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2. Juli 2020 – Ausgabe 28

 

Leserbriefe zu „Glaube ohne Worte“ von Evelyn Finger

 

Beim Rätselraten um den Grund der Austrittswelle möchte ich einen weiteren Grund nennen: Schuld ist schlicht der christliche Glaube selbst. Es ist doch absurd, dass der „gütige und allmächtige Gott“ es nötig hat, als Menschenopfer seinen eigenen Sohn foltern und töten zu lassen, um sich wieder „mit den Menschen zu versöhnen“. Das ist archaisches Denken! Es ist verwunderlich, dass heute noch so viele Menschen diesen groben Unfug glauben. Letztlich ist der Abstieg der Kirchen aber unaufhaltsam, trotz Tradition und Kultur. – Herbert Hudde

 

Es gibt viele Ansätze die Zahl der Kirchenaustritte zu mindern, die zunehmenden Säkularisierung unserer Gesellschaft zu verlangsamen oder gar anzuhalten. Evelyn Finger nennt am Ende ihres Artikels drei davon. Was fehlt ist eine, säkular gesprochen, klare „Produktbeschreibung“. Was fordert der Mann aus Nazareth (vorausgesetzt er ist noch das Fundament der Kirche), was bekommt man dafür von ihm? Die Forderung: „Liebe Gott und liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ und als Produkt eine Vision: „dass sie alle eins seien.“ (Joh 17); allzu vielversprechend ist das ja nicht gerade! Und selbst wenn man das soweit ok findet, ist man dann zusätzlich noch bereit Kirchensteuer zu bezahlen für das was die Kirche tut oder auch nicht tut? Mit Frömmigkeit hat das gar nichts zu tun!

Und doch: die Wahr-Nehmung dieser Vision verwandelt nicht nur Brot & Wein sondern auch uns selbst. Sie bringt kein (Lebens-) Glück; Glück und Pech sind statistisch. Aber sie ermöglicht das, was Christen „Erfülltes Leben“ nennen, sie ist dem Leben zugewandt. Das Christentum hat diese Wahrheit übrigens nicht exklusiv gepachtet, andere (Welt-) Religionen transportieren sie auch. Aber, und da bin ich wieder bei der Autorin, um in die Tiefe zu gelangen hilft geistliche Heimat, hilft der Havelberger Dom, hilft die Luther Bibel, hilft eine Kantate von Bach. Es bleibt anstrengend, aber es lohnt sich. – Dr. Volker Wagener

 

Respekt, Frau Finger! Auf so einen erbärmlichen Kommentar („Glaube ohne Worte“; „Die Zeit“, 2.7.2020) ohne jeden Tiefgang und ohne jegliche Relevanz für mündige Christen muss man erst mal kommen! – Dr. Willi Westhoff

 

„ Was hilft? “ – Veränderung der christlichen Sprache in Kirchen und Kathedralen… ! – Klaus Busch

 

Steuer und AustrittDie Gründe für Kirchenaustritte werden im Leitartikel von Eveyln Finger nicht alle erfasst. Ich selbst habe bei Steuererklärungen die aufwendige Erhebung der Kirchensteuer immer als ärgerlich empfunden. Es scheint, als würde die Erhebung von Kirchensteuer auf die Kapitalersatzsteuer als besonders habgierige Seite der Kirchen interpretiert und im Zuge der Steuerersparnis, die ja wohl meist insgeheim das Ziel der privaten Steuererklärung ist, unter die möglichst eingesparten Ausgaben gerechnet. Geradezu aufdringlich bietet sich dieses Verfahren dem Steuerpflichtigen an und scheint mir ein ganz effektiver Grund für den Rückgang der Kirchenmitglieder zu sein. Nichts ist leichter als dafür eine Meldung an das Kirchenbüro zu schicken, die dazu sogar bereitwillig Merkblätter verschicken. Das Verfahren des Kirchensteuer-Einzugs wurde in den letzten Jahren zudem unübersichtlich oft verändert. Was ist da einfacher als gar nicht mehr zu zahlen. Dass “bei vielen Christen eine profunde Unkenntnis über den christlichen Glauben herrscht”, die M.Molthagen beklagt, mag ein weiterer Grund sein. Die Vielzahl der theologischen dogmatischen Fachbegriffe mit unrealistischem Heilsversprechen verstärkt das Unverständnis. – Eckart Botsch

 

Der Artikel weist darauf hin, dass die Grösse der Kirche sich nicht nach Mitgliederzahlen misst. Der Einfluss des Christentums reicht viel weiter als die Kirchenmauern. Das kann ein Blick in die Geschichte der Demokratie bestätigen. Die christliche Weltsicht verleiht entscheidende Maßstäbe. Dazu schreibt der Soziologe Rodney Stark in seinem Buch „Sieg der Vernunft“:

„Die klassische Welt lieferte zwar Beispiele für Demokratie, aber diese wurzelten nicht in der Annahme, dass alle gleich seien, sondern bezogen sich nur auf die Elite. Selbst als sie von gewählten Gremien regiert wurden, waren die verschiedenen griechischen Stadtstaaten und Rom von einer großen Zahl von Sklaven abhängig. Und so wie es das Christentumwar, das die von Griechenland und Rom ererbte Institution der Sklaverei beseitigte, so verdankt die westliche Demokratie ihre wesentlichen intellektuellen Ursprünge und ihre Legitimität den christlichen Idealen und nicht irgendeinem griechisch-römischen Erbe. …

Jesus vertrat eine revolutionäre Auffassung von moralischer Gleichheit, nicht nur in Worten, sondern auch in Taten. … Paulus macht deutlich, dass die Gleichheit in den Augen Gottes Auswirkungen darauf hat, wie die Menschen in dieser Welt behandelt werden sollten, so wie Jesus es auch praktizierte. So wurde das Muster festgelegt. … Von diesem Punkt aus war es nur ein sehr kurzer Schritt zu der Feststellung, dass jedes Individuum Rechte hat, die nicht ohne triftigen Grund verletzt werden dürfen: die Doktrinen der Gleichheit vor dem Gesetz und der Sicherheit des eigenen Heims und Eigentums. Solche Doktrinen waren natürlich ein Gräuel für die Despoten.“

In seinem Buch Demokratie in Europaweist der Politikwissenschaftler, Historiker und Philosoph Larry Siedentop CBE auf den Ursprung der Idee der Gleichheit und seine Bedeutung für die Demokratie hin: „Wir kommen also auf die Idee der Gleichheit zurück. Wir müssen nun ihre Verbindung mit dem christlichen Glauben genauer betrachten. Denn wenn wir das nicht tun, werden wir das Wesen der modernen Demokratie, ihre Quellen und ihre Dilemmata nicht verstehen. Wenn wir sowohl die Idee als auch die Praxis der Demokratie in der Antike betrachten, stellen wir fest, dass sie eng mit der Annahme der „natürlichen“ Ungleichheit, d.h. mit dem Glauben an irreduzible Statusunterschiede, verbunden ist. … Es war der Einzug des Christentums, der diese moralische Neuausrichtung vollbrachte. Auf diese Weise lieferte das Christentum die moralischen Grundlagen der modernen Demokratie, indem es einen moralischen Status für die Individuen – als Kinder Gottes – schuf, der schließlich in einen sozialen Status oder eine soziale Rolle umgesetzt wurde.“

Der berühmte Neurochirurg und frühere US-Präsidentschaftskandidat Dr. Ben Carson schrieb in seinem Buch “America the Beautiful” über die Grundlagen der Demokratie: „Als der Franzose Alexis de Tocqueville 1831 nach Amerika kam, um die Geheimnisse unseres enormen wirtschaftlichen Erfolgs zu entschlüsseln, war er von unserem Schulsystem so angetan, dass er ausführlich über das schrieb, was er als einzigartiges und mächtiges Instrument zur Förderung einer produktiven neuen Nation ansah. Im Gegensatz zu den Schulen in Europa lehrten die amerikanischen Schulen den Kindern Werte, wie er feststellte, und die Heilige Schrift wurde in den öffentlichen Schulen intensiv eingesetzt.

In seinem Buch Über die Demokratie in Amerikaschrieb er: ,Bei meiner Ankunft in den Vereinigten Staaten war der religiöse Aspekt des Landes das Erste, was mir auffiel; und je länger ich dort blieb, desto mehr erkannte ich die großen politischen Konsequenzen, die sich aus diesem neuen Zustand der Dinge ergaben. In Frankreich hatte ich immer gesehen, wie der Geist der Religion und der Geist der Freiheit in entgegengesetzte Richtungen marschierten. Aber in Amerika fand ich, dass sie eng miteinander verbunden waren und dass sie gemeinsam über dasselbe Land herrschten.

… Ich suchte den Schlüssel zur Großartigkeit und zum Geist Amerikas in seinen Häfen … in seinen fruchtbaren Feldern und grenzenlosen Wäldern, in seinen reichen Minen und dem riesigen Welthandel, in seinem öffentlichen Schulsystem und seinen Bildungseinrichtungen. Ich suchte ihn in seinem demokratischen Kongress und in seiner unvergleichlichen Verfassung. Erst als ich in die Kirchen Amerikas ging und hörte, wie von ihren Kanzeln flammende Predigten über Recht und Unrecht gehalten wurden, begriff ich das Geheimnis seines Geistes und seiner Macht. Amerika ist großartig, weil Amerika gut ist, und wenn Amerika jemals aufhört, gut zu sein, wird Amerika aufhören, großartig zu sein'“.

Soweit der Franzose Alexis de Tocqueville im frühen 19. Jahrhundert. Es hört sich an, als hätte Tocqueville damals vor fast zweihundert Jahren schon bis ins 21. Jahrhundert geschaut. Es gibt also für Christen in unserer Zeit sehr viel zu tun. Der christliche Glaube kann, ohne ausgesprochen politisch zu sein, entscheidende Stärkung der Freiheit, der Demokratiebereitschaft und -fähigkeit in der Gesellschaft bewirken, wenn er persönlich und authentisch ausgelebt wird. – Gerhard Jahnke

 

Es kommt selten vor, dass jemand in der ZEIT über den Havelberger Dom schreibt, der in diesem Jahr 850 Jahre alt wird (Weihe am 16. August 1170). Also habe ich mich gefreut, von ihm zu lesen. Schade, dass Sie nicht am Pfarramt am Dom klingelten. Gerne hätte ich Ihnen etwas vom Jubilar und seiner wechselvollen Geschichte erzählt und natürlich auch von der Gegenwart und der Situation unserer kleinen evangelischen Gemeinde, die zum Ursprungsgebiet, Brandenburg (EKBO), gehört. Weil ich Ihre „grobe“ Einschätzung über die Austritte nicht ganz teile, hätte ich Ihnen gerne von den Sorgen und Freuden in der hiesigen Provinz erzählt. Über den Stolz der Menschen, die hier in der Kirche sind und zur Gemeinde gehören, aber auch über den Frust durch größer werdenden Pfarrbereiche, die natürlich durch mangelnden Nachwuchs (Taufen) zusammengelegt werden.

Und ja, Austritte gibt es auch. Schmerzlich, weil man sich als Pfarrer auch stets fragt; was habe ich falsch gemacht und sich dabei oft überschätzt, weil es mit einem selbst nicht so viel zu tun hat. Was ist das Problem der Austritte? Aus meiner Sicht sind es nicht die Skandale der katholischen Kirche, die hier ins Evangelische durchschlagen, aber auch nicht die Reformgewissheit der Evangelischen Kirche. Es sind sehr unterschiedliche Faktoren. Im Osten, in der Prignitz (wozu Havelberg kirchlich gehört), ist es die Entwöhnung von der Kirche und das Nichtverstehen der nichtchristlichen Mehrheitsbevölkerung, dass es so etwas wie einen christlichen Glauben geben kann und der sich positiv auf das Leben und Hoffen auswirken kann. Das ist auch ein Erbe der DDR.

Die Entfernung von der Kirche und den christlichen Wurzeln ist schon so lange her, dass viele Menschen 3 Generationen zurückdenken müssen, um Christliches in ihrer Familie zu finden. Die wenigen Austritte, die ich hier verzeichne, sind m.E. meist darauf zurückzuführen, dass die „Bindekraft“ der evangelischen Kirche zu gering ist, dass unsere Angebote zu erwachsen gewordenen Menschen nicht mehr durchdringen, dass die Kirchensteuer als Abgabe deutlich wird, die man nicht geben möchte, dass man aus der Provinz wegzieht und keinen Kontakt zur Gemeinde in der neuen Heimat findet. Leider haben wir coronabedingt unser umfangreiches Programm zum Jubiläum größtenteils absagen müssen. Eines jedoch findet statt: der Festgottesdienst am 16.8.2020, 11.00 Uhr. Dazu möchte ich Sie recht herzlich einladen! – Frank Städler

 

Mit 78 Jahren und der festen Hoffnung der Kirche (kath.) weiterhin treu zu bleiben, ist der Beitrag in mehrfacher Hinsicht interessant: Die kulturhistorische Seite ist auch für viele Nichtmitglieder von Bedeutung. Der Missbrauchsskandal und die Vertuschungen dürfen natürlich nicht fehlen. Der im gleichen Zeitraum von 70 Jahren millionenfache Missbrauch in unserer gesamten Gesellschaft relativiert natürlich das Versagen wegen des hohen moralischen Anspruch der Kirche in keiner Weise und soll auch nicht als „Halte den Dieb“ verstanden werden. Nebenbei: Bezüglich der Aufklärung habe ich im Netz keine umfangreichere Datensammlung zum Missbrauch als über die katholischen Bistümer in Deutschland und den USA gefunden.

Das alles geht aber am Kern der Sache vorbei. Keiner der bleibt oder geht, sollte gescholten werden. Wer „Mitglied“ der Kirch sein will, sollte sich auf die wesentlichen Worte Jesu konzentrieren: Du sollst Gott lieben und den Nächsten wie dich selbst. Dazu die Bergpredigt und die Einstellung Jesu zu den „Gesetzestreuen“. Viele Nichtmitglieder verhalten sich ohnehin dementsprechend, zumindest was die Mitmenschen angeht. Ich gäbe viel darum, wenn die Kirchen auch endlich ihre antiken und mittelalterlichen Texte und Riten anpassen und Manches auch mal streichen würden. Als alter Mensch kann ich damit leben, aber für die Jungen sind manche Rituale und Texte absolut unverständlich und führen nicht zu den von Jesus gestellten Ansprüchen an unser Verhalten. – Arnold Grolmus

 

Frau Finger „zitiert“ Personen auf die Frage, ob einer glaube, mit „Na ja“ (Getaufte) und „Na klar“ (Ausgetretene) – allerdings erscheint es mir so, dass sie den (imaginären) Personen diese Antworten in den Mund legt. Es wird nicht belegt, wie viele Getaufte oder Ausgetretene genau so auf die Frage nach dem eigenen Glauben so antworteten. Wie wäre es denn, einfach anzunehmen, dass Ausgetretene einfach nicht glauben? Diese absurd einfache Antwort scheint der Autorin nicht in den Sinn zu kommen – viel zu naheliegend! Es wird zwar schon so sein, dass viele Menschen, die aus einer Kirche austreten, dies aufgrund einer Entfremdung mit der Institution Kirche tun und weiterhin an einen Gott glauben. Dazu hat es ja ausreichend viele Skandale um Kindesmissbrauch, Entfremdung (Bischöfe, die sich einen Protzpalast bauen lassen) und Beteiligung der Basis an relevanten Entscheidungen gegeben.

Und was – auch in diesem Artikel – vollkommen außer Acht gelassen wird: um aus einer der großen christlichen Kirchen austreten zu können, muss sich eine Austretende in Deutschland weiterhin an eine staatliche Behörde wenden (Standesamt oder Amtsgericht, je nach Bundesland) und – zumindest in den meisten Bundesländern – zusätzlich noch eine Bearbeitungs- oder Verwaltungsgebühr zahlen (in Niedersachsen z.B. 25 Euro). Eine Trennung von Kirche und Staat ist hier nicht gegeben – ich gehe zu einer staatlichen Behörde, um meiner Kirche mitzuteilen, dass ich austreten möchte, und ich muss den Staat für diese „Dienstleistung“ noch bezahlen! Entgegen anderslautender Gerichtsurteile empfinde ich dies als unangemessenen Eingriff des Staates in meine mir grundgesetzlich zugesicherte Religionsfreiheit. Wie hoch möge wohl die Zahl der Kirchenaustritte sein, wenn ich den Austritt allein meiner Kirche gegenüber erklären könnte? – Stefan Hedtfeld

 

Alle Jahre wieder kommt sie, die Zahl mit den Kirchenaustritten und der Frage: Was tun? Kirchen als Gebäude erhalten, das möchten verständlicherweise manche. Nicht nur großartige Dome wie in Havelberg, auch wunderschöne Dorfkirchen, um die sich gerade in Ostdeutschland viele Fördervereine bemühen. Aber eine prächtige Hülle ohne Inhalt? Gegen den Zeitgeist der Säkularisierung und der Egozentrik wird noch so viel Herumdoktorn nicht helfen! Als engagierte Protestanten sehen wir diese Entwicklung mit Bedauern sowohl für den Einzelnen, dem die Kirche ein Ort der geistigen Heimat und Geborgenheit in dieser überdrehten Welt sein kann als auch für die gesamte Gesellschaft durch ihr soziales Engagement. – Helga und Dr. Hans-Detlef Leppert

 

Nun beklagen die Kirchen einen hohen Mitgliederverlust… Bei glaubenstreuen und traditionsbewussten Christen, für die der Glaube mehr ist als nur ein hipper Wohlfühl – Lifestyle, rufen ihre Kirchenoberen schon lange Unbehagen hervor. Das hat seinen Grund auch darin, daß die Kirchen ihre eher konservativen Gläubigen immer wieder auszugrenzen versuchen. Während die Evangelische Kirche in ihrer Geschichte ohnehin stets eine große Nähe zu den jeweils Regierenden hatten, kann man heute auch vom katholischen Pendant nicht mehr erwarten, als daß sie den Trends und Stimmungen in Politik und Gesellschaft ein klares wertebasiertes Bekenntnis entgegensetzt.

Längst schon bemüht man sich selbst, die Speerspitze des linksgruenen Zeitgeistes zu sein und drängt die Politikvertreter auch noch. Im Kern sind die Amtskirchen zu staatlich privilegierten NGO’s geworden… Nicht zuletzt scheitern die Kirchen an der Herausforderung der zunehmenden Islamisierung Europas. Mit dem Verlust der eigenen Glaubesgewissheit verlieren die Amtskirchen eben auch ihre Gläubigen. Was haben sich Bedford – Strohm und Marx wohl dabei gedacht, als sie beim Besuch des Tempelbergs in Jerusalem das Kreuz praktisch verleugneten? – Oliver Stumpf

 

Warum soll jemand erzkonservativ sein wenn er von den Geistlichen erwartet, in ihren Predigten mehr über den Glauben als über Politik zu sprechen ? Politik und der christliche Glaube haben genauso wenig Berührungspunkte wie ein Gebet mit Schuheputzen. Wenn sich konservative Politiker, vornehmlich die von CDU/CSU, damit brüsten, ihre Politik an christlichen Werten auszurichten ist eher zu vermuten, dass man darauf spekuliert, leichter die Gläubigen als Wähler an sich zu binden. Der Glaube an Gott entfernt den Menschen schnell von den banalen Schwächen und Unzulänglichkeiten seiner irdischen Existenz. Und ob jemand aus seiner Kirche austritt oder dort bleibt berührt herzlich wenig sein Verhältnis zu seinem Glauben. Die Kirchen sind nur uralte Organisationen deren Zielsetzung immer war, Gottes Bedeutung und ihren geistlichen Anspruch so anzunähern, dass der Gläubige den tatsächlichen, gewaltigen Unterschied kaum noch erkennt. So entstand die Herde der folgsamen Schafe die seitdem ihrer Kirche folgte.

Das funktioniert seit fast 2000 Jahren in einer Weise, die so fehlerhaft und unvollkommen bleibt wie die menschliche Natur eben beschaffen ist. Die Kirche ist ja keine Schöpfung Gottes sondern nur Menschenwerk. Wie oben angemerkt, ist der Mittelpunkt im Denken eines Christen sein Glaube und nur hier kann die Kirche wieder Respekt zurückgewinnen wenn sie ihre krankhafte Fixierung auf theologischen Dogmatismus und Hierarchiedenken über Bord wirft. Dieses Erbübel, einbetoniert in das kirchliche Fundament, ist, neben dem Skandal des Missbrauchs, der Hauptgrund für die Distanzierung vieler Gläubigen von Kirche und Gottesdienst. Um die Kirche, egal ob katholisch oder evangelisch, wieder glaubwürdig werden zu lassen, müssen gewaltige reformerische Kräfte geweckt werden. Am besten durch einen neuen Luther für heutige Zeiten, der auch gleich beide Kirchen wieder vereint. – Klaus Reisdorf

 

Wenn der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, die Entscheidungsfindung beim Reformdialog des Synodalen Weges in Deutschland mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 vergleicht, kann es doch nicht ernsthaft verwundern, dass die Zahl der Austritte aus der Katholischen Kirche schwindelnde Höhen erreicht. Der möglicherweise über seine Demission frustrierte Kardinal bemängelt ferner, dass durch die Zusammensetzung der Synodalversammlung die sakramental erteilte Vollmacht der Bischöfe außer Kraft gesetzt werde. Diese Äußerungen wurden durch etliche Medien, u.a. durch die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) vermeldet.

Wenn ein hochrangiger Vertreter der Katholischen Kirche derartige Ansichten ohne jegliche Konsequenzen für ihn äußern kann, entscheiden die Menschen mit den Füßen und wenden sich ab. Das ist noch lange nicht das Ende. Zuviel Vertrauen ist zerbrochen und nicht mehr herstellbar. Eigentlich schade, wenn man das redliche Mühen um neue Vertrauensbildung einiger Bischöfe sieht. Das ist aber letztlich nur ein Beispiel von vielen. Hier wird explizit die Bereitschaft zur Mitarbeit von Laien mit Füßen getreten und keineswegs wertgeschätzt. – Ferdinand Reelsen

 

Kirche könnte mehr. Die Kirche sollte sich erneut reformieren, seine Weltformel überdenken, und stattdessen den Dienst am Menschen in den Mittelpunkt stellen. Der Wirtschaftler würde sagen: Geschäftsbereiche abstoßen, sich auf das Kerngeschäft konzentrieren, Hierarchien abbauen, Strukturen verschlanken und Gott entlassen. Warum ist die Kirche nicht der Ort, wo der moderne Mensch zuhause ist? Ein Ort, an dem die Vorstellung von uns Menschen immer wieder neu diskutiert wird? Der zivilisatorischen Verdienst der Kirche ist doch das wertebasierte Zusammenleben, die Solidargemeinschaft, das Miteinander. Dinge, die anderenorts in der Gesellschaft nur vage (wenn überhaupt) formuliert oder gelebt werden. Hört man dann aber von den ganz großen Ideen der Kirche, verschwindet schnell der Zauber. Was soll man als moderner Mensch mit Zölibat, Ungleichbehandlung von Frau und Mann oder dem Unwillen der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle anfangen?

Die Rechtfertigung in höherer Mission unterwegs zu sein und der latente Verweis auf Gott offenbaren die Mechanik der kirchlichen Weltwahrnehmung. Wer hat schon Interesse daran, einer uralten starren Mechanik gerecht zu werden? In Gesprächen mit Kirchlichen rutscht irgendwann immer Gott hinein. Man denkt sich: eben war der Austausch noch so gut und jetzt kommt das schon wieder! – Tür zu. Geistige Verschmelzung beendet. Gott ist wie der letzte Trumpf, der gezogen wird. Die Erfindung Gottes ist zu seiner Zeit sicherlich die genialste Idee gewesen. Aber heute wirkt sie altbacken, überstrapaziert, unangemessen und nicht sonderlich realistisch – kurz gesagt: Sie bietet keinen Trost mehr. Weder für die Menschen vor der Kanzel noch für die Menschen auf der Kanzel. – Johannes von Alten

 

Kann ein Denken in Marketingkategorien helfen: Zielgruppen, Kundenbindung, Neukundengewinnung, Kerngeschäft? Das Wunder der Kirchenbauvereine? Eine Kirche ohne Definition über Mitgliederzahlen? – Der lebendige Glaube ist das Kerngeschäft, nicht die kirchlichen Rituale. Vielleicht schützen die Rituale sogar vor der Wucht des Glaubens, versperren regelrecht den Zugang zum Glauben. Kirchen: Geerdete diesseitige Orte, die über sich hinausweisen. Himmlische Orte der Ruhe. Orte, die Verbindung schaffen. Orte der Tiefe, die Geschichte erzählen. Gebaute Botschaft. Schiffe, die einladen, mitzukommen. Auf eine Reise, um anzukommen. Es ist die Energie des Glaubens, wenn Kirchenbauvereine sich um ihre Kirche im Dorf kümmern. Die große Kirche als Institution schaut derweil auf die Kennzahl „Entwicklung Mitglieder“. Die Abstimmung mit den Füßen bedeutet betriebswirtschaftlich: Kostensenkung. Verschlankung. Stellenabbau. Fusion von Gemeinden, Aufgabenwegfall – ein Anpassungsprozess, möglichst ohne etwas grundlegend zu ändern. Aus Angst vor dem Glauben? – Reinhard Koine

 

Frau Finger hat Recht: Die Größe der Kirche wird nicht in Zahlen gemessen, auch nicht in Mitgliederzahlen. Ein Verein jedoch, der sich schämt, eine Botschaft zu haben, die nicht von dieser Welt ist, und die doch in dieser Welt ankommen soll, und der eine andere Zielgruppe ins Auge fasst als „alle“ – der sollte sich umgehend rebranden und nicht mehr „Kirche Jesu Christi“ nennen. In der Zwischenzeit könnte das der reformatorische Beitrag der „alten“ christlichen Kirchen sein: Etwas weniger Marketing, etwas mehr „alle“! – Paul Bläsi

 

Immerhin zieht Ihre Autorin Evelyn Finger in Betracht, dass es nicht nur an den Kirchen, sondern auch an den Kirchenmitgliedern liegen könnte, wenn massenhaft Kirchenaustritte erfolgen. Doch dann meint sie, nach den Missbrauchsskandalen hätten „die“ Kirchen „keine so harte Aufklärung“ zugelassen. Wie bitte? Das ist ein Problem der römisch-katholischen, nicht der evangelischen Kirche. Aber es passiert immer wieder dasselbe, in den Medien wie an den Stammtischen: Pauschal werden alle Kirchen in einen Topf geworfen. Dabei kann Frau Finger sie an anderer Stelle durchaus unterscheiden. Es klappt nur nicht immer. Wo mag sie Predigten gehört haben, in denen „salbungsvoll über die Köpfe der Leute hinweg“ geredet wurde? Oder meint sie bischöfliche Statements? Ich vermute, sie geht wie viele, die über die Kirche urteilen, selten oder gar nicht in Gottesdienste. Ja, es gibt in meiner evangelischen Kirche die Illusion, die fortschrittlichere Kirche zu sein. Ja, es gibt die Furcht, anzuecken, und den Wunsch, bei allen gut anzukommen. Doch woran das liegt und was dagegen hilft, kann auch Frau Finger nicht erklären. – Dr. Michael Heymel

 

Eine viertel Titelseite der ZEIT zu belegen, sollte ein Qualitätsbeweis für den Artikel sein. Die Zeilen von Frau Finger sind es nicht. Die Beweggründe, aus der Kirche auszutreten werden darin oberflächlich mit politisch, fromm, traditionsstolz und reformerisch in zwei Zeilen abgehandelt. Einen Grund, in der Kirche zu bleiben sieht die Autorin im Erhalt der Kirchen, Dome und Kathedralen. Dass durch den Bau damals die Armut der Menschen manifestiert wurde und Menschen ihr Leben auf den Baustellen ließen, sollte nicht vergessen sein. Der Gott, an den ich glaube, braucht keine Bauwerke des Glaubens, der will, dass die Menschen sich lieben, tolerieren, Not lindern, Frieden stiften. Stand es nicht so in der Bergpredigt?

Solange es den Kirchen (da ist keine auszunehmen) darum geht, recht zu haben, die einzig wahre zu sein, wird es keinen Frieden geben, schlimmer noch, es wird weiterhin Glaubenskriege geben. Das karitative Engagement der Kirche lässt sie sich über das Subsidiaritätsprinzip vom Staat gegenfinanzen und die Kirchensteuer gleich noch mit einziehen. Ja, auch mir gefallen Kirchen, Dome und Kathedralen. Sie zu erhalten ist eine kulturelle Aufgabe, keine kirchliche. Sie sollten dann auch offen sein, für weltliche Veranstaltungen, Konzerte, Ausstellungen. Und ein Kirchenaustritt wegen der Missbrauchsfälle ist kein schmerzlicher Grund. Er ist Grund genug und sei es aus Wut. – Tina Dorner

 

Ihr Beitrag auf der Frontseite vom 2. Juli «Glaube ohne Worte» zeigt einmal mehr: Sie machen einen grossen Bogen um tiefere Glaubensfragen. Diese Feststellung der Oberflächlichkeit gilt auch für das Ressort «Glauben und zweifeln». Das Tagesgeschehen dominiert. Da berichten Sie gross vom scheinheiligen Trump mit der Bibel in der Hand, vom Besuch des emeritierten Papstes in Regensburg, oder vom Verhalten der Kirchen gegenüber den Alten in den Zeiten der Corona-Krise. Sind das wichtige Glaubensfragen? Ich zweifele sehr daran.

Zu den kardinalen Glaubens-Fragen, die Christen beschäftigen und zweifeln lassen, zähle ich z. B. die Spannungsfelder zwischen Schöpfungsgeschichte und Evolutionsgeschehen oder zwischen den Lehren vom jüdisch geprägten Jesus und dem griechisch orientierten Paulus. Wichtig wären auch Diskussionen zu Themen wie die Opfertheologie und das Dogma von Gott in drei Personen (Trinität). In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob das ökumenische apostolische Glaubensbekenntnis heutigen Menschen noch etwas sagen kann. Viele weitere solcher Themen warten auf spannende Inputs von der «Zeit». Halten Sie konservative Kreise davon ab, solche Themen aufzugreifen? – Dr. Jürgen Wiegand

 

Die Kirchenaustritte in Deutschland waren noch nie so hoch wie im Jahr 2019. Liegt das an den Kirchen oder auch an den Kirchenmitgliedern, fragt sich Evelyn Finger zu recht. Wenn die beiden Gebote der Gottes- und der Nächstenliebe ( Mk 12,28 – 31) und das Vorbild Jesu, der immer Partei ergriffen hat für die Schwachen und Unterdrückten, wirklich im Mittelpunkt der christlichen Lehre stehen würde, dann wäre das eine Botschaft, die sich an „alle“ richtet und deshalb weder die Kirchen noch die Gläubigen aus ihrer Verantwortung entlassen würde. – Gregor Böckermann

 

In geheimnisleeren, aber bedrängten Zeiten sollten die Kirchen vielleicht beides zu verwirklichen suchen: das Wachhalten des Geheimnisses Gottes und das daraus resultierende Engagement für eine gerechtere und menschenfreundliche Gesellschaft. Es ist schon eine gewisse Ironie der Geschichte, dass die Gewerkschaften für die Beibehaltung der Arbeitsruhe an Sonntagen (Sie dient laut Grundgesetz zur „seelischen Erhebung“!) eintreten, während die Kirchen für die Konsumankurbelung auch an Sonntagen sehr großes Verständnis zeigen. Man kann dann ja montags neue Burn-out-Kliniken eröffnen. Evelyn Finger scheint Recht zu haben: Die Kirchen fürchten sich davor „anzuecken“. Auch das ist vielleicht ein Grund für steigende Austrittszahlen.- Bruno Hessel

 

Ja gewiss, alles was Evelyn Finger zum „Glauben ohne Worte“ schreibt, leuchtet ein. Und doch müssen wir den Bogen viel weiter spannen. Schon sehr lange wissen wir, dass Religiosität ein evolutionär erworbenes Verhalten des Menschen ist und sich schon dadurch als stützend, wenn nicht sogar als notwendig für sein Überleben erwiesen hat. Und ebenso sicher wissen wir, dass sich die religiösen Inhalte, also das, woran Menschen glauben, ob und wie sie von einem Gott reden, ihre Hoffnungen und Sehnsüchte, in den etwa sieben Millionen Jahren ihrer Geschichte je nach ihrer Lebenssituation sehr stark verändert haben. Was die jüdisch-christliche Religion betrifft, gab es das von Evelyn Finger genannte „jenseitige Heilsversprechen“ im Alten Testament überhaupt noch nicht, und im Neuen Testament verlässt Gott sogar das Jenseits und seine Allmacht und wird selbst ein Mensch. Diese letztere Wendung ist vielleicht sogar der eigentliche Grund für den überwältigenden Durchbruch des jungen Christentums in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt. Und auch heute gieren Menschen nach Religionen: Ideologien, eine Unzahl von Heilslehren, Esoterik, Verschwörungsgläubigkeit bis hin zum Fußballkult.

Das Fazit: nicht von der Kanzel über unsere Mitmenschen hinweg zu predigen ist das Gebot, sondern ihnen zuzuhören und immer wieder zuzuhören. Es könnte doch sein, dass wir ihre Hoffnungen und Sehnsüchte längst verfehlt haben, indem wir unsere liebgewordenen Traditionen mit Eifer und manchmal auch mit einigem Krampf sprachlich zu modernisieren suchen und glauben, dass dadurch alles wieder so lebendig wie damals, in den ersten Jahrhunderten, werden könnte. Auf George Bernard Shaw soll dieses Bild zurückgehen: Tradition ist wie eine Straßenlaterne in der Nacht, der Törichte umklammert sie voller Angst, der Kluge nutzt ihr Licht, um seinen Weg in die Dunkelheit zu finden. – Dr. Jürgen Schnakenberg

 

Überblickt man die mehr als 14000 Gemeinden in den 20 Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), so gibt es einen großen Ideenreichtum und eine Vielzahl von wertvollen Bemühungen, um die Menschen der Gemeinde anzusprechen und die Bindung an „ihre“ Gemeinde zu festigen. Ferner ist das Lagebild der Bindung bei den evangelischen Freikirchen z.T. fundamental verschieden, und es würde sich lohnen, den Erfahrungsaustausch zwischen den Gemeinden der „Amtskirche“ und Gemeinden der Freikirchen zu verstärken.-

Eine „naturgegebene Not“ sowohl auf der Seite der Römisch-Katholischen Kirche wie auf der Seite der Evangelischen Kirche in Deutschland ist , dass die Menschen, die die Kirche verlassen, nur zu einem kleinen Prozentsatz einen Überblick über das komplexe Gesamtbild der Einrichtungen und Funktionen und der dort tätigen Amtsträger, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben dürften, die außerhalb der Gemeindeebene in „Ihrer“ Kirche bestehen. Manch ein Beitrag in den alten und sogenannten Neuen Medien der Kirchen wäre besser investiert, wenn er nicht nur die diakonische Arbeit, sondern Feld für Feld neben den geistlichen und seelsorgerlichen die gesellschaftlichen Funktionen der jeweiligen Kirche thematisieren würde. Das jährlich neu erscheinende „Taschenbuch des Öffentlichen Lebens Deutschland“ (der OECKL)enthält im Teil: Religion und Weltanschauung dazu alle grundlegenden Daten.

Eine Frage, die sich schließlich stellt : in kaum einem anderen Land als D gibt es eine so breite und tiefe seriöse, fachwissenschaftlich abgesicherte Strategieberatung : Warum ist- soweit ersichtlich –noch keine Projektgruppe an der Arbeit, die mit kompetenten Strategieberatern eine Gegenstrategie zu den Kirchenaustritten erarbeitet, offen, unter den Augen der kritischen Öffentlichkeit. Es könnte auch eine ökumenisch besetzte Projektgruppe sein. – Gerhard Wittkämper

 

Bieten die Zahlen der Stunde nicht auch Anlass einer theologischen Auseinandersetzung? Neben dem verängstigenden Schweigen der Kirchen existiert nämlich auch das Schweigen der universitären Theologie und Lehre, die sich um den rekordverdächtigen Schwund der Kirche nicht bemüht. Und das obwohl sie Ursprung und Ausbildung der kirchlichen Institutionsträger*innen darstellt. Aktuelle Theologiestudierende werden es als zukünftige Pfarrer*innen nur noch mit einem halb so großen Christentum zu tun haben (Zahlen 2060). Es ist im wahrsten Sinne des Wortes notwendig,darauf zu reagieren und die Pfarrer*innenausbildung und das Studium zu modifizieren, denn zwischen einem hohen Mitgliederschwund und schlecht auf das Pfarramt ausgebildeten und vorbereiteten Pfarrer*innen mag eine Relation bestehen. Sonst nämlich steht die Theologie vor der Aufgabe, ihre (gesellschaftliche) Relevanz kritisch zu reflektieren, wenn die Kirche sich einer Nichtexistenz gefährlich nähert. Bezeichnend ist, dass in momentanen Zeiten öffentlicher Diskussion über den Zustand der Institution Kirche sowohl wenig analytischer Diskurs der Theologie geäußert wird als auch kaum Austausch von Professor*innen mit ihren Studierenden (als zukünftige Institutionsträger*innen der Kirche) angeregt wird. – Ferdinand Brenner

 

Es sind nicht nur die Missbrauchsfälle, Frauenfeindlichkeit oder – was vielfach gerne als Hauptargument gesehen wird – das Einsparen der Kirchensteuer, das die Mitglieder zum Austritt bewegt. Es gibt u. a. eine nicht zu unterschätzende Anzahl von TierschützerInnen, die sich enttäuscht von der Kirche abwendet, weil diese dem sündhaften Treiben industrialisierter Massentierquälerei in der Regel nicht nur wort- und tatenlos zusieht, sondern in vieler Hinsicht auch Ursache und Teil dieses grausamen Systems ist. Wie oft schon habe ich Aufrufe von Seiten des Klerus vernommen, man möge doch das Gespräch suchen. Aber genau das wird uns TierrechtlerInnen vielfach verweigert. Wo es um Tiere geht, ist Gesprächsbereitschaft sehr begrenzt bis gar nicht vorhanden! Eine Kirche, die in ihrer Lehre von Barmherzigkeit und Liebe hehre ethisch-moralische Ansprüche reklamiert, kann nicht leidensfähige Mitgeschöpfe menschlicher Brutalität und Gewaltherrschaft in bisher nie gekanntem Ausmaß ausliefern, und das mit offensichtlich reinem Gewissen! – Weil „gottgewollt“ und gerechtfertigt mit ohnehin widersprüchlichen Texten der „Heiligen“ Schrift!

