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Die letzten Fenster werden geschlossen

 

Auch die akademische Freiheit ist vor ihm nicht sicher: Viktor Orbán macht Ungarn immer mehr zu einem autoritären Regime, und niemand tut etwas dagegen.

Es ist ein Uhr mittags. Nicht mehr als zehn Demonstranten sind vor die Haftanstalt in der Budapester Gyorskocsi-Straße gekommen. Angeführt werden sie vom ungarischen Oppositionspolitiker Peter Juhàzs. Die Demonstranten werfen Eier auf das Tor, um gegen die Verhaftung des Aktivisten Márton Gulyás zu protestieren. Binnen weniger Minuten tauchen zahlreiche Polizisten auf, prüfen die Papiere der Anwesenden, filmen mit einer auf einem Auto aufgepflanzten Kamera und bauen sich mit grimmigen Gesichter bedrohlich auf.

Das Ziel ist klar: Die Anwesenden sollen eingeschüchtert werden. „Verstehen Sie“, sagt eine Demonstrantin, „warum wir das Gefühl haben, in einem Polizeistaat zu leben?“

Neben ihr steht ein Mann und hält eine blaue Fahne der EU in die Höhe. Vor der mächtigen, düsteren Fassade der Haftanstalt ein ebenso rührendes wie hilfloses Bekenntnis zur Europa.

Man reibt sich die Augen, innerhalb der Europäischen Union baut Premier Viktor Orbán Ungarn seit Jahren in ein autoritäres Regime um – und nichts geschieht.

Jetzt hat Orbán ein Gesetz durchgepaukt, dessen einziges Ziel es ist, die renommierte, vom US-Milliardär George Soros 1991 gegründete Central European University (CEU) in Budapest zu schließen. Außerdem soll ein weiteres Gesetz verabschiedet werden, das die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen erheblich erschweren würde. Zehntausende Ungarn sind in den letzten Tagen auf die Straße gegangen, um dagegen zu protestieren.

Orbán schließt in Ungarn die letzten Fenster der Freiheit, und es ist höchste Zeit, dass sich nicht nur in Brüssel, sondern auch in Europas Hauptstädten Protest dagegen erhebt. Kommt Orbán mit seinem Gesetz gegen die CEU durch, wäre es das erste Mal in der Geschichte der Europäische Union, dass eine Universität geschlossen wird.

Es geht hier nicht um die Auseinandersetzung zwischen der Regierung Orbán und einer Universität, es geht auch nicht um eine politische Auseinandersetzung zwischen links und rechts, zwischen liberal und konservativ. Es geht um die akademischer Freiheit. Das ist ein fundamentaler Wert einer jeden freien Gesellschaft.

Viktor Orbáns Partei Fidesz ist Mitglied der Europäischen Volkspartei, der auch die CDU/CSU angehört. Politiker der Union sollten sich bei der nächsten Gelegenheit – und die kommt bestimmt – unauffällig unter die Demonstranten vor die Haftanstalt in der Budapester Gyorskocsi-Straße mischen. Dann könnten sie am eigenen Leibe spüren, welchen Staat hier ihr Parteikollege Orbán gebaut hat.

Und sie würden sich gewiss fragen, warum sie nicht rechtzeitig eingeschritten sind.