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29. April 2021 – Ausgabe 18

 

Leserbriefe zu „»Ich wurde immer meschuggener«“. Streit von Jan Josef Liefers und Jens Spahn

 

Über die fehlende Selbstreflexion des Herrn Liefers bin ich entsetzt. Er sieht die Bevölkerung in drei Gruppen gespalten – darunter die derjenigen, die das Regierungshandeln bedingungslos unterstützen. Wie bitte?! Mir ist noch niemand aus dieser Gruppe begegnet – und ich begegne beruflich bedingt (als Notarin) jeden Tag vielen Menschen aus verschiedenen sozialen Milieus. Außerdem erweckt Herr Liefers durch seine Formulierung auch noch den Eindruck, diese drei Gruppen seien irgendwie gleichwertig oder gleich groß – und sich selbst sieht er in der Mitte: zwischen den Claqueuren und den Corona-Leugnern.

Mein Eindruck dagegen ist: Neben einer sehr lauten, aber kleinen Minderheit von Corona-Leugnern sind die allermeisten vernünftig und wünschen sich eine klare, konsequente Strategie – wobei die Meinungen darüber, welche Strategie die richtige ist und wie ein konkretes Abwägungsergebnis aussehen soll, durchaus auseinander gehen. Unzufriedenheit über die Regierung herrscht bei fast allen – wie man an den Statistiken sehen kann, wünschen sich viele härtere Maßnahmen. Hätte Herr Liefers nicht vor Weihnachten aufgehört, sich in den Medien zu informieren, wäre ihm sicher nicht entgangen, dass im Bundestag tagelang diskutiert und darum gerungen wurde, ab welcher Uhrzeit Autos in Gebieten mit hoher Inzidenz geparkt sein müssen und ob man nach 22h noch joggen darf. Dass er gerade jetzt Intransparenz kritisiert, ist bestenfalls verdammt schlechtes Timing.

Seine Argumentation folgt einem Muster: Behaupten, man sei die „Mitte der Gesellschaft“. Provozieren und nachher sagen, das sei so nicht gemeint gewesen (war doch bloß Satire!). Man wollte doch bloß eine überfällige Diskussion anstoßen! Behaupten, man könne in Deutschland bestimmte Dinge nicht mehr sagen. Und schließlich: die völlige Abstinenz eigener Vorschläge, wie man denn was besser machen könnte. Das ist das Muster der AfD. Herr Liefers, ich bin angewidert von Ihnen. – Dr. Sabine Krampen-Lietzke

 

Vielen Dank an Jan Josef Liefers und Jens Spahn für dieses konstruktive Streitgespräch. Wir brauchen mehr davon um aus unseren Denkblasen herauszukommen. – Lars Martens

 

Ich find es ziemlich daneben, dass sie sich einerseits über die Impfpraxis echauffieren und andererseits Querdenkern wie Liefers eine Plattform bieten. Diesem Menschen und seinen ichbezogenen Spinnereien sollte man nicht noch ein Sprachrohr sein. – Lena Schwarzer

 

Um mein Meinungsbild zur Kampagne „allesdichtmachen“ zu erweitern habe ich mir seit langer Zeit mal wieder eine print Ausgabe der Zeit gekauft. Was bleibt nach gründlichem Lesen der Beiträge: – Streit, ich werde immer meschuggener – Büschen schämen – u.a. bei mir hängen? Unter der Headline „ Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine (H.Schmidt) positionieren sich die Redakteure der Zeit doch recht einseitig auf die Seite derer die den Diskurs „allesdichtmachen“ beurteilen (bewerten) bevor er überhaupt abschließend stattgefunden hat. Ist das noch demokratiefördernder kritischer Journalismus, wenn die Positionen der Diskussion schon im Ansatz vorverurteilt werden, nach dem Motto – der shitstorm bzw. die Schwarmintelligenz (diese hat geschichtlich gesehen schon mehrfach ins Dunkel geführt) hat immer recht.

Sehr geehrter Herr Kümmel, bin ich Wutbürger und/oder gar Pegidamitglied wenn ich ein einseitig gefärbtes Medienecho (Chor) wahrnehme? Diskussion aus – Stempel drauf – Ende. Sehr geehrter Herr di Lorenzo / Sehr geehrte Frau Parnack, muss ich jetzt jedes Wort, jeden Satz der mir über die Lippen kommt bei einer Chefredaktion auf mögliche nicht gewünschte Gruppenzugehörigkeit prüfen lassen? Und, sehr geehrter Herr Dausend, Vorsicht ist geboten – Medien besitzen Macht – Sie wissen was Dacher Kelmer zur Machterfahrung formuliert hat. – Hans Walter Singer

 

Die Medienschelte von Jan Josef Liefers verdient leider in Teilen ihre Berechtigung. Schließlich zählt insbesondere zum Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, über die gesamte Bandbreite von Geschehnissen zu berichten, was aber nicht geschieht, wenn zum Beispiel mutmachende Beiträge in einer Krise wie eben zuletzt zu Weihnachten in den Programmen nahezu komplett fehlen.