Wenn man wie dieser Tage u. a. im Deutschlandfunk (dram:article_id=472415) von dem Kölner Arbeiterpriester Franz Meurer hören mußte, der den Kirchenbesuch im wahrsten Sinne des Wortes „schmackhaft“ machen will (Zitat aus seinem Interview: „Die Kirche braucht Currywurst, um den Menschen etwas Schönes bieten zu können“) und mit seinem Buch „Glaube, Gott und Currywurst“ zu allem Überfluss noch kundtut, wo man diese billig bekommen kann, treibt das einem die Schamröte ins Gesicht – erst recht in diesen Zeiten corona-bedingter öffentlicher Debatten über längst bekannte mafiöse Strukturen in Schlachthöfen, welche „billige Currywurst“ erst möglich machen. Auf eine Kirche, die nicht mehr anzubieten hat, kann man getrost verzichten! Oder mit Jörg Zink zu sagen: „Wenn das Christentum seinen mystischen Hintergrund nicht wieder entdeckt, hat es nichts mehr zu sagen!“ – Monika Grieshaber

 

„Es gibt nur zwei Tage im Jahr, an denen man nichts tun kann. Der eine ist Gestern, der andere Morgen. Dies bedeutet, dass heute der richtige Tag zum Lieben, Glauben und in erster Linie zum Leben ist.“ „Lebe ein gutes, ehrbares Leben! Wenn du älter bist und zurückdenkst, wirst du es noch einmal genießen können.“ „Alles, was wir im Leben brauchen, ist mehr Menschlichkeit.“ Zitate von Tenzin Gyatso, dem 14. Dalai Lama (*6.7.1935), buddhistischer Mönch und Oberhaupt von Tibet. Dalai Lama bedeutet: „Ozean der Weisheit“. – Klaus P. Jaworek

 

Warum treten die Leute aus den Kirchen aus und kaufen gleichzeitig esoterische Ratgeber? Offenbar strahlt die verkopfte Theologie hierzulande eine geistliche Blässe aus, die alle Bemühungen vieler Gläubigen zunichte macht, die Kirchen lebendig erscheinen zu lassen. Da ist auch der Besuch schöner Dome kontraproduktiv, weil er allenfalls museale Ehrfurcht erzeugt. Wenn dann noch die Angst im Klerus vor Synkretismus umgeht oder „synodale Wege“ zu Minireförmchen führen sollen, dann hat der Heilige Geist einen schweren Stand. Als treuer Kirchensteuerzahler, der den Sakramentenservice seiner Konfession (rk) nicht mehr in Anspruch nimmt, habe ich Sorge auch um die lebensnahen Leistungen der Kirchen.

Die Enzyklika „Laudato si´“ von Papst Franziskus ist eine radikale Bestandsaufnahme, die es wert wäre, offensiv, kreativ und anspruchsvoll vertreten zu werden. Stattdessen kranken viele der lokalen Ansätze zur „Bewahrung der Schöpfung“ an dem Mangel, dass dahinter insgesamt keine vitale Gemeinschaft sichtbar ist. Das ist schade angesichts vieler engagierter Seelen. Aber einem hierarchie-gesteuerten Christentum, das sich alten Legenden und Ritualen unterwirft, fehlt einfach die schöpferische Kraft. – Hermann Pütter

 

Evelyn Finger fragt sich besorgt: Warum kündigen Menschen ihre Kirchenmitgliedschaft auf? Der gewaltigste Abbruch beim christlichen Glauben verbindet sich nach der Shell-Jugendstudie (2000) ausgerechnet mit dem Gottesglauben! Wenn kein Gott, wozu dann Kirche? Deshalb kappen viele der Jungen die Bande zur Kirche. Die Herausforderung für die Kirchen ist leider viel elementarer als von Finger dargestellt; nichts ist zu beschönigen: Es ist das Zentrum des überlieferten Glaubens, das auf viele Zeitgenossen verschlissen wirkt. Der christliche Grundbestand ist nicht mehr relevant für ihr Leben. So fragt beispielsweise der ZEIT-Journalist Tillmann Prüfer(1974 geb.) stellvertretend für die meisten seines Alters (wenn sie überhaupt noch fragen): „Wie kann man glauben, ohne sich gleichzeitig naiv vorzukommen? Wie kann man glauben, ohne gleichzeitig alles zu verneinen, was man gelernt und erfahren hat? Wie kann ich glauben in einer Welt, die so sehr weltlich ist wie unsere?“

Die Kirchen haben in Deutschland die – sich vor allem im Westen bewährt habende – Sozialgestalt Volkskirche. Die Volkskirche (nicht die Kirche Jesu Christi, die auch in ganz anderen Sozialgestalten leben kann) wäre schon vor langer Zeit durch Austritte auf unter 50 % der Bevölkerung gerutscht, gäbe es nicht die beharrlichen Bemühungen Tausender, Gottesglaube und Wissen in eine fruchtbare Spannung zu bringen statt sie als Gegensatzpaar aufeinander prallen zu lassen. Wer sind diese Menschen? Wer hält den abrupten Glaubensrückgang in der ganzen Breite der Bevölkerung und an vorderster Front immer noch auf? Es ist nicht zuletzt, vielleicht sogar vor vielen anderen die Riesenschar der Religionslehrerinnen*lehrer sowie der Pfarrer*innen im Schuldienst. Diese fürdie Volkskirchen systemrelevante Gruppe wird in dem Artikel mit keinem Wort erwähnt, geschweige ihre tägliche Schwerstarbeit zugunsten zeitgemäßer Gottesbilder sowie aufgeklärter Religion gewürdigt.

Die Kirchen bekommen taufwillige Eltern und treu Kirchensteuer Zahlende nur dann, wenn sie zuvor kontinuierlich und kräftig in die anstehende Neuvermessung des Glaubens an Gott investiert haben – in Schule und Gemeinde. Religiöse Bildung allein in der Schule genügt dabei nicht, klar. Aber ohne sie wird unter den Bedingungen der Moderne die Volkskirche schneller als es Finger lieb ist auf die Größe einer Freikirche zusammenschrumpfen und ihre noch immer vorhandene Bedeutung für die öffentliche Diskussion verlieren. Diese Befürchtung ist z. B. im nahen Frankreich jetzt schon als Realität zu besichtigen. – Heinrich Nikolaus Caspary

 


 

 

Leserbriefe zu „Das müssen sie aushalten“ von Martin Eimermacher

 

Sicherlich wollten Sie schreiben „Das müssen Sie aushalten!“ und meinten damit uns Leser! Mein lieber Herr Gesangsverein: Ich habe es nicht geschafft, das Essay von Herrn Eimermacher zu Ende zu lesen! Ich erwarte beim Lesen in der ZEIT ganz bestimmt nicht, meine Meinung bestätigt zu sehen – ganz im Gegenteil. Ich schätze es sehr, wenn ich Denkanstöße bekomme und mir mitunter eigener Denkfehler bewusst werde. Aber die pubertäre Art und Weise wie Herr Eimermacher hier in seiner offenen und nicht differenzierten Abneigung gegen die Polizei schreibt, passt nicht in DIE ZEIT. Punkt. – Tobias Meyer

 

Herr Rörig sagte in einem Interview: „Ich frage mich schon, in was für einer Gesellschaft wir leben, die ohne großen Aufschrei Jahr für Jahr hinnimmt, dass mehr als 12.000 Ermittlungs- und Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durchgeführt werden.“ Jetzt nach den Vorfällen in Münster ist das Thema endlichauch mal bei Polit-Talkshows wie Münchner Runde oder Maybritt Illner behandelt worden. Die ZEIT hat nur ein Interview mit einem Psychotherapeuten abgedruckt. Aber die ZEIT hat bei keinen der Fälle Lüdge, Staufen, Münster usw. gefragt, ob diese systemische Ursachen haben. Im ZEIT-Artikel über Jugendämter wurde das Thema nicht behandelt, obwohl die Jugendämter regelmäßig versagen, missbrauchte Kinder zu schützen. Angehängt habe ich meine Email, die ich der ZEIT im Jahr 2019 zwei Mal geschickt habe! Ich habe nie eine Antwort bekommen! Das ärgert mich und entsetzt mich!

Ich habe den Eindruck, die ZEIT wie die der ganze Journalismus drückt sich vor dem Thema: Was sind die systemischen Ursachen von so vielen sexuellen Missbrauchsfällen? Wo versagen Jugendämter, Familiengerichte, Verfolgungsbehörden/Kriminalämter? Heute in Ihrem Feuilleton steht die Überschrift: „Das müssen sie aushalten. Auf Kritik reagieren deutsche Polizeifunktionäre gerade recht dünnhäutig. Dabei ist es eine Frage der Demokratie, der Staatsgewalt zu misstrauen“ Ich verändere: Diese Kritik von mir müssen Sie aushalten. Auf meine Anregungen haben Sie nicht einmal reagiert. Dabei ist es eine Frage eines demokratischen Journalismus, für die Schwächsten zu kämpfen und strukturelle Mängel zu thematisieren. Bekomme ich wieder von Ihnen keine Antwort??? Warum soll ich eine Zeitung beziehen, die zu diesem wichtigen Thema zu wenig bringt und einem Leser nicht antwortet?

Anhang:Wir bitten Sie, eine strukturelle Fehltendenz in die öffentliche Diskussion zu bringen, weil wir erstens den Eindruck haben, dass sie überhaupt nicht im öffentlichen Bewusstsein ist und zweitens weil wir diese strukturelle Fehltendenz als eine Quelle von immensen Leid und als eine immense Gefahr für unsere Gesellschaft ansehen. Die strukturelle Fehltendenz ist: regelmäßig entscheiden Familiengerichte nicht zum Wohle des Kindes, obwohl es Hinweise für Missbrauch (körperlichen Missbrauch, sexuellen Missbrauch oder emotionalen Missbrauch) gibt. Wir sind: Sozialpädagodin in einer therapeutischen Tagesstätte für Kinder im Kindergartenalter. Pfarrer Dr. Michael Pflaum, Pfarrer in Erlangen-Süd. Kurze Erläuterung: im Jahr 2018 machte folgender Fall Schlagzeilen:

„Etwas anders verhielt es sich im schier unfassbaren Missbrauchsfall von Staufen, wiederum in Freiburg verhandelt, in dem eine Mutter ihren neunjährigen Sohn mit Unterstützung eines pädophilen Kinder­schänders ihren neunjährigen Sohn im Internet feil­bot. Dass es so weit hatte kommen können, geschah ausgerechnet mithilfe der Justiz. Eva Voßkuhle, Vor­sitzende Richterin des Familiensenats am Oberlan­desgericht Karlsruhe setzte sich über Warnungen des Jugendamtes hinweg und schickte das Kind erneut zur Mutter zurück, die mit jenem Mann zusammen­lebte. Wie abgehoben von der Realität muss man sein, fragten sich viele. Dass die Täter dann vor dem Straf­gericht unnachsichtig zur Verantwortung und aus dem Verkehr gezogen wurden, konnte die Sache zwar nicht mehr heilen. Aber das Martyrium des Jungen wurde damit beendet und den Initiatoren der Verbre­chen das Handwerk gelegt.“ aus Essay:

Die Wahrheit über den Rechtsstaat, Welt am Sonntag 51/2018. Ist so ein Fall ein Einzelfall oder ein Symptom einer strukturellen Fehltendenz bei unseren Familiengerichten und Jugendämtern? Wir sind überzeugt: es ist eine strukturelle Fehltendenz. Gründe und Erläuterungen für diese Fehltendenz: 1. Im Strafprozess gilt die Regel: im Zweifel für den Angeklagten. Jedoch im Familiengericht sollte man diese Regeln nicht anwenden. (siehe angehängter Artikel: „Tragisch ist es, dass die Maxime „in dubio pro reo“, der wir in unserem Kulturkreis glücklicherweise im Strafrecht folgen, bruchlos auf die familiengerichtliche Rechtssprechung übertragen wird.“) Ein Beispiel: Das Familiengericht entscheidet, dass ein Junge zum Vater ziehen muss und nicht mehr bei der Mutter wohnen darf, obwohl eine Traumatherapeutin ihn untersucht hatte und deutliche Symptome fand, dass der Junge in der frühen Kindheit traumatische Erlebnisse (wahrscheinlich sexuelle Missbrauch) mit dem Vater erlebt hatte. (Dies ist ein realer Fall, der nicht der Öffentlichkeit bekannt ist.)

2. Viele Familiengerichte bauen ihr Urteil nur auf spezielle Gutachter, die aber nicht die traumatherapeutische Ausbildung haben und damit nicht die Kompetenz, die Symptome der Kinder richtig zu deuten. Des Weiteren werden die fundierten Erfahrungen von Pädagogen, die über Monate hinweg tagtäglich mit den Kindern zu tun haben, nicht beachtet. 3. Nach dem Eklat der „Wormser Prozesse“ in den 90 er Jahren hat sicherlich eine wichtige Sensibilisierung gegenüber Zeugenaussagen stattgefunden. Jedoch gerade im Bezug auf Kinder hat man hier unseres Erachtens „das Kinde mit dem Bade ausgeschüttet“. Denn Kinder, die traumatisiert sind, drücken indirekt im Verhalten, im Spiel ihre Erfahrungen aus. Z. B. ein Kind spielt mit Lego und Playmobil nur Zerstörung, Explosion und Tod über mehrere Wochen.

Aber dieses Kind wird dem Gutachter, mit dem es ein oder zwei Gespräche hat, nie sagen: Mein Opa hat mir an den Penis gelangt und mir gedroht, ich dürfe nichts sagen. „Die Rolle der psychologischen Gutachten in diesen familienrechtlichen Verfahren ist verheerend: Reihenweise werden Gutachten abgefasst, die ergeben, dass die drei-, vier-, fünf- oder sechsjährigen Kinder nicht aussagetüchtig sind. Trotz intensiven Herumhorchens haben wir bisher von keinem Fall gehört, in dem Gutachter bei dieser Altersgruppe zu einem anderen Ergebnis kamen. An das richtige Resümee, dass bei den untersuchten kindlichen Aussagen Suggestionseffekte nicht völlig ausgeschlossen werden können, wird aber nie angefügt, dass die kleinen Kinder dennoch im Wesentlichen die Wahrheit sagen könnten. Selbst Fachleute fassen ein solches Resümee fälschlicherweise so auf, dass die Aussagen der Kinder nachgewiesenermaßen nicht erlebnisbasiert seien, wie wir bei dem Nürnberger Psychiatrischen Gutachter sehen mussten.

Aus den lückenhaften Ausführungen der Staatsanwaltschaft beim Einstellungsbeschluss und der aussagepsychologischen Gutachter ergibt sich für den Familienrichter ein erfreulich eindeutiges Bild: An den Worten der Kinder ist nichts dran.“ Punkte 1.-3. Ergeben eine Struktur, die tendenziell dazu führt, dass gegen das Kindeswohl entschieden wird. Dies wird durch weitere Punkte verschärft: 4.Völlige Unterschätzung der Machtstrukturen in Familien: Ein Beispiel: Ein kleiner Junge wird von dem Familienrichter bzw. Gutachter gefragt: Zu wem willst Du? Zu Papa oder zu Mama. Er wird meistens sagen: Ich habe beide lieb. Denn wenn er sagt, ich will zu Mama, befürchtet er, dass er, wenn er zu Papa kommt, bestraft wird. In ihm steckt nach der Traumatisierung das Prinzip: Provoziere nie den Aggressor!

5. Nicht wenige Sacharbeiter in Jugendämter reagieren oft fatal: Entweder sie reagieren zu langsam oder sie hören nicht auf die fundierten Erfahrungen der Pädagogen, die schon Monate mit dem Kind zusammenarbeiten und schätzen die Problematik falsch ein, so dass das Kind weiterhin leiden muss. 6. Jungen, die traumatisiert wurden, zeigen häufiger sozial unangepasstes Verhalten, so dass sie wegen diesem auffälligen Verhalten in spezielle Einrichtungen kommen. Mädchen dagegen ziehen sich häufiger zurück und leiden still. Die traumatischen Wunden brechen oft erst in der Pubertät aus: Bulimie, Ritzen, Drogenkonsum oder ähnliches. Fazit: In den letzten Jahren haben wir die strukturelle Vertuschung von vielen, vielen Missbrauchsfällen in den vergangenen Jahrzehnten in den Kirchen aufgedeckt. Wir behaupten: Die von uns skizzierte strukturelle Fehltendenz vertuscht heute viele Missbrauchsfälle.

Jedoch wird diese Fehltendenz öffentlich leider nicht wahrgenommen und diskutiert. Denn: die Täter bilden keine Gruppe, die zu einer Organisation gehören. Und das große Geflecht von vielen Familiengerichten, Jugendämtern und Gutachtern als strukturelle Fehltendenz zu erkennen, können nur Menschen, die gewisse Erfahrungen und Kompetenzen haben, wie z. B. Sozialpädagogen, die in therapeutischen Tagesstätten für Kinder arbeiten oder Kindertraumatherapeuten. Wir hoffen, dass Sie dieses wichtige Thema aufgreifen! Pfarrer Michael Pflaum, Ina Gürsching, Sozialpädagogin – Dr. Michael Pflaum

 

Entmenschlichung als journalistisches Konzept?Ich kann verstehen, dass es links eingestellten Autoren peinlich ist, wenn Menschen, denen sie Sympathie entgegen bringen, Vokabeln benutzen, die man sonst nur von Nazis hört. In dem Beitrag „Das müssen sie aushalten“ zitiert Martin Eimermacher geringschätzig die NZZ, die davon sprach, die Glosse von Hengameh Yaghoobifarah in der taz sei die Sprache von „Hitlers Mordbande“. Man muss kein Sprachwissenschaftler sein, um diese These bestätigen zu können. Es genügt ein Blick in den „Stürmer“, den der NSDAP-Gauleiter von Franken Julius Streicher herausgegeben hat. Diese antisemitische Zeitung hat die Sprache des Hasses perfektioniert. Die Juden wurden aus der Gattung Mensch ausgeschlossen, indem sie als „vertierte Wesen“, als „Ungeziefer“, „Schädlinge“, „Untermenschen“ und „Abfall“ (sic) bezeichnet wurden. Auch die zweite totalitäre Weltanschauung des 20. Jahrhunderts, der Kommunismus, beherrschte die Mechanismen der Entmenschlichung.

Auch hier dominierte der Tiervergleich („Volksschädling“) und die Herabwürdigung als Mensch („menschlicher Abfall“). Der Prophezeiung, die Gegner auf den „Müllhaufen (sic) der Geschichte“ befördern zu wollen, folgte die tatsächliche Vernichtung im Massenmord des Gulags. Ich habe mit meinen Gymnasiasten die Sprache des Rechtsextremismus ausgewertet. Dort sind wir auf Sätze gestoßen, die denen der taz-Autorin aufs Haar gleichen: Flüchtlinge – hieß es dort – sollten auf der Müllhalde entsorgt werden. Für mich stellt sich die Frage, warum Autoren von liberalen Presseorganen es einer Autorin durchgehen lassen, anderen Menschen das Menschsein abzusprechen. Soll das Gefühl von Betroffenheit durch Rassismus genügen, um für Polizisten das Grundrecht außer Kraft zu setzen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“? – Rainer Werner

 

Bei der Loveparade 2010 haben zum Nachteil der Hinterbliebenen eine Landespolitik (Kraft/Jäger), eine Polizeigewerkschaft (Wendt) und eine parteipolitisch beeinflusste Justiz ( Staatsanwaltschaft/OLG Düsseldorf) als kollektive Staatsgewalt das vom Landgericht Duisburg festgestellte Versagen der Polizei ohne Aufklärung verabredet. Im Übrigen mit Stillschweigen einer teilweise an der Veranstaltung mitwirkender „Jubelperser“ aus der Kreis der Medien. – Jürgen Dressler

 

Wie jeden Sonntag gönne ich mir die Zeit und schätze deren Inhalt. In der Ausgabe 28 treffe ich auf zwei Artikel, „Revier der Wut“ und „Das müssen Sie aushalten“. Der zweitgenannte Artikel zwingt mich, die „Zeit“ für zwei Monate zu fasten. Finde ich schade, aber das muss ich aushalten. – Rudolf König

 

Der Autor schreibt, dass in Stuttgart ein paar Dutzend Jugendliche die Scheiben eines Polizeiautos und die Scheiben zahlreicher Geschäfte eingeworfen haben. Er verschweigt allerdings, dass zahlreiche Polizisten mit gröbster Gewalt angegriffen wurden, wie mehrfach in den Fernsehnachrichten zu sehen war. ( z.B. Kung-Fu Attacke in den Rücken eines Polizisten). Den unsäglichen Polizeiartikel in de taz, der Polizisten auf die Müllhalde schickt und als Abfall bezeichnet, tut der Autor verharmlosend als „kontroversen“ Text ab. Der Titel sagt: „ Das müssen sie aushalten.“ Die Botschaft Seehofers, dass die Polizei für uns den Kopf hinhält, angefeindet, bespuckt und angegriffen wird, und dass die Kuscheljustiz die Täter wieder laufen lässt, tut der Autor als Erzählung mit Stammtisch- auf TKKG-Kinderkassettenniveau ab. Diese Aussage lässt auf den Autor die Charakterisierung zu , die im Zeitmagazin (Um die Ecke gedacht) in einer Rätselfrage gegeben wird : Arroganzähnlicher Hybrisikoträger bildet sich ihn nicht nur ein. Das Lösungswort heisst übrigens D ü n k e l. – Karl Wörle

 

Das müssen sie aushalten, die Polizei und die Demokratie- ebenso wie die Demokratie den Verfasser des Artikels aushalten muss ! – Heinz Gutzeit

 

Lese jetzt seit 45 Jahren die Zeit und dann kommt so ein Schweine-Artikel,heißt liberal jetzt man kann jeden Blödsinn auch schreiben? P.S. Ich weiß gegen gutmenschen ist es schwer zu argumentieren,aber nach dem Artikel über connewitz passte alles zusammen,ich mache aus dem Schweine ein schlechtes grüße – Klaus Küsters

 

Meine älteste Tochter ist Notfallsanitärerin im Rettungsdienst. Fragen Sie sie doch mal, wie es ist, wenn sie und ihre Kollginnen und Kollegen Polizeischutz anfordern müssen, um ihrer Arbeit nachzugehen, nämlich zu helfen. Gleiches gilt für die Feuerwehr, solche Einsätze mehren sich. Das ist bekannt. Ob hier jeder Einsatz in die Kriminalstatistik kommt, weiss ich nicht. Aber dies ist nur ein „kleines“ Beispiel, wo Polizeiarbeit auch stattfindet.

Es wird kritisch über die Polizeiarbeit in Deutschland berichtet. Nicht zuletzt in der ZEIT, wie Sie selbst es mit diesem Beitrag getan haben, Herr Eimermacher. Sie können das ohne Angst haben zu müssen, dafür mit staatlichen Repressalien rechnen zu müssen. Die Meinungsfreiheit bzw. Pressefreiheit sehe ich in Deutschland nicht in Gefahr. Aber klar ist doch auch, Herr Eimermacher, dass sich die Kritisierten zur Wehr setzen, wenn sie sich zu Unrecht kritisiert sehen. Das wiederum müssen dann die Kritiker aushalten. Das gehört zum Diskurs. Und Pressefreiheit ist auch, wenn andere Medien abweichende Meinungen zu einem Thema einnehmen und entsprechend veröffentlichen. Gefallen muss einem das ja nicht, aber es ist legitim.

Richtig, die Kriminalstatistik gibt her, dass die Anzahl der Straftaten sinkt. Das ist erfreulich. Wenn man aber genauer hinsieht, Herr Eimermacher, besagt diese Statistik auch, dass die Zahl der Gewalttaten gegen Kinder (Missbrauch und Pornografie) und die politisch motivierter Gewalttaten, insbesondere von rechts, steigt. Das ist besorgniserregend. Wer soll diese Gewalt bekämpfen? Die Gesellschaft (und die Politik) kann das allein aus sich heraus nicht. Außerdem gibt es leider nach wie vor genug Straf -und Gewalttaten und ich glaube nicht, dass die Polizei (-führung) es nötig hat, irgendwelche „Untergangsszenarien“ zu konstruieren, um ihre Arbeit zu sichern. So, wie der Zahnarzt, der Zuckerbonbons verteilt, oder was? Ausschreitungen wie in zuletzt in Stuttgart kann man nicht hinnehmen, dagegen anzugehen, ist personalintensiv. An den G 20 Gipfel 2017 in Hamburg möchte ich da gar nicht zurückdenken.

Die Polizei kann übrigens auch keine verfehlte Politik gerade rücken, sie wird vielmehr mit den Folgen davon konfroniert. Mangelnder, günstiger Wohnraum ist da ein gutes Beispiel, Herr Eimermacher, Sie nennen es selbst. Es war und ist aber die Aufgabe der Politik, gegen Verdrängung aus günstigem Wohnraum und gegen Mietwucher vorzugehen sowie sozialen und bezahlbaren Wohnungsbau zu fördern. Ich selbst bin keine Polizistin, ich muss niemanden verteidigen. Mir gefällt es aber nicht, wenn man über eine ganze Berufsgruppe, egal welche, den Stab bricht. Deshalb kann ich Ihren Ausführungen nicht folgen und empfinde sie in vielen Teilen als unreflektiert und undifferenziert. – Regina Stock

 

Vermutlich hat Martin Eimermacher das Buch von Tania Kambouri „Deutschland im Blaulicht – Notruf einer Polizistin“ nicht gelesen. Schade. Nach der Lektüre würde er nicht mehr so easy jugendfrisch gegen die Polizei dieses Landes vom Leder ziehen. – Max Steinacher

 

Gestern habe ich einen Leserbrief geschrieben, nachdem ich den Artikel von Frau Schumacher über die „wütenden Schwaben“ gelesen hatte, mit einer kritischen Anmerkung an die Redaktion. Nachdem ich wenig später den Artikel von Martin Eimermacher gelesen habe, möchte ich Ihnen und dem Autor dazu gleichermaßen großes Lob und Anerkennung aussprechen. Unbeeindruckt von der allgemeinen (völlig überzogenen) medialen Erregung über die „fatalen Zustände im Musterländle“ (wohl eine dankbar aufgenommene Abwechslung im journalistischen Corona -Alltag) wird die reale Situation im Land sehr treffend analysiert und beschrieben, speziell zutreffend leider auch immer noch für Stuttgart (nur diese können wir einigermaßen gut beurteilen). Selbst die grün eingefärbten Regierungen in Stadt und Land heben da noch nicht viel bewegen können. Ich wünsche dem Artikel eine große, nachdenkliche Leserschaft. Vielleicht ändert sich ja langsam doch etwas in den „Köpfen“, auch in diesem Land. – Arne Mayer-Eming

 

Was hat die Formulierung „Kunstquatsch mit Sekt und Stehtisch“ im Feuilleton zu suchen? Warum soll ich Martin Eimermachers Ausführungen ernstnehmen, wenn der Autor zu diffamierenden Plattitüden greift? Und das als Kulturjournalist. Diese Formulierung tut beim Lesen weh. Sie ist Ihres Feuilletons nicht würdig! – Eugen El

 

Ich war entsetzt über den Fake-Kommentar von Herrn Eimermacher: Alles weggelassen, verschwiegen und verharmlost bezüglich des menschenverachtenden Kommentars von Frau Yaghoobifarah in der taz und den Gewaltexzessen in Stuttgart. Man muss die Polizei nicht heilig sprechen und natürlich rassistische Vorfälle anprangern und ahnden. Ein Kommentar, der farbige Menschen oder Frauen als Müll bezeichnet, sie mit Nazis, Terroristen und potentiellen Mördern gleichsetzt, wäre aber wohl kaum in einer Zeitung hierzulande möglich oder denkbar. Stellen Sie sich Sätze vor wie „Farbige Menschen gehören auf den Müll. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber wohlsten“. Oder: „Haut den Muslimen ihren Koran in die Fresse“ (+ Empfang beim Bundespräsidenten). Die Linken, die taz, die Yaghoobifarahs, die Eimermachers gehen – unausgesprochen – davon aus, dass Polizisten keine Menschen, sondern nur Uniformträger, Gewaltprovozierer und die Gewalt gegen sie „Sachbeschädigung“ ist (früherer taz-Kommentar zu G20).

Polizisten verdienen für ihre Arbeit nicht nur Respekt und Anerkennung, sondern sie sind Menschen, ebenso wie Schwule, Farbige, Frauen, Muslime oder Juden. Und natürlich fördert dieser verbale Hass, ihre Rechtfertigung und Verharmlosung Gewalt. Ich kann keinen großen Unterschied in der Gesinnung der Höckes, Yaghoobifahras, Eskens oder Eimermachers entdecken, ich sehe keinen Unterschied zwischen einem Pegida-Galgen und „kill the cops“ (Stuttgart), ich sehe keinen Unterschied zwischen brennenden Flüchtlingsheimen und brennenden Polizisten, ich sehe keinen Unterschied zwischen der taz und der Nationalzeitung. Herr Gauland verharmlost die Naziverbrechen als Vogelschiss, für Herrn Eimermacher – im kleineren Maßstab – sind die Gewaltexzesse und der verbale Hass gegen Polizisten nicht einmal ein Vogelschiss, sondern einfach nicht existent! Die Menschenverachtung bleibt die Gleiche. – Karl Müller

 

Herr Eimermacher macht das, was er der anderen Meinungsseite vorwirft, nämlich deren berechtigte Anliegen ganz einfach ausblenden. Er sagt, dass es ein minder Privilegierter es halt aushalten muss, wenn ihm eine frustrierte Gruppe mit schwerer Kindheit (die im Übrigen meist wenig zur Finanzierung der Gemeinschaft beiträgt) sein mühsam erspartes und für seinen Arbeitsweg notwendiges Auto anzündet. Er darf von der Polizei, die ja mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auch im Rahmen von Demonstrationen beauftraget ist, die Durchsetzung dieser Aufgabe nicht einfordern. Die Zerstörung von kleinen Geschäftslokalen von Zuwanderern, die sich dank Eigeninitiative wenigstens selbst erhalten können, ist halt nicht aufzuhalten, weil – ja weil es halt ungeheuer schwer ist mit dem Frust aus einer unglücklichen Kindheit umzugehen.

Ich wünsche mir das nächste mal an ebenso prominenter Stelle einen ebenso engagierten Beitrag über die ungeheure Ignoranz dieses Mobs, im Zuge des Protestes gegen den Staat (von dem sie übrigens ein leistungsfreies Grundeinkommen fordern) das Eigentum von ganz normalen Bürgern zu zerstören. Das sind keine Protestierer, sondern ganz einfach Radaumacher mit einer unbezähmbaren Zerstörungswut. Bloß ihre Rechte dürfen nicht angetastet werden. – Günther Lettau

 

Dass Deutschland ein Problem mit Polizist*innen hat, die unverhältnismäßig Gewalt anwenden, wie auch DIE ZEIT schon mehrfach berichtet hat (vgl. z. B. https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-09/polizeigewalt-studie-ruhr-universitaet-bochum-betroffene-koerperverletzung-polizei/komplettansicht), und nicht angemessen mit psychisch angeschlagenen Menschen umgehen können, ist wohl inzwischen auch der Führungsebene der Polizei selbst bekannt (vgl. auch https://www.thieme.de/de/psychiatrie-psychotherapie-psychosomatik/polizei-interventionen-55540.htm). Das sind keine Einzelfälle mehr, sondern die Anzahl der Vorkommnisse lässt darauf schließen, dass häufig ungeeignete Bewerber*innen eingestellt werden, nicht genug gegen einen übersteigerten Korpsgeist unternommen wird und es an Supervision der Beamt*innen fehlt. Dass der Polizei die Aufgaben ausgehen werden, glaube ich dagegen nicht, aber die Aufgaben sind zum Teil zu schwierig für die meisten derzeitigen Polizist*innen: Wirtschaftskriminalität – u. a. Geldwäsche – und Cyberkriminalität kann man im Wesentlichen halt nicht mit physischer Gewalt bekämpfen. – Dr. Ulrich Willmes

 

Herzlichen Glückwunsch zum Abdruck von Eimermachers Artikel „Das müssen die aushalten“. Und die ZEIT muss dann eben aushalten, dass sich Abonnenten verabschieden. Macht doch nichts! Hauptsache, der junge Mann darf ganz unreflektiert seiner ideologisch festgelegten Weltsicht frönen. Wenn er das in einem auch kenntlich gemachten persönlichen Kommentar getan hätte – alles gut. Toleranz beginnt bekanntlich da, wo man anderer Meinung ist. Hier aber schreibt jemand in schnoddriger ständig wertender Sprache über unseren Staat, die Polizei und verstörende jüngste Ereignisse von einer politisch unverhohlenen Links-Außen-Position herab, als ob er die alleinige Deutungshoheit hätte – unkommentiert und unkorrigiert von seinen ZEIT-Kollegen. Man darf also mutmaßen, dass die gesamte Redaktion hinter Eimermacher steht. Und da wird’s für mich untolerierbar. Ich möchte nicht in einer Zeitung, für die ich Geld bezahle, im Agitprop-Stil belehrt werden und die unausgegorene Meinung eines Ideologen als ernst gemeinten Artikel serviert bekommen. Wenn ich das möchte, kaufe ich mir die „taz“, was ich aus gutem Grund nicht tue.

Eimermacher, den ich schon länger beobachte, ist kein Journalist, sondern ein Agitator, der unfähig ist zu fundierter Recherche und abgewogenem Urteil. Er schreibt mit Schaum vorm Mund. Wenn er auch künftig die ZEIT für seinen politischen Kampf nutzen darf, müssen Sie auf mich als zahlenden Kunden verzichten. Und da bin ich nicht der Einzige. In meinem Bekanntenkreis gibt es etliche ZEIT-Leser, die genauso denken. Das hängt wahrscheinlich auch mit dem Alter zusammen. Das Dumme ist nur, dass Eimermachers Generation, so sie sich denn von ihm vertreten fühlt, kaum noch Zeitungen liest geschweige denn abonniert. Also nur weiter so. Eimermacher und Konsorten schreiben so lange, bis der Sockel an älteren Abonnenten im Eimer ist. Sie sägen an dem Ast, auf dem Sie sitzen. – Heinz Neumann

 

Welches Problem möchte der Autor mit dieser Art der verdeckten Selbstdarstellung lösen (einige Mini-Exkurse erfüllen keinen anderen Sinn). Ein Abwägen der Positionen beider Seiten wäre zur Unterstützung der öffentlichen Meinungsbildung deutlich hilfreicher gewesen. – Peter Vollmer

 

Martin Eimermacher belegt seine Sicht der Dinge mit bemerkenswert schwachen Argumenten. Während er die Existenz von Statistiken zur Gewalt gegen Polizisten schlicht bestreitet und sicherheitshalber nachschiebt, dass er polizeilichen Quellen sowieso keinen Glauben schenken würde (von wo sollen die Daten sonst kommen?), erklärt er umgekehrt die Existenz „zahlreicher“ (wie vieler denn?) rechtsradikaler Zellen und die Aussage eines Ausbilders zur „Empirie“. Als weitere Belege folgen Aussagen von „manchen“ Forschern und „vielen“ Anwälten. Offenbar mangels eines geeigneten konkreten Falles in Deutschland zur Stützung seiner eher abstrakten Thesen wird am Schluss ein denkbar ungeeignetes Beispiel angeführt.

Was haben Polizisten, die in einem Sekundenbruchteil entscheiden müssen, wie sie auf einen Angriff auf ihr Leben reagieren, mit dem Thema des Artikels zu tun? Man wird das Gefühl nicht los, dass hier aus dem bequemen Sessel heraus auf die Menschen herabgeschaut wird, die ihren Kopf hinhalten müssen. Während bemängelt wird, dass Polizisten zu wenig angezeigt würden, wird Horst Seehofer für das reine Erwägen einer Anzeige gegen eine Journalistin, die einen typisch verharmlosend als „kontrovers“ bezeichneten Hasstext veröffentlichte, kritisiert. „Das müssen sie aushalten“ gilt natürlich immer nur für die anderen. – Dr. Thilo Hauff

 

Horst Seehofer hätte den hervorragenden Beitrag von Martin Eimermacher lesen sollen, bevor er sich hinsichtlich der angedachten Studie zu „Racial Profiling“ dazu entschlossen hat, doch keinen Grund zur Veranlassung zu sehen. Weil eine differenzierte und objektive Betrachtungsweise nun mal durchweg die Inanspruchnahme von Verstand und Diskurs anstatt einer trivialen Bestandsaufnahme und eindimensionalen Prognosenhaftigkeit voraussetzt. Wenn denn aber ohnehin Anlass für eine klare Vorstellung über die zu ermittelnden Ergebnisse besteht, kann man natürlich auf eine allenfalls Zeit und Steuerzahlergeld verschwendende Studie verzichten.

