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07. Juni 2018 – Ausgabe 24

 

Leserbrief zu „Vogelschiss mit Sahne“ von Peter Dausend

Auch bei ernsthafter historischer Betrachtung ist es völlig verfehlt, ausgerechnet auf „tausend“ Jahre erfolgreicher deutscher Geschichte zu verweisen. Vermutlich ist dem sonst so zynisch kalkulierenden und gezielt provozierenden Herrn Gauland hier einfach eine Art Freudscher Fehlleistung unterlaufen: Bei der Erwähnung der zwölf unappetitlichen Jahre hatte er wohl im Hinterkopf, dass diese ja eigentlich auf ein tausendjähriges Reich angelegt waren, und so sind ihm die tausend erfolgreichen Jahre durchgerutscht. Herr Gauland hat den Schritt vom Biedermann zum Brandstifter längst vollzogen. – Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Heilmann


Leserbrief zu „Germany First!“ von Kerstin Kohlenberg und Mark Schieritz

Ihren Artikel „Germany First!“ habe ich mit großem Interesse gelesen, da er durch wenige Beispiele die Auswirkungen der Globalisierung auf die jeweiligen Arbeitsmärkte sehr gut und nachvollziehbar veranschaulicht. In dem Artikel geht es jedoch – wie auch bei anderen aktuellen Themen – nur um Arbeitsplätze. Der Umweltaspekt – sprich, die immensen Schäden, die der Mensch durch das permanente Hin- und Hertransportieren von Waren weltweit verursacht – werden in keinster Weise berücksichtigt. Aufgrund des immer größeren Warenverkehrs kommt es in unserem Umfeld zu verstopften Autobahnen durch die vielen LKWs oder Feinstaubalarm in den Städten – verursacht u.a. auch durch die immens zunehmende Anzahl der Paketdienste. Vom ständig steigenden Luftverkehr oder der Luft- und Wasserverschmutzung durch immer größere Containerschiffe (Schweröl) spricht leider keiner. Ich bin wahrlich kein Fan von Donald Trump, aber durch seine Politik des Protektionismus tut er – sicher ungewollt – unserer Umwelt in gewisser Weise einen großen Gefallen. Auf einem anderen Blatt steht natürlich Trumps Umweltpolitik in den USA bzw. der Ausstieg aus dem Klimaabkommen. Aber indem sich wieder vermehrt auf heimische und regionale Produkte besonnen würde (zwangsläufig durch steigende Einfuhrzölle), besteht ja die Hoffnung, dass sich der weltweite Warenstrom sowie der damit verbundene Ausstoß von klimaschädlichen Gasen auf ein verantwortbares Maß reduzieren könnte. Ich bin gelernte Speditionskauffrau und habe selbst mehr als 10 Jahre u.a. Transporte von Industrieanlagen (u.a. für General Motors sowie Siemens oder Bayer) weltweit organisiert und vom Export profitiert. Mittlerweile arbeite ich im Hofladen eines Bio- Bauernhofes und lege großen Wert auf Regionalität. – Simone Gerbrand


Leserbrief zu „Pleite im Märchenland“ von Marcus Rohwetter und Jens Tönnesmann

Wie man doch immer wieder mit dem guten alten Schneeballsystem die Leute hinters Licht führen kann. Gier schaltet Verstand aus! Mehr gibt es dazu  nicht zusagen. – Siegfried Wache


Leserbrief zu „Schauen Sie sich die Beschimpfungen an? Ja, leider!“ von Tina Hildebrandt und Giovanni di Lorenzo und „Gesellschaftsspiele“ von Johannes Dudziak und Cathrin Gilbert

Der Bundespräsident fragt sich, ob Özil und Gündoğan bei ihrem Treffen mit Erdoğan vielleicht „überrumpelt worden sind.“ Die meisten Profi-Sportler begeben sich leider vollständig in die Hände ihrer Berater, die sowohl für derartige politische Instinktlosigkeiten wie auch für die Formulierung der nachgeschobenen Entschuldigungsfloskeln verantwortlich sind. Besonders pikant ist, dass der Berater von Özil und Gündoğan zu der Agentur ARP gehört, deren Chef der Berater von Joachim Löw ist. Man kann sich unschwer vorstellen, zu welchen Interessenskollisionen es bei einer solchen Konstellation kommen kann. Für den DFB ist dieser Vorfall besonders ärgerlich, weil er im Wettbewerb mit Erdoğans Verband um die Ausrichtung der EM 2024 steht. – Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Heilmann


Leserbrief zu „Schauen Sie sich die Beschimpfungen an? Ja, leider!“ von Tina Hildebrandt und Giovanni di Lorenzo

Im Interview mit der Zeit äußert Bundespräsident Steinmeier Verwunderung über die Fussballspieler Özil und Gündogan. Das klingt ganz anders als seine erste Stellungnahme, in der er um Verständnis geworben hat. Nun wurden die beiden Spieler im Testspiel der DFB-Elf gegen Österreich von Teilen der Fans ausgepfiffen. Wochen zuvor zeigten sie öffentlich ihre Sympathien für den türkischen Präsidenten Erdogan mit Geschenken und Fototermin während des türkischen Wahlkampfs. Die Politik Erdogans ist geprägt von willkürlichen Festnahmen, grundlosen, monatelangen Inhaftierungen missliebiger Bürger und militanten Aktionen gegen den kurdischen Teil der Bevölkerung sowie militärischer Intervention in das Nachbarland Syrien. Genau das macht aus dem an sich harmlosen Treffen ein Politikum. Wenn die deutsche Fussballnationalmannschaft tatsächlich für Deutschland steht, dann sollte sie auch für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte stehen. Also für genau das Gegenteil der derzeitigen türkischen Politik. Von mir aus kann ruhig eine Multikultitruppe auflaufen, egal ob mit Klose und Podolski mit polnischem oder Boateng mit ghanaischem Hintergrund oder wer auch immer. Das Özil und Gündogan allerdings Erdogan nach wie vor als „ihren Präsidenten“ bezeichnen und sich nicht von dessen Politik distanzieren, disqualifiziert sie für das deutsche Team. Umso unverständlicher ist für mich das ganze Verständnisgedusel von Löw, Bierhoff und Grindel.  Am unerträglichsten ist jedoch die Privataudienz bei Bundespräsident Steinmeier, der sich letztlich zu Erdogans Gehilfen macht und die beiden trotz breiter öffentlicher Empörung wieder raushaut. Noch als Außenminister hat Steinmeier sich lange um die Freilassung der zu Unrecht Inhaftierten Denis Yücel, Peter Steudtner und vieler anderer bemüht. Und jetzt gesteht er den beiden Spielern „zwei Heimaten“ zu. Der Bundespräsident und die komplette DFB-Führung tappen in die Beschönigungsfalle. Die Fans scheinen jedoch nicht so schnell zu vergessen. – Mark Schulte


Leserbrief zu „Über einen großen Kolumnisten“ von Harald Martenstein im ZEITmagazin

Ich weiß nicht, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, dass ein Verfasser von Glossen/Kolumnen über andere Verfasser von Glossen/ Kolumnen schreibt, oder ob das nicht eher eine Schnaps-Idee von Bukowski-haftem Format ist. Beim Lesen Ihrer heutigen Glosse habe ich jedenfalls an verschiedenen Stellen gedacht, er schreibt zwar über Bukowski, aber er könnte auch sich selber gemeint haben. Jedenfalls lobt er Bukowski geradezu über den grünen Klee, sogar, wenn er diesen(?) als „hässlich und alt“ beschreibt. Oder vergleicht er sich vielleicht eher mit Knausgård, dem „bemühten Jungen aus der Mittelschicht“? Von dem wird ja, anders als er bei Bukowski unter- stellt, heute alles gedruckt. Also, nochmals, ich fürchte, auf dieser Idee ruht kein Segen. – Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Heilmann


Leserbrief zu „Die unglücklichen vier“ von Jörg Kramer

Erst die Leistungen und das Abschneiden der deutschen Mannschaft bei der WM werden zeigen, ob die Entscheidungen von Löw bei der Auswahl des Kaders „richtig“ waren. Widersprüchlich und fragwürdig sind sie auf alle Fälle, insbesonder im von Ihnen beschriebene Fall Petersen: Dessen vorläufige Nominierung war mit seiner Qualität als Einwechselspieler begründet worden. Außerdem war er in der vergangenen Saison (bei einem Abstiegskandidaten!) der erfolgreichste deutsche Torschütze. Warum zählte das plötzlich nicht mehr? Vermutlich war er nur deswegen – vorläufig – nominiert worden, um den unbequemen Sandro Wagner ausbooten und zugleich Gómez vor dessen Konkurrenz „schützen“ zu können. Leroy Sané hat eine außerordentlich erfolgreiche Saison beim englischen Meister Manchester City hinter sich. Kein anderer deutscher Spieler ist so schnell und dribbelstark wie er. Trotzdem wurde ihm z. B. Goretzka vorgezogen, der seit Bekanntgabe seines Wechsels zu Bayern München nur noch schwache Leistungen gezeigt hat. Zwei der drei nominierten Torhüter hatten zuletzt keine oder kaum Spielpraxis. Und, last but not least – der Kader umfasst (inkl. Goretzka) acht Spieler von Bayern München, mehr als ein Drittel, während kein anderer Bundesligaverein mehr als einen Spieler entsendet. Es fragt sich, ob das – trotz der Dominanz von Bayern München in der Bundesliga – nicht ein wenig zuviel des Guten ist, auch im Lichte der starken Beanspruchung dieser Spieler. – Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Heilmann


Leserbrief zum Titelthema „Was haben die gegen uns?“

Selten, um nicht zu sagen noch nie habe ich Zeit-Artikel zu einem so wesentlichen Thema wie zum Thema „Deutschland aus der Sicht der anderen“ so intensiv gefunden wie diese Woche! Ob es auf der ersten, ob es über die Kanzlerin auf Seite zwei und drei oder das Interview mit Hern Steinmeier ist – alle exzellent in der Darstellung, in der Recherche, der Diktion und vor allem in der Herausarbeitung der Problematik! Chapeau! Alles treffend! Ich hoffe, dass nicht nur unsere Politiker diese Seiten lesen und sich die Aussagen zu Herzen nehmen, sondern viele, viele Mitbürger*innen diese Artikel lesen! Hoffentlich bleibt bei allen etwas hängen und die Politiker handeln dementsprechend! – Dr. Wolf Günther


Leserbrief zu „Kann diese Pflanze böse sein?“ von Fritz Habekuß

Der Bericht über Palmöl – Segen oder Fluch – ist aufschlussreich, aber er sagt nicht, dass in Indonesien aufgrund der Brandrodung für die Anlage von Palmöl-Plantagen 400mal so viel Kohlendioxid freigesetzt wird wie mit Hilfe von Palmöl auf derselben Fläche pro Jahr eingespart werden kann. Auch von der Vertreibung der Urbevölkerung wegen des forcierten Palmanbaus liest man nichts. Es gibt 5000 Landkonflikte. Schließlich sollte man erfahren, dass Palmöl nach der Ernte sofort verarbeitet werden muss, damit es nicht ranzig wird. Die lokalen Ölpressen werden nicht mit Palmkernöl betrieben, sondern mit importiertem Diesel. Bei der industriellen Verarbeitung entstehen aufgrund der starken Erhitzung unerwünschte Schadstoffe, so Glycidol-Fettsäureester, das von der WHO als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ (Gruppe 2A) eingestuft wird oder 3-MCPD Fettsäureester, das die Agentur als gentoxisch betrachtet. In Babymilch, Keksen, Schokoladen, Kindersnacks und Kartoffelchips fanden sich solche Substanzen. – Stefan Kaisers


Leserbrief zu „Spiel mit der Schuld“ von Ijoma Mangold

Ich beziehe mich im Folgenden auf die Stelle „Nein, das kam von Herzen. Beziehungsweise von jenem Ort der Psychomotorik, wo die Zwangsneurosen sitzen.“ Das ist, mit Verlaub, in so vielerlei Hinsicht blödsinnig, dass ich nicht umhinkann, es zu kommentieren.
1. Ad hominem, genauer: Pathologisierung. Hier wird ganz eindeutig versucht, das Argument des Gegners durch den Verweis auf dessen persönliche Krankhaftigkeit zu widerlegen. Wollen wir das, ZEIT?
2. Gebrauch von Fachvokabular, das nicht allgemein geläufig ist. All diejenigen, denen die Geläufigkeit fehlt, fühlen sich schlecht. Der Autor spreizt sich. Wollen wir das?
3., und jetzt kommt es ganz dicke. Gebrauch von Fachvokabular in völlig falschem Sinn oder Zusammenhang.
3A. Psychomotorik. Was Frau Mangold meint, ist ein psychologischer Reflex, eine Mechanik der Psyche. Nun bedeutet Psychomotorik aber etwas völlig anderes, nämlich die Gesamtheit der muskulären Vorgänge, die dem Ausdruck psychischer Verfassungen dienen, insbesondere also die Haltung, Gestik und Mimik einer Person. Es handelt sich um einen Begriff, der typischerweise in jedem psychiatrischen Befund vorkommt. Wiki: „Gesamtheit des körperlichen Bewegungs- und Ausdrucksverhaltens, das durch psychische Vorgänge beeinflusst ist.“
3B. Nicht genug. Denn auch „Zwangsneurose“ bedeutet alles andere als das, was hier insinuiert wird.  Frau Mangold meint offenbar so etwas wie eine mentale Fixierung auf eine bestimmte, der Korrektur nicht mehr zugängliche Idee. Wenn man nun partout pathologisieren will, so wäre das im psychiatrischen Jargon eine Wahnidee, eine wahnhafte Fixierung oder dergleichen. Diese wird nämlich nicht reflektiert, sondern mit allen Mitteln bestätigt. Eine Zwangsstörung (der Begriff Zwangsneurose ist wissenschaftlich obsolet) hingegen ist eine Erkrankung, bei der ein innerer Zwang herrscht, bestimmte Dinge immer wieder zu denken oder zu tun, in ritueller und quälender Weise, die vom Betroffenen selbst als sinnlos oder übertrieben erkannt wird. Genau das aber wird Herrn Gauland nicht unterstellt; vielmehr soll sein Denkreflex ja ich-synton sein, konfliktfrei, „von Herzen“ kommend.
4. ergibt sich aus 3: Schiefe Metapher. Es gibt keinen „Ort“ der Psychomotorik, und schon ganz gewiss nicht einen, „wo die Zwangsneurosen sitzen“ wie die drei Hexen in Macbeth. Insgesamt ist also diese Stelle unwürdig, überheblich, ignorant und (ignoranter Weise) niederträchtig gegenüber Zwangskranken, die den Schaden ja schon haben und somit für den Spott nicht zu sorgen brauchen. Frau Mangold, schreiben Sie 100 mal „ich soll keine Worte gebrauchen, deren Sinn ich nicht erfasst habe“, und Redaktion, geh in dich, es war immerhin ein Leitartikel. Da sollte es nicht reichen, dass sich etwas so anhört, als würde es sitzen. – Sebastian Gruben