Zudem stimmen ebenfalls die Polit-Talkshows sehr nachdenklich, wo häufig ausgerechnet die einen möglichst scharfen Lockdown befürwortenden Akteure zu spät abendlicher Stunde für sich fast schon demonstrativ in den TV-Studios eine Ausnahme von der Ausgangssperre reklamieren und nicht selten dabei auch gerne ihren erhobenen Zeigefinger auf die Normalbevölkerung richten. Deshalb sollten solche Auftritte in jedem Fall überdacht werden, zumal es in anderen Ländern wie etwa Dänemark undenkbar wäre, dass man nicht selbst mit einem guten solidarischen Vorbild vorangeht, wenn man etwas von anderen fordert! – Rasmus Ph. Helt

 

„#allesdichtmachen“, damit protestieren Sie und 52 andere Medienschaffende gegen die verzweifelten Maßnahmen von Regierung und Behörden zur Bezwingung der Pandemie. Sie initiierten diese öffentliche Kampagne, weil sie sich eingesperrt fühlen – wie wir alle, die sich vorkommen wie der Hamster im Käfig, der, zum Laufen geboren, in Freiheit täglich mehrere Kilometer machend, wie irre seine Runden im Laufrad dreht. Der Hamster ist das Objekt der „Liebe“ des Menschen, der gar nicht wahrnimmt, was er dem Tier antut, indem er ihm seine Freiheit nimmt. Nun nimmt uns ein Virus unsere Freiheit, das von Tieren kam. Ist das ein Wunder? Wir ernähren uns von Fleisch aus Qualhaltung, voller Angstadrenalin und Agonie der Tiere, voller Antibiotika und Hormone.

Mir drängt sich der Eindruck auf, dass Sie sich vorkommen als Opfer der Mächtigen. Aber Jogi Löw sagte schon vor einem Jahr in die Kamera: „Die Erde wehrt sich gegen die Menschen.“ Wir sind die Täter! Unser Fleischkonsum zerstört die Natur Südamerikas. Ich bin voller Demut und Ehrfurcht gegenüber der Natur, die mit Covid19 machtvoll die Menschheit niederzwingt und ihr aufzeigt: „Bis hierher und nicht weiter!“ Aus Größenwahn und Selbstüberschätzung heraus glauben wir, uns nicht an die Gesetze des Universums halten zu müssen. Aber die Pandemie zeigt uns, dass wir ihnen unterworfen sind, ob wir es wollen oder nicht.

Ja, wir sind Opfer dieses Virus, aber doch nur, weil wir dafür die Ursache setzen, weil wir die Natur missbrauchen, verseuchen und zerstören. Unser Fleischkonsum übersteigt jeden gesunden Rahmen. Vor ein paar Tagen hörte ich auf einer Tankstelle grässliche Schreie. Sie kamen aus dem Anhänger eines großen LKW, vollgestopft mit lebendigen Schweinen. Aber Tierschützer, die gegen Schweinetransporte und industrielle Schlachthöfe protestieren, werden mit teilweise fünfstelligen Strafen belegt.

Der Kreatur gegenüber empfinden wir kein Erbarmen, aber wir sind voller Selbstmitleid, weil Corona unser Leben dicht macht. Wohlgemerkt, nicht die Regierung hat Corona erfunden, nein, sie versucht lediglich nach bestem Wissen und Gewissen und auf höchst verantwortungs-bewusste Weise, der Epidemie Herr zu werden. Impfen ist gut, aber es ist nicht die nachhaltige Lösung, die wir brauchen, um die Ursache für Corona aus der Welt zu schaffen. Impfen ist ein Weg, um uns aus der Verantwortung zu stehlen, um weiter Billigfleisch aus Massenproduktion zu konsumieren, um zu leben wie bisher. Aber wenn die Menschheit sich nicht sofort entscheidet, mit dem Missbrauch der Tiere aufzuhören und ihren Fleischkonsum auf ein umweltverträgliches und tiergerechtes Maß zu reduzieren, werden weitere, vielleicht schlimmere Plagen folgen. Jeder einzelne von uns ist gefordert, die Botschaft von Covid19 zu begreifen und ein Zeichen zu setzen mit neuem Konsumverhalten.