Warum indes der Herr Bundesinnen- minister offensichtlich nicht glaubt, dass Bedienstete und Bürger auch in anderen Bereichen prinzipiell die Gesetze und Vorschriften beherzigen, Revisionen und Kontrollen über angemessenes Verhalten also nicht ebenso redundant sind, muss wohl seiner eigenen Logik überlassen bleiben. Jedenfalls sehr schade: Seehofer nutzt die Möglichkeit nicht, vorurteilsfrei und glaubwürdig zu handeln, um damit zudem ein valides Zeichen für mehr Kritikfähigkeit und bilaterale Verständigung zu setzen, zumal im gegenwärtigen Kontext. Es wäre nicht zuletzt vernehmbar im Sinne vieler Ordnungskräfte in diesem Land. Fazit: Das nervig-beschränkte, stereotype Schubladendenken – links wie rechts – bekommt den Punkt, assoziative Aufklärung geht (mal wieder) leer aus. – Ira Bartsch

 

Ich möchte Herrn Martin Eimermacher mein Kompliment für den Artikel “Das müssen sie aushalten” (Nr. 28) aussprechen. Ein eloquenter und komprimierter Text mit reflektiertem Inhalt. Kompetent eingebunden in in die öffentliche Debatte zum Thema “Polizei”. Kein Satz beginnt mit einer Eröffnung wie “….auf dem Weg zum Interview ging gerade die Sonne….” Ich freue mich auf die nächsten Artikel von Herrn Eimermacher. – Karl Hobl

 

Die deutsche Polizei hat sich, ähnlich wie die Gerichte, großes Vertrauen erarbeitet. Wer sich einen intakten Rechtsstaat wünscht, kann sich darüber freuen. Nicht so Martin Eimermacher: er gehört zu den Menschen, die mit unterschiedlichen Mitteln Mißtrauen gegen die Staatsgewalt säen, und verkauft dies als notwendig in der Demokratie. Wer verlangt, daß „talking points“, wie in den USA, eine bessere Schulung des medizinischen Personals, „statt Polizisten zu zwingen, sich mit Handschellen und Faustschlägen um psychisch Kranke zu kümmern“ sein müssen, hat weder Ahnung von der Versorgung psychisch kranker Menschen noch von der Polizeiarbeit in unserem Land. Wer in der (dummen) Strafanzeige Seehofers gegen die taz-Kolumnistin einen Angriff auf die Pressefreiheit sieht, dem fehlt es an juristischen Kenntnissen. Der richtige Platz für einen solchen Artikel wär die taz gewesen, aber nicht die ZEIT. – Karl-Heinz Eckert

 

Die Person möchte ich kennen lernen, die in einer derartigen Stresssituation, in der ein Mann mit Messer, der gefährlichsten und treffsichersten Waffe überhaupt, auf einen zugelaufen kommt, so versiert reden und deeskalierend überzeugen kann, dass der psychisch kranke Mann sofort sein Verhalten radikal ändert. – Marlies Birner

 

Ich habe Ihren Artikel „ Das müssen sie aushalten“ aufmerksam gelesen und kann mich inhaltlich nur davon distanzieren. Sie haben -wie viele Ihrer schreibenden Kollegen- die Polizeischelte weiter verfeinert. Groteskerweise ist auf der Seite 26 der Ausgabe Nr.28 „Revier der Angst“ ein „schönes“ Beispiel der Deeskalation beschrieben, wo man sich rühmt, Polizisten möglichst nicht nach Polizisten aussehen zu lassen ! Die gestrige Abendschau im rbb hat deutlich gezeigt, wie die Deeskalation in der Liebigstraße funktioniert. Allerdings ist von den „Bezirkspolitikern“ von Links/Grün auch nichts anderes zu erwarten! – Jürgen Lungwitz

 

Mit Blick auf das Milieu der Feuilleton-Autoren würde ich davon ausgehen, dass Sie ein ausgeprägt demokratisches Selbstverständnis haben, das einen respektvollen, ausgewogenen gesellschaftlichen Diskurs sowie Toleranz beinhaltet und der Pauschalverurteilung gesellschaftlicher Gruppen entschieden ablehnt. Während der Untertitel Ihres Artikels hier zunächst eine nachvollziehbare Zielrichtung suggeriert, zeigt Ihr Artikel m.E. in Inhalt und Ton einige deutliche Entgleisungen hinsichtlich der Art, wie weit Sie offenbar Kritik an der Polizei, angesichts derer diese sich nicht „dünnhäutig“ zeigen solle, definieren, wobei mir vor allem die beißend zynische Tonlage aufgestoßen ist. Vor dem Hintergrund sowohl von dem Tod von George Floyd, den Geschehnissen z.B. in Stuttgart sowie diversen Berichten zu steigender Gewalt gegen Uniformträger, aber auch zu den Fällen von Polizeigewalt (in Deutschland, nichtin den USA) wäre eine differenzierte Bestandsaufnahme der empirischen Sachlage sicher sinnvoll.

Dass zunehmende Gewalt und Respektlosigkeit gegen Polizisten (wie gegen Uniformträger im allgemeinen) zumindest eindiskutierenswertesProblem ist, sollte dich einem objektiven Betrachter aus der Vielzahl entsprechender Berichte erschließen (z.B. aktuelle Berichte aus Hessen, NRW und Bayern 1, oder auch Bücher wie Tania Kambouri „Deutschland im Blaulicht“ oder Karlheinz Gaertner: „Nachtstreife“, oder auch direkt in der aktuellen ZEIT Nr. 28: „Revier der Wut“). Sie aber unterlassen nicht nur jedes einleitende Aussage der Betroffenheit hinsichtlich der aktuellen Angriffe auf die Polizei in Stuttgart (in einem Artikel, in dem Sie die Polizei kritisieren!), Sie negieren sogar rundweg die Notwendigkeit der Beschäftigung mit Gewalt gegen Polizei mit der Aussage, es sei eine „Erzählung“ von „Stammtischen, Spiegel-TV-Reportagen und TKKG-Kassetten“ oder der Boulevardpresse.

Vor allem mit dieser Zuspitzung (mit denen Sie die o.g. Berichte lächerlich machen) sehe ich dies als herabwürdigend gegenüber den verletzten Polizisten in Stuttgart, in Diezenbach oder in der Silversternacht in Leipzig. Auch kann ich Ihre Beweggründe nicht nachvollziehen, die Sie nötigen, die Geschehnisse in Stuttgart um jeden Preis verharmlosen zu wollen. Ich meine, ein Zustand, in denen sich Gruppen von jungen Männern praktisch ohne konkreten Anlass zusammentun, Polizisten angreifen und eine ganze Einkaufsstraße verwüsten, weckt objektiv Assoziationen einer Anarchie oder eines Bürgerkrieges; d.h. ein Zustand, in dem das staatliche Gewaltmonopol außer Kraft gesetzt wird, und „Zivilisationsbruch“ ist in der Tat ein passender Begriff, wenn offenbar wird, dass für Teile der Jugend unser gesellschaftlicher Grundkonsens (Respekt vor Gesundheit und Eigentum anderer) offenbar Geltung verliert.

Sie aber belächeln diesen Begriff – das wäre so, „als wären im Ländle Fassbomben geworfen worden“, und bezeichnen „das Bürgerkriegsgeraune“ als Untergangsszenario, wobei Sie sich gegenüber dem Bundesvorsitzenden der deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, im Ton vergreifen („Promi“, „ressentimentgeladen“). (Es stimmt im übrigen, dass die absolute Zahl der Straftaten in Deutschland abnimmt; wie aber u.a. durch Kirsten Heisig in „Das Ende der Geduld“ beschrieben, nehmen bestimmte Formen schwere/schwerster Gewaltdelikte, insbesondere im Bereich der Jugendkriminalität, zu). Sprachlos war ich dann aber wirklich bei Ihrer Interpretation der taz-Kolumne von Hengameh Yaghoobifarah. Wir führen uns vor Augen: die Autorin entwirft ein Gedankenspiel, in dem sämtliche Polizisten für beruflich untauglich erklärt werden. Was man mit ihnen mache, wenn man sie nicht mehr brauche, fragt die Autorin: „Einfach in neue Berufe stecken? Weil das nach 1945 so gut funktioniert hat?

Fehlanzeige.“ Sie dekliniert einige mögliche Berufsgruppen durch, etwa Postboten, Kosmetikerinnen und Bauern. Dann kommt sie zum Schluss, dass den Polizisten nur „die Mülldeponie“ bleibe. „Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“ Wie kommentieren Sie? Ihre Entrüstung gilt allein der Tatsache, dass der Bundesinnenminister eine Anzeige in Erwägung gezogen hat, mit den Worten: „als ob die Pressefreiheit nur für die Seite mit den Kreuzworträtseln gelte und für das, was eh Konsens ist.“ Ihre Position ist befremdlich vor dem Hintergrund, dass auch der deutsche Presserat ein Verfahren wegen der Verletzung des Pressekodex (Bewahrung der Menschenwürde) eingeleitet hat, und Ihrer Ausdrucksweise muss als respektlos interpretiert werden gegenüber denjenigen, die hier herabgewürdigt werden (einen Protagonisten hören wir in „Revier der Wut“).

Manche der Sachverhalte, die Sie in Ihrem Artikel aufgreifen, wären sicherlich bedenkenswert, spätestens an dieser Stelle haben Sie sich aber für mich disqualifiziert (zu deutsch: das ist nun wirklich nicht mehr „zum Aushalten“). Sie beklagen „die Zermalmung“ des Rechtsstaates, Ihre Argumentation und Wortwahl – zumindest im letzten Sachverhalt – lässt jedoch selbst einen demokratisch-respektvollem Umgang mit dem politischen Gegner vermissen. Man bekommt den Eindruck, dass Sie sich für das von Ihnen favorisierte („richtige“) politische Lager das Recht herausnehmen, Ihre politischen Gegner zu beleidigen und verunglimpfen sowie pauschal zu verurteilen (und dies dann als „Pressefreiheit“ hoch zu halten). „Wie radikal darf Links sein?“ – diese Frage eines aktuellen ZEIT-Online-Artikels anlässlich der taz-Kolumne scheint mir auch für Ihren Artikel gestellt werden zu müssen. Nach meiner Ansicht besteht auch hinsichtlich der Frage: „Wie radikal darf/soll Links in der ZEITsein?“ Klärungsbedarf.

Vergleichbare Artikel beobachte ich gelegentlich im Feuilleton, z.B. hatte ich einen ähnlichen Leserbrief geschrieben zu „Generation 2018″ von Harald Welzer in DIE ZEIT (2/2018). Ich bin überzeugt: innerhalb der taz-Leserschaft würden solchen Artikeln ein genügend große Teil der Leser/innen zustimmen, innerhalb der ZEIT-Leserschaft könnte jedoch der Schaden, den Sie durch Abschreckung der mittig/konservativen Leserschaft anrichten, die Selbstvergewisserungsdividende einer linken Zielklientel überwiegen. Mein erster Impuls war übrigens, zu meiner einige Jahre lang gepflegten Praxis zurückzukehren: den Feuilleton-Teil im Ganzen in Zukunft ungelesen in den Mülleimer wandern zu lassen. Dabei wäre es doch ziemlich einfach: Man könnte ja einen Artikel schreiben, der Fokus legt auf mutmaßliche/berichtete Missstände innerhalb der Polizei (z.B. zu Polizeigewalt) bzw. hinsichtlich der Möglichkeit der Bevölkerung, Fälle von Amtsmissbrauch effektiv zu melden (und mit unvoreingenommener Bestandsaufnahme), wobei kompromisslose Aufklärung solcher Fälle sicherlich unbedingt zu fordern ist.

Man müsste einfach voranschicken: „Wir haben aber in Stuttgart, Diezenbach oder Leipzig ganz offensichtlich auch das gegenteilige Problem, bei dem wir der Polizei (und hier vor allen den Beamten, die in Ausübung Ihrer Tätigkeit für uns (schwer) verletzt wurden) den Rücken stärken müssen. Wir müssen nach möglichen sozialen Ursachen suchen, einer bloßen Enthemmung und anarchischen Gewaltexzessen aber deutliche strafrechtliche Grenzen setzen, sowie der Missachtung von Vertretern des Staates in Teilen der Gesellschaft entgegenwirken.“ Mit einem solchen ausgewogenen Tenor hat z.B. Cem Özdemir in der aktuellen Talkshow bei Maybrit Illner m.E. genau die richtige Tonlage getroffen. Ich würde zu gerne wissen: Ist der o.g. Tenor für Sie so abwegig? Ist es tatsächlich so, dass die typische ZEIT-Feuilleton-Leserschaft nicht an den kritisierten Aspekten des vorliegenden Artikels Anstoß nimmt? Oder etwas emotionaler: bin ich Ihnen (bzw. der Feuilleton-Redaktion) als Vertreter einer eher konservativen ZEIT-Leserschaft ganz einfach EGAL? – Christoph Peters

 


 

 

Leserbriefe zu „Schön ist das nicht“ von Merlind Theile

 

„In Glöckners Amtszeit fiel die Entscheidung, Ferkel weitere zwei Jahre lang betäubungslos kastrieren zu dürfen“ Für mich offenbart allein diese Entscheidung einen grundsätzlichen Konflikt zwischen dem Streben nach Machterhalt und Empathie! Ich würde z. B. nie Albert Speer unterstellen, dass er dem Massenmord der Juden und der Situation der Zwangsarbeiter mitleidlos gegenüber stand. Wollte er aber an der Macht bleiben, musste er diese Gefühle verdrängen. Helmut Schmid beim Nato Doppelbeschluss und Angela Merkel bei der Aussage „Wir schaffen das“, sind für mich exemplarische Gegenbeispiele für Charakterstärke ohne die Aussicht auf Machterhalt. Frau Glöckner könnte sich m. E. mit einem sehr geringeren Risiko für die zweite Variante entscheiden. – Heiner Drabiniok

 

Wofür steht Julia Klöckner? Nun, sie ist Leiterin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Als solche müsste sie in dem ihr übertragenen Verantwortungsbereich ihre Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden. Und Frau Klöckner ist Teil einer Bundesregierung, die die wachsenden Risiken des Klimawandels endlich ressortübergreifend ernst nehmen möchte. Alle wissen, dass dies im Aufgabenbereich von Frau Klöckner erfordert, einen sehr ambitionierten ökologischen Umbau der Landwirtschaft ehrgeizig zu verfolgen. Auch die EU hilft hier mit konkreten Anforderungen, z.B. mit Schwellenwerten für Nitratbelastung im Grundwasser.

Frau Klöckner lebt in einer Zeit, die das Planungsfenster für eine ökologische Ausrichtung unseres Lebens und Wirtschaftens sperrangelweit geöffnet hat. Veränderung liegt überall in der Luft. Es kommt darauf an, diese zu gestalten. Frau Klöckner allerdings tritt darin hervor, Veränderungen zu vermeiden, wenigstens maximal zu verzögern, das Planungsfenster möglichst geschlossen zu halten. Doch immer wieder öffnet der wachsende Problemdruck dieses Fenster, aktuell mit den skandalösen Verhältnissen in der Fleischindustrie und den völlig untragbaren Verzerrungen bei Vermarktung und Konsum von Fleisch. Am Ende ihrer Amtszeit könnte es heißen: Sie hat als Bundesministerin für die Landwirtschaft ihre ganze Kraft dem Ziel gewidmet, das Planungsfenster zuzuhalten. Schön ist das nicht. Aber aus Sicht der Wirtschaftslobby ein wirklich großer Erfolg. – Reinhard Koine

 

Sonderbar. Da wird auf die Fleischindustrie eingedroschen, wo doch Tiere wenigstens „normal“ getötet werden. Der Aspekt des muslimischen Schächtens, bei dem die Tiere auf ekelhafteste Weise verbluten, wird wiedermal komplett ausgeblendet. Der Islam steht halt unter Welpenschutz. Also ihr Medien. Wenn schon Kritik, dann aber ausgewogen gegen ALLE!!! – Ein Leser

 

In meiner Kindheit (50er/60er Jahre) gab es den guten, alten Sonntagsbraten. In der Woche ein bisschen Suppenfleisch im Eintopf oder ein bisschen Speck (mehr Schwarte), auch in Rührei und Bratkartoffeln, eine Scheibe sog. Salami aufs Pausenbrot. Was bitte war daran verkehrt? Man sah zu der Zeit noch Kühe auf der Weide und Schweine in der Suhle. Man muss nicht vegan leben, um Tierleid zu beenden. Aber vielleicht reicht einfach ein wenig Mäßigung? Frau Klöckner sollte aufhören, auf Freiwilligkeit zu setzen, funktioniert ja nicht, sondern Gesetze in Angriff nehmen, die Fleisch so verteuern, dass eine deutliche Reduktion ihrer Bestände für Massentierhalter bei besseren Lebensbedingungen für die Tiere attraktiv wird. Inklusive evtl. Verluste durch Exportausfälle. Preise endlich deutlich rauf! Und dafür sorgen, dass Bio-Fleisch nicht nur in den „hippen“ City-Supermärkten zu bekommen ist, sondern überall. „Mitgeschöpfe“, die wir essen, sollten keine Ramschware sein. – Dr. Sabrina Hausdörfer

 

Dieser langatmige zahme Artikel über unsre Landwirtschaftsministerin ist die Zeit nicht wert, ihn zu lesen. Zudem bleibt uns Lesern auch das immer lächelnde Gesicht der Julia Klöckner in Großaufnahme nicht erspart, die sich im Kreis ihrer Lobby recht wohl zu fühlen scheint, hier und da über „Tierwohl“ faselt und an der kranken Landwirtschaft mit vergüllten Böden, der grausamen Tierquälerei mit Turbo-Kühen, Mastschweinen etc. seit Jahren nichts ändert. – Maria Sperling

 

Nachdem Julia Klöckner wegen Erfolglosigkeit von ihrem Landesverband Rheinland-Pfalz 2016 nach Berlin weggelobt wurde, wäre es nur konsequent, wenn sie 2021 nach Brüssel ginge, so wie im Artikel schon angedeutet. Dort kann sie wenigstens keinen Schaden anrichten. – Peter Pielmeier

 

Schon zu Beginn ihrer Ministereigenschaft als Agrarministerin zeichnete sich für die „zuckersüße“ Frau Klöckner ab, dass sie eine „Marionette“ sein würde. Und so kam es auch und insofern war und ist sie fehlplaziert. Delikat dabei, dass sie ausgerechnet im Verbund mit „AKK“ die „Beidame“ darstellt für Angela Merkel. Die sog. Bäuerliche „Kameradschaft“ (Topp-Landwirte, Bauernverband, Landvolk etc.) besteht nach wie vor aus einem Geflecht von „gestandenen“ Mannsbildern (die sog. Bauernvertreter waren in erster Linie „Werksvertreter“ in allen Bereichen des nachgelagerten Agrargewerbe) und vor allem von hartgesottenen Lobbyisten, die die Politik allemal vorführen kann. Was bei „Kiechle & Co.“ sich mühelos aussitzen ließ und damals normal schien -außer der unabwendbaren Milchkontingentierung, die technisch völlig umständlich sich bewerkstelligte- wurde in der Zeit Nach Mauerfall zum kleinkarierten defizilen EU-Irre-Reglement; hauptsächlich die topp-bezahlten Politiker und Administranten waren und sind gut beschäftigt.

P.S. Zugegeben: Das Agrarthema ist eine unheimliche Herausforderung. Abgesehen davon hat man als führender Politiker eine gestandene Lobbygegnerschaft wie zB in der Rüstungsindustrie. Haben früher , sehr früher, so „um Kiechle herum“, die Agrarminister noch leichtes Spiel gehabt, weil sie ohnehin nur „Lobbyisten-Kaudersprech“ im Munde führten (Der Strukturwandel -das Höfesterben- war denen sowieso egal gem. dem Motto „Wachsen oder Weichen“, wobei die Klientel immer einen Goldenen Schnitt machte, ist das heute anders. Wenn man es mit dem Wort des Tierschutzes ernst meinte -und ich meine von allen Verbrauchern- dürften „ab morgen“ sämtliche Märkte auf ihren Fleischbergen sitzen bleiben. Das wäre die gerechte Quittung für eine „verwurschtelte“ Erzeuger- und Verarbeiterqlique, wobei die Erzeuger am wenigsten dazu könnten, die in ein rigides System eingebunden waren und sind. Das Interview gestern bei „Berlin Direkt“ im Zweiten hinterließ „ein Geschmäckle“ durch das zerfaselte, hysterische und wenig überzeugende , was Julia Klöckner zum Thema Tierwohl zu sagen hatte.

Im Übrigen hätte schon ihr Amtsvorgänger Schmidt mit dem Märchen aufhören müsse, „der Markt würde es schon richten“ und „alles wäre (ehrenhafte) Selbstverpflichtung. Da ist man den Schalke-Fans schon richtig dankbar, dass sie dm „größten deutschen Schlächter“ (Tönnies) mal ordentlich auf die Füße getreten hat und ihm weitere Gefolgschaft verweigerte. Das einzige Ziel kann nur lauten: Weg vom Billigfleisch; es erfolgt eine zwangsweise politisch angeordnete Verdoppelung des Preises. Davon wäre mindestens die Hälfte des Anstieges dem Tierhalter (und-Quäler) abzugeben, dass der innerhalb von ca 2-3 Jahren auf Tierwohl umstellt, und zwar gem. dem BIO-Standard, weg von allen Kastenständen usw. Aber auch bei diesem Standard werden Tiere getötet und „häßliche“ Sachen gemacht ! Dieser Schritt wäre schon seit über 30 Jahren überfällig. „Süße“ Minister brauchen wir nicht und auch keine opportunistische Kanzlerin , die schon zuviele Themen inkl. Ihrer Vorgänger ausgesessen hat ! Wie gesagt: Am Ende steht da der Steuerzahler, der das alles zahlt – auch üppige Kanzler-, Minister- und Abgeordnetengehälter und Pensionen. – Rainer Rehfeldt

 

Bitte überdenken Sie doch noch einmal die Zusammenstellung von Bild und Überschrift, das ist unter der Gürtellinie. – Christine Ante

 

Der Verbraucher hat wieder die Schuld. Er entscheidet darüber, welches Fleisch er kauft. Die schuldlose Ministerin bewegt sich in einem politischen Umfeld, das ihre Handlungsmöglichkeiten einschränkt. Sie ist zwischen EU-Regeln und den eigenen Parteigenossen eingekeilt. Ihr Vorschlag einer „Tierwohlabgabe“ soll die Verantwortung vom Hersteller zum Verbraucher umverteilen. Die Bewertung dieses Vorschlags muss berücksichtigen, dass Deutschland ein Exporteur von billigem Fleisch ist.

Wie wird die Tierwohlabgabe bei unseren Abnehmern im Ausland erhoben? Und wo wird die Abgabe hinfließen – zu den Tierquälern? Die Tierwohlabgabe wird mit der EEG-Umlage verglichen. Also wird Frau Klöckner alle Einschränkungen abstreifen und die eingehenden Gelder ausschließlich an die ökologisch agierenden Bauern auszahlen. Das traut ihr doch selbst in der eigenen Partei niemand zu. Es gibt Diskussionen, bei denen werden permanent neue Argumente, Bedenken, Vorschläge und Ursachen generiert. Solche Diskussionen verstellen den Blick auf die wesentliche ethische Basis. So ist es leider auch auf der ganzseitigen Diskussion über die Missstände in der Tierhaltung geschehen. Die einfache Tatsache und wesentliche ethische Basis ist: Es gibt in Deutschland Menschen, die Abermillionen Tiere quälen wollen – und Frau Klöckner erlaubt das. – Dr. Tilo Hildebrandt

 

Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. So steht es in §1 und §2 des Tierschutzgesetzes. Tag für Tag wird dieses Gesetz auf das Widerwärtigste gebrochen. Fleisch möglichst billig bei möglichst geringen Kosten anbieten zu können, ist kein „vernünftiger Grund“ für dieses Vergehen, darüber ist kein Zweifel erlaubt. Die zuständige Bundesministerin und nachgelagerte Instanzen sind für dieses Geschehen mitverantwortlich. Tierwohl-Label und Tierwohl-Abgabe können dieses Versagen nicht übertünchen. – Daniel Hardt

 

Ein grandioses Feature über Frau Klöckner und deren Amtsführung. Sie kann kein Blut mehr sehen – ich kann Sie nicht mehr sehen und hören. Francois Villon ,hatte schon vor über 500 Jahre Recht.“ Es ist kein Tier so klein , dass es nicht dein Bruder könnte sein.“ – Helmut Kemmet

 

In dem Artikel steht, dass es teureres Fleisch aus tiergerechterer, ökologischer Erzeugung ja längst gebe, es aber kaum gekauft werde. Der Grund dafür dürfte meines Erachtens freilich nicht ausschließlich der höhere Preis sein, sondern auch die Tatsache, dass es in Supermärkten und selbst in Bioläden kaum angeboten wird, jedenfalls in Paderborn. Man muss in der Regel ziemlich weit fahren, um es zu erwerben. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass generell der Tierschutz Vorrang vor dem Interesse der Verbraucher*innen an niedrigen Fleisch- und Wurstpreisen haben muss – andernfalls kann man sich die Nennung des Tierschutzes als Staatsziel im Grundgesetz sparen: Das ist dann nämlich reine Heuchelei. Auch das Verhalten der derzeitigen grünen Politiker*innen wäre meines Erachtens einen Artikel wert: Den „Kompromiss“ zur Kastenstandhaltung z. B. (vgl.https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Albrecht-lobt-neue-Regeln-fuer-Schweinehaltung,sauenhaltung118.html) betrachte ich als weitgehende Kapitulation der involvierten grünen Politiker*innen vor Klöckner und der Agrarlobby. – Dr. Ulrich Willmes

 

WILLFÄHRIGE HELFERIN … im eigenen Interesse. J. Klöckner steht am Mikrofon, hält Schilder in die Kamera. Seht her, soll das bedeuten: Die Probleme sind erkannt,die Probleme gefunden. So wie sie aber auftritt, in samtblauem Kostüm, mit perfekt gestylter Frisur – immer wieder legt ihre Hand eine Strähne an ihren Platz- Perlenschmuck im Ohr, leicht nuttig übertrieben aufgetragener Lippenstift, kann man das nicht mit bäuerlichem Outfit in Einklang bringen. Als passende Arbeitskleidung, weder im Stall, noch bei Auftritten im Parlament, wollen mir auch die Stöckelschuhe der Frau Klöckner nicht erscheinen.

Diese Frau hat die Ärmsten der Armen, Flüchtlinge aus Griechischen Lagern, als Erntehelfer ins Spiel gebracht. Die kamen, wenn auch aus östlichen Nachbarstaaten, in großer Zahl. Um saubere und geregelte Unterbringung hat sich die Ministerin nicht gekümmert. Die Rechtlosen können nicht klagen, werden mit Hungerlöhnen abgespeist, haben oft nicht den sanitären Mindeststandart und werden in vergammelten Buden untergebracht. Da allerdings rollt der Rubel: Manchmal € 300,– für eine Matratze. Klöckner tut dagegen: Nichts! Die Ministerin hat kein wirkliches Interesse, weder an Tierwohl, noch an sozialer Gerechtigkeit. Sie ist willfährige Helferin der Lobbyisten, den Schutzpatronen ihrer eigenen Interessen. – Josef Heeg

 

Die Frage, ob Frau Klöckner hinsichtlich der Zustände in der Tierhaltung etwas ändern will oder kann, stellt sich aus meiner Sicht nicht. Als Bürger eines Rechtsstaates erwarte ich, dass eine Ministerin dafür Sorge trägt, dass bestehende Gesetze (Gülletourismus, Kückenschreddern, Ferkelkastration ohne Betäubung, Kastenstände) eingehalten werden und nicht per Verordnung der unrechtmäßige Staus Quo fortgeschrieben wird. Bei der Annahme, dass sich durch höhere Preise gleichzeitig die Tierhaltung verbessert, ist das Pferd von hinten aufgezäumt. Nur umgekehrt wird das funktionieren. Artgerechte Tierhaltung wird automatisch für höhere Preise sorgen und dies zum Wohl der Tiere und der Menschen. – Thomas Fath

 

Von ihren Kindheitserinnerungen auf dem elterlichen Bauernhof ist Frau Klöckner geblieben, dass sie keine Blutwurst mehr ist. Ihr wäre besser in Erinnerung geblieben, was es dort, wie in der Mehrzahl der Bauernhöfe in den 1950er und 1960er Jahren gab: keine Massentierhaltung sondern weitgehend artgerechte Haltung; kein quälend langer Transporte von Tieren zum Schlachthof, sondern Hausschlachtung unter geringen Schmerzen für das Tier. Wenn dem so wäre, müsste ihre Politik ganz anders sein, als sie es ist. Das Schreddern von männlichen Küken würde sofort verboten. Die grausame Haltung von Muttersauen würde nicht ins nächste Jahrzehnt verschoben. Stattdessen: Tierwohl-Gipfel ausgerechnet mit den Vertreten der Massentierhaltung und der Mega-Schlachthöfe mit dem Ergebnis, es freiwillig zu versuchen. Wir wissen alle, dass die meisten Freiwilligkeitsvereinbarungen das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen. Nur gesetzgeberisches Handeln kann etwas bewirken. Mit Frau Klöckner wird es so nicht kommen. „Schön ist das nicht“, aber realistisch. Möge es Frau Klöckner zum Trost gereichen, dass sie auf der nach unten offenen Skala der Inkompetenz noch von ihrem Kabinettskollegen Scheuer übertroffen wird. – Dietrich Briese

 

Zur Idee Klöckners für eine Tierwohlabgabe: Interessenvertretung für die Landwirtschaft verpackt sie jetzt in der griffigen Bezeichnung Tierwohlabgabe! Es wird schon keiner merken, dass sich dahinter nichts anderes als eine Steuererhöhung verbirgt. Solche Ideen regen zu weiteren derartigen Kreationen an: Klimaschutz-Ladestationsförderungsabgabe auf Sprit, KiTa Förderabgabe für Bürger ohne Kleinkinder usw,usw. Die Landwirtschaft kostet den Landlosen bereits gewaltige Milliardenbeträge. Gering- und Durchschnittsverdiener können sich kein Häuschen leisten, weil aus Äckern teure Bauplätze werden. Sie subventionieren Solaranlagen auf riesigen Scheunendächern und Fleischüberproduktion, die die Preise verfallen lässt.

Keine Berufsgruppe, die in den letzten 70 Jahren ihre Existenz verloren hat (Schneider, Schumacher, Wagner usw) hat so viel Hilfe erhalten wie die Landwirtschaft. Ihr Image, welches die enormen Förderungen bewirkt, basiert auf der allgemeinen Ansicht, dass ohne Landwirtschaft Hungersnot ausbricht. Jedoch wird heute Fleisch nach China geliefert. Schlachtprodukte, die in Europa wenig gefragt sind, werden nach Afrika exportiert, wobei die Kleinbauern dort um ihre Existenz gebracht werden. Die Landwirte sind nicht allein schuldig an den Zuständen. Die Regierungen, die deren Lobbyisten gefolgt sind, haben nichts für das Tierwohl getan. Sie müssen j etzt für die Beseitigung der Missstände sorgen. Aber bitte im Rahmen der derzeitigen Zuwendungen und Subventionen an die Landwirtschaft, ohne Tierwohlabgabe! – Siegfried Veile

 

Ein Schweineleben ist (meist) eine saumässig-traurige Tierquälerei, aber eine mit Qualitätssiegel. Eine Sau, die hat bestimmt bei jeder künstlichen Besamung einen mega-tollen Höhepunkt. Kurz danach „darf“ diese Muttersau ihren Nachwuchs „völlig bewegungslos“ in der „Zwangs-Kastenhalterei“ pflegen, hier steht natürlich das Tierwohl weit an erster Stelle! Ob ein Schwein im Stall(gefängnis) von der großen Freiheit im Freien, vom Wühlen im Dreck und von schweinischen Spielchen träumt, das weiß kein Mensch so genau; aber wenn das Schweinefleisch im Supermarkt besonders saumäßig billig ist, das weiß dann der fleischessende Mensch sehr zu schätzen! – Klaus P. Jaworek

 

Ich finde es ungeheuerlich und es erfüllt mich mit großem Zorn, dass die dringend notwendigen Veränderungen in der Haltung der Schweine wieder Jahr um Jahr hinausgezögert werden. Es müßte doch inzwischen jedem Unternehmer in der Fleischindustrie klar geworden sein dass sein Verkaufsprodukt nicht ein künstlich hergestelltes ist, sondern ein Wesen, dass Angst und Schmerz hat und unser Mitgeschöpf ist. Und nun wird wiederum eine Verbesserung Jahr um Jahr hinausgeschoben, genauso wie die Ferkelkastration.

Die Politiker, die so entschieden haben, hätten sich vorher mal wenigstens ein paar Stunden in Kästen legen sollen, in denen sie sich nicht rühren können. Es ist egal, ob Frau Klöckner die Misstände nicht ändern will oder nicht kann. Sie ist die Ministerin. Ihr ach so nettes Bild ist ziemlich überflüssig. Ein paar Bilder von Schweinen in ihren Boxen oder Muttersäuen wären sicherlich eindrucksvoller gewesen. – Ellen Schoppmeier

 

Wenn man möchte, dass sich die Bevölkerung an die Mund-Nasen-Schutz-Maskenpflicht hält, sollte man mit gutem Beispiel vorangehen. – Waltraud Grabner

 

Die vielfältigen Probleme der industriellen Massentierhaltung in deutschen Ställen und Schlachthöfen, die dem Tierwohl hohnsprechen, hat Frau Klöckner von ihren Amtsvorgängern übernommen, deren Maxime seit Jahrzehnten das Aussitzen war. Allenfalls unter Frau Künast gab es Ansätze, um die Missstände zu ändern ( Abschaffung der Käfighaltung von Hühnern). Agrarpolitik ist in Deutschland fest in den Händen einer mächtigen Lobby aus Bauernverband, Futtermittellieferanten, Schlachtindustrie und dem Oligopol der vier Handelsketten. Ihnen geht es um Profitsicherung mit Hilfe von Billigfleisch und dessen Export auf den Weltmärkten. Nun, wo die Mängel unübersehbar geworden sind, sieht sich Frau Klöckner zu einer Tierwohlabgabe gedrängt, die aber nicht viel zur Verbesserung beitragen wird, wenn sie der einzige Schritt bleibt.

Mit einer Fleischsteuer würde der Preis des Billigfleisches steigen, gleichzeitig aber auch der für das Nischenprodukt in Bio-Qualität. Logische Konsequenz: Es würde mehr Fleisch von traurigen Schweinen gegessen. Die Ministerin muss zügig, möglichst europaweit, verbindliche schärfere Standards für die Nutztierhaltung und Schlachtung schaffen, deren Einhaltung auch regelmäßig kontrolliert wird. Die Vorschläge dazu liegen vor, der wiss. Beirat im Agrarministerium hat sie erarbeitet. Aber Frau Klöckner feilt lieber an ihrer Performance als gute Lösungen für gravierende Fehlentwicklungen im Agrarsektor zu finden. – Stefan Kaisers

 

Wir leben in schwierigen Zeiten und alle sind immer wieder gefordert sich an die neuen Abstandsregeln und Mund- Nasenbedeckung- Tragen zu erinnern. Aber Ihr Foto auf Seite 12 von Frau Klöckner und Merlinde Theile hat mich doch sehr irritiert. Kein Abstand von 1,5 Metern, keine „Gesichtsmaske“ und wohl, wie dem Text zu entnehmen ist, auch gemeinsames Essen. Auch wenn das Infektionsrisiko in Deutschland glücklicherweise inzwischen immer geringer geworden ist, ist doch jeder schwer Erkrankte u/o. Verstorbene einer zu viel. Sind sich denn Politiker und Journalisten der Wirkung solcher Bilder nicht bewusst? Auch nicht Ihrer Vorbildfunktion? Kommt niemand in der Redaktion auf die Idee die Veröffentlichung zu verindern? Gelten diese störenden und uns alle beeinträchtigenden Massnahmen nur für uns „Normalbürger“. Es funktioniert doch nur wenn wir uns gegenseitig schützen. – Gabriele Bermel

 


 

 

Leserbriefe zu „Warum sind viele Schwaben so wütend?“ von Claudia Schumacher

 

Für solch einfühlsamen und zugleich berechtigt kritischen Journalismus lese und liebe ich die ZEIT! Auch nach 15 glücklichen Jahren in der norddeutschen Diaspora schlägt in mir ein schwäbisches Herz. Aber diese Wut, lieber Mitschwabe im Süden, tut und steht Dir überhaupt ned gut! – Dr. Dorothee Corinne Krauss

 

Den Artikel der letzten Ausgabe über die Schwaben möchte ich zum Anlass nehmen, auf ein Problem hinzuweisen. Sie werden als wandelnder Widerspruch beschrieben und es heißt : “ Ist das pietistische Erbe an dieser Schizophrenie schuld?“ Gemeint ist wohl Widersprüchlichkeit. Es spricht viel dafür, das dann auch so zu schreiben. Den inflationären Gebrauch des Begriffs Schizophrenie als Metapher halte ich für problematisch. Ohne Not wird –sicher ungewollt- eine schwerwiegende psychiatrische Diagnose dadurch bagatellisiert. Der notwendigen gesellschaftlichen Auseinandersetzung über Vorurteilen und Ängste gegenüber psychisch Erkrankten wird so ein Bärendienst erwiesen. – Dr. Klaus Jaehn

 

Sie haben einen sehr interessanten (teilweise auch amüsanten) „Hintergrund – Bericht“ (eine Art genetische Analyse) des schwäbischen „Einheimischen“ geschrieben und dies durch Gespräche mit vielleicht etwas extremen Exponenten dieser Spezies untermauert, sicher nicht ganz daneben. Völlig daneben erscheint jedoch die Verbindung dieses Artikels mit den aktuellen „Wutausbrüchen“ in Stuttgart. Aufgrund dieser Ereignisse und der Illustration des Malers Felix Eckardt bringt man diesen Artikel zumindest damit in Verbindung. Diese haben mit dem beschriebenen schwäbischen „Wutbürger“ allenfalls soweit etwas zu tun, als sich die „Wut“ (besser der angestaute Frust) der jungen Menschen (mit etwas anderer Haut- und/oder Haarfarbe als die „Wutbürger“), überwiegend in Stuttgart und Umgebung geboren und /oder aufgewachsen, aus deren alltäglichen Erfahrungen mit ihren Mitmenschen (sicher nicht nur Schwaben), mit Behörden, Ordnungskräften, Arbeitgebern oder Vermietern ableiten lässt.

