Barack Obama hat zum letzten Mal als US-Präsident Europa besucht. Und es war ein Abschied voller Wehmut – und voller Sorge. Denn Obamas Nachfolger heißt Donald Trump. So leidenschaftlich die Europäer – und unter ihnen besonders die Deutschen – Obama zumindest anfangs verehrt haben, so vehement lehnen sie Trump ab.
Jetzt, wo Obama aus dem Amt scheidet, haben die Deutschen und die Europäer noch einmal begriffen, was sie an ihm hatten, trotz aller Mängel. Seine letzte große Rede in Athen, in der er die Kraft der Demokratie beschwor, auch gegen Populisten wie Trump, erinnerte sie daran, dass Politik auch visionär sein kann, jenseits des reinen Krisenmanagements.
Der Besuch bot aber auch die Gelegenheit, über das Verhältnis zu den USA nachzudenken. Und das ist, um es gelinde zu sagen, von ziemlich schwankender, unsteter Natur.
Als Obama vor acht Jahren gewählt wurde, bekam er in Europa den Status eines Erlösers, und das ist keine Übertreibung. Der erste Schwarze im höchsten Amt einer ehemaligen Sklavenhalternation, ein Intellektueller ersten Ranges, ein großer Rhetor mit einer „globalisierten“ Biografie und einer Regenbogenkoalition hinter sich: Obama repräsentierte die Zukunft. Eine Mehrheit der Deutschen lag ihm zu Füßen.
In dieser Begeisterung ging unter, dass Obama in erster Linie der Präsident einer Weltmacht war, die sich imperial überdehnt hatte. Obama musste und wollte den Rückzug der USA verwalten und die Schäden, die die Überdehnung verursacht hatten, so gut wie möglich beheben.
Die USA hatten den Zenit ihrer Macht überschritten. Obama handelte entsprechend. Er brachte Tausende Soldaten aus dem Irak und Afghanistan nach Hause, er hielt sich nach Kräften von neuen Konflikten fern (Syrien) und konzentrierte sich auf das, was er selbst „nation-building at home“ nannte, den Wiederaufbau der amerikanischen Nation.
Den Ukraine-Konflikt überließ Obama den Europäern
Obama blieb dabei immer Internationalist, gewiss. Er hielt fest an den UN, an der Nato ebenfalls. Aber die geschwächten USA standen im Zentrum seiner Politik.
Das Heimatland schützte er mit Drohnen, die auf Distanz töteten (so viel wie noch nie zuvor), er schickte Spezialeinheiten in die Ferne, um Feinde der USA auszuschalten, er wurde der Herr einer gewaltigen Überwachungsmaschinerie und ein gnadenloser Verfolger von Whistleblowern.
Die Welt „da draußen“ überließ er zunehmend sich selbst.
Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, da schob Obama den Konflikt den Europäern zu. Schon bei der Intervention in Libyen im Jahr 2011 hat er sich zurückgehalten.
„Leading from behind“, so nannte er das. Überzeugend klang das nicht.
Obama kümmerte sich um sein Land – sein größtes Projekt war kein außenpolitisches, es war seine Gesundheitsreform.
Das America First, das Donald Trump so laut und dröhnend verkündet, macht den Europäern aus guten Gründen Angst.
Doch Europas Einsamkeit begann schon lange vor Trump größer zu werden, sie begann mit Obamas Präsidentschaft.
Aber sehen wollten viele Europäer das nicht, weil die überhöhte Sehnsuchtsfigur namens Obama ihnen den Blick verstellte. Sie schauten ihn an und sahen ihre eigenen Wünsche. Doch er betrieb Amerikas Geschäfte, so wie es ihm richtig erschien.
Freilich, Trumps America First ist von einer neuen Qualität.
Trump ist zuzutrauen, dass er in Kürze nach Moskau fährt und sich dort, über die Köpfe der Europäer hinweg, mit dem Mann verständigt, den er offenbar bewundert: Wladimir Putin.
Bei Obama war das undenkbar.
Denn es war immer klar, dass er auf den Boden westlicher Werte steht, bei Trump kann man sich da nicht so ganz sicher sein.
Bei aller Verunsicherung, die von dem neuen gewählten Präsidenten ausgeht, die Europäer müssen sich einer Sache klar sein: Sie haben ein existenzielles Interesse daran, dass die USA der Nato verpflichtet bleiben. Daran ändert auch eine Präsident Trump nichts.
Europa ist ohne die USA gegenüber Russland wehrlos
Das Entsetzen über Trump ist in Europa auch deshalb groß, weil die Europäer im Grunde ihres Herzens wissen, dass sie gegenüber einem aggressiven Russland ohne die USA nicht werden bestehen können.
Die EU versucht derzeit zwar in aller Eile eigene Verteidigungsstrukturen aufzubauen und zu organisieren, doch das tut sie ausdrücklich NICHT in Konkurrenz zur Nato, sondern als Verstärkung der Nato.
Das Ziel dieser Bemühungen ist nicht die Emanzipation von den USA, sondern eine Ergänzung des bestehenden Bündnisses.
Keine noch so geartete EU-Armee kann die Nato ersetzen. Das soll und darf sie auch nicht. In Brüssel weiß man das.
Eine EU-Armee ohne Nato, das wäre der Traum Putins. Er hätte damit das Ziel erreicht, das schon die Führer der Sowjetunion erreichen wollten, eine Spaltung des Westens. Und nichts würde ihm leichter fallen, als die Europäer gegeneinander auszuspielen.
Und wer jetzt sagt, Europa müsse den Westen führen, weil die USA einen Präsidenten namens Trump haben, der hat es allzu eilig mit dem Begräbnis der westlichen Führungsnation USA.
Außerdem: Europa taugt nicht zum Führer des Westens, dafür ist es zu schwach und zu uneins, auch Deutschland sollte sich diese Feder nicht anstecken.
Es war die Hybris, die am Anfang des Niedergangs der Weltmacht USA stand, das sollte Europa eine Lehre sein.
Europa muss den Westen nicht führen, es muss besser werden, einiger, entschlossener, klüger, und ja: auch kampfbereiter. Das würde fürs Erste schon reichen.
PS: Zur Erinnerung: Im Jahr 2030 werden die Europäer vier Prozent der Weltbevölkerung ausmachen.