Als Freiheitskämpfer setzten Sie sich vor 32 Jahren wie Angela Merkel für das Ende der Diktatur ein, weil die Obrigkeit das Land dicht gemacht hatte. Und heute fallen Sie unserer Kanzlerin mit #allesdichtmachen in den Rücken. Entschuldigung, aber mir kommt Ihre Aktion genauso naiv und kleinkindhaft vor wie die der querdenkenden Dummköpfe, die ohne Masken den Bundes-tag stürmen, in den Städten randalieren und unsere Demokratie zu demontieren versuchen. Sie könnten Größe zeigen, indem Sie mit Ihrem Promifaktor helfen, Qualhaltung in den Mastanlagen, LKW-Transporte über die Autobahnen und die bestialische Tötung in den Schlachthöfen zu beenden. Und dies ist nicht die Zeit anzuklagen und zu jammern,/Und dies ist nicht die Zeit, um weiterzumachen wie bisher./Dies ist die Zeit, um radikal umzukehren und/Den Tieren mit Liebe und Respekt zu begegnen. – Jutta Bellwinkel

 

Verstehen Ihre Leser die Definition des Altkanzlers Schmidt zum Thema Demokratie ? Gestritten sollte vor einer Entscheidigung von Politikern, die sich, wie im Falle Spahn auch nicht mehr um ihren Amtseid kümmern, vor deren Entscheidung, und nicht nach deren Kungeleien untereinander. Und wenn die Kritik dann nicht (an)genehm erscheint, werden sog Querdenker definiert, obwohl die Politiker die wahren Querdenker sind. Wut, Krawall und Angriffe auf Polizisten, die armen Teufel, die allein als Staatsbedienstete antreten, werden die Regel, also Undemokratie folgt auf Undemokratie.. Mit dieser diktatorischen Masche wird auch auf beiden Seiten mit Terror geantwortet. Der nächste Schritt sind die sog. Todeslisten. Regieren durch willkürliche Verbote wird wohl auch später von den Grünen betrieben,wie es scheint, mit zerstörerischen Folgen, für Mensch, Tier, Umwelt und Klima. – P. Goedicke

 

Es ist zwar nicht verwunderlich, aber doch erstaunlich und enttäuschend, wenn man so hört und liest, was bekannte Schauspieler, die beispielsweise im „Tatort“ witzig und intelligent erscheinen, so von sich geben, wenn kein cleverer Drehbuchautor ihnen vorschreibt, was sie sagen sollen. Daß Herr Liefers, wie er selbst sagt, immer meschuggener wurde, hat er im Interview unter Beweis gestellt. Vielleicht ist er, der von der Bewunderung seiner Zuschauer lebt, auch ein bischen gekränkt, wenn er feststellen muß, daß auch andere Berufsgruppen bewundert werden und (system-)relevanter sind, als Schauspieler. Dies könnte ein Grund sein, sich wieder durch seine Medienaktion ins Gespräch zu bringen. Den beabsichtigten PR-Besuch auf einer Intensivstation,auf der er aufgrund mangelnder Qualifikation nicht hilfreich ist, würde ich als Patient ablehnen. – Dr. med. Thomas Meyer-Diewock

 

Der Schauspieler Liefers und der Gesundheitsminister Spahn in einem moderierten Streitgespräch: Beide Profis in ihrem jeweiligen Bereich. Der Schauspieler hat mit einem Clip im Rahmen der Politsatire gegen die Corona-Maßnahmen die Bühne der Politik betreten. Dabei agiert er als Schauspieler, der vorgibt, in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion er selbst zu sein. Die Produktion lässt ihn dann aber bei starkem Gegenwind in seiner diffusen Rolle (Schauspieler, Boerne, Liefers) auf der politischen Bühne schutzlos allein zurück. Dieser Moment war im Drehbuch nicht vorgesehen. Der Urknall. Nebel.

Das Gespräch mit Jens Spahn zeigt die Asymmetrie zwischen dem Politiker und dem Schauspieler: Der souveräne Politiker, der seinen Auftritt in seinen Rollen perfekt kalkuliert. Z.B. Spahn als Fürsprecher der Pflegekräfte. Spahn als empathischer Politiker. Spahn, der trittsichere Verantwortungsträger. Aber das ehrliche Eingeständnis von schwerwiegenden Fehlern? Das geht in der Politik gar nicht (Einmalig: Angela Merkels Entschuldigung). Selbstoffenbarung, das ist das Terrain des Schauspielers. Das ist seine Stärke. Liefers nutzt die Chance, sich wiederzufinden in seiner Rolle als er selbst. Improvisieren. Durchatmen. – Eine asymmetrische Situation. Ein gelungenes Gespräch. – Reinhard Koine