Als seit über 50 Jahren in Stuttgart und in unmittelbarer Nähe lebende und arbeitende „Wahlschwaben“ mit fränkisch-bayerischem bzw. westfälischem Migrationshintergrund (mein Rechtschreibprogramm kennt diesen Begriff noch gar nicht) mit zwei „andersfarbigen“ Adoptivkindern beobachten wir die Entwicklung hier seit langem sehr aufmerksam. Wie an vielen anderen „Schwachstellen“ in unserer Gesellschaft demaskiert „Corona“ auch hier die gern politisch geschönte „Realität“ einer „bunten, weltoffenen Stadt“. – Christine und Arne Mayer-Eming

 

Die Autorin konstatiert eine „Stuttgarter Wut“ und findet dafür eine schlichte Erklärung: Gefährdeter Wohlstand trifft auf schwäbischen Volkscharakter. Letzterer zeichne sich u.a. durch eine historisch belegte Renitenz gegen obrigkeitliche Maßnahmen aus. Zur Stützung ihrer These interviewt die Autorin eigens dafür ausgewählte schwäbische Wut-Protagonisten – allerdings ohne die jeweiligen Kontexte des Protests auch nur ansatzweise zu beleuchten. So werden die Proteste gegen Stuttgart 21, die Demos gegen Corona-Auflagen, die rechtsradikale Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ ebenso wie die Ausschreitungen in der Krawallnacht Ende Juni (durch das dem Artikel beigefügte Bildmaterial) in denselben Volkscharakter-Topf geworfen.

Aber selbst wenn man sich, wie die Autorin, auf eine volkskundliche Perspektive beschränkt müsste zumindest auffallen, dass 45% der in Stuttgart lebenden Menschen einen Migrationshintegrund haben. In den letzten Jahrzehnten sind zudem viele Menschen aus anderen Bundesländern zugezogen. Ähnliches ist auch in der Region festzustellen. Die Bevölkerung ist also in bestem Sinne multikulturell und dies findet auch – in unterschiedlicher Zusammensetzung und Gewichtung – in den verschiedenen Protestbewegungen seinen Niederschlag. Die Argumentation mit dem „Volkscharakter“ bestärkt aber lediglich vorhandene Vorurteile. Sie trägt nicht zur Erkenntnis bei. Wenn man die Stuttgarter Proteste verstehen will – und das wäre wichtig, weil sich hier nicht nur regionale Entwicklungen spiegeln – ist ein deutlich differenzierterer Blick gefragt. – Heide Trautwein

 

Frau Schuhmacher versucht im Artikel „Warum sind viele Schwaben so wütend“ allen ernstes Migranten und Linksextreme, die in Stuttgart einen Ausnahmezustand hervorgerufen haben, komplett als Schwaben zu verkaufen !?! „Alluha Akbar“, wie in Augenzeugenvideos zu vernehmen, ist kein urschwäbischer Ruf ! Junge Männer, die der deutschen Sprache kaum mächtig sind keine Schwaben, sondern maximal „Neigschmeckte“, wie Zugezogene im Ländle genannt werden. Die unglaubliche Verharmlosung der Geschehnisse jener „Partynacht “ in Stuttgart, die auch „die Zeit “ neben der sog. Qualitätspresse betreibt ist eine zum Himmel schreiende journalistische Katastrophe ! BItte besinnt euch auf eure Wurzeln und nennt die Dinge beim Namen, auch wenn sie nicht ins Links-Grüne Narrativ passen ! – Matthias Bolduan

 

In ihrem „Wut-Schwaben“-Artikel, den ich als geborene und bekennender Badener mit einigem Amüsemant gelesen habe, findet sich die Bemerkung „Wahrscheinlich kein Zufall, dass in Schwaben zwei Ärzte die Corona-Proteste anheizten: ein Sinsheimer, der die Bewegung ‚Widerstand 2020‘ mitbegründete…“. Da wird der Leser zum Wut-Badener. Die Gemeinde Sinsheim sowie ihre Vorläufer gehörten nie zu so etwas wie „Schwaben“. Oder hat man die Autorin in Tübingen Anderes gelehrt? – Prof. Dr.theol. Dr.phil.habil. Dipl.-Psych. Hans-Peter Heekerens

 

Sie berichten, dass ein Betriebsratsmitglied bei Daimler von „40 Vermummten, mutmaßlich Linksextremen, ins Koma geprügelt“ wurde. Ein anderes Mitglied des Betriebsrats fragte: „Wo ist der Aufschrei der Medien?“ Am nächsten Tag konnte man in der FAZ lesen, dass die Polizei einen 21jährigen Verdächtigen festgenommen hat, der dem linksextremistischen Umfeld angehört. Wo bleibt der Aufschrei der Medien? Quo vadis, liebe Zeit? – Rolf Schikorr

 

Auslöser für den Beitrag von Frau Schumacher sind die Randale in Stuttgart, an denen allerdings kaum Schwaben beteiligt waren. Frau Schumacher hatte wohl eine schwere Kindheit im gar schrecklichen Schwabenländle an deren Folgen sie immer noch leidet. Der Artikel von ihr ist wohl so etwas wie eine Therapie dagegen; aber warum sie in einer renommierten Wochenzeitung eine ganze Seite für ihr „Schwabenbashing“ bekommt ist mir unverständlich. Es werden viele Beispiele herangezogen und dann verallgemeinert. Von Palmer wird der allseits bekannte Halbsatz zitiert (der Rest wurde von den Medien generell gerne unter den Tisch fallen gelassen), dann wird ein Leserbriefschreiber als Negativum aufgeführt, dessen Meinung man sicher nicht teilen muss, aber ich bin immer davon ausgegangen das Leserbriefe ein Teil der politischen Meinungsbildung sind.

Die Pietisten sind schuld, obwohl das ganze Oberschwaben und andere Regionen Schwabens nach wie vor mehrheitlich katholisch sind. Etc. etc.. Meines Erachtens nennt kann man eine solche Verallgemeinerung durchaus mit Diskriminierung gleichsetzen. Wenigstens ist der Artikel im Feuilleton (bzw. dahinter im Bereich „Entdecken“) insofern darf man eher schmunzeln ob so viel wütender Verbissenheit der Autorin – es sind ja nicht alle, sondern nur viele Schwaben gemeint. – Hans-Peter Marquart

 

Zu der Passage über Michael Ballweg teile ich meine Gedanken mit Ihnen. In diesem Artikel wird Michael Ballweg als Verkörperung des „neuen Typ Wutbürger“ dargestellt. Als Begründung für obige Zuschreibung findet sich: Der Briefkasten „knurrt“ und er habe Ken Jebsen nach Stuttgart eingeladen. Den Zusammenhang zur Wut verstehe ich nicht. Herrn Ballweg wird verglichen mit „Islamisten oder Rechtsextremen“. Dies sagt für mich nichts über die Wut von Herrn Ballweg aus, sondern über die Weltanschauung der Autorin. „Feindbeobachtung“ Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat sich die Journalistin von Herrn Ballweg beobachtet gefühlt, und sie fühlte sich wie ein Feind. Da stellt sich mir die Frage, ob Herr Ballweg für die Befindlichkeiten oder Gedanken seines Gegenübers verantwortlich ist, oder ob diese Verantwortung nicht bei jedem selber liegt.

„Dass auch seine Demos Angst schüren – vor der Wirtschaftskrise, dem Staat, den Medien – sieht er nicht“. Ein Argument für die Behauptung, dass die Demos Angst schüren, findet sich im Artikel nicht. Herr Ballweg kommt der Schreiberin vor wie ein „Eso-Apokalyptiker, eine Art später Nachfahre der pietistischen Untergangsprediger“. Eine Begründung für ihre subjektive Wahrnehmung liefert die Autorin nicht. „Wahrscheinlich ziehen Ballwegs dystopische Szenarien so viele an, weil die Angst bereits da ist“ – Diese Hypothese der Journalistin ist möglich. Vielleicht zieht Herr Ballweg auch so viele an, weil laut Hans-Joachim Maaz „jeder echte Ausdruck berührt und ansteckend wirkt, und eine authentische Mitteilung im Gegenüber Resonanz findet“.

Michael Ballweg lud auf seiner Großdemo in Stuttgart Tausende von Menschen dazu ein, die Hand aufs Herz zu legen und eine Minute Liebe und Frieden in die Welt zu senden – obwohl ich nur das Video auf Youtube gesehen habe, berührte mich das, und ich spürte Resonanz. Vielleicht ist es gerade die Authentizität eines Michael Ballweg, die eine anziehende Wirkung entfacht? Mir stellt sich die Frage, ob die Journalistin hier informieren oder mit bewusster Absicht schaden will – ich hatte beim Lesen ein starkes Störgefühl. Für Behauptungen, Hypothesen oder Vergleiche wünsche ich mir Belege, Argumente oder Begründungen. Werden mir subjektive Wahrnehmungen als Wahrheiten präsentiert, irritiert mich das. Ich will Zeitung lesen, um objektiv informiert zu werden – eine Meinung bilde ich mir dann selber. Ich will nicht für Stimmungsmache mißbraucht werden. Seit geraumer Zeit fühle ich mich von Artikeln in der Zeit nicht mehr objektiv informiert, daher habe ich mich entschieden, das Zeitabo nach 15 Jahren zu kündigen. – Doris Hafner

 

Als von der Ostalb stammender Schwabe habe ich Ihren Versuch, die Seele unserer Landsleute zu ergründen, mit großem Interesse gelesen. Mit Ihren Schlussfolgerungen bin ich aber nur teilweise einverstanden. Wenn man über „die Schwaben“ schreibt, vor allem über ihre Mentalität, muss man den ganzen Stamm berücksichtigen. Die Römer hatten für diesen Stamm zwei Namen: Zuerst kam der Begriff SUEBI = Schwaben auf (Tacitus u.a.), und in späteren Jahrhunderten wurde er ergänzt durch den synonym gebrauchten Namen ALAMANNI = Alemannen (Sueton u.a.). Im 11. Jahrhundert setzte sich für das Herzogtum Alemannien endgültig die Bezeichnung Herzogtum Schwaben durch. Am besten ist der Stamm der Schwaben abgebildet durch die Gebiete des Herzogtums Schwaben der Stauferzeit. Diese sind der bayerische Regierungsbezirk Schwaben, Württemberg südlich der Linie Ellwangen-Heilbronn (nördlich davon wohnen Franken, Hohenloher), Süd- und Mittelbaden bis Bruchsal (nördlich davon wohnen Kurpfälzer), das Elsass, der südlich an das Elsass anschließende Sundgau, die Deutschschweiz und das österreichische Bundesland Vorarlberg.

Für dieses ganze Gebiet bin ich mit Ihrer Beschreibung einverstanden, soweit die Punkte Pietismus, Neigung zur Anthroposophie (Steiner, Waldorf), Neigung zur Homöopathie (oft vereinsmäßig betrieben und gleichzeitig falsch verstanden als eine Art von Naturheilkunde) und Impfgegnerschaft betrifft. Bei Ihrem Zentralthema „Wutbürger“ bin ich allerdings der Ansicht, dass die Auswahl Ihrer „Messpunkte“ nicht repräsentativ ist. Das konzentriert sich alles auf Stuttgart und seinen Speckgürtel (auch die „Musterstadt Tübingen“ gehört dazu). Die Provinz-Schwaben betrachten dieses Gebiet aber als quasi extraterritorial. Nach ländlich-schwäbischem Verständnis spricht man dort kein ordentliches Schwäbisch sondern „Gelbveigelesdeitsch“ („Gelbe-Veilchen-Deutsch“, also vornehmtuerisch), und gefühlt wird diese Region geprägt von aufgeblasenen Wichtigtuern und schmierigen G‘schäftlesmachern. Dem nicht-Grünen Schwaben auf dem Land sind die Turbulenzen in Stuttgart wurscht, er denkt höchstens „dao sieht mers wiedr amaol!“ („da sieht man es wieder einmal“).

Zürich dürfte für die Schweiz ähnlich atypisch sein wie Stuttgart für Württemberg, ebenso wie Straßburg für das Elsass. Der Satz „Nicht das Prekariat stand auf, sondern die gebildete Mitte der Gesellschaft“ trifft voll ins Schwarze, allerdings ist das ein alter Hut. Schon Spartakus war keineswegs ein Angehöriger der untersten Schicht der römischen Sklaven, sondern eine ziemlich gebildete Führernatur. Die Bauernkriege wurden von den (Raub-)Rittern angeführt, die Französische Revolution von den Notabeln durchgezogen, und Lenin und Trotzki waren ebenso wenig ausgebeutete Arbeiter und Bauern wie Mao Tse-Tung und Tschou En-Lai. Der Wutbürger „hat genug vom Streit der Parteien“ ist etwas, zu dem auch ich stehe. Der Parlamentarische Rat hat bei der Entwicklung des Grundgesetzes den Fehler gemacht, die Finanzierung der Parteien nicht zu regeln, so dass wir jetzt in einer Art Geldtopf-orientierter Parteiendiktatur leben, in der der Bürger auf den Wahlzetteln nur noch die von den Parteioberen ausgekungelten Politkarriere-Kandidaten ankreuzen kann.

Bei allen Problemen der Adenauer-Republik mit ihren Altnazis hatte man damals (ich bin Jahrgang 1940 und habe diese Zeit bewusst erlebt) nicht nur Parteigeschöpfe in der Staatsführung sondern noch echte Persönlichkeiten mit Charakter, da die 12-jährige Nazi-Zeit das Parteien-System der Weimarer Republik vernichtet hatte und die Siegermächte einen Neuanfang erzwangen. Das ist aber lange vorbei, wie schon der Chef-Lobbyist im Staatsdienst Helmut Kohl mit seinem „Ehrenwort“ gegenüber seinen Industrie-Auftraggebern bestätigte. (Bin ich etwa auch ein Wutbürger?) Was sind eigentlich „dystopische Szenarien“? Dystopie ist ein medizinischer Fachausdruck für die Fehl-Platzierung von Organen im Körper. Aber Szenarien? – Manfred Bühner

 

Wenn man zu viele und zu verschiedene Ingredienzien in eine Suppe rührt, wird sie ungenießbar. Die rationalen und gut begründeten Proteste gegen Stuttgart 21 mit Verschwörungstheorien von Impfgegnern und anderen zu einer Story über den Wutbürger zu vermixen, ist ziemlich abwegig. Einen gut funktionierenden Bahnhof radikal zu verkleinern und in den Untergrund zu pressen, stellt keine Verbesserung dar – im Gegenteil. Und schon gar nicht sollte man dafür sehr viel Steuergeld ausgeben. Dass diese verkehrstechnisch kontraproduktive Bahnhofsbeerdigung nicht „preiswert “ werden würde, war früh klar.

Das Haupt-Motiv dafür war ja, Flächen für Immobiliengeschäfte freizukriegen. Das hätte in den Medien durchaus deutlicher dargestellt werden können, statt immer nur den inzwischen berühmten Juchtenkäfer zu bemühen. Reichlich verquer auch das Bemühen, den Schwaben oder wenigstens den pietistisch geprägten Bewohner des mittleren Neckarraums zum Muster-Exemplar des Wutbürgers zu stempeln. Wenn etwas tödlich ist für den Journalismus, dann dieses Schubladendenken. Vielleicht hilft’s, wenn ich es auf schwäbisch sage: Es gibt ieberall sotte und sotte.

P.S. Wie ich beim nochmaligen Lesen sehe, grenzt die Autorin die „gute, produktive“ Wut der „engagierten, klugen Bürger“ von der aktuellen Wut ab.Aber dieser kurze Passus geht in dem langen Text unter. Und ich finde es nach wie vor problematisch, diese verschiedenen Themen in einen Zusammenhang zu rücken. Bei „Wut“ wird eben auf das Emotionale abgehoben. Diese klugen Bürgerinnen und Bürger hatten aber gute Argumente, die – daran möchte ich schon festhalten – von den meisten Medien nicht angemessen gewürdigt wurden. – Dr. Eduard Belotti

 

Über die Charakterstudie des Schwaben konnte man herzlich lachen – als Norddeutscher erlebt man die Schwaben so: Man hat oft das Gefühl, ein Kabarett life zu erleben. Man denke an die „Kehrwoche“, d. h. das regelmäßige Reinigen von Haus und Hof unter den wachsamen Augen der Nachbarn. Es hat seinen Ursprung in einer behördlichen Verordnung, nach der jeder Schwabe zu kehren hatte. Diese Verordnung wurde wg. Unsauberkeit erlassen (Gefahr von Krankheiten / Seuchen) – und wer Andere bei Behörden anzeigte, wenn er nicht kehrte, erhielt eine Belohnung. Das Mobben gab es im Schwabenlande schon lange vor unserer Zeit und wurde damals behödlich gefördert.

Ein wichtiges Detail wurde im Artikel nicht ausreichend gewürdigt. In der letzten Spalte heißt es: „Der Schwabe war praktisch Bauer“ – hier fehlt das Wörtchen „armer“ vor „Bauer“. Der Unterschied ist nicht zu vernachlässigen, denn während in Norddeutschland Höfe ungeteilt vererbt wurden (dem ältesten Sohn fiel der Hof zu, der zweite wurde Priester und der dritte – so es ihn denn gab – musste zum Militär), wurde ein Hof im Schwäbischen jeweils unter den Nachkommen aufgeteilt. Es führte dazu, dass den meisten Erben kaum genug blieb, um davon zu leben. Mit der Folge, dass man sich gegenseitig mit einer Gewitztheit hinterging (resp. -geht), die den unbeteiligten Dritten manchmal sprachlos macht.

Das liegt offenbar seit Generationen in den schwäbischen Genen. Da führt z. B. die Schwester die Buchhaltung des Bruders (selbständiger Handwerker), während ihr Mann (also Schwager dieses Handwerkers) gleichberechtigte Partner in dessen Betrieb ist. Nach Jahrzehnten stellt sich heraus, dass dies Ehepaar den Handwerker um sein Vermögen gebracht und letzteren mit einem Berg Schulden sitzen gelassen hat. Ich kenne nicht nur eine schwäbische Familie, in der der Gutgläubige die Schulden, die andere auf seine Kosten machten, über Jahrzehnte hinweg abarbeiten musste. Dies führt zwangsläufig zu Geiz, Neid und Misstrauen – und vor allem: hilfloser Wut.

Gerade weil man eben oft zuwenig Grund und Boden zum Überleben hatte, wurde (resp. wird) dieser eifersüchtig bewacht. Die Moderne Variante sieht dann so aus: Schwabe A legt seinen Garten neu an. Sein neuer Grillplatz ist direkt an der Grundstücksgrenze, wo sich jenseits der seit Jahren liebvoll gepflegte Rosenstock des Nachbarn B befindet. Samstagabends zur Grillzeit plaziert also B seine Gartenbank geeignet und „bewacht“ seinen Rosenstock, denn die Grillhitze aus Garten A würden die Rosen nicht überleben. Aber: Nachbar A grillt nicht mit seinem High-Tech-Riesen-Supergrill im Garten, sondern mit Minigrill auf dem Balkon.

Diese Lust am Provozieren („Ich könnte, wenn ich wollte und Du hast mir gar nichts zu sagen“) scheint ebenfalls urschwäbisch zu sein. Die Wut über tatsächliches, vermeintliches oder möglicherweise zu erwartendes Unrecht sitzt beim Schwaben tief. Nur eines bringt den Schwaben völlig aus der Fassung: wenn man mit norddeutscher Gelassenheit auf sorgfältig ausgedachte Provokationen niemals reagiert. Da wird der Schwabe vor Wut über seinen Misserfolg manchmal zum Rumpelstielzchen. – Sabine Möller

 

Schon der Briefkasten knurrt: keine Werbung „sonst viel Ärger“ Als in Oberschwaben aufgewachsener Schweizer kann ich diesen Artikel nicht wirklich nachvollziehen. Ich empfinde die Menschen hier als lebensfreudig und freundlich. Ich habe nicht den Eindruck, daß es hier mehr wütende gibt als anderswo. Was ich an diesem Artikel aber wirklich ungeheuerlich finde ist folgende Aussage: Die Homöopathen bangen dem Ende der Kassenunterstützung entgegen. Was bitte soll das heissen? Die Krankenkassen subventionieren doch nicht die Homöopathie sie bezahlen Homöopathie genau so wie andere Medikamente. Nur das Homöopathie wesentlich weniger Geld kostet. Ich finde es schon ein merkwürdiges Demokratieverständnis wenn den Menschen vorgeschrieben wird welche Art von Medizin für sie die richtige sein soll. – Andreas Dill

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Macht der Angeber“ von Stefanie Kara et al.

 

„Männer geben deutlich häufiger an als Frauen“ – diese mehrfach in Studien nachgewiesene Aussage findet sich quasi als Nebensatz, genau genommen in einem Neben-Absatz, als Exkurs-Info im Titelthema der heutigen Zeit-Ausgabe. Und nimmt damit in meinen Augen, zu wenig Raum ein. Frauen, das weiß man mittlerweile, präsentieren sich weniger aufgeblasen in Vorstellungsgesprächen, Gehaltsverhandlungen, wenn es um Beförderungen geht. Die Autoren ziehen, am Ende des einen Absatz, den der Artikel den geschlechtsspezifischen Unterschieden zwischen Männern und Frauen in Bezug auf das Angebertum widmet, dazu direkt ein Fazit. „Auf dem Feld der Angeberei“, so heißt es hier „ist die Emanzipation eine Schnecke“.

In diesem Satz verdichtet sich, was durch den gesamten Artikel schimmert, in seinem Nicht-Infragestellen des Grundprinzips ‚Angeben‘: die immer noch vorherrschende Annahme, die Gleichstellung der Geschlechter vollziehe sich in der Angleichung des Frauenverhaltens an das von Männern hinreichend etablierte. Als sei was altbekannt ist, damit gleichzeitig altbewährt und somit unabänderlich richtig. Firmen, beispielsweise, die der Diskrepanz zwischen der Bereitschaft zum Eigenlob bei Männern und Frauen gewahr wurden und etwas an diesem Ungleichgewicht ändern wollten, sie boten Lehrgänge an für das weibliche Personal, Kurse, in denen die Frauen lernen sollten, ebensogut aufzuschneiden wie ihre männlichen Kollegen. Allein: warum? Ebenfalls in Befragungen gezeigt hat sich nämlich, dass wo Frauen sich und ihre Leistungen meist korrekt einschätzten, Männer sich regelmäßig überschätzten. Es ist also nicht nur Aufschneiderei (also ein bewusstes Übertreiben in der Darstellung der eigenen Fähigkeiten) oder die mangelnde Bereitschaft dazu, der wir hier begegnen, es ist vielmehr häufig tatsächlich Selbstüberschätzung. Selbstüberschätzung ist nicht ungefährlich.

Und – nein: aber – da wollen und sollen wir nun trotzdem also alle hin, auch jene, die bisher am ehesten in der Lage waren, sich (und andere) korrekt einzuschätzen? Allein: warum? Warum nicht die Gleichheit eine Ebene höher anstreben, warum nicht an der Struktur schrauben, statt am Umgang mit ihr? Im selben Absatz, der das Fazit der schneckenartigen Emanzipation zieht, beschreiben die Autoren, dass die Frauen dazu aufgefordert, zwar nicht sich selbst zur Ehrung anpriesen, wohl aber fähige Kolleginnen benannten. Wäre das nicht ein viel validerer, ein nachhaltigerer, ehrlicherer und damit letztlich produktiverer Weg aus diesem Gefälle? Bringt es unsere Gesellschaft nicht ungleich weiter voran, wenn wir darauf vertrauen, dass Menschen sich gegenseitig empfehlen, auf Grund ihrer tatsächlichen Fähigkeiten, statt nur immer auf sich selbst zu zeigen, egal wie wenig es dort in Wahrheit vielleicht zu sehen gibt?

Würde es gelingen, eine Struktur zu begründen, die nicht auf Konkurrenz und Wettkampf fußt, so könnte man sich problemlos im Lobgesang auf die Kollegen ergehen – in der Gewissheit, dass die eigenen Fähigkeiten vom anderen ebenso besungen werden. Bedarf unsere Welt tatsächlich, wie die Autoren argumentieren, der Selbstüberschätzung, um voran zukommen, oder genügte, wenn wir den Menschen Raum gäben, zu strahlen, statt dass sie sich diesen gegen andere erkämpfen müssen, nicht vielmehr Mut, Unternehmungslust, Leidenschaft und Durchsetzungsvermögen – ohne Größenwahn? Kindergartenkinder, so lernt man im Artikel, geben ungehemmt und mit Freude an. Kindergartenkinder, das steht dann nicht da, sollte es aber vielleicht, zeichnen sich aber nicht nur durchs Angeben aus. Sondern auch durch konsequente Selbstüberschätzung. Die brauchen sie, um immer wieder neue Dinge zu probieren, selbst jene die der Vernunft nach eigentlich zu schwer für sie sind. Die brauchen sie, um sich der Welt jeden Tag aufs Neue zu stellen. Nach und nach, mit dem Älter werden, lernt das Kind dann, was es tatsächlich kann und wo es sich überhoben hat. Und mit dem Älterwerden nimmt auch die Angeberei ab. Es liegt auf der Hand, hier einen Zusammenhang zu vermuten.

Wenn man das tut, liegt es ebenso auf der Hand, in jenen erwachsenen Meisterangebern große Kinder zu sehen, die nie gelernt haben, sich selbst korrekt einzuschätzen. Und die brauchen wir also, um als Gesellschaft voran zu kommen? Allein: warum? Warum nun dieses Phänomen offenbar mehr Männer als Frauen betrifft? Das ist leicht erklärt: traditionell bekommen Mädchen schlicht häufiger und schneller von Eltern, Erziehern und Gesellschaft ihre Grenzen aufgezeigt, ihre Einschätzung korrigiert. Das ist nicht gut. Klar. Dieses Gefälle gehört geebnet. Klar! Man kann sich daran nur eben von zwei Seiten abarbeiten, kann aus zwei Richtungen versuchen das zu ändern. In beiden Fällen hätten wir im Ergebnis dann wohl tatsächlich mehr Gerechtigkeit bei den Geschlechtern. Nur im einen Fall hätten aber wohl auch noch mehr jener Angeber, die der Artikel als Blender definiert. Mehr Selbstüberschätzer. Mehr Trumps. Wenn das unser Ziel ist, dann ist mir eine Schnecke auf dem Weg dahin noch immer zu schnell. – Barbara Wopperer

 

Angeben und Lügen sind ein Glücksspiel auf Kosten der anderen. Es setzt eine gewisse Art von manipulativer Intelligenz voraus, gilt es doch das kritische Denken vieler anderer zu lähmen. Der kluge Goethe hat literarisch verarbeitet, dass auf die Gesellschaftsform des Feudalismus die Gesellschaftsform des Narzismus folgt, also der Feudalismus des Jedermann. Das Genie Goethes hat es in einem einzigen Satz ausdrücken können: So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, Mein eigentliches Element. (Faust 1, 1808. Mephisto zu Faust) Die Mephisto Figur war mit schlauer Kälte ausgestattet, die sprachlich zwischen bewuster Unverbindlichkeit der Aussage und unverblümter Brutalität springen konnte. Eine meist rationale Sprache, die stets darauf abzielte zu verunsichern – und dadurch bei anderen eine Leistungsbereitschaft auslösen kann.

Die historische Gestalt des modernen Narzisten sollte nicht Napoleon Bonaparte werden, der sich die Krone selbst aufs Haupt setzte, während er von seinen Soldaten größte Leistungsbereitschaft erwartete. Sondern es wurde Herr Hitler: Der Mann ohne Eigenschaften, der wie ein Kaiser leben wollte. Er nutzte die Bühne von Massenveranstaltungen und die Bühne moderner Massenmedien. Er war sich dessen bewust, dass Sprache Fernwirkung zeigt. Was am Ort X gesagt, angedeutet oder suggeriert wird, kann am Ort Y Wirkung zeigen, sofern Radio, Wochenschau, Zeitungen, Hierarchie und Parteiorganisation die Worte transportieren. Auf der Fernwirkung von Sprache beruhten die Macht und die Grausamkeit seines Regimes. Mit dem ihm eigenen rhetorischen Pathos bläute er allen ein, dass er sich für das Wohlergehen seines Vaterlandes aufopfere und Destruktivität das Problem der Feinde sei. Seine rhetorischen Tricksereien haben erschreckend gut funktioniert. Er wusste, dass Lüge verfängt, besonders bei denjenigen Mitverbündeten, die Ihrerseits von der Lüge profitieren wollen.

Eine Forderung der Weißen Rose war daher Meinungsfreiheit: Explorative Meinungsfreiheit als Korrektivum und Gemeinsinn stiftend – das Gegenmodell zu einer Sprache verheerender Lügen, die das Nichtstun und die Unfähigkeit einer sehr kleinen Minderheit von Profiteuren verschleiern sollte. Sprache besteht mehr als nur aus Worten, deren Besetztheit je nach Standpunkt variieren kann. Sprache bedeutet auch Bilder, Narrative und Mythen. Vor allem aber bedeutet Sprache die Grundannahme des Vertrauens. Weil Sprache ein hoch entwickeltes Kunstwerk ist, dass auch gefälscht werden kann, sollte die Pflege von Sprache ein heres Ziel einer wunderbaren und gleichzeitig kritischen Zeitung sein.

Mehr als das Differenzieren der zitierten Psychologen hätte ich begrüßt, wenn der Beitrag die ökonomische Seite des Narzismus herausgearbeitet hätte. Ich würde dazu den bedeutenden Ökonomen Ernst Fehr (Universität Zürich) nennen wollen und dessen Arbeiten zu „Free riding on other peoples efforts“. Seine Beobachtung ist es, dass viel zu oft der Unterschied zwischen wirtschaftlichem Eigennutz und einem Verbrechen von den Gerichten geklärt werden muß. Und er stellt die Frage, was eine wirtschaftliche Kultur leisten muss bzw. kann, um im einzelnen Teilnehmer zu wirken. – Michael Scheppler

 

Mutige Unternehmer (wie Max Weishaupt in meinem Heimatdorf Schwendi nach 1948), geniale Wissenschaftler (wie Albert Einstein) oder erfolgreiche Sportler (wie Fabian Hambüchen) haben ihre Erfolge nur mit Training, Fleiß und Neugierde erreicht. Nur das treibt die Menschheit voran. Geistige Tiefflieger oder bequeme Menschen können dies nicht erreichen: Ihre einzige Chance ist der Bluff, welcher derartiges vortäuscht. Sie haben damit dann Erfolg, wenn sie auf „willige Empfänger“ treffen, welche ebenso dumm sind wie sie selbst. In meiner Jugend hieß es: „Wer angibt, hat‘s nötig!“, und niemand mit etwas Sachkenntnis hat Angeber ernst genommen. Fehlt es heute dank asozialer Medien und abschlaffendem Bildungssystem an Letzterem? Eine Anmerkung zum Soziobiologen E. Voland:

Bisher habe ich angenommen, dass die faktischen Vorteile des (schrittweise immer mehr organisierten und auch arbeitsteiligen) Zusammenlebens zur Ausdifferenzierung von Sprache, erster Mathematik und Schrift geführt haben, wie man es in Jahrtausende alten Kulturen im Euphrat-Tigris-Tal oder am Nil sehen konnte. Manche anfangs „absolut unnütze“ mathematische Grundlagentheorie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erwies sich erst einige Jahre später als extrem nützlich für die Computerentwicklung. Was hat bloß diese Mathematiker angetrieben? Es war jahrelang nur l’art pour l’art. In meinem Menschenbild kommt ein einmal geweckter Geist durch immer weitere neugierige Fragen schrittweise voran. Das fällt ja heute sogar wieder Pädagogen ein! Wissen und Denken sind die einzigen Ressourcen, welche durch menschliche Nutzung nicht weniger werden! – Prof. emer. Dr. Wolfgang Ströbele

 

Vielen Dank für den interessanten Artikel zur Angeberei. Die Vielfalt der Angeberei sollte noch ergänzt werden durch das besonderes in Deutschland verbreitete Phänomen, mit der englischen Sprache anzugeben. Auf Demonstrationen, etwa gegen den Klimawandel oder Rassismus, werden gern Schilder hochgehalten, deren Parolen zumeist in englischer Sprache formuliert sind. Damit signalisieren die überwiegend hübschen Mädchen und jungen Männer aus den besseren Kreisen, dass sie nicht nur moralisch höherwertig sind, sondern auch zu den Schlauen im Lande gehören. Auch lässt sich hinter dem Angeber-Englisch sehr gut argumentative Dürftigkeit verstecken; auf deutsch nämlich klängen die Parolen oft entsetzlich einfältig. – Günter Herrmann

 

Dazu gibt es ein schönes deutsches Sprichwort, das mein Vater gerne zitierte: „Wer angibt hat mehr vom Leben“ – Leo Bauer

 

Wäre ich ausschließlich selbstlos, wäre ich schließlich mein Selbst los. Peinlich infantil oder nicht, von dieser auf jeden Fall launigen, spontangedanklichen Phrase konnte ich mich beim Lesen und inneren Verifizieren des Essays zum Titelthema nicht mehr befreien. Und weil ich als relativ regelmäßige Leserbrief-Schreiberin von einer psychologisch geschulten Bekannten gesagt bekommen habe, dass auch im publiken (Mit)Teilen einer Meinung ein „menschlich normal“ bedingter Narzissmus auszumachen ist, will ich dem von den AutorInnen trefflich Erkannten wie Beschriebenen – zumal in einer überaus renommierten Zeitung – natürlich ungern, auch nicht maßlos bescheiden, mittels eines diesbezüglichen Stillschweigens „widersprechen“. – Ira Bartsch

 

Ja – die derzeitige Hit-Wissenschaft ist soetwas wie Bio-Psychologie. Sie versucht die Psychologie des Menschen aus der Biologie zu erklären. Und ja – Der Mensch ist Biologie; er ist aber eben auch Mensch und aus der sich daraus ergebenden Widersprüchlichkeit erklärt sich seine Psyche. Nicht die Fortsetzung biologischer Prinzipien macht den Menschen aus, sondern das gegen das Naturgesetz (Recht des Stärkeren) gerichtete eigene Gesetz – sprich Selbstgesetzgebung gleich Autonomie gleich Freiheit (Freiheit vom Naturgesetz, von der biologischen Determinierung). Genau das ist ja der Unterschied zu allen anderen Lebewesen. – Dieter Herrmann

 

Kaum ein Mensch kann Prahlerei ausstehen und dennoch sollen wir sie als die naturgegebene Quelle der evolutionären Erfolgsgeschichte des Menschen erkennen!? Oh je! Wer heutzutage nicht provoziert (oder prahlt) wird leicht übersehen. (Bio-)Psychologen und insbesondere die Sozio-Biologen wollen uns weismachen, dass menschliches Lern- und Erkenntnisvermögen, unsere Fähigkeiten zu glauben, zu hoffen, zu kooperieren und sogar lieben zu können auf die Bedeutung der Prahlerei für den evolutionären Ausleseprozess reduzierbar ist?

Die Gedanken sind frei und denken lässt sich alles. Das Rassenkonzept der Anthropologen war nie naturwissenschaftlich fundiert, sondern sollte die bestehenden Herrschaftsverhältnisse und die Vorstellungen weißer Überlegenheit als naturgegeben rechtfertigen. Wenn ein moderner Anthropologe wie der Soziobiologe Herr Voland kokettiert: „ Wer nicht schön ist, den bestraft die Liebe“, dann könnte es auch naheliegen, zu meinen: „und wer fremdartig aussieht, den meiden die Normalen“, und das alles sei ja „irgendwie in uns“ und sogar naturwissenschaftlich begründbar. Meine Bitte an die Autoren dieses Beitrages. Bitte in Zukunft etwas kritischer hinschauen. Da wo „Sozio-Biologie“ draufsteht, könne auch eine toxische Portion „So-soll- es-sein-Biologie“ drin sein. – Jürgen Pilz

 

Schon der Einstieg ins Angeber-Thema irritiert: Ein Fußballmillionär demonstriert der Öffentlichkeit, dass er sich das Gold in rauen Mengen nicht nur leisten, sondern es auch fressen (und wie ein Dukatenesel wieder ausscheißen) kann. Der Kern jeder Angeberei, so schlussfolgern die AutorInnen: hier die Lust am Zurschaustellen, dort der Neid und die Bewunderung des Publikums. Wir leben in einer Zeit, in der Blender, Hochstapler, Narzissten die Geschicke ganzer Länder lenken und die Welt an den Rand des Wahnsinns treiben; die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft sich stetig; am „Höher, Schneller, Besser“ verdienen immer weniger immer mehr – und der ZEIT fällt nichts Besseres ein, als die Angeberei, das Besser-Sein-Wollen als innere Natur des Menschen und Motor der Zivilisation zu loben. Kein Wort darüber, dass es im Inneren der Menschen um Zugehörigkeit, Bindung, Erkanntwerden geht, und dass all das mit Karre, Klunker und vergoldeten Steaks nicht zu haben ist. – Dorothee Menden

 

Auch bei der Zeit schwimt die deutsche Sprache langsam aber sicher den Bach hinunter. Dass den Journalisten des Flagschiffs intelligenter und interlektueller Deutung des Weltgeschehens der Unterschied zwischen „nutzen“ undd „nützen“ zu spitzfindig ist und sie „nutzen“ als Mehrzweckwaffe einsetzen, ist vielfach dokumentiert. Auch die Verwendung des Dativs im Zusammenhang mit kosten kommt vor.

