden, auch für Deutschland.

Vergangene Woche köpften IS-Terroristen 21 koptische Christen aus Ägypten an einem libyschen Strand. Das entsprechende Video stellten die Terroristen ins Netz. Nach dem Mord an den christlichen Ägyptern deutet ein Mann mit dem Messer übers Meer und sagt: „Wenn Gott will, dann werden wir Rom erobern!“

Das ist Propaganda, freilich. Doch die Botschaft ist deutlich.

Es ist Zeit, dass sich die EU Libyen zuwendet – denn an ihrer Südgrenze brennt es.

Was immer aber man jetzt unternimmt, es darf nichts überstürzt geschehen.

Das ist eine der Lehren aus der Intervention im Jahr 2011. So dramatisch die Lage in Libyen auch ist, so sehr muss die EU sich Zeit nehmen, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. 

Was müssen wir in Libyen tun? Warum müssen wir es tun? Was tun wir und was lassen wir? Was wollen wir erreichen? Was können wir überhaupt erreichen?

Auf diese Fragen muss die EU mit Blick auf Libyen Antworten finden.