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19. November 2020 – Ausgabe 48

 

Leserbriefe zu „Denn sie wissen, was sie tun“ von Martin Schröder

 

Nein, sie wissen in den meisten Fällen nicht was sie tun. Sie tun, was zu ihren Talenten und Neigungen passt. Aber damit nehmen sie leider in Kauf, dass sie lebenslang in Berufen arbeiten, die schlechter bezahlt sind als die Berufe, die wie Sie es ausdrücken, „mit Maschinen“ zu tun haben. Warum sind Berufe, die vor allen Dingen von Frauen ausgeübt werden, schlechter bezahlt? Historisch hängt es sicher auch damit zusammen, dass diese Berufstätigkeiten von Frauen oft in Teilzeit ausgeübt worden sind und mehr ein Zusatzeinkommen zum Familieneinkommen darstellten. Das Haupteinkommen wurde vom Mann und Vater eingebracht, der sich dann auch in Streitfragen um die Entlohnung viel entschiedener eingesetzt hat.

Das vermaledeite Ehegatten-Splitting hat das seinige dazu getan. Berufstätigkeit von Frauen war nicht wirklich wichtig und wird über Gebühr besteuert. Immer noch kommt mir das „Jodel-Diplom“ von Loriot dazu in den Sinn. Hier muss endlich eine Veränderung zu einem Familiensplitting kommen. Familienarbeit muss belohnt werden. Zurück zur Ausgangsthese: Diese Konsequenzen bei der Berufswahl sehen die jungen Frauen nicht, oder sie sind ihnen in dem Moment vielleicht sogar noch egal. Eigentlich geht es doch nicht darum, Frauen in andere Beruf zu quatschen, sondern vielmehr für eine ausgeglichene Gerechtigkeit bei der Bezahlung „Menschen“-Berufe zu sorgen. – Constanze Kraus

 

Vielen Dank für diesen Artikel. Gleichberechtigung ist eine feine Sache, Gleichmacherei hingegen wäre Zwang&Haft. Der Teil mit den Pflichten wird dabei gerne unterschlagen. Jemand muss die Kinder erziehen, soll es auch morgen noch eine funktionierende Gesellschaft geben. Die häuslichen, innerfamiliären Pflichten haben über Jahrhunderte im wesentlichen die Frauen getragen und es ist an der Zeit, die Männer (nicht nur hier) mehr in die Pflicht zu nehmen. Die Rechtediskussion ist sicher noch lange nicht am Ende, aber doch schon sehr weit gediehen. Nehmen wir jetzt die Pflichten mehr in den Blick. Von alleine kümmert sich da meist keiner gerne drum. – Sebastian Fontaine

 

Diesen Beitrag habe ich mit Interesse gelesen. Zeigt er doch, dass abseits des Mainstreams stets eine unabhängige Denk- und Betrachtungsweise möglich sein sollte, ohne erhobenen Zeigefinger, ohne Oberlehrer-Weisheiten. Glücklicherweise hat sich die Erkenntnis verbreitet, dass die Kindertagesstätte den Kindern eine bessere Vorbereitung auf die Schule bietet als die Erziehung in der Kleinfamilie. Von gleichwertigen Befähigung der Mehrheit der Eltern ganz zu schweigen. Ich denke dabei auch an die Vielzahl der Alleinerziehenden. Ein anderer Gesichtspunkt ist die Quotenregelung. Diese kann aus meiner Sicht nicht auf Frauen beschränkt werden. Wer A sagt, muss auch B sagen. Dann gehörren z. B. Quoten für Facharbeiter, für Konfessionslose und andere wenig oder garnicht vertretene Teile der Bevölkerung in den Volksvertretungen ebenso dazu. – Schmolling

 

Vielen Dank für Ihren erhellenden Beitrag. Ich vertraue auf die Richtigkeit. Ihnen ist bewusst, dass nicht nur Investmentbanker sondern auch Sie zu denen gehören würden, die höher besteuert werden müssten? Bestimmt. Es wäre wohltuend gewesen, das auch in ihrem Beitrag zu lesen. – Fritjof Möckel

 

Welch eine merkwürdige Argumentation! Es hängt also an der persönlichen Motivation der Frauen (Kinder kriegen oder eben nicht), wenn sie unterschiedlich bezahlt werden?!? Das könnte man vielleicht nachweisen, wenn es bedingungslos eine Bezahlung gäbe, egal ob m/w/d den Job innehaben. Und DA liegt der Hase im Pfeffer! Wenn ein Abteilungsleiter x-tausend Euro/Monat verdient, sollte es völlig egal sein, wer den Job ausfüllt!!! Jeder kriegt die gleichen x-tausend Euro!!! Dann kann der Herr Soziologe gerne Studien ausführen, wie verschiedene Geschlechter mit dem Angebot umgehen. So aber klingt es wie eine verschwurbelte Rechtfertigung des status quo. Schwach. – Wolfgang Michel

 

Ihre wunderbare Erzählung des Emanzipationsparadieses mit dem Titel „Denn sie wissen, was sie tun“ aus der 48. Ausgabe (19. November 2020) lässt mich nicht mehr los. Wie schön es sein muss in der ‚westlichen Moderne‘ zu leben. Was für ein Glück ich habe, dass Sie mich davor schützen mit Rauchmeldern verglichen zu werden. Vielen Dank, dass Sie, als Mann, mich vor den grausamen Gender-Studies bewahren wollen. Eine Bitte habe ich aber: setzen sie doch mal Ihre patriarchale Brille ab, bevor Sie mit uns sprechen. Zu Beginn möchte ich Ihnen zustimmen: denn ja, wir wissen, was wir tun: wir lassen uns nicht für dumm verkaufen, von Menschen wie Ihnen.

Nun möchte ich anmerken, dass die Diskussion um Genderquoten, nicht aus der These resultiert, „dass Frauen es nicht aus eigener Kraft schaffen“ würden, sondern daraus – bitte entschuldigen Sie die folgende Erschütterung Ihres Paradises –, dass in der vermeintlich so emanzipierten und modernen Gesellschaft, Gleichberechtigung nicht nur durch einen Artikel 3 im Grundgesetz vollendet ist. Wenn Sie so ausführlich über die Gender-Pay-Gap informieren möchten, dann lege ich Ihnen ans Herz, anders als gewisse frustrierte Stimmen der Gesellschaft, weitere Bausteine des Patriarchats aufzuzeigen. Just erhobene Daten der Böckler Studien zur Coronakrise und zu 30 Jahre Deutsche Einheit, zeigen erneut auf wie patriarchal die binären Geschlechter in unserer Gesellschaft ihre Rollen erfüllen müssen. Niemand möchte negieren, dass die Gender-Pay-Gap deutlich kleiner geworden ist, als sie es in den Siebzigerjahren noch war.

Soll ich mich jetzt aber freuen, dass ein Mann nur noch 6 Prozent mehr verdient, bei gleicher Leistung, gleicher Arbeit und gleichen Qualifikationen (Antidiskriminierungsstelle 2018)? Komischerweise kommt keine Freude in mir auf, wenn ich diese Zahl lese. Nun sprechen Sie von der unbereinigten Gender-Pay-Gap von 20 Prozent, welche verschwinde, wenn die höhere Motivation zur Elternschaft bei Frauen betrachtet werden würde. Die Lohnlücke, die Sie beschreiben, scheint sich nur aus der Entscheidung zur Mutterschaft zu ergründen. Vielleicht, so möchte ich es wagen, speist sie sich aber auch aus anderen Prozessen, wie dem der Sozialisation? Wenn Kinderspielzeugläden den Mädchen das Schönheitslabor und den Jungen das Chemielabor zum Spielen vorlegen, die ‚Mädchenabteilung‘ quasi nur aus Spielzeugküchen, -Haushaltsgeräten und Puppen besteht, während die ‚Jungenabteilung‘ mit Spielzeug aus verschiedensten Berufsbranchen geschmückt ist, dann frage ich Sie, wohin könnte das führen?

Genau, dazu, dass Jungen und Männer von klein auf Zukunftsideen und -Möglichkeiten sehen, während Frauen und Mädchen, so paradiesisch Sie es beschrieben haben, entweder nicht-arbeitende Mütter sein wollen oder arbeitende Nicht-Mütter. So ließe sich auch erklären, warum in Ihrem ‚Paradies‘, die Mädchen ihre ‚geschlechtertypischen‘ Berufe wählen, nicht weil typisch, sondern weil erlernt. Ja, das nenne ich Emanzipation. Ich bin so emanzipiert, dass mein ganzes Dasein als Frau aus der Entscheidung besteht, Mutter zu werden oder nicht (Achtung: Ironie). Und wenn ich dann als Mutter arbeiten möchte, ist die logische Schlussfolgerung, dass ich es nicht wichtig finde, mich um meine Kinder zu kümmern (Achtung: nochmal Ironie). Vielleicht können die 6 Prozent Gehaltsunterschied Kinder davor schützen unter arbeitenden Müttern zu leiden?

Vielleicht haben Sie Recht und es gibt keine unsichtbare Macht, die Frauen Zugänge und Aufstiegschancen verschließt, sondern Frauen entscheiden sich emanzipatorisch für eine schlechtere Bezahlung und verbauen sich selber den Weg? Schocker: die unsichtbare Macht, so mutig bin ich jetzt mal, gibt es und kann sogar relativ sichtbar gemacht werden: Männerdomänen in Vorständen, die Frage nach Kindern und Familie in Bewerbungsgesprächen (,welche gerade Frauen gestellt werden), Frauen zugeschriebene Eigenschaften wie Schwäche, Emotionalität, Sensibilität usw. (Entschuldigung für die Reproduktion). Ich empfehle Ihnen sehr, sich etwas mehr mit den Geschlechterlücken zu beschäftigen, dann fällt Ihnen schnell auf, dass die Lohnlücke durch Arbeitszeit, Sorgearbeit oder Teilhabe beeinflusst wird.

Und diese Effekte gründen beispielsweise auf der Annahme, dass Kinder ohne Mütter leiden, dass Frauen entweder Mutter oder nicht Mutter sind und sich danach auch beruflich entscheiden. Das Ziel der Gender-Studies oder feministischer Forschung ist es auf keinen Fall eine weibliche Entscheidung in Frage zu stellen (, das macht tatsächlich keinen Sinn,), sondern eben den Zwang hinter Positionen von Frauen zu ergründen. Es wird Frauen keine Passivität unterstellt, sondern der Politik, Unternehmen und Wissenschaft eine Aktivität der Produktion von Rollenbilder, die Fortpflanzung und eine heteronormative Arbeitsteilung ‚sichern‘, nachgewiesen. Ja, wir wissen was wir tun: wir werden die Lücken schließen, ob Sie es wollen oder nicht.

Vielleicht gehe ich jetzt zu weit, aber ich möchte noch eine weitere Erschütterung ihres Paradieses wagen: vielleicht legen Sie auch mal Ihre postkolonialistische, westzentrierte Brille ab, bevor Sie mit uns sprechen. Der Vergleich von der ‚westlichen, emanzipierten Moderne‘ mit ‚nicht-westlichen, zurückgebliebenen Ländern und Kulturen‘ sollte selbst Ihnen langsam bitter aufstoßen. Ich enttäusche Sie nur ungerne, aber ich glaube es ist nicht mehr zu leugnen, dass die ‚westliche Welt‘ noch weit von Gleichberechtigung, sei es Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft usw., entfernt ist. Und, dass Artikel wie Ihrer, den Schein der Gleichberechtigung aufrechterhalten und das System schützen, stützen und produzieren. Ja, wir wissen was wir tun: wir lassen uns nicht verblenden und stummschalten von westzentrierten scheinheiligen Paradiesvorstellungen! Emanzipation kann die Entscheidung zur Karriere oder die Entscheidung dagegen sein.

Nur übersehen sie, dass eine Entscheidung frei und unfrei, beeinflusst und unbeeinflusst sein kann. Und das ist der Knackpunkt, der uns beide unterscheidet: ich glaube daran, dass wir alle in unseren Entscheidungen durch Sozialisation, durch gesellschaftliche Rollen und Überzeugungen wie Ihre beeinflusst sind! In einem möchte ich Ihnen aber gerne Recht geben: unsere Gesellschaft benötigt dringend eine Umverteilung der finanziellen und sozialen Wertschätzung von Berufen. Nochmal: vielen Dank für Ihre pseudo-feministischen Worte, welche jede Unterdrückung von Frauen negieren und jeden gesellschaftlichen Fortschritt blockieren. Und ja wir wissen was wir wollen und wir wissen was wir tun: weiterhin für Gleichberechtigung kämpfen! – Emma Bombien

 

Erfreut stelle ich als lanjähriger Abonnent der ZEIT fest, dass Sie dem Meinungspluralismus breiteren Raum einräumen. Ich beziehe mich auf Martin Schöders Artikel „Denn sie wissen, was sie tun“ in der ZEIT Nr. 48, S. 13. Endlich einmal trauen Sie sich, den ewigen feministischen Opfererzählungen eine kritische Position gegenüberzustellen. Es wäre wünschenswert, wenn Sie auf diesem Weg fortfahren würden. Sie würden mich als Abonnenten nicht verlieren.

Auch das Thema Gendern von Sprache, so abgelutscht es auch mittlerweile zu sein scheint, verdient eine Neuaufnahme. Es muss meiner Meinung nach neu und öffentlich darüber diskutiert werden. Nicht wiegegendert werden soll, ist die Frage, sondern ob! Ich hänge Ihnen meinen Essay „Richtig gendern? Nein, Gendern richtig kritisieren!“ an und hoffe auf Ihr Interesse. Als Autor, Verleger und Sprachwissenschaftler kritisiere ich das Gendern aus sprachwissenschaftlicher Perspektive, erfahre aber von den Befürwortern nur ignorantes Schweigen, Beschimpfungen und Etikettierungen. Der Diskurs wird verweigert. Das muss sich ändern.

Essay: Richtig Gendern? Nein, Gendern richtig kritisieren! Führt „geschlechtergerechte Sprache“ zu mehr Geschlechtergerechtigkeit? 1. Gendern verkennt den Unterschied zwischen grammatischem „Geschlecht“ (Genus) und biologischem Geschlecht (Sexus) Im Deutschen gibt es drei Genera (Plural von Genus): männlich/maskulinum, weiblich/femininum und sächlich/neutrum. Einige Beispiele dazu: Genus maskulinum: der Baum, der Tisch, der Storch, der Mond, der Sex, der Tod, der Büstenhalter, der Feminismus … Genus femininum: die Blüte, die Vase, die Amsel, die Sonne, die Geburt, die Sexualität, die Mannschaft, die Polizei … Genus neutrum: das Blatt, das Hemd, das Leben, das Weltall, das Ende, das Desaster, das Bett, das Alibi …

Die folgenden Beispiele zeigen, dass Genus und Sexus nicht deckungsgleich sind: Sexus männlich: der Mann, der Junge, das Männchen, der Star, die Flasche (im übertragenen Sinn), die Niete, die Landplage, der Schatz … Sexus weiblich: die Frau, das Girl, das Mädchen, die Herrin, das Weibchen, der Star, der Dummkopf, die Niete, der Neuling, der Schatz … Was wird hier sichtbar? Die grammatischen „Geschlechter“ (Genus, pl. Genera) folgen nicht der Logik des Sexus, des biologischen Geschlechts, sondern sie sind historisch gewachsen, sie sind sprachliche Übereinkünfte. Bis heute hat die Sprachwissenschaft zwar einige Erklärungsansätze, aber keine plausible Erklärung für die Entstehung der Genera gefunden. Der deutsche Begriff „Geschlecht“ für das lateinische „Genus“ ist im Übrigen eine unglückliche Übersetzung und stiftet Verwirrung, ebenso die Begriffe „männlich“, „weiblich“ und „sächlich“.

Besser wäre „Genus 1, 2, 3“. Es spricht einiges dafür, dass diese eigentlich irreführenden Bezeichnungen neben feministischen und sprachpsychologischen Überlegungen die Sprachaktivistinnen erst auf die Idee gebracht haben, die deutsche Sprache sei eine „Männersprache“ (L. Pusch) und müsse zu einer „Frauensprache“ (S. Trömel- Plötz) umgeformt werden. Genus und Sexus haben jedoch nur in wenigen Fällen direkt miteinander zu tun, zum Beispiel dann, wenn Lebewesen allgemein oder Menschen und ihre Funktionen/Rollen/Tätigkeiten/Berufe bezeichnet werden. Die meisten Nomen stehen im Deutschen übrigens im Femininum, weil alle Nomen auf die Suffixe (Endungen) -e, -ei, -ung, -heit, -keit, – igkeit, -schaft, -tion, -lichkeit, -ligkeit „weiblich“ sind (z. B. die Mannschaft). Nomen mit der Endung -ismus sind dagegen alle „männlich“ (z. B. der Feminismus), Diminutive sind alle „sächlich“ (z. B. das Schätzchen).

Autos sind „männlich“ (der Opel), Schiffe „weiblich“ (die Andrea Doria). Die Verteilung ist 46% femininum, 34% maskulinum, 20% neutrum. Sieht so eine „Männersprache“ aus? Sätze wie „Er ist eine Landplage“ oder „Sie ist ein Schatz“ oder „Sie ist ein Star“ sind normgerechte Sätze der deutschen Sprache. Niemand (außer Sprachaktivistinnen?) käme von selbst auf die Idee zu sagen „Er ist ein Landplag“ oder „Sie ist eine Schätzin“ oder „Sie ist eine Starin“. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass bei den Sammelformen für Lebewesen alle drei Genera zur Anwendung kommen. Für die männlichen bzw. weiblichen Individuen einer Spezies gibt es (teilweise) eigene Formen.

Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass Genus und Sexus unterschieden werden müssen: Genus maskulinum: der Mensch/Menschen/der Mann/die Frau; der Elefant/Elefanten/der Elefantenbulle/die Elefantenkuh; der Specht/Spechte/das Weibchen/das Männchen usw. Genus femininum: die Katze/Katzen/die Katze/der Kater; die Mücke/Mücken/das Männchen/das Weibchen; die Schlange/Schlangen/das Männchen/das Weibchen usw. Genus neutrum: das Kind/Kinder/der Junge/das Mädchen; das Rind/Rinder/die Kuh/der Stier bzw. Ochse; das Pferd/Pferde/die Stute/der Hengst usw. Gute Beispiele für die notwendige Unterscheidung zwischen Genus und Sexus sind bei der Spezies Mensch „die Person“ und „der Mensch“. Das Genus ist femininum bzw. maskulinum, aber es sind natürlich alle Geschlechter (und sexuelle Orientierungen) eingeschlossen.

Niemand (außer Sprachaktivistinnen?) käme auf die Idee, dass mit „Personen“ nur Frauen und mit „Menschen“ nur Männer gemeint sein könnten. Ebenso bei „das Individuum“, das vom Genus her neutrum ist, aber natürlich alle Individuen aller Geschlechter einschließt. Für die Nichtübereinstimmung von Genus und Geschlecht ist „Geschwister“ ein besonders anschaulicher Fall: grammatikalisch ein Neutrum, vom Wortstamm her weiblich und in der Bedeutung sexusneutral. Es wäre unsinnig zu fordern, es z. B. in Gesetzestexten im Zuge des allgemeinen Genderns zu ersetzen mit „Geschwister und Gebrüder“, denn die Gebrüder sind in den Geschwistern mitenthalten. So ergibt etwa der Satz „Die Ehe zwischen Geschwistern und Gebrüdern (oder auch: zwischen Schwestern und Brüdern) ist untersagt“ keinerlei Sinn. (Den Hinweis verdanke ich A. Brühlmeier.)

Fazit: Gendern geht in einigen Fällen gar nicht, weil die Begriffe nicht auf den Sexus bezogen werden können. der Mensch die Person Deutsche der Laie der Star das Mitglied der Bösewicht der Schatz die Autorität das Model der Kumpel (Ein schönes Beispiel für originelles Gendern ist die „Kumpeline“ aus dem alten DDR-Wortschatz.) Mensch*innen? ? ? Lai*innen? die Gastin/Gästin? ? ? ? ? ? Müllers sind Schweizer*innen? die Menschin? ? Deutsch*innen? die Laiin? Menschen Personen der Vormund Laien die Starin? Mitglieder*innen? ? ? ? ? die Kumpeline (!) der Gast die Leiche der Nichtsnutz der Dummkopf die Persönlichkeit das Luder Müllers sind Schweizer Die folgende Zusammenstellung zeigt, dass die existierenden Formen der deutschen Sprache eine angemessene Ansprache aller Personen unterschiedlichen Geschlechts erlauben:

– Bei einzelnen Personen: „der/ein Wähler“ (m), „die/eine Wählerin“ (f) – Bei mehreren Personen beiderlei Geschlechts: „die Wähler“(m) und/oder „die Wählerinnen“ (f), in der Anrede: „Liebe Wählerinnen und Wähler …“ – Bei unbestimmer Anzahl von Personen und bei unbekannter Verteilung der Geschlechter wird das generische Maskulinum verwendet: „der Wähler“, „die Wähler“, „Wähler“ Beispielsätze: „Der Wähler hat gesprochen.“, „Wähler sind manchmal unberechenbar.“, „Die Wähler werden aufgefordert, die Kabinen zu benutzen.“ aber auch die Doppelform ist akzeptabel: „Die Wählerinnen und Wähler werden aufgefordert …“, wenn ausdrücklich gemischtgeschlechtliche Gruppen angesprochen sind. Eigentlich ist die Doppelnennung nicht notwendig, aber ich betrachte sie in der direkten Anrede (und nur dort!) als Geste der Wertschätzung. Wo liegt hier das Problem? Der Zankapfel ist seit den Anfängen des Genderns das generische Maskulinum.

Die feministischen Sprachwissenschaftlerinnen und die Befürworter des Genderns behaupten, im generischen Maskulinum „die Wähler“, „(der) Wähler“, „Wähler“ würden die Frauen „unsichtbar gemacht“. Bei einem Ausdruck wie „die Wähler“ würden (ausschließlich) Männer angesprochen, die Frauen würden lediglich „mitgemeint“. Die Sprachaktivistinnen wirken deshalb darauf hin, dass zukünftig von Wählenden (oder Wähler*innen) gesprochen wird. In der substantivierten Partizipform „Wählende“ oder mit dem Gender- Stern seien alle Geschlechter angesprochen. Diese Sichtweise ist aber nur nachvollziehbar, wenn man wenig Wissen über das Sprachsystem und die Gender-Brille (s. u.) auf der Nase hat. Sprachwissenschaftlich gesehen sind generische Pluralformen wie z. B. „die Wähler“ oder Sammelbegriffe wie „(der) Wähler“ im Hinblick auf den Sexus neutral. Es sind unmarkierte Sammelformen, sie bezeichnen einfach nur Personen, die wählen.

Es werden weder Frauen noch Männer „gemeint“ oder „mitgemeint“, sondern alle wählende Menschen/Personen sind eingeschlossen, unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht. Für die Ansprache von Frauen stehen im Deutschen eigene Formen bereit: „Wählerin“ kann nur „weibliche Person, die wählt“ bedeuten, weil das zugrunde liegende Wort „Wähler“ „Person, die wählt“, bedeutet und nicht „männliche Person, die wählt“. Der Vorwurf, die Frauen würden im generischen Maskulinum „unsichtbar“ gemacht, läuft bei Licht betrachtet ins Leere. Ein Beispiel dafür, wie das generische Maskulinum als Sammelform funktioniert:

Eine Zeitung schreibt: a) „Heute wenden wir uns an unsere Leser.“ b) „Heute wenden wir uns an unsere männlichen Leser.“ c) „Heute wenden wir uns an unsere weiblichen Leser.“ oder d) „Heute wenden wir uns an unsere Leserinnen.“ Das Beispiel zeigt, dass die Sätze b) und c) nur Sinn ergeben, wenn mit dem generischen Maskulinum „Leser“ in Satz a) alle angesprochen sind, unabhängig vom biologischen Geschlecht. Auch der Ausdruck „weibliche Leser“ ist nur so sinnvoll. Wenn die Redaktion mit Satz a) nur die Männer gemeint hätte, wäre die Kommunikation mit den Lesern gescheitert. Bei Satz d) sind wie bei c) nur die Frauen angesprochen. Der Mainstream-Feminismus und insbesondere die Gender-Theorie in Form des Gender- Mainstreaming haben jedoch in den letzten Jahren die Wahrnehmung einiger Aktivistinnen (und ihrer Nachahmer) so verändert, dass sie im generischen Maskulinum ein Feindbild sehen, das bekämpft werden muss.

Genus wird mit Sexus gleichgesetzt, so dass alles, was an der Sprache irgendwie „männlich“ klingt oder aussieht, abgelehnt wird. Das ist eine schon fast zwanghaft zu nennende Fixierung auf das Geschlecht. Ich nenne diese Verschiebung der Wahrnehmung „Gender-Brille“. In der geschriebenen, gegenderten Sprache sind mehrere Varianten im Umlauf: Wähler(innen), Wähler/innen, WählerInnen, Wähler_innen, Wähler*innen, Wähler:innen, Wählx, Wählas Diese Schreibweisen sind streng genommen Verstöße gegen die deutsche Rechtschreibung. Ein Problem ist auch die Aussprache. Wie sollen z. B. der Gender-Stern, das Binnen-I, der Doppelpunkt, der Gender-Gap oder das x gesprochen werden?

Nehmen die Befürworter des Genderns im Ernst an, dass sich bei der Mehrheit der Sprecherinnen und Sprecher der deutschen Sprache der stimmlose glottale Verschlusslaut für die Aussprache des Gender-Sterns oder des Gender-Gaps durchsetzen werden? Ein Streitfall sind auch einige Pronomen wie „jeder“, „keiner“, „jemand“, niemand“, „man“, „jedermann“ usw. Auch bei ihnen unterstellen die Sprachaktivistinnen, es seien nur Männer damit angesprochen. Das ist nicht der Fall, es sind Sammelformen, deren „männliche“ Formen der Sprachökonomie geschuldet sind. Das Geschlecht spielt keine Rolle, wenn ich sage: „Keiner ist gekommen.“ oder „Man sieht sich.“ oder „Da kommt jemand.“ Mehr zum besonders diskriminierten Indefinitpronomen „man“ unter https://grammis.ids-mannheim.de/progr@mm/5204 Es hat sich in Sachen Emanzipation von Männern und Frauen in den letzten Jahrzehnten erfreulicherweise viel verändert. Die Sprache wird diesen Veränderungsprozess dann über den Gebrauch mit der Zeit abbilden.

Wie das konkret geschehen wird, ist offen. Für den Sprachwandel von unten braucht es jedenfalls keine feministische Sprachpolitik von oben. Fazit: Dass Sprachaktivistinnen das generische Maskulinum bekämpfen – offenbart Unkenntnis der sprachlichen Grundtatsachen, – hat keine sprachwissenschaftliche Grundlage, – baut überflüssigerweise falsche Fronten auf, – führt zur Spaltung der Sprachgemeinschaft und – ist für die Sache der Frauen kontraproduktiv. Leider geschieht es im Eifer des Gefechts allzu häufig, dass nicht nur das generische Maskulinum als Feindbild aufgebaut wird, sondern die Männer oder alles Männliche gleich mit. Dann wird es vollends ideologisch. Ich stelle mir dann allerdings die Frage, ob es die feministischen Aktivistinnen für möglich halten, männerfeindlich zu sein, ohne gleichzeitig menschenfeindlich zu sein.

2. Sprechen und Denken – ein komplexer Zusammenhang Das Verhältnis von Sprache und Bewusstsein oder Sprechen und Denken ist eins der schwierigsten Kapitel der Sprachphilosophie und der Psycholinguistik. Eine Untersuchung und vorläufige Beantwortung der Frage, wie Sprechen und Denken zusammenhängen, ist aber wesentlich sowohl für das Gendern wie auch die Kritik daran. Das Problem ist, dass sich die relevanten Vorgänge im Gehirn abspielen und dass sie dort behandelt werden als black-box-Phänomene, wie das die Hirnforschung generell tun muss, auch wenn sie inzwischen raffinierte bildgebende Verfahren entwickelt hat.

Meine Kritik an den Sprachaktivistinnen ist, dass sie den Zusammenhang zwischen Sprache/Sprechen und Bewusstsein/Denken unzulässig vereinfachen und damit die wahren Faktoren des Sprachwandels verkennen. Die Gender-Theorie sowie die Sprachaktivistinnen unterstellen einen unmittelbaren, manchmal sogar linearen Zusammenhang zwischen Sprechen und Denken nach dem Muster: Die Sprache beeinflusst das Denken, also müssen wir die Sprache ändern, damit sich das Denken ändert. Deshalb kann überhaupt erst die Idee aufkommen, dass über feministische Sprachpolitik (Gendern) ein neues Denken (in Richtung mehr Geschlechtergerechtigkeit) gefördert werden könnte. Sie treiben damit die Sapir-Whorf-Hypothese auf die Spitze, eine Theorie, die schon längst nicht mehr Stand der Forschung ist und nur noch in modifizierter Form Gültigkeit beanspruchen kann.

Die Macht der Sprache wird überbewertet, es sind schon fast sprachmystische Vorstellungen im Spiel. Interessant dazu das Video von Philipp Hübl „Macht und Magie der Sprache“ https://www.youtube.com/watch?v=7Hw-hWtix8E Der Zusammenhang zwischen Sprechen und Denken ist bei genauerer Betrachtung wesentlich komplexer, als es die Sprachaktivistinnen suggerieren. Die Beeinflussung ist mindestens eine wechselseitige. Die Sprache beeinflusst das Denken – das Denken (und noch mehr die gesellschaftlichen Realitäten sowie die kommunikativen Erfordernisse) beeinflussen die Sprache. Unsere Sprache bildet die Welt ab, wie wir sie wahrnehmen. Sie ist ein wesentlicher Teil unseres Modells von der Welt. Sie ist Mittel der Verständigung und Quelle von Missverständnissen, sie ruft Gefühle und Bilder hervor, sie lenkt unsere Assoziationen. Die sprachliche Verpackung eines Sachverhaltes („framing“) spielt für die Akzeptanz einer Sache eine große Rolle. „Framing“ ist z. B. in der Werbung und in der Politik ein zentrales Mittel zur Beeinflussung der Adressaten. Framing ist auch, die gegenderte Sprache „gerecht“, „sensibel“ oder „inklusiv“ zu nennen. Damit wird signalisiert, dass die ungegenderte Sprache „ungerecht“, „unsensibel“ und „exklusiv“ ist.

Die implizite Botschaft ist: „Gendern ist gut, nicht gendern ist schlecht“. Adjektive bzw. Eigenschaften wie „gerecht“ kommen aber nicht der Sprache zu, sondern den Menschen, die sie sprechen. Auch jemand, der korrekt gendert, kann sich ungerecht, unsensibel und ausgrenzend verhalten. Es ist unbestritten, dass es mannigfache Versuche gegeben hat und gibt, Menschen durch Sprachvorschriften und Sprechverbote zu lenken und zu manipulieren. Diese Versuche beschränken sich aber meist auf totalitäre Systeme, die glaub(t)en, sie könnten die Menschen kontrollieren, wenn sie die Sprache kontrollieren. Das kann auch funktionieren, jedenfalls solange die totalitären Systeme genug Druck aufbauen. Nach dem Ende dieser Systeme kehren die Menschen in der Regel aber wieder zu ihrer normalen Sprache zurück. Von sprachaktivistischer Seite werden oft Befragungen oder psycholinguistische Studien ins Feld geführt, die zeigen sollen, dass bestimmte Begriffe ausschließlich oder überwiegend männlich konnotiert sind.

Daraus wird dann der Schluss gezogen, dass die Sprache durch Zusatzzeichen wie Doppelpunkt, Innen, /innen,*,x, a etc. oder durch die Verwendung des generischen Femininums als Standardform „verweiblicht“ werden müsse. Dass bei generisch maskulinen Ausdrücken wie Ingenieure, Ärzte, Experten, Forscher etc. vorwiegend Männer assoziiert werden, liegt jedoch nicht an der Sprache oder der Boshaftigkeit der Männer, sondern an den historisch entstandenen (aktuellen) Realitäten. Das wird sich erst dann ändern, wenn sich die Realitäten ändern, wenn also Frauen in nennenswerter Anzahl zum Beispiel den Ingenieursberuf ergreifen. Bei Erzieher, Hebamme, Küchenpersonal etc. werden fast immer Frauen assoziiert. Auch das wird sich nur ändern, wenn mehr Männer sich zum Beispiel für den Erzieherberuf entscheiden.

Es ist naiv, zu glauben, dass mehr junge Frauen den Ingenieursberuf wählen, wenn von „Ingenieur*innen“ die Rede ist statt von „Ingenieuren“. Dazu sind ganz andere Voraussetzungen nötig, nämlich nachhaltiges Interesse an Mathematik, Naturwissenschaften und Technik. Die Sprache wird sich dann ebenfalls ändern, falls eine Mehrheit der Sprecherinnen und Sprecher eine Änderung für nötig und praktikabel hält. Sie verändert sich nicht durch wie auch immer motivierte Eingriffe, Vorschriften oder Empfehlungen von oben, sondern durch den alltäglichen Sprachgebrauch. Nicht alle Veränderungen setzen sich durch, manche verschwinden auch wieder. Festzuhalten ist, dass neue Begriffe auf Grund von Veränderungen in der gesellschaftlichen Realität entstehen.

Das Internet als neue Technologie hat zum Beispiel in kurzer Zeit eine Menge neuer Begriffe hervorgebracht: googeln, downloaden, scannen, bloggen usw. Auf der lexikalischen Ebene ist das relativ unproblematisch. Diese Begriffe werden wahrscheinlich in kurzer Zeit zu ganz selbstverständlichen Bestandteilen der deutschen Sprache werden. Auf der grammatischen Ebene und der Ebene des Sprachsystems ist der Sprachwandel wesentlich komplizierter. Was sich in unseren Gehirnen beim Hören und Verwenden gegenderter Sprachformen (wie z. B. „Wähler*innen“) abspielt, lässt sich empirisch nur schwer fassen.

Es nützt nichts, Hirnströme zu messen und zu interpretieren. Man kann nur Hypothesen aufstellen und sie durch repräsentative Befragungen überprüfen. Etwa so: – Ein Teil der Sprecherinnen und Sprecher hat eine positive Einstellung zum Gendern und wird ‚Wähler*innen‘ als Bestätigung der eigenen Einstellung interpretieren. – Ein Teil wird denken: Ist mir doch total egal. – Ein anderer Teil wird achselzuckend darüber hinweggehen und denken: Was ist denn das für ein seltsamer Rechtschreibfehler? – Wieder ein anderer Teil fühlt sich durch den Gender-Stern provoziert und ärgert sich über die Verhunzung der Sprache durch die Sprachaktivistinnen.

Dazwischen und daneben gibt es wahrscheinlich noch eine ganze Reihe anderer Reaktionen. Repräsentative Umfragen ergeben, dass eine Mehrheit von durchschnittlich 60% bis 80% der Sprecherinnen und Sprecher des Deutschen das Gendern ablehnt, 15-20% ist es egal, und ca. 5-10% wenden es mehr oder weniger konsequent an. Warum also die Aufregung, und warum mein Engagement gegen das Gendern? Ich mache meine Kritik am Gendern öffentlich, weil ich den Eindruck habe, dass es in Parteien, Universitäten, Verwaltungen auf Grund moralischen und politischen Drucks ungehindert um sich greift, ohne dass seine politische Legitimation, seine wissenschaftliche Basis und seine gesellschaftliche Sinnhaftigkeit breit diskutiert worden wären. Mich ärgert zudem, dass sich die Sprachaktivistinnen meist der Sachdiskussion entziehen und sich auf ihr Framing und ihre „richtige“ Gesinnung berufen.

Das finde ich intellektuell unredlich. 3. Gendern macht die deutsche Sprache komplizierter und nicht schöner Ein Angestellter des Baseler Gesundheitsdepartements protokolliert die Sitzung eines Ausschusses und liefert folgenden Text ab (Auszug): „Bereits die mildeste und häufigste Form der Trennung einer ‚Rolle des Verantwortungstragens‘ (Arzt) von einer ‚Rolle des sich-Anvertrauens und sich-Unterordnens‘ (Patient) reduziert die Eigenverantwortlichkeit, mit der der Patient Entscheidungen in Bezug auf seine Gesundheit trifft. Damit wird der ‚beratende Arzt‘ zum entscheidenden Arzt. In bestimmten Situationen hat der Patient und der Arzt natürlich keine andere Wahl (zum Beispiel bei einer Notfallbehandlung eines Bewusstlosen).

Doch bereits die Entscheidung, ob ein vom Arzt empfohlener Wahleingriff durchgeführt werden soll, will der mündige Patient in Eigenverantwortlichkeit selbst treffen. Demgegenüber nimmt der unmündige Patient seine Eigenverantwortlichkeit nicht wahr, ohne dass er durch zwingende Gründe daran gehindert würde.“ Das ist ein recht sperriger Text, wie er in Verwaltungen und Behörden jedoch an der Tagesordnung ist, er ist aber noch einigermaßen verständlich. Der Protokollant hat selbstverständlich die generischen Formen benutzt: der Arzt, die Ärzte, Ärzte = Menschen, die den Arztberuf ausüben, Sexus spielt keine Rolle der Patient, die Patienten, Patienten = Menschen, die in ärztlicher Behandlung sind, Sexus spielt keine Rolle der Bewusstlose, eines Bewusstlosen = Mensch, der das Bewusstsein verloren hat, Sexus spielt keine Rolle Nach kurzer Zeit bekommt er den Text zurück mit der Anweisung:

„In dieser Behörde wenden wir laut Beschluss vom Soundsovielten die geschlechtergerechte Sprache an. Bitte benutzen Sie die aktuellen Gender-Anweisungen!“ Der Angestellte grummelt vor sich hin, aber er setzt sich an seinen Schreibtisch, kramt die Anweisungen hervor, und nach geraumer Zeit entsteht folgender Text: „Bereits die mildeste und häufigste Form der Trennung einer ‘Rolle des Verantwortungstragens’ (Arzt/Ärztin) von einer ‘Rolle des sich-Anvertrauens und sich-Unterordnens’ (Patient/in) reduziert die Eigenverantwortlichkeit, mit der der/die Patient/in Entscheidungen in Bezug auf seine/ihre Gesundheit trifft. Damit wird der/die ‘beratende Arzt/Ärztin’ zum/zur ‘entscheidenden Arzt/Ärztin’.

In bestimmten Situationen haben der/die Patient/in und der/die Arzt/Ärztin natürlich keine andere Wahl (zum Beispiel bei einer Notfallbehandlung eines/einer Bewusstlosen). Doch bereits die Entscheidung, ob ein vom/von der Arzt/Ärztin empfohlener Wahleingriff durchgeführt werden soll, will der/die mündige Patient/in in Eigenverantwortlichkeit selbst treffen. Demgegenüber nimmt der/die unmündige Patient/in seine/ihre Eigenverantwortlichkeit nicht wahr, ohne dass er/sie durch zwingende Gründe daran gehindert würde.“ (zit. Nach A. Brühlmeier, Sprachfeminismus in der Sackgasse, Deutsche Sprachwelt, 2009, http://www.bruehlmeier.info/sprachfeminismus.htm )

Bei diesem zweiten Text handelt es sich um das Original des Protokolls! Ich habe bewusst ein Textbeispiel aus einer Behörde ausgewählt, weil dort (und nicht nur in Basel!) die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten die Deutungshoheit über die Sprache und das Sprechen übernommen haben. Dasselbe gilt für Universitäten, Kirchen, Gewerkschaften und manche Parteien. Die sprachaktivistische Lobby hat es geschafft, die Kritiker und Verweigerer des Genderns in diesen Institutionen in den moralischen Schwitzkasten zu nehmen und mit Sanktionen zu drohen. Hätte der Angestellte das Gendern verweigert, wäre er mindestens abgemahnt worden.

Er wäre von Kolleginnen geschnitten worden, und wahrscheinlich hätte man ihm Etiketten wie „frauenfeindlich“, „reaktionär“, „gestrig“ aufgeklebt, vielleicht sogar „rechts“. Das ist alles nicht strafbar, aber es vergiftet die Atmosphäre und den Diskurs. Als Kritiker des Genderns habe ich folgende Fragen dazu: – Liest sich dieser Text noch flüssig? Animiert er zum Lesen? (Machen Sie einen Versuch!) – Können Menschen, die mit der Sprache Schwierigkeiten haben, diesen Text einigermaßen lesen und verstehen? (Machen Sie einen Versuch und lassen Sie einen bildungsfernen Menschen den Text lesen!) – Ist ein solcher Text für Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist oder die gerade Deutsch lernen, ansprechend? (Machen Sie den Versuch und legen Sie den Text einem Menschen vor, der gerade Deutsch lernt!)

– Worin besteht hier der Gewinn für mehr Geschlechtergerechtigkeit? (Machen Sie einen Versuch und fragen Sie Menschen auf der Straße!) Nun ist die Baseler Gender-Variante nicht die einzige, die im Umlauf ist, sie ist auch schon etwas älter. Je nachdem, welche Feminismus-Fraktion man befragt, gibt es zurzeit andere Formen des Genderns (Gender_Gap, Binnen-I, (-innen), /-innen, x, a usw.). Die aktuellste und „geschlechtergerechteste“ würde wahrscheinlich so aussehen: „Bereits die mildeste und häufigste Form der Trennung einer ‚Rolle des Verantwortungstragens‘ (Ärzt*in) von einer ‚Rolle des sich-Anvertrauens und sich-Unterordnens‘ (Patient*in) reduziert die Eigenverantwortlichkeit, mit der die Patient*innen Entscheidungen in Bezug auf ihre Gesundheit treffen. Damit wird die ‚beratende Ärzt*in‘ zur entscheidenden Ärtz*in. In bestimmten Situationen hat die Patient*in und die Ärzt*in natürlich keine andere Wahl (zum Beispiel bei einer Notfallbehandlung eine*r Bewusstlos*en).

Doch bereits die Entscheidung, ob ein von der Ärzt*in empfohlender Wahleingriff durchgeführt werden soll, will die mündige Patient*in in Eigenverantwortlichkeit selbst treffen. Demgegenüber nimmt die unmündige Patient*in ihre Eigenverantwortlichkeit nicht wahr, ohne dass sie durch zwingende Gründe daran gehindert würde.“ Ich habe diese Variante erfunden. Ich bitte alle Sprachaktivistinnen, mich zu beraten, wie denn die richtige (oder eine richtigere) Form auszusehen hätte. Außerdem bitte ich um eine Sprachnachricht, damit ich hören kann, wie das Ganze klingt, wenn es vorgelesen wird.

Fazit: Gendern macht die deutsche Sprache nicht „gerechter“, sondern komplizierter und nicht schöner. Sprachökonomie und Sprachästhetik werden der feministischen Agenda untergeordnet. Wenn ich das in Diskussionen äußere, bekomme ich zur Antwort: „Du wirst dich daran gewöhnen müssen.“ Meine Antwort: „Nein, ich werde mich nicht daran gewöhnen. Und schon gar nicht müssen.“ Als ich mit meiner italienischen Freundin Carla, die gerade Deutsch lernt, über das deutsche Gendern sprach, lachte sie laut und sagte: „Siete pazzi, voi tedeschi!“ (Ihr seid bescheuert, ihr Deutschen!) Und dann fügte sie noch hinzu: „Che merda!“ (Keine Übersetzung nötig). Carla würde jedem die Augen auskratzen, der es wagen würde, ihr geliebtes Italienisch so zu behandeln. Hat Carla recht? Sind wir Deutsche bescheuert? Ja und nein.