Aber von einem „Idealzustand im maximalen Gleichsein“ zu sprechen, schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht. „Gleich“ kann man nicht steigern. Mit dem Adjektiv „maximal“ wird noch eins draufgesetzt: „am allergleichstens“. Und das dann noch im „Idealzustand“. Nächstes Mal lässt sich sicher auch noch das inflationär strapazierte „optimal“ im Sinne von „toll“ oder gar „geil“ unterbringen Ein kleiner kostenloser Hinweis. Wenn man einen vergleichbaren Zustand mindern oder steigern will, muss man die Negativeform von „gleich“ benutzen(sic; transitiv, daher nicht „benützen“), denn bei der Ungleichheit gibt es viele Abstufungen. Ich bin tief besorgt, denn ich hätte da noch einiges mehr zu beanstanden. Ehrliche Großmäuler nützender Gesellschaft wenig. Häufig nutzensie sie aus. – Sven Herfurth

 

Es ist noch nicht lange her, dass verschiedene Psychologen eine Lanze für die Narzissten brachen. Der ausgeprägte Narzisst, den eine Persönlichkeitsstörung kennzeichnet, die zur Folge hat, dass es ihm an Empathie mangelt, dass er seine eigenen Fähigkeiten überschätzt und ein übersteigertes Verlangen nach Anerkennung hat, soll unter gewissen Umständen durchaus von beträchtlichem Nutzen für die Gesellschaft sein können. Nach Ansicht dieser Wissenschaftler gibt es einen „bösartigen“ und einen „gutartigen“ Narzissmus. Sie weisen insbesondere auf viele narzisstisch gestörte Personen in Führungspositionen hin, die durch ihre Risikobereitschaft, gepaart mit großen Fähigkeiten, und ein charmantes, selbstsicheres Auftreten in der Lage sind für den Erfolg von Unternehmen zu sorgen. Die Autoren des Artikels über „Angeber“, „Blender“, „Hochstapler“(unter ihnen finden sich gewiss auch viele Narzissten), gehen, was den Nutzen solcher Menschen für menschliche Gesellschaften betrifft, noch einen großen Schritt weiter:

Psychologinnen und Soziologen, Evolutionsbiologinnen und Ökonomen sind sich bei diesem Thema fast alle einig: ohne Prahlerei kein Wirtschaftswachstum, keine Hochkultur.“ Es war mir bis jetzt überhaupt nicht bekannt, dass es diese nahezu einhellige Meinung unter Wissenschaftlern gibt, laut der wir unsere Hochkultur Prahlhansen und Großmäulern zu verdanken haben. Das hätte ich gerne mit den Namen dieser Wissenschaftler und der Angabe ihrer entsprechenden Publikationen belegt. Oder stammt diese Aussage gar von einem solchen Wichtigtuer, denn solche Menschen berufen sich bei ihren erstaunlichen, aber oft erfundenen Behauptungen ja gerne auf renommierte Personen und können sich darauf verlassen, dass das niemand nachprüfen wird. … Wenn ich, um nur einige Beispiele aus der abendländischen Geistesgeschichte zu nennen, an Aristoteles und Platon, an Erasmus von Rotterdam und Luther, an Shakespeare, Leonardo da Vinci und Michelangelo, an Descartes, Kant und Hegel, an Darwin und Einstein, an Freud, an Kafka, an Sartre und Camus, an Brecht und Böll denke, dann muss ich mir also Menschen vorstellen, denen Bescheidenheit nicht nur fremd war, sondern die, von großer Geltungssucht getrieben, mit ihren Fähigkeiten in erster Linie beeindrucken, auffallen wollten und dadurch Erfolg hatten.

Das klingt schon deshalb lächerlich, weil die weitaus meisten Angeber, nicht über besondere Fähigkeiten, Talente, Begabungen zum kulturellen Nutzen der Gesellschaft verfügen. Bei schlechten Angebern fällt es schnell auf, die wenigen Hochtalentierten unter ihnen schaffen es zu Wohlstand und Ansehen auf Kosten der Gemeinschaft zu kommen, und selbstverständlich findet sich auch unter den Geistesgrößen der Weltgeschichte so manch einer mit einer großen Klappe, was ich aber für die Ausnahme halte. Unter den von mir oben aufgeführten Namen findet sich bezeichenderweise kein Name einer weiblichen Person. Das liegt zum einen daran, dass Frauen, was das Kulturschaffen betrifft, bis in unsere Tage seltener erwähnt werden und andererseits daran, dass das Angeben offensichtlich nur in sehr geringem Maße zu den weiblichen Eigenschaften zählt. Sollte also die Angebertheorie“ stimmt, dann werden Frauen wohl auch in der Zukunft nicht besonders zur Weiterentwicklung der Hochkultur beitragen.

Wenn man sich mit den Biographien großer Persönlichkeiten beschäftigt, fällt auf, wie oft sie große Schwierigkeiten hatten, ihre neuen Ideen durchzusetzen, weil die herrschenden Kreise von ihren gewohnten Auffassungen, die oft mit Macht und Einfluss verbunden waren, nicht gewillt waren abzurücken. Waren diese Menschen erfolgreiche Aufschneider, wenn es ihnen gelang, sich Geltung zu verschaffen? Um ihrer These Überzeugungskraft zu verleihen, greifen die Autoren zu Beispielen aus der Vergangenheit und aus dem Tierreich. Es ist mehr als fragwürdig, die Denkweisen heutiger Menschen mit denen der Menschen früherer Zeiten gleichzusetzen. Die Verfasser des Artikels zitieren den Wissenschaftler Voland. Hinsichtlich der überdimensionierten Sakralbauten und Paläste, die das Weltkulturerbe der Unesco verzeichnet, sagt er: „Hinterlassenschaften der größten Angeber der Weltgeschichte. Streicht man alle angeberischen Objekte aus der Liste heraus, bleibt nur noch ein Viertel übrig.“ Bei Herrn Voland scheint es sich um einen großspurigen Menschen zu handeln, der um die Wirkung einer so populistischen Äußerung weiß.

Ich weiß nicht, ob die Pyramiden der Ägypter zu dem laut Herrn Voland nicht von Angeberei geprägten Viertel gehören, aber sie wurden sicherlich nicht von monströsen Angebern errichtet. Den Pharaonen ging es zwar um die eigene Unsterblichkeit, aber nicht aus rein persönlicher Eingenommenheit von sich selbst, sondern weil sie, von Geburt an dazu auserkoren, an der Spitze eines religiösen Systems (Sonnenkultes) standen, das vom ganzen Staatsvolk getragen wurde und dem Erhalt eines Staates dienen sollte, dessen Pharaonenherrschaft auf das engste mit den für die Fruchtbarkeit der Äcker wichtigen, regelmäßigen Überschwemmungen des Nils zusammenhing.

Die Sakralbauten und Paläste auf der Welt, die noch zahlreich erhalten geblieben sind, sei es die Akropolis, sei es die Andenstadt Machu Pichu, seien es die Tempelanlagen von Ankhor Wat, der Palast von Knossos, sei es die Megalithanlage von Stonehenge usw. sollen nichts als die Ergebnisse herrlicher Prahlerei sein. Im Ernst? Dann kann man auch jegliche Forschungen eingestellt werden, mit denen man die Rätsel lösen will, die sich darum ranken, warum diese Bauten errichtet wurden. Von den vielen Kirchen und Kathedralen des Mittelalters weiß man, dass sie zur Ehre Gottes erbaut wurden, auch wenn sich so mancher fürstliche Auftraggeber und Geldgeber solcher Bauwerke mit ihnen einen Platz im Himmel verschaffen wollte.

Aber es ging nicht um Angeberei sondern um die Angst vor ewiger Verdammnis wegen irdischer Missetaten, die mittelalterliche Potentaten reichlich verübten. Natürlich gehören Angeberei und Protzerei zu den Charaktereigenschaften, die besonders männliche Menschen wahrscheinlich schon in grauer Vorzeit hatten, aber das soll der Hauptgrund für die Schaffung von Hochkultur sein? Ich denke, dass religiöse Vorstellungen, die früher viel ausgeprägter waren und die Demonstration von göttlich gegebener Macht für das Errichten von Monumental- bzw. Prachtbauten am meisten verantwortlich sind. Von den Aufträgen vieler Gewaltherrscher, die auch bestrebt waren ihren Nachruhm zu sichern, haben unzählige Künstler, kreative Menschen profitiert. Sie und nicht ihre Auftraggeber schufen die Werke, die zu unserem kulturellen Erbe zählen. Waren diese Menschen aus bloßer Angeberei schöpferisch? Künstler wurden in der Vergangenheit sowieso nicht so hoch gehandelt wie heute. Die Namen der Baumeister der Pyramiden und anderer antiker oder noch viel älterer Bauwerke sind nicht überliefert. Was die Sklaven bzw.

Arbeiter angeht, die die Paläste und Tempel für mächtige Herrscher errichteten, haben sie wohl kaum mit ihrer Muskelkraft angegeben. Das Entstehen von Kultur hängt meiner Ansicht nach von einer zu allen Zeiten relativ kleinen Zahl kreativer Menschen ab, die sich dadurch von der großen Masse abheben, dass sie oft nicht in gewohnten Bahnen denken, neue Perspektiven zu althergebrachten Sachverhalten einnehmen können. Sie haben meistens auch spezielle Begabungen mathematisch-technischer, musikalischer oder künstlerischer Art. Das befähigte sie Neues zu schaffen, nicht der Wunsch sich herauszustellen. Die meisten sind wohl namenlos geblieben. Die, von denen man Genaueres weiß (s. oben), sind nicht durch Angeberei aufgefallen. Sie hatten vielmehr ständig damit zu tun, sich Anerkennung zu verschaffen, da sie wegen ihrer Andersartigkeit, ihrer Eigenbrötelei, großen Schüchternheit (Heute würde man von autistischem Verhalten sprechen.) Schwierigkeiten mit ihrer Umwelt hatten. Es zeichnete sie aber alle eine große Leidenschaft für die Sache aus, der sie ihr Leben gewidmet hatten. Sie waren, auch wenn man ihr Schaffen letztlich würdigte, was beileibe nicht die Regel war, bei den meisten Menschen nicht wohlgelitten.

Die Höhlenmalereien sind gewiss nicht aus Angeberei entstanden. Es gibt eine interessante Theorie, die ich für plausibler halte als die in diesem Artikel vertretene, sehr einseitige Auffassung. Die Malereien wurden vielleicht von Menschen erschaffen, die wegen ihrer abseitigen Psyche (Autismus) von ihren Stammesgenossen nicht für die Jagd gebraucht werden konnten, ihr Daseinsrecht aber dadurch wahrten, weil sie wunderbarerweise in der Lage waren aus dem Gedächtnis jagdbare Tiere lebensecht an die Höhlenwände zu zeichnen, wodurch sie wichtige religiöse Zeremonien ermöglichten. Dass die Angeberei, Imponiergehabe überhaupt zum Repertoire menschlichen Verhaltens gehört, ist natürlich damit zu erklären, dass er das höchstentwickelte Tier ist. Die Autoren des Artikels lassen aber den Entwicklungsprozess außer Acht, die den Menschen immer freier von instinktgeleiteten Verhaltensweisen gemacht haben, wodurch er immer besser lernte durch Einsicht und Willenskraft, seine Triebkräfte zu unterdrücken. Dabei schälte sich eine Rangordnung von Tugenden heraus, unter denen die Bescheidenheit, gerade dann, wenn jemand Großes geleistet hat, bisher eine hohe Stellung einnahm, was heutzutage wohl nicht mehr dem Zeitgeist zu entspricht.

Ich kann mir sonst nicht die Veröffentlichung eines solchen Artikels in der ZEIT erklären! Es scheint im Trend der Zeit zu liegen, Bescheidenheit nicht mehr eine Zier zu finden, zumal man ohne sie sogar Präsident der Vereinigten Staaten werden kann. Die sich vor allem im Internet stark verbreitende Großmäuligkeit, mit der jeder Hinz und Kunz herausposaunt, wie viel Ahnung er von allem und nichts kraft seiner zwei, drei Klicks bei Google hat, als Kulturleistung zu verbrämen, wird wohl auch den Verfassern des Artikels nicht in den Sinn kommen. Gewiss ist es nicht immer angebracht, sein Licht unter den Scheffel zu stellen, vor allem wenn es zum Guten vieler dient. Ein hervorragendes Beispiel ist für mich in der augenblicklichen Pandemiesituation der Virologe Christian Drosten. Er stellt ohne falsche Bescheidenheit seine Fähigkeiten heraus und hat sich damit das Vertrauen vieler erworben, die sich dadurch richtig verhalten haben. Ein solches Vertrauen kann sich auch ein „ehrliches Großmaul“ nicht verschaffen, selbst wenn seine Angeberei auf Können fußt. Angeberei nötig zu haben, ist ein Zeichen von Unreife.

Es zeugt allerdings auch von Reife, wenn man Angeber, die nichts zu bieten haben als heiße Luft, von denen unterscheiden kann, die trotz ihres aufschneiderischen Gebarens doch Substanzielles anzubieten haben. Der ganze Artikel könnte zu einem Buch ausgearbeitet werden, mit dem sich die dargebotene eindimensionale Küchenpsychologie gut verkaufen ließe. Es wimmelt momentan geradezu von Menschen, die alles auf großspurige Weise besser wissen und können. Durch dieses Buch können sie sich darin bestätigt fühlen, dass man mit bescheidener Zurückhaltung keinen Blumentopf gewinnen kann. – Dirk Visser

 


 

 

Leserbriefe zu „»Ich brauche keinen Blumentopf mehr«“ von Moritz von Uslar

 

Was ist das Schöne am (Schriftsteller-)Rentnerdasein? Nicht das Nicht-mehr-arbeiten/schreiben-müssen, nein, das Kein-Blatt-mehr-vor-den-Mund-nehmen-, Sich-nicht mehr-krümmen-müssen, um noch irgendeine Karriereleiter zu erklimmen! Allenfalls noch die Himmelsleiter, doch die schaffen wir, oder auch nicht, nicht mehr mit eigener Kraft! Man tilgt die Worthülsen aus dem Wortschatz, sagt und schreibt einfach, was man denkt! Wenn Frau Maron also zu gesellschaftlichen und politischen Problemen ihre Meinung äußert, die offensichtlich nicht ins Weltbild von Herrn von Uslar paßt, dann sind ihre Gedanken vermutlich um vieles ehrlicher, tiefer, wahrer als die gängigen oberflächlichen, mit denen denkfaule Trittbrettfahrer sich an den Meinungsmainstream-ICE dranhängen! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Ich schaue mir das Foto der Autorin an, sehr geehrter Herr von Uslar, und denke: Diese Autorin flirtet nicht und sie geht auch nicht wackeligen Schrittes. Diese Autorin provoziert, polarisiert, lädt zum Nachdenken ein und streitet sich für ihr Leben gern. Aber immer mit Argumenten. Die fehlen in Ihrem Porträt. Nur Schlagworte. Schublade auf, rein mit der bösen Rechten, Schublade zu. Ein kritischer Diskurs geht anders. Sollten Sie vor der Begegnung mit Monika Maron bereits gewusst haben, was Sie schreiben wollen? Ein wenig liest sich Ihr Text so. Das ist schade. Ich denke, auch Sie haben einen Ruf zu verlieren. – Dr. Gabriele Kreis

 

Monika Maron geht es so wie mir, wenn ich in Deutschland bin. Wer auf das Menschenbild blickt, die seit Jahrzehnten dieses Land in Politik, Gesellschaft und Medien wesentlich geprägt haben, kann man gelegentlich verzweifeln. Der Glaube alles richtig zu machen, kommt schon einer Körperverletzung sehr nahe. Aber statt eines Mindestmaßes an Skepsis herrscht bei der heutigen Generation Unkenntnis und Dummheit. Die Politik wird dafür eines Tages bestraft. Man schämt sich des Deutschseins wenn man das Benehmen im Alltag erlebt. – Gunter Knauer

 

Ihr Artikel über den Besuch bei Monika Maron hat mich befremdet und beunruhigt. Sie schreiben mit nicht zu überlesender Süffisanz und Überheblichkeit über M. Maron, so bestätigen Sie leider indirekt, die These vom „Immer schmaler werdenden Meinungskorridor“, die Sie ja eigentlich wiederlegen möchten. Ja, es gäbe schon einen dritten Weg, sich mit Marons neuem Buch „Artur Lanz“ auseinanderzusetzen. Nicht nur mit Gebrüll es niederzuschreiben oder es zu ignorieren ist eine Möglichkeit, man könnte ja der Autorin die gleiche intellektuelle Redlichkeit zubilligen, die Sie für sich in Anspruch nehmen, und deren Ansichten ernst nehmen.

Dann käme vielleicht ein fruchtbarer Dialog zustande, man würde miteinander und nicht übereinander reden. Das aber erforderte, seine eigenen Anschauungen zu hinterfragen bzw. diese nicht als allein gültig anzusehen. Dazu waren Sie zumindest in diesem Bericht nicht bereit. Schade! Es schadet dem intellektuellen Diskurs, wenn der Andersdenkende nicht als gleichwertig gesehen wird. Radikalisierung kann dann eine Folge sein. – Dr. Martin Klupp

 

Moritz von Uslar schreibt: „Da sitzt sie in einer der bevölkerungsärmsten Regionen Deutschlands auf der grünen Wiese und beschreibt, wie die Gesellschaft kippt. Ist das nicht absurd?“ Nein, ist es keineswegs. Das ist blöd gefragt und schlicht unverschämt. Der Autor kaschiert seine Ablehnung Monika Marons mit rhetorischen Fragen und unterstellt einfach, dass seine Leser so denken wie er. Mal ganz abgesehen davon, dass Frau Maron ihren Erstwohnsitz in Berlin hat. – Wolfgang Butzkamm

 

Welchen Vergehens hat sich die Schriftstellerin Monika Maron schuldig gemacht, dass Ihr Reporter Moritz von Uslar meint, Frau Maron als ein „ins Abseits“ geratenes Mitglied des Literaturbetriebs bzw. als „noch keine Geächtete, aber eine beinahe unmögliche Person“ abqualifizieren zu dürfen? Frau Maron hat sich unter anderem lediglich ‚erlaubt‘, mit der ihr als Schriftstellerin eigenen Sprachmächtigkeit Frau Merkels durchaus in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierte Flüchtlingspolitik zu kritisieren. Gerade diese hat dazu geführt, dass über das häufig missbräuchlich genutzte Asylrecht hunderttausende ungebildete bzw. kaum gebildete junge muslimische Männer aus den gewaltaffinen Machokulturen des Orients, des Balkans und Afrikas zu uns gekommen sind. Wie sehr viele dieser jungen Männer, die es aus ihren Heimatländern gewohnt sind, sich in Gruppen im öffentlichen Raum aufzuhalten und diesen nach Möglichkeit zu dominieren, mittlerweile unsere innere Sicherheit gefährden, haben die Ereignisse der Stuttgarter Krawallnacht vom 20. auf den 21. Juni 2020 erst jüngst wieder gezeigt.

Von den 25 vorläufig festgenommenen Tatverdächtigen waren mehr als ein Drittel, nämlich 9, Flüchtlinge aus den oben erwähnten muslimischen Gewaltkulturen, genauer gesagt aus dem Irak, Afghanistan, Bosnien und Somalia. Wenn Frau Maron derartige Ereignisse in ihren literarischen und publizistischen Arbeiten kritisch kommentiert, nimmt sie die Anliegen vieler um die innere Sicherheit besorgter Bürger auf. Verdächtig oder gar unmöglich macht sich Frau Maron mit ihren Äußerungen nur bei Journalistinnen und Journalisten sowie Aktivistinnen und Aktivisten des links-grünen Mainstreams, die Probleme und Fehlentwicklungen der deutschen Asyl- und Einwanderungspolitik partout nicht sehen und ihre Diskurshoheit auf diesem politischen Feld mit allen Mitteln aufrechterhalten wollen. – Herbert Behnke

 

Der Text folgt unerbittlich konsequent dem Zeitgeist. Er lotet, getrieben von allzu deutlichen Vorbehalten, aus, ob die porträtierte Schriftstellerin eine Gesinnung vertritt, die die ‚Gedankenpolizei‘ der Gegenwart quasi verbietet. Wer genau hinschaut, könnte erschrecken – Herr von Uslar glaubt offenbar wirklich, was er sich ausmalt: dass Monika Maron fast, wenn auch noch nicht ganz „unmöglich“ geworden sei… – Dr. Andreas Schäfer

 

Nur mit großem Widerwillen stelle ich mich dem Artikel über M.M. Warum? Ich habe sie erlebt! Kurz nach der Wende, als alle Universitäten in Boston sich anschickten Deutsche zu laden, dass sie auf möglichst vielen Podesten zum Stand der Dinge Auskunft gaben. Ich besuchte eine dieser Veranstaltungen des MITs mit meiner amerikanischen Freundin und Professorin, interessiert an allem, was zum damaligen Zeitpunkt politisch interessant war, genauso wie ich, die ich als Deutschlehrerin an Boston University arbeitete und den Mauerfall nur aus der Ferne miterlebte. Kurz zuvor hatte M.M. bereits auf der fast letzten Seite des Spiegels das Bild von den deutsch-deutschen Bank-Räuber-Zwillingen, von denen der östliche, nun endlich aus dem Gefängnis freigekommene, die Hälfte der Beute beim im Saus und Braus in Freiheit verbliebenen Zwilling zu Recht einforderte, farbenreich gemalt.

Nun saß sie dort auf dem Podium und erging sich lächelnd und fast siegesstolz darüber, wie sie lange mit ? (Ich erinnere seinen Namen nicht)einem Zeitredakteur im Magazin abwechselnd Beiträge zu ? (Ich erinnere die Themen nicht) geschrieben hatte. Locker und entspannt erzählte sie dem Publikum dann, wie sie dann einfach mal mit ihrem Sohn, oder waren es mehrere Kinder, ganz entspannt in den Westen nach Hamburg umsiedelte, einfach so…..vor dem 9. November 1989. Als Frau, die in einer ost-west getrennten Familie, mit Weihnachtspaketen, Reiseverboten und anderen ZwangsTrennungen großgeworden ist, eine so unerträglich unverschämte Verleugnung der Lage der Bevölkerung und Verdunklung der Realitäten, dass mir nur übel wurde.

Meine Freundin musste mich auf den Sessel drücken, sonst wäre ich M.M. liebend gerne ins Gesicht gesprungen. Meine Freundin hat erst später, als M.M.s Verbindungen zur Stasi herauskamen, mir etwas mehr Verständnis entgegengebracht. Hinzuzufügen ist, dass auch Amerikaner genauso wie Deutsche ohne Ost-West-Familien-Hintergrund in großer Zahl nicht die vagste Idee davon hatten, was Ost-West-Familie für alle Beteiligten vor dem Mauerfall bedeutete. Auf keinen Fall: Umsiedeln einfach mal so mit Kind Kegel und Besitzerhalt im östlichen Gefängnis. Welch‘ eine freche PublikumsVerdummung, um nicht Verarschung zu schreiben. Daher mein tiefster Widerwillen gegen diese „ganz unmögliche“ Person! – Ulrike Weber

 


 

 

Leserbriefe zu „Mit 22“ von Swantje Furtak

 

Nachdem ich Ihren Artikel „Mit 22“ in der ZEIT gelesen habe, ist mir um unsere Republik weniger Angst. Ich möchte Ihnen von Herzen für Ihren Mut, Ihre aufrechte Haltung, Ihre Treue zu unserem Grundgesetz danken – und für Ihre Tränen. Sicher haben Sie sich in der Situation nicht stark und gut gefühlt, aber Sie waren nicht allein (die Studentin war bei Ihnen, wenn auch zu spät, und wir anderen, die mit Ihnen einer Meinung sind, standen und stehen hinter Ihnen), Ihre Tränen waren nicht umsonst. Sie waren kein Ausdruck von Schwäche, sondern von Wut, Ohnmacht und Hilflosigkeit angesichts der geballten Dum(m)pfheit und des verachtenswerten Rassismus. Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen und an Ihrer Seite. Mit 22 sollte man noch nicht solche Kämpfe ausfechten müssen.

Aber Sie haben es sich getraut und allein dadurch schon gegen diese verrohten Menschengewonnen. Ich habe größte Hochachtung vor Ihnen und wünsche Ihnen, dass Sie Ihren Weg so mutig weitergehen. Und für Ihren Traum vom Dokumentarfilmen drücke ich Ihnen ganz fest die Daumen. Von Herzen alles Gute wünscht Ihnen (63, geboren in Düsseldorf, Tochter einer Deutschen und eines Inders, der die Familie aber früh verlassen hat; schwarz? ich habe mich nie so empfunden, da ich deutsch sozialisiert und in einer feministischen Frauen-Familie aufgewachsen bin; heutzutage wird mir der Rassismus in unserer Gesellschaft aber immer bewusster, auch wie sehr ich mich anpassen musste, um unterm Radar zu bleiben). – Nivedita Banerjea

 

Der Text von Swantje Furtak hat mich sehr betroffen gemacht. Vielen Dank an sie, dass sie ihren Mut zusammengenommen hat und etwas gesagt hat. Es tut mir sehr Leid, dass sie diese Erfahrung machen musste. Und wahrscheinlich wird das dazu führen, dass sie in Zukunft ebenfalls schweigt. Das ist zwar falsch, aber für ihre seelische Gesundheit besser. Miterleben zu müssen, wie keiner um einen herum einem beispringt, das ist traumatisch. Ich habe das auch erlebt, ich wurde von einem gut situierten schwäbischen Ehepaar quasi aus einem Gartencenter herausgeschrien. Der Mann hat mich bis auf den Parkplatz verfolgt. Der Besitzer des Ladens und die Kassiererin haben daneben gestanden. Es hätte tausend Möglichkeiten gegeben, diese Situation zu entschärfen. Sie haben nichts davon getan. Ich bin weinend nach Hause gefahren und habe da weiter geweint. – Eine Leserin

 

DANKE SWANTJE !!!!!! – Kordula Sextro

 

Großen Dank an Swantje Furtak für die Schilderung einer Situation vor der sich viele fürchten. Oder, zugegeben, ich mich fürchte. Alleine reisend solchen Menschen zu begegnen und unfreiwillig zuhören zu müssen ist schlimm genug, dagegenzuhalten unendlich schwierig. Leichter ist es dann, den Platz zu wechseln, wenn aufsteigende Wut sprach- und hilflos macht. Durchhalten trotz Tränen? Und dann die richtigen Worte finden? Großartig und hoffentlich ansteckend für viele von uns. Ich hoffe, in naher Zukunft mal einen Dokumentarfilm von ihr zu sehen. – Annette Krause

 

Vielen Dank für die vielen klug aufbereiteten Informationen, detaillierten Recherchen, Kommentare und wunderbare Unterhaltung, welche ihr nun schon seit so vielen Jahren präsentiert. Vergangene Woche ist mir und meinem Mann etwas passiert, dass ich gern mit euch teilen möchte, weil es mich noch immer so stark beschäftigt. Ich habe das Gefühl, meine Geschichte ist bei euch gut aufgehoben. Mein Mann ist Indonesier. Wir haben vor einem Jahr geheiratet und führen ein wunderbares Leben zwischen Indonesien, Deutschland und Indien, wo ich zur Zeit arbeite. Derzeit allerdings befinden wir uns wegen der Corona-Pandemie (die Indien besonders hart und unkontrolliert getroffen hat) in Deutschland, wo wir uns mit einem guten Freund dessen Wohnung teilen. Um dieser Enge zu entfliehen – und weil wir das Meer so vermissen – haben wir uns für einen Kurzurlaub auf der Insel Usedom entschieden. Beim letzten Mal, als ich den Osten Deutschlands besuchte, war ich noch ein Teenager, was inzwischen immerhin 20 Jahre her ist. Neben dem Wunsch nach Erholung zog mich also auch etwas die Neugierde an die Ostsee.

Unser erster Tag ist herrlich: Mein Mann und ich essen Fischbrötchen, sitzen in den Dünen und frösteln im kalten Wind. Doch schon am zweiten Tag lernen wir eine andere Seite der Insel kennen. Wir besuchen für unser Abendessen die Kaiser Lounge, ein Restaurant, das weder etwas mit einem Kaiser noch mit einer Lounge zu tun hat, aber immerhin mit 4,5 Sternen bei TripAdvisor punkten kann. Der Kellner platziert uns am letzten freien Tisch, direkt neben der Theke. An der Bar sitzen – offenbar schon etwas länger – drei Personen: Ein Mann mit Glatze, ein weiterer Mann mit sonnenverbranntem Gesicht und gelbem T-Shirt, sowie eine Frau. Alle haben mehrere Gläser vor sich stehen und unterhalten sich lautstark. Unfreiwillig hören wir also das Gespräch mit. Es geht um die Ex-Frau des Glatzköpfigen: “Dem Neuen schneid ich die Eier ab!”

Mein Mann bestellt im holprigen Deutsch ein Weizenbier. Es gibt ein Missverständnis, denn auch für unsere Kellnerin ist Deutsch nicht die Muttersprache. Sie kommt aus Polen. Aber alles ist gut, gemeinsam lachen wir über die Fehlkommunikation. Wir essen unsere Scholle, unterhalten uns gedämpft in unserem privaten Sprachmix aus Deutsch, Indonesisch und Englisch. Nachdem wir gegessen haben, geht mein Mann vor das Restaurant, um zu rauchen. Ich sehe ihn durch die Glasscheibe und proste ihm mit meinem Weinglas zu. Als er zurück in das Restaurant kommt, sagt der Glatzköpfige für alle hörbar: “Hier kommt Chinatown!” Mein Kopf ruckt in seine Richtung, mir wird heiß, Tränen steigen in meine Augen. Ich will etwas sagen, weiß nicht was, unsere Blicke treffen sich. Mein Mund öffnet und schließt sich wieder. Er wendet sich ab, bestellt noch einen Tequila ohne Salz. Ich schaue meinen Mann an, der nicht ganz verstanden hat, was gerade passiert ist. Er sagt, dass ihm schlecht ist. Ich lege meine Hände auf seine. Der Mann im gelben T-Shirt sagt zu seiner Begleitung, dass er sich gern etwas zu uns setzen würde, um zu “fummeln, das muss schön sein.”

Wir bestellen die Rechnung, doch die Kellnerin ist von dem Glatzköpfigen abgelenkt. Er zahlt für die Gruppe. Die Rechnung liegt bei 113 €, er gibt 120 und zwingt die Bedienung, das – in seinen Augen – großzügige Trinkgeld lobend anzuerkennen. Er erklärt ihr, dass Stettin früher “deutscher Grund und Boden” gewesen sei. Er sei kein Rassist, aber er wolle das nur mal feststellen: Man habe das Gebiet den Deutschen weggenommen. “Historische Fakten”, sagt er. Er trinkt mehr Bier, während wir weiter auf unsere Rechnung warten. Doch er lässt die Kellnerin nicht in Frieden, will noch mehr Bier bestellen, was sie ihm zu diesem Zeitpunkt verwehrt.

Er fragt sie, was sie denn heute Abend noch vorhabe, er würde sie gern einladen. Sie lehnt ab. Er hält ihr Handgelenk fest, sie reißt sich los, er taumelt, ihm fällt die Zigarette aus der Hand, er will, dass sie sie aufhebt. Dann sagt er: “Schnecke, ich bezahle dein Gehalt hier, du musst schon ein bisschen dankbar sein.” Sie lacht gequält und kann uns dann endlich die Rechnung bringen. Sie entschuldigt sich für den Mann. Ich sage ihr, dass sie das nicht muss. Mir tut es leid, dass sie das erleben muss, sage ich ihr. Der Mann wankt nach draußen, telefoniert lautstark mit der Auskunft. Er will die Nummer eines Taxiunternehmens. Bevor er auflegt, sagt er: “I love you.” – Lisa Huber

 

Wenn alles Rassismus ist, bleibt der echte Rassismus unsichtbar. „Sie verallgemeinern Menschen zu einer Gruppe und schüren damit Hass“. Alte Weiße Männer werden systematisch und scheinbar moralisch legitimiert „zu einer Gruppe verallgemeinert“. Als solche dann beschimpft, diskriminiert und für den bevorstehenden Untergang der Welt verantwortlich gemacht. Gibt es zwei Maßstäbe? Klären Sie mich auf. Wenn bestimmte Eigenschaften, Merkmale und Verhaltensweisen innerhalb einer Gruppe statistisch wahrscheinlicher sind als in einer anderen, hat es nicht zwangsläufig etwas mit Rassismus und Diskriminierung zu tun, dies auszusprechen und zu berücksichtigen. Das ist in vielen Fällen weitgehend akzeptiert. Alle Führerscheinneulinge zahlen sehr hohe Versicherungsbeiträge, obwohl nicht alle Unfälle verursachen. Journalisten profitieren finanziell beim Autokauf. Beamte erhalten attraktivere Versicherungstarife. Und Vieles mehr. Sie werden argumentieren, dabei handele es sich um positive Diskriminierung. Das ist eine Irrglaube. Positive Diskriminierung ist ohne negative Diskriminierung an anderer Stelle nicht zu haben. Keine Kraft ohne Gegenkraft. – Dietmar Baier

 

Ehrlich gesagt, mag ich die Sprachakrobatik nicht, die uns die nimmermüden, selbst ernannen Minderheitenvertreter zumuten, aber Scheiß drauf! Wenn ich bei dieser Szene dabei gewesen wäre, hätte Uwe und die Frau im grünen Shirt die volle Wut eines Weißen Alten Mannes zu spüren bekommen – gespickt mit allen Ausdrücken, die das Non-PC-Vokabular für solche Fälle bereit hält. Schlucken sie die Tränen runter und machen Sie weiter. Das Geschwätz ist nicht nur rassistisch, sondern vor allem dumm, dreist und dämlich. Auf Wiedersehen in der Deutschen Bahn – zeigen wir’s ihnen!! – Ingo Klamann

 


 

 

Leserbriefe zu „Die falsche Anklage“ von Jörg Scheller

 

Sie mögen recht damit haben, dass das Wort Privileg nicht ganz auf die unterschiedlichen Realitäten von Weißen und Schwarzen zutrifft, historisch zumindest. Und Sie haben auch Recht, dass vermehrte Kontrollen in Problemgebieten rechtens und sinnvoll sind. Auch wenn diese Gebiete vermehrt von Schwarzen oder Ausländern besucht sind. Das ist kein Zeichen von Privilegien derer die nicht kontrolliert werden, sondern logisch. Das viele Menschen gerade Schwarze -aber auch Weiße- durch Segregation in eine Situation hineingeboren werden, aus der sie schwer wieder rauskommen und die die Chancen erhöht auf illegale Weise den Lebensunterhalt zu beziehen, darauf will ich hier mal von absehen.

Kommt es aber zu so einer Kontrolle, sorgt das „Social Profiling“ dafür, dass Schwarzen (gerade in den USA) mehr Gewalt entgegengebracht wird. Die Angst und auch das Selbstverständnis der Polizisten scheint groß genug zu sein, dass sie einem fliehenden Schwarzen lieber in den Rücken schießen und ihn töten, als ihn entkommen lassen (Rayshard Brooks im Wendy’s Drive-Through 12.06.2020, USA). Man sieht es auch bei Verkehrskontrollen, wo Schwarze ohne erkennbaren Grund in Handschellen gelegt werden, wenn sie nicht auch einfach erschossen werden (Philando Castile während einer Verkehrskontrolle mit Freundin und 4 Jahre alter Tochter, 06.07.2016).

Ich würde sagen, es handelt sich hier nicht einfach nur um „Social Profiling“, sondern um Rassismus. Und der ist nicht nur in staatlichen Strukturen verankert, sondern auch in den Köpfen vieler Leute. Weiße (Europäer) erfahren diese Art von Machtlosigkeit selten oder wenn, dann sind sie halt selbst dafür verantwortlich. Ich möchte da jetzt auch niemanden über einen Kamm kämmen, Griechen und Italiener sind auch Europäer und können Anfeindungen erleben. In der Regel spielt immer ein „Wir“ und ein „die Anderen“ eine Rolle. Je nach Ort und Zeit kann jeder mal zu „den Anderen“ gehören.

In der Hinsicht ist es kein Privileg weiß zu sein. Es gibt keinen König oder eine Staatsmacht, die den Weißen dieses Privileg zuspricht (Was nicht heißt, dass dies vor nicht all zu langer Zeit ganz klar der Fall war!). Wenn man sich aber überlegt von wem denn die Macht in einem Staat ausgeht, dann ist es das Volk, ein Kollektiv, kein Einzelner. Wenn jetzt aber eine Mehrheit des Volkes solch rassistisches Gedankengut akzeptiert und toleriert, hat es meiner Meinung nach etwas von einem Privileg oder vielmehr davon, anderen dieses Privileg nicht zuzugestehen. Es ist eigentlich noch schlimmer, denn ein Privileg (Autofahren, Wählengehen…) Kann einem von der Privileg gebenden Instanz entzogen werden. Den Rassismus kann man aber nicht per Gesetz für ungültig erklären.

Ich habe einige Freunde die farbig sind, und angestoßen durch die Diskussionen der letzten Wochen haben wir viel darüber geredet was es heißt schwarz zu sein. Ich muss sagen, dass ich es schon als eine Art Privileg sehe ohne kontrolliert zu werden den Supermarkt zu können und ohne Hintergedanken an einer Polizeikontrolle vorbeizugehen. Es mag kein Privileg im historischen Wortsinn sein, aber Fakt ist, dass es für viele Schwarze, Türken, Homosexuelle, … einen deutlichen Unterschied zu „den Weißen“ gibt, von der Art wie sie behandelt werden bis zu den Gedanken und Sorgen die sie sich machen, wenn sie durch ihre eigene Stadt gehen.

Ich glaube stark daran, dass man für sein eigenes Schicksal verantwortlich ist. Daher macht es mich wirklich traurig, dass die meisten in ihre Situation reingeboren werden. Ja klar gibt es Ausnahmen wie Jay-Z und die Kardashians, die es geschafft haben diesem Stigma zu entkommen, aber das ist noch lange kein Argument dafür, dass die scheinbaren Privilegien Resultat von Können oder Glück sind. Eine Faire und gerechte Behandlung sollte kein Privileg sein, leider werden aber nicht alle fair und gerecht behandelt. In diesem Fall hat das nichts mit Glück ode Pech zu tun sondern mit Rassismus. Was wir brauchen ist keine Wortklauberei, sondern eine offene und ehrliche Diskussion, bei der man auch dafür bereit sein muss Zugeständnisse zu machen. Die fehlten mir in Ihrem Artikel leider. – Anton Marques

 

Offensichtlich weigerte sich Prof. Scheller seine Privilegien zu überprüfen, bevor er seinen Artikel schrieb. – Paula Angermann Strasser

 

Der Arikel spricht mir aus der Seele. Ich finde es genauso unakzeptabel, Menschen zu verachten oder schlecht zu behandeln, weil sie weiblich/schwarz/homosexuell/von ärmlicher Abkunft sind oder einer wie auch immer gearteten besonderen Gruppe angehören, als sie zu verachten oder schlecht zu behandeln, weil sie KEINER dieser Gruppen angehören. Alten weißen Männern das Rederecht abzusprechen ist ebenso verwerflich wie jungen schwarzen Frauen den Mund zu verbieten. Es ist immer und überall das Individuum, das Respekt verdient oder auch nicht, unabhängig von jeglicher nicht frei gewählter Gruppenzugehörigkeit. Einer Bewegung The Individual Matterswürde ich mich anschließen. – Dr. Ulrike Claudi

 

Danke für diesen sehr guten Text, den ich mir gern etwas prominenter platziert gewünscht hätte. Mir geht schon eine Weile durch den Kopf, wie die Notwenigkeit, zu differenzieren und das Individuelle zu sehen, einher gehen kann mit „Abrüstung“ der Schlicht-Sprache einerseits und doch manchmal notwendiger Zuspitzung andererseits. Vieles passiert doch im Kopf, bevor es aus dem Mund rauskommt, Ihr Beitrag hat mir geholfen, diesen Raum im Kopf nochmal in Augenschein zu nehmen. – Elsabe Elson

 

Vor ein paar Jahren hätte ich Ihren Text gelesen und wäre auf Ihre Argumentation angesprungen (Herr Scheller). Jedoch habe ich mich in den letzten Jahren weiterentwickelt, was natürlich auch dazu gehört mit meine noch jungen 24 Jahren. Ich war Anfangs ein wenig bestürzt so etwas in der Zeit zu lesen. Unter dem Punkt „Eine Demokratie in der nicht gestritten wird, ist keine.“ Muss man so ein Text wohl hinnehmen. Im Artikel beginnen Sie Ihre Ausführung mit der Begriffserklärung des Wortes „Privileg“. Natürlich haben Sie mit der ursprünglichen Bedeutung von Privileg Recht, dass es sich um Vorrechte handele. Jedoch ist Sprache nun mal etwas Lebendiges was sich immer mit dem Menschen verändert und das Wort Privileg hat in dieser Art der Benutzung seine Bedeutung verändert. Es hat nichts mehr mit Recht und Gesetz zu tun, es ist mehr ein Vorteil bzw. eine Benachteiligung, für die man nichts kann, die durch unsere Gesellschaft sich so geformt hat und in die man nur reingeboren wird. Durch die BLM Bewegung hat sich und wird sich hoffentlich noch viel mehr verändern.

Leute beginnen ein Bewusstsein für Probleme in unserer Gesellschaft zu entwickeln, vor allem durch Diskussionen, die von allen welche für diese Sache überzeugt kämpfen gerne und auch häufig geführt werden. Sie sehen es als Punkt, mit dem man Diskussionen abwürgt, jedoch ist es nur eine Art Hilfestellung für diejenigen, die sich durch diese Aktuelle Situation und die Diskussionen versuchen zu bessern. Durch das bewusst werden der eigenen gegebenen Vorteile ist man besser in der Lage die vorherrschenden Probleme zu sehen und zu verändern. Sie sind der Meinung es geht immer um Weiße und Schwarze, bei diesen Problemen und man müsste mehr differenzieren, und jeden Menschen einbeziehen? Aufgrund der aktuellen Situation lässt sich darauf schließen, dies ist auch ein sehr großes Problem vor allem in unseren Westlichen Ländern, da es hier stark durch unsere Geschichte, der Kolonialisierung geprägt ist. Es geht aber nicht nur um die Pigmentierung der Haut, oder um die Farbe der Muskelfasern, auch wenn ich mir nicht ganz im Klaren bin was Sie damit überhaupt für ein Punkt anführen wollen. Die Aufforderung „know your privilege“ soll letzten Endes für alle vorherrschenden Problem in Sachen Ungleichheit eine Erkenntnis schaffen.

Diese Aufarbeitung der Probleme ist aktuell einfach sehr auf Rassismus ausgerichtet. Vor allem durch die Entwicklung von „Racial Profiling“, und zu ihrer Info so ein Vorgehen von Polizisten gibt es nicht nur In Grenzregionen. Es ist leider an jedem Ort ein Problem sei es jetzt in Atlanta, Hamburg oder Dessau. Auch bei den Themen zu Sexismus zum Beispiel ist ein bewusst sein seiner Privilegien als Cisgender Mann wichtig, um Probleme zu erkennen und zu verändern. Genauso sollte man sich zum Beispiel bewusst machen was es für Probleme für Arbeiter aus Osteuropa in Deutschland gibt. Die viel mit der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft zu kämpfen haben, nur weil manche sich ihre Sprachbarrieren zu Nutze machen. Sie werfen der „Privilegien Polizei“ vor Leute unter General Verdacht zu stellen? Dass Leute einfach nun mal Vorteile haben ist Fakt. Man kann heutzutage alles Werden was man will selbst Präsident eines Landes alles was man braucht sind Voraussetzungen wie zum Beispiel Reiche Eltern mit einem Hotel Imperium.

Das ist ein sehr extremes Beispiel, jedoch ist es sehr passend denn es ist ja fast Jedem klar, dass sich manch ein Präsident nicht durch sein Wissen und Politischem können an seiner Position befindet. Außerdem wäre eine Vorverurteilung durch ihrer sogenannte „Privilegien Polizei“ in meinen Augen bei weitem nicht so schlimm wie eine Vorverurteilung unsere Exekutiven Gewalt aufgrund des Aussehens oder der Herkunft einer Person. In einem Ihrer Punkte sprechen Sie von Artikel 3 im Grundgesetz, und dass dieser für Gleichheit vor dem Gesetz sorgen soll. Sie sollten sich den Artikel 3 noch mal genau anschauen den ihre Aussage ist nicht richtig. In Artikel 3 Absatz 1 steht die von Ihnen angeführte Gleichheit vor dem Gesetz. Jedoch der von Ihnen zitierte Artikel 3 Absatz 3 ist nicht auf Gesetze zu beziehen. Es geht um Gleichheit aller Menschen in allen Situationen. Dies macht einen gewaltigen Unterschied für die Bedeutung des 3. Artikels. Natürlich geht es hier nicht darum, dass wenn Sie ein Haus Erben, jeder in Deutschland das Recht hat so ein haus zu erben. Jedoch sollte jeder Mensch hier in Deutschland die gleichen Möglichkeiten, die gleichen Chancen haben sein leben so zuführen wie er es will und zumindest keine Nachteile verspüren egal in Welcher Lebenslage.

Über ihren Punkt so etwas mit einer Verschwörungsideologie auch nur im Ansatz gleich zu setzten werde ich mich gar nicht befassen, da es einfach nur aufgrund der Aktuellen Zeit eine rein Populistische Aussage von Ihnen ist. Abschließend lässt sich ihnen und Leuten, die ihnen dabei zustimmen nur sagen: Keiner will ihnen die Dinge, die sie oder auch ihre Eltern sich Erarbeitet haben Streitig machen. Niemand will ihnen etwas wegnehmen. Man soll sich nur bewusstwerden, dass es Problem auf dieser Welt gibt, Probleme die dringend geändert werden müssen, Problem die jedoch nicht jeder Mitbekommt, aufgrund gegebener „Vorteile“ die man seit seiner Geburt hat. Die Welt wäre doch einfach ein besserer Ort, wenn niemand diese Vorteile ablegen müsste, sondern einfach jeder von diesen Vorteilen profitieren würde und Niemand mehr Nachteile hätte. Um ihnen dies vielleicht zu verdeutlichen, wie oft waren sie schon bei einer Wohnungsbesichtigung, und der Vermieter hat sich gedacht: „Ohje der hat sicher kein Geld und macht irgendwas Illegales in meiner Wohnung, allein schon wie der aussieht der hat ja ne ganz Weiße Haut!“ – Jonas Mirlacher

 

ich habe heute „Die Zeit“ gekauft und einige Artikel gelesen, darunter auch „Die falsche Anklage“ von Jörg Scheller. Ich würde mich freuen, wenn Sie ihm meine Rückmeldung weiterleiten könnten. Zunächst: Ich bin Weiß (Weiß und Schwarz schreibe ich groß, um die Begriffe als soziale Kategorien statt als körperliche Eigenschaften zu markieren) und mich hat der Artikel wütend gemacht. Daher möchte ich zu diesem Artikel ein paar Dinge sagen:

Wie sich gegen Ende des Artikels herausstellt, kritisiert Jörg Scheller wohl vor allem die Haltung Weißer Menschen, sich mit ihrem Schuldbewusstsein aufgrund ihrer Privilegien als Weiße zu brüsten und anderen Weißen Menschen Vorwürfe machen, die sich vermeintlich weniger mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen als sie selbst. Es wäre nützlich gewesen, dies gleich zu Beginn des Artikles deutlich zu machen, denn natürlich ist es eine ganz andere Sache, wenn eine Weiße Person auf Weiße Privilegien aufmerksam machen will als wenn das eine Schwarze Person tut. Und es ist demnach ebenso eine andere Sache, eine Weiße Person für den Verweis auf Weiße Privilegien zu kritisieren als eine Schwarze Person, die Rassismus am eigenen Leib erlebt. Der Artikel liest sich anders, wenn man weiß, an welcher Personengruppe Kritik geübt wird. Ich stimme dem Artikel aber in dem Punkt zu, dass es sicherlich wenig hilfreich im Kampf gegen Rassismus ist, Vorwürfe zu machen und in Schuldgefühlen zu versinken, denn dadurch kommt man nicht voran.

Jörg Scheller scheint sich mit den Themen Rassismus und Intersektionalität befasst zu haben, deshalb sollte man eigentlich annehmen, dass er sich im Klaren darüber ist, dass Rassismus ein strukturelles Problem ist. Auch Klassismus und die Benachteiligung von Osteruopäischen Arbeiter*innen in Deuschland sind strukturelle Probleme. Meiner Meinung nach zielt der Begriff „Privileg“, dessen historische Bedeutung im Artikel erläutert wird und aufgrund ihrer Historizität fälschlich für seine „wahre“ Bedeutung gehalten wird, genau darauf ab, Strukturen zu benennen. Und auch wenn im Grundgesetz steht, dass niemand wegen seiner „Rasse“ benachteiligt werden darf (was sich nicht nur auf das Rechtssystem, sondern auch auf den Alltag von Menschen bezieht), heißt das nicht, dass Menschen nicht aufgrund ihrer Rasse benachteiligt würden.

Auch wenn Weiße Menschen nicht per Gesetz bevorzugt werden, werden sie es gesamtgesellschaftlich aber eben doch. Und sich den Begriff „Privileg“ dafür anzueignen, halte ich für gut und nützlich, gerade weil er drastisch ist. Es handelt sich um soziale Privilegien. Ich gebe Jörg Scheller recht: Rechtliche Privilegien auf Grund von Gesetzen haben Weiße Menschen nur wenig, aber soziale Privilegien sind genauso tief in unsere Gesellschaft eingeschrieben, dass sie gewisse Vorteile von Geburt mit sich bringen – ebenso wie die Geburt als Adlige Person im 17. Jahrhundert, auch wenn die Privilegien konkret andere sein mögen.

Eine reiche Schwarze Person hat weniger mit Klassismus zu kämpfen als eine arme Weiße Person und erscheint daher einem Jörg Scheller womöglich als generell privilegiert. Reiche Menschen sind auch privilegiert z.B. in Bezug auf ihre finanziellen Möglichkeiten, ihren Zugang zu Bildung, etc. und die Autorität, die ihnen attestiert wird. Trotzdem sind reiche Schwarze Menschen zugleich auch von Rassismus betroffen. Und nur weil osteuropäische Arbeiter*innen in Deutschland benachteiligt werden, heißt das nicht, dass sie nicht zugleich auch Weißen Privilegien genössen. Beides sind strukturelle Probleme und müssen angegangen werden. Das gleiche gilt beim Racial Profiling:

Nur weil Menschen rassifiziert werden und aufgrund ihrer Zuordnung zu einer „Rasse“ Straftaten verdächtigt werden, heißt das natürlich nicht, dass nicht auch Vorurteile gegenüber anderen Gruppen bestehen. Wenn ich Racial Profiling ablehne, lehne ich auch andere Diskriminierungsformen gegenüber ganz unterschiedlichen und teilweise überschneidenden Gruppen ab. Deshalb ist Racial Profiling trotzdem ein kritikwürdiges Problem.Man sollte diskrimierte Gruppen, die auf verschiedenen Ebenen diskriminiert oder privilegiert werden, nicht gegeneinander ausspielen. An Jörg Schöller: Sie können ja vielleicht den Begriff „Privileg“ in ihrem Kopf als „Vorteil von Geburt an hinsichtlich einer bestimmten Diskriminierungsform“ lesen, denn das bezeichnet er aus meiner Sicht und dann brauchen Sie sich vielleicht nicht über eine historisch veränderte Verwendung von Sprache aufzuregen.

Von einer „Privilegienpolizei“ zu sprechen, halte ich für fehl am Platz und sehr wenig zielführend, da es einer Rhetorik entspricht, die von Menschen verwendet wird, wenn sie „Das wird man ja noch sagen dürfen“ sagen. Es gibt kein Sprachverbot und es gibt kein Privilegienverbot. Menschen haben das Recht, sich ihrer gesellschaftlichen Privilegien nicht bewusst zu sein. Es ist bedauerlich, wenn Weiße Menschen in ihrem „Happyland“ verbleiben, wie Tupoka Ogette es nennt, aber von einer Polizei zu sprechen ist sachlich falsch und rhetorisch töricht. – Niki Fischer-Khonsari

 

Beim Thema Privileg geht es letzten Endes um die Begründung von ausgleichenden Leistungen an Benachteiligte. Eine ähnliche Begründung wären pauschale historische Schuldzuweisungen an die Weissen oder der Satz «Eigentum verpflichtet.» Zu Recht sagt Kunstgeschichts-Professor Jörg Scheller «Es ist kein Privileg Weisser zu sein.» aber dennoch geht es bei besagten Leistungen um ein wichtiges Thema. Dabei ist zwischen lokaler und globaler Situation zu unterscheiden. Es ist leider eine Tatsache, dass bestimmte Gruppen (Nicht-Weisse eher als Weisse) bei der Suche nach Arbeit oder einer Wohnung benachteiligt sind. Mehr Lohn bringt Vorteile bei der Wohnungssuche und ein Netzwerk bringt Vorteile bei der Suche nach gutbezahlter Arbeit. Bei derartigen Benachteiligungen hilft es allen am meisten, das Angebot zu erhöhen und Anreize für Eigeninitiativen zu schaffen. Quoten schaffen neue Benachteiligungen.

Was die globale Situation betrifft, so ist es eben so, dass der ökonomische Graben weitgehend mit dem demographischen Graben zusammenfällt. Die Dramatik der Fortsetzung dieser Entwicklung zeigt sich an einem aktuellen Beispiel, beim Kampf ums Wasser des Nils. Innerhalb der nächsten Wochen beginnt die Füllung des neuen, äthiopischen Stausees. Äthiopien, Ägypten und Sudan haben aktuell 108, 104 und 45 Millionen Einwohner. Laut UN-Prognose werden es im Jahre 2050 205, 160 und 81 Millionen sein. Anscheinend kann das durch den Assuan-Staudamm bewirkte Entwicklungs-Potential das Bevölkerungswachstum in Ägypten nicht wesentlich bremsen. Der Beginn des neuen Stausees sollte daher die Anrainerstaaten veranlassen, gemeinsam demographische Überlegungen anzustellen.

Die bessere Situation Europas beruht nicht auf Privilegien, eher auch auf folgender Tatsache. Einst waren 30 Prozent der Menschen Europäer, heute sind es noch 10 Prozent. Auch Europa hat daher einen Anlass und die Pflicht Lösungen und Verantwortungen aufzuzeigen. Der höhere Wohlstand des Nordens liegt allerdings nicht nur in der Demographie begründet sondern ist auch eine Folge des technischen Fortschritts. Es gilt dabei auch das Prinzip der Konditionierung. Vorsprünge sind nur schwer zu verringern. Gewisse Entwicklungen gehen bis hin in die Richtung des Prinzips «The Winner takes it All» (Beispiele liefern Google, Facebook, Amazon).

Auf Grund der technischen Entwicklung gilt auch global: Eigentum verpflichtet, insbesondere auch zum Teilen mit Benachteiligten. Aber wenn der ökonomische Graben, also das Wohlstandsgefälle dadurch entstanden ist, dass auf einer Seite viel Verbesserungspotential besteht, dann muss auch gefordert werden, das genannte Verbesserungspotential (z.B. demographische Verantwortung) auszuschöpfen. Das ist nicht einfach. Weniger anstrengend ist es, Schuldzuweisungen an die eigene Adresse zu formulieren. Doch es bringt nichts, den Weg in die Zukunft mit Schuldzuweisungen zu beschweren. Einerseits gibt’s keine klare Einteilung zwischen Schuldigen und Opfern. Es gibt einen ökologischen Fussabdruck und einen demographischen. Notwendig ist es ein Verhalten zu formulieren, das allen zumutbar ist und das von allen die nötige Verantwortung einfordert. – Dr. tech. Gernot Gwehenberger

 


 

 

Leserbriefe zu „Wut und Weitsicht“ von Josef Joffe

 

Das ist starker Tobak:“Nach sechs Jahren beinharter Gesprächsverweigerung will (die Palästinenserführung) wieder direkt mit Israel reden.“ Bei Noam Chomsky liest sich’s anders: „Umgekehrt wird ein Schuh draus.“ (Wer regiert die Welt, S. 108) Irrt hier Joffe oder hat Chomsky Recht – ich neige zu letzterem: „Denn aus Unsinn wird kein Sinn, nur weil ich Josef Joffe bin!“ Oder: nicht einmal ein Herausgeber der Zeit kann unwidersprochen solchen Unfug verzapfen! Ich fürchte, Sie werden es auch in dem einen Jahr, das ich Ihnen altersmäßig voraus bin, nicht mehr lernen: Don’t confuse me with facts; my mind is made up. PS: natürlich lasse ich mich eines Besseren belehren – aber besser muss es schon sein. – Rainer Eilebrecht

 

Lassen wir mal ausnahmsweise „realpolitische Sicht“ und das „Moralische“ beiseite: Wenn bisher jede Kritik an der Politik des Staates Israel als antisemitisch abgetan wurde und das nicht nur vom Staat Israel, dann schlägt der zentrale Satz in Josef Joffes Artikel doch wie eine Bombe ein: „Israel kann nicht sowohl ein jüdischer als auch ein demokratischer Staat bleiben.“ Heißt das: Juden können keine Demokraten sein, und wenn, warum? Ein solcher Satz bedient uralte Vorurteile und ist vielmal antisemitischer als jede Kritik an der völkerrechtswidrigen Annexionspolitik des Staates Israel. – Dr. med. Volker Pickerodt

 

Josef Joffe trifft immer den Kern und zeitgleich umschreibt er ihn geschickt. So auch am 2. Juli in der ZEIT unter dem Titel „Wut und Weitsicht“ . Zum Beispiel weist er darauf hin, dass nur jeder 4. Israeli voll hinter den Annexionsplänen der Regierung Netanyahu steht. Das liest sich gut. Aber dann: immer wieder gerinnen die geschickten Formulierungen – aus angebbaren Gründen – auch zur ggfs. gezielten Ungenauigkeit. Und dies halte ich – für seine journalistische Verantwortung – für nicht verantwort-bar: Das will ich an ein vier Zitaten aus dem Artikel erklären:

Erstens: Nach seiner Kennzeichnung dürfte er den Begriff „Zweistaaten-Lösung“ nicht mehr so 1:1 verwenden. In „realpolitischer Konsequenz“ – so lautet die Zwischenüberschrift – ist diese ZStL so oder so nicht mehr möglich. Warum nicht? Abgesehen von der Frage des verletzten Völkerrechts – das lässt der seit 2000 gezielt anvisierte Flickenteppich der illegalen Siedlungen – mit ca. 700.000 Menschen – gar nicht mehr zu. Auch der Satz „Niemand kennt die neue Landkarte, wenn sie denn…gezeichnet wird“ ist bewusste Verschleierung. Stattdessen hätte er die bereits bestehende „Karte“ – mit Worten – (kenn)zeichnen können.

Zweitens: Die aus meiner Sicht einzig mögliche Lösung ist ein Einheitsstaat. So zitiert Joffe zunächst korrekt die Lage von 1967: Diese wird schon Uri Avneri, dem aus Hannover stammenden Offizier, am 7. Tag des Sechs-Tage-Krieges visionär erfasst hatte (im Gegensatz zu dem MinPräs. Eschkol): „Israel kann nicht sowohl ein jüdischer als auch ein demokratischer Staat bleiben. Entweder haben alle die gleichen Rechte oder das Land zerfällt in Bürger erster und zweiter Klasse…“. Was fehlt dann aber? Hier fehlt die Kennzeichnung des sog. „Nationalitätsgesetzes“ der Knesset von 2018. Joffe hätte schreiben müssen, dass dies ja bereits „real-politisch“ längst der Fall ist und dass man in Südafrika diese Unterscheidung in „Bürger verschie-dener Klassen“ in der Sprache der UNO „Apartheid“ nannte.

Drittens: Die EU und speziell unsere Regierung sind dabei, wenn es darum geht, völkerrechtswidriges Verhalten – wie zB gegenüber Russland wegen der Krim – mit deutlichen Sanktionen aller Art zu ahnden. Joffe hätte kritisch anmerken können, dass das völkerrechtswidrige Vorgehen des Staates Israel von der EU und speziell unserer Bundesregierung eben nicht geahndet wird. Was schreibt er stattdessen? „…hier lauern europäische Sanktionen“, verlegt es also in die Zukunft. Joffe erwähnt eben nicht, dass sie gegenüber Israels Politik seit -zig Jahren fehlen.

Viertens: Vor allem bestätigt er für uns Leser Vorstellungsmuster, die sich seit 1967 medial eingeprägt haben: Joffe zeichnet das Bild einer geforderten – gar überforderten? – Verteidigungsarmee: Israel „müsste Reservisten einberufen“ oder – noch problematischer – das Bild der Gegenseite: „Hier lauern terrorbereite Palästinenser“. Als gäbe es nicht die 90% der Menschen der pal. Bevölkerung, die von der Hamas wie vom korrupten Abbas-Regime so die Nase voll haben, die den Frieden ersehnen und Wahrhaftigkeit gegenüber den Opfern, die sie unverschuldet bringen mussten. Und nichts sonst. Diese Denkmuster, die Josef Joffe bedient, bestätigen nur unseren Verzicht auf klare Unterscheidungen. Sie bestätigen die gewisse Unglaubwürdigkeit unserer Politik. Von Weitsicht keine Spur… – Hans-Jürgen Hahn

 

Netanjahu denkt in den gleichen politischen Extremen wie Putin. Der Eine liebäugelt damit, Teile des Westjordanlandes zu annektieren, der Andere hat sich schon die ukrainische Krim geschnappt und auch noch die Ostukraine militärisch angeknabbert. Der Unterschied zwischen beiden ist nur, dass Putin seine Macht zutiefst undemokratisch ausübt während Netanjahu demokratische Regeln beachten muss. Warum Joffe schreibt, dass die mit israelischen Siedlern besetzten Flicken auf demWestjordanland unter israelischer Souveränität stehen, ist unverständlich. Gerade diese Siedlungen waren und dienen doch Regierung und den Ultrareligiösen seit langem als Begründung für diese Art der schleichender Landnahme. Sie ist völkerrechtlich illegitim und mißachtet die Souveränität des palästinensischen Volkes.

Die Israelis sind in ihrer Mehrheit aber gegen die Pläne Netanjahus. Merkwürdig auch die Überlegung aus den Zeiten des 6-Tagekrieges, dass ein jüdischer Staat nicht gleichzeitig ein demokratischer Staat sein kann. Ist mit jüdischer Staat etwa eine Theokratie gemeint die natürlich undemokratisch strukturiert wäre ? Ein demokratischer Staat kann nur funtionieren wenn alle Einwohner, egal welcher Ethnie oder Religion gleiche Rechte haben. Oder träumt Netanjahu immer noch von der Installation einer Art Apartheit wo die annektierten Palästinenser kein Stimmrecht hätten und unter der Fuchtel einer obrigkeitsstaatlichen Aufsicht in Schach gehalten würden ? Netanjahu mag ein starker politischer Führer sein aber das demokratisch denkende Israel muss ihm immer wieder seine Grenzen aufzeigen. – Klaus Reisdorf

 

Ich lese Sie seit vielen Jahrzehnten und habe mir auch von Ihrer Person in der einen und anderen TalkShow ein öffentliches Bild machen können.Meine Bewunderung für Sie und Ihr Lebenswerk möchte ich zusammenfassen, indem ich mich selber zitieren darf: Josef Joffe darf seit vielen Jahren als Doyen des deutschen Journalismus genannt werden. Wenn diese Betitelung vor 20 Jahren thematisiert worden wäre, dann müsste man selbstverständlich Ihre Kollegin Marion Dönhoff im selben Atemzug nennen.

Allerdings, an Ihre Expertise in der Israel/Palestina Politik habe ich keine Erinnerung. Die Meinige sei hier kurz erwähnt= Für meine Firma METRAMA Middle East Trading and Marketing, Zürich, habe ich Middle East von Cairo bis Karachi, einschließlich Israel zwei Jahrzehnte permanent bereist. Davon mehr als 10 Jahre von unserer Niederlassung in Lebanon aus – vor dem Bürgerkrieg einige Jahre in Beirut und später in Jbeil/Byblos – als Drehscheibe. Dass wir beide unterschiedlicher Meinung sein dürfen ist eine Selbstverständlichkeit und muss nicht bestätigt werden. Ich bin mir bewusst, dass ich mir eine gewisse Übergriffigkeit herausnehme, wenn ich sage, dass Ihr Text in Teilen in keiner Weise nachvollziehbar ist und in der dortigen Realität keine Bestätigung finden kann. Nur einige wenige Beispiele: Sie schreiben: „ Israel kann nicht sowohl ein jüdischer als auch ein demokratischer Staat bleiben“: Mit dieser Behauptung stehen Sie vollständig neben der heutigen und zukünftigen Realität der Existenz des jüdischen Staates. Israel kann und wird „auf ewig“ ein jüdisch geprägter demokratischer Musterstaat sein, alternativlos mit etwa 2/3 jüdischer und 1/3 muslimisch arabischer Bevölkerung.

„Niemand kennt die neue Landkarte“: Die Landkarte ist dem TrumpFriedensplan zu entnehmen, möglicherweise mit kleinen Variationen „Das Ende der Zweistaatenlösung“: Es muss und wird – wie immer das am Ende aussehen wird – mit absoluter Sicherheit „alternativlos“ eine ZweistaatenLösung geben müssen. In einem gemeinsamen Staat hätten die muslimischen Araber die Mehrheit, was für das jüdisch geprägte Israel mit ALLEN Mitteln verhindert werden muss. Es WIRD zwei Staaten geben. „Europäische Sanktionen“: Nachdem selbst das StaatsraisonDeutschland, die anderenEuropäer sowieso, in der UNO gegen Israel gestimmt haben, sieht Israel hier die Rote Linie von normalen Meinungsverschiedenheiten und deren diplomatischer Verhandlung unüberbrückbar überschritten. Israel hat Europa in seinen Überlegungen vollständig ausgeblendet und schaut irgendwelchen Sanktionen gelassen entgegen.

„Annexion … die keine Regierung anerkennen würde, nicht mal die amerikanische“: Die Grundlage für die Pläne Istaels beruhen zu 99% auf dem TrumpFriedensplan und Israel wird zu jedem Zeitpunkt sehr besorgt sein, seine einzig verbliebenen Freunde immer im Boot zu halten. Der Chefberater der US Regierung Jered Kushner ist Garant dafür. „In Ramallah fegt der Aufstand Präsident Abbas davon“: Wahlen in Palestina werden diesen sowieso abservieren. Wie in Ägypten und in Gaza würde eine der schlimmsten Verbrecherbanden und Terrororganisationen der Erde, die HAMAS /Moslembrüder in Ramallah legal die Regierung übernehmen wie in Cairo und sich ohne Zögern daran machen, ihren 70 jährigen Plan, den Staat Israel zu zerstören und alle Juden aus der Region zu vertreiben. Hier will ich abbrechen. Ich bin schon zu lang. Schade, dass wir hier nicht tiefergehend unsere Sicht austauschen können. – Friedhelm Vogel

 


 

 

Leserbriefe zu „Das Virus der anderen“ von Jörg Lau et al.

 

Darf ich auf zwei Punkte hinweisen. 1) Die amerikanische Bundesbehörde heißt Centers [Mehrzahl] for Disease Control and Prevention, und nicht Center of Disease Control. 2) Falsch verstanden ist der Multiplikationsfaktor bei der Verbreitung von dem Coronavirus in den USA. Vergleichen Sie bitte mit den Angaben in der New York Timesvom 27. Juni 2020. Insgesamt ist die Zahl der Fälle in den USA in etwa „more than 10 times higher“ als offiziell registriert. Der Artikel erweckt den Eindruck, der Multiplikationsfaktor für die USA sei 24, dieser Faktor („24 times the reported rate“) bezieht sich nur auf Missouri. – Kevin Carpenter

 

Im Artikel der ZEIT Nr. 28/2020 mit dem Titel „Das Virus der anderen“ wurde über Chile berichtet, dass es schon 9000 Coronatote gäbe. Dem muss ich widersprechen, laut WHO gibt es aktuell 5920 Tote. Dies hat mir gerade auch mein Bruder, der wohnhaft in Chile ist, bestätigt. Ich finde, dass in Coronazeiten zu leicht mit Zahlen umgegangen wird. – Dr. Ulrich Koberg

 

Einzelne Ausbrüche wie in Neukölln oder Gütersloh ändern nichts an dem Eindruck, Deutschland hat das Virus im Griff bzw. man hat das Schlimmste hinter sich – was für eine Fehleinschätzung! Ja, dumme Angst wäre niederdrückend und zerstörend. Doch dummer Optimismus wäre absolut fatal. Für alle Optimismusdemagogen und Hobbyvirologen war das Pandemieproblem mit seinen Exponetialkurven ohnehin kein Grund in Schockstarre zu verfallen. Wir alle streben nach einem „psychologischen Hedonismus“, doch kippt dieser, wie nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa zu beobachten ist, Richtung Asozialität (siehe überfüllte Strände), werden sich die übereilten Lockerungen und die naive Sorglosigkeit als todbringender Bumerang erweisen. – Franz Josef Dorn

 

Ich bin Die Zeit online Abonnent und schätze Ihre Zeitung sehr. Seit 2011 lebe ich in Chile und deswegen interessieren mich natürlich immer Berichte über dieses Land. Es ist interessant, für mich zu verfolgen, wie ein deutsches Medium wie Die Zeit die Ereignisse aus meinem Lebensalltag in ihren Artikeln reflektiert. Als ich vergangene Woche den von Ihnen geschriebenen Abschnitt über Chile „Und der Präsident kauft Wein“ (Politik Seite 3) gelesen habe, ist mir aufgefallen, dass offenbar einige Fakten in Ihrem Artikel nicht überprüft worden sind, und ich möchte diese hier richtigstellen: – es wird angegeben, dass bisher 9000 Menschen an dem Virus gestorben sein. Bis vergangenen Donnerstag waren es 5920 – Sie schreiben, dass die Sterblichkeit höher als in Brasilien sei. Bis vergangene Woche war die Sterblichkeit in Brasilien, 4,65%, in Chile aber 2,08% Nun zu den anderen Behauptungen: – wörtlich: „wohlhabende Landsleute, die aus den Skiferien zurückkamen“ hätten „Haushälter, Fahrer und Gärtner“ angesteckt. Der erste Fall in Chile war jedoch der eines Kinderarztes aus einer süddchilenischen Provinzstadt, der von seiner Hochzeitsreise zurückkam.

– wörtlich: „die schweren sozialen Unruhen […] haben gezeigt, wie tief die Kluft ist, die sich zwischen der neoliberalen Regierung von Präsident Sebastián Piñera und Regierten aufgetan hat“. Seit der Wende 1989 hat es bis auf 4 Jahre ausschließlich Regierungen gegeben, die aus einer Koalition von Sozial- und Christdemokraten und anderen Parteien der ehemaligen Opposition zur Miltärjunta geführt wurden. Frau Bachelet, selbst überzeugte Sozialistin und in der DDR exiliert war bis vor zwei Jahren Staatspräsidentin. Gegen ihre Überzeugungen war sie wie alle anderen ihrer Vorgänger jedoch nicht in der Lage oder nicht willens, das neoliberale System, das in den 70er Jahren von der Militärjunta dem Land übergestülpt wurde, grundlegend zu reformieren.

Vielmehr hat die Generation der aus dem Exil zurückgekehrten Politiker sehr gut von der Privatisierungen profitiert, die die „Kluft“, wie Sie sie nennen, während der Jahre des wirtschaftlichen Aufschwungs seit der 90er Jahren, scheinbar verdeckt, aber im Grunde nur vertieft hat, wie die sozialen Unruhen beweisen. Die Regierung Piñera, eine Koalition aus Parteien, die die Militärjunta teilweise offen gutheissen, haben im Gegenteil zu Frau Bachelet und ihren Genossen nie etwas vorgegeben, was sie nie im Sinn hatte, und zwar das Wirtschaftssystem grundsätzlich zu verändern, um die enorme „Kluft“ zu verringern. Trotzdem wurde Herr Piñera bei den letzten Wahlen mit überwältigender Mehrheit der Chilenen gewählt. – wörtlich „Der Staat versagt dabei, die Armen während des Lockdowns auch nur geringfügigzu unterstützen“.

Hierzu muss man sagen, dass es auch trotz einiger Fortschritte während der 2000 und 10er Jahre, keinen Sozialstaat nach deutschem Vorbild gibt. Trotzdem hat die Regierung Soforthilfen sowohl für Unternehmen als auch für die Armen gefördert. Die in der Sozialkartei registrierten sozial schwachen Familien haben eine Soforthilfe pro Kopf ausgezahlt bekommen, und die Regierung hat ein Gesetz erlassen, was er erlaubt, Beträge aus Arbeitslosen- und Rentenversicherungen ausgezahlt zu bekommen. Zudem wurden tausende von Lebensmittelpaketen in den jeweiligen Stadtteilen verteilt. Das ist sicherlich nicht genug, aber auf keinen Fall geringfügig, werte Frau Ceballos.