 

Armer Herr Liefers, hat so lange in der DDR gelebt, dass er differenzierte Medienberichterstattung nicht erkennt, selbst wenn sie ihn ständig umgibt. Man möchte sich beschämt abwenden und diesen Bullshit seines #allesdichtmachen-Auftritts ignorieren. Die Zeit gibt ihm stattdessen viel Raum, damit er sich wichtig fühlen darf. – Thomas Krompos

 

Zuallererst möchte ich eines klarstellen: Ich glaube nicht, dass Jan Josef Liefers rechts ist. Ich glaube auch nicht, dass er ein Querdenker ist. Ich glaube, dass ihm ein gewisses Maß an Empathie und Selbstkritik fehlt. Er erklärt sich den starken Gegenwind gegen die Aktion #allesdichtmachen durch eine Spaltung der Gesellschaft. Dabei stellt er sich so dar, als ob er der letzte Mensch in Deutschland wäre, der sich trauen würde, die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie kritisch zu hinterfragen und das auch zu äußern. Dabei ist er schlichtweg einer der wenigen Menschen, die es trotz fehlender rechter Gesinnung und ohne Querdenkerhintergrund trotzdem schafften, ihre Kritik absolut destruktiv, respekt- und empathielos zu formulieren.

Der starke Gegenwind gegen die Aktion ist nicht einer Spaltung der Gesellschaft geschuldet (wobei ich die Existenz einer solchen an dieser Stelle gar nicht leugnen will). Diese immer wieder als Rechtfertigung für die Aktion zu verwenden, zeugt von fehlender Selbstreflexion der eigens gewählten Worte: „Ich bin Jan Josef Liefers, ich bin Schauspieler, und ich möchte heute Danke sagen: Danke an alle Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich, verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich: ganz, ganz oben. Und dafür sorgen, dass kein unnötiger kritischer Disput uns ablenken kann von der Zustimmung zu den sinnvollen und immer angemessenen Maßnahmen unserer Regierung.“

Ich weiß nicht, in welchem Land Herr Liefers im letzten Jahr gelebt hat, ich für meinen Teil habe in den Medien alles andere als ungeteilte Zustimmung für alle Coronamaßnahmen erlebt. In den von mir konsumierten Medien wurde Deutschland regelmäßig mit Ländern verglichen, in denen die Pandemie besser im Griff ist. Die Langsamkeit der Datenübermittlung unserer Gesundheitsämter, das immer längere, perspektivlose Weiter so unserer Regierung und die Notfallhilfen, die nicht bei den Hilfesuchenden ankommen wurden breit diskutiert und auch scharf kritisiert. Es gibt nur einen wichtigen Unterschied zwischen der Kritik, die auf der einen Seite in den Mainstreammedien und auf der anderen Seite von Jan Josef Liefers geübt wurde.

Die Kritik in den Mainstreammedien behielt beide Seiten der Leidenden im Auge: Die Seite derer, die erkranken, sich sorgen, trauern und sich abschuften und die Seite derer, die hauptsächlich psychisch leiden, die Existenzen verlieren und unter dem Druck von Homeoffice und der gleichzeitigen Versorgung von Kindern oder Alten zusammenbrechen. Die Kritik von Jan Josef Liefers, schafft es nicht einmal die andere Seite zu erwähnen. Daher rührt meine Kritik an Liefers Video. Liefers Blickwinkel ist genau das, was wer an der Gesellschaft kritisiert: Einseitig und zu wenig differenziert.

Die einzig respektvolle Reaktion von Jan Josef Liefers wäre eine große Entschuldigung gegenüber derer, die Menschen an dieses Virus verloren haben, die sich um die erkrankten kümmern und die in täglicher Sorge um Angehörige, Freundinnen und Freunde leben. Sicherlich läuft der Diskurs um die Aktion #allesdichtmachen an vielen Stellen aus dem Ruder, das darf aber nicht bewirken, dass Herr Liefers von allen Seiten mit Seidenhandschuhen angefasst wird und gleichzeitig eine riesige Plattform für die Rechtfertigung seiner Aktion bekommt. Seine Kritik war respekt- und empathielos formuliert und das darf man in einer Demokratie auch sagen. – Pia Hofmann

 

Zu Ihrer Titelberichterstattung über das satirisch überspitzte Votum einiger namhafter Schauspieler („ZEIT“ vom 29. April, auch auf Ihrer hervorragenden Seite „Streit“) sei angemerkt, dass die monokausale Deutung des Menschen, die seit März 2020 in unserem Land vorherrscht, unerträglich geworden ist. Wen wundert´s genau deshalb, dass sich jetzt all die klar und deutlich zu Wort melden, die eine „ganzheitliche Sicht“ auf den Menschen einfordern – der Kinderschutzbund, die Psychotherapeuten (deren Wartezimmer genau so voll sind und sein werden wie die Intensivstationen, aber keine starke Lobby haben!), die Eheberater, die Begleiter nach Insolvenzen, Entlassungen oder Pleiten, die Präventionsstellen gegen Suizide – und eben auch die Schauspieler.