Nicht die Deutschen sind dafür verantwortlich, sondern eine kleine Minderheit aus dem akademischen Umfeld, die der Mehrheit eine feministische Agenda überstülpen will und dabei moralischen und politischen Druck ausübt. Einige willige Helferinnen und Helfer unterstützen sie eifrig, weil sie alle zusammen wenig Ahnung von Sprache, aber dafür umso mehr von „richtiger“ Gesinnung haben. Viele Entscheidungsträger, vor allem Politiker, machen auch aus Opportunismus mit, weil sie es sich mit der Frauenlobby nicht verderben wollen. Ich wünsche mir, dass in Zukunft vor allem Frauen den Mut haben, sich dem Gendern zu verweigern oder (noch besser) die Sprachaktivistinnen dazu auffordern, in einen Diskurs einzutreten und sich einer fundierten Kritik zu stellen. 4. Gendern ist grammatisch zum Teil widersinnig Am Studentenhaus der Frankurter Universität ist die alte Aufschrift durch eine neue ersetzt worden.

Das Studentenhaus heißt jetzt offiziell „Studierendenhaus“, weil sich nach Meinung der Sprachaktivistinnen im Begriff „Studenten“ angeblich nicht alle Geschlechter wiederfinden können. Das „Studentenwerk“ heißt neuerdings „Studierendenwerk“. Die Umbenennung wirft jedoch nicht nur politische, sondern auch grammatische Fragen auf. „Student“ bezeichnet einen Status, „studierend“ eine Tätigkeit. Ist die substantivierte Partizip-Form „Studierende“ bedeutungsgleich mit dem Nomen „Studenten“? Bedeutet „Studierendenbewegung“ dasselbe wie „Studentenbewegung“? Ich zum Beispiel bin ein Studierender, ohne Student zu sein. Auf der anderen Seite wäre es schön, wenn alle Studenten auch Studierende wären. Was ist mit Studentenkneipe Studentenausweis Studentenfutter Studentenwohnheim Studentenermäßigung Studierendenkneipe? Studierendenausweis? Studierendenfutter? Studierendenwohnheim? Studierendenermäßigung? In der Wohnung lagen zwei tote Studierende?

Oper ‚Der Bettelstudierende‘? Besondere Probleme bereitet das Adjektiv „studentisch“: Soll daraus „studierendisch“ werden? Wie sieht es mit der Verallgemeinerbarkeit dieser Neuregelung aus? (Endung -enten) Dozenten Dissidenten Abonnenten Dozierende? Dissidierende? Abonnierende? Patienten Dezernenten Konsumenten Patierende? Dezernierende? Konsumierende? Bei Absolventen wird das Problem besonders deutlich. Das haben auch die Sprachaktivistinnen gemerkt und in ihren Gender-Ratgebern (https://geschicktgendern.de/) nicht etwa „Absolvierende“ vorgeschlagen, was offensichtlicher Unsinn gewesen wäre, sondern „einen Abschluss innehabende Personen“. Konsequenterweise hätten die Studenten statt „Studierende“ dann in „an einer Universität eingeschriebene Personen“ umbenannt werden müssen.

Das wäre zwar korrekt, aber kein guter Ersatz für Studenten und sicher kein Gewinn für die deutsche Sprache. Man stelle sich folgenden (fiktiven) Bericht aus einer Studenten-Zeitung vor: „Eine große Zahl von Jrastudenten und Studentenvertretern des Fachbereichs Jura beglückwünschten im großen Saal des Studentenhauses die frischgebackenen Absolventen des Jahrgangs 2020 im Namen der Absolventen des Jahrgangs 2019. Neben den Jurastudenten waren auch Studenten anderer Fachbereiche anwesend, ebenso die Dekanin, Frau Prof. Dr. Ziegenhals, sowie ihr Stellvertreter, Herr Prof. Dr. Schwall.“ Die Universität Leipzig hat das generische Femininum als Standardform eingeführt mit der Begründung, dass mehr weibliche als männliche Studenten eingeschrieben sind. (Würde man nach diesem Prinzip verfahren, dann würde man z. B. im Reinigungs- und Pflegebereich das generische Femininum verwenden, bei der Müllabfuhr und der Feuerwehr aber das generische Maskulinum. Schöne neue Gender-Welt?) Auf Leipziger Art gegendert sähe der Text folgendermaßen aus:

„Eine große Zahl von Jurastudierenden und Studierendenvertreterinnen des Fachbereichs Jura beglückwünschten im großen Saal des Studierendenhauses die frischgebackenen einen Abschluss innehabenden Personen des Jahrgangs 2020 im Namen der einen Abschluss innehabenden Personen des Jahrgangs 2019. Neben zahlreichen Jurastudierenden waren auch Studierende anderer Fachbereiche anwesend, ebenso die Dekanin, Frau Professorin Doktorin Ziegenhals, sowie ihre Stellvertreterin, Herr Professorin Doktorin Schwall.“ Auch hier werden Sprachökonomie und Sprachästhetik, teilweise sogar die Logik einer feministischen Agenda untergeordnet. Und ich frage noch einmal:

Wo liegt hier der Gewinn für mehr Geschlechtergerechtigkeit? Auch an den Tätigkeitsbezeichnungen haben sich die Sprachaktivistinnen zu schaffen gemacht: Das alte Wort „Lehrling“ ist schon lange durch „Auszubildender“ oder „Azubi“ ersetzt worden, weil alle Nomen mit der Endung -ling im generischen Maskulinum stehen und weil diese Endung nach Ansicht der Sprachaktivistinnen eine Abwertung (?) ausdrückt. (Man kann sich darüber streiten, ob „Auszubildender“ ein Gewinn für die deutsche Sprache ist.) Auch hier gibt es Probleme bei der Übertragung auf andere Wörter mit -ling: Säugling zu Säugende/r, Saugende/r? Liebling zu Liebende/r? Feigling ? Erstling ? Lüstling ? Günstling ? Schädling ? Häftling ? Eindringling ? Häuptling ? Neuling ? Emporkömmling ?

Alle Tätigkeits- und Berufsbezeichnungen mit der Endung -er stehen im generischen Maskulinum. Konsequentes Gendern mit Hilfe der Partizipformen führt zu seltsamen Gebilden, die nur mit Gender-Brille und unter Ausschaltung des Sprachgefühls akzeptabel sind. Der Einwand, man „gewöhne sich daran“ und der „Zugewinn an Geschlechtergerechtigkeit“ rechtfertige den Mehraufwand, zieht nicht. Fazit: Es handelt sich um Eingriffe ins Sprachsysstem, die bei konsequenter Anwendung zu Ergebnissen führen, die der Sprachästhetik und der Sprachökonomie zuwiderlaufen: Fahrer Fahrradfahrer Metzger Fleischer Bäcker Raucher Christen Redner Bauern Bürger Meister Fahrende? Die LKW-Fahrenden machen Pause? Fahrradfahrende Zwei Fahrradfahrende kamen zur Tür herein? Metzgende? Fleischende? Fleischverarbeitende? Backende Rauchende? Raucherbein Rauchendenbein?

Christ*innen? Christentum Christ*innentum? Redende? Redner*innen? Bauer*innen, Bäuer*innen? Bürgende? Bürger*innen? Meisternde? Meister*innen? Sie übt den Beruf des Feinmechanikers (der Feinmechanikerin?) aus. Auch Frauen können Helden (Heldinnen?) sein Wortzusammensetzungen werden zum Problem: Werden dann aus den Bürgermeistern Bügermeister*innen oder gar Bürger*innenmeister*innen? Aus Bürgermeisterwahlen Bürgermeister*innenwahlen? Oder aus dem Einwohnermeldeamt ein Einwohner*innenmeldeamt? Werden Schülerdemonstrationen zu Schüler*innendemonstrationen oder bloß zu Schülerinnen- und Schülerdemonstrationen? Wird aus dem Führerschein ein Führendenschein oder Führer*innenschein? Ständig müssen Ausnahmen geschaffen werden. Das führt zu Unsicherheit und Verwirrung.

Auch Redewendungen sind schwer zu gendern: Jeder ist seines Glückes Schmied Jede/jeder ist ihres/seines Glückes Schmied*in? Übung macht den Meister Übung macht den/die Meister*in? Frauen sind die besseren Autofahrer Die Polizei – dein Freund und Helfer Getroffener Hund bellt. Soldaten sind potenzielle Mörder Frauen sind die besseren Autofahrer*innen? Die Polizei – dein*e Freund*in und Helfer*in? Getroffene Hündin bellt? Soldat*innen sind potenzielle Mörder*innen Bei all diesen Beispielen zeigt sich, dass die Aktivistinnen an der Sprache herumbasteln, ohne Einsicht in das Sprachsystem zu haben. Ihre feministische Agenda macht sie blind gegenüber den sprachlichen Strukturen und Funktionsweisen. Sie führen punktuell neue „genderneutrale“, „gendersensible“, „geschlechtergerechte“ oder „weibliche“ Formen ein und denken über Verallgemeinerbarkeit nicht nach. Sie glauben, durch oberflächliche und undurchdachte Sprachpolitik das Denken der Menschen beeinflussen zu können, und richten dabei ein sprachliches Durcheinander an.

Interessante Umfrage zum Thema Gendern an der Universität: https://www.unicum.de/de/erfolgreich- studieren/hausarbeit-co/gendersensible-sprache-an-der-uni-ja-oder-nein 5. Gendern ist ein akademisches Gewächs, es hat mit der Alltagssprache der meisten Menschen nichts zu tun und wird von einer Mehrheit abgelehnt – Gendern spaltet die Sprachgemeinschaft Das Gendern der Sprache ist im akademischen Umfeld entstanden und lange Zeit auch dort geblieben. Erst in letzter Zeit wird es durch den Aktivismus von Genderprofessorinnen sowie Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten und deren Nachahmer in Verwaltungen, Medien, Parteien verbreitet. Wer gendert, kann sich als Speerspitze des Feminismus und gesellschaftliche Avantgarde fühlen, ohne viel dafür einzusetzen. Mehr noch: Das Gendern ist in einigen Bereichen ein soziales Distinktionsmerkmal geworden.

Man grenzt sich dadurch von anderen, weniger „fortschrittlichen“ Sprecherinnen und Sprechern ab und fühlt sich als Sprachvorbild. Dabei werden sprachwissenschaftliche Gegenargumente konsequent ignoriert. Repräsentative Umfragen zeigen, dass das Gendern von einer kleinen, aber einflussreichen Minderheit propagiert und angewendet wird. Sprecherinnen und Sprecher ohne akademische Vorbildung lehnen es intuitiv ab. Sie haben das Gefühl, dass es nicht zu ihrer Art zu sprechen passt. (Die Ablehnung liegt je nach Befragung und Fragestellung zwischen 50% und 70%, für 10% bis 20% ist es „eher wichtig“, etwa 5% bis 10% wenden es mehr oder weniger konsequent an und etwa 10 bis 20% ist es egal (Ergebnisse einer Umfrage vom Mai 2020: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1120925/umfrage/umfrage-in- deutschland-zur-relevanz-von-geschlechtergerechter-sprache/, siehe auch 2.)).

Die Frage ist deshalb erlaubt, woher die Befürworter des Genderns die Legitimation nehmen, Vorschriften, Regeln, Empfehlungen herauszugeben und die Verweigerung mit Sanktionen zu belegen. Dialektsprecherinnen und Dialektsprechern käme es niemals in den Sinn, im Dialekt zu gendern. Wegen der mangelnden Praktikabilität (Sprachökonomie) müssen Ausnahmen geschaffen werden, zum Beispiel für den juristischen Bereich, was unterschiedliche Sprachwelten schafft und die Verwirrung vergrößert. Im schlimmsten Fall spaltet das Gendern die Sprachgemeinschaft in solche, die gendern, und solche, die es ablehnen. Es schafft auf diese Weise überflüssigerweise ideologische und soziale Gräben.

– Gendern in der Literatur: Sollen literarische Texte (Gedichte, Erzählungen, Romane) gegendert werden? Sollen bereits geschriebene Texte nachträglich gegendert werden? Fast alle Dichter und Schriftsteller lehnen das ab und halten das Gendern ihrer Texte für eine Zumutung. Hätte es das Gendern schon zu Goethes Zeiten gegeben, und hätte sich der Dichter dem unterzogen, würde der zweite Absatz des 7. Buches von ‘Dichtung und Wahrheit’ wie folgt lauten: „In ruhigen Zeiten will jeder/jede nach seiner/ihrer Weise leben, der Bürger/die Bürgerin sein/ihr Gewerb, sein/ihr Geschäft treiben und sich nachher vergnügen; so mag auch der Schriftsteller/die Schriftstellerin gern etwas verfassen, seine/ihre Arbeiten bekannt machen und, wo nicht Lohn, doch Lob dafür hoffen, weil er/sie glaubt, etwas Gutes und Nützliches getan zu haben.

In dieser Ruhe wird der Bürger/die Bürgerin durch den Satiriker/die Satirikerin, der Autor/die Autorin durch den Kritiker/die Kritikerin und so die friedliche Gesellschaft in eine unangenehme Bewegung gesetzt.“ (zit. nach A. Brühlmeier, Sprachfeminismus in der Sackgasse, Deutsche Sprachwelt, 2009, http://www.bruehlmeier.info/sprachfeminismus.htm ) Besonders problematisch ist das nachträgliche Verändern von literarischen Texten nach den neuen Regeln der politischen Korrektheit, das von Sprachaktivistinnen gefordert wird. Das bekannteste Beispiel ist die Verwandlung von Astrid Lindgrens „Negerkönig“ in einen „Südseekönig“. Schade, dass wir die Autorin nicht mehr zu dieser „Verbesserung“ ihres Textes befragen können. – Gendern schafft für die deutsche Sprache einen Sonderstatus Die einzige Sprache, in der versucht wird, systematisch zu gendern, ist zurzeit das Deutsche. Andere Sprachen haben nur zwei Genera (z. B. Französisch, Italienisch).

Wer angesprochen ist, wird dort durch entsprechende sprachliche Marker (im Englischen he/she bzw. girlfriend/boyfriend) und den Kontext ausgedrückt. Die Zeitung „The Guardian“ löst das Problem auf pragmatische Weise: „Zu dem Zeitpunkt, als deutsche Zeitungen und Zeitschriften, vor allem die eher links-progressiven, anfingen, anstatt von „Schauspielern“ von Schauspielern und Schauspielerinnen“, „Schauspielenden“, „Schauspieler_innen“ und „Schauspieler*innen“ zu schreiben, beschloss der Guardian – die englische Zeitung der feministischen Linken – nur noch das Wort „actor“ zuzulassen und „actress“ zu streichen.

In ihren Stilrichtilinien erklären sie bis heute, so wie es viele andere Publikationen tun, dass „actress“ genau wie authoress, comedienne, mageress, lady doctor, male nurse und ähnliche Termini aus einer Zeit kommen, in der Berufe größtenteils einem einzigen Geschlecht offenstanden (meist dem männlichen) Und dass diese gegenderten Berufsbezeichnungen heute, wo die Berufe allen Geschlechtern offenstehen, nicht mehr verwendet werden sollten. Um es anders zu sagen: Während die Deutschen sich für das permanente Benennen von Geschlechtsunterschieden entschieden haben, haben die Briten sich entschieden, das Anzeigen von Geschlechtlichkeit so weit wie möglich zu vermeiden. Dafür haben sie mit typisch britischer Pragmatik die Form gewählt, die ihre Sprache sowieso als generisch hergibt.

Diese Form (eine Sammelform, die sexusneutral ist, P. P.) ist im Englischen, genau wie im Deutschen, identisch mit der (grammatisch!, P. P.) männlichen Form, im Deutschen wird sie durchaus kritisch als generisches Makulinum bezeichnet.“ Der obige Text basiert auf einem Kapitel „They: Gendern auf Englisch“ von Dr. Nele Polatschek https://www.tagesspiegel.de/kultur/deutschland-ist-besessen-von-genitalien-gendern-macht-die- diskriminierung-nur-noch-schlimmer/26140402.html Etwa 55% der Sprachen haben gar keinen Genus, sind also 100% „geschlechtergerecht“. Große Vertreter sind hier Chinesisch, Persisch (Iran, Afghanistan), Türkisch, die meisten kurdischen Sprachen, Japanisch und weitere. Keines dieser Länder ist als ein Land bekannt, in dem die Gleichberechtigung der Geschlechter besondere Erfolge erzielt hat. Vielmehr wird gerade in diesen Ländern die traditionelle Rolle der Geschlechter sehr betont.

Französische, italienische, englische, türkische, chinesische Frauen haben in der Regel kein Problem mit ihren Sprachen, was die Geschlechtergerechtigkeit betrifft. Aus französischer, italienischer, englischer, türkischer Sicht wirkt das deutsche Gendern merkwürdig, verschroben, übertrieben, „typisch deutsch“. – Gendern kostet Geld, weil Formulare, Aufschriften, Schriftstücke aller Art (z. B. in Behörden) neu hergestellt werden müssen Das ist zwar kein sprachwissenschaftliches Argument, aber trotzdem wichtig, weil die Kosten für Gender- Anleitungen sowie neue Formulare in Behörden und Institutionen von den Steuerzahlern aufgebracht werden müssen. Es sind bereits große Summen dafür ausgegeben worden (Beispiel: Stadtverwaltung Hannover), von den indirekten Kosten für Gleichstellungsbeauftragte und Gender-Professuren ganz zu schweigen. 6. Kritisches Fazit aus sprachwissenschaftlicher Sicht Das Gendern der Sprache ist bereits im theoretischen Ansatz problematisch, weil der Impuls von der Gender-Theorie ausgeht, nicht vom tatsächlichen Sprachgebrauch. Sprache verändert sich aber durch den Sprachgebrauch und nicht am sprachaktivistischen Reißbrett.

Sie verändert sich von unten nach oben, nicht umgekehrt, es sei denn, man betreibt bewusst Sprachpolitik in politischer/manipulativer Absicht. In der praktischen Wirkung ist das Gendern der Sprache kontraproduktiv. Mehr Geschlechtergerechtigkeit wird nicht durch Sprachvorschriften erreicht, sondern durch politische und gesellschaftliche Veränderungen, wie sie in den letzten fünfzig Jahren verstärkt stattgefunden haben. Dieser Prozess wird weitergehen, und die Sprache wird ihn angemessen abbilden. Das kann vielleicht etwas länger dauern, als bestimmte Aktivisten es sich wünschen. Eine feministische Sprachpolitik braucht es dazu nicht. Es ist – nebenbei bemerkt – schon irritierend, wenn ausgerechnet Menschen, die sich selbst für sensibel und achtsam halten, keine Skrupel haben, die Sprache zu verunstalten. Die Sprache kann sich halt nicht wehren oder verweigern – die Sprecherinnen und Sprecher aber sehr wohl.

Das Gendern ist in meinen Augen ein Versuch, ein bestimmtes Denken durch die Veränderung der Sprache zu erreichen. Ich will es zwar nicht mit der Praxis totalitärer Systeme vergleichen, dazu ist es zu harmlos, aber es wird von einer Minderheit propagiert, die moralischen und politischen Druck zur Durchsetzung ihrer Ziele benutzt. Oft wird argumentiert, es würden ja lediglich Vorschläge gemacht. Jeder könne es mit dem Gendern halten, wie er wolle. Das verkennt aber die Realität. Abgesehen davon, dass man nicht mehr von „Vorschlägen“ sprechen kann, wenn ins Sprachsystem eingegriffen wird, ist das Gendern inzwischen durch feministische Sprachwissenschaftlerinnen sowie Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte an Universitäten, in Verwaltungen, Parteien und anderen Institutionen zum Standard erhoben worden. Obwohl die Verfechter des Genderns eine kleine Minderheit sind, haben sie großen Einfluss.

Ihr Hebel ist eine feministische Moral. Wer sich der neuen Sprachpolitik verweigert, gilt als rechts, frauenfeindlich, reaktionär, gestrig und muss mit Sanktionen rechnen. Sachargumente aus der Sprachwissenschaft haben keine Chance, denn nicht die Sache – die Sprache – ist wichtig, sondern die „richtige“ Gesinnung. Letztlich geht es nicht um Gerechtigkeit, sondern um Deutungshoheit und Macht. Der Mehrheit soll eine Sprachregelung verordnet werden, um das Bewusstsein in Richtung der Gender-Theorie zu verändern. Man kann das auch Manipulation und Bevormundung nennen. Geschlechtergerechtigkeit wird dadurch nicht befördert, eher im Gegenteil. Das Gendern der Sprache durch eine Minderheit aus dem akademischen Umfeld erweist der Sache der (Frauen)-Emanzipation einen Bärendienst, weil die Veränderungen im Kern sprachfremd sind und weil die große Mehrheit (laut Umfragen ca. 60-80%) der Sprecherinnen und Sprecher Eingriffe „von oben“ in das Sprachsystem ablehnt.

Die Ablehnung des Genderns durch eine große Mehrheit der Sprecherinnen und Sprecher ist oft intuitiv, weil die meisten Menschen wenig Einblick in das Sprachsystem haben, aber merken, dass da etwas in die falsche Richtung läuft. Die Zustimmung auf der anderen Seite ist oft blind, weil sie aus einer Mischung aus Unkenntnis über die Funktionsweise der Sprache, schlechtem Gewissen und falscher Solidarität mit den Sprachaktivistinnen erfolgt. Meine Hoffnung ist, dass das Gendern Episode bleibt, weil es von der Mehrheit der Sprecherinnen und Sprecher nicht angewendet wird. Die deutsche Sprache wird es hoffentlich abschütteln, wie sie schon so manche Eingriffe von verschiedenster Seite abgeschüttelt hat.

Zusammengefasst: – Die aktuell geltenden Formen der deutschen Sprache reichen aus, um hinreichend zu differenzieren und auch die Frauen „sichtbar zu machen“. Gerechtigkeit ist keine Kategorie der Sprache, sondern ihrer Anwender. Respekt und Wertschätzung hängen nicht von der Sprache als System ab, sondern von den Einstellungen der Sprecher. Gendern legt ein unangemessen großes Gewicht auf den Sexus, und zwar auch dort, wo er keine Rolle spielt. – Die Sprache entwickelt sich weiter über den Sprachgebrauch, nicht durch Sprachregelungen von oben. Sie wird sich über den Sprachgebrauch in Richtung auf mehr Geschlechtergerechtigkeit wandeln, wenn in der gesellschaftlichen Realität mehr Gerechtigkeit erreicht ist. – „Feministische Sprachwissenschaft“ ist vergleichbar mit „katholischer Mathematik“.

Sie ist in Gefahr, Denkverbote zu errichten und das herauszufinden, was sie vorher an Prämissen hineingesteckt hat. Insofern handelt es sich nicht um ergebnisoffene Wissenschaft, sondern um politischen Aktivismus und letztlich um Ideologie. Undurchdachte und ideologisch motiverte Eingriffe von dieser Seite in das gewachsene Sprachsystem sind nicht nur überflüssig, sondern verursachen grammatisches Durcheinander. Sie schaffen viele neue Zweifelsfälle und sprachliche Unklarheiten, manchmal sogar sprachlichen Unsinn.

– Die Frage, ob das Gendern zu mehr Geschlechtergerechtigkeit führt, kann also mit einem klaren Nein beantwortet werden. Weitere interessante Links zur Kritik am Gendern: https://www.youtube.com/watch?v=yUuE_aCrKsQ https://www.youtube.com/watch?v=Ri-kVYDTEAk https://www.youtube.com/watch?v=yHwgq4IiwRA Empfehlenswert und materialreich auch: Dr. Tomas Kubelik, „Genug gegendert!“, erschienen 2013 im Projekte-Verlag Halle, ISBN 978-3-95486-251-1 – Paul Pfeffer

 

Chapeau für den Autor! denn er wagt es, sich mit seiner Haltung, die daten- und faktengestützt ist, gegen eine Mehrheitsmeinung, gegen den vorherrschenden „Gesinnungsimperialismus“ von seiten großer Teile der Gender-Theorie, des Feminismus zu stellen- und der shitstorm wird nicht lange auf sich warten lassen- aber da ging es vielen anderen ja schon ähnlich. Liberaler, freiheitlicher und demokratischer Diskurs ist für jene heute allzu präsenten Milieus ein Fremdwort, das weiß man eigentlich schon länger, wenn man ein bisschen seinen Kopf eingeschaltet gelassen hat und aufmerksam verfolgt, was und wer sich wie äußert… In dieser „eisigen Wüste“ ist der Text des Autors in der ZEIT ein kleiner wärmender Hoffnungsschimmer- leider nicht mehr, aber immerhin! – Karl-Heinz Grau

 

Das Zitat über dem Artikel „Eine Demokratie in der nicht gestritten wird, ist keine“ ist treffend gewählt. An den Reaktionen auf den Artikel wird man sehen, ob unter der Leserschaft der ZEIT noch demokratisch gestritten werden kann, bei unpopulären Thesen und Forschungsergebnissen. Es ist auf jeden Fall sehr begrüßenswert, dass die ZEIT auch über Ergebnisse und Positionen aus der Wissenschaft berichtet, die vermeintliche Gewissheiten infrage stellen. – Andreas Phieler

 

Endlich räumt jemand mit dem Mythos auf, Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen seien heutzutage vor allem geschlechtsabhängig. Lassen wir uns nicht länger diesen Bären aufbinden und hoffen wir, dass Frauen selbstbewusst und emanzipiert genug sind bzw. sein werden, sich von der Genderforschung nicht länger in eine passive Opferrolle drängen zu lassen. Und arbeiten wir besser daran, künftig Berufe, die mit Menschen zu tun haben, besser zu bezahlen. Weniger Geld für Investmentbanker, mehr für Krankenschwestern und -pfleger, dieser Vorschlag von Martin Schröder ist zukunfstweisend, das Schielen auf Geschlechterquoten hingegen einfallslos und eine Beleidigung für Frauen, die qualifiziert und stark genug sind, auch ohne Quote zu reussieren. – Uwe Reuter

 

Ich fürchte der Artikel wird eine Menge negative Reaktionen hervorrufen, denn die Freunde der Freiheit, die Vertrauen in die menschliche Urteilsfähigkeit haben, schrumpft, während die Zahl der Freunde der Verordnungen, Regelungen, Gesetzesvorgaben steigt; je weiter man politisch nach Links rückt desto deutlicher. Unter Gefängnisinsassen, Mördern, Serienmördern, Kriegsverbrechern etc. sind Frauen deutlich unterrepräsentiert. Sollte man daran etwas ändern? Ich glaube schlicht, dass Frauen sich in vieler Hinsicht selbstbewusst gegen Lebenswege entscheiden, die einfach nicht erstrebenswert sind.

Darunter fallen unter gegenwärtigen Bedingungen leider auch bestimmte Karriereformen in Politik und Wirtschaft, die schlicht nicht lebenswert sind und für die sich zu entscheiden, nur Männer dumm genug sind. Was wiederum überhaupt nicht heißen soll, dass man nicht alle Hindernisse aus dem Weg räumen sollte, die Frauen daran hindern, in Wirtschaft und Politik Karriere zu machen, wenn sie das wollen. Da ist vor allem ein Umdenken notwendig, damit der Karriereknick nach Schwangerschaft und Erziehungszeiten vermieden werden kann. – Dieter Schöneborn

 

Erst einmal geht es nicht um Opfer. Frauen reden in der Regeln nicht davon, dass sie „Schaden erleiden“, sondern keine Gleichbehandlung erfahren. Interessant, dass im Tenor die Frauen selber Schuld sind. Und nicht die verkrusteten Denk-Strukturen, vor allem in Westdeutschland, die das auch weiterhin befördern. Wie in der Wissenschaft möglich, könnte man auch zu jedem Punkt von Herrn Schröder, der also belegt, dass Frauen ja eigentlich gar nicht wollen, entweder eine Gegenbetrachtung, zumindest eine differenziertere Betrachtung der Dinge liefern. Mich würde interessieren, warum es zum Beispiel in anderen Ländern mehr Frauen in technischen Berufen gibt. Wenn in Deutschland junge Mädchen jetzt umworben werden, auch in technische Berufe zu gehen, liegt das weniger daran, dass die Interessenverbände die Gleichberechtigung für sich entdeckt haben.

Hier herrscht ein akuter Arbeitskraftmangel, der noch weiter steigen wird. Interessanterweise wird ja umgekehrt nicht wirklich ernsthaft für mehr Männer in Pflegeberufen oder in Grundschulen und Kindergärten geworben (wo ebenfalls Mangel herrscht), wobei letzteres für die Gesellschaft und die Kinder ein echter Gewinn wäre. Aber eigentlich reicht ein Blick auf die Seite des Instituts für Soziologie der Uni Marburg, wo Herr Schröder eine Professur innehat. Also einem, laut Schröder, typischen Frauenfach. Dort gibt es fünf männliche Professueren, einen außerplanmäßigen Professor und es sind fünf Professoren (alles Männer) im Ruhestand gelistet. Auf der anderen Seite stehen drei Professorinnen. – Iris Uellendahl

 

Zu suggerieren, überall dort, wo keine Gleichberechtigung herrsche, herrsche automatisch Unterdrückung ist doch etwas kurz gegriffen (und zielt vielleicht auch auf die wohlgemeinte Empörung des – vor allem männlichen – Lesers, die der Begriff „Unterdrückung“, nicht etwa verwendet im Kontext mit irgendeinem Dritte Welt Land, hervorruft). Auch ohne Unterdrückung kann es um die Chancengleichheit mäßig bestellt sein. Und das hat nichts mit bewussten Entscheidungen sondern (vorrangig) mit biologischen und gesellschaftlichen Vorbestimmungen zu tun: So lange Frauen Kinder bekommen (und das wird voraussichtlich noch eine ganze Weile der Fall sein) haben sie mindestens eine (zeitliche und physiologische) Hürde mehr beim Erklimmen der Karriereleiter zu nehmen, ganz ohne hier den Begriff Unterdrückung (von wem auch?) instrumentalisieren zu wollen.

Und so lange Männer nicht mindestens die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen, so dass die Besetzung einer Führungsposition durch einen Mann Mitte 30 die gleichen „Ausfall- Risiken“ für den Arbeitgeber birgt, wie bei einer Frau, so lange männliche Mitarbeiter nicht genauso viel Elternzeit in Anspruch nehmen und anschließend in Teilzeit arbeiten, wie ihre weiblichen Kolleginnen, so lange werden auch die Chancen in der gleichen Position und auf gleicher Gehaltsstufe zu landen nicht annähernd identisch sein. Diese tatsächlichen Nachteile (die sicher nicht alle Frauen als solche empfinden) müssen nicht zwingend durch die Politik ausgeglichen werden.

Sie aber schlicht zu leugnen wird dem Thema nicht gerecht. Ebenso die doch sehr vereinfachte Kategorisierung von „Frauen, die es für wichtig bzw. nicht für wichtig halten, dass Mütter sich um Kinder kümmern“. Ihnen, Herr Prof. Schröder, zufolge haben Männer bei der Entscheidung, wie man die Kinderbetreuung aufteilt offensichtlich überhaupt nicht mitzureden – wohl, weil es nicht in ihren originären Zuständigkeitsbereich fällt? Und in DAX-Vorständen sitzen keine Frauen, weil sie doch alle lieber Psychologie und Pädagogik studieren? Auch das wird man sicher nicht über einen Kamm scheren können, wie ein einfaches Beispiel zeig: Schon seit Jahren absolvieren mehr Frauen als Männer erfolgreich das Zweite Juristische Staatsexamen. Die Frauenquote bei den Associates der zehn größten deutschen Kanzleien liegt bei knapp 50 %. Diese zehn größten deutschen Kanzleien haben Anfang 2019 insgesamt 50 neue Equity-Partner ernannt, darunter – wenig überraschend – gerade einmal sechs Partnerinnen. An der Studienwahl kann es kaum gelegen haben. – Dr. Annette Schwab

 

Der Soziologieprofessor Hr. Schröder negiert das auf betont sachlicher Ebene aus seiner Rolle als Zugehöriger einer Elite heraus. Sicher umgeben ihn im Leben fast nur Frauen denen sich die Vorteile eines Lebens innerhalb dieser Ebene bieten. Ein Tauchkurs hinab in die Tiefen der Gesellschaft wäre lehrreich. – H. Giller

 

Und wieder einmal erklären sie uns die Welt Ohne Zweifel hat sich Herr Schröder in seinem Artikel alle Mühe gegeben, eine so emotionale Debatte, wie es die der Frauenquote ist, mit großen Mengen an Fakten und Statistiken möglichst weit zu rationalisieren. Zahlen, Prozente, Studien, alles deutet auf einen vermeintlich objektiven Schwung seiner Schreibfeder hin. Wäre da nicht dieses kleine, unbedeutende Detail, das im Zahlenmeer unterzugehen droht: Martin Schröder ist ein Mann.

Ich möchte keineswegs behaupten, sein Artikel sei schlecht recherchiert, Schröder sei ein Sexist oder gar ein Frauenfeind. Nein, er ist lediglich ein weiterer Mann, der uns Frauen erklärt, wie wir uns fühlen. Nicht „messbar unzufriedener“, davon ist er überzeugt. Des Weiteren ist zu bedenken, dass „Frauen nicht immer so leben wollen wie Männer“. Richtig, jetzt ergibt auf einmal alles Sinn! Wer will schon genauso viel verdienen wie die männlichen Kollegen? Welche Frau möchte bitte heutzutage noch in einer Führungsposition arbeiten? Oder überhaupt arbeiten, wenn es doch so erfüllend ist, sich den ganzen Tag um die Kinder zu kümmern und abends mit dem warmen Essen auf den Ehemann warten zu dürfen? Ich bitte Sie!

Ich versuche mal, in der Sprache von Martin Schröder zu ihm durchzudringen, schließlich liegt es mir fern, den Eindruck zu erwecken, diese „Entscheidung von Frauen als Benachteiligung konstruieren“ zu wollen. Laut einer Studie, die 2016 in der ZEIT veröffentlicht wurde, sind 77 Prozent der befragten Frauen der Meinung, dass sich Paare mit Kindern zu gleichen Teilen um Erwerbsarbeit, Haushalt und Kinder kümmern sollten. Im März 2019 publizierte die Ipsos eine Studie, in der 32 Prozent der befragten Frauen angaben, das ungleiche Gehalt als das größte Problem zu sehen, mit dem Frauen in Deutschland konfrontiert sind. Laut einer weiteren Umfrage von Ipsos, die zur selben Zeit veröffentlicht wurde, würden sich 19 Prozent der Männer unwohl fühlen, wenn ihr Chef eine Frau wäre.

Offensichtlich, dass so eine drastische Maßnahme wie die Frauenquote demnach völlig überzogen ist! Es sei, so Schröder, doch lediglich nötig, „sich auch mal selbst um unser Leben zu kümmern“. Und doch, er lenkt ein wenig ein, ist der Meinung, dass „die Politik in Sachen Gleichstellung noch einiges tun könnte“. Gut, wenn das so ist, lassen Sie uns doch einmal alle Führungspositionen in Unternehmen mit weiblichen Fachkräften besetzen. Wie, Sie wollen jetzt eine Männerquote einführen, um für Gerechtigkeit zu sorgen? Viel Spaß bei der Durchsetzung! – Marlen Haupt

 

Das ist ihm wirklich gut gelungen. Da hat der Soziologieprofessor Dr. Schröder zahlreiche Studien zitiert und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Frauen eben selbst schuld sind, wenn sie weniger verdienen oder in Führungspositionen unterrepräsentiert sind. Und dabei hätte er als Soziologe doch einfach die strukturellen Hintergründe der Ungleichverhältnisse betrachten können. Stattdessen zieht er in populistischer Manier Schlüsse aus den zitierten Studien, die gut in sein Weltbild passen, aber recht wenig mit den wissenschaftlichen Ergebnissen zu tun haben.

Wenn sich zum Beispiel Berliner Schülerinnen durch die Aussicht auf hohes Einkommen nicht für einen MINT-Beruf begeistern lassen, dann hat das mehr damit zu tun, dass das Streben nach möglichst hohem Einkommen weniger mit dem weiblichen Geschlechterstereotyp verknüpft ist, als dass Schülerinnen wirklich keine Lust auf Technik und Naturwissenschaften haben. Ja, es ist ihm gut gelungen, in die Ressentiments gegen Gender Studies einzustimmen. Besser wäre es, wenn er stattdessen einen wissenschaftlichen Diskurs mit diesen führen würde. – Dr. Sylke Ernst

 

Vielen Dank für Ihre Analyse. Ich habe diese mit großem Interesse gelesen. Ich stimme in vielen Punkten zu. Auf großen Widerspruch stoßen Sie bei mir mit dem vorletzten Absatz. Eine unterschiedliche Besteuerung von Berufen ist für mich nicht akzeptabel. Dies schränkt die Freiheit zu sehr ein. Besserverdienende zahlen bereits über die Steuerprogression höhere Steuern. Vom Einkommen vieler Männer leben auch Familien ganz oder teilweise. Sie nehmen also dann bestimmten Familien Einkommen weg. Ich finde, der Gesetzgeber sollte nicht über Steuern offenbaren, welche Berufe er sinnvoll oder weniger sinnvoll findet. Ich bin selbst kein Investment-Banker. Ich finde jedoch das beständige Schimpfen auf die Finanzbranche nicht sachlich. – Marko Becker

 

Vielen Dank für Ihren anregenden Artikel. Ja, so viel Gleichberechtigung wie Heute war nie. Der Bundestag erlaubt Frauen seit 1973 ohne die Einwilligung ihres Ehemannes arbeiten zu gehen und schützt sie seit 1997 vor der Vergewaltigung durch ihren Ehegatten. Beides war davor vereinbar mit dem Grundgesetz. Für die letzte Abstimmung musste im Bundestag erst der Fraktionszwang aufgehoben werden! (https://de.wikipedia.org/wiki/Vergewaltigung#Rechtslage) Das lehrt: Wenn mehrheitlich Frauen die Gesetze für sich machen dürften wäre die Welt für sie auch besser.

Viele Frauen entziehen sich Heute dem aggressiven, von Männern dominierten Kampf um Macht und Geld. Darunter leiden Männer, genauso wie Frauen und Kinder. Gerade Männer und wir als Gesellschaft brauchen mehr Gleichberechtigung um unsere männlich-gewalttätige Dominanz-Kultur zu überwinden. Zu oft wird dumpfe männliche Macht und Gewalt als Stärke, Kompromiss als Schwäche und Teilhabe als Verlust gesehen. Nicht nur Frauen treffen andere Entscheidungen, auch viele kompetente Männer setzten sich dem lieber nicht aus.

Fast zwanzig mal so viele Männer wie Frauen sitzen in unseren Gefängnissen. Sexualisierte Gewalt gegen Frauen ist genauso alltäglich wie deren sexistische Erniedrigung in den Parlamenten. Zwei Drittel aller Absolventen eines Medizinstudiums sind Frauen jedoch nur 3-10% haben eine Führungsposition inne. https://www.tagesspiegel.de/wissen/sexismus-in-der-medizin-in-der-klinik-werden-frauen-nicht-ernstgenommen/22641788.html,

Die heutigen Strukturen schanzen denen die Macht zu, die am lautesten danach schreien, dabei ihre Impulse schlechter kontrollieren, sich brutaler durchsetzen und dabei auch noch viel häufiger straffällig werden. Es braucht dringend einen gebührenden gesellschaftliche Respekt und Umgang mit der Art wie Frauen Entscheidungen treffen. Wir müssen, gerade als Männer, jetzt volle gesellschaftliche Parität einfordern um voran zu kommen. Wir können es uns nicht mehr leisten überwiegend dominanz getriebene Alphamännchen alleine am Steuer zu lassen. Eine gesetzlich verankerte Selbstbeschränkung männlicher Macht ist längst überfällig. – Klaus Siersch

 

Sie sagen in ihrem Artikel, dass sie die Erklärung für den Gender-Pay-Gap gefunden haben: Wenn Frauen der Meinung sind, dass sie sich nicht um die Kinder kümmern müssen, dann liegt der Pay-Gap zu den Männern bei lediglich 2%. Die Schuld dafür schieben sie aber den Frauen in die Schuhe. Sie sagen, der schlechtere Verdienst wäre weitgehend der Präferenz der Frauen geschuldet sich um andere Dinge zu kümmern als um Geld. Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus, muss ich Ihnen da massiv widersprechen.

Es liegt nicht an der Arbeitnehmerin, die lieber abends die Kinder ins Bett bringt, anstatt Gehaltsforderungen durchzudrücken. Es liegt oft am Arbeitgeber, der keinerlei Verständnis dafür aufbringen will, Kindererziehung wertzuschätzen. Da kann ich Ihnen aus meinem Verwandeten- und Bekanntenkreis mehrere Beispiele nennen. Bspw. führt Elternzeit oft zu Nachteilen, bis hin zur Entlassung. Da liegt das Übel. Deswegen führt der Wunsch sich um Kinder zu kümmern zu deutlichen Gehaltseinbußen. Und das ist nicht die Schuld der Frauen. Ansonsten, kann ich ihrem Artikel aber zustimmen. Danke dafür. – Joachim Frenkler

 

Dieser Artikel ist – wenn man nicht tiefer in die Problematik eintaucht – durchaus richtig: In den sog. MINT-Fächern wird gut verdient und Frauen können sich in der sog. „westlichen Zivilisation“ frei für diesen Ausbildungs- und Karriereweg entscheiden. Sie wissen also, was sie tun, wenn sie diesen Weg NICHT einschlagen…soweit so gut. Das Beispiel einiger muslimisch geprägter Staaten wird dagegen gehalten: dort studieren erheblich mehr Frauen MINT-Fächer.

Letzteres kann ich bestätigen: bei einem Gastsemester (Physik) in Kairo waren 50 % meiner Kommilitonen Frauen – undenkbar in Deutschland! Die Studienwahl dieser Frauen entsprang jedoch nicht ihrem Wunsch nach Emanzipation, sondern der kulturellen Wertschätzung der (akademisch) gebildeten Frau: sie hat auf dem Heiratsmarkt die besten Chancen, da Männer in der Kultur größten Wert auf gebildetete Frauen legen… und mit einer „guten Partie“ haben es diese arabischen MINT-Absolventinnen nicht nötig, zu arbeiten. Zur Wertschätzung, die westliche Männer einer gebildeteten Frau entgegenbringen, hat sich die Nobelpreisträgerin Prof. Christiane Nüsslein-Volhard sehr eindrücklich geäußert…

Der Berufseintritt nach dem Studium unterscheidet sich ebenfalls erheblich in beiden Kulturen: während z. B. nicht nur saudische MINT-Absolventinnen in rein weiblchen Teams arbeiten, gibt es in der westlichen Welt keine Geschlechtertrennung – und damit auch keine einschlägigen Erfahrungen im Berufsalltag. Hier einige Episoden aus meinem reichhaltigen Berufsleben: Bei Unterzeichnen meines ersten Vertrages als Leitende Angestellte bat der Geschäftsführer um meine Zusage „nie zum Standesamt zu gehen“. Meine Entgegnung, man würde vom Standesamt nicht schwanger, machte ihn sprachlos – ich bekam den Job trotzdem. Oder: eine renommierte Fachzeitschrift suchte für ein Interview über Ingenieurinnen in Führungspositionen eine Frau. Bei einem VDMA-Kongress war ich die einzige Teilnehmerin, daher fand man mich über den VDMA.

Mein Chef (Spartenleiter) drohte mit dem Hinweis auf „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ (H. Böll), er würde mich fertig machen, wenn ich das Interwiew gäbe. In dieser Anstellung suchte mehrere Ingenieure für offene Positionen in meiner Abteilung – gern hätte ich eine Frau eingestellt. Das sagte ich auch im – trotz Drohungen zustande gekommenen – Interview. Daraufhin drohte derselbe Chef mir mit gerichtlicher Klage wg. „Sexismus“. Nächste Station: nach Stellenzusage fuhr ich ins Unternehmen zur Vertragsunterzeichung. Der Spartenleiter (zukünftige Chef) sagte mir persönlich ab: er hätte zuhause erwähnt, eine Frau einzustellen, aber seine Gattin sei so rasend eifersüchtig auf Karrierefrauen, dass er zuhause keine ruhige Minute mehr hätte, wenn er mich einstelle … die glücklichen Sklaven sind bekanntermaßen die größten Gegner der Freiheit.

