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Wahrheiten über Tito

 

Titos Atombunker in Konjic, Bosnien@Ulrich Ladurner
Titos Atombunker in Konjic, Bosnien@Ulrich Ladurner

 

Wenige Kilometer von der kleinen bosnischen Stadt Konjic entfernt, tief in einen felsigen Berg gegraben, liegt der Bunker des langjährigen jugoslawischen Staatschefs Josip Broz, besser bekannt unter dem Namen Tito. Es gibt einiges, das man durch ein Besuch des Bunkers über den diktatorisch herrschenden Tito lernen kann, über Fakten und Mythen, die sich um sein Leben ranken.

Tito war ein erfolgreicher Geheimniskrämer

Der Bau des Bunkers, in dem sich Tito, seine Familie und seine engsten Mitarbeiter im Falle eines Atomkrieges zurückziehen sollten, begann 1953, aber erst 1979, kurz vor Titos Tod, wurde er fertiggestellt. Während dieser 26 Jahre ist angeblich niemandem in Konjic aufgefallen, dass ein paar Kilometer entfernt ein großes Bauwerk in den Berg gegraben wurde.

Kein Lastwagen mit Steinen, Schutt oder Felsbrocken, keine Arbeiterkolonnen seien je gesehen worden. Das erzählt man sich jedenfalls. Es ist aber auch möglich, dass die Menschen in Konjic zwar alles wussten, aber aus Angst geschwiegen haben, vielleicht aber auch aus Zuneigung. Tito war schließlich nicht unbeliebt, besonders in der damaligen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien. Immerhin wurden die bosnischen Muslime unter seiner Herrschaft 1971 zum ersten Mal als Staatsvolk anerkannt.

Die Arbeiter, so heißt es weiter, seien mit verbunden Augen durch die Gegend gefahren worden, bis sie die Orientierung verloren. Dann erst habe man sie an ihren Arbeitsplatz gebracht, den Berg mit dem, wie es heißt, härtesten Fels Jugoslawiens. Und sie sollen nur nachts gearbeitet haben.

All diese aufwendige Geheimnistuerei erklärt vielleicht, warum es 26 Jahre gedauert hat, einen 20.000 Quadratmeter großen Bunker bis zu 300 Meter tief in den Fels zu schlagen.

Es kann aber auch sein, dass das alles nur eine Legende ist, dazu erschaffen, eine unbequeme Realität zu verbergen: Auch Titos sozialistisches Jugoslawien war eine ziemlich ineffiziente Veranstaltung. Man brauchte für alles etwas länger.

Trotz aller gegenteiligen Gerüchte: Tito liebte seine Jovanka bis in den Tod

Im Jahre 1952, an seinem 60. Geburtstag, heiratete Tito die 27-jährige Jovanka Budisavljević – an seiner Seite gewann die junge Frau, die im Zweiten Weltkrieg als Partisanin gekämpft hatte, rasch an politischem Einfluss.

Ihre Eleganz und ihre Schönheit trugen dazu bei, die scharfen, blutigen Kanten des Diktators zu übertünchen. Jovanka trug wesentlich dazu bei, Tito zu einer Figur des internationalen Jetsets zu machen. Schauspieler wie Sophia Loren, Kirk Douglas, Richard Burton, Elizabeth Taylor kamen nach Jugoslawien, um Tito ihre Aufwartung zu machen, sie sonnten sich in seinem Glanz und er in ihrem. Doch diese Berühmtheiten kamen gewiss auch wegen Jovanka, die für den nötigen Glamour an dem Hof des kommunistischen Monarchen sorgte.

Doch leicht muss es für Jovanka an der Seite Titos nicht gewesen sein, denn der Mann war ein notorische Schürzenjäger.

In den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann in der Partei der Kampf um die Nachfolge Titos. Jovanka fiel ihm zum Opfer, sie wurde zeitweise beschuldigt, eine russische Spionin zu sein. 1977 zog Tito in ein anderes Haus. Auch wenn er von seinen Parteigenossen gedrängt wurde, sich von ihr endgültig zu trennen, verweigerte er die Scheidung.

Im Atombunker von Konjic steht ein weiterer Beweis für Titos Liebe: ein Schminkkästchen für Jovanka. Es wurde nach der Fertigstellung des Bunkers 1979 dort aufgestellt, zwei Jahre nachdem Tito aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen war.

Im Falle eines Atomkrieges wollte er sie an seiner Seite haben, niemanden sonst. Der Atomkrieg brach nicht aus, und Tito blieb von Jovanka getrennt. Er starb 1980, sie starb völlig mittellos 2013.

Tito war kein russischer Spion, eher ein türkischer

Über Tito sagten die Menschen vieles, zum Beispiel behauptete man, dass er ein russischer Spion gewesen sei. Ein Beweis dafür sei, dass Tito in den Jahren vor dem Zeiten Weltkrieg zwei Finger hatte, die an einer Hand kürzer waren als an der anderen. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien aber alle Finger gleich lang gewesen. Der echte Tito, schlussfolgern die Anhänger der Spionage-These, soll durch einen Agenten der UdSSR ersetzt worden sein. Manche Menschen glaubten bei ihm auch einen einen leichten russischen Akzent herauszuhören.

In einem Kontrollraum seines Bunkers steht eine Zeichnung an der Wand,  welche alle Bunker Jugoslawiens mit ihren Codenamen darstellt.

Und welchen Codenamen hat Titos Atombunker? Istanbul! Das soll Beweis dafür sein, dass Tito ein türkischer Spion war. Ist natürlich keiner, aber er ist mindestens so stark wie der angebliche Beweis, dass er in Wahrheit ein Russe gewesen sei,  oder ein österreichischer Monarchist, die Theorie gibt es nämlich auch.

Es gab einen Attentäter unter den Bunkerarbeitern 

Der Atombunker hat die Form eines Hufeisens, der auf einer Ebene bis zu 300 Meter tief in den Fels getrieben wurde. Dort, wo der Bunker am tiefsten im Felsen liegt, gibt es eine Treppe, die einzige in der gesamten Anlage. Sie führt in die Räumlichkeiten Titos: Vorzimmer, Arbeitszimmer sowie Schlafzimmer und Bad für Tito und Jovanka. Die letzte Stufe dieser Treppen ist höher als die anderen. Wenn Tito herabstieg, konnte er sehr leicht stolpern, stürzen und sich was brechen, wenn nicht Schlimmeres. Das ist nicht abwegig. Tito war bei seinem ersten und einzigen Besuch im Bunker 87 Jahre alt. Er wäre nicht der erste alte Mann, der bei einem Treppensturz zu Tode kommt. Gut möglich also, dass einer der Bunkerarbeiter ein heimlicher Attentäter war.

Das sind alles Geschichten, die man glauben kann, aber nicht glauben muss. Titos Atombunker ist jedenfalls eine Quelle der Inspiration, auch für Künstler. Zum dritten Mal findet hier schon eine Kunstbiennale statt. Über 100 Installationen sind zu sehen, darunter ist ein auf Drahtseilen hängender Sarg, der die Büste Hitlers enthält. Hitler soll ja, nach einem Buch, das ein serbischer Richter vor Jahren geschrieben hat, ein Schulfreund Titos gewesen sein – sie haben sich angeblich prächtig verstanden.