Anstatt z.B. Ulrich Tukurs Video unter ferner liefen abzukanzeln, das jenseits allen Querdenkertums auf philosophisch höchstem Niveau einfordert, eben auch dem Tod in unser aller Leben neuen Raum zu geben („ars moriendi“), sollten einige dieser Kunstwerke in die Schulen gegeben werden, wo Erörterungen – „advocatus diaboli“ inklusive – noch guter Brauch sind. Dass einige lieber den Boykott dieser o.a. Schauspieler fordern, offenbart das intellektuelle Vakuum in unserem Land. – Peter Pypelinx

 

Was mir in der Debatte fehlt, ist eine künstlerische Auseinandersetzung. Da wird nur gesagt, das der Kunstansatz mit Videos und Satire eine Differenziertheit nicht zuließen. Wie bitte? Was soll denn das für eine Kunst und für eine Satire sein, die nicht differenziert? Jan Böhmermann oder der selige Dieter Hildebrandt können und konnten das doch auch und waren dabei auch zynisch und sarkastisch. Die Videos, die ich gesehen habe, sind humorlos und plump. Es wundert nicht, dass sie von dafür empfänglichen Gruppierungen gelobt wurden. Irritierend ist, dass so viele gute Schauspieler dazu bereit waren. Satire ist eben ein eigenes Genre. Niemand hat verlangt, dass Schauspieler das auch noch beherrschen. Man muss nicht alles können, aber es schadet nicht, das auch zu erkennen.

Herr Lievers und Herr Brüggemann wirken auf mich wie ich vor 40 Jahren, als ich nach unserer Sketchaufführung im Schullandheim nicht verstehen wollte, dass die Lehrer und Eltern die Beiträge nicht so gut fanden wie wir. Entschuldigungen kategorisch auszuschließen zeugt jedoch von derselben Betonmentalität, die leider auch aus den Videos spricht. Sie hätten immerhin eine Debatte angestoßen, meint Herr Lievers. Ja, aber keine neue um ein Coronathema, die gab es alle längst. Die einzige neue Debatte ist die selbstbezogene um ihre Aktion und um sie selber. – Georg Brinkmann

 

Ich bin fassungslos. Da kann Herr Liefers unwidersprochen behaupten, dass die Nobelpreisträger John Ioannidis und Michael Levitt zu anderen Einschätzungen der Pandemie kommen. Wenn Herr Liefers nicht zu Weihnachten aufgehört hätte sich zu informieren, wäre ihm vielleicht nicht entgangen, dass Ioannidis nicht behauptet, dass ein Knock-down nichts bringt sondern nur bezweifelt, ob ein verschärfter einen Zusatzunutzen hat. Und Levitt hielt eine zweite Welle für unwahrscheinlich. Nun, wir sind jetzt in der dritten Welle, von Indien und den Erfolgen einiger Länder wie Portugal ganz zu schweigen. Es gehört schon einiges an Selbstverliebtheit dazu, sich nicht mehr zu informieren und dann ein solches Video zu drehen. Im Übrigen hätte ich erwartet, dass Herrn Liefers Behauptungen nicht ungeprüft wiedergegeben werden. – Rüdiger Weigel

 

Gestern habe ich auch das Interview mit Herrn Spahn und Herrn Liefers gelesen. Meiner Meinung nach haben sich tatsächlich unterschiedliche Lager gebildet, die kaum noch miteinander reden können. Es gibt aber über alle Lager hinweg etwas Gemeinsames: Den Frust. Und wenn die Regierung glaubt, sie hätte die Mehrheit der Menschen auf ihrer Seite, dann liegt sie falsch. Es ist fast egal, wo man sich befindet, die Meinung fliegt einem entgegen. Laut und deutlich geben die Menschen mittlerweile zu, dass sie mehr oder weniger kaputt sind. Und klar, wenn man dann mit den Leuten redet, dann sind immer die „Bekloppten“ schuld. Aber die „Bekloppten“, das sind immer anderen. Und leider gilt das auch für die Medien. