1.) Afghanistan ist kein Land in dem man so etwas wie einen Sieg erringen kann. Darum sollte man aufhören von Sieg oder Niederlage zu reden. Mit Afghanistan kann man nur eine mehr oder weniger guten modus vivendi finde – freilich gilt das auch umgekehrt.
2.) Der Westen ist in Afghanistan an die Grenzen seiner Macht gestoßen
3) Soldaten sind nicht für den Wiederaufbau von „failed states“ geeignet.
Mit Blick auf den Krieg in Pakistan, mit Blick auf den Krieg in Afghanistan möchte ich eine Artikel hier noch einmal vorstellen, den ich zum Amtsantritt Obamas geschrieben habe. Er trägt den Titel Obama, der Krieger. Dazu möchte ich Ihnen noch den Artikel von Garry Wills ans Herz legen, der am 8.10.2009 in der New York Review of Books erschienen ist.
Als der erste Mogulherrscher Babur 1530 im indischen Agra starb, wünschte er sich nichts mehr als in Kabul begraben zu liegen, der Stadt, die er wegen seiner Schönheit über alles liebte. Die Leiche Baburs wurde 1544 aus Indien überführt und seither liegt sie hier begraben, unter einem schlichten Stein aus Marmor, in dem riesigen Garten, der sanft zur Stadt hin abfällt und den Babur selbst angelegt hatte, als ein Abbild des Paradieses. Es ist gut über Baburs Garten zu sprechen, wenn immerzu nur vom Krieg die Rede ist, von Bombenangriffen, Selbstmordattentaten und all dem anderen blutigen Geschäft. Baburs Garten schenkt den Afghanen das Gefühl, dass das Leben auch was anderes zu bieten hat als den Schrecken, den sie seit Jahrzehnten gewohnt sind. Er schenkt ihnen eine Form Sicherheit, die ihnen Waffen nie geben könnten. Auf diesem Gedanken fußt die Arbeit der Agha Khan Stiftung, die sich seit 2002 – unterstützt mit Geldern des Deutschen Außenministerium – um die Renovierung des arg in Mitleidenschaft gezogenen Gartens kümmert – erst vor kurzem ist er den Afghanen zur Verwaltung übergeben worden. Jetzt müssen sie sehen, dass sie dieses Juwel bewahren können. Wer nach Kabul kommt, hat Bilder im Kopf von kriegerischen, wilden Afghanen, den unbezähmbaren Stämmen, die sich wieder daran machen, den letzten Besatzer ihres Landes, die Nato, aus dem Land zu werfen. In Baburs Garten aber liegen die wilden Männer im Gras, lachen, tratschen, zwitschern wie die Vögel in den Bäumen, grüßen und wild an ihnen ist nur die Lust am Leben, und manchmal natürlich auch die Art wie sie ihren Müll entsorgen, nämlich gar nicht. Doch Wächter sind schnell zur Stelle, streng achten sie darauf, dass der Garten sauber bleibt. Der Ehrgeiz mit dem sie zu Werke gehen, ist nicht zu übersehen, selbst der Mann am Schalter, wirkt so feierlich ernst als würde er Karten für die Pariser Oper verkaufen. Baburs Garten ist ein Spiegel. Er vergibt den Afghanen keine Unzulänglichkeiten, und er beschenkt sie mit der Gewissheit, dass sie selbst in der Lage sind, sich das Schönste zu bewahren. Das macht sie sicher.
Das Selbstmordattentat in Afghanistan ist angeblich eine neues Phänomen. Afghanen sind keine Selbstmörder. So lautet die Annahme. Die Tatsache, dass es Selbstmordattentäter in Afghanistan gibt, nehmen deshalb viel Analysten als Beweis für die Anwesenheit von Al Kaida. Diese Terrorganisation habe diese Form des Kampfes perfektioniert – und nach Afghanistan importiert. Doch nun lese ich in einem Buch Gregory Feifer, dass es schon in den achtziger Jahren in Afghanistan das eine oder andere Selbstmordattentat gegen die sowjetischen Besatzer gegeben hat. Wenn das stimmt – und es sieht danach aus -, dann sind Selbstmordattentate kein exklusives Kampfmittel von Al Kaida. Die Tatsache, dass sich Menschen in die Luft sprengen und andere mit in den Tod reißen, ist keine Beweis für die Anwesenheit von Al Kaida.
In der Polizeiakademie von Kabul werden die Maenner ausgebildet, die fuer die „selbstragende Sicherheit“ in Afghanistan sorgen sollen. Mit anderen Worten: Machen sie Ihre Arbeit gut, dann – sagt die Nato – werden die westlichen Soldaten aus Afghanistan abziehen.