Alles in allem würde ich Sie, wie auch den für die Auslandsberichterstattung zuständigen Chefredakteur, dringend dazu aufrufen, in Zukunft genauer zu recherchieren und darauf zu achten, alle politischen Gesichtspunkte darzustellen, wie Die Zeit es ja auch bei der Berichterstattung zur deutschen Politik tut, um eine tendenziöse und ungerechte Meinungsbildung über Chile bei Ihren Lesern zu verhindern. Zu guter letzt erlauben Sie mir, klarzustellen, dass jeder Chilene trotz Lockdown Wein kaufen gehen kann, Wein ist in Chile sehr günstig und für jeden erschwinglich, was ist daran also verwerflich, dass der Präsident Wein kauft, wie Sie es in Ihrem Artikel zu insinuieren trachten? – Constantin Dellis

 


 

 

Leserbriefe zur Infografik „Mund zu Mund“ von Neele Jacobi (Infografik und Recherche) und Katharina Menne (Recherche)

 

Gemäß der Grafik benötigt ein leidenschaftlicher Kuss rund 26 Kalorien pro Minute. Täglich verbraucht man um die 2000 Kilokalorien; dagegen ist das fast unmessbar wenig. P.S.: Die ZEIT wird ja wohl nicht Kalorien und Kilokalorien verwechselt haben, zumal auf den Wissenschaftsseiten. – Dr. Friedrich Gebhardt

 

Der Internationale Tag der Freundschaft wurde am 27. April 2011 durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen ausgerufen. Inwieweit dieser Tag in Zeiten von Corona mit Abstand, Maskenpflicht und Hygiene-Hysterie noch irgendeine Rolle spielt, das wird sich spätestens am 30. Juli, und danach zeigen. – Riggi Schwarz

 

„Es küsst die Hand der junge Mann, weil er den Mund nicht kriegen kann“. Dieser Schnack hat mir vor 65 Jahren zu einer 2 in einem Deutschaufsatz über „Tradition“ (mit)verholfen. – Sven Herfurth

 

Ja, ich muss es zugeben, auch ich bin ein großer Maskenfan, aber mir sind die Masken an der Wand oder die Masken in der Vitrine lieber, als diese Masken im Gesicht. Markus Söder und seinem Gefolge ist die „absolute“ Gesundheit seiner „Untertanen“ besonders wichtig, eben eine wahre Herzensangelegenheit, und dafür tut er alles. Sein Platz ist in Bayern, so spricht der bayerische Ministerpräsident (vorerst noch!). Bei der „Qualmerei“, als Beispiel, da überlässt er diese Enscheidung, „rauchen ja oder rauchen nein“, ganz demokratisch seinem „(Wahl)Volk“ selbst. – Klaus P. Jaworek

 


 

 

Leserbriefe zu „»Ach, der Thomas Mann!«“ von Moritz Aisslinger und Stephan Lebert

 

Schön, dass Sie immer mal wieder Zeitzeugen der nationalsozialistischen Judenverfolgung befragen, die es ja bald nicht mehr geben wird, u.a. Zuzana Ruzickova, Erika Goldstein / Feldman, jetzt Walter Arlen. Als Liebhaber von Autobiografien, auch vieler jüdischer Autoren (Victor Klemperer, Ludwig Marcuse, Ruth Klüger…), sind mir empörende ebenso wie grauenvolle Details der Verfolgung durchaus bekannt. Mir will das Bild nicht aus dem Kopf, wie unbescholtene Bürger, umringt von ebenso unbescholtenen (?) Schaulustigen, gezwungen wurden, auf den Knien Bürgersteige mit Zahnbürsten zu schrubben. Wie ideenreich, ja wie kreativ erweist sich hier der Mensch in seiner Niedertracht. Mir scheint, es ist dieselbe Perfidie, die sich heute im Internet austobt. Und ich fürchte, dass ZEIT-Artikel die ignoranten, verblendeten Antisemiten von heute nicht erreichen werden. Notwendig sind sie trotzdem, weil sie die Erinnerung wachhalten. – Wolfgang Butzkamm

 

Völkerraubmord Walter Arlen berichtet erschütternd, wie seiner Familie 1938 in Wien das Geld, der Schmuck, die Briefmarkensammlung und das Warenhaus geraubt wurden. Im Frankfurter Auschwitz-Prozess höre ich an einem der Verhandlungstage eine Zeugin sagen: „Jeder, der in Ausschwitz ermordet wurde, wurde vorher auch ausgeraubt.Es war Völkerraubmord. – Frank Müller-Thoma

 

Mit großem Interesse haben ich Ihren Artikel über den fast 100-jährigen Komponist und Kritiker Walter Arlen gelesen. Toll, dass sich Herr Arlen noch für diese telefonischen Interviews bereit erklärte und toll, dass wir aus der Zeit des Exils in Santa Monica noch Details aus erster Hand erfahren dürfen. Allerdings ist Ihnen ein Fehler unterlaufen: Das Foto auf Seite 15 „Thomas und Katia Mann mit Enkeln …“ kann nicht von 1941 sein. Der erste Enkel von Th. Mann war Frido, geboren im Juli 1940, zweites Enkelkind ist Angelica, geboren im November 1940, beide können 1941 noch nicht so groß sein, wie auf dem Foto. Ich nehme an, (anhand des Alters der abgebildeten Kinder) das Foto ist ca. 1944 oder 1945 entstanden. Würden Sie das bitte prüfen und korrigieren. – Nadja Röder

 

Ein wunderschönes Interview und Porträt ist Ihnen gelungen, „Ach, der Thomas Mann“, was für ein anrührender Blick in eine barbarische Zeit und was für eine Güte, die aus den Worten von Walter Arlen aufleuchtet. Ein Zeichen: Humanität siegt zuletzt. Möge er seinen 100 Geburtstag wirklich genießen. – Sabine Lienhard

 


 

 

Leserbriefe zu „Eine Landwirtschaft ganz ohne Tiere – geht das?“ Streit von Agnes Greggersen und Daniel Hausmann

 

Aber sicher geht das ! Wenn zB „diktatorisch“ bestimmt würde, in ca 30 Jahren (eine Generation) oder in 10 Jahren (wg des akuten Umschwunges) sei „Schluß mit Lustig“ (Totales Weg vom Fleisch/Vertriebsverbot „bei Todesstrafe“), dann könnte das auch passieren. Gem. dem Motto: Wenn man „drei Landwirte unter einen Hut bringen will, muß man zwei erschlagen“ wäre nicht nur das nationale Bauernempfinden (das der Tierhalter -alles seriöse Buben und Madeln), sondern vor allem das globale Befinden zu testen: Zur Erinnerung: Global werden jedes Jahr „zur Strecke gebracht“ 300 Mio Rinder 1 Mrd Schweine 1 Mrd Schafe/Ziegen und ca 60 Mrd Federvieh. Allesamt „sauber getötet“ ? Noch Fragen ? Es sei daran erinnert, dass bzgl. des „Fleischgeschmackes“ nur die Würze und das „Schamanenhafte des Grillens“ interessant ist, ansonsten schmeckt Fleisch (vor allem Schwein, Huhn“ außer Fisch ziemlich fad – nicht der Rede wert. – Rainer Rehfeldt

 

Vielen Dank für das aufschlussreiche Streitgespräch zum Thema „Landwirtschaft ohne Tiere“. Insbesondere die Feststellung, dass Grasflächen eben nur durch bestimmte Tiere genutzt werden können, war mir vorher nicht so klar. Die Konsequenz ist so banal (wie wahrscheinlich den meisten auch bewußt), dass deutlich weniger Fleisch- und Milchkonsum die beste Lösung wäre. Eine Sache hat mich allerdings an Ihrer Moderatiin geärgert. Vor der letzten Frage schreiben Sie, schlechte Arbeitsbedingungen von Wanderarbeitern und mangelnde Hygiene (in den Schlachtbetrieben) zu Corona Ausbrüchen führen. Das Erste ist Spekulation und das Letztere einfach Unsinn. Sicherlich begünstigen die Arbeitsbedingungen in dieser Branche die Corona Ausbrüche und es gibt auch sonst eine Menge daran zu kritisieren. Dann schreiben Sie das aber bitte auch so. Ansonsten geben Sie den Profiteuren der Massentierhaltung und -schlachtung nur Argumente für deren Lobbyarbeit. Die Hygiebestandards sind jedenfalls mit Sicherheit in kleineren Betrieben (im Durchschnitt) nicht besser. – Gunnar Millow

 

Im Beitrag „Eine Landwirtschaft ohne Tiere …“ (DIE ZEIT Nº 28) wird an die Forderung der Vereinten Nationen erinnert, dass die weltweite Nahrungsmittelproduktion bis 2050 um 70 Prozent gesteigert werden müsse. Die Weltbevölkerung wird bis dahin aber nur um 20 Prozent zunehmen, und derzeit gibt es etwa ebensoviele über- wie unterernährte Menschen. Woher also diese extreme Zielsetzung, die sich nur durch einen verheerenden Kahlschlag an den wenigen noch verbleibenden Wildtier- und naturnahen Wald- und Pflanzenbeständen (vor allem im Amazonasbecken), sowie Nationalparks (in Ostafrika, erinnert seit an „Serengeti darf nicht sterben!“) verwirklichen ließe? – Dr. Franz Rader

 

Herr Hausmann gibt sich die Antwort auf die Frage selbst. Es geht nur mit dem Zukauf von Nährstoffen z.B. in Form von Natrium, Phosphor oder Kalium. Weitere Mikronährstoffe wären zu ergänzen. Es bleibt festzuhalten, dass eine rein vegane Landwirtschaft genausowenig funktionieren kann wie eine rein vegane Lebensweise. Der Mensch ist aus evolutionärer, anatomischer und physiologischer Sicht ein Omnivore. Eine rein vegane Lebensweise kann nur funktionieren, wenn man bereit ist, fehlende Nährstoffe künstlich zu substituieren. In Phasen mit einem erhöhten Bedarf (z.B. Kindheit, Schwangerschaft, Stillzeit) kann sich die Verweigerung einer Substitution fatal auswirken.

Der latente Nährstoffmangel sowohl im Boden als auch im Körper macht sich je nach Nährstoff erst nach Jahren bemerkbar, weshalb man sich zu Beginn in dem Glauben verfängt, dass die Anbauweise/Lebensweise optimal praktikabel sei. Herr Hausmann hat sechs Jahre praktische Erfahrung gesammelt. Das erscheint mir zu wenig, um kompetent über die Streitfrage urteilen zu können. – Dr. rer.pol. Dipl. oec-troph Mathias Schwarz

 


 

 

Leserbriefe zu „Endlich D-Mark-Deutsche!“ von Christoph Dieckmann

 

Ich empfehle Ihnen zur Aktualisierung : https://www.mdr.de/zeitreise/reparation-ddr-100.htmlJoerg L. Neumann

 

Mit großem Interesse habe ich den Bericht von Herrn Dieckmann gelesen und konnte vieles aus meiner Erinnerung bestätigen.Aber an einer Stelle muß ich widersprechen:“Westdeutschland wurde nichts genommen“wird in dem Beitrag behauptet.Ein Märchen,das auch in der Zeit gerne verbreitet wird.In der französische Zone wurde geraubt und geplündert (darunter auch unsere Wohnung),noch vorhandene Betriebe wurden ausgeräumt,die Maschinen nach Frankreich geschafft(Demontage) ,Wälder wurden abgeholzt,Vieh wurde weggetrieben….um nur ein Paar Beispiele zu nennen.Was aber bis heute negative Nachwirkungen in Süddeutschland hat:die Franzosen bauten das zweite Gleis der Strecke Horb -Tuttlingen ab und nahmen die Gleise mit nach Frankreich.Bis heute tobt der Streit,ob man das zweite Gleis wieder einbauen sollte.Was natürlich hohe Kosten brächte.Als ehemalige Fahrschüler standen wir während des Krieges mit großen Augen in Horb am Bahnsteig,wenn der Schnellzug Berlin-Stuttgart-Zürich-Rom einfuhr: Vorbei!!! Was den Marshallplan angeht.Wir Westdeutesche bekamen am wenigsten und am spätesten.Aber immerhin. – Max Schier

 

Ich finde den Artikel von Herrn Christoph Dieckmann sehr interessant, aber leider ist er einem verbreiteten Mythos aufgesessen: Zu Beginn des sechsten Absatzes behauptet er: „Westdeutschland wurde nichts genommen.“ Das stimmt effektiv nicht, denn aus eigener Kindheitserfahrung kann ich sagen, daß aus der Werkzeugfabrik im Bergischen Land, deren Teilhaber mein Vater war, eine ganze Reihe von Maschinen abgeholt und nach England gebracht wurden. Das muß so 1946/7 gewesen sein. Ich erinnere mich (damals neun Jahre alt), daß mein Vater bald danach feststellte, die Engländer seien eigentlich dumm, da sie nun mit den alten Maschinen arbeiten müßten, während er sich neue anschaffen könnte (mit welchem Geld, hat mich als Kind nicht gekümmert). – Und der Betrieb meines Vaters war beileibe nicht der einzige, der – zumindest teilweise – ausgeräumt wurde. – Helga Henckel

 

Mit großem Interesse las ich Ihren Artikel „Endlich D-Mark-Deutsche!“ von Christoph Dieckmann. Diese historische Sichtweise ist mit Sicherheit in der öffentlichen Meinung im Westen Deutschlands wenig bekannt, umso verwunderlicher warum dieser Artikel nur in der für den Osten bestimmten Ausgabe (Zeit im Osten) erscheint. Im Übrigen halte ich 30 Jahre nach der Wiedervereinigung eine Trennung in Ost und West grundlegend für falsch, solange es sich nicht explizit um regionale Besonderheiten handelt. – Manuela Jungnickel

 


 

 

Leserbriefe zu „»Ich würde mir wirksamere Möglichkeiten für uns wünschen«“ Gespräch mit Felix Hufeld geführt von Uwe Jean Heuser

 

Wenn die Bafin als staatliche Finanzaufsicht die von ihrem Präsidenten beschriebenen gesetzlichen Auftrag tatsächlich hat,liegt hier eine massive Täuschung der Finanzmarktakteure vor,die im blinden Vertrauen auf eine kritisch funktionierende Aufsicht,ihre Investitionen am Aktienmarkt tätigen. Besonders auffällig erscheint die von Hufeld erwähnte Tatsache,Anfang 2019 der DPR,einem privatrechtlich geführten Verein,einen Prüfauftrag zu Wirecard erteilt zu haben,der bis dato keine Ergebnisse lieferte. Wer seine Verantwortung bei möglicher Unregelmäßigkeit mit solcher Nonchalance ausübt,sollte aus besserer Einsicht für solche Aufgaben nicht eingesetzt werden. Das dürfte weitere Folgen haben! – Heinz-W.Raderschatt

 

Ich war bisher der Meinung, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit knapp 3000 Mitarbeitern professionell gemanagt würde. Wenn dem so wäre, dann hätte Herr Hufeld aufgrund der bisher vorliegenden Fakten erklären müssen, dass die Bafin versagt hat und er zurücktritt anstatt die Fragen von Herrn Heuser mit Exkulpationslyrik zu beantworten. Abgesehen vom finanziellen Schaden für die Aktionäre und Kreditgeber ist der Imageverlust sowohl für den Finanzplatz Deutschland als auch für die Deutsche Börse (DAX) enorm. Vertrauen zu verspielen geht schnell, es zurückzugewinnen ist ein längerer Prozess! Daher muss dem Finanzminister daran gelegen sein, die Bafin inhaltlich und personell der Komplexität der Finanzwirtschaft anzupassen sowie dem Oligopol der Wirtschaftsprüfer klare Regeln aufzuerlegen, ansonsten ist der nächste Skandal bereits vorprogrammiert. – Jürgen Rohlfshagen

 

Ihr Autor Uwe Jean Heuser bohrt dicke Bretter in einem Umfeld das zum Himmel stickt. In der aktiven Zeit meines Vaters als Revisor (heute abgeschaft) hätte all so etwas nicht gegeben. Mein Vater hat die Banken akribisch geprüft. Seine erste Amtshandlung war die Überprüfung der Portokasse. Er meinte, wenn die nicht stimmt, dann ist was faul im Staate Dänemark. Meistens hat es gestimmt. In der großen Buchhaltung war es dann nicht viel anders. Er hat Fehler über Fehler aufgedeckt. Nichts Weltbewegendes aber immerhin. Er hat trotz allem es geschafft, daß bei der nächsten Prüfung die Bücher in Ordnung waren. Das hat sich alles in den 50er, 60er Jahren abgespielt. Ihr Thema „Wirecard“ wäre damals gar nicht möglich gewesen. Einen Blick in die Vergangenheit erweitert den Horizont. – Gunter Knauer

 

Meine Meinung zu Ihrem Interview: Herr Hufeld versucht mal besser, mal schlechter glaubhaft zu machen, die Bafin ist im Grunde nicht mitverantwortlich, da es auf externe Zuarbeit und Sonderprüfungen angewiesen ist. Dass KPMG, deren Sitz nicht mal in Deutschland liegt, praktisch die schärfste Munition der Bafin ist, erstaunt doch sehr. Sicher, komplexe Firmenstrukturen sind nicht leicht zu durchschauen, von der Bafin müsste es aber dennoch möglich sein auch ohne Hilfe. – Steffen Kaufmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Wie sagen wir’s ihm bloß?“ von Holger Stark

 

Eine europäische Strategie gegen Putin ist eine betontere Position mit Polen; erst recht mit den dortigen pro-europäischen Kräften. – Jürgen Dressler

 

Wundern wir uns (wirklich) über das Treiben eines KGB-Putin oder z.B.eines seiner ebenso- widerlichen- Paladine wie Lawrow? Und wissen wir WIRKLICH nicht, wie wir es ihm sagen sollen Und wenn unsere kühl-sachliche Frau Bundeskanzlerin das Treiben dieser Gauner-Mannschaft mit „ungeheuerlich“ beschreibt, so ist das mehr als deutlich! Rußland schickt Auftragskiller nach Deutschland und lässt seine Häcker auf den Bundestag los— so ist zu lesen! Und streitet -wie immer – alles ab. Es sei erinnert an die Anschläge in London /Skripal , an die Morde an Boris Nemzow, an Frau Politkowaska usw usw. Was eigentlich soll noch folgen??? Ja, Frechheit siegt! Und so funktionierte es auch mit der Besetzung der Krim ( darauf reagierend hätte die Nato DRINGEND die „Exklave Königsberg besetzen müssen, nur das hätte der KGB-Wicht Putin verstanden)!!!

Er ist in Wahrheit (wie immer) ein armer schwacher Herrscher, der Angst vor z.B. „kleinen Künstlerinnen“ etc. haben muß, und auch noch die Kirche (miß) braucht für seine Existenz. Eigentlich hat er nichts an, denn sein „Reich“ steht auf morschem Boden… Doch wir haben (mindestens) zwei Putin -Freunde= nützliche Idioten, das könnte „Hoffnung“ machen. Der eine ist Altkanzler Schröder, vermutlich korrupt durch und durch (Kotzbrocken), der andere mindestens einfältig-naiv= Platzeck. DIE könnten jetzt mal -anstatt Schleim abzusondern- konkret tätig werden = MOTTO = EHRLICHKEIT unter Freunden! Und diese beiden Typen sollten zum Lesen verdonnert werden: DIE WAHRHEIT IST DER FEIND Warum Russland so anders ist /Golineh Atai Ich befürchte: Wenn WIR nicht aufstehen (währet den Anfänegen— doch wir hängen schon), dann Gnade uns P.S. Ich erlaube mir , zurückliegende „Kundgebungen zum „Thema“ beizufügen! ! – P.W. Anders

 

Ungeheuerlich oder logisch? Es kommt darauf an, welche Ziele Putin erreichen möchte. Wenn es Putins Hauptziel ist, seine Herrschaft „dauerhaft“ zu sichern, dann ist das Ungeheuerliche vielleicht sogar logisch. In einer Welt, die in verschiedene konkurrierende Machtzentren zerfällt, bieten ihm Optionen, die dem westlichen Erwartungshorizont entsprechen, eher schlechte Voraussetzungen, um dieses Ziel zu erreichen. In der Konkurrenz mit Schurken zu bestehen ist leichter, als in der Konkurrenz mit dem Westen. Die Stärke der westlichen Machtzentren: wirtschaftliche Kraft, Wohlstand, Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit an neue Herausforderungen. Diese Stärken und Fähigkeiten basieren auf Freiheit. Zu dieser Freiheit gehört Demokratie. Zur Demokratie gehört der Machtwechsel.

Wenn Russland in der Konkurrenz mit dem Westen im Hinblick auf die freiheitsbedingten Stärken logischerweise unterlegen bleibt und daher das Großmachtversprechen an die Bevölkerung in Russland nicht eingelöst werden kann, ist Putins Herrschaft in Gefahr. Um dieser Gefahr zu begegnen ist es nur konsequent, den westlichen Erwartungshorizont zu unterlaufen und durch asymmetrische Manöver Macht-Symmetrie zu erzeugen und so den Großmachtanspruch zu rechtfertigen. Logisch ist aus der Sicht von Putin u.a.: Die Einheit des Westens zu spalten. Demokratische Prozesse (Wahlen, Öffentlichkeit) zu stören. Souveränität gezielt zu verletzen. Durch spektakuläre Aktionen Kräfte zu binden. Abhängigkeiten zu erzeugen (Nord Stream 2, Material gegen Trump). Blockademacht in internationalen Gremien zu nutzen.

Das Ziel, die Herrschaft von Putin dauerhaft zu sichern, ist unerreichbar. Das weiß auch Putin. Die Notwendigkeit einer Verfassungsreform zur Herrschaftssicherung ist ein Zeichen von Schwäche. Da eine demokratische Machtablösungsoption in Russland nicht besteht, benötigt Putin nun umso mehr eine Exitstrategie. Sicherlich möchte er eines Tages in Freiheit alt werden. Vielleicht bietet man ihm zum Übergang einen Posten an, mit dem er als Brückenbauer einen großen Beitrag zum Weltfrieden schaffen kann. – Reinhard Koine

 


 

 

Leserbriefe zu „Jetzt aber!“ von Matthias Geis

 

Ja, ich muss es zugeben, auch ich bin ein großer Maskenfan, aber mir sind die Masken an der Wand oder die Masken in der Vitrine lieber, als diese Masken im Gesicht. Markus Söder und seinem Gefolge ist die „absolute“ Gesundheit seiner „Untertanen“ besonders wichtig, eben eine wahre Herzensangelegenheit, und dafür tut er alles. Sein Platz ist in Bayern, so spricht der bayerische Ministerpräsident (vorerst noch!). Bei der „Qualmerei“, als Beispiel, da überlässt er diese Enscheidung, „rauchen ja oder rauchen nein“, ganz demokratisch seinem „(Wahl)Volk“ selbst. – Klaus P. Jaworek

 

Im Freistaat Bayern, da sollen die Uhren etwas anders gehen, so heißt es! Hier könnte es auch durchaus sein, dass der Ministerpräsident seine Bevölkerung gleich ganz persönlich zum freiwilligen Corona-Test bittet, gemäß dem Sprichwort: „Vorbeugen ist besser als heilen“! Wer denn solch einen umsichtigen Ministerpräsidenten im eigenen Lande hat, der möchte diesen bestimmt ganz sicherlich auch mit Gesamtdeutschland teilen wollen. Was wäre da uneigennütziger, als diesen Dr. Markus Söder, sofort in die Bundeshauptstadt nach Berlin wegzuloben. „Ich bin Seelsorger und habe Gott schon oft gedankt dafür, dass er Krankheiten geschaffen hat, durch welche der Mensch heimgesucht und von Irrwegen abgeleitet wird.“ (Sebastian Anton Kneipp, 1821-1897, bayerischer römisch-katholischer Priester und Naturheilkundler) – Riggi Schwarz

 

„Doch Strauß, der instinktiv spürte,…, stürmte konfrontativ und authentisch in die Niederlage.“ Und ich dachte immer, jeder der damals nicht Strauß wählte, hätte gemerkt, dass er ordentlich Kreide gefressen hat. Vielleicht hat Herr Geis das in jungen Jahren noch nicht mitbekommen. – Wilfried Bähr

 


 

 

Leserbriefe zu „War die Kirche für die Alten da?“ von Ulrich Lilie und Christine Lieberknecht

 

Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise wurden in Deutschland fast eine Million Senioren wochenlang in Pflegeheimen eingesperrt und isoliert. Für die Schwächsten unter ihnen, die chronisch Kranken und die Sterbenden, bedeutete dies eine Isolationsfolter. Öffentlichkeit und „Zivilgesellschaft“ nahmen davon kaum Notiz: Das Fernsehen berichtete zwar über „unhaltbare Zustände“ in griechischen Flüchtlingslagern, aber nichts über die Zustände in deutschen Pflegeheimen. Auch die Kirchen schwiegen. Einerseits als Institution, die gegen diese Missachtung der Menschenrechte von Senioren nicht protestierte; andererseits als Träger von Pflegeheimen, welche die staatlichen Vorgaben nicht nur gehorsamst umsetzten, sondern sogar verschärften: Prof. Neuschäfer, der seine demente Frau nicht besuchen konnte, ist kein Einzelfall.

Ich habe aus der Nähe miterlebt, wie ein – ebenfalls „christliches“ – Pflegeheim dem Ehemann einer gelähmten Frau zunächst verweigerte, diese zu besuchen, und dann immer neue Schikanen erfand, um diese Besuche aus Gründen des Infektionsschutzes zu verhindern. Tatsächlich ging es aber darum, die zusätzlichen Personalkosten, die eine hygienegerechte Besuchsregelung verursacht hätte, zu vermeiden. Fazit: In der Corona-Krise kam Christus nicht bis in die Pflegeheime, und ihre Träger müssten eigentlich moralische Insolvenz anmelden. – Prof. Dr. habil. Helmut Berschin

 

Keine Frage, die Begleitung von Kranken und Sterbenden ist gehört zu den Werken der Barmherzigkeit und ist eine wichtige Aufgabe der Seelsorge. Doch muss man fragen: Ist sie die einzige Aufgabe der Kirche? Die Behandlung des Themas Corona in der Rubrik Glauben und Zweifeln in den letzten Wochen legt diese Vermutung nahe. Aber Kirche ist mehr. Doch in der Diskussion scheint das übersehen zu werden. Wie kommt das? Aufgrund der Pandemiemaßnahmen wurde eine neue Unterscheidung eingeführt: Systemrelevanz. Die Kirchen waren dabei nicht von Anfang an mit im Boot. Und nun müssen die Kirchen fragen und sich fragen lassen:

Wofür sind sie da? Es kommt einem so vor, als sei die Begleitung Alter und Sterbender der letzte Strohhalm an den man sich klammert und die eigene Bedeutsamkeit zu retten. Zumindest legt das die Behandlung des Themaas im Bereich Glauben und Zweifeln nahe. Für diese Engführung besteht kein Anlass. Der Verkündigungsauftrag der Kirche beschränkt sich nicht auf die gestellte Frage: Haben sie sich zum Thema Seelsorge in Pflegeheimen ausreichend deutlich geäußert? Diese Thematische Engführung kann ich nicht nachvollziehen. Außerdem beginnt die Frage nach einem humanitären Umgang mit Menschen in Pflegeeinrichtungen nicht erst bei dem Thema der Kontaktsperre, sondern vielleicht schon bei der Frage der Gehälter für Menschen in Pflegeberufen. – Reinhard Wick

 

Habe ich etwa verpasst, dass Katholiken keine Rolle mehr spielen in Deutschland? Ich meine, mich zu erinnern, dass kürzlich in der ZEIT stand, es gebe ungefähr gleich viele Katholiken wie Protestanten. Leider spiegelt sich das überhaupt nicht in Ihrer Übersicht. Von Ihren acht Gesprächspartnern ist kein einziger (!) katholisch. Haben Sie dafür eine Erklärung? – Veronika Scholz

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Maschine und das Blut“ von Eva Hoffmann et al.

 

Dieser Artikel war hervorragend in seiner technischen Beschreibung eines Fehlers eines Medizinproduktes und seinen Auswirkungen für die Patienten. Und das man auf die inzwischen weitgehend pflichtvergessenen deutschen Behörden (siehe Dieselskandal, Massageliegen-Tote oder jüngst die Schlachthöfe) nicht mehr weiter eingehen muss, ist verständlich. Aber wie kommt Ihre Redaktion am Schluss dieses Artikels zu der Aussage, dass Krankenhäuser und Spendezentren nicht verpflichtet sind solche Vorfälle an die zuständigen Behörden zu melden? Und auch die Hersteller von Medizinprodukten das nur bei Verdacht einer Gesundheitsgefährdung tun müssen?

Nehmen wir mal positiv an, Ihre Redaktion hat sich von der pflichtvergessenen BfArM einwickeln lassen. Selber lesen wäre besser gewesen. In der Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV) steht unter §3 eindeutig drin, dass man Vorfälle zu melden hat!Und zwar unverzüglich! (§5 MPSV) Und Meldepflichtig sind nicht nur erfolgte Patientenschädigungen, sondern auch Verdachtsfälle, ja selbst unklare Bedienungsanleitungen oder ergonomische Mängel sind meldepflichtig. Klarer geht es doch in einem Verordnungstext nicht mehr! Der Gesetzgeber hat das, weil früher weitgehend verschlampt in den Betrieben, sogar 2017 noch verschärft: nun müssen bei mehr als 20 Beschäftigten sogenannte Beauftragte für Medizinproduktesicherheit benannt werden in den Anwenderbetrieben. Die sollen diese Meldepflichten übernehmen. Dafür müssen diese Personen sogar im Internet stehen. Alles unwichtig? Für das BfArM schon, aber Ihre Zeitung sollte besser arbeiten. – Werner Pude

 

Bei der Lektüre des o.g. Artikels zu Abrieb in der Maschine zur Herstellung von Blutplasma ist mir folgendes aufgefallen. Sie schreiben von „Metallverbindungen vor allem aus Aluminiumoxid“ im Drehgelenk. Es handelt sich dabei zwar um ein Oxid des „Metalls“ Aluminium, allerdings ist Al2O3 eine Keramik.Diese Keramik wird u.a. verwendet für Hüftgelenke, Kniegelenke etc., zeichnet sich durch entsprechende Festigkeit und sehr gute tribologische Eigenschaften aus. Insofern werden Produkte aus diesem Material im Körper eingebaut und besitzen dafür auch die entsprechende Zulassung. Genauso sollte es sich mit den Kunststoffen verhalten, die mit Blut in Berührung kommen. Dafür gibt es eben auch eine Reihe von Kunststoffen mit Zulassung für den Kontakt mit dem bzw. den Einbau in den menschlichen Körper. M.E. ist an dieser Stelle eine sehr genaue Recherche bzw. eine eingehende Untersuchung der festgestellten Partikel notwendig. Für eine fundierte Beurteilung sind die Informationen nicht ausreichend. – Markus Deberle

 


 

 

Leserbriefe zu „Das System Wirecard“ von Ingo Malcher

 

Die Qualität der Arbeit des Bundesfinanzministeriums leidet ganz besonders unter der in den Merkel-Kabinetten grassierenden Neigung, hohe Regierungsämter mit fachlichen Laien zu besetzen: Der Jurist Schäuble war von 2009 bis 2017 Bundesfinanzminister und rühmte sich sogar, für seine Tätigkeit im wesenlichen nur die vier Grundrechenarten beherrschen zu müssen. Er stützte sich dabei u. a. auf die Parlamentarischen Staatssekretäre Meister (Mathematiker) und Spahn (Politologe). Kein Wunder, dass man im Ministerium den Cum-Ex-Betrügereien viel zu spät entgegentrat und keine Vorkehrungen traf, um durch eine kompetente und konsequente Aufsicht den Betrügereien à la Wirecard auf die Schliche zu kommen. Aber auch die Minister Scholz und sein Vor-Vorgänger Steinbrück können sich von Versäumnissen nicht freisprechen. – Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Heilmann

 

Wenn man (aus welchen „guten“ Gründen auch immer) die Scheuklappen aufsetzt, kann bzw. will man das Offensichtliche (sofort sichtbar für Profis) nicht wahrhaben. DAS gibt es nicht nur bei. WIRECARD, sondern auch in der praktizierten Energiewende, wo zwar „gute Absichten“, aber Ahnungslosigkeit in der Sache vorherrschen. Na dann: Warten wir es ab! Im Falle des Black-Outs wird es wieder keinen geben, der „Schuld war“. Verlierer und Hauptbetroffene sind eben wieder andere.

Ihren ZEIT-Text „Es gab ja sehr viele Indizien für den Wahnsinn von Wirecard.“ können Sie direkt übertragen auf Indizien für den „Wahnsinn der praktizierten Energiewende-Politik.“ Indizien: Es gab im Winter (bei üblichen Abendspitzen um 80.000 MW) empirisch in jüngerer Vergan¬¬genheit 60 Stunden, wo „erneuerbare Stromerzeugung“ nur jämmerlich verfügbar war (siehe *). Mit welchem guten Argument legen wir Kern- und Kohlekraftwerke still, bevor nicht großtechnische Wasserstoff-Techniken im 10.000 MW-Bereich verfügbar sind? Warum setzt die Politik auf das E-Auto mit Batterien, welche bevorzugt abends aufgeladen werden müssen, wenn im Winter die Kapazitäten dafür fehlen? Warten wir auf den Black-Out ab 2023? Etc. etc. Sagen Sie dann nicht: „Das alles konnte niemand kommen sehen!“ Das kann jeder sehen, der Fakten lesen kann und dieses auch will. – Prof. Emeritus Dr. Wolfgang Ströbele

 


 

 

Leserbriefe zu „»Ich möchte keine Ferien«“ von Jeannette Otto

 

Ich möchte gerne die Aussage sachlich richtig stellen, dass Grundschulkinder mit x und v in Silben wie vex „nicht lautgetreue“ Buchstaben lernen würden. Lauttreue ist ein missverständliches und falsches Konzept, da Laute im Deutschen meist mehr als eine Buchstabenzuordnung haben (und wenn es nur eine gibt, ist sie arbiträr). Der Buchstabe x wird immer als ks gesprochen, darin unterscheidet er sich nicht von sch oder z. Ob der Buchstabe v stimmhaft oder stimmlos (wie f) gesprochen wird, hängt vom Kontext ab. Häufiger ist die f-Aussprache (Vater, von, Vogel), weswegen die Silbenbeispiele didaktisch suboptimal sind. Ein anderes Beispiel: auch der Buchstabe e hat drei phonetische Realisierungen, als langer (Weg), kurzer (weg) und Reduktionsvokal (bitte). – Malte Belz

 

Ich bin als Ingenieur wahrscheinlich nicht der klassische Zeit Abonnent. Und scheibe auch eher selten Leserbriefe. Ich möchte Ihnen aber sagen, dass ich das Klagen der Grundschullehrer über die aktuelle Situation nicht wirklich verstehe. Und es es angesichts der Probleme, die weite Teile der Bevölkerung haben, auch eher als unwürdig finde. Derzeit bangen viele Mitmenschen, insbesondere in kulturell relevanten Berufszweigen, um ihre Existenz. Und dann beklagen sich verbeamtete Lehrer über viel Arbeit und schwierige Arbeitsbedingungen? Sorry, aber hier fehlt mir die notwendige Demut. Bitte etwas weniger Jammern und etwas mehr Solidarität mit denen, deren Existenz wirklich auf der Kippe steht …. – Frank Fiegert

 


 

 

Leserbriefe zu „Schaut über den Zaun!“ von Gunther Friedl und Thomas Hutzschenreuter

 

Alle VWL- und BWL-Studenten der Wiwi-Fakultät der Universität Münster (WWU) können seit 20 Jahren als Wahlpflichtfach für das Hauptstudium auch „Energiewirtschaft“ wählen, was regel-mä¬ßig von 30 – 50 BWL-Studierenden genutzt wurde. Dort kamen umfangreich „Energie und Um-welt“ sowie wichtige Themen der Klimapolitik samt aller Instrumente (Steuern, Zertifikate, …, EU-CO2-ETS, etc.) und Behandlung von „Modellierung“ in 3 Vorlesungen und weiteren Seminaren etc. dazu vor. Diese besondere Qualifikation kam den erfolgreichen Absolventen sehr zugute. – Prof. Emeritus Dr. Wolfgang Ströbele

 

Niemand hat in der Medizin so viel Unheil angerichtet wie Betriebswirte und da kommen die Herren Friedl und Hutzschenreuter und fordern noch mehr Vernetzung. Betriebswirte haben das Gesundheitswesen von einer Einrichtung der Daseinsvorsorge zu einem Wirtschaftszweig umgeformt und entwürdigt, der sich mit seinen Leistungen nicht mehr primär am Notwendigen orientiert, sondern an wirtschaftlichen Ergebnissen. Nicht der Bedarf an Gesundheitsleistungen ist das Maß sondern der Umsatz, nicht möglichst wenig Diagnostik und Therapie, sondern hohe Fallzahlen sind das angestrebte Ziel. Und um diese sollen sich die Leistungsanbieter nach dem Willen der Betriebswirte, die inzwischen das Sagen in den relevanten Einrichtungen des Gesundheitswesens haben, die Ärzte haben sich das widerstandslos aus der Hand nehmen lassen, marktgerecht im Wettbewerb miteinander streiten.

Überhöhte Fallzahlen, eine Vielzahl nicht erforderlicher Behandlungen und die Überzahl lukrativer Fachgebiete in den Krankenhäusern sind die Folge. Betriebswirte, in diesem Zusammenhang als Krankenhausmanager wirkend, sind es, die v.a. im nichtärztlichen Personal einen unerschöpflichen Fundus zur Einsparung von Kosten sehen. Dass können besonders gut die Klinikkonzerne, die für ihre Anteileiger 15% Rendite erwirtschaften müssen und wollen, und das aus den Mitteln eines solidarischen Finanzierungssystems, das es möglich gemacht hat, das jeder, ob arm, ob reich alles medizinisch Notwendige erhält für einen Beitrag, der seinen finanziellen Möglichkeiten entspricht.

