Auf den Bahngeleisen am griechisch-mazedonischen Grenzübergang Idomeni lagerten bis vor wenigen Wochen noch Tausende Migranten. Sie warteten auf ihre Weiterreise in den Norden Europas, mitunter wochenlang. Mazedonien hatte einen vier Kilometer langen Stacheldrahtzaun errichtet und ließ nur Syrer, Afghanen und Iraker durch. Alle anderen blieben hier stecken. Es waren Tausende. Zelte, improvisierte Behausungen, frierende Menschen – die Bilder von Idomeni gingen um die Welt.
Jetzt sind die Bahngeleise frei, ab und zu fährt sogar ein Zug mit Güterwagen vorbei. Es kommen immer noch Tausende Migranten, aber sie müssen an einer Autobahnraststätte weiter im Inneren Griechenlands warten, bis sie in Begleitung der Polizei an den Grenzübergang gebracht und relativ schnell abgefertigt werden. Ob die Zahl der Migranten gesunken ist, kann keiner mit Sicherheit sagen. Sicher ist nur, dass sie immer noch sehr hoch ist. Und dass die Verhältnisse am Grenzübergang Idomeni heute etwas geordneter wirken.
Zu der neuen Ordnung gehört, dass der mazedonische Grenzzaun inzwischen auf 30 Kilometer verlängert worden ist. Und dass griechische Polizisten Präsenz zeigen. Bis vor wenigen Wochen waren sie hier nicht zu sehen. Jetzt sind einige Beamte hier und weisen die Migranten an, sich in Reihen aufzustellen bevor sie die letzten Schritte zur Grenze machen können.
Ein griechischer Polizist schaut auf die lange Menschenschlange. Es kommt zu einem Gespräch.
Polizist: „Was ist das?“
Ich: „Wie? Was ist das?“
Polizist: „Was ist das, was soll das? So viele Menschen.“
Ich: „Sagen Sie es mir, sie arbeiten hier als Polizist. Sie sind wahrscheinlich länger hier als ich.“
Polizist: „Was soll das? All diese Leute? Ihr braucht Arbeiter in Deutschland? Dann nehmt Rumänen, Bulgaren, nehmt doch Griechen. Die brauchen alle Arbeit. Aber das? Was ist das?“
Wieder schaut er auf die lange Menschenschlange und schüttelt den Kopf
Polizist: „Was soll das? Wer ist dafür verantwortlich?“
Ich: „Ich weiß nicht, wissen Sie es?“
Polizist: „Merkel, Hollande, Draghi.“
Ich: „Sie meinen, die sind verantwortlich?“
Polizist: „Hinter Merkel ist jemand, hinter allen diesen Politiker steht jemand. Ich weiß es!“
Ich: „Aber wer denn?“
Er schaut mich lange an und lächelt.
Polizist: „Ich weiß, wer.“
Ich: „Sagen Sie es mir: Wer?“
Polizist: „Sie wissen es auch!“
Ich: „Nein, ich weiß es nicht!“
Er lächelt wieder.
Polizist: „Doch, doch Sie wissen es. Wir beide wissen es. Ich muss es ihnen gar nicht sagen. Wir wissen es.“
Dann wendet er sich wieder seiner Arbeit zu und ruft den Migranten zu.
„Hier lang! Hier lang!“