Leserbrief zu „Unerkannte Mörder“ von Anne Kunze

Als sich 1973 die medizinische Klinik III  des Städtischen Klinikums Darmstadt (Schwerpunkt Nephrologie) aufbaute, war es selbstverständlich, dass etwa 70 % der Patienten routinemäßig seziert wurden. Das Ergebnis wurde anhand der Organe mit dem Pathologen   besprochen. Dieser  war absolut sachlich und weit entfernt von jeder „ postmortalen Besserwisserei“. Es gab kaum eine Sektion, bei dir wir Klinik-Ärzte nicht irgendetwas und seien es nur Kleinigkeiten dazu lernten. Insbesondere gab sie uns die Basis  zu diskutieren, ob man  alles richtig gemacht hat.  Leider bröckelte diese Zahl über die Jahre ab. Der Grund war, dass immer mehr Angehörige die Sektion ablehnten. Übrigens ohne zu wissen, wie der Verstorbene dazu gestanden hätte. Eine im Krankenhaus damals nicht so wichtige Rolle spielte auch die miserable Bezahlung. Unsere Öffentlichkeit ist durch die Auffassung bestimmt,  dass nur die Selbstbestimmung des Menschen wo auch immer entscheidend sein darf. Dies ist auch meine Meinung, ungeteilt. Wir sollten aber nach Österreich schauen: dort kann jeder einen kleinen handgeschriebenen formlosen (!)  Zettel in sein Portmonee legen mit der Bemerkung: keine Explantation, keine Leichenöffnung. Wem dies zu unsicher ist, kann auch noch eine Registrierung im Internet vornehmen (lassen). Wem auch immer  an der Unversehrtheit seiner Leiche etwas liegt, dem kann man diese geringe Mühe zumuten. Wer meint, dies nicht tun zu müssen, zeigt damit, dass ihm die Sache nicht so wichtig ist (was für die Masse der aufgeklärten Menschen heute die Regel sein dürfte). Ich fordere also die Einführung der „österreichischen“ Lösung und, da stimme ich mit Herrn Kollegen Birkholz voll überein, eine angemessene Honorierung der Sektion ( Inneren Leichenschau). Wenn ich unseren Klempner angemessen bezahle, da er sonst gar nicht mein Haus beträte,, kann ich nicht verlangen, dass Ärzte für ein lächerliches Geld arbeiten. – Dieter Höffler


Leserbrief zu „Von linker Moral und neoliberalen Interessen“ von Sarah Wagenknecht

Es gibt (mindestens) zwei Fragen zu diesem Artikel/dieser Bewegung:
– wenn die linken Bewegungen wie Podemos, auf die sich die Autoren berufen, so wichtig sind, warum sind alle „Neo-Linken“ wie Podemos, Syriza, 5Stelle etc., so gegen die etablierten Linken? Warum gibt es da keine Annäherung sondern eher „Verbrüderung“ mit rechten Populisten?
Und – wie wollen Sie einen einfachen Arbeiter mit diesem verqueren, hochintellektuellen Deutsch (Adorno und Dutschke lassen grüßen) begeistern? Der wird locker zu jedem Rechtspopulisten rennen, weil dessen Sprache eben näher ist. Oder anders herum gefragt: waren Sie mit Ihren Ideen mal in Düsseldorf-Mahrzahn oder Dresden oder Leipzig und haben „das Volk“ angesprochen? Und wie hat sich das angefühlt? Und wie sind Ihnen diese Menschen gefolgt? – Wolfgang Michel


Leserbrief zu „Die unglücklichen vier“ von Jörg Kramer

Es gibt keine einleuchtende Erklärung, warum der Kader, der sich übers Jahr empfohlen haben sollte, um vier  Streich-Kandidaten  erweitert wird.  Wem da die Auswahl schwerfällt, sollte Platz für einen kompetenteren Nachfolger machen. Nachnomminieren kann man im verletzungsbedingten Einzelfall immer noch. In den seltensten Fällen ist unter den Vieren auch ein gleichwertiger Ersatz zu finden. Also eine reine PR-Maßnahme, um kurz vor einer WM- oder EM die Spannung hoch zuhalten und die unbedingte Kompetenz des Bundestrainers zu unterstreichen. – Stephan Besche


Leserbrief zu „Spiel mit der Schuld“ von Ijoma Mangold

Stolz, Deutscher zu sein. Nationale Schuld und nationaler Stolz sind schon sehr spezielle Konstruktionen. Warum sollte ich mich schuldig fühlen für Nazi-Verbrechen, die ich weder begangen habe noch hätte beeinflussen können? Warum sollte ich stolz sein etwa auf die Leistungen der Dichter und Denker, auf Beethoven, Kant, Goethe, Gauß und Einstein, zu denen ich nichts beigetragen habe? Doch genau das passiert ständig und überall auf der Welt. Insbesondere wer selbst nichts hat, worauf er stolz sein kann, ist eben stolz auf seine Nation, seine Religion oder seinen Fußballverein. Historische Erfolge wirken dann identitätsstiftend. Aber auch negative Ereignisse. Tatsächlich scheint die Pflege der gemeinsamen Opferrolle besonders verbreitet zu sein. Im Jugoslawienkrieg sind fürchterlichste Verbrechen geschehen, aber Serben, Kroaten und Bosnier sehen sich ausschließlich als Opfer. Palästinenser und Israelis, beide Opfer. Die Tibeter sind Opfer der Chinesen, die Chinesen Opfer der Japaner, die Japaner Opfer der einzigen jemals eingesetzten Atombomben. Die ganze Welt übertrifft sich gegenseitig darin, ihre Täterrolle zu verdrängen und die Opferrolle zu betonen. Stehen wir voll Bewunderung vor diesem Verhalten? Sollten wir es übernehmen? Deutschland ist wohl das einzige Land dieser Welt, das sich anders verhält. Das mit Mahnmalen auch an seine Schandtaten erinnert. Manchmal wird es sogar übertrieben und jegliche Hinweise auf eigene Opfersituationen erscheinen verpönt. Dennoch. Für unsere Geschichte können wir nichts. Wohl aber für unseren Umgang damit. Und dabei sind wir Deutschen alles andere als durchschnittliche Allerweltsbürger. Wir sind im Gegenteil einzigartig auf der Welt. Und das, finde ich, in einem positiven Sinn. Darauf können wir mit Recht stolz sein. – Hans-Dirk Kämpfer


Leserbrief zu „Arme Schweine“ von Katharina Heckendorf

Vielen Dank für Ihren ebenso informativen wie schockierenden Artikel. Man kommt (mal wieder) um die Erkenntnis nicht herum, dass sich so manche Saubande außerhalb des Schweinestalls aufhält. Den Amtsveterinären, die ihr verordnetes Schweigen brechen, gebührt uneingeschränkter Respekt und sie bedürfen eines besonderen gesetzlichen Schutzes. Ich hoffe, ihr Verbandsvertreter Vogel lässt seinen warmen Worten auch Taten folgen. – Claus Marquardt


Leserbrief zu „Spiel mit der Schuld“ von Ijoma Mangold

Die Einen beharren auf der Schuld der Deutschen, wollen sie schuldbewusst, bussfertig auch noch in der 3. Generation; die Wahrnehmung eigener Interessen hätten sie noch auf lange Zeit verwirkt. Das ist zu einem Totschlag-Argument in jeder politischen Auseinandersetzung geworden, ist die Zwangsneurose, die man den Deutschen einreden möchte. Die Anderen meinen, dass 70 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur und nach dem Bombenkrieg die heutigen Deutschen die eigenen politischen Interessen genauso wie andere Völker wahrnehmen und dafür streiten dürfen. Die AfD will die überbordende Einwanderung nach Deutschland begrenzen: ihre Politiker und Wähler werden als Nazis beschimpft. Diese Keule ist immer leicht zur Hand, wenn man entgegengesetzte Interessen verfolgt, so z.B. der Landesausländerbeirat Hessen oder politische Gegner. Sätze wie „Gauland und die AfD können sich nationale Identität nur triumphalistisch vorstellen“ oder „Aus ihrer Sicht haben Nationen ein Anrecht auf ein gutes Gewissen – selbst um den Preis, die geschichtliche Wahrheit zu beugen“ gehen ganz offensichtlich an der Wahrheit vorbei. Es ist enttäuschend, dass auch ein Herr Ijoma Mangold sich dazu versteigt, ZEIT-Literaturchef mit deutsch-nigerianischen Wurzeln. – Renate Ehrich


Leserbrief zum Titelthema „Was haben die gegen uns?“

Nach vielen Jahren Sommer-Urlaub in Österreich stellen meine Frau und ich bedrückend fest, dass auch die „Fremdenfeindlichkeit“ gegen uns Deutsche, hier in Österreich/Wörthersee angekommen ist. In Velden, in einer Apotheke, monierte ein österreichischer Kunde – als meine Frau der Apothekerin ihren von der Sonne verbrannten Arm zeigen wollte – man wird von den Ausländern hier erdrückt! Ähnliche Aussprüche hörten wir bei vielen Begegnungen. – Heinz Ommer


Leserbrief zu „Wie halten Sie es mit dem Gender?“

Nachdem nun auch unsere deutschsprachige Schriftstellerschar zu dem Thema beiträgig geworden ist, möchte auch ich nicht hintanstehen und trete mit folgendem Vorschlag zur Güte hervor (obwohl ich vollinhaltlich die von Frau Lewitscharoff so schlagend vorgebrachte Position teile): Es könnte doch unser Suffix „-chen“ von seinem fast ausschließlich zur Verniedlichung dienenden Gebrauch befreit werden, indem es genderneutral und -übergreifend umfunktioniert wird. Wir bekämen dann Formen wie: das Professorchen; das Bundeskanzlerchen, womit Masculinum und Femininum etc. problemlos abgedeckt sein würden. Auch könnte beispielsweise  das Hallervorden’sche „Liebe Kinder und Kinderinnen“ durch ein einfaches „Liebe Kinderchen“ ersetzt werden. Gleichzeitig würde das etwas unmotiviert in der Grammatik herumstehende Neutrum vitalisiert werden.- Ich gebe gerne zu, dass auch dies keine hundertprozentige Lösung ist. Tatsächlich sollten Bildungen wie „jederchenmännchen“ oder gar „jederchenfrauchen“ lieber vermieden werden, da sie doch eher einen putzigen, wenn nicht gar forcierten Beiklang hätten. Aber vielleicht bekäme dadurch so mancher Diskurs etwas mehr von zwischenmenschlichem Respekt getragener Wärme; wäre ja auch nicht zu verachten. – Jürgen Wißner


Leserbrief zu „Wie viel Anpassung muss sein?“ von Evelyn Finger

Der Artikel über die Ergebnisse der Integrationsstudie „Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung“ ist zwar in der aktuellen Ausgabe der ZEIT, seiner Relevanz entsprechend, begrüßenswerterweise von mehreren anderen Artikeln zum gleichen Thema  flankiert. Aus dem Artikel von Frau Finger ergeben sich – und da bin ich vermutlich nicht der einzige ZEIT-Leser – dennoch so viele Irritationen und offene Fragen,  dass ich Ihnen zumindest die wichtigste davon hiermit stellen möchte: – Wie darf man sich eigentlich ganz konkret die Absichten und Ansichten jener Menschen vorstellen, die, laut dieser Studie, für eine „kulturelle Anpassung der Mehrheitsbevölkerung an Migranten“ sind? Ich glaube, diese Frage ist berechtigt, wenn man die Ergebnisse dieser Studie ernst nimmt: Wenn man die roten Bereiche der Balken der Grafik „Präferenzen nach Migrationshintergrund“ addiert, dann haben in Deutschland derzeit nämlich scheinbar rund 800.000* Menschen (davon 600.000 ohne, 200.000 mit Migrationshintergrund) diese Meinung. Und ich fürchte: Selbst wenn man, was einigen nicht gelingen wird, und einige nicht wollen, den Rest der Erkenntnisse dieser Studie – also das, was die blauen, grauen und grünen Balkenbereiche abbilden – vollkommen in Ordnung findet, sind die Ergebnisse dieser Studie der Bertelsmann Stiftung noch immer ein beunruhigender Befund. – Peter Jungwirth