Unnötig, zu erwähnen, dass es auch gegenteilige – sehr positive – Erfahrungen gab, sonst hätte ich meine Karriere nicht gemacht. Auch unnötig zu sagen, dass auch Männer in ihrer Karriere Ungerechtigkeiten / persönliche Anfeindungen erleben. Nur kämen sie nicht auf die Idee zu behaupten, sie würden benachteiligt, weil sie ein Mann seinen – das Geschäftsklima ist für beide Geschlechter oft rauh. In dem Artikel bekommt man aber den Eindruck, dass da ein Blinder von den Farben spricht: zwei verschiedene Kulturen so platt zu vergleichen und keine Erhebung über die Erfahrungen weiblicher Führungskräfte im Berufsalltag beizusteuern, ist einfach zu kurz gesprungen. Nur in einem hat er Recht: macht die Sklav(inn)en mit mehr Geld glücklicher – Stichwort Umverteilung – und es herrscht „Ruhe im Karton“ ;-)… denn Machtpartizipation wird dann noch weniger ein Thema sein. – Sabine Möller

 

Dafür dass Herr Schröder ein Professor der Soziologie ist, kommt er wirklich erstaunlich gut mit Annahmen klar. Die Thesen, die er in seinem Artikel vertritt, und die gleichzeitig gegen eine Frauenquote bei den DAX Vorständen sprechen, sind gespickt mit vielleichts…Herr Schröder glaubt, Herr Schröder denkt….wirklich? Brauchen wir das in dieser Debatte? Ist das hilfreich? Was haben Dax Vorstände eigentlich mit der Wahl der Frauen für bestimmte Berufsstände zu tun? Was spricht gegen eine Quote in genau diesem Bereich? Vielleicht nochmal fürs bessere Verständnis: eine Frauenquote soll dazu führen, dass Frauen, die mindestens genauso gut qualifiziert sind wie Männer die Posten übernehmen können. Was ist das Problem? Wir haben 500 Jahre ohne Quote gelebt, jetzt probieren wir es einfach mal 500 Jahre mit und machen wahnsinnig spannende Studien darüber. Ein Arbeitsfeld für Herrn Schröder? – Rut Kittel

 

„Denn sie wissen, was sie tun“ von Professor Dr. Martin Schröder ist ein bemerkenswerter Artikel zum aktuellen Thema einer geforderten gesetzlichen Führungsfrauenquote. Ich habe auf den Artikel in meinem Bekanntenkreis und darüber hinaus hingewiesen, ebenso in meinen (beigefügten) Anmerkungen zum Thema: Null Frauen im Vorstand sind nicht genug. Braucht es eine gesetzliche Führungsfrauenquote? Anmerkungen zum aktuellen Unions-/SPD-Projekt. DAS THEMA FRAUENQUOTEist nicht mehr ganz neu, und die öffentlichen Debatten stecken hier seit langem in scheinbar unbeweglichen Positionen fest. Das letzte Ergebnis war die Einführung einer 30-Prozent-Frauenquote in Aufsichtsräten. Nun geht es der Politik um das weitaus schwierigere Thema der Top-Führungsebene. Da hat sich laut Statistik kaum was bewegt, es gibt sogar die „Nullquote“ in Vorständen! Ein fatales Negativsignal. Die Politik sieht sich im Recht und in der Pflicht: So könne es nicht weitergehen…

Geht es beim immer wieder vorgetragenen Ziel „Mehr Frauen an die Spitze“ tatsächlich nicht voran? Geht es hier vor allem um Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frauen? Liefert hier nicht die Politik mit ihren Spitzenfrauen ein Beispiel, dass es geht? Gibt es mittlerweile nicht in nahezu allen Bereichen immer mehr bestens ausgebildete, einsatz- und aufstiegsbereite Frauen? Warum stockt ausgerechnet auf den Top-Ebenen von Wirtschaft und – erfreulich erweiterter Blick – auch der Öffentlichen Verwaltung der geforderte gesellschaftliche Frauenfortschritt? Sind Staatseingriffe und Quoten notwendig und auch die beste Antwort? Macht endlich die Tür zum Vorstand auf! fordern Frauenorganisationen und Politik. Die Firmen behaupten allerdings: Die Türen sind offen, durchgehen muss man, muss frau schon selber. Ein nicht sehr klares Ausgangsbild für ausgewogene, praxistaugliche Entscheidungen.

IN DEN VERGANGENEN MONATEN haben sich Frauenministerin Franziska Giffey und Justizministerin Christine Lambrecht zusammen mit Staatsministerin Annette Widman-Mauz mit der „unbefriedigenden Frauensituation auf den Führungsebenen von Privatwirtschaft und Öffentlicher Verwaltung“ befasst und, samt einem umfangreichen Gutachten, ein neues Konzept vorgelegt. Union und SPD haben sich darauf verständigt, auf dieser Basis erstmals eine verpflichtende Frauenquote bei den Top-Führungspositionen von Großunternehmen vorzuschreiben. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament und der inzwischen aufgebauten öffentlichen Meinung kann das jetzt wohl durchgesetzt werden. Andere Auffassungen zum Frauendefizit an der Spitze und dem Umgang damit haben kaum noch eine Chance.

Müssen jetzt die betroffenen Unternehmen, auch der Öffentliche Sektor in den sauren, aber gesundheitsfördernden Quotenapfel beißen? Wer wagt es jetzt noch, angesichts der angekündigten Gesetzesinitiative, einen erneuten Blick auf die Szene zu werfen, Bezüge zur – nicht mit einer einfachen Benachteiligungsformel erfassbaren – komplexen Realität herzustellen, zu möglichen Schadens- oder vielleicht auch Winwin-Folgen? Bedeutet das beklagte Frauendefizit, inzwischen Teil eines größeren Diversity-Defizits, dass im Fall einer Nichtkorrektur mit künftigen Führungs- und Managementschwächen zu rechnen ist? Wer nimmt sich außer den auch dafür verantwortlichen, inzwischen nicht mehr frauenlosen Aufsichtsräten des Themas an: wirtschafts- und führungskompetente Teile von Parteien? Verbände? Institutionen? Experten? Wissenschaft? Medien? die betroffenen großen Unternehmen und Institutionen selbst, zum Beispiel mit ebenso realen wie überzeugenden Darstellungen, Konzepten, Programmen? Die ersten Reaktionen halten sich im bisher bekannten Rahmen.

Wer Einblick in die Praxis des Themenfelds hat weiß, dass die Frauensituation ebenso wie die Führungsrealität via Statistiken samt ihren Interpretationen oft nur unzureichend erfasst und dargestellt wird. „Frauenbenachteiligung“ ist immer noch ein gängiges, allumfassendes Schlagwort, das erschüttert und betroffen macht. Leben wir führungsbezogen noch im Mittelalter? Haben Frauen immer noch nichts zu sagen? Sind sie Opfer von Verhältnissen, in denen Männerclans die angeblich freie Wirtschaft und Gesellschaft willkürlich beherrschen und den Frauen verwehren, was ihnen längst zusteht?

NACHPRÜFBARE TATSACHE IST: Es gibt heute eine beachtliche, wachsende Zahl von Frauen in Führungspositionen – und, nebenbei bemerkt: auch weitaus mehr Unternehmerinnen – als wahrgenommen wird. Natürlich hängt das auch damit zusammen, dass nicht jede der vielen Frauenleistungen stets mit dem das Geschlecht hervorhebenden Hinweis extra gewürdigt wird: „Es ist eine Frau!“. Tatsächlich dominieren Männer optisch die Management- und Führungsszene. Sprachbezogen wirkt hier auch das althergebrachte generische Maskulinum, worauf sich die aktuelle, für diesen „Benennungsmangel“ sensibilisierende, Genderdebatte richtet. Die geforderte andere Benennungs-, Schreib-, Sprach- und Sprechweise verändert aber auch in ihren extremen Formen nicht das eigentlich zugrunde liegende Problem gewachsener, sich dabei durchaus verändernder gesellschaftlicher Strukturen, Verständnis- und Rollenbilder. Der fatale Eindruck jedoch, der besonders jungen Frauen vor ihrem Eintritt ins Leben vermittelt wird, bleibt: It’s a man’s world. Frauen haben es deshalb von vornherein schwerer als die Männer, wenngleich das immer noch unterschiedliche, sich aber wandelnde Rollenbild männlicher und weiblicher Lebensentwürfe zunehmende Beachtung bekommt. Mehr sichtbare Frauenvorbilder wären sicher von Nutzen.

In einem nachdenklich machenden Zeitungsartikel „Denn sie wissen, was sie tun“(DIE ZEIT, 19. November 2020) schreibt Prof. Dr. Martin Schröder von der Uni Marburg: „Sind Frauen in Deutschland so unterdrückt, dass sie Quoten brauchen? Viele wichtige Daten sprechen dagegen“. Der Artikel schert damit nicht nur aus dem Grundton vieler Klagelieder aus, er identifiziert sich auch nicht mit der internationalen Szene, die seit Jahren gegen weltweite Frauendiskriminierung, gegen den sogenannten Gender Pay Gap protestiert, gleichzeitig für höhere Führungsfrauenquoten trommelt.

Der Artikel verweist auf eine Untersuchung, die sich mit der Realität befasst, Fakten liefert und Schlussfolgerungen zieht. Dass solche Untersuchungen leicht mit Nichtfakten, erfundenen Geschichten und Vorstellungen kollidieren, ist wissenschaftliches Berufsrisiko. Das gilt in besonderem Maße für jene Welten, in denen weniger die Fakten als persönliche Gefühle und Interessen, kollektive Verhaltensweisen und politische Bestrebungen eine Rolle spielen, wobei nicht selten die Fakten aus dem Bild verdrängt werden. Wie mit solchen Konflikten umgegangen wird, ist Merkmal gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Kultur.

WENN MAN VON KANDIDATENVORSTELLUNGENder Parteien absieht, erfolgt die Besetzung von Top-Positionen in der Regel nicht primär öffentlichkeitsbezogen, sondern nach anspruchsvollen Kriterien, die sich am jeweiligen Verbesserungs- und Erfolgsziel orientieren. Wenn es ganz allgemein um „Verbesserungen“ geht, denken Unternehmen weniger an abstrakte oder ethische Wertigkeiten, sondern an konkrete Aufgaben und Kriterien wie höhere Marktanteile, neue, bessere Produkte und Dienste, Effizienz-, Umsatz- und Gewinnsteigerungen. Faktoren, von denen Erfolg und Zukunftsfähigkeit des unternehmerischen Geschäftsmodells abhängen.

Hier wäre die Frage zu stellen: Wie wirkt sich eine – fehlende, vorhandene, gesteigerte – Führungsfrauenquote auf den Unternehmens- oder Projekterfolg aus? Trifft zu, was immer wieder angedeutet, aber nur wenig belegt wird: dass höhere Frauenquoten den Führungs- und Unternehmenserfolg generell – auch durch Diversity-Effekte – beflügeln? Und, wenn das so ist, warum muss der Staat uneinsichtige Nullquoten-Unternehmen zu größeren Erfolgen zwingen statt sie – am Marktprinzip orientiert – an ihren Fehlern scheitern lassen? Sind es in der Tat vor allem Männer, die Frauenquoten und Diversity bremsen? Muss nicht auch bei diesen Funktionen tradiertes Denken und Besetzen endlich auf den Prüfstand gestellt und auf die – durch Corona und Klima anbrechende – neue Zeit ausgerichtet werden?

Es gäbe angesichts der Frauendefizite auf den Führungsebenen – argumentiert die neue Politikinitiative – nur ein Rezept, wie Quotenziele erreicht werden: indem man sie gesetzlich definiert und erzwingt. In Wirtschaft und Gesellschaft ginge es eben manchmal nicht ohne klare Regeln und Vorgaben. Als Erfolgsbeleg wird die erreichte und überschrittene gesetzliche 30-Prozent-Frauenquote in Aufsichtsräten angeführt. Werden die Unternehmen mit einer Vorstandsfrauenquote klarkommen, angesichts der real oft kleinen – für eine Auswahl zu kleinen, wie kürzlich bei Banken sichtbar gewordenen – Kandidatinnengruppe für die Top-Jobs?

Wird sich zum Beispiel besonders die FDP als Beschützerin der gesellschaftlichen, unternehmerischen und persönlichen Freiheit mit dem geplanten massiven Schritt zur Einschränkung der Besetzungsräume bei Führungspositionen befassen oder nur auf den Öffentlichen Sektor verweisen, der es ja auch nicht könne? Immerhin kam die liberale Partei vor kurzem im eigenen Bereich mit der realen Seite des Frauenthemas in Berührung. Wurden Erkenntnisse gewonnen? Nimmt die Politik wahr, dass sich hier zwar etwas bewegt (man darf nicht nur auf DAX-Unternehmen schauen), dass man aber den gesellschaftlichen Gang der Dinge und den Wandel in der Auffassung der Generationen nicht über ein gewisses Maß hinaus beschleunigen kann? Womit wir bei einem weiteren Aspekt der geforderten Führungsfrauenquote wären:

Eine Quotenvorschrift kann zwar bei der Vergabe von Jobs auf allen Ebenen steuernd eingreifen, aber sie kann nicht eine im konkreten Fall oft nur kleine Gruppe qualifizierter und einsatzbereiter Kandidatinnen vergrößern. Hier, im Arbeitsmarkt, liegt nach Auffassung von damit befassten Experten, Beratern und Entscheidern (alles m/w/d) derzeit immer noch das größte, zwar qualitativ, aber nicht quantitativ rasch zu lösende Problem. Wo sind die Frauen, wenn es aktuell und akut um Neubesetzungen an der Spitze geht? Was tun, wenn es – konkretes Beispiel – neun Kandidaten gibt, aber nur eine benannte, davon aber wegen des Umfeldes und der Umstände wenig begeisterte Kandidatin? Und wie soll mit der Forderung nach Anonymisierung der Bewerbungen umgegangen werden? Erkennt man/frau den Widerspruch politischer Vorgaben für die HR-Praxis?

DER VON EINEM MANN(!) geschriebene ZEIT-Artikel identifiziert sich nicht mit der internationalen Meinungsszene, die seit Jahren gegen den angeblichen Gender Pay Gap protestiert und für höhere Führungsfrauenquoten trommelt. Der Artikel zeigt vielmehr, was Professoren nun mal öfter tun als Politiker (*innen dürfen jeweils mitgedacht werden): Sie untersuchen die Realität, liefern Fakten und ziehen Schlussfolgerungen. Dass sie damit leicht mit Nichtfakten, erfundenen Geschichten und anderen Vorstellungen in Konflikt geraten, ist wissenschaftliches Berufsrisiko. Das gilt in besonderem Maße für jene Welten, in denen weniger die Fakten als die persönlichen Empfindungen, individuelle Interessen, kollektive Verhaltensweisen und politische Bestrebungen eine Rolle spielen, und dabei die Fakten nicht selten verdrängen.

Wer das Quoten- und das Gapthema aus der Praxis kennt, weiß, dass hier Wirklichkeitsdarstellungen oft nach dem Muster „Don’t confuse me with facts“ abgewiesen werden. Die Politik in Deutschland wäre gut beraten, wenn sie jetzt nicht erneut mit dem vergilbten Bild ausgegrenzter, unterdrückter Frauen auf den Markt der Meinungen gehen würde. Sie wertet damit nicht nur die vielen leistungsstarken Frauen in allen Bereichen und auf allen Ebenen drastisch ab. Sie würde dann auch Respekt gegenüber der freien Wahl der Lebenswege und der Unternehmerfreiheit bekunden. Wobei diese Wahlentscheidungen durchaus im manchmal engen Rahmen von gesellschaftlich-wirtschaftlichen Bedürfnissen, individuellen Neigungen und realen Bedingungen stattfinden.

Ein an freiheitlichen Werten orientierter Staat sollte bei seiner wichtigen Unterstützung dieser komplexen Prozesse nichts erzwingen, auch nicht mit dem abstrakten Argument „Wir schaffen Gerechtigkeit und erfüllen das Gesetz“. Mit den Begriffen „Gleichberechtigung“ und „Gleichstellung“ wird oft ein problematisches Interpretationsspiel getrieben. Nicht immer wird vom Staat an die persönliche oder unternehmerische Eigenverantwortung gedacht, zum Beispiel bei der Berufswahl und bei Managemententscheidungen.

Das Evaluationsgutachten weist auf die „Erfolge“ bei der Einführung der Aufsichtsratsquote hin. Wann werden die Ergebnisse dieser Maßnahme näher untersucht? Man könnte hier auch die Ergebnisse anderer Staatseingriffe in die Personalpolitik beleuchten. So deckt sich die kontinuierlich beklagte Pay Situation der Frauen nicht mit der Pay Reality der Unternehmen, wozu auch die Firmen- und Branchenvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gehören. Dass der Pay Gap in erster Linie die Unterschiede zwischen weiblicher und männlicher Lebensarbeitszeit zeigt, ist nicht Allgemeingut. Trotzdem wurde mit Maßnahmen begonnen. Parallel zur breiten Palette der Frauenfördermaßnahmen kommt es nicht selten zu offen deklarierten Benachteiligungen und Ausgrenzungen von Männern (bis die angestrebte „Geschlechterparität“ erreicht ist).

Dabei haben Frauen heute in der beruflichen Realität ein enorm gewachsenes Feld realer Möglichkeiten. Trotzdem entscheiden sich viele Frauen seltener für bestimmte Bereiche und Führungspositionen als Männer (jetzt müsste einiges zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Kitas, Frauenjobs, Bezahlung usw. gesagt werden, was diese Anmerkung überschreitet). Jedenfalls können sich politische Eingriffe in die Personal- und Besetzungspolitik in der Realität auch als wenig praxistauglich, unwirksam oder sogar kontraproduktiv erweisen. Dass die Verantwortung für die Besetzung von Führungspositionen bei den Unternehmen bleibt, sollte erwähnt werden.

DIE WIRTSCHAFT WEISS, dass sie nicht zuletzt aus demografischen Gründen – schrumpfende infrage kommende Arbeitsmärkte – öfter als früher und in mehr Bereichen auch auf den höheren Ebenen mehr Frauen braucht. Dies gilt angesichts des beginnenden Wandels, vor dem jetzt Wirtschaft und Gesellschaft durch Lockdown, Klimapolitik und notwendige Neuorientierungen stehen, und es gilt ab sofort. Ab jetzt geht es bei „Führung“ weniger um die geforderte, manchmal falsch verstandene „Frauenteilhabe“ als um geschlechtsneutrale, aktiv-konstruktive Führungsarbeit, um Erfüllung neuer Anforderungsprofile und Erfolgsziele, oft auf Basis veränderter Bedingungen und Werteordnungen. All dies erfordert großes Engagement. Frauen können diese Ziele erwiesenermaßen ebenso wie Männer erreichen. Firmen sollten allerdings nicht noch einmal den Fehler machen, Nullziele zu definieren, mit denen sie nicht nur die High Potentials vergrämen und ihr eigenes Employer Profil beschädigen.

Die Politik sollte aufhören, Schreckensbilder einer Berufslandschaft zu verbreiten, in der Frauen keine Chancen haben, wenn ihnen nicht der Staat helfend unter die Arme greift und auf bessere und höhere Sessel setzt. Diese Bilder sind nicht zutreffend, sie verletzen die vielen engagierten, tüchtigen, erfolgreichen Frauen auf allen Ebenen. Sie verletzen auch die Reputation all der Unternehmen, die eine betont geschlechtsneutrale, faire Personalpolitik betreiben. Sie demotivieren die nachwachsende weibliche wie männliche Generation. Und nicht zuletzt: Sie verwischen auch das Jobprofil von „Vorstand“, von „Top-Management“. Hier geht es weniger um die ständig zitierte „Teilhabe“ – was auch missverstanden werden kann -, sondern um das verantwortliche Übernehmen großer Aufgaben, um damit verbundenes Erkennen, Steuern, Bewegen, um das Zum-Erfolg-Führen von Unternehmen, Projekten, Menschen.

Die neue Gesetzesinitiative für eine vorgeschriebene Führungsfrauenquote zielt primär auf die Wirtschaft, und erfreulicherweise auch auf den Öffentlichen Sektor, wo es der Staat bisher vergleichsweise einfach hatte, die Quotenregel einzuführen. Ob es auch da schwierig bis problematisch werden kann, steht auf einem anderen Blatt. Manche sagen hier, dass die Aufgaben „Management und Führung“ ähnlich bis gleichartig sind, ob in Wirtschaft oder Öffentlicher Verwaltung, und dass man hier „Fachliche Qualifikation und Kompetenz“ meist als nachrangig gegenüber „Management- und Führungsqualifikation“ einstufen kann. Schließlich könne man ganz oben alle erforderlichen Experten hinzuziehen und einsetzen. Besonders im Feld „Politische Aufgaben“ wird das häufig so gesehen und praktiziert. Hier könnte man sagen, dass die Lösung gesellschaftlicher Probleme doch etwas anderes ist als die Versorgung der Gesellschaft mit Gütern und Leistungen.

„Führung“ ist eine in vielen Bereichen unterschätzte Aufgabe. Das Geschlecht der Führenden spielt dabei in Wahrheit keine oder eine sehr nachrangige Rolle. Auf „Führung“ zielende oder damit beauftragte Frauen sollten sich daher nicht vom Gerede über Frauenbenachteiligung beeinflussen lassen, sich nicht als „Opfer“ der Verhältnisse empfinden, auch nicht den „Männerstil“ nachahmen, sondern als bestens ausgebildete, die neuen Aufgaben und Chancen mit vollem Engagement anpackende Eigen- und Mitverantwortliche. Diese Kriterien bleiben leider außen vor, wenn man bei der Besetzung von Top-Führungspositionen ab jetzt den Scheinwerfer zuerst auf das Geschlecht richtet.

BEI DIESER GELEGENHEITsollte daran erinnert werden, dass Unternehmen und Führungsgremien in ihrer personellen Struktur und Aktivität nicht die demografische Realität abbilden müssen, hier das Männer-Frauenverhältnis, demnächst vielleicht auch die Repräsentation unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen wie ethnische Herkunft, Religion, Alter, Interessen. Dafür gibt es primär andere und demografische Gremien. Unternehmen sind zwar wichtige Orte, die vom gesellschaftlichen Wandel nicht unberührt bleiben, ihn mitvollziehen und nicht selten mitgestalten. Sie sind aber nicht primär der Treiber dieses Wandels. Erste unternehmerische Aufgabe ist die leistungsstarke Wertschöpfung, einfacher ausgedrückt: die bedarfs- und werteorientierte Lieferung von wettbewerbsfähigen Produkten, Angeboten, Dienstleistungen. Unternehmen sind aber nicht die eigentlichen Treiber gesellschaftlicher Veränderungen. Stichwort Purpose. Hier könnten sich gesellschaftliche Ziele mit unternehmerischer Wertschöpfung vermischen, wovon beides aber nicht unbedingt profitiert.

Es gibt eine kontinuierlich gewachsene Zahl von Frauen unterhalb der Top-Ebene, die in den aktuellen Statistiken nicht abgebildet ist. Hier ist die von der HR-Strategie geformte, von der Politik nicht wahrgenommene Gruppe, aus der die Top-Jobs kommen. Besetzungsprobleme wie kürzlich bei Banken zeigen, dass diese Gruppe oft nicht groß genug für die Möglichkeit einer Auswahl ist. Sie kann auch durch ein Gesetz nicht rasch vergrößert werden. Und nur wenn und wo es sinnvoll und erforderlich ist, können die Aufstiegs- und Besetzungskriterien verändert oder abgesenkt werden.

Jetzt will die Politik mit ausgefeilten juristischen Begründungen und Drohungen „Fortschritte bei der Gleichstellung“ erzwingen – in der Wirtschaft und im eigenen Bereich. Damit tut der Staat weder den vielen qualifizierten, für weitere und größere Einsätze bereiten Führungsfrauen einen Gefallen noch sendet man dem weiblichen Führungsnachwuchs die richtigen, am Führungs-, Unternehmens- oder Verwaltungserfolg ausgerichteten Karrieresignale. Die Politik will die Führungsfrauenquote schneller als es aktuell die generationsbedingte Entwicklung ermöglicht und nimmt dafür anscheinend Fehlbesetzungen in Kauf. Darf man hier an Aufgabe und Verantwortung des Gesetzgebers erinnern?

AUSGEFALLENER,aber nicht völlig falscher Vergleich: Mit einer Führungsfrauenquote ist es ein wenig wie mit der Frauenquote auf dem Mount Everest. 1953 erreichten mit Edmund Hillary und Tenzing Norgay zwei Männer als erste den lange umkämpften Gipfel. Seither wächst – ohne jede Vorgabe – die Zahl hervorragender Bergsteigerinnen kontinuierlich, die es ebenfalls auf die Spitze schaffen. Eine 50:50-Gipfelquote ist allerdings nicht in Sicht. Muss die nepalesische Regierung nun Gleichstellungsmaßnahmen ergreifen, eine Weile nur noch Frauen rauflassen? Aufstiege zum Gipfel beginnen in der Regel unten und es kann – je nach Branche, Unternehmen, Managementtraining, Engagement – dauern. Die echt Ambitionierten wollen es aus eigener Kraft schaffen, können dabei heute wichtige Erkenntnisse und Ausrüstungen mit auf den Weg nehmen.

Ort und Zeitpunkt, wo für höhere Frauenquoten steuernd – und möglichst ohne gesetzliche Verpflichtung, besser auf Basis eigener Einsicht – eingegriffen werden muss, ist vor dem Ein- und Aufstieg. Hubschrauber kommen nur unterhalb 5000 Meter für Rettungseinsätze in Frage. Die Luft oben ist nun mal dünner. Unternehmen, die sich gegenwarts- und zukunftsorientiert dem begonnenen fundamentalen Wandel stellen, handeln längst entsprechend, denn Führungskräfte werden knapp, auch ohne Corona. Fehlende Topkräfte in der Führung sind nicht selten Gründe für größeres Scheitern in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung. Überall braucht es aus demografischen Gründen auch eine deutlich größere Zahl qualifizierter, einsatzbereiter Frauen.

Wird der gesetzliche Druck nun einen Ruck auslösen? Werden jetzt – mit oder ohne Gesetz – Unternehmen, Institutionen Verwaltung ihre Frauenpolitik auf den Prüfstand stellen, aktualisieren und wo nötig verbessern? Das wäre in jedem Fall von Nutzen. Wird dabei auch die relevante Kommunikation nach drinnen und draußen besser, anders oder ganz neu formuliert? Beispiel: Die richtigen Botschaften an den Führungsnachwuchs heißen nicht: Als Frau bekommst du dank Gesetz endlich die dir bisher verwehrten Privilegien, dazu staatlich vorgegebene und kontrollierte Aufstiegsförderung, sondern: Tüchtige Frauen schaffen es auch allein. Im übrigen haben Frauen heute enorme, weiter denn je gezogene, bis an die Spitze reichende Möglichkeiten, sich in Top-Aufgaben zu verwirklichen. Wie die Männer. – Hubertus J. Müller

 

Ich bin ein wenig empört, ist zwar die Untertreibung des Jahres, über Ihren Artikel mit Hauptredner Martin Schröder. Es suggeriert mir als Frau sas ich mich freiwillig für 15 Monate Elternzeit mit anschließend 25 Stunden Teilzeit entschieden haben. Nein, dem ist nicht so. Ich verdiene in meinem sozialpädagogischen Beruf leider immernoch ein Drittel weniger als meun Partner der in der Chemie tätig ist. Dabei obliegt mir viel mehr Verantwortung. Da stellt sich die Frage nicht lange wer das Kind betreut um Haus/Auto/Lebensstil weiterzuhalten. Ich könnte jetzt so weitermachen mit der Liste. Ich bitte Sie hiermit um eine Gegendarstellung z.B. durch Alexandra Zynkonov oder Louisa Dellart. Das sind Menschen die sich täglich öffentlich dafür stark machen das Frauen in Deutschland eine lauter Stimme bekommen-denn wir Mütter und Teilzeit Arbeier*innen sind müde, weil wir die Pandemien familiär wuppen müssen. – Maren Schotemeier

 

Unsere Tochter ist 1Jahr alt. Ich mache mir täglich Gedanken wie wir eine gleichberechtigte Beziehung hinbekommen und wie meine Frau auch mit Kind auch nur halbwegs die Chance auf Karriere hat. Aktuell sehe ich da keinen Ausweg. Selbst wenn ich auf 4 Tage Woche reduziere und meine Frau 80% Arbeitet wird am Ende keiner von uns Karriere machen. Ich empfinde den Artikel von Herrn Schröder als blanken Hohn gegenüber jeder Frau die sich zwischen Kind und Karriere zerreißt und am Ende keines von beidem richtig hinbekommt. Da sehe ich eben genau jenes strukturelle Problem in unserer Gesellschaft das Herr Schröder zur Disposition stellt. – Benjamin Reder

 

Mit Interesse habe ich den Artikel gelesen „Denn sie wissen, was sie tun“ und ob Deutschland eine Frauenquote braucht in Führungsetagen. Ich finde es gut, dass sie mal ein Mann dazu äussert und nicht immer die Feministinnen oder Genderforscherinnen. Ich kann auch einigen Punkten etwas abgewinnen, zum Beispiel, dass viele vermeindliche Unterschiede sich eher als soziologisch und weniger als biologisch herausstellen und dass Frauen, die sich nicht schlecht fühlen, ihre Kinder fremdbetreuen zu lassen auch besser verdienen. Dennoch denke ich, dass 2 Punkte sehr wichtige Aspekte vernachlässigt werden:

Unsere Gesellschaft – besteht zwar aus Individuen, aber der Grossteil davon hat noch sehr traditionelle Ansichten – ob bewusst oder unterbewusst. Der Druck auf Mütter, die arbeiten ist enorm. Wir kriegen schlicht ganz schräge Blicke oder bissige Kommentare, wenn wir das machen – und das nach wie vor. Und ich denke, viele Männer wagen sich nicht aktiver ins Familienleben – auch hier gibt es schräge Blicke und vielleicht den Karriereknick. Die Arbeitgeber & unsere Arbeitsweise: lässt immer noch nicht viel Spielraum und vergisst oft, dass wir nicht nur leben um zu arbeiten. Es gibt nach wie vor viel Unflexibilität und in Führungspositionen anscheinend zu wenige Menschen, die auch gerne Zeit mit ihrer Familie oder Hobbies verbringt.

Also es ist nicht immer nur an den Frauen, dass sie sich um die Kinder kümmern wollen. Und ja, ich bin keine Wissenschaftlerin, aber Praktikerin. Mein Mann und ich arbeiten beide 100% in Führungspositionen und haben 2 kleine Kinder, 2.5 Jahre und 4 Monate alt. Wenn ich wollte, könnte ich mich dauernd rechtfertigen, warum ich das so mache, wie ich es mache. Wohl gemerkt „ich“, es geht nicht um das „wir“ – nur ich bekomme die bescheuerten Fragen, warum ich überhaupt Kinder habe und Kommentare wie „Du kannst doch später auch noch arbeiten, kümmer Dich jetzt um Deine Kinder“. Ja, mach ich ja, aber halt nicht 24/7. Mein Mann hört so was nie. Ist völlig normal, dass er fröhlich weiter arbeiten geht.

Der Druck der gesellschaftlichen Norm ist nicht zu unterschätzen. Frauen, die arbeiten wird ein schlechtes Gewissen gemacht, dass sie ihre Kinder vernachlässigen. Männer, denen die Familie neben der Karriere auch noch wichtig ist, wird ein schlechtes Gewissen gemacht, ob sie ihren Job dann nicht vernachlässigen und ihre Karriere aufs Spiel setzen. Und Führungspositionen und leider in vielen Firmen auch „normale“ Jobs, sind nach wie vor nicht darauf angelegt, dass es neben der Arbeit auch noch anderes gibt. Nicht nur kleine Kinder, sondern generell Familie, Freunde oder Freizeit. Es als emanzipiert zu bezeichnen, wenn Frauen sich für die Familie entscheiden halte ich für sehr gewagt. Diese Frauen setzen sich einem sehr grossen finanziellen Risiko aus – ob bewusst oder unbewusst – da unser System momentan nun mal nur bezahlte Arbeit berücksichtigt (inklusive Pensionsanspruch), jedoch nicht die unbezahlte.

Ich halte den Schritt von Frauen, sich nur um die Familie zu kümmern, schlicht für verrückt. Ich wünsche jedem, dass die Beziehung hält und die Aufteilung funktioniert, aber was wenn nicht? Warum es mir und meinem Mann gelingt, ein wunderbares Leben zu führen, ohne schlechtem Gewissen den Kindern oder der Arbeit gegenüber? Sich auf der gleichen Augenhöhe begegnen. bei uns macht nicht der eine was Wichtigeres als der andere. Beide Jobs sind gleichwertig (obwohl sie es finanziell und positionsmässig nicht sind) und Kindererziehung und Haushalt geht auch beide was an – wir machen 50/50 oder sagen wir zumindest 48/52. So gehen wir beide im Beruf auf und in der Familie. Flexible Arbeitgeber. Ja, wir sind workaholics und arbeiten viel. Oft noch abends, wenn die Kinder schlafen, aber dafür gehen wir auch öfter früher heim. Wir sind flexibel und unsere Arbeitgeber auch.

Was zählt, ist die Qualität der Arbeit, nicht unbedingt der Zeitpunkt (und ja, wir sind uns bewusst, dass es Jobs mit fixen Arbeitszeiten gibt – aber viele Firme, sind immer noch äusserst unflexibel obwohl sie flexibel sein könnten) Super Kinderbetreuung: Unsere Kita ist der Hit. von 7-18:30 geöffnet, mit motiviertem, kompetentem Personal und abwechslungsreichen Aktivitäten. Unser ältester strahlt jeden Abend. Da schiebt man die Kinder nicht ab, sondern bietet ihnen was. (Und ja, diese Berufe gehören endlich aufgewertet, denn sie leisten einen so wichtigen Beitrag für unsere Volkswirtschaften.) Und ja, wir sind uns bewusst, dass wir äussert privilegiert sind. Wo ich mit Ihnen sehr einig bin, Herr Schröder, zuerst fängt es bei einem selber an. Und ich hoffe, dass es vielen gelingt auf sich zu hören, was man wirklich möchte und nicht, was einem von aussen eingeflüstert wird, was man zu mögen hat. Und dass dadurch unsere Gesellschaft und mit ihr die Arbeitgeber offener und flexibler werden. – Teresa Widmer

 

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Denn aus welchem rationalen Grund sollte man der Hälfte der Menschheit ihre Rechte vorenthalten.“, schreibt Schröder. Ich lehne mich jetzt vielleicht ganz weit aus dem Fenster, aber es könnte ja sein, dass die besagte Hälfte der Menschheit möglichst klein gehalten werden soll. Eine Gesellschaftsordnung, die seit tausenden Jahren vorherrscht, lässt sich nicht in wenigen Jahrzehnten aus der Welt schaffen. Kinder werden von klein auf in Geschlechterrollen gepresst. Eltern, Institutionen, geschlechterspezifische Werbung und die gesamte Gesellschaft sorgen dafür, dass Mädchen von klein auf eingeredet wird, sie müssten mit Puppen spielen und seien sanfter, emotionaler, fürsorglicher.

In der Schule wird den Mädchen dann eingeredet, dass Mathematik und Naturwissenschaften eher „Jungensache“ sind und dass es nur natürlich sei, wenn die Noten in diesen Fächern nicht so gut wären, schließlich hätten Mädchen ja andere Talente. Wenn man dieser konstanten Lenkung doch einigermaßen gut entkommt, werden einem auch im Beruf weiter Steine in den Weg gelegt. Schließlich werden Führungspositionen nach wie vor von Männern besetzt und dabei entscheidet häufig nicht die Qualifikation, denn Geschlechterstereotype verhindern eine objektive Auswahl. Und natürlich bleibt der Mann nicht für die Kinder daheim, wenn er deutlich mehr verdient. Dabei von einer freiwilligen Entscheidung zu sprechen, ist bestenfalls ignorant.

Dass Frauen viel häufiger von Altersarmut betroffen sind, häufiger Opfer von sexueller und häuslicher Gewalt werden, viel mehr unbezahlte Care-Arbeit leisten und besagte Arbeit trotz Systemrelevanz viel zu schlecht bezahlt wird, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Auch in der aktuellen Corona-Pandemie sind Frauen die ganz großen Verlierer. Dass eine Frauenquote richtig und wichtig ist und welche Vorteile sie haben kann, haben bereits zahlreiche Studien gezeigt. Dass sich ein Professor der Soziologie hinstellt und behauptet, es gäbe keine strukturelle Benachteiligung von Frauen und dass wir uns das ja alles selbst ausgesucht hätten, ist der blanke Hohn.

Ich selbst bin erst Mitte zwanzig und ich bekomme das kalte Grausen, wenn ich daran denke, ich könnte irgendwann Kinder in diese Welt setzen. Zum einen bleibt ja nach wie vor der größte Teil der Arbeit an der Mutter hängen, aber vor allem hätte ich Angst davor, dass meine Tochter nicht dieselben Chancen haben wird, einzig weil sie eine Frau ist und dass sie Opfer von alltäglichem Sexismus wird. Wenn ich einen Sohn hätte, hätte ich zwar weniger Angst vor diesen Szenarien, ich müsste mir aber trotzdem Sorgen machen, denn vielleicht wird er Soziologe und schreibt einen Gastbeitrag in der ZEiT, in dem er meiner Tochter genau diese Erfahrungen absprechen will. – Maria Högerle

 

Erst seit 1949 sind Frauen und Männer nach unserem Grundgesetz offiziell gleichgestellt. Dieser rechtlichen Gleichstellung muss nun eine gesellschaftliche Gleichstellung folgen. Doch die öffentliche und politische Debatte läuft Gefahr, sich in gender-korrekten Bezeichnungen und Frauenquoten zu verlieren. Frauen wie Männer stehen vor der Frage, welchen Platz sie in der Gesellschaft einnehmen wollen und vor allem, wie sie Familie und Beruf in Einklang bringen können. Im Gegensatz zur beruflichen Tätigkeit werden Haushaltsführung und Kindererziehung nicht vergütet. Nichtsdestotrotz handelt es sich dabei nicht nur um einen sozialen, sondern auch um einen volkswirtschaftlich entscheidenden gesellschaftlichen Beitrag.

Unsere Regierung sollte die notwendigen Voraussetzungen für einen sinnvollen Ausgleich zwischen beruflicher und familiärer Tätigkeit schaffen, wie zum Beispiel eine kostenlose, für alle verfügbare Kindertagesbetreuung oder eine staatliche Subventionierung der Elternzeit. Männer und Frauen müssen die Chance bekommen, ihren Lebensweg frei zu wählen und dafür unabhängig von Gehältern und Vorstandspositionen die gleiche Wertschätzung zu erfahren. – Ricarda Muggenthaler

 

Am Samstag erschien Martin Schröders Artikel „Denn sie wissen was sie tun“ in der Zeit. Angefangen vom Titel über die diskutierten Inhalte ist es für mich als fünffache Mutter und Chef Ärztin ein absolutes no go der Argumentation in ihrem Artikel zu folgen und mir im besten mansplaining meine Situation erklären zu lassen. Wir Frauen, auch wenn wir Führungspositionen begleiten, finden uns in einer Welt wieder, die komplett nach männlichen Spielregeln definiert ist. Innerhalb dieser männlichen Spielregeln können wir uns bewegen und können es sicherlich auch in Führungspositionen schaffen. Das sind aber zum einen keine Spielregeln, die wir selber geschaffen haben oder hätten und zum anderen ändert sich dann strukturell nichts.

Viele Frauen begleiten Führungspositionen und kämpfen täglich gegen Windmühlen, angefangen im Kleinen durch diskrminierende Sprache, über Artikel in der Zeit, bis hin zu echten finanziellen und strukturellen Herausforderungen und Problemen, denen Frauen in Partnerschaft und im Berufsleben begegnen. Jeder einzelne Teil der Gesellschaft ist geprägt von Situationen, die besser sind für Männer und von diesen für diese geschaffen sind und die für uns Frauen schwieriger zu bearbeiten sind. Dies ändert sich nur langsam. Ihr Artikel dazu zeigt wie wenig selbst Soziologie-Professoren diese Situation offensichtlich verstanden und verinnerlicht haben.

Meine Lösung zu diesem Thema ist, dass ich mich nur mit Frauen umgebe und diese gezielt fördere, alle Stellen die ich in meiner Klinik als Chefin besetze, besetze ich in Führungspositionen mit Frauen. Alle Kongresse, die ich durchführe, besetze ich mit weiblichen Referentinnen. Ich habe das Gefühl, dass ich als weibliche Führungskraft ganz dringend die Spielregeln ändern muss und meine weiblichen Kolleginnen ganz dringend unterstützen muss. Ihr Artikel hat mir wieder gezeigt, wie weit wir entfernt sind von eine Realität der Gleichberechtigung. Ich bin ziemlich enttäuscht. – Mandy Mangler

 

„Denn sie wissen, was sie tun.“ Stattdessen hätte der Artikel heißen sollen: denn er weiß nicht, was er schreibt. Ich bin mehr als erstaunt, dass Sie den Ausführungen von Martin Schröder einen Platz gegeben haben. Ich empfinde ihn als Schlag ins Gesicht jeder Frau, die in Deutschland von struktureller Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts betroffen ist und allen die sich für die Gleichberechtigung einsetzen. Herr Schröder stellt es so dar, als wäre es eine Meinung, ob es in Deutschland eine strukturelle Diskriminierung von Frauen (und anderen Gruppen) gibt oder eben nicht. Als können man zB trotz aller Fakten der Meinung sein, es gäbe den Klimawandel oder eben nicht, oder es gäbe Rassismus in Deutschland – oder eben nicht. Dass Herr Schröder selbst davon ausgeht, dass es keine (strukturelle) Diskriminierung von Frauen gibt, mag damit zusammenhängen, dass er ein weißer Mann ist.

Ich möchte mal sehen, wie er zu einer Pflegekraft, Erzieherin, Reinigungsfachkraft sagt: “tja, Pech gehabt. Du hättest ja Ingenieurin, Investmentbänkerin oder Professorin für Soziologie werden können. Und Kinder hast du dir ja schließlich selbst ausgesucht. Sonst hättest du jetzt mehr Geld und später mehr Rente! Und du vor 50 Jahren hättest du noch viel weniger gehabt und nicht mal ein eigenes Konto führen dürfe. Ist doch jetzt schon alles tippitoppi!“ Sein ganzer Text besagt letztlich, dass Frauen an allem selbst Schuld sind, dass sie sich ja nicht die falschen Jobs aussuchen müssten, dass sie sich ja nicht um die Kinder kümmern müssten und dass sie bloß froh sein sollen, dass sie immerhin nicht mehr 60 Prozent weniger als Männer verdienen wie noch in den 1970 er Jahren, sondern nur noch 20 Prozent.

Und wenn sich Frauen (lieber) um ihre Kinder kümmern wollen, als zu „arbeiten“, also für ihre Arbeit bezahlt zu werden, dann kommt Herr Schröder gar nicht auf die Idee zu hinterfragen, dass sie das vielleicht auch nur machen, weil es sonst keiner tut?! Wenn es jedenfalls die Männer nicht sind, haben zumindest die Frauen augenscheinlich den Anstand und das Verantwortungsbewusstsein bei allen bekannten Nachteilen sich trotzdem um ihre Kinder zu kümmern. Oder trauen sie sich vielleicht aufgrund ihrer Prägung gar nicht zu sagen, dass sie lieber gleichberechtigt und gleich bezahlt werden würden, anstatt zu Hause bei den Kindern zu hocken?