Unser Pflichtsozialversicherungssystem zählt zu den bedeutsamsten kulturell – zivilisatorischen Errungenschaften der Menschheit, es zu mißbrauchen ist unethisch. Und: Gesundheit ist kein wirklich marktfähiges Produkt, Medizin kein Industriezweig, sondern eine humane soziale Aufgabe. Der Bedarf ist begrenzt, Patienten haben keine Konsumwahl, die Mittel sind begrenzt. Wenn Betriebswirte mit der Medizin kooperieren wollen, dann sollten sie ihr und dem Gesundheitswesen zunächst einmal deren Würde zurückgeben. – Dr. med. Henning Schmidt

 


 

 

Leserbriefe zum Politischen Fragebogen „»Uns fehlt der Zusammenhalt«“. Gespräch mit Karamba Diaby geführt von Jeannine Kantara

 

in Ihrem politischen Fragebogen taugt die gezeigte Forderung gut, eine MohrenStraße umzubennen. Der Mohr ist ursprünglich Maghrebiner. Ihn mit Zentrakafrikanern gleichsetzen, – die genauer zu bezeichnen heutzutage angeblich ein Schimpf ist – ergab sich wohl aus dem Mangel an Weltkunde vor Jahrhunderten. Mohren aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängen, ist das Gegenteil von antirassistisch. Dabei geht Eifer vor Kenntnis. Vorjährige Angriffe auf MohrenApotheken leugnen, daß einst ein Dunkler, ein Maure, orientalische Heilkunde über das Mittelmeer vermittelt haben soll. Angriffe Zugereister auf die mohrige Leitfigur mancher oberhessischer Volksfeste übergehen, daß es sich um ein hoch angesehenes Ehrenamt handelt. Denkbar, daß vormals der grenzgängerische Schwarze Mann weltläufig zum Ausländer geadelt wurde. Was folgt aus dem Verbannen für die Träger der Namen Moritz und Mohr? Ab nach Mauretanien? Dieses auch umbenennen? – Ulrich J.Heinz

 

Umbenennung der Mohrenstrasse in Berlin. Ich bin eher dafür, mit Schildern oder Denkmälern die Geschichte des deutschen Kolonialismus und Rassismus zu erklären, anstatt einfach Schilder auszutauschen. So könnte man von der Geschichte lernen. In Berlin gibt es einige Straßen mit denselben Namen, die könnte man doch umbenennen, so wie vorgeschlagen. Ich heiße übrigens MOHR mit Nachnamen und ich liebe ihn. Keine Ahnung wo er herkommt. Kann doch nicht sein, dass ich mich umbenennen sollte! – Wilma Mohr

 


 

 

Leserbriefe zu „Schutzengel oder Killermaschine?“ von Caterina Lobenstein

 

Der Einsatz von Kampfdrohnen wird nun seit längerem besonders kritisch diskutiert; dabei werden die Drohnen, ferngelenkt und ‚unpersönlich‘ als besonders perfide Waffe dargestellt. Unabhängig von der grundsätzlichen Diskussion über die Sinnhaftigkeit eines Krieges mit Waffen, möchte ich einmal auf die geschichtliche Entwicklung hinweisen: Der Mensch hat seit jeher versucht, seinen kämpfenden Arm zu verlängern: vom Schwert über Speere und Pfeile, Gewehre und Kanonen sind bereits vor vielen Jahrzehnten ferngelenkt Bomben und Torpedos eingesetzt worden. Der Entscheider über Richtung und Explosionszeitpunkt saß hunderte und tausende Kilometer vom Einsatzort entfernt. Bereits in den 70er/80 er Jahren wurden Waffen programmiert, um möglichst nur unter bestimmten Bedingungen u d weit weg vom ‚Versender‘ wirksam zu werden.

Einen Vortrag über ‚Wirksysteme auf Weichziele‘ habe ich als ziviler Mitarbeiter eines Technologieunternehmens Anfang der 1990er Jahre erlebt: es handelte sich um eine programmierbare Miene, die auf passierende Menschen oder PKW justiert werden konnte. Ist das wirklich weniger schlimm, als eine Drohne aus 2020? Die – wenn man so sagen möchte – ‚Entfremdung‘ des Kämpfers vom Geschehen ist wirklich bereits eine alte Story. Keiner weiß, wie sich zukünftige Auseinandersetzungen über Space- und Internet-War entwickeln werden; arbeiten wir also daran, den Menschen Bildung zu ermöglichen, um sie in die Lage zu versetzten, die Kriegstreiber und ihre wahren Ziele zu erkennen und ihnen entgegen zu treten, anstatt über die Freundlichkeit unterschiedlicher Tötungswaffen zu debattieren. – Eberhard Goette

 

Selten ist die Logik der Rüstungspolitik in ihrer Dürftigkeit so deutlich zu Tage getreten, wie in diesem Artikel. Es geht als offensichtlich nur um das Prinzip: „Das Spielzeug, das der Andere hat, will ich aber auch haben!“ Wenn diese Killerdrohnen in Auslandseinsätzen der Bundeswehr verwendet werden sollen, wird hier kein Gedanke mehr an die (deutlich fraglich gewordene) Sinnhaftigkeit, diese Einsätze überhaupt fortzusetzen, verschwendet, ganz zu schweigen von ethischen Prinzipien. Woher die zitierte Politologin Dahlmann (dieser Logik folgend) ihren Optimismus nimmt, dass die Politik noch vor der Anwendung sogenannter künstlich-intelligenter „Killerroboter“ noch eine „Notbremse“ ziehen kann, erschließt sich mir nicht. Neben dem offensichtlichen Umfallen der SPD (wegen des moralischen Druckes der Bundeswehr und ihrer Verbände? Wie dürftig ist das denn als Grundlage einer politischen Entscheidung von dieser Tragweite?) ist es auch bestürzend, wie wenig die innere Logik der Rüstungspolitik in diesem Artikel kritisch beleuchtet wird. – Dietrich Dasenbrook

 


 

 

Leserbrief zu „60 ZEILEN … LIEBE“ von Peter Dausend

 

Ihr Auto hätte sich besser über Gütersloh informieren müssen. Denn in Gütersloh ist Bertelsmann zu Hause. Und somit bin ich mir sicher, dass die New York Times im Zusammenhang mit Bertelsmann einmal erwähnt hat, dass Bertelsmann in in der deutschen Provinz, in Gütersloh zu Hause ist. – Josef Gemmeke

 


 

 

Leserbrief zu „Eine Architektur des Ankommens“ von Hanno Rauterberg

 

Es gab immer wieder Zeiten des Aufbruchs in Architektur und Städtebau: Wenn es darum ging, großen Entwicklungen Raum zu geben, denen gewachsene Strukturen nicht gewachsen waren. Z.B. dem Wachstum der Städte in der Zeit von Landflucht und Industrialisierung oder der Integration des wachsenden Individualverkehrs. Die jeweiligen Planungsmuster schwankten dabei zwischen Zerstörung und Innovation, Befreiung und Erziehung, Über- und Unterentwicklung. Die Anforderungen der Funktionen, denen die Planer Raum, Form und Struktur geben sollen, ändern sich immer wieder grundlegend, zurzeit durch die in Deutschland noch unterentwickelte Digitalisierung. Dieser Innovationsschub ereignet sich in einer Zeit, die von Überentwicklungen u.a. in den Bereichen Individualverkehr (fließender und ruhender Verkehr) und Ressourcenverbrauch (u.a. Inanspruchnahme von Boden, Luft und Wasser) geprägt ist.

Also in einer Zeit, in der es auch um Rückbau geht. Es ist anzunehmen, dass die Digitalisierung, ähnlich wie die Entwicklung der autogerechten Stadt, selbst das Risiko von Über- und Fehlentwicklungen beinhaltet. Der größte Fehler ist immer wieder: Die Funktion über den Menschen zu stellen. Den Menschen zu funktionalisieren, damit die Funktionen optimale Bedingungen erhalten. – Ja, es geht um das Ankommen. Das Ankommen in der aktuellen Aufgabenstellung von Architekten und Städtebauer für die Menschen in einer freien Gesellschaft, in einer lebendigen Lebenswelt. – Reinhard Koine

 


 

 

Leserbrief zu „Mangelwirtschaft als Freiheitsversprechen?“ von Alexander Cammann

 

Die eben mal so en passantvorgebrachte 3D-Kritik von Herrn Cammann an Kuba (Düster, Derbleckend und sehr Deutsch), aufgehängt am Hilfeersuchen einiger Kulturschaffender für die Bürger/innen des Landes des tropischen Sozialismus, offenbart, wie sehr auch versierte Journalisten mitunter gerne lau in einer omnipotenten Verteidigung westlich-kantianischer Werte baden, die natürlich über alles gehen. Es lohnt nicht, solchen Verriss, der sich ironisch mit dem Konsumdilemma der blockierten Insel parfümiert, sachliche Argumente entgegenzuhalten. Ich empfehle dem Autor der Polemik stattdessen einen Besuch vor Ort in der Region, der sich so gestalten sollte: Reise durch Honduras, El Salvador und Guatemala, dann rauf nach Nordmexiko plus Texas und kurz noch hinüber ins nahe Haiti. Danach ab nach Havanna, Santa Clara, Santiago de Cuba – zur redlichen Erholung vor brutaler Despotie und realer Lebensgefahr, schlimmster Menschenverachtung, bitterer Armut und trister Desillusion. In Kuba, das sich ab 1959 von Sklaverei und Rassismus befreit hat. – Fritz Feder

 


 

 

Leserbrief zu „PAARWEISE. Eine Sex-Kolumne Nr. 2“ von Mrzyk & Moriceau

 

Ich habe mich immer für einen sexuell aufgeklärten Menschen gehalten. Aber die verstörenden Bilder Ihrer vermeintlichen Sex Kolumne vermag ich nicht recht einzuordnen. Was soll das? Was wollen Sie dem Leser damit sagen? Schaut mehr lächerliche Sex Bildchen an? Muss ich unsere Zeitung nun immer vor meinen Kindern verstecken, um Ihnen diese obszönen und leider gar nicht ansprechenden Bilder zu ersparen? So ein niedriges Niveau hat die Zeit doch nicht nötig, oder? Ich hoffe, Sie besinnen sich wieder auf den bisher bekannten Qualitätsjournalismus und ansprechende Kolumnen. – Oliver Scherzer

 


 

 

Leserbrief zu „Durchs offene Fenster“ von Jens Tönnesmann

 

Über Ihren in der Zeit 28/2020 veröffentlichten Artikel „Durchs offene Fenster“ habe ich mich geärgert und möchte Ihnen dazu ein Feedback geben. IT-Security ist ein elementarer und wichtiger Bestandteil jeder IT Infrastruktur und wie im Artikel auch geschildert sind schlecht abgesicherte Server, ungenügende Kennwörter und social Hacking oft Einfallstor in interne Rechner-Netzwerke auch großer Firmen. Davor muss gewarnt werden und deshalb begrüße ich das Thema sehr und freue mich es in der Zeit zu lesen. Das von Ihnen gewählte Beispiel ‚git‘ halte ich aber für ein denkbar ungünstiges Szenario. git ist ein sehr gutes Versionsverwaltungssystem, das aktiv von sehr vielen – wahrscheinlich sogar dem Großteil der Software-Entwickler weltweit – genutzt wird. Gerade weil die Programmierquellen (Source-Code) von git veröffentlicht ist, ist es ein sehr sicheres System. Schlagwort Open-Source.

Der Artikel suggeriert jedoch, dass gerade diese Software ein Problem hätte, so dass durch ein öffentliches Repository den Zugriff auf die Daten ermögliche. Sie schreiben von einem geöffnten Kellerfenster und Plünderern. Diese Metapher geht an dem eigentlichen Problem vollkommen vorbei. Ich würde es mit einem geparkten Auto vergleichen, dessen Besitzer das Fahrzeug nicht abgeschlossen hat: Die Administratoren entscheiden darüber, ob sie das Repository „abschließen“ wollen oder nicht. Ich habe den Eindruck, dass Sie den Unterschied zwischen Quelltext und sensibler Daten nicht verstanden haben. Offene Quelltexte sind nicht per se gefährlich. Das Beispiel git zeigt, dass bei Open-Source das Gegenteil der Fall ist. Natürlich möchten Firmen in der Regel nicht, dass Ihre Arbeitsergebnisse als Quelltext öffentlich zugänglich sind. Eine Gefahr stellt dies jedoch nur in den seltensten Fällen dar. Ihr Beispiel der öffentlich zugänglichen Datenbank-Passwörter zeigt, dass hier nicht die Software oder der Admin schuld ist, sondern der Entwickler, der diese Passwörter in der Versionsverwaltung speichert.

DIes ist ein typischer Programmierer-Anfängerfehler. Genau wie ein Autobesitzer, der seinen Schlüssel auf dem Fahrersitz liegen lässt. Dies ist grob fahrlässig. Unabhängig davon, sind die Datenbankserver in der Regel nicht von außen zugreifbar, weshalb ein Angriff durch ein solches Passwort zumindest nicht einfach ist. Gleich zwei Mal verweisen Sie auf die Seite internetwache.org und preisen sie als unabhängiges, ehrenamtliches Medium an. Der letzte Artikel auf der Seite ist von Januar 2019 (Ein Jahresrückblick 2018), der vorletzte von März 2018. Die Webseite ist nicht mobilfähig, so dass auf einem Handy erst gar kein Menü angezeigt wird. So sieht keine souveräne Quelle für IT-Security aus, wo doch das Thema von Aktualität und einer aktuellen Technologie lebt. Stattdessen bieten Sie Herrn Nehls eine kostenlose Werbe-Plattform für seine kommerzielle Webseite an und suggerieren ein Sicherheitsproblem, welches es gar nicht gibt. Die verwendeten Beispiele verdeutlichen viel mehr ein Kernproblem der Informatik in unserer Gesellschaft: Nahezu jedes Unternehmen benötigt Software-Entwickler.

Doch selbst bei großen Firmen „pushen“ Entwickler Passwörter ins „Repository“. Offensichtlich fehlt es vielen Entwicklern an Ausbildung oder Erfahrung. Anbei Fragen, die mir beim Lesen Ihres Artikels gekommen sind: Warum lassen Sie keine unabhängigen Experten wie Mitglieder des CCC oder Experten vom BSI zu Wort kommen? Oder Hochschul-Professoren aus dem Bereich IT Security Oder Mitarbeiter eines CERTs? Warum bieten Sie einzelnen Unternehmern wie Herrn Nehls eine Werbeplattform, indem Sie neben einem von Herrn Nehls selbst ausgedachten Security-Problems auch gleich noch seine Firma verlinken? Warum verwenden Sie nicht aktuelle Referenzen (internetwache.org)? Warum recherchieren Sie nicht die Ursachen der Probleme statt ein Symptom zu zeigen? Warum lenken Sie die Aufmerksamkeit auf eine überragende Software, statt die Menschen zu suchen, die nie die Grundlagen der Speicherung sensibler Daten erlernt haben? – Timo Meinen

 


 

 

Leserbrief zu „Der Möchtegern“ von Paul Middelhoff

 

Hat der Herr Philipp Amthor für das tänzelnde Schreiten über den Laufsteg seine Gage einer Wohlfahrtsorganisation gespendet ? Sind Name und Adresse der Einrichtung bekannt und der Betrag ? – Hartmut Wagener

 


 

 

Leserbrief zu „Der Stuhl des Anstoßes“ von Fritz Habekuß und Yaroslava Kutsai

 

Schon 2012 musste ich bei einer Studienfahrt mit Erschrecken feststellen, das in den Ukrainischen Karpaten eine große Waldfläche dem Holzkahlschlag geopfert worden ist. Vorne prangte ein Werbeschild des FSC. Ich habe dann den FSC angeschrieben und um Stellungnahme gebeten. Ich habe nie eine Antwort erhalten. Das sprich für sich. Heute weis ich, dass das FSC Siegel eien Einladung zum Raubbau von Holzprodukten ist. Es beruhigt die Verbraucher, so dass der Verbrauch von Holzprodukten hemmungslos angeheizt wird. Schockierend ist, wie der Verbrauch von Holzprodukten bei IKEA angestiegen ist. Das alles hat nichts mehr mit Nachhaltigkeit zu tun. IKEA legt sich das Deckmäntelchen der Nachhaltigkeit um, doch in Wahrheit ist IKEA der größte Holzräuber der Welt und wird überhaupt nicht sanktioniert oder als Holzräuber wahrgenommen. Wir alle schließen die Augen und sehen ja das FSC Siegel und gehen mit gutem Gewissen aus den IKEA Kaufhäusern. – Ulrich Schulte

 


 

 

Leserbrief zu „Der Weg ist das Ziel, beziehungsweise ein Ziel wäre nur im Weg“ von Moritz Herrmann

 

Ein sehr nett zu lesender Artikel. Ich, als Bewohnerin des Runddorfes Groß Linde, in dem 43 Personen leben und, das ein Ortsteil von Perleberg ist, kann allerdings einen Besuch mit dem Fahrrad nur empfehlen. Man kommt sowohl von Hamburg, als auch von Berlin per Bahn zügig zum Bahnhof in Wittenberge. Hinweisen möchte ich darauf, dass das Modemuseum im Schloss in Meyenburg und nicht in Meyerburg ist. Der Link zum Museum ist korrekt. – Dorothea Berger

 


 

 

Leserbrief zu „Eigensinnige Einzelne“ von Jörg Scheller

 

Es ist wohl nicht das Hauptthema, aber es geht um beschlagene Brillengläser beim Tragen einer Gesichtsmaske. Ich habe den Tipp irgendwo gelesen; womöglich bei GMX: Brille mit Flüssigseife säubern, eintrocknen lassen (z.B. über Nacht), trocken polieren. Für Ihre Bemühungen im Voraus herzlichen Dank. – Thomas Miesel

 


 

 

Leserbrief zu „Torten der Wahrheit“ von Katja Berlin

 

Also, grundsätzlich Glückwunsch zu Ihren „Torten der Wahrheit“ – das ist eine Rubrik, die ich in jeder neuen Nummer aufsuche und die mich oft genug schmunzeln lässt. Genauso oft aber meine ich da einen unfrohen erzieherischen Anspruch herauszuspüren. Nehmen Sie das Beispiel in der jüngsten Ausgabe: „Wann sich Deutsche brennend für die Herkunft interessieren“. Hätten Sie der Frage einfach ein weiteres Wort angefügt: „Wann sich Deutsche brennend für die Herkunft interessierensollen“ – und hätten Sie die Säulen entsprechend umgekehrt gezeichnet – kaum etwas bei Ausländern, fast 100 % beim Schnitzel – dann wäre aus Ihrem bemüht pädagogischen, um nicht zu sagen „volksmissionarischen“ Impetus eine augenzwinkernde Verballhornung angeblicher Erfordernisse der Political Correctness geworden, die Ihnen meine besondere Anerkennung eingebracht hätte. Sich über das, was man „heute“ aus der Sicht humorloser linker Volkserzieher angeblich „muss“, auch mal lustig zu machen, das würde einer Zeitung mit dieser großartigen liberalen(!) Tradition besser zu Gesicht stehen. – Hanno Herzler

 


 

 

Leserbrief zu „Dasselbe in Rot“ von Robert Pausch

 

Ich habe Ihren Artikel mit großem Interesse gelesen und fand Ihre Analysen sehr erhellend und äußerst interessant. Nur mit Ihrer Frage „Und nun soll ausgerechnt die grüne Individualistenpartei zur Kraft des Kollektiven werden“ liegen Sie aus meiner Sicht vollkommen falsch: Warum „ausgerechnet“? Warum „Individualistenpartei“? Eine Vielzahl von grünen Themen zielte schon immer auf das Gemeinwohl, ganz voran der grüne Markenkern des Umwelt- und Klimaschutzes. Grüne fordern die Veränderung individueller Lebensführung mit dem Ziel, die Gemeingüter Umwelt und Klima zu schützen. Das geforderte Tempolitmit auf den Autobahnen dient der Steigerung des Gemeingutes „Verkehrssicherheit“.

Und selbst identitätspolitische Themen erscheinen nur auf den ersten Blick stark am Individuum ausgerichtet, z.B. die Stärkung der Rechte von LGBTQ-Menschen oder der Aufruf, das Deutsch-Sein nicht an der Abstammung festzumachen. Bei näherer Betrachtung geht es aber u.a. darum, unser Gemeinwesen in Deutschland so zu definieren, dass sich ihm möglichst viele unterschiedliche Einzelne zugehörig fühlen können. Deshalb gilt aus meiner Sicht: Grüne appellieren zwar oft an die eigene Verantwortung bzw. Lebensführung, das stimmt. Aber der Zweck dient dabei nicht dem Individuum, sondern (zumindest meistens) der Allgemeinheit. – Corinna Kreidler

 


 

 

Leserbrief zu „Unheilsprosa voller Liebe“ von Hubert Winkels

 

Ich habe den Roman „Aus und davon“ von Anna Katharina Hahn gelesen. Aber Ihre Lobeshymnen kann ich nicht nachvollziehen. Es sind einige Passagen, die mich sehr ansprechen, aber es gibt da auch Passagen seitenweise in englischer Sprache – es ist ein deutsches Buch und eine deutsche Erzählung. Vielleicht geht die Schriftstellerin davon aus, daß alle Menschen in unserem Land fliessend Englisch sprechen, wenn man ihren Geburtsjahrgang betrachtet, könnte sie das vielleicht meinen. Aber vielleicht muß man ihr einmal klar machen, daß nicht alle Leute, und vor allem nicht nach dem 2. Weltkrieg Englisch in der Schule lernen konnten und dafür aber trotzdem nicht dumm sind. Und dieses Buch werden dann auch, vielleicht, einige Leute meines Jahrgangs lesen und auch die werden sich mit den seitenweisen Erzählungen über Linsenmaier in englisch schwer tun. Und zur Info: Ich bin eine Vielleserin. – Marlis Funk

 


 

 

Leserbriefe zu „Kampf um Zärtlichkeit“ von Matthias Stolz im ZEIT Magazin

 

Eine anruehrende Geschichte. Bleibt die Frage, ob und wie man den Bedürfnissen des alten Ehepaares hätte gerecht werden können, ohne Dritte zu gefährden. Warum eigentlich wurde zu Beginn der Pandemie in unserer Gesellschaft so viel ueber den Ausbau der Intensivkapazitaeten gesprochen aber kaum ueber Sinn und Möglichkeiten der Palliativmedizin. Wann gibt’s mal was zu lesen ueber Menschen, denen die Pandemie einen willkommenen Grund lieferte, ihre Besuche im Pflegeheim einzustellen? – Susanne Sänger

 

Ich habe gestern Ihren Artikel „Kampf um Zärtlichkeit“ gelesen. Und ich muss jetzt mal schreiben, wie sehr er mich fasziniert hat: ein großartiger Artikel ein reiner Lesegenuss eine emotionale und plastische Beschreibung eine sachlich und fachlich ausbalancierte Darstellung die Hauptlinie bleibt beim Ehemann und seiner Frau – der Sohn kommt vor, aber eher am Rande die Ethik-Professorin und der Heimleiter kommen zu Wort, sie erhalten Gehör und ihre Position und die auf ihnen liegende Verantwortung werden mit Respekt und Transparenz beschrieben der Titel wird konkret erfahrbar: die Sehnsucht nach Zärtlichkeit und die Steigerung des Wunsches bis zum Kampf und bis zu den kleinen Tricks der Schlusssatz rundet den Bogen des Artikels und die Besonderheiten der gesamten Liebesgeschichte der beiden Eheleute in einem ganz kurzen Satz in Vollkommenheit ab.

Ich bin wirklich begeistert über dieses „Werk“ und gratuliere Ihnen sehr und bedanke mich bei Ihnen. Vielleicht finde ich einen Wettbewerb für Journalisten und Autoren, bei dem ich diesen Artikel einreichen kann:, z. B. der Henri-Nannen Preis in der Kategorie „Reportage/ Egon Erwin Kisch-Preis“. Bei mir ist er heute schon ein Gewinner, ich lese viel, mehrere Tageszeitungen, Wochenjournale und Bücher. Meine Mutter war Journalistin und Schriftstellerin und ich habe von ihr ein wenig das Gefühl für Erzählen und Texte „geerbt“. Hier habe ich einen wundervollen Text gelesen, der immer weiter in mir nachklingt. Wow. – Johanna Pfeifer

 

In diesem Artikel wurde das Problem der Einsamkeit während Corona von Anfang an völlig unterschätzt.. Physische Gesundheitpanik verdrängte völlig die Auswirkungen auf die psychischen Folgen. Deshalb der Artikel sehr treffend. Völlig diskriminierend fand ich allerdings die Gegenüberstellung : eher Opi als Professor. Wie bitte , darf ein Professor nicht wie ein „Opi“ ausehen? Welche Lächerlichmachende Aussage sowohl für “ Professoren als auch “ Opis“ . Schade für den sonst guten Beitrag. – Geelke Braun

 

Dieser Beitrag ist ja nicht der erste Bericht über die Schicksale von Menschen in Pflegeeinrichtungen und ihren Angehörigen während dieser Corona-Pandemiezeit. Es ist immer wieder bedrückend und beunruhigend, so etwas zu lesen. Bedrückend, weil es von Leid erzählt, beunruhigend, weil ein Gefühl großer Hilflosigkeit zurückbleibt. Hilflosigkeit deswegen, weil immer wieder berichtet wird, daß sehr unterschiedlich und oftmals weit über die allgemeinen Vorgaben hinaus restriktiv vorgegangen wird und die Betroffenen keine Möglichkeit haben, etwas an ihrer Situation zu ändern, wobei oft noch die Angst hinzukommt, daß es in absehbarer Zeit für sie zu spät sein könnte.

Formal sind die Heimleitungen im Recht. Aber ein Problem bleibt es doch, das Gefühl sagt uns, daß großes seelisches Unrecht geschieht. Wie kann man damit umgehen? Infektionen kann man feststellen, Krankheitsfälle und gar Todesfälle kann man zählen. Das sind unwiderlegbare objektive Maße. Seelisches Leid kann man auch beobachten, jedoch nicht in gleicher Weise messen. Wie wägt man beides gegeneinander ab? Wie kann man solche Probleme im beiderseitigen Interesse der Betroffenen wie auch der Betreiber der Einrichtungen gut lösen? Wer kümmert sich um die Interessenvertretung dieser Gruppen? Wir wissen nicht, wie lange die gegenwärtige Pandemie dauert. Wir wissen ebensowenig, wann wir vielleicht der nächsten ähnlichen Situation gegenüberstehen.

Gegenwärtig sind die Prioritäten in unserer Gesellschaft falsch gesetzt. Bei Spekulationen wann denn vielleicht Fußballspiele wieder in vollen Stadien stattfinden können oder Überlegungen in einzelnen Bundesländern, die Maskenpflicht aufzuheben, usw. hat man den Eindruck, daß sich der Wunsch nach Vergnügen, wirtschaftliche Gesichtspunkte und Geltungssucht in den Vordergrund drängen, während besonnene Abwägung, konstruktive Lösungsentwicklung und Mitleid mit den Randgruppen unserer Gesellschaft in den Hintergrund treten. Unsere Gesellschaft muß sich aber diesen Fragen stellen, denn ‚der Mensch lebt nicht vom Brot allein‘. Und dies gilt nicht nur in Coronazeiten. – Helga Nitsche

 


 

 

Leserbriefe zu „Alles oder nichts (Folge 18)“ von Sophie Passmann im ZEIT Magazin

 

M.E. mindestens ebenso schlimm, ich sage dümmlich ist „Schön, dass sie dabei sind.“ Erstmalig gehört habe ich es in „DAS“ von NDR. Und wenn dann die Moderatorin das auch noch zu einem Gast auf dem roten Sofa sagt, den sie ja eingeladen hat, finde ich es besonders, mit Verlaub“ dämlich. Welcher Redner würde denn vor einem Publikum, das zu ihm gekommen ist sangen: „Schön, dass Sie dabei sind“? Vielleicht kann Frau Passmann dazu auch ein paar Zeilen schreiben. – Jürgen Dittmer

 

Alles gut. Einige sprachlich-kommunikativen Neuheiten nerven einfach (Mami, chill mal dein Leben, zum Beispiel), andere etablieren sich und finden oftmals sogar ihren Weg in den DUDEN. Es gibt eine Redewendung, die bei mir eine recht sportliche Karriere zurückgelegt hat und unter Sprachwissenschaftlern schon seit längerem zerpflückt wird: Die zwei Wörtchen „Alles gut“. Leute! Was war ich genervt, als auf einmal ständig „alles gut“ war!

Du entschuldigst dich, weil du wieder was verdummbaselt hast und der Gepeinigte sagt „Alles gut!“. Dir fällt ein Teller aus der Omas Hochzeitsgeschirr-Sammlung deiner besten Freundin auf den Fliesenboden und während du noch überlegst, ob hier die Haftpflicht greift, sagt sie schon „Alles gut.“ In dir verschwindet gerade das letzte Stück Kuchen, als du den Blick deines Gegenübers wahrnimmst und dir klar wird: „Der wollte auch noch’n Stück.“ Aber, was soll’s? Du brauchst nicht zum Bäcker zu gehen, denn es ist ja: „Alles gut“.

Ich bin halb wahnsinnig geworden, als „Alles gut“ in mein Leben trat. Denn ich gebe zu: Das Misstrauen war groß. Besonders bei der Geschichte mit dem Kuchen. Um es kurz zu machen: „Alles gut“ ist auf Umwegen auch in meinem Sprachgebrauch gelandet. Plötzlich habe ich „Alles gut“ gesagt, wenn jemand was verdummbaselt hat und meine Pläne zerbrachen. Ich habe „Alles gut“ gesagt, als ich 120 Minuten warten musste, weil mich die Sprechstundenhilfe meines Hausarztes vergessen hatte. Und als meine Freundin mir beim Spülen geholfen hat und meinen Lieblings-Kaffeebecher fallen gelassen hat … ihr wisst schon.

Und heute stand ich an der Kasse des Supermarktes meines Vertrauens. Ich war nur dorthin gefahren, um Wasser einzukaufen. Als ich an der Kasse stand und der Inhalt meines Einkaufswagens von der Kassiererin durchgezogen wurde, machte es ca. 25 Mal „Piep“ – und das Wasser hatte ich vergessen. „Jetzt hab‘ ich das Wasser vergessen.“, sagte ich mehr zu mir als zu der freundlichen Kassiererin. „Na, dann holen Sie’s noch mal schnell“, erwiderte sie. Hinter mir standen eintausend Leute mit gefüllten Einkaufswagen. Ich lief los, holte das Wasser und schnaufte zurück zu Kasse. Während mein Wasser durchgepiept wurde, entschuldigte ich mich mit hochrotem Kopf artig bei den Wartenden. „Alles gut!“ schallte es mehrstimmig zurück. Ich habe mich dazu entschlossen, ihnen zu glauben. Das Gefühl ist einfach zu schön. Willkommen „Alles gut“. – Christine Wolter

 

Ich möchte mich ganz herzlich für den Artikel zur Begrüßungsfloskel „Alles gut?“ bedanken. Sie sprechen mir aus der Seele. Genauso blöd finde ich die Floskel „Alles gut.“ z. B. bei “ Tut mir Leid, dass ich zu spät kom-me.“ Antwort: „Nicht so schlimm. Alles gut.“ Ich sage dann immer: „Nein. Es ist nicht alles gut.“ Auch das Lied von vorigem(?) Jahr „Es geht vorbei.“ Es gibt Ereignisse, die gehen nie wirklich vorbei. Die schmerzen noch nach Jahren. Und selbst wenn es irgendwann vorbei geht, tröstet mich das im Moment gar nicht. – Lydia Oleksiuk

 


 

 

Leserbrief zu „Gesellschaftskritik. ÜBER NAMENSKIDNAPPING“ von Peter Dausend im ZEIT Magazin

 

Dausenddank für den wirklich zutiefst „gesellschaftskritischen“ Artikel über „den Wendler“ bzw. die Norbergs. Schlechte Wortwitze, xenophobisch anklingende Anmerkungen über den Nachnamen „Skowronek“, eine kleine Prise Sexismus und platte Boris-Becker-Vergleiche – damit berührt man die Herzen der Deutschen. Dass solche Beiträge tatsächlich im Zeit Magazin und nicht, wo man sie erwarten würde, z.B. in der Bild, zu finden sind, hat mich wirklich überrascht. Ich würde mich freuen, wenn zukünftig Aminata Belli und Sophie Passmann stattdessen mehr Platz im Magazin bzw. in der Zeit zugestanden werden würde, damit sie sich weiterhin bzw. ausführlicher zu wirklich relevanten gesellschaftlichen Themen kritisch äußern könnten. – Hanna Schmitz

 


 

 

Leserbrief zu „Mirko Borsche zweifelt an den Warnfähigkeiten der Corona-App“ von Mirko Borsche im ZEIT Magazin

 

Meinungskolumne schön und gut, aber die Fakten sollten stimmen. 1) mindestens 60% Bereits vielfach geschrieben: 60% wären es, wenn es kein anderes Mittel gäbe: keine MNS-Masken, kein Abstandhalten, keine Händedesinfektion So genügen bereits 15% aller Smartphone-Nutzer um Infektionsketten wirksam zurückzudrängen Bereits vor Erscheinen hatten 15Millionen die App installiert. Das sind weit mehr als 15% der Bevölkerung und noch mal mehr Prozent der Smartphone-Nutzer 2) nicht auf alten Smartphones Überhaupt nur Smartphones die heute noch von Apple mit Software versorgt werden, oder Android 6 haben, haben auch Bluetooth-Hardware, die modern genug ist, um sinnvoll (akkuschonend) für die Warn-App verwendet zu werden. Bei Apple wäre zu kritisieren, dass iPad, Apple-Watch und iPod touch nicht unterstützt werden. Ansonsten aber alle noch einsetzbaren iPhones selbst das alte iPhone SE.

Bei Android zeigt die Entwicklungsumgebung AndroidStudio an, dass 85% aller in Verwendung befindlichen Androidgeräte weltweit die Warn-App unterstützen. Die Geräte in Deutschland dürften im Durchschnitt neuer sein, als der weltweite Wert. Berücksichtigt man, dass alte Geräte als Zweitgerät neben einem neueren verwendet werden und dass diesselbe Person Android und iOS als Privat- und Geschäftstelefon nebeneinander verwendet, dürfte der Anteil der Smartphone-Nutzer, die die Warn-App verwenden können näher an 100% als an 85% liegen. 3) Wochenende Viele Leute haben getrennte Dienst- und Privat-Smartphones. Aber auch bei nur einem Gerät: Flugmodus aktivieren, Telefonie und Internet sind dann ausgeschaltet, Bluetooth funktioniert weiter. Ungestörtes Wochenende und Schutzfunktion gehen zusammen. 4) Quarantäne Niemand muss in Quarantäne. Gibt die App Alarm, dann kann man sich und seine Familie gezielt testen lassen und so nicht nur Infektionsketten unterbrechen, sondern auch sich selbst, seine Kinder, seine Eltern, seine Freunde, seine Bekannten, seine Kollegen aber vorallem und am wichtigsten: mich! schützen. Ist man selber infiziert, kann man über die App alle warnen, die man möglicherweise infiziert haben könnte. Eine zutiefst altruistische App! 5) nicht jeder hat ein Smartphone

Hat einer die App, dann ist sein Umfeld (alle Leute, die die gleichen oder weniger Kontakte haben: ein krankes Familienmitglied zum Beispiel) mitgeschützt. Ein StartUp hat ein Bluetooth-Corona-Warn-Armband entwickelt, das mit der App kompatibel ist, und das ohne Smartphone funktioniert. Stellt sich nur die Frage: Wer bezahlt das? Der Staat, die Krankenkasse, der Nutzer, Bill Gates Stiftung oder George Soros? Mir egal. Hauptsache die Zeit schreibt darüber und das Armband findet schnelle und weite Verbreitung!! 6) Bluetooth ist nicht für Entfernungsmessung gemacht Stimmt, aber Google und Apple haben eine Api bereitgestellt, die diese Anbieter aufgrund ihrer Marktmacht mit praktisch allen verfügbaren Smartphones kallibireren konnten, und so noch das beste aus Bluetooth herausholen, was technisch machbar ist. 7) England Wie es derzeit aussieht, wird England die deutsche App übernehmen. Der Vorteil ist dann, dass Deutsche auch gewarnt werden, wenn sie England bereisen oder in Deutschland einem reisenden Engländer begegnen. Internationale Zusammenarbeit ist eine gute Sache. – Geo Arens

 


 

 

Leserbrief zu „Über Eichhörnchen als Delikatesse und den Umgang mit Tieren“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

 

Immer noch nehme ich beim Eintreffen der Zeit das Magazin heraus und lese als Erstes die Rubrik von Harald Martenstein. Früher mit Freude, dann mit einer gewissen Resignation, zuletzt immer wieder verärgert. Nachdem der bissige Blick auf wirkliche Ärgernisse der Gesellschaft verloren gegangen ist, mussten sein Sohn, sein Dackel oder der Feminismus herhalten, aber nun sind wir bei Eichhörnchenrezepten angelangt, die besser in der Rubrik „Kochen für Waldbewohner“ angebracht wären. Vielleicht sollte ihm die Redaktion mal eine Kreuzfahrt schenken, dann wird der Sinn für die Absurditäten des Lebens vielleicht wieder belebt werden. – Dieter Schöneborn

 


 

 

Leserbrief zur Deutschlandkart „ POMMES UND FRITTEN“ von Matthias Stolz im ZEIT Magazin

 

Als Jugendliche habe ich mich des öfteren gefragt, wieso manche Journalisten dies und das so genau „wissen“ (haben die vielleicht Quellen, die andere Leute nicht kennen?).Daran dachte ich, als ich las: „Im Rheinland spricht man von Fritten, gemeinerweise klingt das am prolligsten, obwohl (…)“. Ich empfinde genau gegenteilig: für mich hört sich „Pommes“ grässlich, falsch, an; wohl nicht deshalb, weil ich Rheinländerin bin, sondern weil ich direkt an der Grenze zu Belgien lebe, wo ich schon als Kind (in den 50er Jahren) oft eine (damals noch Papier-)Tüte Fritten mit Senf, zum Mitnehmen, für 50 Pfennig kaufte. Auf der belgischen Seite der Grenze hießen Pommes frites Fritten, und wir übernahmen die Bezeichnung – da kannte der Rest Deutschlands sie vermutlich noch gar nicht. Der Ausdruck „Pommes“ kam jedenfalls viel später auf. Was man als prollig empfindet, hängt vielleicht davon ab, wie man etwas kennenlernt und dann für normal hält (Sie sind bestimmt um einiges jünger als ich). – Das als Erklärungsversuchs-Angebot, damit Sie nicht etwa auf die Idee kommen, dass Sie über ein besseres Sprachgefühl als ich verfügen. – Claudia Schindel