Leserbrief zu „Spiel mit der Schuld“ von Ijoma Mangold

Alexander Gauland hält eine Politik seiner Partei ohne Eklats offensichtlich nicht für möglich. Die Entschuldigungen, die er den zumeist massiven Empörungen sodann nebst Hinweisen auf Verkennung und Missdeutung des Gesagten regelmäßig folgen lässt, gehören freilich zur perfiden Gesamtinszenierung und sind durchweg einer intellektuellen Wahrnehmung nicht wert. Umso mehr hoffe ich, dass die AfD, parlamentarisch wie außerparlamentarisch, schon bald ein Vogelschiss gewesen ist, fortgespült von der demokratischen Vernunft der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Wer glaubt, mit Respektlosigkeit, mit nationalem Populismus und Egoismus ihr/sein Heimatland verteidigen zu können, wird letztlich Frieden, Freiheit und Sicherheit destabilisieren und hat aus der Geschichte unabweisbar nichts gelernt. – Ira Bartsch


Leserbrief zu „Germany First!“ von Kerstin Kohlenberg und Mark Schieritz

Da sind Mark Schieritz böse Schnitzer unterlaufen: “In den USA … sind die Durchschnittslöhne in den vergangenen 20 Jahren doppelt so stark gestiegen wie in Deutschland …” Es ist für den Außenhandel völlig irrelevant, wenn er die US-DURCHSCHNITTSLÖHNE heranzieht, um dem deutschen Staat implizite ein Lohndumping zu unterstellen, denn die US-DURCHSCHNITTSLÖHNE sind wegen den exorbitanten Einkommenssteigerungen der oberen 10% so hoch. Wenn er die Durchschnittslöhne der unteren 60% betrachtet hätte, dann fallen die USA mit der Entwicklung der Reallöhne nämlich hinter Deutschland zurück. Und, es ist nicht der deutsche Staat, der die Löhne drückt, denn wir haben immer noch eine Tarifautonomie der Gewerkschaften und Unternehmen. Und, die tatsächlich sehr hohen Lohnsteigerungen in einigen Südländern sind auf die durch die Einführung des Euro und dadurch bewirkten Niedrigzinsen hervorgerufene Konjunkturblase zurückzuführen und nicht auf deutsche Lohndrückerei. Da Deutschland die zu DM-Zeiten üblichen Aufwertungen im Euro nicht mehr durchführen kann, sind die deutschen Exporte geradezu explodiert und die Importe verkümmert. Die Bundesregierung hat es versäumt, vor einigen Jahren durch selektive und sukzessive Aussetzung der Mehrwertsteuerbefreiung für Exporte eine Aufwertung des “deutschen” Euro zu emulieren. – Dr. Hergen Heinemann


Leserbrief zu „Der Wahn der Überlegenheit“ von Jason Stanley

Ihr Autor, Jason Stanley, hat recht, das Abgehaktsein und die  allgemeine Zufriedenheit über die Bewältigung des einzigartigen Massenmordes ist virulent. Nach ca. 3 Jahren Ihrer Ankunft in Deutschland kommen unsere Neubürger in der Schule auch zu dem Thema Wie kam Hitler an die Macht,was geschah nach der Machtübernahme etc. Es ist nicht einfach, die 12 Jahre mit den ganzen Einrichtungen der Verfolgungen und des fabrikmäßigen Mordens z.B. einem Afrikaner  richtig erklären zu können. Sie kommen zum Teil auch aus autokratischen Staaten und sie haben auf den Fluchtwegen viel erlebt, aber so etwas bei den heute – angeblich – so beliebten Deutschen….? – Hartmut Wagener


Leserbrief zu „Schauen Sie sich die Beschimpfungen an? Ja, leider!“ von Tina Hildebrandt und Giovanni di Lorenzo

Gerne greife ich das Hauptthema unseres Herrn Bundespräsidenten, Zustand und Zukunft der Demokratie, auf, das natürlich auch im Rahmen des höchst interessanten ZEIT-Interviews angesprochen worden ist. Reflexionen und Debatten über die demokratischen Wertstellungen sollten selbstverständlich und ad infinitum vorgenommen und geführt werden, denn die Staatsform unseres Landes und deren Verfasstheit bestimmen und beeinflussen unser aller Leben, tagein, tagaus. Alles, was in diesem Land geschieht, basiert auf Demokratie. Trifft diese Aussage auf ein Faktum nicht zu, ist es nicht rechtstaatlich, die Verwendung desjenigen mithin illegal. Viele jener (Glücklichen), die von dieser Ansicht nur wenig überzeugt sind, dürften indes selbst in einer recht gut funktionierenden Demokratie leben. Darum gilt es, dieser bestmöglichen staatsbürgerlichen Errungenschaft regelmäßige Anteilnahme zu gewähren, demokratisch liefern müssen also nicht allein, wenngleich freilich zuvorderst, die gewählten Volksvertreter. Sonst droht in der Tat eine fatale Schwächung oder gar Selbstabschaffung der Demokratie (Länder wie etwa  Polen oder Ungarn geben allemal zu denken), sonst droht der Albtraum der Abschaffung der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung. Die von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angestoßene Vermessung unserer demokratischen Werte ist daher überaus richtig und wichtig, und da es – frei nach Adorno – keine richtige Demokratie in der falschen gibt, bleibt sie es auch. – Matthias Bartsch


Leserbrief zu „Kann diese Pflanze böse sein?“ von Fritz Habekuß

In seinem Artikel über das Palmöl („Kann diese Pflanze böse sein?“, ZEIT vom 7.6.2018) gibt Fritz Habekuss die aktuelle Zahl der Hungernden mit „800 000 Millionen“ an. Da hat er wohl zu einem Tausendstel recht. Und ich nehme mir jetzt das Recht zu 999 Wörtern Kritik. Dazu benutze ich Daten der Weltbank. Die gibt für die Zahl der Unterernährten zwei Werte an. Im Kapitel „Health“ gibt es „Prevalence of undernourishment (% of population)“, doch diese Reihen starten erst im Jahr 2000. Im Kapitel „Aid effectivness“ gibt es „Poverty headcount at $1.90 (2011 PPP)“; diese Werte werden üblicherweise alle drei Jahre erhoben, starten 1986 und führen bis ins Jahr 2013. Deutschland hatte danach 1990: 79,4 Mill. und 2013: 82,5 Mill. Einwohner, von denen nach dem $1,90-Maß schon 1990 alle mindestens ausreichend ernährt waren. (Als Kontrolle ließe sich die theoretisch die Prozentzahl der übergewichtigen Kinder einsetzen – die wird aber für Deutschland nicht angegeben.) In der Welt soll es 1990: 5288 Mill. Menschen gegeben haben, von denen 35,5%, also 1877 Mill. unterernährt, folglich 3411 Mill. mindestens ausreichend ernährt waren. Bis 2013 ist die Zahl der Menschen auf 7185 Mill. gewachsen und die der Unterernährten auf 10,9 % = 783 Mill. gefallen – die der Ausreichend Ernährten mithin auf 6402 Millionen angestiegen. Was bewirkte den Unterschied? Die Deutschen sind von 1990 bis 2013 auf 82,5/79,4 = 103,9% gewachsen. Dieses bescheidene Bevölkerungswachstum auf die ganze Welt angewendet, hätte im gleichen Zeitraum zu 5288*1,039 = 5494 Millionen Menschen geführt, von denen nach dem $1,90-Maßstab alle (mindestens) ausreichend ernährt gewesen wären. Das sind natürlich alles graue Zahlenspielereien. Grau? Dass die schneller wachsenden Einwohnerzahlen deutscher Großstädte mehr Wohnungen brauchen, begreifen die meisten deutschen Journalisten und sie machen allerlei Vorschläge, um die Wohnungsnot zu lindern. Eine nicht genannte Möglichkeit bestünde darin, den Zuzug in die Großstädte zu stoppen. Gäbe es irgendeine Möglichkeit, das Bevölkerungswachstum der Erde zu bremsen? In meinem kleinen Bekanntenkreis kenne ich zwei Männer, die sich nach der Zeugung von zwei (ehelichen) Kindern sterilisieren ließen. Auch deutsche Frauen kommen finanziell besser weg, wenn sie sich Empfängnisverhütungsmittel kaufen, als wenn sie sich mit Kindern herumplagen, deren Erzeuger sich aus dem Staub gemacht haben. Wie sieht es in der Dritten Welt aus? In der Gruppe der Länder mit geringem Einkommen wuchs die Bevölkerung im Zeitraum 1990-2003 von 323 Mill. auf 608 Millionen, also auf 188%. Warum, wieso, weshalb? Weil diese Länder ständig neue Kämpfer brauchen, um ihren Besitz an Land, Wasser und sonstigen Mineralien zu schützen, den ihnen die bösen Nachbarn im Osten, Süden, Westen und Norden wegnehmen wollen. Und wie sollen die armen Journalisten, wie soll ich armer Nachrichtengucker das Leben aushalten, wenn es nicht jeden Monat neue Straßenkämpfe und (Bürger-)Kriege gibt? Theoretisch würden zehn Prozent der Entwicklungshilfe als Empfängnisverhütungsmittel ausreichen, um das Bevölkerungswachstum auf einen Pfad zu führen, den die Erde erträgt. Aber – ich sehe es ja ein – wer kommt schon gegen die Überlebensgier der Herrscher in der Dritten Welt an? – Armin Amrhein


Leserbrief zu „Der Wahn der Überlegenheit“ von Jason Stanley

Wer 1985 zum 1. Mal nach Deutschland kam, sollte mit Urteilen über die Studentenbewegung allein aus der Rekonstruktion vorsichtig sein. Der Vorwurf von Jason Stanley, wir (ich gehörte damals dazu) hätten den Faschismus nur als Folge des Kapitalismus begriffen und nicht im Zusammenhang mit unserer deutschen Geschichte gesehen, ist absurd. In Wahrheit war die Studentenbewegung viel mehr ein Generationenkonflikt, also eine Antwort auf die jüngere deutsche Geschichte, als eine Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus. Sie war antiautoritär und brach radikal mit der Generation der Eltern. Wenn die sich ethnisch überlegen fühlten und gleichzeitig als Opfer stilisierten, war uns das zuwider. Ihr konsequentes Schweigen über die Nazi-Vergangenheit machte uns misstrauisch. „Traue niemand über 30“, war ein allgemein verbreiteter Spruch. Wir waren internationalistisch. Viele von uns schämten sich, Deutsche zu sein. Wir waren nebenbei bemerkt auch keine „Studierendenbewegung“, wie Stanley unablässig betont. Genderdeutsch gab es noch nicht. Stanley wirft uns vor, wir hätten nicht mit den Juden als Opfern des Faschismus geredet. Leider wahr, es gab praktisch keine mehr, mit denen wir hätten reden können. Trotzdem hätte er ja mal mit uns reden können. – Friedrich Thimme


Leserbrief zu „Der Wahn der Überlegenheit“ von Jason Stanley

Ich stimme Ihnen zu, dass Deutschland, seine Regierung und viele seiner Bürger selbstherrlich und überheblich sind. Warum musste Außenminister Genscher als erster Kroation als Staat anerkennen, warum drängt Deutschland auf Regeln und Vorschriften für andere Nationen, und nimmt für sich selbst in Anspruch, davon abweichen zu dürfen. Warum belehrt man andere: „Macht erst mal eure Hausaufgaben“. Die 68iger haben zurecht das gesellschaftliche System angegriffen, das Nazis nahtlos weiterbeschäftigte, leider aber nicht die eigenen Eltern in Frage gestellt. Ich habe mich schon als Jugendliche für die deutsche Vergangenheit und deutsches Verhalten geschämt und immer gehofft, dass im Ausland niemand merkt, dass ich Deutsche bin. Mein Großvater war im KZ als politischer Häftling, ich traue mich erst seit Kurzem, das überhaupt zu erwähnen. Ich schäme mich auch für die schleppende und hartherzige Entschädigung der noch lebenden Opfer und ihrer Familien. Sie schreiben, dass die Nazis die einzigartige Arbeitsethik der Deutschen sich zunutze gemacht hätten. Sie haben Recht und die Nazis haben außerdem die Romantik missbraucht, wie sie einfach alles missbraucht haben. Ich stimme Ihnen auch zu, dass es keine wirkliche „Aufarbeitung“ der Nazivergangenheit gab. Man konnt sich mit den Dokumentationen, Filmen, Büchern dazu beschäftigen, aber man musste es nicht. Irgendwie hat man die Vergangenheit „bewältigt“, d.h. verdrängt, klein gemacht, wie jetzt gerade wieder. Nur bei der auch heute noch „überlegenen Arbeitsethik“ kann ich Ihnen nicht folgen. Denn es gab schon in der katholischen Ethik die Pflicht, ora et labora, nicht Gebet und nicht Arbeit allein machen selig, sondern der mäßigende Ausgleich zwischen beiden. In der protestantischen Arbeitsethik spielt der Beruf selbst keine Rolle, sondern wichtig ist, dass jede Arbeit mit Fleiß ausgeführt werde. Das ist göttlicher Auftrag und Maßstab. Dagegen steht die klassische griechische Philosophie mit ihrer Vorstellung, dass nur geistige und gedankliche Arbeit zählt, während körperliche Arbeit verpönt ist. Ich bin nicht gläubig, aber auch ich bin von der protestantischen Ethik geprägt. Arbeit ist für mich wichtig, sie füllt mich aus und macht mich zufrieden, egal, was ich tue und ob bezahlt oder nicht. Da das protestantische Christentum in vielen Ländern die kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung bestimmt hat, bin ich sicher, dass eine ähnliche Arbeitsethik, wie Sie sie an den Deutschen beobachten, auch in anderen Ländern zu finden ist (jeder ist seines Glückes Schmied, Tellerwäscherkarriere). Ist nicht der Grund für die schulmeisterliche Überheblichkeit der Deutschen eher eine narzistische Persönlichkeitsstörung und eine krankhafte Geltungssucht? Man sehnt sich nach Bedeutung, allerdings ohne Verantwortung übernehmen zu wollen. Und Deutschland bildet sich zuviel ein auf seine Dichtkunst, Musik und Ingenieurfähigkeiten. – Doris Silligmann