Rekruten in der Polizeiakademie@Ulrich Ladurner, Kabul, Oktober 2009
Immer noch ist unklar, welche Strategie Präsident Obama in Afghanistan verfolgt. Derweil schaffen Verbündete Fakten: Holland, Kanada, Japan – alle ziehen Truppen ab.
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Barack Obama muss in diesen Tagen entscheiden, ob er mehr Truppen nach Afghanistan schicken wird, so wie es seine Oberbefehlshaber, Stanley McChrystal, verlangt. Bis zu 40.000 Soldaten will McChrystal haben. Gegen dies Vorschlag wadte sich Us-Vizepräsident, Jo Biden. Er setzt auf eine Politk des „leichten Fußabdruckes“ Mit anderen Worten: Biden möchte Truppen aus Afghanistan abziehen und den Kampf gegen Al Kaida aus der Luft mit unbemannten Drohnen und mit wenigen Spezialeinheiten fortsetzen.
Diesen Vorschlag Bidens kritisiert der Sicherheitsexperte Richard Bennet in einem Artikel, den er für für das Magazin Foreign Policy geschrieben hat – es ist ein lesenswerter Beitrag. Bennet glaubt, dass eine Politik des „leichten Fußabdrucks“ bereits in den neunziger Jahren in Somalia angewendet wurde. Die Amerikaner zogen sich dort zurück, nachdem sie Verluste erlitten hatten. Sie verließen sich auf Raketen und in jüngster Zeit auch auf Spezialeinheiten, , um Somalia zu „kontrollieren“. Die Ergebnisse, so Bennett, sind bekannt: eine islamistische Radikalisierung in Somalia, Piraterie in den Küstengewässern, ein Zusammenbruch jeder staatlichen Autorität. Genau das und noch schlimmeres würde geschehen ,wenn man sich aus Afghanistan zurückzöge, meint Bennet.
Benetts Somaliavergleich ist interessant, doch geht er von einer Annahme aus, die mir sehr fraglich erscheint: dass eine Politik des „schweren Fußabdrucks“ Somalia und auch Afghanistan stabilisieren könnte – dass also der Westen im weitesten Sinne in beiden Fällen die Macht hätte, wenn er nur wollte, die Probleme zu lösen. Das ist, wie ich finde, eine Form der Selbstüberschätzung.
Diese Selbstüberschätzung aber bringt eine gefährliche Entwicklung mit sich. Jede Instabilität in irgendeinem Land interpretiert sie als Angriff auf die westlichen, sprich amerikanischen Interessen. Das führt zu einer Militarisierung der Außenpolitik. Zu diesem Thema empfehle ich wärmstens das Buch von Andrew Bacevich.
Es ist inzwischen klar, dass die Präsidentschaftswahlen in Afghanistan massiv gefälscht worden sind. Die Vorwürfe richten sich zu Recht auf den amtierenden Präsidenten Hamid Karzai. Aber dabei geht vergessen, dass auch der Westen ein gerüttelt Maß an Verantwortung hat: Hätte er die Wahlfälschungen nicht verhindern können? Immerhin waren die Manipulationen im Vorfeld schon weitum bekannt gewesen. Warum hat man geschwiegen? Hatte man die Hoffnung, ein die Situation aussitzen zu können?
Vor allem: Wie soll sich die Nato nun verhalten? Soll sie den Präsidenten Karzai stützen, der eine Wahlfälscher ist? Wie wollen die Regierungen der Nato, ihren Bürgern zu Hause erklären, dass ihre Soldaten sterben sollen, um einen Präsidenten zu schützen, der Wahlen fälschen lässt?
Es gibt keinen Ausweg aus dem Dilemma. Nur eines ist klar: Je länger die Lage unentschieden bleibt, desto mehr verschärft sich die Lage. Die afghanische Regierung ist delegitimiert und dadurch handlungsunfähig. Und Afghanistan kann nur gewonnen werden, wenn der Wiederaufbau und die militärische Kampagne von glaubwürdigen afghanischen politischen Akteuren begleitet wird. Wie sollen die Afghanen an gute Absichte des Westens glauben, wenn sie einen Wahlfälschungen „decken“?
Im November 1986 beschloss das Politbüro der Sowjetunion, die Rote Armee aus Afghanistan zurückziehen. Marschall Sergej Akromeijev beschrieb die Ursache für die Niederlage in einem Satz: „Wir haben den Kampf um das afghanische Volk verloren!“