Und wie wäre es mal mit der Überlegung zu erforschen, wer sich den Begriff „Frauenberufe“ ausgedacht hat und entschieden hat, diese einfach schlecht(er) zu bezahlen, als „Männerberufe“. Der Artikel war leider handwerklich schlecht, zudem schlecht recherchiert und ein rückwärtsgewandt. Dafür gibt es wahrscheinlich wieder viel Lob von anderen weißen Männer, die sagen, dass Frauen mal nicht so hysterisch sein sollen und überhaupt, dieser Feminismus ja echt nervig sei. (Kein) Danke dafür. – Franziska Riedel

 


 

 

Leserbriefe zu „Strahlende Zukunft?“. Streit von Dorothee Bär und Thomas Tomaschek

 

Hier ein paar Anmerkungen zur Diskussion: „Zum Schutz vor Strahlung haben wir in Deutschland Grenzwerte,“ – nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl hat die deutsche Regierung (Kohl, CDU) die Grenzwerte für radioaktive Belastung von Lebensmitteln von 3 auf 600 Becquerel erhöht. „Zum Schutz vor Strahlung“? „im 5G-Netz kann er sein EKG mit Sensoren am Körper auf dem Tablet selbst messen“ – darum geht es also auch: Der Patient soll ehrenamtlich die Arbeit des Arztes/Krankenhauses machen, das dann dafür der Kasse eine Rechnung schickt. „In Deutschland gibt es jährlich mehr als 3000 Verkehrstote“ – Es wäre schon viel erreicht, hielten die Autofahrer sich an die Verkehrsregeln. Ohne Strahlung. Für mich sind die Darlegungen von Frau Bär inhaltsarm, polemisch und manipulativ. – Iman Schwäbe

 

„Das deutsche Handynetz ist lahm und löchrig“, stellt Frau Dorothee Bär, Digitalstaatsministerin, fest. Sie schlussfolgert, „wir brauchen überall den neuen Mobilfunkstandard 5 G“. Sehr kluge Worte, den Tatsachen weit voraus. Zunächst geht es um die gleichmäßige Entwicklung/Versorgung aller Landesteile, um dem Grundgesetz gerecht zu werden. Die Versäumnisse der Vergangenheit aufzuholen, gehört auf Platz eins der Tagesordnung. Erst dann geht es um die Modernisierung der Netze. Mit dem ersten Schritt wird die Vorgabe des GG endlich erfüllt. Ihn gebietet das Grundgesetz. Den grünen Lokalpolitiker Tomaschek interessieren diese Fragen weniger. Er entdeckt nach Jahrzehnten mit dem Mobilfunk die Wirkung der weiter entwickelten G5-Technik auf die Gesundheit als wichtigstes Problem. Wo bleibt hier die Verantwortlichkeit für die komplexe Daseinsfürsorge aller Bürger in Stadt und Land? – Schmolling

 

Sagt mal Leute, ernsthaft? Ihr laßt einen grünen Saxofonisten über ein naturwissenschaftliches Thema diskutieren und erwartet wirklich, daß dabei etwas, auch nur näherungsweise, sinnvolles herauskommt? – F. Kronberg

 

Der Streit zwischen Dorothee Bär und Thomas Thomaschek zeigt das Dilemma der Politiker in dieser Debatte auf: Beide sind nicht kompetent in der Beurteilung der Gesundheitsrisiken, beide holen sich aber auch offenbar keinen Rat von Experten. Oder Holen sich ihre Expertisen zum Teil bei selbsternannten „Fachleuten“. Berufen fühlen sich viele: „Landschaftsökonomen“, manche Ärzte, sogar Physiker. Gewiss auf anderen Gebieten sehr kluge Leute. Sie haben zwar eine Meinung- aber kein Wissen zur Wirkung elektromagnetischer Strahlung. Das Thema ist kompliziert, betrifft mehrere nobelpreisgeehrte Arbeiten. Man kann für den Anfang bei Planck („Plancksches Strahlungsgesetz“, Nobelpreis 1918) und Einstein („Photoeffekt“, Nobelpreis 1921) einiges dazu lernen.

„Gesundheitsgefährdungen“ bei Frequenzen im GHz Bereich anzunehmen, die außerhalb der bekannten Wärmewirkung liegen, sind unsinnig und tausendfach, millionenfach überprüftes Standardwissen bei allen, die sich mit den Wirkungen der EM-Strahlung beschäftigen. Bei den Anderen sind da offenbar lauter schaurige Geschichten unterwegs, es gibt mehr als 20.000 Veröffentlichungen. Ebenfalls kluge Menschen versuchen immer wieder nachzuweisen, dass es da offenbar noch „geisterhafte“ Phänomene geben kann, die wir bisher übersehen haben. Ich kann nur sagen: Ihr werdet nichts Neues finden!

Denn es geht eben physikalisch einfach nicht, wir wissen das seit Planck und Einstein. Politiker sind keine Wissenschaftler und vom Wähler abhängig. Aber sie sollten sich an wissenschaftliche Fakten halten, kompetente Leute dazu befragen und dem Unsinn mit der „Gesundheitsgefährdung“ entgegentreten. Es gibt ja trotzdem viel Richtiges in dieser Debatte: Das wir zum Beispiel den >20 GHz Bereich kaum erforscht haben, dass es sehr wohl eine gesellschaftliche Debatte geben muss, wie sinnvoll der Ausbau ist, usw. „Gesundheitsgefährdung“ ist aber mit Sicherheit eine Sackgasse. – Wolfgang Schulz-Homeier

 

Hier zeigt sich wieder einmal in schöner Weise wie die Bürger im Interesse der Industrie von der Politik verschaukelt werden .Die Pharma- und Kosmmetikforschung ist ohne Tierversuche undenkbar aber beim G5 – Ausbau läßt sich laut Dorothee Bär nicht einfach von Tierversuchen auf Menschen schließen . Ja was denn ? – Hans Schubert

 

Es ist immer wieder und auch bei Ihnen zu erkennen, wie sich Politik und Industrie das Objektive so zurechtstutzen bis es zu ihrer Argumentation passt. Wer will sieht die Schnitte meist deutlich. Wenn jedoch die Karawane zieht gibt es kein Halten mehr, es gibt dann 1000 Gründe gegen ein Halten oder ein Zurück. Sie sind zu jung, ich erinnere mich an die identischen Diskussionen über Chemie auf dem Acker. Heute wissen wir um deren fatale Folgen, nicht nur chemisch auch als politisches Herrschaftsinstrument in der 3. Welt, … aber die Karawane zieht immer weiter. Die Ackercemie-, G5-, ect. und die noch kommenden Karawanen des Kapitals werden uns Heil versprechen, ohne sich um das Unheil zu kümmern das sie bringen. ps Den „Stop“ der Atom- und der Kohlekarawane werden wir und unsere Kindeskinder noch sehr sehr teuer bezahlen (169 + ?00 Mrd €). Die Kosten für ein „Zurück“ (z. B. Dekarbonisierung der Atmosphäre oder Klimawandel) sind seriös nicht zu ermitteln und würden unsere Vorstellungen übersteigen. – H. Giller

 

Es erstaunt mich sehr, daß Frau Bär behauptet, es gäbe keine Studie, die nachweist, daß Mobilfunkstrahlung unterhalb der Grenzwerte tatsächlich für Menschen schädlich ist. Das ist nicht korrekt. Im März 2015 gab das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz nach den Ergebnissen einer Replikationsstudie(Lerchl et al. 2015, bestätigt in der Folgestudie 2018) bekannt, dass eine krebspromovierende Wirkung unterhalb der Grenzwerte als gesichert angesehen werden muss. Schon 2011 gruppierte die IARC, die Krebsagentur der WHO, die nichtionisierende Strahlung in der Gruppe 2B als ´möglicherweise krebserregend` ein.

Es gibt zahlreiche Ärzteappelle, in denen Ärzte aus Erfahrungen mit Gesundheitsstörungen Ihrer Patienten auf die Gefährlichkeit von W-Lan und Mobilfunk hinweisen. Es scheint so, dass aus wirtschaftlichen Interessen diese Einwände nicht gehört werden sollen mit u.U. katastrophalen Folgen, die wegen der Langzeitwirkungen erst viel später (zu spät) auftreten werden. – Dr. U. Fierz

 

Leider scheint die ZEIT wenig Zeit gehabt zu haben, dies „Streit“ – Gespräch vorzubereiten. Zumindest hätten die Zuständigkeit von Frau MdB + Min*in Bär (weder für Netz-Infrastruktur noch Forschung) und die besondere Wohnsituation von Herrn GdeRat Tomaschek direkt unter der Nr 2 des Elektrosmogs in Bayern „Wendelstein“ etwas skizziert werden sollen. Vielleicht auch die angeblich guten, aber nicht veröffentlichten Argumente der Regierung sowie das Desinteresse in Tomascheks Wahlkreis, wo sich die Bürger mehr am Skigebietsausbau sowie Schneekanonen ereifern denn am 5G -Ausbau…. Vielleicht auch die ununterbrochene, vom Einzelnen nicht beeinflussbare Strahlenbelastung in der Fläche in Ergänzung zur häuslichen, teilweise beeinflussbaren… oder auch die absehbare Steigerung der Strahlenbelastung dann, wenn denn mal 5G „auf Strecke“ von jedem Motorfahrzeug und jeder Drohne und jedem Handy nutzbar sein wird!

Da wäre Frau Bär ihr Hinweis auf bisherige Nicht-Ausschöpfung der Grenzwerte schlecht bekommen: alleine der Verkehr wird die derzeitigen Grenzwerte überschreiten – und NIEMAND wird dann das Auto ausschliessen. Das wollte die ZEIT anscheinend nicht? . So blieb es beim freundlichen Abtasten zweier wegen Home Office untrainierter politischer Leichtgewichte, ohne dass einer in die Offensive gegangen wäre, ohne einen einzigen Schlagabtausch – und ohne Ermahnung wegen mangelnder Initiative! . Solche Bekanntheitsförderung 1 Jahr vor den Wahlen gehört zum Bay. Rundfunk, aber nicht in die ZEIT – und schon gar nicht unter „Streit“ ! Da sollten Fachleute ran dürfen!! . In der Hoffnung auf mehr Argumentation und weniger Geplauder. – Franz Berger

 

Mit besten Grüßen von Frau Stumpp hat sie mit großen Interesse das Interview von Dorothee Bär und Thomas Tomaschek in der ZEIT gelesen, geschrieben von Carolin Rückl und Stefan Schirmer. Frau Stumpp ist innerhalb der Grünen Bundestagsfraktion zuständig für das Thema digitale Infrastruktur. Gestolpert ist sie über die Aussage von Frau Bär, die Grünen seien auf „Bundesebene pro 5G-Ausbau“. Dabei möchten wir gern klarstellen, dass wir das Thema um einiges differenzierter betrachten, als Frau Bär das im Interview darstellt. Zum einen plädieren wir für einen flächendeckenden LTE-Ausbau, eh 5G Priorität eingeräumt wird. Zum anderen muss man bei dem Mobilfunkstandard 5G zwischen den geringeren Frequenzbereichen, die bereits jahrelang in Nutzung sind und den wenig erforschten hochfrequenten Bereichen unterscheiden, bei denen die Studienlage unzureichend ist.

Während die bei 2G bis 4G und auch bei der neuen Mobilfunktechnologie 5G eingesetzten Frequenzbereiche (700 MHz, 800 MHz, 1,8 GHz, 2 GHz, 2,6 GHz, 3,6 GHz) jahrelang erforscht wurden, werden bei 5G zukünftig zusätzlich zu den bekannten Frequenzen bisher nicht genutzte Frequenzbereiche ab 26 GHz zur Anwendung kommen. Die Bundesregierung gibt an, dass in diesem Forschungsbereich die Datenlage „sehr gering“ ist. Zwar hat die Bundesregierung eine Studie dazu in Auftrag gegeben, allerdings ist ein Abschluss im September 2022 reichlich spät vor dem Hintergrund, dass 26 GHz-Anwendungen teilweise jetzt schon im Rahmen von 5G-Pilotprojekten erprobt werden. Dies widerspricht dem Vorsorgeprinzip.

Bei Nutzung von Frequenzbereichen ab 26 GHz ist es dringend notwendig, die offenen Fragen der bisherigen Forschung lückenlos aufzuklären. Bis zum Vorliegen von Studienergebnissen zur Wirkung von EMF bei 26 GHz sollte die Verwendung dieser Technologie nur als Modellprojekt und unter strenger wissenschaftlicher Begleitung stattfinden. Laufende 5G-Modellvorhaben sollten jetzt wissenschaftlich begleitet und weitere Forschungsvorhaben in die Wege geleitet werden. Wir haben zu dem Thema auch kürzlich eine parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung gestellt: https://margit-stumpp.de/aktuelles/kleine-anfrage-zu-mobilfunkstrahlung/i.A. Lydia Hübner

 

Es gibt also Studien, die dafür sprechen, dass Tumore bei Tieren mit Mobilfunkstrahlung in Verbindung stehen könnten. Dorothee Bär hält das für irrelevant, weil man nicht einfach von Tierversuchen auf Menschen schließen dürfe. Warum macht man dann Tierversuche? Außerdem setzen doch wir Menschen nicht nur uns selbst der flächendeckenden 5G-Dauerbestrahlung aus, sondern auch alle Tiere. Wie kann uns gleichgültig sein, was 5G unter ihnen anrichtet? – Gregor Bauer

 

Diese Auseinandersetzung ist mal wieder sehr enttäuschend gewesen. Der grüner Mann war mehr als blass, er hatte einfach keine Argumente. Strahlen haben einen schlechten Ruf, das wissen wir doch alle. Wie schädlich sie wirklich sind, unter welchen Umständen??? Wenn auch nur eine Studie behauptet, die Strahlen sind krebserregend, dann können wir es doch nicht vernachlässigen! Der Mann muss aufgeklärt werden, wenn er noch nicht weiß, dass man immer eine Studie findet, die irgendeine These im paramedizinischen Bereich vertritt. Der Infraschall der Windräder z. B. Soll besonders schädlich sein.

Dass Schiffe oder Busse ebenfalls welche erzeugen, wird einfach nicht zur Kenntnis genommen. Aber noch besser ist die Argumentation mit der Vermeidung der Verkehrstoten. Auch die CSU-Dame möchte sich informieren: In der SZ 234 vom 10/11 Oktober wurde über das Ergebnis einer Studie zum aktuellen Stand der Autopilot-Technologie berichtet. Es ging um den Vergleich zwischen dem Autopilot (Tesla) und dem Fahrassistenten (VW). Auf einem ehemaligen Flugplatzgelände wurde ein Fahrzeug-Dummy aufgestellt. Die Fahrzeuge beider Marken waren nicht in der Lage, das Stehende Auto zu erkennen und fuhren ungebremst mit 60 Stundenkilometer auf das Dummy-Auto auf. Wie kann sie mit Sicherheit argumentieren?

Einer der führenden chinesischen (China ist zurzeit am weitesten im Thema)Spezialisten sagte neulich auf der chinesischen Automesse, dass sie noch mindestens 10 Jahre vom Einsatz unter reellen Bedingungen entfernt sind, und dass sie nicht mit PKW, sondern mit LKW anfangen werden. Er wollte keine Prognose bezüglich des Zeitpunkts wagen. Wenn die „ZEIT“ schon zum Streit einlädt, erwarte ich von den Parteien, dass sie wenigstens die Kenntnisse eines informierten Zeitungslesers haben. Wir sind doch nicht bei Fox News. – Alain Sourrouille

 

Frau Bär beweist im Interview vor allem ihre rhetorischen Fähigkeiten. Auf der sachlichen Ebene kann sie nicht überzeugen. Dass 5G im Rettungsdienst das Leben von Unfallopfern und Schlaganfallpatienten retten soll, grenzt an eine Farce. Auch das unfallfreie autonome Verkehrssystem gleicht eher einer religiösen Vision. Mindestvoraussetzung wäre die Entfernung von lästigen ungesteuerten Verkehrsteilnehmern wie Fußgänger und Radfahrer. Zudem muss man den leidenschaftlichen Autofahrern von heute das selbstständige Steuern verbieten und sich darauf verlassen, dass sie sich in einem subjektiv unerträglichen Tempo entmündigt durch die Gegen schaukeln lassen.

Die Landwirtschaft steckt in einer ökologischen Sackgasse, aus der sie auch ein 5G-Netz nicht herausholen wird. Hier gibt es andere Prioritäten. Neben den Gesundheitsrisiken gibt es noch andere Themen bei 5G. Die neue Welt der Dorothee Bär wird eine beispiellose Strommenge benötigen und unser Landschaftsbild wird sich bei flächendeckendem 5G grundlegend verändern. Persönlich stimme ich Herrn Tomaschek zu. Auch ich will nicht in einem durchgepulsten 5G-Land leben. Das Totschlagargument der Fortschrittsfeindlichkeit wird daran nichts ändern.

Frau Bär wirft Herrn Tomaschek Angstmache vor. Dabei verkennt sie die Natur ihrer eigenen Argumente. Denn Frau Bär setzt ebenfalls auf die Angst der Menschen: Die Angst, unnötig an einem Schlaganfall oder an einem Autounfall zu umzukommen, die Angst, im Wald über eine Wurzel zu stolpern und handylos zu sterben, die Angst, abgehängt zu werden und ein isloiertes, rückständiges, freudloses Dasein zu fristen. Frau Bär hat gelernt, ihr Spiel mit den Ängsten in vermeintlich positiven Äußerungen zu verpacken. Sie verspricht den Menschen, dass der Fortschritt ihre Ängste entkräften wird. Sie ist dadurch in der aktiveren Position und nutzt diese geschickt aus.

Ich denke, Fortschritt ist kein Selbstzweck. Wir sind inzwischen soweit fortgeschritten, dass die Nebenwirkungen unserer technischen Errungenschaften unseren Lebensraum ernsthaft bedrohen bzw. große Anteile bereits zerstört haben. Die Erderwärmung ist bereits nicht mehr auf ein folgenarmes Ausmaß zu begrenzen. Den Wald, in dem Frau Bär heute jagt, wird es in einigen Jahrzehnten wohl nicht mehr geben. Das Artensterben erreicht erdhistorische Dimensionen und erschüttert die Stabilität unserer Ökosysteme. Und die Anzahl der psychisch erkrankten Kinder und Erwachsenen steigt kontinuierlich.

Diese hässlichen Gesichter des Fortschritts blendet die wohlgelaunte Frau Bär fröhlich aus. Sie wähnt sich in einer geschützten und behüteten Welt, die durch mehr Fortschritt nur noch schöner werden kann. Vielleicht sollte sie ihre Scheuklappen abnehmen und einen unvoreingenommenen Blick in die Wirklichkeit riskieren.

p.S.: Eine von vielen Bibeln für fortschrittsgläubige Menschen ist Steven Pinkers „Aufklärung Jetzt“ (Enlightenment now). Lies man das dortige Umweltkapitel, so findet man dort keine unlösbaren Probleme. Liest man jedoch die die Quellen, welche dies beweisen sollen, so erkennt man bestürzt, wie ignorant und auch falsch Pinkers Ausführungen sind. Eine Rezension des Umweltkapitels aus „Aufklärung Jetzt“, die auch technische Aspekte betrfft, habe ich hier hierverfasst. Ein lohnenswerter Gedanken-Ausflug für Fortschritts-Jünger, wie ich finde. – Dr. Christian Voll

 

Endlich kommt dieses Thema zum Zug in der ZEIT, ein guter Anfang mit dem Streitgespäch! Daran sollte unbedingt weitergearbeitet werden – zum Inhalt: Frau Bär kann das zentrale Argument nicht ausräumen, daß die Regierung die Bevölkerung zu Versuchskaninchen macht, nein, sie muß sogar zugeben, daß Studien fehlen und trotzdem der Ausbau der 5G-Mobilfunktechnik vorangetrieben wird! Peinlich auch: Diese neue Mißachtung der Vorsorgepflicht wird auch noch zur Tugend erklärt, die wettmachen soll, was zuvor sträflich verschleppt und versäumt wurde, nämlich für eine ausreichende und weitreichende Glasfaserkabel-Breitband-Infrastruktur zu sorgen! Jene nämlich – für Unternehmen der entscheidende Standortfaktor! – ist die Grundlage für die Sicherung des Wohlstands, den Frau Bär als Argument (am falschen Platz angebracht) ins Feld führt.

In der Politik hat man gewollt, daß der freie Markt das „richtete“, und hat dem zugesehen, wie die Mobilfunkriesen – hier voran das magentafarbene T (eine Aktionärin ist die Bundesregierung…) – ihre Pfründe kostengünstig sicherten und Glasfaser – Ausbauprojekte blockierten. Eine Analyse von Zbornik in der Ärztezeitschrift „Ökoskop“ (2/2020) zeigt, daß 5G gleichermaßen weder für Videoüberwachung, fahrerloses Fahren, „Internet der Dinge“, noch für sog. „Smart Farming“ zwingend notwendig ist. Wer anderes als Nichtregierungsorganisationen und Verbraucherschutzvereine befasst sich mit sachgemäßer Aufklärung über Notwendigkeit und Risiken der in Frage kommenden Techniken? Aber wo finden sie Gehör bei den Entscheidungsträgern? Und wie kommt relevante Information über Leitmedien zur Bevölkerung (gibt es da bei gefühlter Brisanz nicht doch „vornehme Zurückhaltung“, also den selbst- oder fremdverordneten Maulkorb – schließlich steht ja auch der so wichtige Journalistenberuf unter Überlebensdruck?)

A propos Landwirtschaft: Worin besteht die Nachhaltigkeit, wenn auch noch so „smart“ ausgebrachte Pflanzenschutzmittel, also Pestizide, sowie chemische Dünger weiterhin das Bodenleben schädigen, Böden auslaugen und die Umwelt vergiften? Unsere Regierung hat sich zum Erfüllungsgehilfen der Mobilfunkindustrie/ -lobby gemacht. Sie folgt blindlings einem Hype – nicht wahrer Nutzen steht als Erstes, sondern zuerst wird die Technik (ohne Technikfolgeabschätzung) in die Welt gesetzt, und dann sollen dafür markttaugliche Bedürfnisse geschaffen werden. Vodaphone-Chef Gerhard Mack (in der Süddeutschen Zeitung vom 26. Juni 2020, S.22): „Bis jetzt haben wir viel ausprobiert“, für den Endkunden sei aber „Vieles kaum sichtbar gewesen“, …“denn bisher fehlte den Anbietern eine Kommerzialisierungsstrategie.“ (zit. Nach diagnose-funk, 3/2020, S. 27)

Eines der signifikanten Forschungsergebnisse, das Herr Tomaschek nennt, wird unglaubwürdig abgebügelt: Tierversuche seien nicht so ohne weiteres auf den Menschen übertragbar (Frau Bär). Damit versucht sie, sich elegant herumzuwinden… wie viele Tierversuche werden denn in verschiedensten Bereichen (immer noch) durchgeführt – alle ohne Konsequenzen? Man kann tatsächlich den Eindruck gewinnen, daß Voreingenommenheit und fatales Ignorieren möglicher und bereits wissenschaftlich herausgestellter Gefahren herrscht. Warum durfte schon 1997 eine Studie des renommierten Professors Karl Hecht (Arzt und Wissenschaftler) für das Bundesamt für Telekommunikation über die russischen Forschungsergebnisse zu elektromagnetischen Feldern (Schädlichkeit nichtionisierender Strahlung) damals in diesem Rahmen nicht veröffentlicht werden?

(s. Diagnose-funk, 3/ 2020, S. 24) Wie wird eine brandneue Metastudie zu biologischen Wirkungen elektromagnetischer Felder (EMF) auf Insekten rezipiert werden, die zeigt, daß EMF auf Insekten tatsächlich toxisch wirkt (72 von 83 untersuchten Studien wiesen Einschränkungen des Orientierungssinns, reduzierte Fruchtbarkeit und Reaktionsgeschwindigkeiten, Lethargie, Schädigung der Mitochondrien u.a. nach. – Review von Alain Thill, veröffentlicht in: „umwelt-medizin-gesellschaft“, 3/2020, Sonderbeilage)? EMF als ein Faktor, der das für unsere Lebensgrundlagen gefährliche dramatische Insektensterben begünstigt? Und zum Schluß noch ein Aspekt, der mir wichtig erscheint, und im Rahmen des Streitgesprächs nicht angerissen wurde: Wie wollen wir leben? Kann man das Leben immer weiter „immer sicherer“ und „immer berechenbarer“ machen – oder auch „immer bequemer“ machen, ohne daß es schließlich entweicht (das Leben)?

Oder ohne daß es sich durch eine „Hintertür“ rächt? Wäre das „Digital-Land“ Südkorea wirklich ein Vorbild? Ich bezweifle es. Vor lauter Technik-Faszination geraten doch schnell wichtige menschliche Bedürfnisse aus den Augen. Südkorea hatte vor wenigen Jahren noch die höchste Selbstmordrate aller OECD-Länder. Geburtenrate: ähnlich wie bei Japan dramatisch zurückgegangen. Studenten und Schüler schon stehen unter starkem Leistungsdruck, das soziale Netz schwächelt. Schön, wenn junge Menschen z.B. das Abenteuer für sich entdecken, ohne Smartphone auf Wandertour zu gehen oder smartphonelos auf Reise unterwegs zu sein! Auf der anderen Seite ist die Selbstmordrate junger Teenager in den letzten Jahren deutlich gestiegen –

Es gäbe noch einige offene Punkte, die nur kurz erwähnt wurden im Streitgespräch, bei denen es sich lohnen würde, von der scheinbar „smarten“, glatten Oberfläche mal in die Tiefen zu bohren, z.B. bei Datensicherheit oder bei den Kosten von immer neuer, immer „innovativerer“ Technik ohne Notwendigkeit : wer denkt an den angeheizten Energieverbrauch durch die gewollte kommende Welle neuer kommerzieller Anwendungen? Was halten eigentlich LKW-Fahrer davon, wenn sie nicht mehr LKW fahren werden (wenn jene das dann autonom machen)? Und wer denkt eigentlich einmal an die Kinder und Arbeiter, die ungeschützt und unterbezahlt für die Rohstoffgewinnung z.B. für die Hardware von Smartphones malochen? (…)

Soweit zum Artikel. Vielen Dank dafür! Bitte bleiben Sie dran, und recherchieren Sie zum Thema gründlich und trauen Sie sich etwas! Im Nachhinein möchte ich Ihnen auch noch verspätet ein Lob und einen ganz herzlichen Dank weitergeben für den Artikel „Intelligenz, die keinem hilft“ von Dirk Asendorpf aus der Nr. 8 diesen Jahres vom 13. Februar! Eine wirklich hilfreiche Untersuchung. – Sabeth Köhler

 


 

 

Leserbriefe zu „Haben wir gelernt?“ von Manuel J. Hartung

 

Vielen Dank für Ihren Text. Statt „ohne Geruch und ohne Blickkontakt“ hätte man setzen können „ohne Interaktion“, das macht noch klarer, dass man Unterricht nicht einfach durch „digital“ ersetzen kann. Mir macht es etwas Angst, wenn suggeriert wird, sobald alle iPads haben, können auch alle einfach zu Hause bleiben, und ich freue mich über Ihren Satz: „Beim digitalen Lernen geht es nicht nur um Technik, sondern vor allem um Pädagogik…“, das wird im Rausch des Digitalpaktes gern vernachlässigt, und das ist fatal. Insgesamt aber: Ich freue mich sehr über Ihren Text. Ich bin seit zwanzig Jahren Lehrerin, mag meinen Beruf anhaltend gern, und dass die Schulen weiterhin offen sind, hält uns alle aufrecht, das empfinde ich so jeden Tag. Vielen Dank, dass Sie das so treffend auf den Punkt bringen. – Dr. Katrin Düringer

 

Sie sprechen mir von der Seele. Zwar glaube ich, dass es doch einige Familien gibt, die mit der Belastung des „Homeschooling“ durchaus zurechtkommt, dennoch finde ich, dass Schulen umso wichtiger für diejenigen sind, bei denen es daheim wenig Interesse, Bindung und Struktur gibt. Als Lehrer fühle ich mich von den Forderungen der Bildungsgewerkschaften vor den Kopf gestoßen, während Sie in Ihrem Text genau das fordern, was die Schulen tatsächlich brauchen: eine verlässliche Strategie, eine bessere technische Ausstattung und mehr KnowHow für eine zielführende Didaktik in einem digitalen Zeitalter. – Sebastian Hitz

 

Seite 1 Überschrift „““Psych­ia­ter und Psy­cho­lo­gin­nen“““ Finden Sie es nicht diskriminierent wenn man von Psychiatern, männlich, dominant und Psy­cho­lo­gin­nen, weiblich, schwach spricht. – G. Roskosch

 

Vorneweg: auch als Lehrer bin ich absolut dafür, dass die Schulen offen bleiben und bin gerne bereit, dafür auch ein hohes gesundheitliches Risiko einzugehen. Für die Feststellung, dass das Offenhalten dieser Säule der Gesellschaft in erster Linie dem Einsatz der Lehrer/innen und Schulleitungen zu verdanken ist, bin ich ehrlich dankbar. Allerdings den Lehrerverbänden (wieder einmal) Panikmache vorzuhalten, wenn sie auf die gesundheitlichen Risiken verweisen, ist zu billig. Es sind nicht die Lehrerverbände, sondern das RKI, das empfiehlt, ab einer Inzidenz von 50 die Klassen zu teilen. In meiner Gegend liegen wir seit Wochen zwischen 200 und 400. Die entsprechende Vorgabe im Rahmenhygieneplan hat man deswegen einfach wieder gestrichen – nach dem Motto, wenn die Situation so dramatisch ist, dass die Regeln nicht mehr zu einer verachtfachten Inzidenz, passen, dann schaffen wir eben die Regeln ab.

An einem Tag mit 6 Stunden Unterricht hält man sich in einem kleinen Raum ohne ausreichende Lüftung mit sechs verschiedenen Gruppen à 30 Personen auf – also 180 verschiedene enge Kontakte auf engem Raum, darunter auch viele junge Erwachsene, die zur Zeit das Virus am häufigsten verbreiten. Ich kenne die Umstände in den Büros ihrer Redaktion nicht, frage mich aber, ob Sie unter diesen Umständen einfach weiterarbeiten würden, ohne auf die Risiken zumindest hinzuweisen. Nochmal, ich bin gerne bereit, dieses Risiko einzugehen, aber bitte nicht wieder diesen Unterton, die Lehrer(verbände) jammern wieder einmal nur. Und zum Schluss eine Bitte: bleiben Sie bei Ihrem Fachgebiet. Gegoogelte didaktische Tipps wie flipped classroomgibt es seit 2007 und waren schon lange vor Corona gang und gäbe. – Dr. Holger Falk

 

»Nicht zuletzt sind die trotz Corona geöffneten Schulen ein klares Signal, dass dieses Land es ernst meint mit der Bildung.« Mit Verlaub, Herr Hartung, doch haben Sie sich mal die Schulgebäude angesehen? Haben Sie sich mal den Schüler/Lehrer-Schlüssel angesehen? Glauben Sie, mehr Computer in den Schulen verschafft bessere Bildung? Nein, Herr Hartung, dieses Land spricht nur viel über Bildung, um sich etwas einzureden. Um eine Illusion aufrecht zu erhalten, sich etwas vorzumachen. Bildung steht, so mein Eindruck, vielleicht nicht zuletzt, jedoch ganz weit hinten in der Liste der Wichtigkeiten. Zuerst steht die Wirtschaft und die nur damit implizierte Ausbildung, dann kommt lange nichts, bis irgendwann die Bildung auftaucht.

Die Schulen und Kitas sind offen, damit Eltern ungestört ihrer Arbeit nachgehen können, also: damit die Wirtschaft läuft, und so die Gesellschaft stabilisiert wird – ein uralter Glaube in wohl jedem Wirtschaftswunderland. Hätte in diesem Land die Bildung wirklich den Rang, der ihr in so mancher politischen Rede angedichtet wird, wäre womöglich das mobilisierbare Potential für populistische Agitator*innen und Demagog*innen wesentlich geringer, um nicht zu sagen: unattraktiv. Auch das stabilisiert eine Gesellschaft. Und, nein: Wir haben nicht gelernt, wie unschwer zu erkennen ist. Sonst wäre ein Text wie der Ihrige nicht nötig. – Volker Homann

 

Schulen sind nicht nur gut darin Sicherheit zu vermitteln. Wenn unsere Kinder in der Schule sind, können wir Erwachsenen arbeiten und belasten die Sozialkassen nicht zusätzlich. Ich teile Ihren Dank an alle Lehrer*innen, die sich in diesen komplizierten Zeiten für unsere Kinder und über Dienst- und Lehrpläne hinaus engagieren und improvisieren und oft Unmögliches möglich machen! Es ist ja nicht verboten mitzudenken, sich im Sinne einer sozialen Gesellschaft auch sozial zu verhalten und aufeinander acht zu geben. Das gilt für Lehrer*innen, das ist auch irgendwie ein Bildungsziel und es gilt wohl für alle anderen auch. Ist es Verzweiflung oder Bequemlichkeit, die manche Zeitgenossen antreibt sich entweder stumpf auf staatliche Regulierung und Verbote zu verlassen oder naiv und in kuscheliger Gemeinschaft mit QAnon-Freaks, Reichsbürgern, Hooligans, Neonazis durch Leipzig zu laufen? – F. Hepke

 

Ich fürchte, Sie liegen komplett falsch – die Schulen sind gerade der grosse Transmissionsriemen der Pandemie. Ihre 1,8 % Quarantäne – Schüler sind massiv untertrieben. Sie vergessen die hohe Dunkelziffer. Das liegt so auf der Hand, umso weniger kann ich Ihren Artikel nachvollziehen … – Michael Beck

 

Ich bin nicht bereit, für meine Bildung zu sterben! Mir ist klar, wie dramatisch diese Aussage klingt, doch so fühlt es sich momentan an, in die Schule zu gehen. Überall ist Vorsicht geboten. Geschäfte schließen, Kontakt ist begrenzt und Eltern bleiben im Home-office. Und doch verlassen ihre Kinder jeden Morgen das Haus, um sich auf den Weg zur Schule zu machen, viele von ihnen mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel, wo sie fünf bis acht Stunden dicht an dicht in kalten Klassenzimmern sitzen und sich fragen, ob heute der Tag ist, an dem Corona in die Schule kommt.

Natürlich ist Bildung wichtig, und ich stimme vollkommen zu, dass Schulschließungen, wie wir sie im Frühling hatten, nicht vorteilhaft sind. Doch was sind wir bereit zu riskieren, um den regulären Unterricht weiterzuführen? Die Zahlen der Schüler, die sich in Quarantäne befinden, steigen dramatisch an. Lehrer, Eltern und Schüler sprechen sich gegen den regulären Unterricht aus. Schüler haben an einem Schultag Kontakt mit ihren Mitschülern, Schülern auf Parallelklassen, Lehrern, die von Klasse zu Klasse wandern. Bei vielen kommen noch Schulwege mit öffentlichen Verkehrsmitteln dazu, bei denen sie unbegrenzte Möglichkeiten haben, sich bei Fremden anzustecken und die Krankheit dann weiterzugeben an Mitschüler, Lehrer, Verwandte und vielleicht noch ein paar andere Fremde auf dem Rückweg von der Schule.

Und wie sieht dieser reguläre Schulalltag aus, für den wir so viel riskieren? Während die unteren Klassen noch relativ glimpflich davon kommen, mit nur ein oder zwei Tagen Nachmittagsunterricht, wird die Belastung mit den höheren Klassen immer stärker. Das durchgängige Maskentragen wird mit fortlaufender Zeit immer anstrengender. Was in den ersten Stunden nur für Brillenträger wirklich nervig ist, wird nach acht Stunden für alle eine unangenehme Ablenkung, die sich mit Erschöpfung und leichten Kopfschmerzen auf der Lernfähigkeit niederschlägt. Dazu kommt der Sportunterricht, der trotz der hohen Warnstufe weiterhin regulär stattfindet, in Hallen, mit durchgängiger Maskenpflicht. All das nur, damit in der Mittagspause hundert Schülerinnen und Schüler dicht an dicht in der Mensa sitzen um mit abgelegter Maske ihr Mittagessen zu verspeisen.

Die anderen Maßnahmen sind auch nicht effektiver. Abstand ist in Theorie eine gute Idee, doch bei Stundenwechsel ist nicht schlichtweg nicht genug Platz, um auf den Gängen Abstand zu halten, und auch in den Klassenzimmern ist es nur selten möglich, die nötigen 1,5 Meter Abstand zu halten. Das durchgehende Lüften mag helfen, doch der Winter kommt. Wenn fünfundzwanzig Jugendliche, die mit chronisch zu wenig Schlaf bereits anfälliger für Krankheiten sind, stundenlang in der Kälte sitzen wird die Klasse bald eben so ausgedünnt sein, wie sie es durch ein rollierendes System wäre, bloß ohne ein System und ohne einen guten Weg, den verpassten Stoff nachzuholen. Dazu noch die neue Regelung, laut der Schüler bei Erkältungssymptomen nicht ohne Attest oder negativen Coronatest wieder in die Schule kommen sollen, während Labore bereits mit der normalen Anzahl an Tests überlastet sind – früher oder später werden die Schulen schließen müssen, die Frage ist nur, ob es ein geplanter Vorgang oder ein langsames Verschwinden der Schüler seien wird.

All dies gilt selbstverständlich unter der Annahme, dass die Maßnahmen so gut wie möglich eingehalten werden. Ich möchte nicht so harsch sein und sagen, dass wir uns nicht an die Maßnahmen halten, weshalb ich es anders formulieren werde: Ich bin in der Oberstufe. Viele von uns haben drei oder viermal Nachmittagsunterricht, teilweise beginnen unsere Schultage um Acht und enden um 16:45. Da die Coronaregeln nicht auf die Unterrichtszeit begrenzt sind können wir die Pausen und Freistunden ohne schlechtes Gewissen mitrechnen, und mit der Zeit vor und nach der regulären Unterrichtszeit, die wir ebenfalls auf dem Schulgelände sind, dazu rechnen. Damit sind wir bei ungefähr neun Stunden. Neun Stunden, in denen nicht nur erwartet wird, dass wir aufpassen, lernen, und gute Noten erbringen, sondern nun auch, dass wir zuverlässig die Coronamaßnahmen einhalten.

Versuchen Sie es einmal für neun Stunden durchgängig die Maske tragen, Abstand halten, alle zwanzig Minuten lüften, und nur an Ihrem Platz essen und trinken. Es ist egal, ob Sie draußen sind, es ist egal, ob es kalt ist, es ist egal, ob Sie allein sind. Und das Montag bis Freitag, jede Woche. Wenn Sie in dieser Zeit einmal ihre Maske länger abnehmen als nötig, oder vergessen zu lüften, oder für den Moment den Abstand ignorieren, dann dürfen Sie uns nicht kritisieren, wenn wir das gleiche tun. Mir ist klar, wie wichtig Bildung ist. Mir ist auch klar, das Schule nicht da ist, um uns Spaß zu machen. Mir ist klar, dass besonders in den niedrigeren Klassen große Wissenslücken und Belastung für die Eltern entsteht.

Aber ich denke, dass besonders in höheren Klassen das Risiko groß ist. Wir sind oft den ganzen Tag in der Schule, wechseln von Kurs zu Kurs, Klassenraum zu Klassenraum, und Corona betrifft zwar Kinder weniger, doch wir sind keine Kinder mehr. In der Altersgruppe 15-34 Jahre gibt es die zweit meisten Infektionen, dicht unter der Gruppe von 35-59, während es unter 15 Jahren kaum Infektionen gibt. Ich gehöre zu dieser Gruppe von 15-34 Jahren und es scheint, als würde es keinen interessieren, dass es die Politik nicht interessiert, ob ich krank werde, oder nicht. Ich möchte nicht warten, dass jemand krank wird. Ich möchte nicht jeden Tag aufwachen und mich fragen, ob der heutige Schulbesuch der Grund sein wird, dass ich auf der Intensivstation lande, dass ich mein Leben lang unter Atemproblemen oder einer Herzschwäche leider, dass ich sterbe.

Ich weiß nicht, was der perfekte Weg ist, uns zu schützen. Ich halte das rollierende System mit täglichem Gruppenwechsel und einer Ausnahmeregelung für schriftliche Leistungsnachweise für durchaus sinnvoll, doch ich bin keine Lehrerin, keine Stundenplanerin und keine Politikerin. Was ich bin, ist eine Schülerin, die sich ein wenig Schutz und Sicherheit wünscht, und die glaubt, dass ihre Gesundheit wichtiger ist als ihre Bildung. – Anna Konerding

 

Was ist los mit den Eltern in Deutschland? Oder mit den Kindern? Ich hoffe, dass Herr Manuel J. Hartung nicht aus eigender Erfahrung schreibt. „Offene Schulen ermöglichen nicht nur Kindern Bildung, sondern auch Familien Schonung. Denn das hält die beste Familie nicht aus: auf engem Raum andauernd aufeinanderzuhängen“. Müssen Eltern und deren Kinder den Umgang miteinander erst wieder erlernen? Traurig, wenn es so wäre. Es ist ja schön für uns Schüler und natürlich auch für die Lehrerkräfte von allen Seiten zu hören, dass wir plötzlich diejenigen sind, die die Wirtschaft am Laufen halten. Würde denn die Wirtschaft in Deutschland zusammenbrechen, wenn erst mal die Schüler ab 15 Jahren aufwärts im Homeschooling unterrichtet werden?

Die unteren Jahrgänge könnten wochenweise in den sogenannten Hybridunterricht gehen, wie wir es am Ende des letzten Schuljahres bereits hatten. So wäre an den Gymnasien die Infektionsgefahr um zwei Drittel verringert. Die 200.000 Schüler, die aktuell in Quarantäne sind, machen zwar nur 1,8% aus, aber als relative Zahl ist das eine große Menge und kein Mensch weiß die Dunkelziffer. Viele arbeitende Erwachsene können es mit Ihren Chefs ausmachen, ob sie ins Homeoffice gehen. Wenn wir Schüler uns dafür entscheiden würden, käme vermutlich die Polizei um die Schulpflicht durchzusetzen.

Wir sitzen mit Maske in eiskalt gelüfteten Klassenzimmern mit circa 25 anderen Schülern plus Lehrkräfte, die jede Stunde wechseln. Die meisten Schüler kommen mit Bussen, wo die Infektionsgefahr noch um ein Vielfaches höher ist. Vielleicht könnten viel mehr Kinder als nur die älteren während den Coronazeiten digital unterrichtet werden? Es hat sich niemand danach erkundigt, wo Eltern und Schüler kein Problem damit hätten. Ich könnte gern auf die Ehre verzichten, plötzlich systemrelevant zu sein, wenn ich nicht täglich ein ungutes Gefühl dabei haben müsste, in die Schule zu gehen. – Emilie Krause

 

Da meine Geduld mit der aktuellen Corona-Schulpolitik gerade komplett an Ihre Grenzen gerät, habe ich die unten folgenden Ausführungen an die (bayer.) Landtags- und an die Bundestags-Fraktion der GRÜNEN geschickt. Das ist also eigentlich kein Leserbrief, der bei Ihnen veröffentlicht werden könnte. Eher geht es mir darum, dass die Redakteure, die sich bei Ihnen um die Schulpolitik kümmern, eine Stimme aus der Lehrerschaft (Gymnasium) zur Kenntnis nehmen. Ich habe mich sehr gefreut, dass der Leitartikel „Haben wir gelernt?“ von Herrn Hartung disen Donnerst die Dinge endlich mal so darstellt, wie sie sich auch aus meiner Sicht verhalten.