Leserbrief zu „Spiel mit der Schuld“ von Ijoma Mangold

Karl der Große ist keineswegs ein Aushängeschild deutscher Geschichte. Er könnte eher moslemischen Terroristen als Vorbild dienen, hat er doch 5000(?) Geiseln ermorden lassen, weil sie die Taufe verweigerten. Goethe: „…als Herrn Carolus‘ leidgem Degen die edlen Sachsen unterlegen.“ – Christine Preyer


Leserbrief zu „Der Wahn der Überlegenheit“ von Jason Stanley

1959 veröffentlichte Adorno seinen Artikel „Was bedeutet Aufarbeitung der Vergangenheit?“Im Ton blieb er illusionslos, obwohl mancher damals glaubte, nun könnte diese, endlich, wenn auch verspätet beginnen. Dass noch immer nicht ausreichend „aufgearbeitet“ wurde, daran zu erinnern ist gerade in diesen Zeiten, die das scheinbar immer weniger wahrnehmen wollen („Vogelschiß“), so wichtig. Als Deutscher, seit Jahrzehnten im Ausland lebend und auch noch deutsche Literatur lehrend, fragt man sich oft irritiert aus der Distanz, wieso viele Dinge der deutschen Geschichte und des Deutschseins, wie sie zum Beispiel Thomas Mann so bedrängten, in der Öffentlichkeit weitgehend unausgesprochen, verdrängt bleiben. Überlegenheitsarroganz, Opferhaltung,  Arbeitsethos, fragwürdige Standpunkte der 68er: Stanleys Thesen sind überzeugend, zumindest sehr bedenkenswert. Es ist aber dann doch wieder beruhigend, wenn wenigstens Die Zeit Stimmen Raum gibt, die sich zu deutschem Wahn und zu deutschem Alptraum (durchaus ja bisweilen auch in scheinbar unverfänglicheren Zusammenhängen), rückhaltlos und rücksichtslos äußern. – Prof. Dr. Michael Dallapiazza


Leserbrief zu „Germany First!“ von Kerstin Kohlenberg und Mark Schieritz

Die Beschreibung dessen, was in Lordstown und in Ulm passiert ist, ist sehr anschaulich und verständlich – allerdings nichts wirklich Neues oder Überraschendes. Enttäuschend sind aber Ihre Erklärungsversuche, warum die Entwicklungen jeweils so verlaufen sind: Wer (Regierung, Unternehmer, Gesellschaft ?) hat in Lordstown was (?) versäumt, um die wegfallenden Arbeitsplätze durch neue zu ersetzen ? Dazu lese ich bei Ihnen gar nichts. Man könnte zum Beispiel darauf verweisen, dass neue Arbeitsplätze eben nicht in Lordstown, sondern im Silicon Valley (und in Asien) entstanden sind. Ihre Erklärungen, warum es in Ulm besser gelaufen ist, sind zwar vorhanden, werden aber einerseits kleingeredet („…mag durchaus auch an den innovativen deutschen Unternehmen….“) und andererseits durch falsche Behauptungen zu begründen versucht. Da heißt es, der deutsche Staat „… lässt sie zwar ins Land, sorgt aber dafür, dass sie kaum jemand kauft“. Wie kommen Sie zu dieser Behauptung ? Was hat der deutsche Staat dafür getan, dass sich kaum ein deutscher Autokäufer für amerikanische Autos interessiert ? Es ist schlicht und einfach so, dass GM, Ford und Co. für den europäischen Markt nicht viel zu bieten haben. Jedenfalls nichts, was das Intereesse der deutschen (eruopäischen) Autokäufer wecken würde. Das in den USA meistverkaufte Auto, der Ford-Pickup F150, hat Dimensionen, mit denen sich selbst geübte Autofahrer in keine deutsche Innenstadt wagen würden, um nur einen Aspekt zu nennen. Für unsere Kaufentscheidungen spielen im Wesentlichen drei Dinge eine Rolle: Die Qualität, das Marketing und der Preis. Auf keinem der Felder haben uns die Amerikaner im Automarkt irgend etwas zu bieten. Ausnahme war in den letzten Jahren Tesla, aber das war, wie sich herausgestellt hat, hauptsächlich eine Marketing-Erfolgsblase. Es gibt andere Branchen, wo die Amerikaner tatsächlich was zu bieten haben (z.B. Apple) – und siehe da, dort kaufen auch Deutsche wie verrückt bei den Amerikanern ein (wobei dies hauptsächlich auf gutem Marketing und wenigstens vergleichbarer Qualität beruht – siehe iPhone – und weniger auf einem günstigen Preis). In der anderen Richtung behaupten Sie, dass andere Staaten etwas dafür getan hätten, dass Ihre Bürger mehr Geld zum Einkaufen haben (oder selbst mehr einkaufen) und dass deswegen unser Export so gut läuft. Wo ist da die Kausalität ?  Die weltweiten Käufer könnten ja genausogut woanders als in Deutschland einkaufen. Am Preis kann es meist nicht liegen, im Gegenteil: Deutsche Produkte sind oft teurer als andere (wie Sie in Ihrem „Liebherr“-Beispiel ja sogar selbst ansprechen). Trotzdem werden sie bevorzugt gekauft – weil die Bundesregierung etwas dafür tut ?  Nonsens !  Die Qualität, die Zuverlässigkeit und der Kundennutzen ist halt oft – zumindest bei allen technischen Produkten – sehr hoch. Bei manchen Produkten auch das Image (z.B. Daimler, BMW), wobei auch dieses Image meist nicht (nur) auf gutem Marketing beruht. Kurz und – nicht – gut: Ihre Unterstellung, dass der deutsche Staat darauf hinwirkt, dass wir weniger ausländische Produkte kaufen – und dafür umso mehr Ausländer bei uns kaufen – ist schlichtweg nicht haltbar – jedenfalls führen Sie dafür keine Beispiele an. Schade ! – Herbert Rein


Leserbrief zu „Schauen Sie sich die Beschimpfungen an? Ja, leider!“ von Tina Hildebrandt und Giovanni di Lorenzo

Eine Antwort auf eine zentrale Frage des Interviews: wie können wir den Bürgern die Skepsis nehmen an unserer und sie wiedergewinnen für unsere Demokratie? könnte lauten: wenn sie in einem gerechten und wehrhaften, starken Staat zu Hause ist! – der seinen Schutzschirm, den er für jeden Krisenherd dieser Welt bereithält, zuerst über Deutschland ausspannt – der seine Bürger im Inneren und Äußeren und durch seine Grenzen schützt – der längst überholte, nicht einmal konsequent angewandte Asylgesetze ändert, Verfahren strafft, Immigranten, die keinen Anspruch auf Asyl oder diesen verwirkt haben, konsequent ausweist – der bei seiner Asylpolitik stets die Zukunft Deutschlands im Blick hat, weitere Vergrößerung schon bestehender und Entwicklung neuer Parallelgesellschaften verhindert – in dem unsere Gesetze, Regeln, Werte ausnahmslos für alle gelten! Wer glaubt, sich ihnen nicht fügen zu können, möge sich ein Land suchen, das besser zu ihm paßt – der Respekt fordert und durchsetzt, besonders Lehrern, Polizisten, Nothelfern gegenüber – der Umwelt- und Klimaschutz nicht nur halbherzig durchsetzt, weiteres Artensterben verhindert – der a l l e  Gewerbetreibenden besteuert, Steuerhinterziehung ächtet und Schlupflöcher dicht macht – der verantwortungsvoll und sparsam mit Steuergeldern umgeht – der endlich wieder den Amtseid des Bundeskanzlers zur obersten Richtschnur seines politischen Handelns nimmt, in dem das Wohl des „deutschen Volkes“ an erster Stelle steht! Wäre das Schlagwort nicht von Trump mißbraucht worden, hieße das: Deutschland zuerst! – Dr. med. Ulrich Pietsch


Leserbrief zu „Schauen Sie sich die Beschimpfungen an? Ja, leider!“ von Tina Hildebrandt und Giovanni di Lorenzo

Das Interview von Tina Hildebrandt und Giovanni di Lorenzo über die Kritik aufgebrachter Bürger verdient ein Lob dafür, dass die  langatmigen und z.T. schwammigen Erklärungen des Bundespräsidenten nicht den Durchhaltewillen des Lesers überstrapazierten. Denn eine Frage wie die nach den Ursachen für das glanzlose Auftreten der „politischen Mitte“  oder die Forderung, Politiker sollten sich nicht verstellen, benannten durchaus Defizite. Allerdings zeigten die Antworten, dass der Bundespräsident wichtige Probleme beschönigt, indem er seriös klingende Formeln verwendet, die aber in in Wahrheit einseitige Lösungen suggerieren. Die Einwanderungswelle von 2015, die wegen ermunternder Signale nicht nur der Kanzlerin Deutschland in viel höherem Maß betraf als die meisten anderen Staaten, wird als Folge der Entwicklungen in anderen Staaten dargestellt. Er spricht von der „Unversöhnlichkeit der Weltbilder“ bei der Migrationspolitik, ohne zu erwähnen, dass die bisher gültigen Rechtspositionen von Deutschland einseitig verlassen wurden, was  einer Politik der Mitte eher widerspricht. Er fordert, dass einem das „Leid der Welt nicht egal“ sein dürfe, erwähnt aber nicht, die Kürzung der UN-Mittel für Flüchtlingslager mit  Zustimmung Deutschlands im Frühjahr 2015, die  erst den Massenzustrom aus diesen Lagern auslöste. Er spricht auch von liberaler Demokratie und meint damit die Durchsetzung einer vorwiegend linken Politik, die Probleme der weniger Erfolgreichen übergeht. Ebenso befürwortet er eine Stärkung der europäischen Politik, etwa bei der Sicherung der Außengrenzen, was aber keine Chancen auf eine zeitnahe Verwirklichung hat. Die Forderung nach einer gemeinsamen europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik –  bereits jetzt werden 40 Prozent der Gehälter in den Südstaaten von den Nordstaaten bezahlt – werden mit ihren Folgen bzw.  Ursachen (Zwangskorsett des Euro) verharmlost, obwohl Fachleute auf eine Schuldenvergemeinschaftung in riesigem Ausmaß hinweisen. Nicht zuletzt wäre als Grund für den verbreiteten Unmut daran zu erinnern, dass Fakten sowohl bei der Migrations- oder bei der Zollpolitik medial gewöhnlich so lange verschwiegen oder verfälscht werden, bis sie aufgrund der Berichte im Internet nicht mehr geleugnet werden können. – Karl Seegerer


Leserbrief zu „Germany First!“ von Kerstin Kohlenberg und Mark Schieritz

Sie schreiben zu den zwei Möglichkeiten des Staates um die ausländische Konkurrenz der eigenenen Unternehmen zu schwächen:  Erstens: Er erhebt Strafzölle auf ausländische Produkte – da wird sich erst herausstellen was dabei herauskommt! Zweitens: Er lässt die ausländischen Produkte zwar ins Land, sorgt aber dafür, dass sie kaum jemand kauft – und wie soll das „der Staat“ anstellen? Überall Aufkleber anbringen „Kauft nicht bei Amis“ ? In diesem Fall ist es nicht der Staat sondern der Konsument der dafür Sorge trägt dass sich das Produkt mit Preis- / Qualitätsvorteil durchsetzt. So wie es such den Produkten von Telefunken ergangen ist, wie sie es einige Zeilen vorher beschreiben. Also was jetzt – soll die deutsche Industrie in Zukunft schlechte Qualität zu hohen Preisen produzieren um damit die Weltwirtschaft zu retten? – Helmut Reinthaler


Leserbrief zu „Germany First!“ von Kerstin Kohlenberg und Mark Schieritz

Der Konklusion der Autoren kann ich nicht zustimmen. Sie schreiben, der deutsche Staat schwäche die ausländische Konkurrenz der eigenen Unternehmen, indem durch eine Sparpolitik dafür gesorgt wird, dass deren Produkte kaum einer kauft. Man könnte es jedoch auch aus der anderen Perspektive betrachten. Das Ausland kann sich die deutschen Produkte, und im Übrigen auch die aus dem Rest der Welt, nur deshalb leisten, weil sie Schulden machen. Das Problem ist meines Erachtens nicht ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Haushalt, sondern dass zu viel Geld in den Markt gepumpt wird. In dieser Hinsicht kann man den Einfluss Deutschlands gerne diskutieren. – Thomas Poddey


Leserbrief zu „Germany First!“ von Kerstin Kohlenberg und Mark Schieritz

Die Behauptung Deutschland sei unfair, weil es seine Löhne nicht ausreichend erhöhe, was dann, Dank höherem Konsum und entsprechenden Einfuhren, den Export etwas drosseln würde, wird von der Statistik, soweit ich sehen kann, nicht bestätigt. Deutschland liegt im internationalen Vergleich auf Platz 17, wobei die davor liegenden Länder, also die mit höherem Durchschnittslohn, bis auf die USA, in diesem Zusammenhang nicht erwähnenswert sind : Monaco, Liechtenstein, Luxemburg, die skandinavischen Länder, Singapur etc..Richtig ist, allerdings aus anderem Grund, dass die Investitionen in die Infrastruktur in Deutschland höher sein sollten. Diese Investitionen sind, meines Erachtens, Ausdruck für das, was man gemeinhin Soziale Gerechtigkeit nennt : ein jeder* kann sie nutzen, ohne irgend einen Nachweis für „Bedürftigkeiten“ und andere „moralische“ Kriterien vorbringen zu müssen. Insoweit haben sie einen meist übersehenen „sozialen“ Charakter. Dass Wirtschaft und Industrie auf dem Gebiet der Investitionen hinterherhinkten, übersieht, dass die deutsche Wirtschaft trotzdem äusserst wettbewerbsfähig ist. Der Exportüberschuss ergibt sich ja nicht nur aus Lieferungen im Automobilbereich oder der Chemieindustrie, vielmehr sind es die Produkte des Mittelstandes, die ihn tragen. In Baden-Württemberg gibt es dutzende Firmen, die wenn auch umsatzmässig bescheiden, auf ihrem Gebiet Weltmarktführer sind und ihresgleichen suchen! Diese in der Diskussion gern benutzten, sich ausschliesslich an globalen, statistischen Grössen orientierenden Kriterien übersehen die eigentlichen Wettbewerbs-Qualitäten, wie : know-how – Patente – Produktqualität – internationaler Vertrieb, nicht zuletzt auch soziale Übereinkünfte zwischen Gewerkschaften und Unternehmen, die für gesellschaftliche Stabilität sorgen etc.etc. Donald Trump übersieht geflissentlich das eigene wirtschafts- und sozialpolitische Versagen, indem er Schuldige bei den andern ausmacht und so eine Gesundung der US-Verhältnisse zu vermeiden versucht, ja damit sogar verhindert. – Dr.Klaus Tiedje


Leserbrief zu „Mit Drill allein erreicht man wenig“ von Martin Spiewak

Man kann nicht alles haben: Lebenslange Sicherheit des Arbeitsplattzes und der Versorgung und dann auch noch das Streikrecht! Wer das nicht will, muss ja nicht beamtete Lehrkraft werden. Die Kläger irren auch: Die Lehrkraft übt eine hoheitliche Funktion aus, die sie im Auftrage des Staates im Rahmen der  gesetzlichen Schulpflicht ausübt. Wenn Schule keine hoheitliche Aufgabe wäre, sollten wir das Bildungswesen schnellstens – wie die Bahn und die Post – privatisieren. Dann könnten die bei privaten Bildungsunternehmen angestellten Lehrkräfte streiken und die Eltern könnten für ihre Kinder das finanziell oder inhaltlich passende Angebot auswählen oder auch auf Bildung ganz verzichten! Übrigens: Sicherlich gibt es Beamtenprivilegien, aber das Beihilferecht gehört nicht dazu: Es ist vielmehr ein Vorteil des Staates als Arbeitgeber, weil er den Arbeitgeberanteil bei der Krankenversicherung einspart. Beihilfe ist nur fällig im konkreten Krankheitsfall, der Arbeitgeberanteil bei jeder Gehaltszahlung. Der Staat entzieht sich und seine Beamten durch das Beihilferecht  der allgemeinen gesellschaftlichen Solidarität in der Krankenversicherung. – Dr. Artur Behr


Leserbrief zu „Spiel mit der Schuld“ von Ijoma Mangold

Sollte ich ‚Deutschland‘, ‚Stolz‘ und mich irgendwie in Verbindung bringen (müssen), dann so: Ich bin stolz, einer Nation anzugehören, die – bzw. deren öffentliche Repräsentanten – offen mit ihrer Schuld umgeht. Die den Holocost und die Gräueltaten der Wehrmacht weder leugnet noch kleinredet (oder noch schlimmer: verniedlicht). Ich wundere mich daher, dass ausgerechnet die Personen (- gruppe), die ‚Nationalstolz‘ als absolut notwendig erachtet und einfordert, mir genau diesen nehmen will. Vier Bedingungen kenne ich für Vergebung:
das Bekenntnis, das Schuldeingeständnis ohne Wenn und Aber. Reue und die Bitte um Entschuldigung (Ich bin sehr froh über den Kniefall von Willy Brandt 1970 in Warschau). Wiedergutmachung, soweit möglich (Wohl wissend, dass viele MillionenTote nicht ‚wieder gut gemacht‘ werden können.) die Absicht, es nie wieder zu tun. (Nie wieder Auschwitz!). Nur so kann ‚Deutschland‘ sich selber verzeihen und hoffentlich von anderen geachtet werden. Warum nur will Herr Gauland mir (und seiner Nation) das nehmen? – Ortrud Mauk


Leserbrief zum Titelthema „Was haben die gegen uns?“

Was die alle gegen uns haben ? Das dürfte doch wohl klar sein. Denen steckt allen noch der letzte Feldzug  in den Knochen. Und die Erinnerung daran wird wachgehalten. Manchmal dezent  verherhüllt oder  offen und  in aller Stärke.Trotz übergestülpter Nato und EU. Und dann sind „alle die “ in einem so desolaten Zustand ,dass sie sie sich gezwungen sehen , nach mehr Führung zu rufen;durch Deutschland. Wie muss man sich da wohl fühlen? – Hans-Emi Schuster


Leserbrief zu „Der Wahn der Überlegenheit“ von Jason Stanley

Der Gedanke von J. Stanley, dass die Nachfahren der Opfer des Nationalsozialismus nicht in die Diskussion um die Aufarbeitung dieser Verbrechen mit einbezogen wurden, ist wichtig und sollte Anlass zu einer entsprechenden Diskussion sein. Nur fand diese Aufarbeitung auch ohne die Nachkommen der Täter hier statt. Mein (Jahrgang 195o) Geschichtsunterricht auf dem Gymnasium endete sowohl vor der mittleren Reife als auch vor dem Abitur ca. 193o. Das war ein wesentlicher Teil des Unbehagens, der 1968 in die entsprechende Rebellion führte. Diese fehlende kritische Auseinandersetzung mit dem 3.Reich führte dann auch zu undifferenzierten Gleichsetzungen des Faschismus deutscher Art und Weise in seiner besonders menschenverachtenden Ausprägung mit Verbrechen dieser Zeit wie z.B. dem Vietnamkrieg. Gleiches gilt auch für Kapitalismus = Faschismus Auch das wohl weit verbreitete Gefühl eines „Weltmeister der Vergangenheitsbewältigung“ zeugt noch von dieser Leerstelle im Geschichtsunterricht. Wir waren einfach zu dicht mit der Generation unserer Mütter und Väter, die aktiv und passiv das NS-Regime unterstützt haben, verwoben. Uns fehlten jene humanistischen Vorbilder, die einen unverstellten Blick auf die dem zugrunde liegende Ideologie der Überlegenheit der arischen Rasse ermöglicht hätten. Vielleicht erklärt auch dieses fehlende historische Basiswissen den nicht seltenen Wechsel von autoritären linken zu rechten Ideologien. Es wundert daher auch nicht, dass es gerade jetzt – 5o Jahre nach 1968 – zu vehementen Auseinandersetzungen darüber kommt, welche Bedeutung diese Zeit in dem Aufbrechen der damaligen verkrusteten Strukturen hatte. Vielleicht kann eine solche kritische Reflexion, die die Wahrnehmung der Generationen nach dem 2.Weltkrieg mit einschliesst, zu jener Aufarbeitung führen, die sich der Autor als universellen Wert wünscht. – E.Schermuly


Leserbrief zu „Der Wahn der Überlegenheit“ von Jason Stanley

Professor Stanley wirft in der ZEIT vom 7. Juni 2018 („Der Wahn der Überlegenheit“) der deutschen 68er-Generation vor, die deutsche „Vergangenheit“ unvollständig, ja falsch „aufgearbeitet“ zu haben: Statt, wie es richtig gewesen wäre, in „den historischen Besonderheiten des Deutschtums (?)“, in der „Ideologie der ethnischen und kulturellen Überlegenheit der Deutschen“ habe sie im Kapitalismus die Wurzeln des Nationalsozialismus entdeckt. Das ist eine sehr merkwürdige Deutung der Motive vieler, wenn nicht der Mehrheit der 68er. Sie wollten wissen, aus welcher Kloake die braune Brühe geflossen war, und dazu bedienten sie sich eines (neo-)marxistischen Begriffsapparates, angereichert mit Elementen Freud’scher Psychoanalyse. Man mag diesen primär ökonomischen Ansatz für reduktionistisch halten – aber ein Anspruch auf eine deutsche Opferrolle ergab sich daraus nicht. In einer Opferrolle sahen sie sich freilich als Kinder von Vätern, die zur Tätergeneration gehörten und vielfach auch Täter gewesen waren. Diese Väter erlebten viele Söhne (die Töchter wohl weniger) als autoritär und „faschistoid“, so klischeehaft und ubiquitär der Begriff auch gebraucht wurde. Von einem Überlegenheitsgefühl der 68er qua ihres Deutschtums (was immer das auch sein mag) kann keine Rede sein. Sie wandten sich gegen alle Formen des europäischen Nationalismus (besonders des deutschen im 19./20. Jahrhundert), propagierten Internationalismus und erklärten sich solidarisch mit der Dritten Welt, vor allem in ihrem Protest gegen den Vietnamkrieg der USA. Wer missverstehen will, kann darin natürlich auch eine Ablenkung von deutscher Schuld erblicken. Die 68er selbst verorteten ihren Protest im antiimperialistischen Kampf und somit in neomarxistischer Theorie. Den von Jason Stanley diagnostizierten „deutschen Überlegenheitswahn“ sollte man nicht bei den 68ern suchen, sondern bei ihren konservativen Widersachern, die den kapitalistischen Leistungsgedanken hochhielten und demonstrierende (statt studierende) Studenten als „Gammler“ (und natürlich noch Schlimmeres) beschimpften. Springer-Presse, CDU/CSU, doch rechte Sozialdemokraten nicht minder bedienten dieses Vorurteil mit Eifer. „Tunix“-Kongresse sprechen zudem nicht eben für die den 68ern unterstellte „deutsche Arbeitsethik“. Vielmehr kann man das partielle Scheitern der 68er-Bewegung darin sehen, dass sie ihre Ziele in dieser Hinsicht klar verfehlte – stattdessen siegte auf ganzer Linie der marktradikale Neoliberalismus, der nicht zuletzt in den USA seinen Anfang nahm. – Dr. Michael Knittel


 Leserbrief zu „Von linker Moral und neoliberalen Interessen“ von Sarah Wagenknecht