Nun folgt mein Brief an dei GRÜNEN: Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Verantwortliche bei DEN GRÜNEN, als langjährige GRÜNEN-Wählerin wende ich mich nun das erste Mal an Sie, weil ich zugleich Gymnasiallehrerin für die Fächer Mathematik und Ev. Religionslehre bin. Ich fand Ihre Schulpolitik schon immer grundlegend falsch, habe Ihnen meine Stimme aber immer aus dem Grund gegeben, weil ich Ihr Hauptthema – den Umweltschutz unter Beachtung der (globalen) Gerechtigkeitsthematik – als die drängendste Aufgabe unserer Zeit betrachte. Da habe ich den schulpolitischen Unsinn, den Ihre Partei m.E. in die Welt setzt, einfach über mich ergehen lassen, in der Hoffnung, dass Sie in Bayern dann doch von der CSU daran gehindert würden, diesen umzusetzen. Grundsätzliches: Ich könnte Ihnen nun lange ausführen, weshalb ich ihren schulpolitischen Ansatz so grundlegend falsch finde.

Da mein heutiges Anliegen aber ein teilweise anderes ist (dazu unten mehr), hier nur kurz: Kinder sind zunächst mal Menschen wie wir Erwachsenen auch. Damit sind sie gemischte, ambivalente Wesen, die gute wie böse Antriebe und Neigungen haben. Sie sind keine engelsgleichen, selbstmotivierten reinen Wesen, die man – wie vielleicht Rousseau oder Frau Montessori meinten – einfach „Kind sein“ lassen müsste und wie Augäpfel zu hüten habe. Nein, Kinder haben tolle Ideen, aber sie haben auch schädliche und ungute Impulse. Eine Pädagogik, die Kinder vergötzt und sie zum Zartesten, was wir haben, verklärt, geht grundlegend an der Wirklichkeit vorbei.

Des Weiteren ist kein Mensch ausschließlich sachlich und intrinsisch motiviert – das sind also auch Kinder nicht. Vielmehr reagiert jeder Mensch immer auch erst auf äußeren Druck. Dass bei Erwachsenen oft nicht mal der äußere Druck ausreicht, dürften Sie aus Ihren umweltpolitischen Erfahrungen sicher genau wissen. Gleichermaßen ist es um die Kinder bestellt: Auch sie finden nicht per se ganz aus sich selbst heraus „das Richtige“, weil es „das absolut Richtige“ ja ohnehin nicht gibt und weil es durchaus Sinn macht, dass wir Menschen auf den Druck äußerer Verhältnisse reagieren und aus dem äußeren Druck und den äußeren Notwendigkeiten durchaus erst das aktuell Sinnvolle ableiten können. Somit kann es grundsätzlich keine Erziehung ohne Druck, ohne moralische Regeln und ohne Sanktionen geben. Schule ist zudem immer ein Kunstraum:

Wir wollen unseren Kindern und Jugendlichen Zeit geben, sich zu entwickeln, daher setzen wir sie nicht der erwachsenen Wirklichkeit aus, sondern geben ihnen viele Jahre Zeit. Aus dem oben von mir Entwickelten folgt aber automatisch, dass Schule somit einerseits Freiräume geben muss, aber zugleich genauso Druck auf die Kinder ausüben muss, da diese sonst gar keine Veranlassung sehen, sich in irgendeine Richtung hin zu bewegen. Soweit in Kürze die grundlegenden Probleme, die ich an Ihrer Schulpolitik sehe. Zum Aktuellen: Ich wende mich aber an Sie, weil ich nun komplett entsetzt bin über die schulpolitischen Maßnahmen, die Sie in der aktuellen Corona-Situation vorschlagen: „Gesundheitsschutz geht vor“ – Schulen in das Wechsel-Modell – was bitte soll das heißen?! Offenbar ist Ihnen nicht bewusst, welchen unglaublichen Belastungen die Mehrheit der – digital aus der vorsintflutlichen Zeit stammenden – Schulen aktuell ausgesetzt ist.

Es gibt nur vereinzelt Schulen, die schnell und so reibungslos, wie es nötig gewesen wäre, auf eine digitale Beschulung der Kinder und Jugendlichen haben umstellen können – und zwar nur, weil sie aus irgendwelchen Gründen bereits einen digitalen Vorsprung hatten. Die Mehrheit der Schulen startete aus einem digitalen Fast-Nichts. Das hat den Schulalltag des gesamten vergangenen Sommerhalbjahres bereits sehr ineffektiv gemacht, ist aber nun nicht mehr rückgängig zu machen. Zugleich haben wir Lehrer uns alle möglichen Beine ausgerissen, um in der nun plötzlich rasanten digitalen Entwicklung die sich bietenden Chancen halbwegs aufgreifen zu können. Der Verzicht auf Noten, den Herr Piazolo dann noch salbungsvoll verkündete, hat dem Engagement der Schüler schließlich aber den motivationalen Todesstoß versetzt.

Dadurch ist die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler, die wir aktuell im Unterricht haben, sozusagen „vorgeschädigt“ durch ein halbes Jahr Chaos und fehlenden verlässlichen Rahmen. Die Mehrheit der Lehrer strampelt sich seit vergangenem März in 70-Stunden-Wochen ab (normal sind am Gymnasium in Bayern 60-Stunden-Wochen), um alle möglichen neuen Aufgaben zu erfüllen, die man Ihnen nun vom StMUK zuschiebt. Die Mehrheit der Schüler (v.a. in der Mittelstufe) lebt dagegen sozusagen auf energetischer Sparflamme, sie haben im vergangenen Halbjahr nicht nur ihren sozialen schulischen Rahmen verloren, sondern auch weitegehend ihre Arbeitshaltung. Dazu kommen die Lücken, die – allen Lügen des Herrn Piazolo zum Trotz – eben nicht durch irgendwelche angeblichen „Brückenkurse“ geschlossen werden können.

Seit diesem Oktober wechseln viele Schulen (auch die meine) nun schon wieder ständig zwischen allen möglichen Modellen hin und her (Lehrer in Quarantäne, Schüler in der Schule; einzelne Schüler in Quarantäne, Rest in der Schule; Wechsel-Modell; komplette Schulschließungen…), weil die unterdigitalisierten Gesundheitsämter vor Ort verrücktspielen. Wenn Sie nun in diesen Zeiten auf die Idee kommen, die Schulen wieder ins sog. „Wechsel-Modell“ zu schicken, dann haben Sie niemands Gesundheit geschont, sondern die Lehrer in die komplette Überforderung geschickt:Das Wechsel-Modell ist aus Sicht des Lehrers nämlich ein Parallel-Modell.

Ich hatte oben schon gesagt, dass unser normaler Schulalltag aus 60-Stunden-Wochen besteht. Im Wechsel-Modell muss man dann den normalen Schulalltag bedienen (= 60 h) und zudem die jeweils andere Hälfte der Schülerinnen und Schüler zusätzlich digital betreuen. Das heißt:Erklärvideos drehen oder suchen, Arbeitsblätter und Lösungen digitalisieren und auf MEBIS stellen, digitale Umfragen machen, digitale Lernapps einbinden, Videokonferenzen mit den zuhause Gebliebenen abhalten, für Fragen per z.B. MS Teams zur Verfügung stehen, auf permanente Schulleitungs-, Eltern- oder StMUK-Mails reagieren, die vorzugsweise nachts oder am Wochenende eintrudeln etc. pp. Das ist kein Gesundheitsschutz – sondern Menschen-Schinderei. Gleiches gilt für die Eltern, die nun wieder ständig ihre Kinder zuhause betreuen müssen. Wie sollen das berufstätige Eltern schultern?

Wenn die Lösung hierfür „Betreuungsangebote an den Schulen“ heißen soll, dann kann man die Kinder ja gleich in den Unterricht schicken. Außerdem geht dieses „Angebot“ wieder zulasten der Lehrer bzw. Schüler. Und die Kinder? – Sie gammeln wohl oft alleine zuhause vor irgendwelchen digitalen Endgeräten herum, wo unzählige Bildungsstudien doch inzwischen klargestellt haben, dass Schüler ihr soziales Umfeld und die Präsenz des Lehrers brauchen, um sich motivieren.

Ich kann also nicht fassen, mit welcher pädagogischen und psychologischen Blauäugigkeit, ideologischen Verblendung und Ahnungslosigkeit Sie Ihre schulpolitischen Ideen entwickeln. So, das hat ein wenig gedauert. Und Sie merken, dass meine Geduld seit März sehr strapaziert ist. Sie werfen – komplett zurecht – Herrn Piazolo unbeschreibliche Versäumnisse vor – aber das, was Sie als Alternative anbieten, ist mindestens genauso erschreckend falsch. Ich möchte zum Schluss noch auf den Leitartikel „Haben wir gelernt?“ der ZEIT vom vergangenen Donnerstag (19.11.) verweisen. Herr Hartung hat die Lage komplett richtig beschrieben. Jetzt fehlt noch die Einsicht der Politik. – Angela Gatzoflias

 

In „Haben wir gelernt?“ äußerte Manuel J. Hartung am 18. November scharfe Kritik an gewerkschaftlichen Forderungen nach Arbeitsschutz während der Corona-Pandemie. Schulen sind derzeit der einzige Ort sind, an dem sich Angehörige aus 30 und mehr Haushalten tagtäglich über Stunden ohne ausreichend Abstand und oft ohne vernünftige Lüftung in einem einzigen Raum aufhalten müssen. Lehrkräfte kommen dabei je nach Schulform und Unterrichtsfach schnell auf zum Teil engen Kontakt zu 200 und mehr Personen täglich. Auch die Erzieher*innen im Ganztagsbereich kommen andauern und ohne Abstand mit wesentlichen mehr Menschen zusammen als bei einem Restaurantbesuche oder beim Freizeitsport – Kontaktreduzierung sieht anders aus. Doch ganz offensichtlich gelten für Beschäftigte an Schulen andere Maßstäbe.

Und das ist auch gut. Denn um es ganz klar zu sagen: Auch wir als Gewerkschaften wollen, dass die Schulen offenbleiben – aber mit kleineren Klassen und Abstand! Nur so lässt sich vermeiden, dass bei einem Corona-Fall gleich duzende Schüler*innen und Pädagog*innen in Quarantäne müssen – und der Unterricht dann aufgrund fehlender Vorbereitungsmöglichkeiten tatsächlich zum Erliegen kommt. Nur so lässt sich der Schulbetrieb den Winter über verlässlich aufrecht erhalten. Wir müssen vermeiden, dass wir – weil wir mantraartig am Regelbetrieb festhalten – wieder unvorbereitet in den vollständigen Lockdown rutschen. Den unausgesprochenen gesellschaftlichen Konsens jedenfalls, Infektionen mit Sars-CoV-2 in Schulen in Kauf zu nehmen, können wir nicht akzeptieren.

Auch Lehrkräfte und sozialpädagogische Fachkräfte haben ein Anrecht darauf, ihren Beruf auszuüben, ohne sich und ihre Angehörigen einem unnötig hohen Infektionsrisiko auszusetzen – zumal es, wie unsere Vorschläge zeigen, ja Alternativen gäbe. Dementsprechend fühlen wir uns bei unserer Forderung nach Klassenteilung und Wechselunterricht in der Sekundarstufe von unseren Mitgliedern getragen und werden uns auch weiterhin vehement dafür einsetzen, dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz auch für an Schulen Beschäftigte nicht zum Opfer der Pandemie wird.

Lehrkräfte haben im zurückliegenden Dreivierteljahr weit mehr zur Digitalisierung von Schule beigetragen als all die Kommissionen, Beiräte oder Runden Tische der vergangen Jahre zusammen. Und das praktisch ausnahmslos unter Verwendung ihrer privaten Geräte, Accounts und Lizenzen. Die Landesministerien und -verwaltungen haben bis heute keinen Plan, wie sie Schulen Corona-sicherer machen können. Luftfilter gibt es praktisch nirgends, oft lassen sich nicht mal die Fenster öffnen, Testkapazitäten für Schulpersonal reichen nicht annähernd aus und erst vor einer Woche haben wenigstens Rheinland-Pfalz und Berlin Schutzmasken in erwähnenswertem Umfang für Lehrkräfte und Erzieher*innen zur Verfügung gestellt.

Gleichzeitig geraten die Beschäftigten an den Rand ihre Leistungsfähigkeit, insbesondere, wenn immer mehr Kolleg*innen ausfallen. Vor kurzem meldete sich eine verzweifelte Kollegin bei mir und erzählte, dass an ihrer Grundschule von 83 Kolleg*innen 47 krank oder in Quarantäne sind. Ein Extremfall zwar, aber wenn in einem ohnehin auf Kante genähten Schulsystem etwa zehn Prozent der Lehrkräfte und Erzieher*innen coronabedingt ausfallen, kann von Regelbetrieb keine Rede mehr sein. Es liegt allein am Prestigesinn der Kultusminister*innen, dass sie den Schulen den Regelbetrieb verordnen. Doch auch die Titanic ist letztendlich des Prestiges wegen gesunken. – Tom Erdmann

 

Sie zeigen die Situation der Eltern auf und sind gottfroh, dass wieder alle Kinder in die Schule gehen. Die Wirklichkeit sieht anders aus, auch wenn es scheinbar wenige Schüler sind, die sich in Quarantäne befinden, werden auch diese Schüler größtenteils mit Unterrichtsmaterialen versorgt. Diese doppelte Arbeitsbelastung, Präsenzunterricht und Homeschooling, wenn auch für wenige, wird verstärkt durch fehlendes , evtl. erkranktes Personal. Doch dieses Problem ist ja nicht neu, die Personaldecke in den Schulen ist schon seit Jahren sehr dünn, wenn nicht durchsichtig. Da passt der Satz „ Dieses Land meint es ernst mit der Bildung“ ganz und gar nicht. Die Bildungsgewerkschaften, sind diejenigen, die das immer wieder und schon sehr lange anmahnen, und dies kann ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden, im Gegenteil es wäre gut wenn sie darin Unterstützung bekommen könnten.

Die Grundschullehrerin, die Material ausfährt und morgens um 6.30 Uhr anfängt zu arbeiten und um 21 Uhr immer noch am Schreibtisch sitzt, ist sicher nicht die Regel, aber sie braucht genauso wie die Schulleitung, die Sonntags bis spätabends arbeitet eine Gewerkschaft, die sich für Gesundheits- und Arbeitsschutz einsetzt. Ein Thema das an vielen Schulen nicht präsent ist, weil es dafür keine Personalressourcen gibt. Es ist niemandem geholfen, wenn alle am Anschlag arbeiten, ja auch wenn manche Eltern das anders sehen und es durchaus Lehrkräfte gibt, die mit der Situation überfordert sind bzw. wegen fehlenden oder ausfallenden Fortbildungen zum digitalen Lernen keinen online Unterricht durchführen . Also, lieber Herr Hartung, beißen sie nicht nach der Hand, die sich dafür einsetzt, dass die Bedingungen an den Schulen besser werden. – Imelda A.Keriem

 


 

 

Leserbriefe zu „Unsere Seelenlage“ von Stefanie Kara und Harro Albrecht

 

Als Psychotherapeutin für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene habe ich den o.g. Artikel mit großem Interesse gelesen. Mit Blick auf meine Praxiserfahrung kann ich sagen, dass ich in meiner bisherigen Tätigkeit in diesem schönen Beruf noch nie wo viele Anfragen von Familien erhalten habe, deren Kindern die Wiederaufnahme der Schule nach den Sommerferien so große Schwierigkeiten bereitet hat wie in den vergangenen 4 Monaten. Beeinträchtigt von den Wochen davor, in denen die Kinder und Jugendlichen vorwiegend zu Hause verbracht und es sich in ihren Zimmern vor dem Bildschirm oft vermeintlich „gemütlich“ gemacht haben, fiel es diesen enorm schwer, im August wieder regelmäßig zur Schule zu gehen.

Aus psychotherapeutischer Perspektive lässt sich das wie folgt erklären. Vornehmlich trifft das Kinder und Jugendliche mit vorsichtigem verletzlichen Temperament und großem Sicherheitsbedürfnis. Deren psychisches Grundbedürfnis nach Sicherheit und Orientierung wurde über viele Monate hinweg frustriert, denn sie erlebten die ganze Welt um sie herum „in Aufruhr und Sorge“. In der Mehrheit der Fälle ging dies einher mit einer Veränderung der Alltagsstrukturen und Routinen, dem Wegfall der geliebten Hobbies, sehr reduzierten freundschaftlichen Aktivtäten und Verabredungen, der nun ins Homeoffice verlegten Arbeit der Eltern und die damit verbundene ungenaue Trennung von Aufmerksamkeit für den Job und Aufmerksamkeit für die Kinder.

Der Verunsicherung im Außen wurde meist mit viel Zeit zu Hause im eigenen Zimmer gegengesteuert, wo alles sicher und kontrollierbar schien. Das ist an sich eine ganz natürliche und gesunde Bewältigungsstrategie. Was jene Kinder in diesen Monaten von März bis August 2020 allerdings nicht üben konnten, war den anhaltend hohen schulischen Anforderungen begegnen und sich Herausforderungen in der Schule stellen das Lösen von Konflikten und Auseinandersetzungen mit Peers der Umgang mit Maske Tragen und neuer Distanz im Klassenzimmer die Auseinandersetzung und Konfrontation mit Sorgen und Ängsten und das Einüben von Bewältigungsstrategien In der Folge schienen vielen Schüler*innen überfordert und überwältigt, entwickelten übermäßig starke Ängste, verweigerten den Schulbesuch, spürten Schmerzen, die sie vom Schulbesuch abhielten. Das hält weiterhin an. Nun soll mein Brief kein Plädoyer dafür sein, zur „alten Normalität“ zurückzukehren. Nein. Wir brauchen die Corona-Einschränkungen und wir brauchen die Maßnahmen.

UND: wir sollten den Kinder und Jugendlichen vermitteln, wie sie in diesen Zeiten gut durch die Krise kommen. Sie brauchen Handwerkszeug dafür, wie sie gut für ihre psychischen Bedürfnisse sorgen können, was es bedeutet, ausreichend auf sich zu achten, einen balancierten Lebensstil zu erhalten, einen guten Umgang mit Sorgen, Ängsten und Langeweile zu finden, mit Stress umzugehen, damit sie für Krisen wie diese gut gerüstet sind. Mein VORSCHLAG: neben dem Fach „Digitales Lernen“, welches an vielen Schulen zusätzlich eingeführt wurde, und die Kinder für den Heim-Unterricht zu rüsten, braucht es noch ein neues Fach, welches präventiv Methoden und Know How für die mentale Gesundheit vermittelt. – Shirin Tanja Sobhani

 

Zur gestellten Frage „Wie geht es unserer Seele?“ möchte ich etwas ergänzen, das im Titelthema nicht erwähnt wurde, wohl weil es ein „ungeliebtes Kind“ ist. Neben Angst, Einsamkeit und Depression gibt es das Gefühl von Wut, das in unserer Corona-Krisenzeit eine große Rolle spielt. Wut steigt oft dann in uns hoch, wenn wir uns eingeschränkt und fremdbestimmt erleben und wenn Widerworte nicht gewünscht und geduldet sind. Das kennen wir aus unserer Kindheit und diese kindliche Machtlosigkeit wollen wir nie wieder erleben – und die Wut hilft uns dabei.

Das mag pubertär sein, nichtsdestotrotz ist dies eine seelische Realität – auch im Erwachsenen. Verbote, Regeln, Vor- und Für- und auch Überfürsorge prasseln seit Monaten täglich auf Menschen ein. Das macht viele aggressiv – auch solche, die nie auf Demos gehen würden, sondern ihren Zorn nur im geschützten psychotherapeutischen Rahmen outen. Wenn sie mit ihrer Wut angehört und verstanden werden, werden sie friedlicher. Wer frei von Wut ist, werfe den ersten Stein. – Rabia Dessau

 

Vielen Dank für diesen gut recherchierten, informativen und wirklich objektiven Artikel von Frau Kara und Herrn Albrecht. Dieses Thema aufzugreifen war überfällig und für mich sehr hilfreich, denn auch ich erlebe im Umfeld die unterschiedlichsten psychischen Reaktionen auf die Auswirkungen der Pandemie. Das geht von : „Wenn alles nicht rund läuft, fühle ich mich nicht so unter Druck wie sonst und irgendwie besser“(ein chronisch depressiver Bekannter), bis „…ich weiß wirklich nicht weiter…“ als Aussage einer Soloselbstständigen.

Tatsächlich ist die ganze Palette vorhanden, und zustimmen kann ich bei der Einschäzung (immer aus meinem Umfeld), daß die ältere Menschen deutlich gelassener mit den Einschränkungen umgehen. Verunsicherung durch die „Hin- und Her – Anweisungen“ von Frau Merkels – Team ect. nehme ich in Kauf , denn immer noch lieber in einer zugegeben gerade sehr strapazierten Demokratie leben,in der die Diskussionswege eben holprig und unbequem sind, als in einer Diktatur, die ihre Maßnahmen, auch gegen den Bürgerwillen durchzieht….mit letztendlich nicht 100% nachverfolgbarem Erfolg. – Solveig Lückerath

 

Grundsätzlich: Mit der Platzierung des Begriffes „Seele“ an prominenter Stelle sind Sie dichter dran am „Seelsorger“, als Ihnen vielleicht lieb ist. Aus europäischer Sicht ist dieses Wort eine Erfindung der alten Griechen (Sokrates in Platons Dialog „Phaidon“), welche die Religionen dankbar übernommen haben, weil sie daran ihre Heils- und Erlösungsversprechen knüpfen konnten. Aus moderner Sicht ist die „Seele“ die immaterielle Funktion einer materiellen Struktur, des menschlichen Gehirns. Österreichisch gesagt ist der Begriff „Seele“ ein Topfen. – MS

 

Es steht außer Frage, dass ein Teil unserer Bevölkerung sehr unter Corona leidet: die selbst erkrankt sind/waren, die einen geliebten Angehörigen verloren haben, bis zum Umfallen in Kliniken und Altersheimen arbeiten, die während des Lockdowns Gewalt erleben mussten oder ihren Arbeitsplatz verloren haben. ABER: Einem Großteil von uns geht es doch gut, oder nicht? Ja klar, wir können nicht oder nur schwerlich in Urlaub fahren / fliegen (das nervt mich zum Beispiel total), es gibt keine Konzerte (dito) und und und. Mir geht dieses reflexartige, deutsche Gejammere (bei dem ich zum Teil leider mitmache) zunehmend auf den Geist.

Wir sollten doch froh sein, dass wir morgens das Haus verlassen können und nicht mit Kriegswirren konfrontiert werden. Sind wir so wenig belastbar?? Was wären wir ohne die Arbeit derer, die nach jahrelangem Krieg trotzdem weiter gemacht haben? Aufbauarbeit geleistet haben? Und wir nölen rum, weil wir nicht ins Kino können? Das ist peinlich und ein Schlag ins Gesicht derer, die viel schlimmeres erleben mussten. Wir sollten uns alle nicht so wichtig nehmen und uns um die kümmern, denen es wirklich schlecht geht – und das sollte immer so sein. – Annette Haagen

 

Da steht doch tatsächlich in dem Artikel“ Unsere Seelenlage“ : Vielen Menschen geht es überraschend gut….bis auf , auch hier, „Risikogruppen“. Man sei heilsam auf das Eigentliche zurückgeworfen . Unterfüttert wird der Standpunkt durch mehr oder weniger eben nicht aussagekräftige Statistiken. Mag ja sein dass sich in der VOR CORONA ZEIT auseinander driftende Paare sich in der GEHT NICHT ANDERS ALS WIR ZWEI Corona Zeit wiederfinden mag sein dass sich Familienbande stärken. Mag sein dass das auf sich Zurückgeworfene Resilienz in sich selbst und Empathie für die nächste Umgebung naehrt. Wie lange diese Resilienz noch reichen soll um uns vergessen zu lassen dass wir, diese neu hinzugekommene oder anyways vorhandene, Empathie eben nicht leben, anfassen, riechen dürfen weiss man ja nicht und ist durchaus durchaus Anlass zum Verzweifeln.

Ich kann eben nicht einfach die Tür aufmachen und zu mir hereinbitten Es ist also ein theoretisches Miteinander. Ein Zuseh- Miteinander eingequetscht in den Rechtecken des Bildschirms, zugeschaltet in quadratischen Kacheln der/die Mitmensch/en(falls die Internet Stärke ausreicht). Sauber, steril und geruchlos. Man wird zum Zuschauer eines Miteinanders. Der Mitmensch verschwindet dann auf Knopfdruck sobald die Session am Bildschirm vorbei ist…weg ist der dann. Was bleibt ist nicht einmal wie in einem Lied besungen „Dein Parfum schwebt noch im Zimmer. Nein Nein und nochmal Nein das ist gar NICHT GUT. Was ist mit all den zig Singles die sich nicht ins Federbett des kuscheligen Familiengefueges zurückziehen können, Was ist mit all den Jugendlichen die um jegliche Selbsterfahrung, das Ausprobieren, die langen Nächte etc. gebracht werden..Was ist mit all den Kindern die die Welt hinter einer Maske wahrnehmen.

Was ist Kunst ohne life Performance .Was ist mit all denen die echt Angst um ihr Leben haben,was ist was ist… WIR SIND GANZ UND GAR NICHT OK. Wir vereinsamen, Wir verlernen gerade das Menschsein auf Sinnesebene. Wir bewegen uns nur noch auf Ratio und Cyberebene….das KANN NICHT GUT SEIN. Aparter Weise liegt in der gleichen Ausgabe der Zeit das Zeitmagazin mit den gesammelten und den Gemütszustand treffenden Gedanken von Ilona Hartmann zu diesem Herbst….Da steht z.B.;Zitat: Wer Nachtclubs vermisst kann ja einfach ein bisschen Sekt auf dem Küchenboden verschütten…….oder Wann wurde aus“Wenn das alles mal vorbei ist“eigentlich „Wenn es wieder ein bisschen besser ist“…. Echt jetzt, Vielen Menschen geht es überraschend gut…? – Eva Traumann

 

Wieder beim Zahnarzt, wieder die niederschmetternde Diagnose: Karies, und das, obwohl ich meine Zähne zwei- bis dreimal täglich putze und pflege. „Ja, warum gibt es denn für meine Beißerchen, einfach kein hundertprozentiges Hygienekonzept“, frage ich dann meinen Zahnarzt! „Frau Schwarz, wollen sie wirklich, dass ich arbeitslos werde“, antwortet da mein corona-hygienisch zugepackter Zahnarzt!

Gut, ein wasserdichtes Hygienekonzept, das kann es im Leben einfach nicht geben, das ist vollkommen illusorisch, aber man könnte doch wenigsten so tun, als ob es dieses Konzept geben würde; und für diese Art von „Scheingefechten“, da fühlen sich einige unserer Politiker zuständig und setzen sich dafür ganz vehement ein! – Riggi Schwarz

 

Die obdachlose Seele In Zeiten wie diesen wird die Ambivalenz unserer seelischen Verfassung augenfällig: Auf der einen Seite wird von der zerrissenen, erschöpften, unbehausten, verwüsteten, leeren und kranken Seele gesprochen. Auf der anderen Seite wächst die Sehnsucht nach Seelenfrieden, nach gelingendem Leben, nach Beruhigung der Angst und nach „Sinn und Geschmack für das Unendliche“.

Längst hat der Markt die Leerstellen und Notstände der Seele entdeckt und gewinnbringendes Füllmaterial bereitgestellt: „Sei ohne Sorge, wir kümmern uns!“ – lautet die Botschaft der Marketing-Seelsorge. Je stärker eine zweckdienliche Alltagspragmatik die Dimension der Selbstreflexion einebnet, desto stärker sind wir an die Kulturleistungen unserer Tradition verwiesen. Als „Bühnen der Seele“ (S.Freud) können Kunst, Theater, Musik und Literatur den „Stimmen der Tiefe“ eine Sprache geben und der Seele Wege aus ihrer „Wüstennot“ weisen. Es ist schade, dass diese Bühnen zur Zeit ziemlich leer sind. – Dr. Paul Fringes

 

Diese Pandemie hat für mich viel Troestliches. Sie zeigt mir, dass unser Planet in der Lage ist, sich gegen den Raubbau, den wir mit ihm treiben, zur Wehr zu setzen ohne Rücksicht auf Ansehen und Vermögen. Schwierig wird es für mich, wenn so getan wird als seien Pandemie und Klimawandel zwei verschiedene Probleme. – Susanne Sänger

 

Ihre optimistische Darstellung, wie Menschen mit den gegenwärtigen Einschränkungen umgehen können oder sollen, kann ich nicht teilen. Unsere Tochter war glücklich, an ihrer Wunsch-Universität einen Studienplatz für Human-Medizin zu bekommen. Das Glück ist vorbei. Inzwischen machen wir uns ernsthafte Sorgen um sie: Nahezu alles wird ausschließlich online angeboten, Kontakt zu Kommilitonen, Austausch oder gar gemeinsames Lernen gibt es nicht, findet nicht statt. Speziell für Studieneinsteiger folgt daraus eine fast unerträgliche Einsamkeit, zumal wenn der Studienort doch so weit von zu Hause entfernt ist, dass nicht jedes Wochenende eine Heimreise „drin“ ist. Und unsere Tochter ist kein Einzelfall: Ihre beste Freundin, die ein ganz anderes Fach an einer ganz anderen Hochschule studiert, ist in der gleichen Situation, wie wir über ihre Eltern erfahren.

Was für eine absurde Situation: Die Schulen werden mehr oder weniger gewaltsam und gegen den Rat der Wissenschaftler in vollem Umfang von den ganz Kleinen bis zu den fast Erwachsenen offen gehalten. Die Universitäten dagegen, Orte also, wo man von einer gewissen Reife und Vernunft der Lernenden ausgehen darf, sind geschlossen. Erst recht vor dem Hintergrund, dass die Ansteckungszahlen kaum herunter gehen oder nur stagnieren, kommen mir mehr und mehr Zweifel an der Sinnhaftigkeit und Ausgewogenheit der aktuellen Einschränkungen. Nicht nur die Gastronomie bleibt auf der Strecke… – Jörn Schramm

 

Hätten Sie doch nur Sigmund Freud aus dem Spiel gelassen! Dann wäre vielleicht gar nicht so sehr aufgefallen, dass man durch den Artikel tatsächlich kaum tiefere Einblicke in die Nöte der Menschen in der Pandemie erfährt. Insofern ist die Abbildung des Begründers der Psychoanalyse auf dem Cover, mit schickem blauen Corona-Zwicker, irreführend. Ein Zick-Zack-Parcours über unübersichtliches Experten- und Statistikgelände leitet ins Ziel zweier allen Ernstes als überraschend angekündigter Auswege: Geld (also die finanzielle Unterstützung der wirtschaftlich Schwachen) und Selbstwirksamkeit (die Erfahrung, durch Verzicht zum Rückgang der Infektionszahlen beizutragen). Als gäbe es sonst nichts, das das seelische Fundament vieler Betroffener, nicht zuletzt durch die herben Einbußen an Vitalitäts- und Lebenschancen, ins Wanken geraten lässt. Wie betrüblich, dass der reiche Erfahrungsschatz von Psychoanalytiker*innen in unserer Zeit – und leider auch der ZEIT – kaum noch zur Kenntnis genommen wird. – Dr. med. Luise Bringmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Das verwirrte Land“ von Robert Pausch und Bernd Ulrich

 

Ehe ich zum Schlag aushole vorab nur soviel: Die ganze Welt orientiert sich an Amerika. Der eine mehr der andere weniger. Warum ist das so? Jetzt soll das alles anders sein. Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, war ein Sinnbild für fast alle Staaten. Ich habe eher den Verdacht, die heutigen Menschen taugen nichts mehr. Es kann nicht nur an Trump liegen. Das will natürlich keiner wahrhaben. In meinem großen Bekanntenkreis, ob in Singapur oder Deutschland, sind Freunde dabei, für die ist ein Studium in Amerika oder England, das non plus ultra. Selbst in Singapur, wo sich die Universitäten sehen lassen können, ist es nicht viel anders. Ihre Autoren sollten sich damit abfinden; unsere Gesellschaft taugt nichts mehr, bis auf die wenigen Zeit-Leser. – Gunter Knauer

 

Vielen Dank für die analytisch scharfe Beschreibung dessen, wie sehr der Mitte-Kurs der Demokraten (nicht nur) in den USA mit der Verschärfung gesellschaftlicher Widersprüche zusammenhängt. Es braucht schon einiges an dialektischer Verve, die entsprechenden Erkenntnisse schlussendlich so umzukehren, dass plötzlich genau jener Kandidat der Mitte, Joe Biden, die erhoffte „Versöhnung“ bringen soll. Die angeführten Gründe – insbesondere Bidens durchschnittliche Attribute werden angeführt – sind dabei vollkommen apolitisch und entbehren jeder politisch-soziologischen Dimension. Dass der Weltgeist Ihnen da mal keinen Strich durch die Rechnung macht! – Steffen Andrae

 

Eine bemerkenswerte Analyse. Trotz der unsäglichen Politik und des Auftretens Donald Trumps´ wurde er von so vielen US-Amerikanern gewählt, wie kein amtierender Präsident vor ihm. Die Vorstellung, dass die Demokraten bei deutlich linkerer Politik mehr Wählerstimmen bekommen hätten, ist dahingehend geradezu absurd. Mir scheint, die Autoren tappen sprichwörtlich in die Falle, die sie der „zentralistischen Linken“ vorwerfen. Ich glaube, der Ärger der Abgehängten über den identitätspolitischen Eiertanz der Befindlichkeiten einer akademischen, linken Elite, ist sehr viel größer, als die Autoren wahrhaben möchten und spielt einem Rüpel wie Trump massiv Wählerstimmen zu. – Daniel Scheffler

 

Von Charles de Gaulle stammt die Feststellung: «Staaten haben keine Freunde, nur Interessen». Ähnliches gilt für die Beziehung zwischen Wählern und Polit-Kandidaten. Trump wurde von der Mehrheit der Weissen (57% gegenüber 42% für Biden) und der Mehrheit der Männer (49% gegenüber 48%) nicht deshalb gewählt, weil er ihnen sympathisch ist, sondern weil er ihre Interessen vertritt, in den für sie wesentlichen Zielkonflikten. Es geht um Wirtschaftswachstum (auch durch Ölsandabbau) gegen Naturschutz, Weiterlaufen der Wirtschaft gegen Corona Lock Down, Grenzzäune gegen erleichterte Einbürgerung, etc. Der Artikel von Robert Pausch und Bernd Ulrich verweist auf eine Lösung für die genannten Zielkonflikte: «Gibt es ein Versprechen, das ähnlich mächtig ist wie die Übereinkunft, dass es den eigenen Kindern einmal besser gehen soll? Zum Beispiel die Übereinkunft, dass sie einen leidlich gesunden Planeten erben?».

Die Schwierigkeit dabei dürfte sein, dass eine Lösung des Zielkonflikts eine Reduktion von Produktion und Konsum erfordert, was Arbeitsplätze kostet. Das wiederum macht einen Ausbau des Sozialstaats nötig. Es geht dabei um Transferleistungen von Reich nach Arm. Aber auch von Weiss nach Nicht-Weiss. Damit diese Leistungen nicht auf ein Fass ohne Boden treffen, ist es nötig, verantwortungsvolle Elternschaft zu fördern. Das gilt auch weltweit. Es besteht eben die Gefahr, dass der Verlust an Perspektiven (durch Mangel an Arbeitsplätzen) kompensiert wird durch Perspektiven, die die Geburtenrate erhöhen. Ein ähnlicher Effekt dürfte dafür verantwortlich sein, dass der Anteil der «Weissen Amerikaner» (nicht hispanisch) von 61.7 % im Jahre 2015 auf 43.7 % im Jahre 2060 sinken könnte (Prognose aus Wikipedia: Demografie der Vereinigten Staaten). «Joe Biden wäre die Versöhnung, die er sich vorgenommen hat, glatt zuzutrauen..» schreiben die Authoren. Langfristig nötig und ausreichend dafür wäre allerdings nicht sein Sympathie-Bonus, sondern das Ansprechen des Zielkonflikts.

Dazu eine Überlegung, wo eine Problemlösung (etwa in Richtung Bedingungsloses Grundeinkommen) zu finden wäre: Jeder Mensch hat ein Recht auf Arbeit, in dem Masse in dem er durch seinen massvollen Konsum selbst Arbeit schafft. Wenn sein Einsatz nicht gebraucht wird, hat er trotzdem ein Recht auf massvollen Konsum. Wird sein Einsatz benötigt, hat er die Pflicht, diesen zu leisten. Ausserdem muss es eine Pflicht geben, das Nötige zu tun, damit dieses Prinzip wirksam wird. Das betrifft insbesondere Faktoren, die für den Klimawandel verantwortlich sind: zu hohes Bevölkerungswachstum und zu hoher Konsum. – Gernot Gwehenberger

 

Wie viel ist in den letzten Wochen über die USA geschrieben worden. Berichte, Analysen und Abrechnungen mit den Zuständen und mit Trump, dem skrupel- und anstandslosen Nutznießer und Verursacher. However, kein Beitrag erklärt die Ausgangslage und das Dilemma der Demokraten so glasklar, verständlich und mit sprachlicher Brillianz wie die Autoren Bernd Ulrich und Robert Pausch. Ich sehe meine vagen Gedankenbruchstücke geordnet, vertieft und literarisch wertvoll zu Papier gebracht. Dazu kommen viele neue Erkenntnisse und ein besseres Verständnis. Ihnen sei Dank und Anerkennung gesungen! – Sven Herfurth

 

Ein brillanter Start für eine mehr als notwendige Diskussion. Aber, aber: sind 70 Millionen Amerikaner alle „Zurückgesetzte“, die „es nicht genug probiert haben“ oder „einfach furchtbar unbegabt“ sind? – dr. Salvatore Algieri

 

Bemerkung am Rande des Themas: Es schmerzt mich, erneut den Ausdruck „Arschloch“ lesen zu müssen. Warum nehmen hier Journalisten teil an der Verrohung der Sprache und befördern sie damit. Sie sind Multiplikatoren in hohem Maße. Worte wirken. Soll als Erklärung gelten, der Gebrauch sei üblich? Zur neu benannten Rubrik „Verbrechen“: „Recht und Unrecht“ war unterhaltsam und informativ. Mir scheint, Sie schwenken nun ein in den Trend, reißerischer zu werden, wie es die unendlich vielen Krimis im Fernsehen tun. Sehr schade, wozu soll das gut sein? Das ist Innenwelt-Verschmutzung. – Charlotte Bossinger

 

Mit Interesse habe ich oben erwähnten Artikel gelesen und die eingefügte Infografik betrachtet. Dabei fiel mir auf, dass die Gruppe der „Native Americans“ in der Grafik nicht aufgeführt wird. Genau auf diesen Punkt wies Amy Goodman im quarantine report auf Democracy now!.org (https://www.democracynow.org/2020/11/18/native_vote_2020_election) hin. In Infografiken der CNN seien Native Americans nicht als eigenständige Wählergruppe aufgeführt, sondern unter „something else“ genannt worden. Das zeigt für mich eine Wiederholung des zumindest blinden Flecks gegenüber den Native American in Teilen der amerikanischen Gesellschaft, wenn man nicht von konsequenter Ignoranz sprechen will.

Ich denke, dass es Ihnen als großer deutscher Zeitung gut ansteht, diesen blinden Fleck vieler amerikanischer Medien nicht einfach zu übernehmen, sondern Ihre Infografik entsprechend zu ergänzen. Davon abgesehen, hat die Stimmabgabe der Native American anscheinend in einigen Staaten zum Wahlsieg Bidens beigetragen und wäre schon alleine deshalb hier womöglich auf Interesse gestoßen. – Carmen Langer

 

Super! Vielleicht noch als Hintergrund: Dass Tolle Menschen (Schröder, Kamela Curtis,Herr Mangold oder Max Billner) glauben sie seien selbst schuld (am Tollsein) während die Verlierer eher glauben andere (Umstände) seien schuld liegt an der berühmten Erkenntnis: „Das Sein bestimmt das Bewustsein“. Und dass „neue“ Mächtige (Schröder, Blair) gerne mit „alten“ Mächtigen (Geldadel) kungeln bestätigt ein der Macht innewohnendes Prinzip: Sie wächst und gedeiht am besten da, wo sie schon ist. Leicht zu verstehen ist dies beim Geld. Man kann mit Geld Geld verdienen und mit mehr Geld mehr Geld usw. Die Reichen werden also reicher und für die Armen bleibt nicht viel. Wer für diese schlichte Erkenntniss das Kapital von Karl Marx lesen muss – bitte schön. – Dieter Herrmann

 

Sie schreiben in Nr. 48 auf S. 4 diesen höchst bemerkenswerten Artikel „Das verwirrte Land“! Für mich nicht im ersten Anlauf zu verstehen, aber es lohnt sich, die Schlüsselvokabeln nachzusuchen! Vielen Dank dafür! – E. Germer

 

Der Artikel trägt unverkennbar die Handschrift von Bernd Ulrich, dessen unnachgiebigen Stil ich schätze. Aber, oh Schreck, was soll denn der Sigmar Gabriel in der Reihe der Landesfürsten? Nein, den Artikel „Männer in Not“ habe ich nicht vergessen und wie die allermeisten auch nicht verstanden. Wer sich von einem Tönnies schmieren lässt, sollte bestenfalls ignoriert und nicht befördert werden. – Dr. Heinrich Hülsheger

 


 

 

Leserbriefe zu „Das niesende Klassenzimmer“ von Elisabeth Kagermeier et al.

 

Eigentlich könnte es ein spannendes Thema sein: geht es um den Gesundheitszustand von Schülern und Lehrkräften, nach mittlerweile mehreren Wochen ständigen Lüftens der Klassenräume? Man erfährt es nicht, denn im Artikel wird gar nicht weiter darauf eingegangen. Dann die Frage im Untertitel: „Sind Deutschlands Schulen auf eine erneute Schließung vorbereitet?“ Whow, ein hochaktuelles und brisantes Thema. Im Artikel wird ausführlich über einzelne engagierte Personen berichtet. Ich lese zum x-ten Mal etwas über die holpernde Digitalisierung von Schulen und über Personalmangel. Nebenbei werden auch Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen erwähnt, die bereits seit Monaten ein klein wenig mehr in den Fokus gerückt sind.

Der Stand der Dinge wird recht allgemein illustriert. Mein Wissenszuwachs beim Lesen des Artikels? Eher gering. Bestenfalls unterhaltsam. Von einer Berichterstattung in der Rubrik „Wissen“ habe ich eigentlich mehr erwartet. Da die allermeisten Schulen keine Herren Tempel und Schröder haben und für Grundschüler eine noch so gute Digitalisierung ohnehin keine Lösung wäre, wäre es eine viel spannendere Frage, wie man kreative Alternativen findet bevor man über Schulschließungen nachdenkt. – Anna Röder

 

Überfüllte Schulbusse – an fehlenden Fahrzeugen und FahrerInnen kann es nicht liegen, wenn gleichzeitig die Reisebusbranche beschäftigungslos darnieder liegt. Aber wahrscheinlich ist es einfacher Wirtschaftshilfen für stehende Busse zu zahlen als Beförderungsverträge mit den Unternehmen für den robusten Einsatz im Schulbus-Betrieb auszuhandeln. Aber vergessen Sie meinen Einwand – es geht hier ja nicht um die Automobilindustrie sondern nur um Kinder und ihre (Aus)-Bildung. – Klaus Burkhart

 

Ich habe mich als Schülerin mit dem Artikel „Das niesende Klassenzimmer“ befasst und wollte Folgendes bemerken: Das Lüften und Maske tragen, welches am Anfang des Artikels erwähnt wurde, finde ich durchaus sinnvoll, vor allem das Masketragen ist aus meiner Sicht ausschlaggebend. Das die Hygienemaßnahmen an Schulen wirken, habe ich daran gesehen, dass sich bei uns trotz eines positiven Falls niemand angesteckt hat. Ich denke deshalb auch, dass der Unterricht mit voller Klassenstärke möglichst weiterlaufen sollte. In dem Artikel, indem es laut Überschrift darum gehen sollte, ob die Schulen auf eine erneute Schließung vorbereitet wären, ging es für mich persönlich erstaunlich wenig um dieses Thema, sondern eher darum, ob der Wechselunterricht Nachteile bringen würde und welche. Zudem fand ich den Artikel zu lang bzw. er wiederholte sich zu oft und Schnitt zu viele Themen an.

Einen Punkt, den ich noch erwähnen muss, ist, dass ich selber schon davon gehört habe, wie uneins sich die Gesundheitsämter oft sind. Dafür sollte es klare Leitfäden geben: Was passiert, wenn? Wer muss benachrichtigt werden? Was muss gesagt werden? Auch für Lehrer und Schüler ist es im weiteren Winter wichtig Klarheit zu haben, wie die Schule in welchem Fall verläuft und nicht alle zwei Wochen darauf warten zu müssen, auf Pressekonferenzen informiert zu werden! – J. (Schülerin)

 

Ich frage mich, wo waren Deutschlands Kultusminister während der nahezu coronafreien Sommermonate? Dass eine zweite Welle anrollen würde, war zu dieser Zeit schon kein Geheimnis mehr und doch wirken Eltern und Schule wieder aufs Neue überrascht. Die Masken allein sollten es retten, doch wie wäre es mit Plexiglasscheiben, Gesichtsschildern, Lüftungsanlagen, dem Anmieten zusätzlicher Räume, um damit Flächen zu schaffen. Man könnte auch das Schulbussystem großzügig ausbauen…. Das alles sind nur ein paar wenige Ideen, um eine deutschlandweite Gerechtigkeit, unabhängig von Stadtteilen, Internetzugängen und Einkommen der Eltern zu schaffen. – N.E.

 

Ich selber bin 15 Jahre und habe ihren Artikel zum niesende Klassenzimmer gelesen, dabei ist mir aufgefallen, dass er zwar inhaltlich sehr gut war, auch wenn ich manchmal das Gefühl hatte, die Aussagen haben sich wiederholt, doch für mich war dieser Artikel zu lang. Außerdem trägt der Artikel zwar die Überschrift „das niesende Klassenzimmer – Sind Deutschlands Schulen auf eine erneute Schließung vorbereitet? Das hängt von einzelnen Menschen ab – und ihrem Engagement.“ Doch ich fand, der Artikel ging mehr um die generelle Situation wie die Schulen mit Corona umgehen und nicht, ob diese auf eine Schließung vorbereitet sind.

Ein passenderer Titel wäre fände ich, „das niesende Klassenzimmer – wie haben sich die Schulen in der Pandemie verhalten und wie erging es einzelnen Schülern und Lehrern.“ Da ich selber Schülerin in der 9. Klasse bin und das alles an der eigenen Haut habe miterfahren dürfen, möchte ich mich auch gerne zu der Frage äußern, ob die Schulen überhaupt in der Lage sind, teilweise oder ganz in einen Distanzunterricht zu wechseln? Ob Schulleiter, Lehrer und Schüler besser vorbereitet als im Frühjahr sind? Und was hat sich seitdem getan?

Ich kann das nur aus meiner Sicht der Dinge sagen, aber ich glaube schon, dass die Schulen in der Lage wären in teilweisen Distanzunterricht zu wechseln, ob sie es ganz schaffen, bin ich mir eher unsicher. Was mir aber besonders wichtig ist, ist dass ich es nicht gut fände, in so eine Unterrichts- form zu wechseln, weil ich mir unsicher bin, ob ich dann tatsächlich alles schaffe bis zu meinen Prüfungen im Sommer, für mich fühlt es sich besser an, in der Schule zu lernen und einfach dieses Lerngefühl von meiner Umgebung zu bekommen. Ich empfinde es zudem schon so, dass die Schulleitung und Lehrer vorbereiteter sind als letztes Jahr. Und auch die Schüler kommen jetzt besser mit der Situation klar wie als es angefangen hat.

Was sich seitdem getan hat? Ich kann nur sagen, dass es am Anfang eine große Umstellung war und sie es jetzt auch immer noch ist, doch wir sind jetzt besser vorbereitet, wir wissen wie es funktioniert und was wir machen und wie wir uns verhalten müssen, falls die Schulen wieder schließen. Doch ich finde auch, dass es noch lange nicht perfekt ist, es ist mir alles noch zu unklar, wann die Schulen schließen, und wie unser Unterricht dann aussieht, es ist zwar um einiges klarer als zu Anfang, doch mir reicht das noch nicht. Durch diese Ungewissheit kommt bei mir dann auch nicht direkt Angst aber Stress und Unbehaglichkeit auf. Ich hoffe also sehr darauf, dass die Schulen noch nicht wieder schließen müssen und es sich etwas mehr geeinigt wird, wie wir unseren Unterricht im Fall der Fälle fortsetzen. – Marlene S.

 

Ich habe den Artikel „Das niesende Klassenzimmer“ gelesen. Ich fand ihn inhaltlich und erzählerisch relativ gut gelungen. Allerdings hätte ich es gut gefunden, wenn man mehr Bundesländer behandelt hätte. Das ist meine kurze Meinung dazu. – L

 

In Ihrem Artikel „Das niesende Klassenzimmer“ sagen Sie, dass die Schüler, die zuhause keinen Monitor oder WiFi haben, dies von der Schule bekommen. Aber ich, auch ein Schüler, bekomme das z.B. nicht. Auch keiner meiner Freunde. Und ich glaube, sehr wenige Schulen haben diese beiden Sachen und geben sie an ihre Schüler. Das ist keine Kritik und soll nur ein Verbesserungsvorschlag sein. Es wäre schön, wenn Sie nächstes Mal einbringen würden, dass nur sehr wenige Schulen Laptops haben. – J.S.

 


 

 

Leserbriefe zu „60 ZEILEN … LIEBE“ von Peter Dausend

 

Als unverbesserliche Lehrerin kann ich es nicht lassen, Ihnen einen Fehler zu bescheinigen. In der zweiten Spalte ihrer Kolumne schreiben Sie „ohne … Putzende, Polizeiende oder andere Berufsgruppen zu erwähnen, die neuerdings ihr systemrelevantes Dasein im Gerundium ausleben dürfen.“ Da haben Sie dezent angedeutet, dass Sie mal Latein gelernt haben, gell? Mit Gerundium meinen Sie vermutlich die -nd-Formen, die sich seit einiger Zeit eingenistet haben, um die umständlichen Studenten und Studentinnen, Geringverdiener und Geringverdienerinnen, Gewerkschaftsführer und Gewerkschaftsführerinnen zu umgehen. Das sind aber deutsche -nd-Formen! Im Deutschen handelt es sich nicht um das Gerundium, sondern um das Partizip Präsens! Im Übrigen schätze ich Ihren Humor. – Christiane Fladt

 

Es stellt sich mir schon die Frage, warum die Bundesregierung ihren bisherigen Anti-Corona-Maßnahmen diese Videokampagne, diese Werbung für Vernunft und souveräne Aufgeklärtheit, überhaupt „zugefügt“ hat. Davon ausgehend, dass auch die Initiatoren der Videos den notwendigen Durchblick nicht verloren haben, war die Aktion eine absehbare Steilvorlage für die nun viral gehende Kritik und Häme. Denn, wer bislang nicht Schwere- und Schwierigkeitsgrat sowohl des Krankheitserregers als ebenso der multiplen Folgewirkungen, nicht zuletzt der zumeist nur auf Sicht denk- und händelbaren, stets in einem Abwägungsprozess befindlichen Corona-Exit-Planungen erfassen konnte oder wollte, tut‘s hiernach schon gar nicht mehr.

Jener wird sich vielmehr über den misslichen Gebrauch unserer restlichen Steuergelder aufregen und ungehalten weiter über die unfähigen Politiker lästern. Eben die, die trotz großer Verantwortung weder in die Glaskugel gucken, noch jedwede Rhetorik von gestern, heute und morgen punktgenau zu setzen vermögen. Tun wenigstens wir also das, was wir (außer nichts) am besten können: Besserwissen – vorzugsweise selbstverantwortlich, von zu Hause, von auf der Couch. PS: Wer sich an (vermeintlich) erratischer Politikführung reibt, der schaue einfach mal wieder über den „großen Teich“; das ändert zwar de facto gar nichts, aber es mag tröstend sein. – Ira Bartsch

 

zum glück stand ihr beitrag unter dem von herrn schröder. sie müssen wissen, ich mag männer, ich halte sie für klug, schön, mitfühlend und witzig. genauso wie uns frauen fehlt ihnen schon mal das ein oder andere attribut, aber grundsätzlich sind sie eine bereicherung unseres lebens (auch wenn wir zwischendurch vom gegenteil überzeugt sind). manchmal müssen wir armen frauen uns dann aber mit so männermenschen beschäftigen, die dumm, hässlich, hartherzig und einfallslos sind. das ist ärgerlich, aber vor allem langweilig, langweilig, langweilig, und – wie im richtigen leben – finde ich auch beim lesen langeweile „so ungefähr am aller aller schlimmsten“(originalton meiner jüngsten tochter). wirklich! aber ihr beitrag stand ja glücklicherweise direkt unter dem von herrn schröder. das hat mich versöhnt. danke für die gute tat. (ich liege übrigens auf meinem sofa und werde unter zuhilfenahme meines controllers ein paar fiese monster töten, ganz im sinne unsrer bundesregierung). – cornelia sombrowski

 

Herr Dausend schreibt in der Rubrik 60 Zeilen — Liebe„….Paketzustellende, Putzende …, die neuerdings ihr systemrelevantes Dasein im Gerundium ausleben dürfen“. Ich fürchte, bei den neuen Berufsbezeichnungen mit „-ende“ am Ende (*) handelt es sich nicht um ein Gerundium, sondern um das Partizip Präsens, hier in substantivischer Form. Bei Verwendung des Gerundiums wären das dann „Personen, die das Putzenzu Ihrem Beruf gemacht haben, oder die der Beschäftigung des Putzens nachgehen.“ Klingt genauso ungelenk, aber das ist ein anderes Thema. (*) für dieses Doppel-Ende habe ich eine Viertelstunde gebraucht. – Dr. Ulrich Wießner

 

(Die) Moralinsauren, herrlich, allein dieses altmodische Wort hat mir nicht nur ein Lächeln in das Gesicht gezaubert. Die restlichen 60 Zeilen LIEBE sind ebenso klasse wie herzerfrischend. Sascha Lobo bringt es auf seine Weise auf den Punkt. Und ich glaube auch, dass man junge Leute viel eher mit witzigen und unkonventionellen Spots im Internet erreicht, als mit ständigen, verknitterten Belehrungen. Schalten sie nicht sonst irgendwann auf Durchzug?

Mit haben die Spots der Bundesregierung gefallen, sie sind modern und pfiffig. Und deren Kritiker? Ach, sollen sie sich doch weiter aufregen, glücklicher wird es sie nicht machen. Immer moralisierend und belehrend sein zu müssen, das ist anstregend, da können Humor und Lebensfreude schon so ein bisschen auf der Strecke bleiben. Dabei lässt sich selbst diese Krise mit etwas Humor immer noch besser überstehen als ohne. Es ist ja nicht hoffnungslos! – Regina Stock

 


 

 

Leserbriefe zu „Was hat ihn so böse gemacht?“ von Thomas Melzer

 

Ich bin derart begeistert von Ihrer letzten Kolumne in der ZEIT, dass ich Ihnen wegen der äußerst vergnüglichen Lektüre herzlich DANKE sagen möchte. .. „der örtliche Trinkverein“… „die akademische Fahrradgesellschaft“ und das Peking Setting: Großes Kino! Vor Allem der dahinter spürbare gnädige Blick auf die eigenen Affekte… Nochmals von Herzen: Danke! – Dr. med. Thomas Weitershagen

 

Ihren Wechsel von „Recht&Unrecht“ zu „Verbrechen“ empfinde ich als Bruchlandung; zudem haben Sie das Thema „Was hat ihn so böse gemacht?“ verfehlt. – Dr. Gernot Henseler

 

Die Benennung des Ressorts mit „Verbrechen“ entspricht viel besser den Inhalten. Ich hatte mich bisher schon öfters gewundert, warum unter der Überschrift „Recht und Unrecht“ so häufig die schlimmsten Auswüchse menschlicher Bös- oder Abartigkeit behandelt werden. So allerdings, wie von Thomas Melzer unterhaltsam geschildert, können auch die juristische Aufarbeitung von Straßenverkehrsdelikten oder zu Schlägereien entgleisten Vatertagsausflügen interessante Einblicke in die Rechtsprechung geben. Ich finde, die Behandlung von Kapitalverbrechen hat etwas von Sensationsjournalismus an sich, der nicht zur „Zeit“ gehören sollte.

Andererseits gibt es offensichtlich viel Berichtenswertes aus dem Alltag der Gerichte, das dem Leser einen realisitischen Einblick verschaffen kann, nicht nur in die Arbeitsweise der Legislative, eine der drei Säulen der Gewaltenteilung im Staate, sondern auch in die Beschaffenheit seiner Mitbürger. Ich finde beides sehr interessant und auch wichtig, um seine Mitmenschen und die Demokratie bzw. den Rechtsstaat zu verstehen. Ich bin also damit zufrieden, dass in diesem Ressort endlich die (leicht) irreführende Überschrift ersetzt wurde. Aber viel mehr plädiere ich dafür, nicht die Empörung über das Abartige zu schüren, indem ausschließlich Verbrechen dargestellt werden, sondern in einem Ressort „Recht und Unrecht“ dem Bürger auch Einblicke in die Gesetzgebung und die mehr oder weniger gewöhnliche Arbeit in den Gerichtssälen zu verschaffen. – Andreas Matt

 

Ich möchte Sie auf die Neuerscheinung im Springer Verlag: „Handbook of Prenatal and Perinatal Psychology – Integrating Research and Practice“ aufmerksam machen. In der forensischen Psychiatrie ist, wie auch in der allgemeinen Psychiatrie, die empirische und therapeutische Forschung der Pränatalen Psychologie und Medizin noch nicht angekommen. Pränatale Traumatisierungen und Geburtstraumatisierungen tauchen in den Anamnesen der Täter häufig noch nicht auf. Sie würden aber die (unbewusste) „Mordswut“ vieler Täter und Täterinnen erst umfassend verstehbar machen. Angststörungen und Depressionen der Mütter z.B. erzeugen beim intrauterinen Kind bereits eine vergrößerte Amygdala, mit dem in der Folge im Extremfall im späteren Leben traumagenerierten auto- oder fremdaggressiven Verhalten. Besonders auch die Taten von Frauen gegen eigene Kinder werden verständlicher.

Die Frage nach dem Motiv bleibt also, ohne Berücksichtigung der ersten Lebensphasen, oft inhaltsleer. Dieses Buch ist das erste weltweite Referenzwerk zur Pränatalen Psychologie und Medizin, das transdisziplinär biologisch-medizinische, psychologisch-psychotherapeutische und kulturpsychologisch-philosophische Ebenen verbindet. Die großen Fragen der Menschheit nach Krankheit/Gesundheit, Bewusstsein, transgenerationalen Zusammenhängen u.a. können unserer Ansicht nach nicht wirklich umfassend thematisiert werden, wenn nicht die epigenetischen und entwicklungspsychologischen Ebenen unserer individuellen Körper- und Bewusstwerdung und ätiologischer Dispositionen integrativ berücksichtigt werden.

Wenn die Anfänge und Ursprünge von Krankheit und Bewusstsein nicht bio-psycho-sozial Thema werden dürfen, lassen wir die wichtigste menschliche Ressource außen vor: die Fähigkeit zu Bindung und Beziehung. Alle Wahrnehmung von Welt, und dazu zählen auch Erkrankungen, ist quantitativ und qualitativ eine Beziehungs- und Bindungsfrage. – Klaus Evertz

 

Als ich von der Umbenennung der Seite „Recht & Unrecht“ in „Verbrechen“ las, stellte sich mir die Frage, wann die Beilage „Christ & Welt“ umbenannt wird in „Kirche & Missbrauch“. Dies entspräche eher dem dort unaufhörlichen Schwerpunktthema. – Georg Paulus

 


 

 

Leserbriefe zu „Ein Hoch auf den Finanzkapitalismus“ von Ingo Malcher

 

Ernsthaft? Ein Hoch auf den Finanzkapitalismus? Auf jenen, der seit Jahren durch Nahrungsmittelspekulation Menschen verhungern lässt, der die Finanzkrise 2008 ausgelöst hat, dessen Wachstumsgier unsere Umwelt und die Zukunft menschlichen Lebens auf der Erde (mit-)zerstört? Wie verkürzt stellt der Artikel die Zusammenhänge dar? Die Argumentation ist dünn: Investoren geben Geld, Impfstoff in Rekordzeit, Investoren sind der Grund für schnellen Impfstoff. Intrinsische Motivation, das Können von Herrn Şahin und Frau Türeci, oder – wie so oft in der Wissenschaft – schlichter Zufall:

Alles egal, denn nur dem Finanzkapitalismus ist der Impfstoff zu verdanken. Abgeschlossen mit den Worten, die Zocker sind auch zum Wohle der Gesellschaft ins Risiko gegangen, ist lächerlich, wenn man bedenkt, welche Profitmargen lockten und welcher Stellenwert das Wohl der Gesellschaft in den Betriebszielen sonst hat: Gar keinen. Ein hoch auf Migration, ein Hoch auf Frau Türeci und Herrn Şahin, aber ein Hoch auf den Finanzkapitalismus? Nein Danke, liebe Zeit und Nein Danke, Herr Malcher. – Sven Hartlaub

 

Ich bin schon mehrmals über die „Meinungsspalte“ auf der ersten Seite des Wirtschaftsressorst gestolpert. Mir ist nicht ganz klar, ob es sich hier um Satire handelt oder einfach eine Meinung oder ein spontaner (unausgegorener) Gedanke formuliert wird. Vielleicht können Sie mir bitte sagen, was die Absicht dieser regelmäßig vorhandenen Spalte ist. Zu dem Text „Ein Hoch auf den Finanzkapitalismus“ von Herrn Ingo Malcher möchte ich konkret Folgendes sagen: hier wird ein Einzelaspekt des gewöhnlichen Wirtschaftswesens betrachtet – das Investieren – und dann auf eine hochentwickelte und hochumstrittene Form der global organisierten Finanzierung geschlossen – der moderne Finanzkapitalismus.

Aus der Tatsache, dass es Investoren gibt, die ein bestimmtes Unternehmen mit Geld versorgen, in der Hoffnung, zu einem späteren Zeitpunkt eine größere Menge davon zurück zu bekommen, wird ein Lob auf den Finanzkapitalismus abgeleitet. Dieser Schluss ist nicht nur einfach überzogen, sondern sachlich falsch. Es wird in dem Artikel leider nicht geklärt, was der Autor unter Finanzkapitalismus versteht. Falls der Artikel keine Satire, sondern ernst gemeint ist, empfehle ich dem Autor den Blick in ein Lehrbuch „Grundlagen der Wirtschaft“ oder für’s Erste einfach einen kurzen Blick in ein Nachschlagewerk, kann auch Wikipedia sein. Die Tätigkeit des Investierens (selbstverständlich mit Risikoabwägung) ist Teil jedes vernünftigen wirtschaftlichen Handelns.

Der Begriff des Finanzkapitalismus liegt hingegen auf einer völlig anderen Ebene und wird verbunden mit bspw. der Abtrennung der Finanz- von der Realwirtschaft, mit der Reduzierung von Unternehmen auf Geld- und Kapitalgeneratoren sowie komplexen Finanzierungskonstruktionen (die von vielen Beteiligten nicht mehr durchschaut werden). Ich bitte Sie, diese Spalte entweder deutlicher als Satire zu kennzeichnen oder mehr auf sachliche Richtigkeit zu achten, damit keine gefährliche Desinformation dabei herauskommt. – Andreas Matt

 

Bei Investitionen in die Entwicklung eines Produktes, für das im Erfolgsfall im Zweifel die gesamte Menschheit als Markt in Frage kommt, von einem Dienst an der Gesellschaft zu sprechen, scheint mir doch recht naiv. Wenn den Finanzkapitalisten nur ein Hauch am Wohle der Gesellschaft läge, würden sie ungleich mutiger in den Klimaschutz investieren. Angesichts der weniger offensichtlichen Gewinnaussichten ist das aber wohl Traumdenken. – Ariane Heinisch

 

Ich wollte schon lachen, dann merkte ich Ihr Artikel ist gar keine Satire! Einen Hinweis „Anzeige“ habe ich auch nicht gesehen. Schade. Geldhaie werden in Einzelfällen erst dann altruistisch, wenn sie kurz vor ihrem Abgang von uns Irdischen stehen oder beim besten Willen nicht mehr wissen wohin mit den Zahlenkolonnen auf ihrem PC. Soros, Gates, …? Finanzkapitalisten kennen ausschließlich Gier nach Geld und Macht. Dazu gehören auch Risiken wie beim Pokern. But the winner takes it all! Er wird danach sein Kapital, mit Mondpreisen für den Impfstoff verzigfachen. Unsere Steuerzuschüsse für die Entwicklung sind dann der Turbolader seiner Geldmaschine. Bei einem so bedeutenden Wettrennen sollte ein Staat oder mehrere in einem Bündnis eine eigene Entwicklung betreiben. Damit wären danach sozialverträgliche Preise für die Impfstoffe gesichert. – H. Giller

 


 

 

Leserbriefe zu „»Träum weiter, Barack«“ von Barack Obama

 

Amerika, genauer die Vereinigten Staaten von Amerika, nicht Nord -und Südamerika, sind meist unter dem Stichwort „Amerika“ gemeint. Vor allem derzeit. Die Idee von den Vereinigten Staaten von Amerika ist über 200 Jahre alt und lebt auch von Verdrängung (Ausrottung, Vertreibung und Unterbringung der Indigenen Ur-Bevölkerung in Reservaten, Vietnam -und Irak Krieg) und Intoleranz (Rassismus, Waffenlobby und Verhinderung einer Krankenversicherung für Alle). Die Gründerväter (Mütter waren nicht vertreten) haben eine grossartige Verfassung, eigentlich die erste Demokratische, auf den Weg gebracht.

Es wird auch Trump nicht gelingen die amerikanische Verfassung mit ihren zehn Zusatzartikeln auszuhebeln oder nachhaltig zu beschädigen. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind heute das Land der Famile Obama, der Familie Trump und der Familie Biden. Aber auch der Familie George Floyd, der Familie Trayvon Martin und der Familie Martin Luther King. Wie schreibt und singt der vorletzte amerikanische Nobelpreisträger (Bob Dylan): „Come senators, congressmen; Please heed the call; Don´t stand in the doorway, Don´t block up the hall; For he that gets hurt; Will be he who has stalled; There`s a battle outside; And it is raging´; It`ll soon shake your windows; And rattle your walls; For the Times they are a-changing`.“ – Felix Bicker

 

Die Übersetzung der Autobiografie von Barack Obama finde ich sehr gelungen. Leider findet sich bei dem in der Zeit veröffentlichten Auszug keine Information zu den Übersetzern, da frage ich mich, wie steht es um die Urheberrechte in diesem Fall? Haben sie ein Exklusiv-Abdruckrecht erworben? Trotzdem wäre es doch sehr passend gewesen zumindest den Titel und den Autor sowie den Verlag am Ende des Auszugs zu veröffentlichen. – Alice Lorenz

 

Vielen herzlichen Dank für diesen lehrreichen Artikel. Seit Jahren frage ich mich, ob ich die einzige bin, die es nicht erstrebenswert findet, die „Errungenschaften “ der Männer ebenfalls anzustreben. Erst letzte Woche war in der ZEIT ein Beitrag darüber, dass viel weniger Frauen eine Ehrendoktorwürde haben. Echt jetzt? Ist es wirklich erstrebenswert, eine Ehrendoktorwürde zu bekommen, oder ist das nicht eher peinlich, und der richtigere Weg wäre, dieses altertümliche Ehrensystem abzuschaffen? Ich war vier Jahre Dekanin an meiner Hochschule, und ich fand diese Tätigkeit furchtbar. Es hat mir keinen Spaß gemacht, ich war nicht gut darin, die meisten meiner Kollegen machen das besser und lieber als ich.

Das liegt bestimmt nicht daran, dass unsere Gehirne anders sind, sondern weil wir anders erzogen und sozialisiert wurden und andere Werte und Wünsche haben. Und ich habe wahrlich nicht den Eindruck, dass die Welt eine bessere wäre, wenn Frauen sich den Männern annähern. Ich jedenfalls bin heilefroh, dass die Männer die Jobs der LKW-Fahrer, Physiker und Dekane übernehmen und Ehrendoktorwürden sammeln. Gute Gleichberechtigung muss anders funktionieren als über die Assimilation von Frauen an die (suboptimalen) Lebensgewohnheiten und Lebensvorstellungen von Männern. – Bettina Schmidt

 

Gewiss hat Barack Obama geträumt; und viele Millionen Menschen, nicht nur in Amerika, haben es ihm gleichgetan. Denn seine Ideale sind freilich die Ideale eines noch nicht abgestumpften und entmutigten Demokraten. Und er hat es ja mit politischer Integrität, Authentizität und Charisma auch in der realen Welt ziemlich weit geschafft. Wie weit, dürfte ebenfalls Millionen von Menschen in dem vier Jahre andauernden, postfaktischen Politalptraum danach erst so richtig klar geworden sein. Den Traum von einem besseren Amerika, einer besseren Welt – nicht zuletzt gerne mithilfe einer ebenfalls besseren, demokratischeren EU – aufgeben? No way. Denn wer jetzt immer noch nicht begriffen hat, was Demokratie bedeutet, leisten und verhindern kann (und muss), der schlafe weiter. Ganz ohne Träume, ganz ohne Verstand (frei nach „Wer seine Träume verliert, verliert auch seine Richtung“ von Anke Maggauer-Kirsche und sinngleichen Aussagen). – Ira Bartsch

 


 

 

Leserbriefe zu „»Wir müssen uns nicht verstecken«. Gespräch mit Johannes Hahn geführt von Ulrich Ladurner

 

Die Aussage, dass die Vereinigten Staaten 2008 in der Finanzkrise ein Hilfspaket von 1,3 Trillionen Dollar geschnürt hätten, beruht meines Erachtens auf einem Übersetzungsfehler, da eine deutsche Billion und eine englische Billion sowie eine deutsche Trillion und eine englische Trillion nicht identisch sind. 1 Million (dt.) = 1 million (engl.) 1 Milliarde (dt.) = 1 billion (engl.) 1 Billion (dt.) = 1 trillion (engl.) 1 Billiarde (dt.) = 1 quadrillion (engl.) 1 Trillion (dt.) = 1 quintillion (engl.) Ich bin der Ansicht, dass es daher korrekt 1,3 Billionen Dollar hätte heißen müssen. – Harald Krause-Leipoldt

 

Ich füge dem hinzu: Und die Zeit um ihre Ehre: 1) was die Sorgfalt der Rechercheauswertung anbetrifft; 2) was die Folge für deren Interview-Partner anbetrifft, dem die Zeit ihr „Rechercheergebnis“ unterschiebt. Hintergrund: Im bezeichneten Artikel behaupten Sie, die USA hätten 2008 ein Hilfspaket von 1,3 Trillionen, also 10 hoch 18oder Eine Million Billionen (!!!) Dollar „geschnürt“. Entschuldigen Sie, das ist, ohne dass ich recherchiere, blanker Quatsch. Eher waren es, wieder ohne jede Recherche in der Sache, 1,3 Billionen USD.

Meine einzige Quelle: menschlicher Verstand und ein bisschen Schul-Englisch. – Dass Sie das ohne seinerseitigen Protest dem EU-Haushaltskommissar untergeschoben haben, der angeblich nur Äpfel und Birnen miteinander verglichen sehen wollte (statt Ihren „Punkt“ in der Luft zu zerreißen), bereitet nun auch diesem eine (vergleichsweise mäßige) Peinlichkeit. – Ihr Erratum wird sich bei ihm zu entschuldigen haben. – Jochen Stecher

 

Sie schreiben in ihrem Interview, das Hilfspaket der Vereinigten Staaten im Jahr 2008 hätte 1,3 Trillionen $ betragen. Das bezweifle ich. Dies würde ein Vielfaches der jährlichen Wirtschaftsleistung betragen. Ich gehe davon aus, dass es sich hierbei um eine Übersetzungsfehler handelt: 1 trillion (engl.) = 1 Billion (dt.) – Dr. Armin Müller

 

1,3 Trillionen US Dollar sind 1,3 x1000x1000 Billionen. Das sind 5 Nullen zuviel. Selbst unter Berücksichtigung der US Amerikanischen Verwendung dieser Zahl ist es immer noch falsch. Ich geh von 13 Bio US Dollar nach unserem europäischen Verständnis aus. – Markus Harder

 


 

 

Leserbriefe zu „»Wir wollen allen helfen«“ von Caterina Lobenstein und Katharina Menne

 

Ja, das kann keiner abstreiten, der Deutsche hilft gern. Das Virus hat aber auch gezeigt, daß es durchaus auch unvernünftige Menschen gibt, die nicht einsehen wollen, wie wichtig die Vorsichtsmaßnahmen sind. Die Regierung gibt sich alle Mühe um die Menschen zu schützen. Um so mehr verstehe ich nicht, daß es anscheinend unbelehrbare Politiker unter den Ministerpräsidenten gibt, die sich auf unsere Verfassung berufen. Das Virus kennt keine Verfassung. Es gilt in dieser Stunde alles zu vermeiden, was dazu beitragen könnte, daß das Virus sich nicht weiter ausbreitet. Ich kann einige Politiker nicht verstehen, die ständig auf die parlamentarische Demokratie herumreiten. In Ausnahmefällen sollte sie die Demokratie nicht zu rate ziehen. Das ist Fahrlässig. – Gunter Knauer

 

„Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“ – so sehr empört mich dieser Bericht aus dem Krankenhaus in Düren. Eine 88-jährige Patientin bindet Pflegepersonal samt Arzt, tagelang, ohne Aussicht auf Heilung. Keine Patientenverfügung in diesem Alter! Egoistisch und unverantwortlich ist das, sowohl von der Patientin als auch vonseiten der Angehörigen. So darf man sich auf Kosten der Allgemeinheit nicht verhalten. Als über 80-Jährige hat auch mein Leben irgendwann ein Ende. Warum hadern? – Ilse Vogel

 

Ich kann den Aussagen der Personen, die im Bericht über die Intensivstation einer Klinik in Düren zu Wort kommen, über weite Strecken zustimmen. Der letzte Satz hat mich dann aber in besonderer Weise aufhorchen lassen: „Eigentlich, sagen die Ärzte und Pflegekräfte, müsste man für derart schwere Fälle [wie eine schwer an Covid 19 erkrankte 88-jährige Patientin, um die es im Bericht geht] eine Ausnahme von den strengen Quarantäneregeln machen.“ Hier ist das Wort „eigentlich“ eindeutig zu viel. Hier mussund hier kann auch eine Ausnahme gemacht werden. In Zeiten der Schnelltests und der guten Vorratshaltung an Schutzausrüstung stellt die Corona-Erkrankung eines Patienten in einer schwerwiegenden Situation wie etwa im Zugehen auf das Lebensende keinen Grund dar, eine solche Ausnahme für einzelne nahestehende Personen nicht zu ermöglichen.

Hier unterscheidet sich die Situation heute von der im Frühjahr, wo es an Allem fehlte – an Schutzausrüstung und an Erfahrung. Wenn wir etwas aus der Vergangenheit gelernt haben, dann auch, dass die rigorose Isolation gerade am Lebensende heute nicht mehr verhältnismäßig, nicht notwendig und ethisch auch nicht vertretbar ist – ob im Altenpflegeheim oder im Krankenhaus. An dieser Stelle ist eine klare und selbstbewusste Positionierung auch der Klinikleitung gefragt, die in Abstimmung mit den verantwortlichen Ärzten, Pflegekräften und Hygienefachkräften solche Ausnahmen ermöglichen kann und in dieser Entscheidung hinter ihren Mitarbeitern steht.

Zudem hat sie die Verantwortung, sich bei den zuständigen Ämtern und Behörden mit dafür einzusetzen, dass solche Ausnahmen rechtlich abgedeckt werden – so dies nicht schon der Fall ist. Die zu Beginn zitierte Aussage der Pflegekräfte und Ärzte macht deutlich, dass der Angehörigenbesuch in einer solch schwierigen Situation, nicht nur für Patienten und Angehörige von existentieller Bedeutung wäre, sondern auch für die Mitarbeitenden – müssen sie doch mit ansehen, wie ihre Patienten nicht nur an der Krankheit, sondern auch an der Isolation leiden, auf deren Einhaltung sie achten müssen – u. U. gegen ihre eigene moralische Überzeugung. Aus dieser für alle Beteiligten belastenden Situation gilt es Patienten, Angehörige und auch Mitarbeitende zu befreien. – Markus Leineweber

 

Man sollte nicht ständig Einzelfälle aufblasen, sondern die Gesamtproblematik holistisch beurteilen und Probleme in entsprechender Form lösen. Schwarze Schafe unter den Polizisten oder sonst wo kann man ausmustern, das Risikopotential durch Islamisten hat man hingegen nicht wirklich unter Kontrolle. IS-Rückkehrer lässt man ungehindert ins Land und auch sonstige Gefährder leben problemlos in Europa, selbst wenn sie polizeibekannt sind, und werden bestenfalls dauerüberwacht. Wohin dieser politisch überkorrekte Leichtsinn führt, hat man zuletzt in Wien gesehen. – Martin Behrens

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Spur des Terroristen“ von Yassin Musharbash und Fritz Zimmermann

 

Um ideologisch motivierte Mörder zu ermitteln, muss man deren Gedankenwelt von Anfang an, deren KOnsequenzen und Zwänge kennen und begreifen. Es gibt zahlreiche Kenner der Materie, die Innenansichten dieser Überzeugungen und daraus abgeleitete Motivationen veröffentlicht haben. Leider erscheint von denen sehr selten etwas in den Medien. Es ist offensichtlich politisch nicht gewollt, über diese Gedankenwelt eine öffentliche Debatte zu führen. Deshalb sind dann sehr schnell lautstarke Meinungsterroristen zur Stelle, die Menschen diffamieren und mit Etiketten wie Islamhasser, Fremdenhasser, Rassist usw. gegen sie hetzen. So wird jede Argumentation im Keim erstickt. Beispiele hierfür sind Vorträge der Professoren Susanne Schröter in Frankfurt /Main und Bernd Lucke in Hamburg, die Kabarettisten Lisa Eckhardt und Dieter Nuhr und manche Andere. Die stillschweigende „Toleranz“ gegenüber der Intoleranz ist m. E. unverantwortlich und eine ernste Gefahr für unsere Demokratie. Niederschreien, verleumden, hetzen, das gäbe es schon einmal und es führte zu einem schrecklichen Ende, zur weitgehenden Vernichtung unserer Existenzgrundlagen. – Schmolling

 

Ihre Frage, „warum hat der Schweriner Verfassungsschutz wichtige Hinweise zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin jahrelang verschwiegen“, lässt sich auch wie folgt beantworten: Die kommunistische Führung der DDR hatte ja die Vernichtung des kapitalistischen Systems und die Machtübernahme in der BRD zum Ziel erklärt; das ist am kommunistischen System und an den unfähigen und korrupten DDR-Machthabern gescheitert! Die allerletzte Chance sah Honecker im gleichlautenden Vermächtnis an seinen damaligen weiblichen Lehrling aus Mecklenburg-Vorpommern, denn die DDR war trotz dem Strauß-Milliarden-Kredit schlicht und einfach pleite.

Der BRD wird es nach Merkel, Corona und nicht gelösten unkalkulierbaren Klimaproblemen genauso gehen; wir werden mindestens 3000 Milliarden (= 3 Billionen) Euro Schulden haben! Und um die Unsicherheiten und Ängste in der BRD weiter zu schüren, verheimlicht der Schweriner (liegt auch in Mecklenburg-Vorpommern) Verfassungsschutz Erkenntnisse, die den mörderischen Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz verhindert hätten; so funktionieren Systeme und „die Letzte (Merkel) macht das Licht aus“. – Peter Senghas

 

Die Pannen unserer zersplitterten landeshoheitlichen Dienste zeigen: islamistischer Terror wird nicht ernst (genug) genommen! So schützt sich im Alltag jeder selbst, so gut er kann: da wird schon mal ein Straßenseitenwechselreflex ausgelöst, begegnet man einem nichteuropäisch anmutenden Mann oder gar einer Gruppe. Lasse sich keiner einreden, ein solches Verhalten sei islamo- oder xenophob! Hat man eigentlich je von einem islamistischen Anschlag in Polen oder Ungarn gehört? Welche Konsequenzen sollten wir aus alledem ziehen? Strikte Zuwanderungsbegrenzung, aktuell ein Einwanderungsstop, bis endlich ein gesamteuropäischer fairer Lastenausgleich erreicht ist!

Abschiebung aller potentiellen Gefährder! Auch der zarteste Sproß einer Flüchtlingsfamilie kann in einem gewaltbereiten islamistischen Milieu zum Terroristen mutieren! Die Pflicht zum Schutz der eigenen Bürger, daher im Amtseid niedergeschrieben, steht über unserer moralischen Verpflichtung, Asylsuchende aufzunehmen! Wäre es umgekehrt, wie könnten unsere verantwortlichen Politiker nach einem erneuten Terroranschlag den überlebenden Opfern und den Hinterbliebenen noch ohne tiefe Scham in die Augen schauen? – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Nachdem ich den Artikel von Frau Pinzler las, war ich einmal mehr erstaunt, mit welcher Hartnäckigkeit die Atom-Konzerne am Einklagen von Entschädigungszahlungen festhalten. Schaden ist durch die Nutzung der Kernkraft entstanden, nicht durch das Beenden derselben. Davon ab ist es mir unerklärlich, weshalb auch nur eine Kilowattstunde Atomstrom erzeugt werden konnte, da dies das Atomgesetz ohne ein betriebsbereites Endlager untersagt! Alle hieran Beteiligten sollten sich in Grund und Boden schämen! – Michael Brüll

 


 

 

Leserbriefe zu „Wehen und Wüten“ von Wolfram Goertz

 

In Ihrer schönen Rezension des Wagner Buches von Alex Ross tun Sie in einem Punkt dem Autor unrecht: Siegmund heißt in der Walküre in der Tat Wölfing und nicht Wölfling. – Jens Malte Fischer

 

Ihr Rezensent Wolfram Goertz hat in seiner euphorischen Kritik des Buches „Die Welt nach Wagner“ (ZEIT vom 19. November) dessen Autor verschlimmbessern wollen. Er schreibt, Siegmund heiße in der Walküre nicht „Wölfing“, sondern „Wölfling“ – tatsächlich aber heißt es im Libretto „Ein Wölfing kündet dir das/den als Wölfing mancher wohl kennt“ (1. Aufzug). Teilen Sie Herrn Goertz das doch bitte mit und korrigieren Sie den Fehler. – Sebastian Faber

 

Schön, dass Wolfram Goertz Alex Ross‘ gewaltige Darstellung der historisch-musikalisch-literarischen Bemühungen um Wagner und sein Werk in solch euphorischer, fast schon virologisch-pandemischer Kleinsterfassung dem Wissensdurst des interessierten, anspruchsvollen Lesers so eindringlich „zuschmeckt“ (R. Wagner, Die Walküre, 1. Akt). Die Empfehlung ist angekommen, ich werde mir das Buch kaufen.

Dass Herr Goertz auf dem Höhepunkt seiner Laudatio dann doch kleinlich bis pingelig formuliert, fordert meinen oft gespürten Unmut bei Urteilen musikalischer Großkritiker heraus. Zwei Beispiele: Er pickt sich einen angeblichen Rechtschreibfehler heraus. Siegmunds Stammname alias Familienname sei Wölfling, nicht, wie falsch geschrieben, Wölfing(Die Walküre, 1. Akt). Wenn das stimmt, bitte ich Herrn Goertz, mir die authentische Quelle bekannt zu machen. Allerdings kenne ich seit über 50 Jahren aus Textbüchern, Klavierauszügen und der Partitur ausschließlich Wehwalt – der Wölfing“(Siegmund).

Als ein wenig altklug empfinde ich sodann Goertz‘ Empfehlung einer historischen Erweiterung zum Begriff Siegfriedstellung. Zusammen mit den Wotan,Alberich, Brunhilde und Kriemhildegenannten damaligen Verteidigungslinien ließe sich natürlich eine ganze „Geschichte der Verteidigungsstrategien“ verfassen, doch sollte der Autor Alex Ross die hoffentlich zahlreichen weiteren Auflagen nicht überlasten. – Franz Neidhöfer

 


 

 

Leserbriefe zu „Wenn Rechte für die »Freiheit« kämpfen“ von Volker Weiss

 

Eine gute Analyse der Entwicklung der AFD bezüglich des CORONA Themas. Aber ein Argument fehlt m.E., wie die Bundestagsdebatte um das Infektionsschutzgesetz deutlich zeigt. BürgerInnen, die Kritik an einzelnen Maßnahmen der Bekämpfung des Virus haben oder auch Analysen unterschiedlich einschätzen werden – auch von den Medien – gleich die Ecke der Rechtspopulisten gestellt. Warum demonstrieren? Von der SPD wird man als COVIDIDIOT beschimpft und von der Opposition im Bundestag, den Grünen und den Linken hat man lange Zeit überhaupt nichts gehört. Jetzt, zu spät haben sich die Linken positioniert und die FDP, immerhin.

Ich – politisch immer rot-grün orientiert – fühle mich sehr alleine. Vor ein paar Monaten hat sich die ZEIT endlich mit dem Thema Maske beschäftigt und die einzige kritische Stellungnahme, die gedruckt wurde, kam von der AFD. Damit möchte man sich natürlich nicht gemein machen. Deshalb war ich getröstet, als Sie die Stellungnahmen unter „Alternativlos gibt´s nicht“ druckten. Endlich, differenzierte Stimmen ! Ich glaube, dass die schwache Opposition im Bundestag, der AFD Wählerstimmen in die Arme treibt. Die Meinung von Volker Weiss dazu würde mich interessieren. – Dr. Wilma Mohr

 

Eins der grossen Lieblingsthemen der Zeit, wie übrigens der gesamten ach so vielseitigen deutschen Medienlandschaft, scheint die Verbindung von Corona – Maßnahmen- Kritiker und Rechtspopulisten zu sein. Erstens sind Rechte nicht per se Rechtpopulisten, Rechtsradikale oder gar Nazis, das würde auch die Verbrechen der NS unzulässigerweise relativieren. Zweitens hatten dies Rechten, die AfD, bei der letzten Bundestagswahl 5,8 Millionen Wähler, und die kann man nicht übersehen oder gar verunglimpfen. Drittens hat nicht nur Gauland berechtigt auf Carl Schmitt hingewiesen, sondern auch ich als Linker habe schon seit März in vielen Leserbriefe auf die Verbindung von C. Schmitts Dezisionismus und dem Handeln der Bundesregierung und der Ministerpräsidentenkonferenz hingewiesen.

Der Ausnahmezustand wird verhängt, dann wird entschieden statt diskutiert (glauben Sie nur den offiziellen Stellen und hinterfragen Sie nichts, so Wieler und Merkel und Drosten), das Parlament entmachtet sich selbst (die Oppositionsparteien, abgesehen von den machtbessenen Grünen, haben das mittlerweile erkannt), Recht ist das, was entschieden ist und die Gesellschaft wird in Freund und Feind gespalten (die Unvernünftigen, die Corona -Leugner, die Rechten, die Querdenker, und für alle sichtbar die Maskenverweigerer). Volker Weiss scheint ja bestens über den Staatstheoretiker und Nationalsozialisten Carl Schmitt Bescheid zu wissen. Warum arbeitet er dann nicht diese Elemente der von Gauland bezeichneten „Corona-Diktatur“ heraus. Diese können ja keinem Schmitt Kenner entgehen. Es ist fast schon lächerlich wie bei der AfD nach Fehlern und autoritären Strukturen gesucht wird, wenn Regierende mit aller Staatsgewalt jede kleinste Demonstration von Maßnahmen -Kritikern zu unterbinden versuchen.