Als sich auf Initiative von Oskar Lafontaine 2005 erstmals seit Kriegsende eine gesamtdeutsche Linke zusammenfand –  zunächst „nur“ als PDS-Wahlliste mit WASG-Kandidaturen, zwei Jahre später später als Partei „Die Linke“ -, hatte die neue Bewegung zwei erklärte Ziele: (1) die Sozialdemokratie zu einer Abkehr von ihrem Kurs des Sozialabbaus und des Militarismus, zu einer Re-Sozialdemokratisierung  zu bewegen und (2) in Deutschland die Etablierung einer rechten Protestbewegung,  die damals schon gefährlich laut mit den Hufe scharrte, zu verhindern. 13 Jahre später muss man konstatieren, dass beide Ziele nicht erreicht wurden: Die Sozialdemokratie drängt – unbeeindruckt von allen Rückschlägen –  zum Suizid durch Linksverweigerung, und die Rechte hat sich innerhalb weniger Jahre mit ungeheurer Wucht im Parteiensystem festgesetzt. Dabei schien die zunächst gemeinsame Strategie von Lafontaine und Gysi lange Zeit aufzugehen: In der SPD gab es ernsthafte Debatten über eine Kurskorrektur, und die geballte Proteststimmung in der Bevölkerung nach den antisozialstaatlichen Hartz-Reformen entlud sich für viele Jahre nicht destruktiv-rechts, sondern die Linke galt als der – emanzipatorische und radikale – Ansprechpartner für denjenigen, die unzufrieden waren mit den herrschenden Verhältnissen. Doch in dem Maße, in dem sich die Linke als Partei seit 2010 während ihrer zweiten Legislalurperiode im Bundestag etablierte, sich dabei aber von ihrer ganzen Ausstrahlung her zunehmend mit einer letztlich eher kleineren oppositionellen Rolle abfand, dabei keinen hinreichend starken systemverändernden Kampfeswillen mehr ausstrahlte, gerieten die beiden zentralen Gründungsziele der Linken in den Hintergrund. Die Partei  verzichtete im Zuge ihrer „Emanzipation von Oskar Lafontaine“ zunehmend auf die Rolle als Angreifer und Provokateur der SPD – die im Gegenzug ihren Respekt vor der Linken mehr und mehr verlor. Wo es in Land und Kommune opportun war, reagierte die immer kleiner werdende SPD gerne mit der LInken – wenn nicht, machte sie es eben mit einer oder mehreren der anderen Parteien – oder saß zusammen mit der Linken einträchtig in der Opposition. Wer in dieser Zeit Wut auf die gesellschaftlichen Verhältnisse hatte – und das wurden immer mehr -, fühlte sich immer weniger von einer zu brav auftretenden Linken angesprochen und ging allzu oft nach rechts – mit fatalen Folgen für das gesellschaftliche Klima. Trotzdem ist es so wichtig, dass es die Linke als Partei gibt – als emanzipatorische Kraft, die der Gewalt und der Zerstörungskraft des Kapitalismus eine soziale Alternative entgegensetzt. Aber dies kann nicht der Status Quo sein, mit dem wir uns zufrieden geben: eine kleine linke Partei zu haben, die mit gutem Gewissen die dominierende Politik kritisiert – aber letztlich nicht im Entferntesten eine  Wende weg von dem Weg der menschenfeindlichen Destruktion des kapitalistischen Sogs hinbekommt, im Gegenteil mit in ihn hineingezogen wird, bevor sie irgendwann – die Hoffnung stirbt zuletzt – das Licht ausmacht. Wenn man sich mit dieser Perspektive nicht zufrieden geben will – und dass darf keine Linke! – , bedarf es einer Bewegung, die über das Parteipolitische, so wichtig dieses ist,  hinausgeht. Nicht weil die Partei unwichtig oder überflüssig ist. Ziel muss es im Gegenteil sein, dass sie von den Mitgliedern her und bei Wahlen  stärker wird – aber auch mutiger und kämpferischer. Dazu bedarf es einer breiteren Bewegung als der von Wahlkampfständen und Plakatierungsaktionen. Es bedarf einer Bewegung von Menschen aus verschiedenen Gruppen,  Milieus, Richtungen und Zusammenhängen. die für eine andere Politik, letztlich ein anderes System kämpfen und einfordern, eine andere Politik zu verwirklichen.  Dies muss der Anspruch einer linken Sammlungsbewegung sein; deshalb brauchen wir sie. Dass der Anstoß mit Oskar Lafontaine unter anderem von jemandem kommt, der schon so manches mal als politisch tot angesagt wurde, aber immer wieder mit kraftvollen und überraschenden Anstößen überrascht und so vieles  bewirkt hat, mag nicht allen passen, entspricht aber durchaus dem, was auch in anderen Ländern zu erleben war,  in denen die Linke wieder zum Leben erwacht, aber auch immer wieder auf den geballten Widerstand der Machteliten gestoßen ist. Ältere weiße Männer sind nicht immer böse – schon gar nicht, wenn sie von der Saar kommen. Es liegt nicht an Lafontaine,  dass wieder mal kein anderer darauf gekommen ist, was jetzt ansteht. Attac-Gründer Sven Giegold zum Beispiel, der die Intelligenz und das Format gehabt hätte, hat sich für einen anderen Weg entschieden und sitzt jetzt lieber für die Gelbgrünen im Europaparlament, wo er auf den Wechsel in das erste schwarz-grüne Ministeramt auf Bundesebene wartet – von dem er anders als Lafontaine bestimmt nicht freiwillig zurücktreten wird. Aber vielleicht kann die linke Sammlungsbewegung ja genau dieses Horrorszenario verhindern. Jetzt muss es darum gehen, dass sich viele verschiedene  Menschen aus vielen verschiedenen Zusammenhängen – aus Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Initiativen, Umwelt-und Friedensakteuren, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Arbeitslosen- und Protestgruppen, und gerne auch – Herzlich willkommen, Rudolf Dreßler! – aus anderen Parteien dafür entscheiden, eine linke Sammlungsbewegung zu unterstützen, damit sich endlich etwas zum Guten ändert in diesem Land. – Jonas Christopher Höpken


Leserbrief zu „Hass on air“ von Maximilian Probst

Ein informativer Artikel, der Phänomene wie den Aufstieg der Tea-Party-Bewegung und die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten zu verstehen hilft. Dankeschön! Jetzt frage ich mich natürlich, ob die beschriebene faktische Ausschaltung von Meinungsvielfalt, wie sie in den USA durch Konzerne und Superreiche – und anderswo durch autokratische Politiker – erfolgt ist, auch in Deutschland möglich ist. Immerhin ist es der AfD – die mit den Republikanern in den USA inhaltlich wohl durchaus vergleichbar ist – bereits gelungen, stärkste Oppositionspartei zu werden, und eine angeblich alternativlose unternehmensfreundliche oder sogar -hörige Politik wird in Deutschland inzwischen bereits seit Jahrzehnten betrieben. Welche Unternehmer/Konzerne beherrschen eventuell hier in Deutschland die Presse und die Politik? Wo und wie informieren sich die Wähler(innen) der AfD? Welche Rolle spielen dabei Facebook, YouTube, Twitter etc.? Meines Erachtens genug Stoff für einen oder mehrere Anschlussartikel! – Ulrich Willmes


Leserbrief zu „Germany First!“ von Kerstin Kohlenberg und Mark Schieritz

Dankenswerterweise weisen Sie auf die Grundlagen eines fairen, globalen Handels von David Ricardo hin: echte komparative Wettbewerbsvorteile. Was wir heute erleben, hat damit oft allerdings nur wenig zu tun: die globale Karawane zieht dort hin, wo es keine oder wenig Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards gibt. Das ist wie Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spielen mit unterschiedlichen Regeln für die Spieler: ein Spieler würfelt eine Eins und darf einen Schritt gehen, während der nächste ebenfalls eine Eins würfelt und sechs Schritte geht und gleich nochmals würfelt! Fairen, globalen Handel i.S. eines David Ricardo kann es also nur in Wirtschaftsgemeinschaften geben, die sich auf gleiche Arbeit-, Sozial- und Umweltstandards einigen! – Matthias Gruner


Leserbrief zu „Guckt euch doch mal an“ von Bernd Ulrich

Ich beziehe mich auf Ihren Artikel  Guckt euch doch mal an/ Die Zeit  2018/ 24. Der Hauptakzent Ihrer Kritik an der  „Deutschen Selbstüberheblichkeit“ liegt auf den Vertragsverletzungsverfahren. Es sollen  in 2016   91 gewesen sein. Gegen Dänemark gab es nur 34!! Kann man das vergleichen? Sie führen da zum Beispiel die Luftreinheit/ Stickoxide an. Was ist die europäische, messtechnische Grundlage dafür? Als Wahl-Hamburger (?) sind Sie wahrscheinlich bestens vertraut, dass es in Ihrer Stadt seit den 1980er Jahren ein umfangreiches Luftmessnetz gibt. Hamburg ist gut! Da wurde schon früh erkannt, dass man da mal etwas überwachen müsste. Am Besten nicht im Ohlsdorfer Friedhofs- Gelände, sondern an Verkehrsknotenpunkten, in Ballungsräumen, wie Stresemannstraße etwa. Das ist sehr redlich! Jetzt schauen Sie mal, wie die anderen europäischen Partnerländer das Problem mit der Luftreinhaltung handhaben. Rufen Sie die Website der europäischen Umwelt Agentur auf, EEA. Faulig wie sie ist, finden Sie da mal wieder fast nichts! Dann schauen Sie besser nach Linz/ AT, keine protzigen Deutschen, sondern nur nüchtern messende Österreicher im Linzer Dep. Planung, Technik und Umwelt. Warum ist Deutschland dort bei den Feinstaubmessungen mit 69 Messtationen, Österreich mit 35 verzeichnet, das große Frankreich mit 6 und das kleine Italien mit 3 Messtellen. Warum sind Paris und Rom nicht repräsentiert? Unbedeutende Orte in Europa, fast ohne Autoverkehr? Können Sie sich vorstellen, dass sich das in EU- rechtlichen Politiken widerspiegeln könnte? „die Regierung (in Deutschland) bislang allerdings wenig unternommen“… schreiben Sie. Fazit: wenn man in Rom und Paris keine Daten erhebt, hat man auch keine Überschreitungen. Problem erkannt, Problem gelöst. Cool nicht? Nächster Fall: Umsetzung in europäisches Recht… Deutschland wurde vor einiger Zeit angeklagt, weil es die EU- Vorgaben für das Bergrecht nicht rechtzeitig umgesetzt hat. Deutschland hat eine Tradition von 500 Jahren Bergrecht. Hatte Portugal ein Bergrecht, bevor es in der EU aktuell wurde? Können Sie sich vorstellen, dass es da für Deutschland etwas zu regeln gab, Deutschland, diesem Regelverstoßer?? Sie nennen Deutschland einen „Regelverstoßer“. Ich lache mich tot! Können Sie sich vorstellen, dass in anderen europäischen, intensiv genutzten, landwirtschaftlichen Gebieten mit hoher Nitrat Düngung nicht dieselben Trinkwasser Verunreinigungen zustande kommen wie in Deutschland? Muss Deutschland dafür angeklagt werden? Wird in anderen europäischen Ländern europäisches Recht in der Praxis genauso zwingend umgesetzt, wie in Deutschland? Kennen Sie Gesetze, die auf dem Papier stehen? Und kennen Sie Gesetze, über deren Einhaltung auch gewacht wird? Dann erkennen Sie den Unterschied, wenn der Betriebsprüfer oder die Staatsanwaltschaft oder wer immer auch immer mit rechtlicher Befugnis und rechtlichem Auftrag tatsächlich kommt und vor ihnen an ihrer Tür steht! Ich wünsche Ihnen das bereichernde, erkenntnisstiftende Erlebnis für Ihr EU- Verständnis. Haben Sie schon mal das gute Wasser aus dem Wasserhahn in anderen europäischen Großstädten probiert? Ich sage das nur, als Rückverweis, wenn Sie wieder einmal auf einer Ihrer Abonnenten Reisen in das europäische Ausland sind. Und glauben Sie wirklich, dass von dem Deutschen Trinkwasser- Qualitäts Verstoß ein Problem für Europa entstehen könnte? Oder halten Sie es eher für möglich, dass von der italienischen Staatsverschuldung ein Problem entstehen könnte? Italien hat eine Staatsverschuldung von 2.200 Mrd € und bricht ständig EU- Recht. So wie Deutschland in 2003. Glauben Sie, dass Italien bald eine schwarze Null hinlegen wird bei seiner Neuverschuldung? Glauben Sie dass Italien seine jährlichen Billigzinsen, die es genauso nutzt wie Deutschland seine eingesparten „insgesamt 240 Mrd €…“ bald, wenn die Zinsen wieder steigen, lächelnd zurückzahlen kann und wird? Wenn es da wieder verheerende Probleme geben wird, werden Sie sich dann an die Trinkwasser- Richtlinie erinnern, als echtes und beispielhaftes europäisches Problem, durch Deutschland verschuldet? Italien ist natürlich nicht so ein Problem für Europa, wie Deutschland, es hat ja auch nur 70 Regelverstöße, Deutschland dagegen 91! Ich lese die Zeit- Zeitung nach Autoren- Namen und habe ihre Beiträge immer durchaus geschätzt. Aber man kann seinen Ruf verderben. Man würde sich von Ihnen eine Gewichtung ihrer Argumente wünschen, ansonsten ist Ihnen mit Ihrem Artikel ein Witzbeitrag und leider durch einen übel spielenden Zufall der Sprung in die vorderen Seiten einer an sich angesehenen deutschen Zeitung gelungen. Ein Artikel, der im Sommerloch hätte erscheinen sollen weil er es nur in die C- Kategorie geschafft hat. Eine ganze Seite formatfüllend 1.500.000 mal gedruckt. Wissen Sie eigentlich, wie viel Papier das ist? Das sind 15.000 kg Papier. Bitte geben Sie meinen Beitrag an Ihre Mitautoren weiter! Es zeigt sich mir mal wieder: Wenn man als Leser überhaupt keine Ahnung von dem Thema hat, über das man in (Ihrer) Zeitung liest, kann einem der Beitrag mehr oder weniger interessant erscheinen. Wenn man etwas davon versteht, fängt man an sich zu gruseln und möchte die anderen Artikel auch nicht mehr lesen. – Joern Heinlein


Leserbrief zu „Der Wahn der Überlegenheit“ von Jason Stanley

Die Situation in Deutschland war vor dem Nationalsozialismus im Hinblick auf das deutsch-jüdische Verhältnis doch erheblich komplexer als Stanley annimmt. Sein Urgroßvater Magnus Davidsohn war, wie er schreibt, ab 1912 Hauptkantor der Synagoge an der Fasanenstraße in Berlin, mithin seit der Fertigstellung des Gotteshauses. Der Kaiser hatte seinerzeit für die Synagoge als Geschenk an die Jüdische Gemeinde die Ausgestaltung des Trausaales mit Kacheln von seinem ostpreußischen Gut Cadinen übernommen. (Deren Vertrieb übertrug er übrigens dem jüdischen Kaufhaus Wertheim.) Über die Einweihung hieß es im August 1912 im Berliner Tageblatt: „In Gegenwart einer großen Reihe von höchsten staatlichen, militärischen und städtischen Behörden fand heute Mittag die Einweihung der neuen Synagoge in der Fasanenstraße statt.“ Auch Vertreter der evangelischen und katholischen Geistlichkeit Berlins waren zugegen. Bald darauf besuchte Wilhelm II. persönlich die Synagoge und zeigte sich von dem Gotteshaus tief beeindruckt („es sei eines der schönsten, das er je gesehen habe“). Er ließ sich hebräische Inschriften übersetzen und eine Passage aus der Thora erläutern. Der Unterschied zum späteren Dritten Reich war in der Synagoge nach dem Krieg augenfällig durch zwei Großfotos dokumentiert, die fast die ganze Wand bedeckten: das eine zeigte den Empfang des Kaisers 1912 durch den Vorstand der jüdischen Gemeinde und das 2. den Abtransport von Juden in die Konzentrationslager nach dem 9. November 1938. Leider sind die beiden Fotos der letzten Renovierung zum Opfer gefallen. Einen weiteren wichtigen Aspekt lässt Stanley leider ebenfalls unerwähnt: den Zusammenhang von Kapitalismus und Nationalsozialismus betonten gerade die jüdischen Vertreter der Frankfurter Schule, auf die sich die Studentenbewegung vor allem in ihrer anfänglichen Theoriebildungsphase explizit berufen hatte. Von Max Horkheimer stammt bekanntlich das berühmte Wort: „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“ – Dr. Hans-Joachim Becker


Leserbrief zu „Wie viel Anpassung muss sein?“ von Evelyn Finger

Alle Lebewesen passen sich ihrer Umgebung und den sich daraus ergebenden Existenzbedingungen an, um überleben zu können. Für uns Menschen gilt das im Besonderen, da wir aufgrund unserer geistigen Fähigkeiten Entscheidungen treffen können, mit denen wir unsere Lebensumstände selbst mitbestimmen. Woran wir uns anpassen sollen und müssen, ist nie etwas Statisches. Deshalb sind gesellschaftliche Entwicklungen immer als ganzheitlich kooperative Vorgänge zu sehen. Und wer von einer Kultur bzw. Zivilisation in eine andere wechselt und vorhat, sich da anzusiedeln, sollte sich zunächst einmal selbst auffordern, sich die neue Umgebung und ihre spezifischen Gegeben- und Gepflogenheiten vorurteilsfrei anzugucken, ohne die eigenen Traditionen und Prägungen über Bord zu werfen. Wenn eine solche Grundhaltung auf globale Werte des Miteinanders trifft, ergeben sich daraus Lernschritte in Richtung eines erweiterten Selbst- und Weltverständnisses für alle Beteiligten. Man nennt das Fortschritte. Anpassung ist also nichts Einseitiges und auch für die „Ureinwohner“ niemals etwas Statisches. – Christoph Müller-Luckwald


Leserbrief zu „Von linker Moral und neoliberalen Interessen“ von Sarah Wagenknecht

Schade. Wie konnte ich nur auf den Gedanken kommen, Sarah Wagenknecht würde ihre ideologische Hartleibigkeit für ein breites linkes Bündnis hintanstellen? Ihre Kritik an linker moralischer Überheblichkeit trifft ja einen Punkt, der ein Grundproblem der Linken (nicht nur der Partei dieses Namens) ist: Linke waren nämlich immer dann erfolgreich, wenn sie es geschafft haben, vom hohen Ross moralischer Überlegenheit herunterzusteigen und für ihre Position Bündnispartner zu finden, die sich selbst nicht der Linken zurechnen. Also die Kombination aus ideologischer Flexibilität und Prinzipentreue bei den Grundwerten. Letzte ist der SPD in den Großen  Koalitionen abhanden kommen, ersteres lässt die Linke vermissen und beschert ihr damit gleichbleibend den Status einer Kleinpartei. Leider bezieht sich Wagners neue Flexibilität nur auf die Flüchtlingspolitik, bei der sie sich dem Mainstream annähert, nicht aber auf die fundamentalistische Kapitalismuskritik, es gibt also keinen „Godesberg“-Moment in ihrem Vorschlag einer linken Sammlungsbewegung. Bezeichnend ist, welche europäischen Linksparteien sie erfolgreich nennt: Darunterdie spanische Podemos (die in populistischer Überheblichkeit eine frühere Ablösung von Manuel Rajoy durch die Sozialisten verhindert haben) und die britische Labour, die nur deshalb stark ist, weil der Brexit so katastrophal gamanagt wird. Sie erwähnt aber nicht die portugiesischen Sozialisten oder die griechische Syriza, die beide ihre Länder aus der Finanzkrise geführt haben, ohne komplett auf linke Politik zu verzichten. Doch nach Wagenknechts Logik handelt es sich hier wahrscheinlich gar nicht mehr um Linke, sondern um Neoliberale, weil sie radikale Maßnahmen wie etwa einen Euro-Austritt aus gutem Grund gescheut  haben. Mit ihrem festgezimmerten Weltbild, das überall nur Neoliberale sieht und ihrem negativen Freiheitsverständnis, bei dem Freiheit gleichbedeutend ist mit „wirtschaftlicher Freiheit“ und „Freiheit zur Selbstoptimierung“ , wird sie es jedenfalls schwer haben, für ihre Sammlungsbewegung die Bündnispartner zu finden, die aus einer Sekte erst eine wirkliche parteiübergreifende Bewegung machen. Sie schafft es ja nicht einmal, in ihrer eigenen Partei genug Mitstreiter zu finden, da sollte sie vielleicht erstmal ihre Überzeugungsfähigkeit einüben, bevor sie großspurige Vorschläge macht, die nichts weiter sind als Schaumschlägerei. – Dr. Dirk Kerber


Leserbrief zu „Wie viel Anpassung muss sein?“ von Evelyn Finger

Der auf Seite 48 abgebildete Augustinos Labardakis ist kein „Patriarch“, sondern lediglich der griechisch-orthodoxe Diözesanbischof für Deutschland mit dem – in der griechischen Orthodoxie üblichen –  Titel eines Metropoliten. Patriarchen sind hingegen Oberhäupter einer Teilkirche, wie in den ersten Jahrhunderten nach Christus denen von Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem. Später kamen die von Moskau u.a.m. hinzu. Der für Metropolit Augustinos zuständige Patriarch ist der Ökumenische Patriarch Bartholomaios, Erzbischof von Konstantinopel, Neu-Rom mit dem Sitz in Istanbul. – Wilhelm Tacke


Leserbrief zu „Der Wahn der Überlegenheit“ von Jason Stanley

Verblüffend, was Sie da beschreiben: Wie das kollektive Überlegenheitsgefühl nach der Endniederlage (des Nationalsozialismus wie des Kommunismus) in eine kollektive Selbstinszenierung als Opfer umschlägt. Gibt es einen gemeinsamen Nenner? Schläue? Außerordentlich schlau war es doch auch, dass die Deutschen nach 1945 voll auf Globalisierung setzten – und so von der Arbeit (unter Bedingungen, die gelegentlich an die „Arbeit“ in KZ-Außenlagern erinnern) z.B. der Textilarbeiterinnen in Bangladesh oder der Kinderarbeiter in den Minen des Kongo, profitierten und profitieren. Man könnte sagen: Statt ein neues eigenes Unrechtssystem zu schaffen, integrierten wir Deutschen uns nach 1945 in ein fremdes – so erfolgreich, dass es am Ende aussah, als hätten wir den Krieg gewonnen, und die Russen z.B. hätten ihn verloren. Symbol dieser Wende sind die Naziverbrecher, die nach Südamerika geschafft wurden und dort Karriere machten und in Wohlstand lebten. – Klaus E. Margraf


Leserbrief zu „Pleite im Märchenland“ von Marcus Rohwetter und Jens Tönnesmann

Mit Interesse habe ich Ihren Artikel „Pleite im Märchenland“ in der Zeit 24/2018 gelesen. Ich muss Ihnen aber leider sagen: Es ist viel schlimmer! Die als die „guten“ Banken geltenden Genossenschaftsbanken ziehen Ihre Mitglieder in der Regel genauso über den Tisch wie die von Ihnen beschriebenen Genossenschafts-Trittbrettfahrer. Man kann Mitglied oder Nur-Kunde bei einer Genossenschaftsbank sein. Über den Tisch gezogen werden die Mitglieder. Ich will hier nicht alle Genossenschaftsbanken pauschal beschuldigen, z.B. die Sparda-Banken eG bieten Ihren Mitgliedern wirkliche Vorteile. Sicherlich gibt es auch Banken die die Rechtsform Genossenschaft ernst nehmen. Den unten beschriebene Umgang mit seinen Mitgliedern kenne ich von den Volks- und Raiffeisenbanken eG im Genossenschaftsverband Bayern (GVB). Rund 2.9 Millionen Mitglieder sind von deren manipulativen Praktiken betroffen. Wie also funktioniert es, wenn Genossenschaft nutzlos für die Eigner ist, aber äußerst lukrativ für die Führung? Die Eigner tragen das Risiko, die Führung steckt die Gewinne ein. Das ist üblich in einer kapitalbasierten Wirtschaft. Der Genossenschaftsgedanke hat eigentlich eine andere Zielrichtung. Das Grundprinzip der Unterlaufung der Genossenschaftsidee haben Sie schon beschrieben.
Das Genossenschaftsgesetz schreibt die Mitgliedschaft in einem Prüfungsverband vor. (Diese Auflage stammt aus der Zeit des Nationalsozialismus, man wollte damals die unbequemen Genossenschaften unter Kontrolle bringen.)
Der Prüfungsverband erlangt damit praktisch die Weisungshoheit über die zwangsangeschlossenen Genossenschaftsbanken. Spurt die Führung der Bank nicht, schlägt sich das in den Prüfungsergebnissen wieder, die Vorstände werden dann ausgetauscht. Da wirkt dann zu Not die BAFIN mit.
Wichtigste Aufgabe des Vorstandes einer R+V-Bank ist es nicht die Bankgeschäfte zu führen, nein, das macht ja schon indirekt der Prüfungsverband, der gibt die Eckdaten vor. Die wesentliche Aufgabe des Vorstandes einer V+R-Genossenschaftsbank ist es die genossenschaftliche Fassade zu pflegen, die eigenen Mitglieder einzulullen und ruhig zu halten und kritische Mitglieder zu beseitigen. Kritische Mitglieder sind solche, die hartnäckig den Nutzen der Genossenschaft nachfragen und sich nicht mit Worthülsen abspeisen lassen.
Ein wunschgemäß funktionierender Vorstand wird mit guten Jahresbezügen und mit üppigen Ruhestandsversorgungen belohnt.Die risikotragenden und sedierten Mitglieder können dann mit ein paar warmen Worten befriedigt werden, die Gewinne gönnt sich die Führung, die Mitglieder gehen leer aus oder zahlen noch drauf, siehe weiter unten. Das funktioniert wunderbar und ist für jeden, der es sehen will deutlich sichtbar. Und es ist juristisch schwer angreifbar. Die Genossenschaften waren einst „Schulen der Demokratie“, heute sind sie das Gegenteil. Die „demokratischen“ Abläufe bei den heutigen Genossenschaftsbanken sind kaum angreifbar. Die Satzungen sind über die Jahre Satz für Satz so angepasst, dass demokratische Selbstverständlichkeiten gefahrlos außer Acht gelassen werden können. Wilhelm Kaltenborn schreibt auf Seite 135 seines Buches „Schein und Wirklichkeit“ (ISBN 978-3-360-02189-2) „ …Noch nicht einmal der Schein wird gewahrt, was selbst bei den Wahlfarcen in der DDR getan wurde. Im Fall der Volksbanken mit den dargestellten Regeln ist viel Intelligenz und Phantasie darauf verwandt worden um jede Möglichkeit einer demokratischen Entscheidung zu verhindern.“ Wahlen in Russland sind Musterveranstaltungen an Demokratie im Vergleich zu den Wahlen bei gewissen Bankgenossenschaften. All das kann man mit Sicherheit als Unredlichkeit bezeichnen, aber Unredlichkeit ist kein Delikt. Ein Banker wird Unredlichkeit wohl als notwendiges Übel bezeichnen, wenn er auf dem Markt überleben will. Das ist, nüchtern betrachtet, nachvollziehbar. Leider. Wenn aber die eigenen Mitglieder mit Hilfe des Vertrauen-schaffenden Begriffs „Genossenschaft“ gerollt werden, dann ist das nicht mehr akzeptabel. Da wäre ein gut recherchierter Artikel hilfreich. Material finden Sie auf www.wegfrei.de   Zur Behauptung, dass die Mitglieder leer ausgehen siehe folgende Rechnung mit den Zahlen meiner hiesigen Genossenschaftsbank: Ein Genossenschaftsanteil kostet z.B. 160,00€ und ist mit 500,00€ Nachschusspflicht verbunden (falls die Bank in finanzielle Schwierigkeiten gerät). Bei der jährlichen Vertreterversammlung schildert der Vorstand dann die unglaublichen Schwierigkeiten, mit denen er sich im täglichen Geschäft herumschlagen muss und fordert tiefe Dankbarkeit dafür, dass es ihm auch dieses Jahr wieder gelungen ist z.B. 3% Dividende möglich zu machen. Die Vertreterversammlung möge das doch bitte beschließen, was diese auch zuverlässig tut. Kritische Vertreter gibt es nicht. So fällt niemandem auf, dass die 45.000 tragenden Mitglieder insgesamt deutlich weniger bekommen als ein Vorstand als Jahresgehalt bekommt. (Das Gehalt des Vorstandes wird den Mitgliedern sowieso verschwiegen, der Vergleich ist daher gar nicht möglich.) Das Mitglied bekommt dann 3% Dividende auf seinen Anteil, also 4,80€. Die Nachschussplicht hat man den Mitgliedern schon längst aus den Gehirnen gespült und erwähnt natürlich auch die eigentlich übliche Avail-Provision in Höhe von z.B. 1,5%, also 7,50€, nicht. Das Mitglied schenkt also seiner Bank 7,50€ und bekommt dafür 4,80€ als Belohnung.  Unter dem Strich verschenkt das Mitglied also 2,50€ und hat zusätzlich keinen Vorteil aus seiner Mitgliedschaft. Wenn die Mitglieder das durchschauen würden, wäre so ein Unsinn sicherlich nicht möglich, aber dank der (vom Prüfungsverband gesteuerten) Informationspolitik seiner Führung (Vorstand und Aufsichtsrat) findet die sorgsam ausgewählte Vertreterversammlung das Alles in Ordnung und beschließt das für alle Mitglieder, die dabei überhaupt nicht mitreden können. Damit ist alles legal. So funktioniert Genossenschaft heute. – Herbert Simon


Leserbrief zu „Der Wahn der Überlegenheit“ von Jason Stanley

Ein paar Zeilen muss ich noch loswerden, sonst ist schlecht Schlafen. -Fegen vor der eigenen Tür Was sich Leute wie Stanley herausnehmen über die 68er zu resümieren, ist sehr eng ausgelegt und populistisch und materiell auf das eigene Werk bezogen. Wie Sie Herrn Stanley soviel Seite zur Verfügung stellen, inklusive Buch-Werbung ist für mich unbegreiflich. Schaffen wir die Aufarbeitung nicht selber , ohne an den Haaren herbeigezogenen Themen? Welche Bewegungen, so es welche gab, haben in den Vereinigten Staaten gefruchtet…? – Wolf-Dietrich Baum


Leserbrief zu „Arme Schweine“ von Katharina Heckendorf

Ihr Artikel – und viele andere ähnliche Artikel – zeigen, dass in Deutschland Menschenschutz, Tierschutz und Umweltschutz offensichtlich irrelevant sind und einzig die kurzfristigen Gewinne der Unternehmen einschließlich der Agrarindustrie für die regierenden Politiker(innen) – und offenbar auch für deren Wähler(innen) – von Bedeutung sind. Würden unsere Politiker(innen) das Grundgesetz und die von ihnen selbst verabschiedeten Gesetze ernst nehmen, müssten sie dafür sorgen, dass Tierquälerei verfolgt und bestraft wird – aber die Profitinteressen der Agrarindustrie und das Verlangen der Verbraucher nach Billigfleisch haben offensichtlich Vorrang vor Tierschutz und Rechtsstaatlichkeit. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner tritt ja sogar ziemlich unverblümt dafür ein, nicht etwa die Tierquäler(innen) zu bestrafen, sondern jene, die die Tierquälereien im Bereich der Agrarindustrie öffentlich machen. Ich frage mich, ob wohl auch Menschenfleisch produziert und angeboten würde, wenn es einen Markt dafür gäbe. Deutschen Landwirt(inn)en und Schlachthofbetreibern traue ich inzwischen fast jedes Verbrechen zu. Meine Vorschläge: Aufhebung der Loyalitätspflicht, massiv verstärkte Kontrollen der Mastbetriebe und Schlachthöfe durch materiell dauerhaft abgesicherte, also wirklich unabhängige (!) und weisungsunabhängige (!), z. B. von Tierschutzorganisationen ausgesuchte und mit polizeilichen Vollmachten ausgestattete Tierärzte/Tierärztinnen, Einstufung der einschlägig bekannten Bauernverbände – z. B. des Deutschen Bauernverbandes -, Betriebe etc. als kriminelle Vereinigungen, Abschaffung aller Subventionen für Landwirtinnen und Landwirte, die nicht ökologisch und tierschutzgerecht wirtschaften, Verbot der Produktion von Fleisch über den nationalen Bedarf hinaus, also Verbot des Exportes von Fleisch und Fleischwaren, sowie öffentliche Förderung und Würdigung der Arbeit von Tierschutzorganisationen, die sich für eine anständige Tierhaltung in den Betrieben der Agrarindustrie engagieren. Zum Problem der Ethikfreiheit im Bereich der Wirtschaft insgesamt: http://www.ulrich-willmes.de/paradigmenwechsel.htmlUlrich Willmes


Leserbrief zu „Der Wahn der Überlegenheit“ von Jason Stanley

Mit großer Verwunderung habe ich Ihren Artikel gelesen. Mehrfach, weil ich ihn befremdlich fand. Zunächst: Dass der Holocaust ein geschichtlich singuläres Ereignis ist, müssen wir nicht mehr thematisieren. Das ist allgemeiner Konsens. Dass zum Hass auf andere Menschen ein Überlegenheitsgefühl notwendig ist, braucht nicht diskutiert zu werden. Dazu bedarf es nicht mal eines so starken Gefühls. Der Franzose aus Paris verachtet den Korsen oder den Lothringer. Nur als Beispiel. Das ist überall auf der Welt so. Aber dass Sie als Jude, der sich zum auserwählten Volk zählt, den Deutschen ein Überlegenheitsgefühl vorwirft, erstaunt mich doch sehr. Dieses Überlegenheitsgefühl hat dafür gesorgt, dass das Volk der Juden 2000 Jahre Diaspora überlebt hat. Und dann werfen Sie den Deutschen vor, die Aufarbeitung nicht richtig gemacht zu haben. Erstens ist es heute müßig und wohlfeil, im Nachhinein Vorwürfe zu machen. Zweitens wurden Juden immer in die Aufarbeitung mit einbezogen. Auch der Staat Israel und die USA waren aktiv beteiligt. Da scheint Saul Friedländer einiges entgangen zu sein. Und Ihnen auch. Und was 1968 angeht. Ich bin 1946 geboren und habe diese Zeit nicht nur aktiv miterlebt, sondern, weil Erinnerungen stets trügerisch sind, auch später mich mit dieser Zeit und seinen Folgen beschäftigt. Von „Opfergefühlen“ der Studentenbewegung habe ich nichts bemerkt. Vielleicht sprechen Sie mal bei Gelegenheit mit David Cohn-Bendit. Er hat die Vorteile, damals und auch später politisch sehr aktiv gewesen zu sein und er ist kein Goj. Auch in den 80. Jahren, im Verhältnis zur DDR, hatte ich nie das Gefühl, dass sich Deutschland als Opfer des Kommunismus sieht. Die Toten an der Mauer wurden als Opfer betrauert, klar. Aber als Geisteshaltung kam das in meiner Erinnerung nicht vor. Weder von der Politik noch von den Medien. Willy Brandt und Helmut Schmidt haben sich nie als Opfer gesehen. Den Status als Opfer kann man auch zelebrieren und damit Geld verdienen. Siehe hierzu Henryk M. Broder und Maxim Biller. Ihre persönlichen Erfahrungen berühren mich sehr. Solche Schicksale gab es viele und es gibt sie immer noch. Das hilft Ihnen in Ihrer Trauer aber nicht. Aber von einem Staat Hilfe bei der Trauerbewältigung zu verlangen, bringt Sie auch nicht weiter. Vielleicht schenken Sie der Stadt Berlin auf dem geliebten Olivaer Platz eine Bank. Ich würde es machen. – Hartmut van Meegen


Leserbrief zu „Von linker Moral und neoliberalen Interessen“ von Sarah Wagenknecht

Auch wenn ich einige Auffassungen von Sahra Wagenknecht, insbesondere jene zum Neoliberalismus, nicht teile, muss ich dennoch anmerken, dass sie offensichtlich eine der ganz wenigen, klugen Vertreter im linken politischen Spektrum ist, die begriffen haben, dass sich das Schicksal der westlichen Demokratien an der Beherrschung, und um es ganz offen zu sagen, an der merklichen und dauerhaft wirksamen Zurückdrängung der Migration entscheiden wird. Linke Interessenvertretung für Benachteiligte kann nur dann funktionieren, wenn sie auch organisiert werden kann, d.h. wenn es nicht zu einer Kannibalisierung von Interessen und zur Verschärfung von Verteilungskonflikten durch massive Zuwanderung weiterer Benachteiligter in den Dimensionen der letzten 10 Jahre kommt. Dahinter verbirgt sich die ahnungsvolle Einsicht, dass die Organisierbarkeit der Zuwanderer praktisch Null sein wird, nicht zuletzt wegen deren völlig anderen (oder gar keinen) Vorstellungen von Methoden der Konfliktbewältigung. Mit solchen Überlegungen kommt Frau Wagenknecht natürlicherweise in massiven Konflikt mit dem linksideologisch-dogmatischen Spektrum der Partei, das übrigens auch etwas begriffen hat: „Offene Grenzen“ sind das letzte genuin linke Gleichheitsangebot, das es mit Zähnen und Klauen zu verteidigen gilt, nachdem sämtliche Vorstellungen dieser Art an der Realität zerschellt sind, seien es die z.T. abstrusen Umverteilungsforderungen im eigenen Land oder die kindlichen Träume von einem „Öl-Sozialismus“ in Venezuela. Sie hat als eine der wenigen begriffen, dass die Aufgabe des Slogans „Offene Grenzen“ die einzige Chance ist, merkliche Unterstützung für linke Politikelemente hinzuzugewinnen oder mindestens zu behalten, denn mit der dauerhaften Überforderung und dem dann absehbaren Untergang der Demokratien in Westeuropa wäre auch diese unwiederbringlich dahin. – Matthias Wagner


Leserbrief zu „Germany First!“ von Kerstin Kohlenberg und Mark Schieritz

Die Autoren legen m.E. eine merkwürdige Logik an den Tag. Sie behaupten: „Er (gemeint ist der deutsche Staat) lässt die ausländischen Produkte zwar ins Land, sorgt aber dafür, dass sie kaum jemand kauft.“ Mir ist nicht bekannt, dass der deutsche Staat mich oder jemand anderen jemals abgehalten hätte, amerikanische oder andere ausländische Produkte zu kaufen. Den Autoren scheint auch nicht bekannt zu sein, dass deutsche Technik im Ausland gekauft wird, weil sie einfach besser ist als die Konkurrenz, und dafür wird auch oft ein höherer Preis in Kauf genommen. Und ja, kaum jemand in Deutschland kauft amerikanische Autos – aber nicht weil der Staat jemanden abhält, sonderen weil deren Technik und Qualität seit Jahren nicht mehr den Anforderungen entsprechen. – Raimund Helbrich


Leserbrief zu „Kann diese Pflanze böse sein?“ von Fritz Habekuß

Ihr oftmals verzeifelter Versuch immer allen Seiten gerecht zu werden, kann Einenn manchmal zum Wahsinn treiben. Viel zu kurz ist dieses Mal aber der Regenwald gekommen, und damit das berechtigte Interesse seiner Bewohner und der gesamten Menschheit an seinem Überleben. Der (malaysische) Regenwald ist einer der ältesten Waldökosysteme der Erde mit unbeschreiblicher Artenvielfalt. Sein gleichzeitiges Verschwinden – welches fast abgeschlossen ist – mit den Interessen aller möglichen Profiteure des Palmöls sozusagen gleichberechtigt auf eine Stufe zu stellen, ist das Hauptdefizit ihres Artikels. Das Wort Regenwald oder Urwald wird zwar paar Mal erwähnt, sein Wert und sein baldiges Verschwinden auf Sumatra, Borneo und in Ost- und Westmalaysia – den einstmals größten Regenwaldflächen Asiens – hingegen nicht annähernd ausreichend thematisiert. Selbst wichtige und wertvolle Schutzgebiete, wie der Leuser-UNESCO-Welterbe-Nationalpark in Nordsumatra, werden inzwischen gnadenlos der illegalen Räuberung durch Holz- und Ölpalmkonzerne preisgegeben; der zutiefst korrupte indonesische Staat wird das nicht verhindern wollen. Gut dass ich jetzt durch Ihren Artikel über die Werthaftigkeit des Palmöls aufgeklärt worden bin. Setzen. Thema verfehlt. Neuer Versuch. – Thomas Schröder


Leserbrief zu „Arme Schweine“ von Katharina Heckendorf

Es ist doch immer wieder erstaunlich, mit welcher Sicherheit Beamte, in diesen Fällen Veterinärbeamte der Landesverwaltungen, unter Verletzung des Gesetzes, hier des Tierschutzgesetzes, in die Verfolgung von Verletzungen des Tierschutzes eingreifen ohne hierzu belangt zu werden. Solche Beamte gehören aus dem Dienst entlasten oder besser, da sie das Gesetz gebrochen haben, sie sind als Beamte nicht mehr tragbar. Wann wir hier endlich durchgegriffen!! Aber da selbst die zuständigen Minister mit schlechtem Beispiel vorangehen,siehe hier unsere Landwirtschaftsminister, wird sich wohl nichts ändern. Wenn man diese Elend der Tiere ansieht, auch bei den Transporten, dann steigt einem die Wut gegenüber diese Gesetzesbrecher hoch. – Dr. Norbert Kühn


Leserbrief zu „Spiel mit der Schuld“ von Ijoma Mangold

Das Unmögliche an den Nazi-Verbrechen ist ja, dass man sie nicht gegen andere Ereignisse der deutschen Geschichte aufrechnen oder vergleichen kann. Weder Luthers Reformation noch der daraus entstandene 30-jährige Krieg, weder der 1. Weltkrieg oder gar die März-Revolution von 1848 zeigen irgend etwas vergleichbares zu dem, was an perversen Verbrechen unter der Hitler-Diktatur geschah. Der 30-jährige Krieg hat die damalige Bevölkerung halbiert -ohne das eintotalitärer Herrscher dafür verantwortlich war. Die Revolution von 1848 brachte den Deutschen doch nicht die Demokratie -die restaurativen Kräfte waren zu stark und den Deutschen fehlte die politische Reife für solche Umbrüche. Also was meint Gauland eigentlich, wenn er von einem Plus in der Bilanz deutscher Geschichte spricht ? Karl der Grosse lebte vor 1200 Jahren und seine historische Bedeutung teilen wir uns bekanntlich mit Frankreich. Geschichte, das zeigen auch die Vergleiche mit anderen Ländern, kann man schlecht qualitativ betrachten. Was aber mit brutaler Deutlichkeit offensichtlich ist, und da liegt das grösste Problem für uns Deutsche, sind die Verbrechen der Nazi-Jahre, deren Dimensionen man sich bis dahin nicht vorstellen konnte und die deswegen alle anderen geschichtlichen Ereignisse verblassen lassen. – Klaus Reisdorf