Vor einigen Wochen war ich bei einer Demo in Heinsberg. Von den Behörden wurden Toilettenwagen angefordert(Schikane), es wurde ein Parkplatz am Rande der Stadt zur Verfügung gestellt, damit kein Passant etwas mitkriegen konnte. Auf ca.100 Demonstranten kamen 80 Polizisten und mehr als 10 Leute vom Ordnungsamt. Es wurden Gitter zur Absperrung aufgestellt, Polizisten standen in 8er Gruppen ohne Abstand und assistierten dem Ordnungsamt bei der Maskenkontrolle. Menschen, die sich umarmten wurden aufgeschrieben. Hinter der Absperrung galt keine Maskenpflicht. Reden durften nur politisch korrekte Inhalte haben. Die Einschüchterung durch die Polizei funktionierte vollkommen. Komischerweise gab es keinen Gegenprotest von der Antifa, nur der auf Rechtspopulisten spezialisierte Herr von der Aachener Zeitung war da. Das ganze war für eine Demokratie beschämend und das wiederholt sich zur Zeit in ganz Deutschland bis zum Einsatz von Wasserwerfern. In Belarus ist das alles schlimm.

Natürlich, aber hier auch. Alles andere ist Heuchelei. Ja, auf diesen Demos wird die Regierung kritisiert und das zu Recht. Es findet zu wenig Diskussion statt und auch Sie von der Zeit bedienen sich der ewig Gleichen Diffamierungen. „Reichsbürger, Alt-Hippies, bürgerliche Globuli Fraktion“ usw. Was soll das? Sehen Sie nicht auch die unzähligen Wissenschaftler, die sich für eine Corona- Politik einsetzen. Warum fangen Sie nicht auch langsam einmal an, die autoritären Strukturen der Mächtigen zu hinterfragen, nach der Berechtigung der Massnahmen zu fragen, statt immer nur die Kritiker rechts zu verorten und mundtot zu machen. Sie werden so viele Kritiker in die Arme der AfD treiben. Das ist vielleicht aber auch besser als mit den Grünen nach Polizeigewalt zu rufen oder in den nächsten Krieg zu ziehen. – Thomas J. Birgel

 

Die AfD springt ziellos von Ereignis zu Ereignis und kann daraus parteipolitisch einfach keinen Nutzen ziehen. Dilettantisch wird versucht, aus allem etwas herauszuschlagen um Wähler für die politische Zukunft zu gewinnen. Selbst eingefleischten Neonazis dämmert langsam, dass sie es mittlerweile mit einer unfähigen Parteiführung zu tun haben. Neonazis wurden bisher gerne in der AfD geduldete da sie das Wählerpotential der Partei nennenswert vergrößerten. Doch für die extreme Rechte ist immer weniger eine Führerfigur in Sicht, die Sehnsüchte dieser Gruppierung in der Partei befriedigen könnte- Höcke ist zu schwach und Kalbitz wurden aussortiert. Peinlich auch die Glückwünsche der Parteileitung zu dem Sieg von Biden und die Reaktion der Basis darauf mit Unverständnis. Deren Idol ist und bleibt Trump.

Für die AfD haben Maßnahmen der Regierung gegen die Pandemie inzwischen diktatorischen Charakter. Solche Positionen zeigen den immer stärker anwachsenden Irrationalismus einer Partei die weder Denker noch politische Talente in ihren Reihen aufweist. Götz Kubitschek ist nur Verleger aber zum Denker der Neuen Rechten taugt er nicht. Die AfD muss alleine mit ihren politischen Defiziten klarkommen die ins unermessliche gewachsen sind, was langsam auch dem unbedarftesten Anhänger klar wird. Alle merkwürdigen politischen oder pseudopolitischen Gründungen der jüngeren Vergangenheit, wie Reichsbürger, QAnon-Freaks oder Querdenker, die bei Demonstrationen mit der AfD Kontakt aufnehmen, bedienen sich gegenseitig als Trittbrettfahrer.

In dieser verstörenden politischen Mischung dürfen Hooligans auch nicht fehlen. Interessant für die Bundestagswahl 2021 wird sein, welcher Wählertyp das Ergebnis der AfD am stärksten prägt. Werden es noch die Wähler von 2017 sein die die AfD zur drittstärksten Partei im Bundestag machten ? Oder kommen auch die Anhänger der oben genannten obskuren politischen Gruppen dazu ? Welche Rolle wird der schwer einzuschätzende Protestwähler spielen. Eigentlich ein Wählertyp, der durch sein Verhalten die demokratisch soliden Parteien abstraft. Eher vorbildlich wäre in diesem Fall, wenn ein Wähler, dem keine Partei wählbar erscheint, sein Wahlrecht einfach nicht ausübt. – Klaus Reisdorf

 


 

 

Leserbriefe zu „»Kein doofes Buch, oder?«“ von Moritz von Uslar

 

Habe gerade Ihren Beitrag zu Dirk Roßmanns neuem Buch gelesen. Ich bin sehr ungehalten über die beißende Arroganz und Abgehobenheit Ihres Artikels. Was muss so ein Buch überhaupt in der ZEIT rezensiert werden? Was aber nicht gegen das Engagement und den guten Absichten des Herrn Roßmann spricht. Nicht jeder ist ein Bill Gates! Herr Roßmann engagiert sich auf seine Weise und erreicht damit nicht wenige Leute! So what?! – Jutta Hartlich

 

Moritz von Uslar gehört für mich zu den Autoren, deren Beiträge ich bisher immer mit großem Interesse und nicht selten auch mit einem gewissen Erkenntnisgewinn gelesen habe. Wie er sich allerdings gegenüber Dirk Roßmann und dessen Buch „Der neunte Arm des Oktopus“ zu äußern erlaubt, ist an Arroganz und Überheblichkeit kaum zu überbieten. Ich finde es absolut ungerechtfertigt, einen Autor, der angesichts der drohenden Zerstörung unseres Planeten in einem fiktiven Text verschiedene Möglichkeiten durchspielt, die Apokalypse zu verhindern, der Lächerlichkeit preis zugeben. Persönliche Herabwürdigungen sind geeignet, eine Rezension unglaubwürdig erscheinen zu lassen, Herr von Uslar! Als notwendiger Impuls in Richtung eines radikalen Umdenkens beim Thema Klimawandel könnte Dirk Rossmanns Roman allemal gute Dienste leisten. – Kai Engelke

 

Kurz zu Moritz von Uslar: Solange er den Jugendlich-Koketten gab, wars einfach nur albern; mit dem Rossmann-Text ist er für mich jetzt in der Kategorie „fieser Möpp“ gelandet. (Mein Urteil sagt nichts über das Buch von Roßmann, das ich nicht gelesen habe). – Julia Jacobs

 


 

 

Leserbriefe zu „Großprojekt klein gemacht“ von Viktor Mayer-Schönberger und Thomas Ramge

 

Meine Erfahrungen mit der Corona-App unterstreichen den Artikel in der Zeit von heute, No. 48, Seite 39 „Grossprojekt klein gemacht“. Ich war mit meinem Aufschrieb eigener Erfahrungen offenbar der ZEIT voraus. Es waere schön wenn es dafür in der ZEIT Raum gäbe.: Zum Artikel in ZEIT 47/2020: “Virenschutz statt Datenschutz” von Brost und Yang: Wie schütze ich mich vor einer COVID-19-Infektion? Als endlich die deutsche Version der Corona-App herauskam, war ich einer der Ersten der sie installierte und auch bei vielen Freunden und Bekannten bewarb. So musste z.B. für meine Partnerin ein neues iPhone her, die Bedrohung verlangt halt Investitionen in die Firma Apple; es wird das baugleiche wie meins, damit die Warn-App auch bestimmt einfach in Betrieb genommen werden kann.

Wir verfolgen unsere riskanten Begegnungen. Alles sieht gut aus, “niedriges Risiko” über den ganzen Spätsommer. Bis dann im September Apple sein IOS Update Version 14 auf mein Handy schlenzt. “Unbekannter Fehler”, “Risikowarnung deaktiviert” heisst es nun auf meinem iPhone. Damit beginnt mein verzweifeltes Bemühen nun nicht als der Missionar dazustehen den seine eigenen Ratschläge nicht binden. Zuerst Corona-App neu konfigurieren: Ja, ich lasse Begegnungs-Tracking zu und alle eure Mitteilungs-Varianten. Ja, ich bin in Deutschland (das muss ich unter den mit “US” beginnenden Länderliste immer wieder suchen – heist es nun “Germany” nahe Ghana oder doch “Deutschland” weiter oben?)

Nix, “unbekannter Fehler”, “Risikostatus deaktiviert”, “wir können nun auch Nachbarländer”. Klasse. Internet-Suche: Ja, der Fehler ist bekannt, in Blogs, aber nicht offiziell. Tips zum Umgehen scheitern, inklusive mehrfacher Resets, Reboots, Neu-Installationen. So, jetzt reicht’s: Wie kann ich den Fehler melden, und wo? Die Corona Warn App hat eine Webseite, aber keine Addresse an die man Screenshots und digitale Belege für das Problem senden kann, nur eine freundliche Dame am Telefon ist erreichbar. Auch sie weist darauf hin dass ich eben ein wirklich neues iPhone benötige, meins sei nicht in ihrer Liste (es ist das iPhone SE). Das die Warn-App auf meinem iPhone bis September prima funktionierte macht auch sie ratlos, aber der ins Auge gefasste Technik-Service ist unerreichbar.

Also Apple: Auch hier keine Email-Addresse wo man digitale Belege des Problems hinterlassen kann. “Online-Chat” ist das Angebot. Gut. “Madhavi” antwortet, und ich werde das Gefühl in der nun folgenden Stunde nie los, mit einem Sprachcomputer verbunden zu sein, künstliche Demenz. Zunächst die Frage nach iPhone Version und Seriennummer: Wie alle meine Passwörter habe ich die iPhone Seriennummer im Kopf und kann sie prompt eintippen, Madhavi denkt zufrieden nach. Ich solle mein iPhone mal neu starten, er leite mich an wie das gehe. Step by Step. Es. geht. so. nicht. Ich “google” nach iPhone Reboot, finde die korrekte Anleitung, folgsam starte ich mein iPhone neu, wieder einmal. Natürlich hilft’s nix. Madhavi hat derweil nachgedacht wie ein iPhone neu zu starten wäre; tja, Apple hat komplizierte Phones.

Madhavi fragt nach Fehler-Details: YES: Ich kann ihm Screenshots schicken! Ha: die sind nicht auf englisch, ob ich ihm übersetzen könne was da steht? “Unknown error”, “risk assessment disabled”. Nochmal Nachfrage: JA, ICH HABE DIE NEUESTEN UPDDATES UND NEUESTE IOS VERSION! (Es sind 2 Updates seit meine Warn-App lahmgelegt wurde, laut Internet-Foren “wird daran gearbeitet”, aber offenbar ist’s nicht so einfach). Als ich den Chat schlitzohrigerweise kopieren will, bricht der Chat ab. Da hab ich wohl eine falsche Tastenkombination erwischt… Madhvi meldet sich per Email: Er bedauert dass das Problem nicht behoben werden könne, aber er habe da eine Idee: Er habe die Webseite der Entwickler dieser exotischen App für mich ausfindig gemacht, und dort gebe es eine “FAQ” Seite, und ich solle doch mal die App-Entwickler kontaktieren. Köstlich.

Ich gebe auf, nun halt ein Leben ohne Warn-App, oder vielleicht doch endlich ein Phone von Huawei kaufen, die sollen toll sein. Mittlerweile hat meine Partnerin zwei Wochen “Risikostatus ROT” überlebt, ihr baugleiches iPhone ist noch auf Version IOS 13.7 weil sie Updates zögerlicher behandelt. Ihr Risokostatus ist wieder grün, ich bin immer noch deaktiviert. Aber ich lebe, Coronafrei, immer noch. Uff. Von Asien lernen: Ja. Bitte. Gerne. Bald. Intelligent. Deutsch. Auch wenn ich nicht in Taiwan auf die Gay-Parade gehen will. – Prof. Dr. Roland Diehl

 

Und gerade die Kleinigkeiten können es ausmachen, wenn es um die Akzeptanz geht. Die Einarbeitung einer tabellarischen Aufstellung der aktuellen Regeln und Bestimmungen – gelistet nach Bund, Länder und auch Kreisen wäre sicher kein großes Projekt für die Macher der App; die Weitergabe der aktuellen Regeln usw. durch die Behörden sollten auch keinen großen Aufwand bedeuten. Für uns Bürger wäre es eine dienliche Sache, an einer festen Stelle ständig auf dem laufenden zu sein und nicht in diversen Medien suchen zu müssen. – Willi Teloo

 

Die Warnapp ist nutzlos ohne Kenntnis von Tag und Zeit einer Risikobegegnung. Ein persönliches Kontakttagebuch dient der Vermeidung von Risikobegegnungen. Als Hinweis für Datenschützer sei betont, dass es sich dabei um MEINE Daten handelt. Nicht einmal das ist möglich? Mehr Daten brächten mehr Freiheit. – W. Thiel

 


 

 

Leserbriefe zu „»Wer sind die Geister?«“ Gespräch mit Matthias Brandt geführt von Peter Kümmel

 

Das Problem, eine Leiche verschwinden zu lassen, plagt seit jeher den Mörder, und erschwert den perfekten Mord. Der Kreativität auf diesem Gebiet tat das aber nie einen Abbruch. Vor allem aus England wurde immer wieder Erfolg mit diversen Abflussreinigern gemeldet. Nun die Neuigkeit aus dem Mund des Schauspielers Matthias Brandt, die diverse Kreise aufhorchen läßt. Wildschweine beheben das Problem ohne Rückstände. Es sind allerdings vorher die entsprechenden Gebiete mit sicherem Rottenaufkommen ausfindig zu machen. Ich stelle mir schon die nächtlichen Karawanen mit gefüllten Kofferräumen in diese Gebiete vor und auch der „Tatort“ könnte sich die ein oder andere Pointe sichern. Sollte das Thema sich bis England rumgesprochen haben, wird es sicher nicht nur Autoren inspirieren, sondern auch in der Praxis Anwender finden. Dem Herrn Brandt gebührt also Dank für den Hinweis zumindest aus dem entsprechenden Milieu. – Herbert Schoppmann

 

Ihr Artikel über ein Gespräch mit Herrn Mathias Brandt stellte den Tiefpunkt meines Sonntagmorgens dar. Ihre Frage, warum es nicht mehr Morde in Deutschland gibt, obwohl jeden Tag im TV mehrere Krimis gesendet werden, wurde sehr makaber beantwortet: “ ….weil es um das Verstecken geht“ . Und der anschliessende Tip mit den Wildschweinen war ja wohl der Höhepunkt! Sind das die Geister, die wir rufen sollten? – Dr. Christine Pfeifle

 


 

 

Leserbriefe zu „Asien macht’s anders“ von Xifan Yang

 

Wenn man auch in Singapur lebt, dann weiß man Bescheid, wie das im asiatischen Raum politisch läuft. Asien ist Europa in allen Belangen überlegen. Die Regierungen sind, was die Politik betrifft, meilenweit gegenüber Europa besser aufgestellt. Man muß es sagen dürfen, das Geschäftsmodell in Deutschland ist ein Rohrkrepierer. Die aus der Kontrolle geratenen Zuwanderungswellen, die letztendlich zu einem Bevölkerungsaustausch durch eine „Replacement Migration“ führen, wird unsere Kultur nicht mehr lange bestehen. Wir können dann nur noch Restbestände im Freilichtmuseum besichtigen…. – Gunter Knauer

 

Xifan Yang – als die Rede vom „asiatischen Jahrhundert“, von der „eurozentrischen Selbstzufriedenheit“ und davon, welche Rolle Europa in einem ziemlichasiatischen Jahrhundert spielen wollen würde, war, musste ich stutzen. Ich betrachte es als sehr vage von einem „asiatischen Jahrhundert“ zu sprechen, wenn gerade mal 15 von 47 Staaten Asiens an dem Abkommen beteiligt waren. Das Freihandelsabkommen ist lediglich Darstellungspolitik: Es regelt vieles, was schon galt. Zudem ist es Lichtjahre entfernt von dem, was eine eurozentrische Selbstzufriedenheit geleistet hat: Koordinator des Impfstoffes für der ganzen Welt. Stabiler Binnenmarkt. Einen Friedensraum. Freie Grenzen. Das ist die Rolle Europas in einer Welt, indem Asien als Ganzes – aufgrund der ungelösten Konflikte im Nahen Osten (die ich selbst als Kind miterlebt habe), die der Autor des Artikels gänzlich ignoriert – leider nur hinten anstehen wird. – Saman Shamo

 


 

 

Leserbriefe zu „Atomausstieg immer teurer. Wen trifft die Schuld?“ von Petra Pinzler

 

Die entscheidende „Schuldfrage“ wird in Ihrem Beitrag leider nur kurz gestreift. Tatsache ist, dass die Regierung Schröder/Fischer (SPD/Grüne) den Atomausstieg beschlossen hatte und mit den Energiekonzernen den Atomausstieg verhandelt und vereinbart hatte (2000). Die noch verbleibenden Laufzeiten der Atommeiler waren im Konsens mit den Betreibern einvernehmlich gesetzlich festgelegt (2002). Ohne Not „kassierte“ die neue CDU/FDP Regierung unter Merkel/Westerwelle auf Betreiben insbesondere der FDP und Teilen der CDU den bereits vereinbarten Atomausstieg und verlängerte die Laufzeiten der Atomkraftwerke im Sinne der Atomwirtschaft. Dass Merkel dann anschließend aufgrund der Fukushima Krise und der darauf folgenden Erstarkung der Grünen aus rein wahltaktischer Erwägung die erneute Kehrtwende vollzog, ebnete den Atonkonzernen den Weg zur Klage.

Der Sündenfall war die Abkehr vom bereits mit den Konzernen im Konsens beschlossenen und gesetzlich geregelten Atomausstieg. Die Atomlobby hatte ganze Arbeit geleistet. In der gesamten aktuellen Berichterstattung kommt die Rolle der FDP als Haupttreiberin und „Steigbügelhalterin“ der Atomwirtschaft zu kurz bzw. überhaupt nicht vor. Doch nicht nur Merkel und die CDU trifft die Schuld an dem Kostendesaster sondern eben auch die FDP mit Westerwelle und Co. Leider ist es mittlerweile schon wieder so weit, dass die Atomlobby – diesmal unter dem Deckmantel des Klimaschutzes – kräftig für eine erneute Verlängerung der Kraftwerkslaufzeiten trommelt. Die Regierung Merkel hat ja großzügigerweise die bis heute ungeklärten, unbezifferten und vermutlich „unendlichen“ Entsorgungskosten übernommen. – Alfred Scheib

 

Nachdem ich den Artikel von Frau Pinzler las, war ich einmal mehr erstaunt, mit welcher Hartnäckigkeit die Atom-Konzerne am Einklagen von Entschädigungszahlungen festhalten. Schaden ist durch die Nutzung der Kernkraft entstanden, nicht durch das Beenden derselben. Davon ab ist es mir unerklärlich, weshalb auch nur eine Kilowattstunde Atomstrom erzeugt werden konnte, da dies das Atomgesetz ohne ein betriebsbereites Endlager untersagt! Alle hieran Beteiligten sollten sich in Grund und Boden schämen! – Michael Brüll

 


 

 

Leserbriefe zu „Die zwei Gesichter des Stefan K.“ von Caterina Lobenstein und Paul Middelhoff

 

Das Problem der Hooligans, insbesondere im Fußball, ist seit langem bekannt. Selten wird über die Opfer berichtet. Deshalb ist dieser Report richtig und wichtig. Leider ist dieser Bericht in meiner Wahrnehmung eine rühmliche Ausnahme. Offensichtlich passt er sehr gut zu dem gewünschtem Bild von der Polizei, das immer wieder betont wird. Wer kennt schon den Alltag eines Polizisten im Streifendienst, seinen Kampf gegen Windmühlen, die Verhöhnung durch die Gesetzesbrecher, seine besserwissenden Vorgesetzten in den „Schreibstuben“, seinen Frust über die Machtlosigkeit der Polizei im Umgang mit den Wiederholungstätern. Wann wurde jemals über die verletzten Polizisten berichtet, die von Steinen und Flaschen getroffen wurden.

Das sind Menschen wie wir alle. Sie haben Angehörige, Familie und Kinder. Für deren Alltag „besteht kein Interesse“. Fällt ein Polizist negativ auf, ist die Sensation perfekt. Diese Einseitigkeit entspricht aus meiner Sicht nicht einer unvoreingenommenen Berichterstattung über alles , was uns umgibt. Das Mitgefühl mit dem jungen Afghanen wünsche ich mir für alle Opfer von Gewalt, vor allem für die Ermordeten, deren Angehörige und für die Verletzten. Das passt offensichtlich „nicht in die Zeit“, entspricht nicht dem Mainstream und ist daher nicht „marktfähig“. – Schmolling

 

Der Skandal ist nicht die brutale Rohheit des Polizisten Stefan K, dergleichen Menschen gibt es leider viel zu viele in allen Bereichen. Das eigentliche „Verbrechen“ ist die Ignoranz, Untätigkeit und Mentalität des Wegsehens der Behörden, wenn es um einen der Ihren geht. Was ist an diesem Staat und seiner Behördenstruktur so grundsätzlich falsch gestrickt, dass Behörden teils noch immer so ticken können wie vor 80 Jahren. Die Intransparenz des Staatsapparates ist sicher eine Ursache, Geheimniskrämerei und richtig konstruierter Datenschutz helfen dabei. – H. Giller

 


 

 

Leserbriefe zu „Torten der Wahrheit“ von Katja Berlin

 

Ihre Torten der Wahrheit amüsieren mich immer wieder, ich liebe diese journalistische Konditorware. Häufig bilden sie auch noch die Realität ab, dementsprechend unterschreibe ich standesgemäß. – Dr. Johannes Frese

 

Bei einer der «Torten» von Katja Berlin musste ich so laut lachen, dass ich dann meiner Frau den Grund erklären musste. Es ist eben so, dass ich den Titel tatsächlich nur fürs Unterschreiben von Leserbriefen nutze und zwar nur von Leserbriefen an die Zeit. Einzige Ausnahme war bisher ein Leserbriefen an die Basler Zeitung, in dem es darum ging, ob Roger Federer einen Ehrendoktor von der Uni Basel bekommen sollte. Ich antwortete mit meinem Leserbrief auf einen anderen Leserbrief, in dem jemand vorgeschlagen hatte, man sollte doch auch seinem Müllmann einen solchen Titel geben: ebenfalls für Dienste an der Allgemeinheit.

In meinem Leserbrief schrieb ich dann, Federer und der Müllman hätten darüber hinaus noch etwas Wichtiges gemeinsam, sie profitierten beide vom Prinzip «The Winner takes it All». Bei Feder wäre dies ja klar, beim Müllmann wäre dies deshalb so, weil er allein schon als Einwohner der Schweiz privilegiert sei. Denn der Wohlstand der Industrieländer basiere eben auch zum Teil auf genanntem Prinzip. Dies mache Transferleistungen von Nord nach Süd sinnvoll, die aber nicht auf ein Fass ohne Boden treffen sollten, was es sinnvoll mache, zusätzlich verantwortungsvolle Elternschaft zu fördern.

Meine Leserbriefe enden öfters mal bei letzterem Thema, das ich für wichtig halte, was auch ein Grund für die Nutzung meines Doktortitels ist. Darüber hinaus halte ich eine solche Nutzung auch für sinnvoll, weil sie ein wenig Hintergrundinformation über den Leserbriefschreiber mit Doktortitel liefert. Dieser ist oft pensioniert, meist ohne finanzielle Sorgen aber auch mit einem Abschnitt des Lebenswegs, bei dem es Hindernisse zu überwinden gab. Bei mir wars so: Meine Diss in Algebra war reines Vergnügen. Ich hatte nach 5 Jahren Berufstätigkeit für 9 Monate unbezahlten Urlaub genommen. In zwei Jahren vorher hatte ich nebenbei die passenden Bücher durchgeackert. Nach einem halben Jahr hatte ich ein Resultat (das später in einer Fachzeitschrift veröffentlicht wurde) und war irgendwie unzufrieden, dass die schöne Zeit in Wien schon zu Ende war.

Ein Assistent tröstete mich, es gäbe Doktoranden, die nach vier Jahren immer noch kein Resultat hatten. Bei meinem Anlauf zum Dipl. Ing. gab es allerdings auch mal ein Hinderniss. Ich verlor ein Jahr (was im Nachhinein auch nicht schlimm war). Damals gehörten Vorlesungen mit Namen wie Elektronenröhren-1 und Elektronenröhren-2 zu den wichtigsten Vorlesungen. Irgendwie machte ich bei den Laborübungen eine schlechte Figur. Bei den 3 Studienkollegen aus meiner Labor-Gruppe, die mit mir Aufgaben zu lösen hatten, war Elektrotechnik auch so etwas wie ein Hobby.

Bei mir wars nicht so, ich hatte daher kaum eine Chance, mich am Lösen der praktischen Aufgaben zu beteiligen. Einem oder mehreren Assistenten war das anscheinend aufgefallen, mit dem entsprechenden negativen Resultat. Die durchschnittliche Studiendauer zum Dipl. Ing war damals übrigens 8 Jahre. Im Übrigen finde ich Katja Berlins Torten prima. Sie hat auch durchaus Recht: Im praktischen Berufsleben hat der Dr.Titel heute eher eine geringe Bedeutung. – Dr. tech. Gernot Gwehenberger

 


 

 

Leserbriefe zu „Ist das der Anfang vom Ende?Oder von etwas Neuem?“ von Sebastian Kempkens

 

Haben Sie vielen für ihr spannend geschriebenes Dossier zum Thema eines gegen die Insolvenz kämpfenden Unternehmens. Mir hat das meiste ihres Textes sehr gut gefallen, sprachlich eine echte Meisterleistung, voller toller Bilder, packend formuliert und spannend bis zum Schluss. Einzig über eines habe ich mich sehr geärgert: die Verharmlosung von Tierquälerei zum Ende ihres Artikels. Da zieht der Unternehmer Mutlu Alsakal seinem Hund einen Mundschutz über Die Schnauze und ihnen fällt nichts besseres ein als diese Unverfrorenheit wie einen lockeren Witz zu erzählen. Das arme Tier!! So etwas macht mich wütend. Ansonsten jedoch tolle Leistung, dafür kaufe ich die ZEIT gerne (auch wenn Sie immer teurer wird). – H. Peters

 

Als langjähriger DIE ZEIT Leser und mittelständischer Unternehmer habe ich mich außerordentlich über das hervorragende Dossier Ihres Redakteurs Sebastian KEMPKENS gefreut, dass die Nöte und Sorgen von kleinen Firmen treffend beschreibt. Während die großen gerettet werden müssen wir selbst schauen wo wir bleiben. Selten habe ich ein so spannend geschriebenen Wirtschaftsartikel genossen. Vielen Dank dafür. Bei Interesse an mehr Stellungnahmen aus dem Mittelstand für weitere Artikel zum Thema stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. – Karl Kusters

 


 

 

Leserbriefe zu „Jetzt wird auf die Tube gedrückt“ von Marc Widmann

 

Ich bin in Ihrem Artikel über die Plastik-Recycling-Quote von 47 Prozent gestolpert. Zwar werden in Deutschland rund 47 Prozent der Plastik-Abfälle dem Recycling zugeführt, dies beinhaltet allerdings auch die Exporte ins Ausland. Dort werden die Abfälle oft unter geringen Umweltstandards verwertet, verbrannt oder anderweitig entsorgt, weswegen Länder wie China den Import bereits beschränken. Von Recycling kann dabei also nicht wirklich die Rede sein. Zieht man die Exporte nun ab, so sinkt die Recycling-Quote auf rund 30 Prozent. Bei der Neuproduktion machen Rezyklate sogar nur rund 13 Prozent aus (Quelle: Conversio (2020). Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland 2019). Außerdem sollen in der EU bis 2030 alle Plastikverpackungen recycelbar sein (Quelle: Zeit Online 16.01.2018). Daher werden Verbundverpackungen in Zukunft abnehmen. Es wäre angemessen gewesen, diese Faktoren zu berücksichtigen, um dem Leser ein ganzheitliches Bild zu vermitteln. – Kai Lambertz

 

Vielen Dank für den informativen und sehr gut recherchierten Artikel zum Thema Recycling von Plastik. Dieses Thema beschäftigt mich selbst beruflich seit einigen Jahren. Aus meiner Sicht sind zwei Faktoren entscheidend dafür, dass in Zukunft mehr recyceltes Plastik verwendet wird statt neuem. Den einen Faktor haben Sie selbst genannt: Die Politik muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Firmen vermehrt auf Recyclingplastik setzen. Der andere Faktor ist die Verbesserung der Kreislaufführung selbst. Eine Menge Plastik wird energetisch verwertet (wie man so schön sagt), weil der Entsorger nicht genau weiß, in welchem Produkt welche Art Plastik steckt.

Da setzen wir mit dem neuen, vom Bundesumweltministerium im Rahmen des Programms KI-Leuchttürme geförderten Verbundforschungsprojekt ReCircE (https://www.z-u-g.org/aufgaben/ki-leuchttuerme/projektuebersicht-fl2/recirce) an. Hier entwickeln wir eine Datenstruktur, die Informationen über ein Produkt entlang seines gesamten Lebenszyklus aufnehmen kann – die digitale Lebenszyklusakte (man könnte sie auch als Produktpass bezeichnen): Der Produzent kann Informationen beisteuern, was genau drin ist im Produkt. Diese kann z.B. der Kunde lesen um sich darüber zu informieren; der Recycler erfährt, welche Stoffe oder Stoffkombinationen ihn erwarten und kann seine Sortieranlagen entsprechend parametrisieren.

(Die Parametrisierung von Sortieranlagen mittels Künstlicher Intelligenz unter Verwendung der Lebenszyklusakte ist ein weiterer Schwerpunkt des Projektes.) Der Recycler kann nun Informationen darüber beisteuern, wie gut sich das Produkt recyceln ließ bzw. warum es sich eventuell auch nicht gut recyceln ließ (z.B. weil ein ungeeigneter Kleber verwendet wurde). Diese Informationen können dann wiederum dem Produzenten bei der Produktverbesserung helfen. – Christiane Plociennik

 


 

 

Leserbriefe zu „Warum muss ich an der Ampel immer rennen?“ von Alexander Rupflin

 

Warum der Fragesteller bei der Ampel rennen muss? Ganz einfach. Die Grünphase für ihn ist zu kurz. Soll er Auto fahren. Dann hat er Grüne Welle. – Hans-Emil Schuster

 

Als einen weiteren Betrachtungsgegenstand schlage ich die Betrachtung der Zeit vor, die mir eine Kassiererin im Discounter oder Supermarkt lässt, meine gescannten Einkäufe irgendwohin zu verstauen. Hat die Menschheit an dieser Stelle noch eine kleine Chance auf Entschleunigung? – Michael Schmelzle

 


 

 

Leserbriefe zu „»Da kommt etwas ins Rollen«“ Gespräch mit Isabelle Faust et al. geführt von Christine Lemke-Matwey

 

im Gespräch hat Herr Gerhaher einen sehr wichtigen Punkt angesprochen; die erfahrenen Musiker sind auf dem Arbeitsmarkt schwer zu vermitteln. In keinem anderen Beruf beginnt die Ausbildung so früh wie in der Musikwelt, nicht selten schon in der Kindheit. Bis ein Musiker hinzu eigene Ausdrucksmöglichkeit und Originalität entwickelt, vergehen generell viele Jahre. Was wir im Konzertsaal erleben, ist der Klang der konzentrierten Zeit. Es ist zwar oft unvermeidbar, dass jemand in einer Krise umsatteln muss, aber Berufsverzicht trifft einen Musiker besonders hart, weil er dadurch seine Stimme verliert. Aus menschlicher Sicht finde ich es wirklich tragisch.

Musik kann und darf Entertainment sein, daher ist es schon legitim, dass viele Menschen die Musiker als Berufsgruppe als nicht systemrelevant einstufen. Das ist eher eine Frage der Interpretation. Aber Musik selbst hat ihren Ursprung bereits in unserem Körper, in unserem Herzrhythmus, in unseren Schritten, in unserer Stimme. Musik ist in der Tat körperlich. Insofern ist sie lebensrelevant.

Ich hoffe sehr, dass die Musiker (bitte nicht!) umsatteln und die Krise gut überstehen. Um die Musiklandschaft wieder aufzubauen, werden nicht nur Millionäre, sonden auch die aufgeschlossenen Bürger gebraucht. Wenn es nötig ist, würde ich in den nächsten Jahren höheren Preis eine Konzertkarte akzeptieren. Wenn sich ein Land als Kulturnation verstehen will, sollten dessen Bürger dementsprechend ihren Beitrag leisten. Ob unsere Kultur überhaupt nachhaltig relevant ist, entscheidet kein Staat, sondern wir selbt. – Ai Kretschmer-Nakashima

 

Wenn dieser Beitrag ein Versuch war, die Bedeutung der (Hoch)Kultur für das Wohlsein der Bevölkerung in Corona-Zeiten zu illustrieren, dann ist das zumindest bei mir grandios schiefgegangen. Ich entnehme dem Artikel ein deutliches Streben nach Distinktion und Exklusivität und den unbedingten Willen zur Abgrenzung gegen die „Freizeitgestaltung“ der Normalo-Menschen. Nach meinem Begriffsverständnis ist Freizeitgestaltung die Gestaltung der Zeit des Tages, die nicht durch Pflichten wie Arbeit, Haushalt etc. geprägt ist, sondern durch freie Zeitgestaltung. Diese Zeit verbringe ich gerne mit Zeit-Lesen, mit Sporttreiben, mit Freunden, mit Büchern, mit Kino, mit Theater – weil all das mir Vergnügen bereitet aus sehr unterschiedlichen Gründen (lehrreich, entspannend, gesund etc.).

Wenn Ihnen das nicht reicht, sondern Sie von mir erwarten, dass ich in meiner freien Zeit die Leistung der „geistigen Sammlung und Vertiefung“ erbringe, dann klingt das für mich nach Arbeit, und dann gehe ich künftig besser nicht mehr ins Konzert, sondern verbringe meine Zeit lieber anderweitig und bringe mein Geld lieber ins Programmkino oder ins Schwimmbad, die sich soweit ich weiß nicht zu fein sind für die „fatale Freizeitgestaltung“. Es grüßt Pierre Bourdieu. – Bettina Schmidt

 


 

 

Leserbriefe zu „Wer die Kirchenkrise heute meistern will, sollte diesen Papst kennen: Pius IX., den Unfehlbaren“ von Hubert Wolf

 

In Absatz 7 schreiben Sie: Pius XI., der den Text verlesen will … Pius XI.? Dieser kam etwas später in dieses Amt :) – Jochen Laier

 

In Ihrem Artikel wird offensichtlich ein ganz normaler Mensch mit seinen Eigenschaften beschrieben. Dass er seine Bedürfnisse, Triebe und Geltungssucht in der beschriebenen Art ausleben konnte und dabei ein großes Publikum hatte, liegt wohl ausschließlich daran, dass trotz oder gar wegen seiner Charakterzüge seine klerikale Karriere bis zur Papstwahl führte. Auch der Papst ist (nur) ein Mensch. Ich gerate beim Lesen des Artikels zur Unfehlbarkeit des Papstes ins Stocken: Habe ich nicht aufmerksam gelesen ? Kann es ein Flüchtigkeitsfehler sein? Die römische Ziffer für 9 mit 11 verwechseln? XI statt IX ? Zeigt sich hier vielmehr eine Art Distanzierung von dem Impetus des Papstamtes oder ein bewußter, wenn auch „krasser“ Hinweis auf den ideellen Respekt vor dem Amt des Papstes?

Wen juckt es nach 150 Jahren, ob es ein IX. oder XI. Pius war. Das Amt des Papstes ist definiert und das Leben eines Papstes ist reglementiert, wie kaum ein Anderes. Daher müssen wir, damals wie heute, den Menschen unter dem Mantel eines Amte sehen. Dann ist es völlig egal, ob es der IX., XI. oder irgendein anderer Papst vor oder nach ihm war, der sich so oder anders verhalten hat, dem Dies oder Jenes gut oder weniger gut gelungen ist. Wir sollten immer den Menschen sehen und nicht den überhöhten Anspruch des Papstamtes als Ideal einfordern. War es nur ein kleiner Schreibfehler oder doch ein kleiner versteckter Hinweis auf die Unfehlbarkeit des Menschen im Papstamt ? – Dr. Heinrich Tasche

 


 

 

Leserbriefe zu „Wie lange noch?“ von Jörg Lau und Heinrich Wefing

 

Ein mögliches viertes Szenario? Wenn andere renommierte deutsche Medien Trump etwa als „dummen Mann“ einzustufen, der sich nun auf seinen Golfplatz zurückziehen und gelegentlich per Twitter „grammeln“ wird, unterschätzt das sein erhebliches negatives Potential nach Auszug aus dem Weißen Haus. Ob man Trump als intelligent oder bauernschlau einstuft, ist nicht wesentlich. Er hat bewiesen, dass er durchaus konsequent und zielstrebig einen Plan verfolgen kann. Allerdings mit einer unerhörten Skrupel- und Rücksichtslosigkeit, allein auf seine egomanischen Interessen abgestellt. Ohne die geringste Selbstbeschränkung durch Moral und Ethik. Dafür stehen in seinem Hirn keine Neuronen zur Verfügung.

Seit er weiß, dass er diese Wahl verloren hat, führt er einerseits aller Voraussicht nach aussichtslose Gefechte u.a. vor Gerichten wegen Wahlfälschung, konsequent wie vor der Wahl angedroht. Oder mit Bezichtigungen von Wahlleitern, Entlassung von mutigen Amtsinhabern, die er selbst ernannt hat. Andererseits bereitet er seine politische Zukunft einschließlich seiner Familie vor. Sohn Donald jr. und Tochter Ivanka stehen für den Aufbau als mögliche Präsidentschaftskandidaten in den Startlöchern. Dass er dynastisch denkt, ist kein Geheimnis. Ihm ist bewusst, dass seine politische Zukunft und die seines Klans davon abhängt, dass die Republikaner in ihm den wichtigsten Stimmenfänger, ihren Messias für die nächsten Präsidentschaftswahl in 2024 sehen. Und das hängt davon ab, ob es ihm gelingt, seine 73 Mio Wähler bis ein Jahr vor den Wahlen bei der republikanischen Stange zu halten. Er muss verhindern, dass diese sich im Lauf der Zeit enttäuscht anders orientieren (bei der in den USA weit verbreiteten typischen Mentalität des „one-issuism“ nicht ausgeschlossen).

Um dem vorzubeugen, darf er die derzeitige Wut seiner Fans nicht abkühlen lassen. Deshalb heizt er sie seit der Wahl täglich auf, wird er sie ohne gefährdende Pausen in Zukunft ständig über Twitter etc. neu anfachen. Etwa so: ihr seid um eure Wahlstimme betrogen worden, das machen wir gemeinsam spätestens 2024 wieder gut. Dafür wird er vermehrt alle Register ziehen, um die demokratischen Institutionen zu delegitimieren, u.a. auch durch Abschaffung, mindestens Beschränkung der Briefwahl. Eine erste Gelegenheit wird sein Berserkern im Wahlkampf in Georgia um die beiden Senatssitze sein, mit der realen Gefahr von Gewaltausbrüchen. Joe Biden und Kamala Harris werden nach ihrem Amtsantritt Ziel seines Fake-Twitter-Dauerbeschusses sein, um sie als künftige Konkurrenten zu minimieren. Trumps Trumpf ist sein Wahlergebnis mit 73 Mio Stimmen, was noch kein republikanischer Präsident je erreicht hat. Und dass es ungewiss ist, ob ein ähnlich erfolgreicher republikanischer Wahlmagnet ihn ersetzen könnte.

Auch deshalb das derzeitiger Schweigen der Republikaner-Elite. Wenn Trump über die nächsten drei Jahre die Masse der 2020-Wähler für die Republikaner nicht binden kann, wird ihn diese kalt fallen lassen. An Aspiranten wird es spätestens ein Jahr vor den nächsten Wahlen nicht mangeln (schon hat sich Außenminister Mike Pompeo als solcher erwähnen lassen). Zurzeit straft ihn seine bisherige Hof-TV-Anstalt FOX NEWS mit mehr als Zurückhaltung. Deshalb sind Berichte, Trump prüfe die Möglichkeiten, einen eigenen TV-Sender für seine politischen Ziele zu gründen, plausibel. Rebekah Mercer, Tochter des Hedge Fund Multimilliardärs Robert Mercer, des gewichtigsten Förderers Trumps in der Wahl 2016, soll bereits 1 Mrd. US$ dafür angeboten haben. – Harald N. Nestroy

 

Ich frage mich ernsthaft, was soll an Trump verkehrt sein.? Seine Art zu zu regieren nehme ich nicht zur Kenntnis. In Deutschland scheinen die Höflichkeitsfloskeln auch gute Politik garantieren. Trump hat alles geliefert was er vor der Wahl versprochen hat, das scheint den deutschen Michel völlig egal zu sein. Die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen und die Wirtschaft wächst unter Trump. Die Hälfte der amerikanischen Bürger haben das verstanden. Bei der anderen Hälfte bleibt es das Geheimnis der Populisten. – Gunter Knauer

 


 

 

Leserbrief zu „Brot, Butter, Ei“ von Elisabeth von Thadden

 

Ein ödes Bild von vielen Möglichen bis hin zu „Schweinestreichelnden“ glücklichen Bauernfamilien. „Jeder hat so seine Dorfgeschichte“ – blickt man ca 250 Jahre zurück, dann hat wirklich Jede(r)frau und mann ihr/sein Bauernlebenbezug. Mittlerweile sind „wir“ ja um vieles gereifter und klüger und haben dieses „elende Bauernleben“ abgestreift wie einen lästigen Kokon. Obwohl Kokon – darin entwickelt sich biologisch betrachtet immer wieder „Das Leben“, also kann es grundsätzlich gar nicht so falsch sein. Die Entwicklung der Bauernhöfe geht einher mit der Abwanderung der Landarbeiter, selbst die der (Klein-)Bauern in die Industrie, in die 3.Arbeitswelt der Büros etc, bis hin zu gut bezahlten Akademikerstellen. Selbst „Gutsituierte“an ihrem Hof haben die Flucht ergriffen!

Selbst schon in der „modernen“ Zeit ab 1980 waren noch nicht einmal die Hälfte aller Höfe damals existenzfähig; Ausdruck dafür standen immer „die Erfolgszahlen“ (die immer mies waren) wie Gewinn und Eigenkapitalbildung. Heutzutage kann weit über die Hälfte der stark eingeschrumpften Höfe (aktuell nur noch ca 250.000 in Deutschland vs. den Zahlen von 1980 ca 800000 und nach 1945 ca 1,5 Mio) nur mit EU-Beihilfen überleben; die Hälfte der Gewinne werden so realisiert und auch „Betriebskonglomerate“ partizipieren unrechtmäßig. Zu welchem Preis? Entscheidend für den Schwund an Betrieben war der technische Fortschritt ab Mitte der Sechziger, da konnten nur noch wenige mithalten bei Abwanderung zu doppelt bis dreimal so gut bezahlten Industriearbeitsplätzen. Hätte man die damalige Struktur der DDR ab 1990 zerschlagen sollen?

Der sog. Weltmarkt hat nur noch die Größe gleich Effizienz gekannt !? Noch absurder wäre eine „Dekret der Politik“ im Jahr 1990 schon im „Trumpschen Sinne“, umgehend alles auf „BIO“ umzustellen. Dabei wäre eine ganze Struktur baden gegangen mit hunderttausenden Arbeitsplätzen. Sicher – Neue wären entstanden aber um den Preis einer intensiven Handarbeitszunahme, die doch damals alle abstreifen wollten. Dafür gibt es ja heute „bereitwillige“ Arbeitskräfte aus Osteuropa und Afrika. Die Verklärung im Bericht der selben ZEIT-Ausgabe, S. 24 „Komm, wir ziehen aufs Land!“ ist eine „zuckersüße“ Einladung zum Land hin; das hat aber mit dem Landleben von früher überhaupt nichts mehr zu tun. Erst wenn Kinder ins reifere Alter kommen, weiß man, ob man mit dem Ortswechsel richtig oder total falsch liegt. – Rainer Rehfeldt

 


 

 

Leserbrief zu „Zwei Freunde im Park“ von Maxim Biller

 

Maxim Biller ist ein kluger Mann und es ist sicher sein gutes Recht, die Mittel der Ironie und der Übertreibung einzusetzen, um zu kritisieren oder auf Missstände aufmerksam zu machen. Nur muss die Zielrichtung des Einsatzes solcher Mittel stimmig sein! Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den Pianisten Igor Levit warnt er am Ende seiner Kolumne vor den „Mächtigen“ und suggeriert, wie man es auch drehen und wenden mag, mit Blick auf jene, die „angeblich für das Gute kämpfen“ eine Vergleichbarkeit zwischen dem gegenwärtigen Bundespräsidenten unseres Landes und dem sowjetischen Geheimdienstchef der späten dreißiger Jahre Jeschow, dessen Leute auch nach vorsichtigen Schätzungen etwa eine Million Menschen ermordet haben – auch, nebenbei bemerkt, meinen Großvater.

Ich halte eine solche journalistische Vorgehensweise für unerträglich. Sie zielt nur darauf ab, einen möglichst grellen Effekt zu erzielen, der zudem noch ins Leere zielt. Es ist mir unverständlich, dass es offensichtlich niemanden in Ihrer Redaktion gibt, der hier Einhalt gebietet. Seit Jahrzehnten bin ich Leser der ZEIT und würde mich deshalb umso mehr über ein paar erläuternde Zeilen aus Ihrem Hause freuen. – Robert Hartung

 


 

 

Leserbrief zu „Welche religiöse Frage ist besser als jene nach der Existenz Gottes? Der akademische Rat“ von Metin Tolan et al.

 

Ob es andere religiöse Fragen gibt ,wird hier nicht gefragt. Schwacher Ansatz. Aber was soll’s; als Atheist habe ich damit ohnehin keine Probleme.- Hans-Emil Schuster

 


 

 

Leserbrief zu „Paranüsse sind radioaktiv. Stimmt’s?“ von Christoph Drösser

 

Da sind wir wieder beim Thema Radioaktivität, für das ich mich qua Profession interessiere. Eigentlich habe ich auch keine Frage, nur ein paar Anmerkungen. Es gibt eine Insel, Ischia, im Golf von Neapel, direkt neben Capri. Sie ist vulkanischen Ursprungs und bekannt für ihre heißen Quellen. Praktisch jedes Hotel bohrt ein Loch und dort kommt das heiße Wasser heraus, das in einen Thermalpool geleitet wird. Das ist seit der Antike bekannt, schon die Phönizier, die Karthager, die Griechen, die Römer und bis heute die Germanen kommen gerne um die wohltuende Wirkung der heißen Quellen, z. B. auf den Rücken, auszunutzen. Nun gibt es ja viele heiße Quellern, denen eine wohltuende Wirkung nachgesagt wird, ist den an denen von Ischia etwas besonderes?

Ja, tatsächlich.: Früher wurde auf Ischia noch mit dem Slogan geworben „Die radioaktivsten Quellen der Welt“. Das stand in meterhohen Buchstaben an der Wand, ist heute aber übermalt und man muss die Information über die Radioaktivität richtig suchen. Früher wurde auch gerne über einen Aufenthalt von Marie Curie auf der Insel berichtet. Sie kam aber nicht zum Baden sondern um Messungen durchzuführen. Nun kann ich höchstens Herrn Drösser fragen, ob ihn das überrascht? Der Hintergrund ist die Frage, auf die die Antwort seltsamerweise weitgehend unbekannt ist: Woher kommt die Erdwärme? Diese wird ja meistens als natürlich, merkwürdigerweise auch auch als regenerativ, auf jeden Fall als unbedenklich angesehen. Die Ursache der Erdwärme ist aber Radioaktivität. Das möchte ich kurz erläutern. Es gibt das bekannte Zitat, ein Buchtitel, „Am Anfang war der Wasserstoff“. Wie kommt es, dass auf unserer Erde nicht mehr so viel Wasserstoff zu finden ist, dagegen viele schwerere Elemente?

Man erklärt das dadurch, dass es in unserer Region des Universums früher einmal eine Sonne gegeben haben muss, die, wie es Sonnen häufiger tun, instabil wurde, nachdem ihr „Brennstoff“ verbraucht war, und explodiert ist. Der Hintergrund ist, dass Sonnen ihre Energie durch Kernverschmelzung oder Fusion erzeugen. Bei der Verschmelzung der Kerne der leichten Elemente, bis etwa zum Eisen, wird Energie frei, bei den schweren, z. B. beim Uran, wird Energie durch Kernspaltung frei. In einer Sonne sind es hauptsächlich Wasserstoffkerne, die verschmelzen und dadurch Energie freisetzen. Nun kann es bei den hohen Temperaturen in einer Sonne, mehrere hundert Millionen Grad, auch einmal vorkommen, dass z. B. auch zwei Eisenatome verschmelzen. Das Ergebnis ist dann ein radioaktiver, instabiler Atomkern.

Gegen Ende der Lebenszeit einer Sonne, wenn die leichten Elemente, auch der Wasserstoff, verbraucht sind, gibt es viele davon. Wenn die Sonne dann explodiert, verteilen sie sich im Weltraum. Wenn diese Materie später einmal zu einem Planeten kondensiert, dann sammeln sie sich wegen ihrer Schwere im Inneren. Dort setzen sie durch Radioaktivität soviel Energie frei, dass das Innere der Erde glutflüssig ist. Wenn durch Radioaktivität nicht ständig neue Energie erzeugt würde, dann hätten wir auf der Oberfläche der Erde die gleichen lebensfeindlichen Bedingungen wie auf dem Mond. Wir verdanken unser Leben also der Radioaktivität, ein Gedanke, der wahrscheinlich vielen abwegig vorkommt. Nun, noch einmal zurück zu Ischia.

Es gibt ja den Spruch, dass die Dosis die Medizin ausmacht, oder sogar die Steigerung, dass eine Substanz, die in Überdosis nicht tödlich wirkt, auch nicht als Medizin wirken kann. Kann es nicht sein, dass die Dosis der Radioaktivität auf Ischia, genau richtig ist, um eine heilende Wirkung zu entfalten? Noch eine kleine Anmerkung zum Thema „Wer hat’s erfunden?“ Ein Ort auf Ischia heißt Fango. Wie Sie sehen, beschäftigt mich das Thema Radioaktivität und die Angst davor, die ich als teilweise irrational empfinde. – zy

 


 

 

Leserbrief zu „»Perfekt!«“ von Leo Fischer

 

Solche Artikel sind interessant und wichtig. Allerdings sind die zur Zeit wohl Die meist gebrauchten Wörter dieser Art Alles gut und genau. Diese beiden Sind seit 2 Jahren nicht mehr wegzudenken,auch wenn sie von vielen (auch von mir) Nicht mehr gehört werden können. Es erhebt sich die Frage, wie solche unnötigen Worte auf einmal so in unser Sprachbewusstsein dringen können, oder haben wir Vielleicht gar kein Sprachbewusstsein? – Manfred Mengewein

 


 

 

Leserbrief zu „Bildungsreise zum Orgasmus“ von Maja Beckers

 

„Blaulicht“ und „Rotlicht“ geht immer, habe ich irgendwo irgendwann gehört oder gelesen. Und so kam ich natürlich auch an ihrer Rezension nicht vorbei. Danke, kurzweilig zu lesen inkl. der Demonstration mittels des originellen Scherenschnittes. Unter der Rubrik Sachbuchund den Stichworten Bildungsreise, Orgasmus empfand ich dann aber doch gedankliche Parallelen zum WireCard– Prinzip: Gewinne, die sich als Schein statt Sein herausstellen. Dass der hedonistische Leerlauf bei der Autorin und demgemäß bei Ihnen als Rezensentin so gar nicht vorkommt, empfinde ich als ein lebensphilosophisches Defizit. – Dr. agr. Gernot Henseler

 


 

 

Leserbrief zu „Im innerdeutschen Kulturkampf“ von Christoph Dieckmann

 

„In den im »Musenalmanach für das Jahr 1797« abgedruckten »Xenien« schreibt Schiller über den Philosophen Immanuel Kant: »Wie doch ein einziger Reicher so viele Bettler in Nahrung/Setzt! Wenn die Könige baun, haben die Kärrner zu tun« (betitelt: »Kant und seine Ausleger«).“ – Dr. Gernot Henseler

 


 

 

Leserbrief zu „Draußen-Held“ von Marcel Laskus

 

Danke an Herrn Laskus für diesen Artikel und an Herrn Ewaldt stellvertretend für alle, die unser Leben bequem machen. An alle Besteller / Nutzer dieser und ähnlicher Annehmlichkeiten: Sie geben grundsätzlich kein Trinkgeld? Ändern Sie das, Geiz ist nicht „geil“, sondern einfach nur beschämend! Wer auch immer sich diese und andere Annehmlichkeiten leisten kann, wird feststellen: auch die Gabe eines angemessenen Trinkgelds (und bitte: nicht 29,80 € „großzügig“ auf 30 € aufrunden!) reißt einen nicht in den finanziellen Ruin. Sie sind noch nie auf die Idee gekommen, dass eine Trinkgeldgabe eine Bedeutung hat? Dann empfiehlt es sich beim nächsten Mal das Gegenüber nicht als roboterartigen Dienstleister sondern als Mensch wahrzunehmen und einen Blick in die Augen des Gegenübers „zu riskieren“: ein Dank von Herzen und eine kleine finanzielle Anerkennung fallen dann ganz leicht. Und das Beste: Die Reaktion des Gegenübers gibt einem oft ein Vielfaches zurück! – Prof. Dr. Karl und Feodora-Johanna Mandel

 


 

 

Leserbrief zu „Die Milliardärsfamilie Mercer half Trump ins Weiße Haus. Nun finanziert sie das rechte Netzwerk Parler“ von Heike Buchter

 

Nichts ist derart obszön wie eine Lüge, zumal eine wiederholte, der eine auf Aufklärung gegründete und ausgerichtete Gesellschaft ausgesetzt wird (auch führt das Multiplizieren einer Lüge mit einer anderen regelmäßig nicht zu Wahrheit). Die Familie Mercer verbittet sich – völlig zu Recht – Obszönitäten auf Parler. Die Inszenierung von freier Meinungsbildung und adäquatem Verantwortungsbewusstsein vor dem Hintergrund einer liberalen, gleichwohl geistig-moralisch verbindlichen Dienstleistung ist freilich vor allem Eines: Bullshit. Weniger fruchtbar als vielmehr furchtbar beglückend indes dürfte der neue digitale Stammtisch tatsächlich sein. So ist denn auch die Bewandtnis der von dem deutschen Lyriker Ernst R. Hauschka rhetorisch gestellten Frage, was es dem Menschen nützt, wenn er Lesen und Schreiben gelernt hat, aber das Denken anderen überlässt, längst, spätestens jedoch mit dem „infantilen Siegeszug“ der sozialen Medien eindrücklich bestätigt worden. – Ira Bartsch

 


 

 

Leserbrief zu „Neue Serie: Dorfschönheit (2). Kallmünz“ von Julius Schophoff

 

Für Sie ist ein Dorf erst eine „Schönheit“ oder wertvoll, wenn mal ein bekannter Maler mit seiner Geliebten dort einen Sommer verbracht hat oder wenn ein Dorfwirt und seine Frau an der Akademie in München studiert haben. Die anderen Orte in der Umgebung werden als „Kuhdörfer“ bezeichnet oder genauer gesagt beleidigt. Sie nehmen sich als Zeitung aus einer Stadt das arrogante Recht heraus, Dörfer und seine Einwohner derart zu beleidigen, wenn sie nicht ihren Vorstellungen entsprechen. Sie tragen damit zur Spaltung der Gesellschaft bei.

Wenn ein Lebensentwurf nicht Ihren Vorstellungen entspricht, ist er weniger wert und darf beleidigt werden. Ich möchte Sie einfach bitten, herablassende Beschreibungen über Dörfer und deren Personen in Zukunft zu unterlassen. Ersetzen Sie Ihre Arroganz und Überheblichkeit einfach durch verständnisvolle Empathie. Die bringt unsere Gesellschaft weiter als herablassende Beleidigungen. PS: Ich habe das Abo Ihrer Zeitung seit 40 Jahren. Diese herablassende Beschreibung vom Land und dem Leben dort kommt immer wieder vor, „Kuhdorf“ lässt sich 48 mal im Archiv finden. Jetzt war es einfach zu viel! – Franz Bühler

 


 

 

Leserbrief zu „Neue Pläne, alte Blockaden“ von Georg Blume

 

Leider veröffentlicht DIE ZEIT immer wieder populistischen Unsinn über den Klimawandel. Die Zahlenspiele, die Reduktionsziele in Bezug auf die Emission von Kohlenstoffdioxid, sind lediglich Parameter bei der Simulation (ein komplexer mathematischer Lösungsansatz, der jedoch keine exakten Lösungen hat (partielle Differentialgleichungen) ) der Veränderung des Wetters nach einer bestimmten Zeit. Nun ist es allerdings so, je länger die Zeitspanne für das Eintreten eines zukünftiges Ereignisses ist, desto ungenauer wird die Vorhersage. Deshalb sollten die vorhergesagten Klimaveränderungen entsprechend differenziert betrachtet werden. Herr Blume, ich weiß, dass Ihnen jedes naturwissenschaftliche Basiswissen fehlt.

Sie sollten daher nicht über Themen schreiben, die Sie auch nicht annäherungsweise verstehen. Deshalb versuche ich hier, die hochkomplexe Thematik des Klimawandels ihnen allgemeinverständlich näherzubringen. So schreiben Sie z. B., Polen würde drei Viertel seines Energiebedarfs mit Kohle decken. So ein Unfug! Polen deckt drei Viertel seiner Elektrizitätsversorgung mit Hilfe von Kohlekraftwerken. Das sind 75% von ca. 20% des gesamten Primärenergiebedarfs Polens! Hoffentlich beherrschen Sie die Prozentrechnung! Sehr geehrte Redaktion, falls das von mir im Allgemeinen geschätzte Blatt DIE ZEIT weiterhin populistischen Unsinn über den Klimawandel verbreitet (wie z.B. die unsäglichen Beiträge Frau Petra Pinzler), werde ich mein Abonnement kündigen. – Paul Gerhard

 


 

 

Leserbrief zu „Rette sich, wer kann“ von Felix Lill

 

Das Schweinesystem vor lauter Kapitalismus nicht sehen! Beim Lesen dieses Artikels war ich kurzzeitig geneigt, ihn als Satire zu interpretieren – so absurd ist es, wie durch die überwiegend unkritische Wiedergabe dieses perversen Konzeptes die Abgründe des präfaschistoid-neoliberalen Denkens umso deutlicher werden, auf denen es gründet. Der Autor war dabei sicher überzeugt, ausgewogen Bericht zu erstatten, werden doch am Ende des Artikels die bestehenden Baustellen und in einem knappen Abatz – als eine von vielen subjektiven Sichtweisen – auch die Kritik von NGOs wiedergegeben, die komischerweise eher gegen die Idee von Klimawandelversicherungen für finanzschwache Staaten sind.

Nur eins findet dabei leider keine Erwähnung: dass der ganze Ansatz Neoliberalismus und Neokolonialismus in Reinform darstellt und für die betreffenden Staaten als reiner Hohn empfunden werden muss. Um es noch einmal zusammenzufassen: Staaten, die von der westlichen Welt kolonialisiert (dabei vielfach die Bevölkerung massakriert), destabilisiert und geplündert wurden, sind auf Grund dieser Geschichte heute „arm“ und in wirtschaftlicher Abhängigkeit gefangen. Weil wir aber ganz viel Mitleid mit ihnen haben, verkaufen wir ihnen eine Versicherung für die Schäden, die von uns verursacht werden; natürlich gewinnorientiert, wir haben ja nichts zu verschenken. Das Problem am Konzept Klimarisikoversicherung sind nicht die offenen Fragen in der Umsetzung, sondern das zugrundeliegende Weltbild.

Die reichen Industrienationen stehen eindeutig moralisch in der Pflicht, nicht nur Reparationen für die hauptsächlich durch sie hervorgerufenen Klimawandelfolgen zu zahlen und Klimaflüchtlingen eine neue Heimat zu bieten, sondern vor allem auch endlich drastisch die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Selbst wenn es am Geld nicht mangelte: um zerstörte Ökosysteme, unbewohnbare Landstriche, unzählige Tote und Vertriebene kümmert sich eben nicht der Markt. PS: Da ich die „Zeit im Osten“ beziehe (ob diese eine Daseinsberechtigkeit hat, sei mal dahingestellt), sind dort keine Leserbriefe abgedruckt und es fehlen auch einige andere Inhalte. Das ist verwirrend genug, aber Sie könnten wenigstens das Inhaltsverzeichnis anpassen.. – Lena Märtens

 


 

 

Leserbrief zu „»Ich spüre auch Selbstzweifel«“. Gespräch mit Sebastian Vettel geführt von Hanns-Bruno Kammertöns und Christof Siemes

 

Ich fasse mich kurz: Ach, der arme Herr Vettel, er befindet sich im Tal der Tränen, aber mein Mitleid hält sich in Grenzen, denn: es gibt in der heutigen Zeit kaum noch etwas Unpassenderes, als über einen Vertreter der hoffentlich bald fossilen Formel I zu berichten. Da haben sie sich einen hübschen Missgriff erlaubt. Weil die meisten Ihrer Leser vermutlich ausreichend anderen Lesestoff haben, werden sie wohl so wenig wie ich, einen Bericht über die im Kreis fahrenden Helden goutieren können oder gar dieses langweilige Geschehen in Bildern verfolgen. Ich gebe zu, den Beitrag gänzlich ignorant und ohne Selbstzweifel nicht gelesen zu haben und womöglich steckt sogar etwas Positives in irgendeiner Zeile? – Dr. Juergen Aschenbach

 


 

 

Leserbriefe zu „»In jeder zweiten Nacht kommen die Gespenster«“. Gespräch mit Peter-Jürgen Boock geführt von Moritz Aisslinger und Stephan Lebert im ZEIT Magazin

 

Ob Boock hier wieder gelogen hat? – Burkhart Asbeck

 

Warum ein Interview mit dem Ex-Terroristen? Ein Interview, in dem Peter-Jürgen Book zur Sprache kommt. Eine Biographie, die erklärt, was nicht zu rechtfertigen ist: Ein Sog der Gewalt? Die vergangenen Taten im Hintergrund, der heutige Mensch im Vordergrund. Die Strafe verbüßt, die Schuld bleibt. Der Mensch lebt in einem äußeren Frieden, ist alt und unheilbar krank. Warum dieses Interview? Wie kam es dazu? Was ist das Ziel, die Idee: Aufklärung? Dokumentation von Zeitgeschichte aus der Sicht eines Beteiligten? Versöhnung? Den Menschen zeigen?

Welche Fragen werden gestellt und welche nicht? Die Einstiegsfrage elegant und geschickt: Hätte der Alte für den Jungen einen Rat? Nach langen Jahren der Klärung hätte der Alte dem Jungen eine Einsicht geben können, um einen anderen Weg möglich zu machen. Doch die Verstrickung in die eigene Vergangenheit ist immer noch zu groß. Der Blick immer noch nicht frei. Interessant wäre im Verlauf des Interviews auch die Frage gewesen, ob der Alte einen Rat für die heutigen jungen Rechts- oder IS-Terroristen hätte. Am Ende des Interviews die Frage nach Plänen: Ein neues Bad. – Reinigung. Alles hat seine Zeit. – Reinhard Koine

 

Musste das sein? Nach der jahrzehntelangen Diskussion um die Rolle von Opfer und Täter in der Berichterstattung geben sie einem schrecklichen Täter in einem langen Interview Raum. Er wird wie ein Popstar dargestellt und befragt und der Erkenntnisgewinn des Interviews geht gegen Null. Einer der größten Kriminellen der BRD-Geschichte lebt jetzt am Lago Maggiore, na toll! – Gernot Meyer-Grönhof

 

Sie bekommen Feedback auf allen Kanälen, die Interaktion ist sicher anstrengend. Ich hoffe mal trotzdem, mein Leserbrief kommt an und Sie haben ein offenes Ohr dafür. Sie werden redaktionsintern besprochen haben, ob es der öffentlichen Debatte zuträglich ist, einen Täter in ästhetisierender Bildsprache auf dem Titel zu heben. Ich finde es irritierend. Auch deshalb, weil es mitleidig wirken und den Aspekt der Altersmilde betonen soll. Ein Zeitzeuge kann hier aus meiner Sicht gar nicht zu Wort kommen. Sie wussten vorher, dass Peter-Jürgen Boock dazu gar nicht taugt, oder? Mir erschließt sich der Mehrwert von Bild und Text nicht. Im Gegenteil. Sie bedienen ein alte Meta-Erzählung: Im Umgang mit der RAF-Zeit geht es immer und immer wieder um die Täter*innen, darum, was sie antreibt und angetrieben hat, wie es ihnen geht, was sie nachts träumen, ob sie Schuldgefühle haben, ob sie suizidgefährdet waren oder sind, etc. etc. Ich nenne das Terrorist*innen-Boulevard. Denn es ignoriert die Verletzungen, die damit bei den Opfern immer wieder aufs Neue ausgelöst werden.

Vor 13 Jahren hatte ich für den WDR ein Buch rezensiert, das den Titel trug: „Für die RAF war er das System, für mich der Vater“. Anne Siemens hat damals die Geschichte der RAF aus der Perspektive der Opfer erzählt. Erstmals konsequent und ausschließlich aus DIESER Sicht. Danach ist mir bewusst geworden, wie fixiert (auch ich) wir in der Berichterstattung auf die Täter*innen waren. Und welche permanente Verletzung das bei den Opfern auslöst – auch wenn es von uns vielleicht in der Berichterstattung gar nicht intendiert war. Ich versuchte daraufhin, stärker und vor allem bewusst die andere Perspektive einzunehmen. Ein Déjà-vu hatte ich nach der Lektüre von Alice Hasters Buch. Es zeigt so gnadenlos den Mechanismus auf, dem wir oft unbewusst unterliegen. Auch ihr war ich dankbar für ihr Buch. Übrigens auch um Ihren differenzierten Podcast dazu.

Und dann kam gestern dieser Magazin-Titel. Wieder ein Schlag in die Magengrube der Opfer. Ich dachte, wür wären längst weiter. Warum haben Sie nicht mit einem Opfer aufgemacht? Eines, das Ästhetisierung verdient. Das es verdient, gehört zu werden, weil es viel zu selten angemessen gehört wurde? Warum nutzen Sie diese Chance nicht? So bedienen Sie aus meiner Sicht geradezu voyeuristisch die Erinnerungen der Generation RAF. Und wenn ich dann auf Insta lese „tolles Photo“, denke ich: Ziel erreicht. Aber eigentlich todtraurig. – Prof. Stephan Ferdinand

 

Sie haben damals nicht ueber das Medium Internet verfügt. Die nachfolgenden Generation Internet (ich gehöre zur 1.Generation seit den Beginn des Internets online) die das Medium Internet aktiv zur Gesellschaftskritik nutzen konnten. Wir können heute Texte, Bilder und kreative Videos online in Echtzeit stellen, damit hat eine demokratisierung unter den unterprivilliegierter Schichten stattgefunden. Sie hatten in den 1970-1990 Jahren nicht diese Möglichkeit.

Wir können kreativ damit umgehen (Dokumentarfilm Der Große Reibach und der Tanz der Geier, Hilfe fuer die Medien Panamapapers). Wir koennen heute kresaiv, friedlich gesellschaftskritisch aktiv sein. Ich bin fest davon ueberzeugt hätten Sie diese Möglichkeit gehabt, wäre Ihre gellschaftlicher Kampf nicht mit Terror abgelaufen. PS.: Kennen Sie zufällig die Romanfigur Lisbeth Salander aus der Roman Triologie von Stieg Larson Verblendung,Verdammnis und Vergebung (39. Auflage)? Im Sinne von Die Unbestechlichen – Kai Nebe

 

Danke für dieses so spannende Interview, in dem die atemberaubende Lebensgeschichte deutlich wird. Vom Kind, das von seinem Vater geschlagen wird, bis zur späteren Rache am System. Jetzt lebt dieser Mann im Wald am Lago Maggiore, eigentlich ein Ort der Reichen, wo er nachts von Alpträumen geplagt wird. Da wir selbst in der Nähe des Grabes von Ensslin und Baader wohnen, bemerken wir, wie häufig dies bis heute noch von Besuchern aufgesucht wird. Mir wird wieder bewusst, wie dramatisch, gewaltsam und verstörend die Geschichte Deutschlands verlief. – Martin Sautter

 

Nazieltern, Vergewaltigung, sadistische Aufseher im Erziehungsheim, ständiges Zusammenschlagen von Mitschülern in Klasse 5/6, usw. Da kann ja nichts draus werden. Dafür muss man Verständnis haben. Ok, mehrere Morde in der Folge, das geht gar nicht. Aber, …, siehe Vorgeschichte. Beim Lesen dieser undifferenzierten Story sehe ich immer die Nachkommen der ermordeten Opfer vor mir. Und ihr wahrscheinliches Entsetzen darüber, dass demjenigen eine riesige Bühne bereitet wird, der unendliches Leid verursacht hat und heute auf einer primitiven Mitleidswelle reitet. Ich finde es überaus peinlich, nein unpassend, vielleicht sogar skandalös, dass Sie diese Geschichte präsentieren, die nur so von Selbstmitleid trieft.

Und dass am Ende auch noch die eigene Krebserkrankung „eingebaut“ wird, passt bestens in diesen „Roman“. Der Leser wird zwischen den Zeilen immer wieder aufgefordert, doch bitte Verständnis dafür zu haben, dass da etwas aus dem Ruder gelaufen ist, wofür aber in erster Linie die Eltern mit ihrer verkorksten Erziehung Auslöser des späteren Dramas wurden. Peter-Jürgen Book ist verurteil worden und hat seine Strafe abgesessen. Dass er seine Geschichte immer wieder mit wechselnden Vorzeichen „verkaufen“ kann, ist (leider) nicht zu verhindern. Die ZEIT mit ihrem ZEIT-Magazin hätte ich aber als „Aufkäufer“ nicht erwartet. – Dirk Hartwich

 

Das Interview mit Peter-Jürgen Boock gehört mit zum Besten, was ich bisher im Zeit-Magazin gelesen habe. Sehr berührend und eindringlich. Mehr davon. – Christian Vester

 

Ich bin zehn Jahre jünger als Boock und erinnere mich intensiv an die Angst vor den Leuten die damals auf den Fahndungsplakaten waren, die überall hingen. Heute immer noch ein schlimmes Gefühl aus meiner Kindheit. Ich hatte auf eine Auseinandersetzung des todkranken Mannes mit seiner Vergangenheit gehofft. Etwas was auch mir die Angst vor Menschen wir ihm nehmen könnte. Wo ist der Blick auf die Parallelen zur Nazigeneration, die er so scharf kritisiert: Die eigenen Überzeugungen über das Leben anderer zu stellen?

Wo ist die Auseinandersetzung desjenigen der Leid selbst erlebt hat mit seinen Opfern, wenn er von „den Polizisten“ redet? Die Gespenster von den er spricht sind nicht erkennbar und vielleicht ist es notwendigerweise so um mit einer solchen Biografie weiterleben zu können. Egal ob die Anklagebank nun in Nürnberg oder Stammheim stand, diese Reaktion eint sie und macht auch die künftigen Täter auf unseren Straßen und mittlerweile auch wieder in den Parlamenten so gefährlich: Verdrängung und krude Rechtfertigungen. So banal ist das Böse. – Dr. Stefan Dammers

 

Ich habe Ihr Interview mit Herrn Boock gelesen, in dem er über seine Albträume und die Bewältigung seiner Vergangenheit berichtet. Als Lehrtherapeut arbeite ich mit verschiedenen Techniken zur Bewältigung dieser Themen. Eine Methode die sich hier gut bewährt hat, ist die sog. „Klopftechnik nach PEP“ (https://www.dr-michael-bohne.de/was-ist-pep.html) Der Vorteil ist, dass der Kunde nichtüber sein Thema sprechen muss, sondern nach Anleitung des Therapeuten verschiedene Bewegungen ausführt. Dies kanneine langfristige bis endgültige Musterunterbrechung (Ängste, Träume etc.) herbeiführen. In der Regel sind ein bis zwei Sitzungen nötig. Sie haben 2003 in einem Artikel über Ängste darüber berichtet. Die Technik hat sich in der Zwischenzeit auch in anderen Feldern bewährt. – Thorsten Isack

 

Gehen Sie in der Zeit-Magazin-Ausgabe vom März 2039 mit Stephan Ernst nach dessen Entlassung in der Sächsischen Schweiz spazieren? Lassen Sie ihn dann auch larmoyant schwadronieren über seine Krankheiten und seine Alpträume? Darf er weiter an seinem Mythos stricken, flankiert von Ihren stichwortgebenden Redakteuren? Und wird er Tobias Rathjens Taten in Hanau genauso nonchalant beschreiben mit den Worten „Wäre alles überhaupt nicht nötig gewesen“? Ich bin gespannt. –Ingo Neumayer

 

Wie kann man nur einem Verbrecher mehrseitigen Raum für ein Interview geben??? – Elisabeth Hautmann

 

Ihr Text „In jeder zweiten Nacht kommen die Gespenster“, erschienen im ZEITmagazin 48/2020, das eine Art kommentiertes Interview mit Peter-Jürgen Boock darstellt, fordert mich zu einer Stellungnahme heraus. Über so viele Seiten, mit solchen Bildern…Fotos, auf denen P.-J. Boock in stilisierter Pose, im Halbschatten und mit leidender Mine abgebildet wird, eine Textlänge, die enorm ist- das verleiht Bedeutung. Ich lese Selbstaussagen, die ich auch aus nicht weit zurückliegenden Boock-Interviews kenne. 2002 ist sein Buch erschienen, 2011 und 2017 große Interviews,- inhaltlich erfahre ich nichts Neues, nichts bis auf die Information über seine Erkrankung, die auch noch auf redundante Weise übersetzt werden muss, als ob nicht jeder wüsste, was Leukämie ist.

Für mich entsteht eine aufdringliche und äußerst unangenehme Mischung aus allem: Boock erhält erneut öffentlichen Raum, dadurch, dass Sie ihm zuhören und nahezu distanzlos seine Erscheinung und seinen Habitus wiedergeben. Sie geben ihm Bedeutung. Und zugleich eine solche, die seine Rolle als Täter umwertet in die eines Opfers, das Sie durch Form und Inhalt des Interviews auch noch stilisieren. Ich bin erschüttert, weil ich weiß, das wesentliche Fragen, die er beantworten könnte, immer noch nicht beantwortet sind.

Es erschüttert mich auch, dass ihm von Ihnen kein Blick auf die Angehörigen und Familien seiner tatsächlichen Opfer abverlangt wird. Warum nicht? Und schließlich fehlt mir eine entscheidende Dimension, die Sie wirklich in Ihren Kommentaren zum Interview hätten aufnehmen können: WIESO geben Sie diesem Mann diese Öffentlichkeit, diese Bedeutung? Wieso macht das gerade das ZEITmagazin? Wieso werfen Sie keinen selbstkritischen Blick auf Täter-Opfer-Umkehrungen und Stilisierungsmechanismen? Wieso thematisieren Sie nicht deren gesellschaftliche Relevanz in weit über Boock hinausgehenden Zusammenhängen? Immerhin, viele Fragen. – Ulrike Kramme

 


 

 

Leserbriefe zu „Das Glück am Rande der Stadt“ von Antonia Baum et al. im ZEIT Magazin

 

Beim Lesen des magazins wie auch der Seite Entdecken und Wissen umwehte mich in dieser Woche ein „Hauch von Wehmut , Schwermut (nicht Depression), Heimatglück/verbundenheit“ Das meine ich positiv, beruhigend in dieser „maskierten Zeit“ ! ich habe dabei keine gedankliche Verbindung zur „Gartenlaube“ hergestellt. Ich betreue ehrenamtlich einen Afrikaner der in der Ausbildung zum Friedhofsgärtner ist. Ich versuche ihm immer Artikel, Bilder zu seinem Ausbildungsberuf zu besorgen. Können die Jungs auch schon mal für Arbeiten in der Berufschule benutzen. Wäre es möglich, zu dem Kapitel 8 „Ein Friedhof für Lebende am Stadtrand von Zürich“ von dem Redakteur ein paar Fotos zu bekommen. Danke ! – Hartmut Wagener

 

Sehr geehrte Frau Seifert, Ihrem Beitrag über eine Wanderung im Ahrtal bei Mayschoß kann ich im Prinzip voll zustimmen, weil die von Ihnen beschriebenen Wege auch aus meiner Sicht – ich bin im Ahrtal aufgewachsen und wohne dort – zu den besonders reizvollen Wanderstrecken gehören. Da der Tourismus bei uns der wichtigste Wirtschaftszweig ist, ist auch jede positive Berichterstattung sehr erfreulich, In zwei Punkten möchte ich Ihnen allerdings entschieden widersprechen:

– Ihr Vorschlag, durch die engen Ortsstrassen zum äussersten Ortsrand zu fahren um am Rande der Weinberge zu parken, fördert ein Verhalten, dass von den Bewohnern sehr ungern gesehen wird. Wenn Sie insbesondere zur touristischen Hochzeit im Herbst im Ahrtal unterwegs sind und das Chaos erleben, dass durch in den Weinbergswegen wild parkende Autos entsteht, würden Sie verstehen, warum ich diesen „Tip“ kritisiere.

– Ihre „Werbung“, sich an den Trauben gütlich zu tun, kann ich absolut nicht nachvollziehen. Die Trauben sind für die Winzer die Existenzgrundlage und kein Selbstbedienungsangebot für Touristen! Ich bin kein Winzer, weiss aber, dass die Winzer sich zu recht darüber ärgern, wenn man sich an ihren Trauben vergreift. – Paul Mies

 

Kleine Korrektur: in der o.g. Ausgabe hat sich auf S. 44 im Ausflugstip Nr. 19 ein typischer Verwechslungsfehler für den Ort Briesen eingeschlichen. Es muss sich um Briesen bei Cottbus handeln, denn dort gibt es tatsächlich den genannten Gasthof Alter Spreewaldbahnhof und das Gebiet liegt zudem im Spreewald. Frankfurt (Oder) hingegen liegt wesentlich weiter entfernt. Trotzdem ein schöner Beitrag, den ich gern gelesen habe. – Janine Noack

 


 

 

Leserbriefe zu „Über ausgestopfte Tiere, eine Welt hinter weiß-rotem Flatterband und den bevorstehenden Umzug in ein bürgerliches Viertel“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

 

Lese gerade, wie immer zuerst, ihre Kolumne. Vorige Woche hatte mich in der ZEIT der Hinweis auf das Gedicht Warten auf die Barbaren ziemlich mitgenommen. Sie auch? Ihre Kolumne heute hat mich daran wieder erinnert. Gutes Gelingen auch weiterhin. – Bernd Devantier

 

Hochverehrter Herr Martenstein, ja ja ein wenig überzogen, vielleicht hätte „Sehr verehrter“ gereicht; aber es waren mir ein Bedürfnis. Also, Martenstein! Bravo! Setzen Sie eigentlich Asterisk Innen mit Augenzwinkern oder vollumfänglich politisch korrekt ein? Wie auch immer es gemeint war, als Rezipient weiblichen Geschlechts bin ich, wie alle anderen zu Ironieempfang fähig. Freue mich auf Ihre nächste Kolumne. – Silvia Koerbl

 


 

 

Leserbriefe zu „Ein ganz normaler Herbst, nur anders“ von Ilona Hartmann im ZEIT Magazin

 

Der Voraussage „Horoskop für den zweiten Lockdown … Du wirst auch dieses Mal den Zauberberg nicht lesen, muss ich widersprechen. Mit Beginn des ersten Lockdowns habe ich begonnen, den Zauberberg abends im Bett auf meinem E-Reader zu lesen. Ich brauche unbedingt noch diesen zweiten Lockdown., um es zu beenden. – Barbara Pfennig

 

Ich würde gerne mit Ilona Hartmann eine normale Tasse Tee trinken. Bitte vermitteln Sie den Kontakt. J-Katja Wiesenthal

 


 

 

Leserbriefe zu „Zum Leben erweckt“ von Carolin Pirich im ZEIT Magazin

 

Da würde sich die Apothekerfamilie aus OÖ aber sehr gefreut haben, wenn Sie 1956 ungerechnet 50 TSD EUR bekommen hätte. Nach offiziellem Kurs entspricht 1 EUR heute 13,7603 ATS. Das wären danach 688.150 ATS, oder wie man damals schrieb „öS“ gewesen. So sind es aber in 1956 nur umgerechnet 7.267,28 EUR gewesen. Sicher haben Sie schon einige Kommentare zur falschen Umrechnung bekommen Aber als jemand, der zu Schilling-Zeiten fast 10 Jahre in Österreich gelebt hat, musste ich die falsche Zahl doch auch kommentieren. – Lothar Zeileis

 

Man nehme die 2 wichtigsten österreichischen Musikexportartikel, die Wiener Philharmoniker und Mozart, sowie eine Prise Rührseligkeit in Form der Geige des Genies und bekommt eine unwiderstehliche Story. Wenn das mal nicht der originale Mozartklang ist, sollte man meinen. Dabei ist der Ansatz, über das Instrument den Klang der Zeit rekonstruieren zu wollen völlig richtig, allein „die Geige, das ist der Bogen“ (G.B. Viotti), und statt des kurzen und konvexen Bogens der Mozartzeit, wird ein moderner, konkav gebogener verwendet, die sich zueinander verhalten wie ein Geländewagen zu einer alten Ente.

Die Spieltechniken der Zeit und musikalischen Ausführungen des Notenbildes werden in der berühmten Violinschule von Mozarts Vater Leopold genauestens erklärt und auch illustriert. Auf YouTube sehe ich aber in Christoph Koncz einen ausschließlich modern ausgebildeten Geiger, der zum Beispiel Mozarts Konzerte mit Kadenzen des 20 Jahrhunderts ausschmückt. Selbst die mehrfach erwähnten Darmsaiten haben mit denen des 18. Jahrhunderts wenig gemein. Jegliche Nähe zur Aufführungspraxis und – untrennbar verbunden – dem Klang zu Mozarts Zeiten ist hier reines Wunschdenken auf Seiten aller Beteiligten. – Thomas Fleck

 


 

 

Leserbriefezum Wochenmarkt „ENDLICH ETWAS NORMALITÄT“ von Elisabeth Raether im ZEIT Magazin

 

Am Wochenende habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Hühnersuppe mit Nudeln gekocht. Das Rezept hat mich sofort angesprochen, eben wegen des Alltäglichen und Gewöhnlichen, es machte Erinnerungen an meine Jugend wach. Für die vierköpfige Familie kochte ich Suppe für acht Personen. Das größte Kompliment kam von meinem Sohn Tim: Die Suppe schmeckt so gut, wie bei Oma Anne-Claire! Ein besonderer Dank an Elisabeth Raether, leider komme ich an die Ästhetik des Fotos von Silvio Knezevic nicht heran. – Hans-Jörg Assion

 

Erfrischend find ich es immer wieder, dass die ZEIT es gewagt hat, dem wunderbaren Siebeck Sie folgen zu lassen, denn ich find’s gut. Kochen als Kulturtechnik allen zugänglich zu machen – und das schaffen Sie mit einfachen Mitteln oder besser mit einfachen und deshalb unkomplizierten Rezepten. In der neuesten Ausgabe des Zeitmagazins konterkarieren Sie m.E. Ihr hehres Ziel, denn Ihr Hühnersuppenrezept dürfte all die, die sich dranwagen, daran scheitern lassen. Ein Suppenhuhn braucht etwa drei Stunden Kochzeit und am Anfang gehörige Aufmerksamkeit und Schöpfanstrengungen, will sagen, die Amateurköchin / der Amateurkoch muss während des Aufkochens immer wieder den austretenden Eiweißschaum mit einer Siebkelle abschöpfen. Salzen kann sie / er dabei schon einmal die Suppe, aber andere Gewürze ( übrigens: Macisblüte gehört unbedingt dazu, Lorbeer eher nicht ) und das Gemüse, das darf erst nach dem Abschöpfen dazu … der Grund erschließt sich von selbst.

Danach sollte diese Brühe auf niedrigster Stufe köcheln, sodass alle zwei bis drei Sekunden dieses wunderbare Blubb zu sehen und zu hören ist. Das Zerteilen des Huhnes, da bin ich auch von abgekommen, weil einem beim Abschöpfen dauernd die Teile dazwischengeraten. Deshalb schneide ich die Flügel ab, lasse sie ganz, denn ich schiebe die beiden in den Bauch des Huhns, wo sie dann beim Kochen aufgehen und sich im Huhn verfangen / regelrecht verkeilen. Die Keulen binde ich mit Küchengarn am Körper fest. Das alles ist nicht einfach, kostet Zeit, aber führt zu diesem unnachahmlichen Ergebnis: eine Hühnerbrühe. Trotz meiner Kritik rufe ich Ihnen zu: Machen Sie weiter! – Horst Cieslik

 


 

 

Leserbriefzur Deutschlandkarte „MIGRANTEN ALS BÜRGERMEISTER“ von Matthias Stolz im ZEIT Magazin

 

Danke für die Idee, die Herkunftsgeschichte der Bürgermeister/Bürgermeisterinnen oder auch der Oberbürgermeister/Oberbürgermeisterinnen zu beleuchten. Leider bleibt vieles unklar. Beim schnellen draufsehen erkennt man 5 Oberbürgermeister mit Immigrationshintergrund und dann denkt man, oh interessant: es gibt viele Bürgermeister/innen mit Immigrationshintergrund und viele in Sachsen. Man merkt schnell, da stimmt etwas nicht. Zu schnell gelesen…! Dann liest man genau. Die Überschrift lautet leider Bürgermeister und nicht Oberbürgermeister. Die Punkte blau und rot sind Oberbürgermeister, o.k. Die Unterscheidung zwischen Bürgermeister und Oberbürgermeister ist wie man auch an der Karte sehen kann, recht willkürlich.

In den beiden Länder Baden-Württemberg und Sachsen gibt es offenbar viele von ihnen. Man ahnt, nur die Oberbürgermeistermeister zu nehmen, ist zu oberflächlich. Diese Statistik hier über die Anzahl der Bürgermeister/Bürgermeisterinnen ist leider nicht hilfreich, da sie sich nur auf die Zahl dieser bezieht. Es macht m.E. nur Sinn die Zahl alle Bürgermeister und Oberbürgermeister mit Immigrationshintergrund zusammen in eine Gruppe zu packen und dann in Relation zur z.B. Gemeindegröße oder Anzahl der Bürgermeister in diesem Landkreis überhaupt zu beschreiben. Ich warte dann auf eine bessere, in einer Aussage kräftigere Deutschlandkarte. – Hans Lazarus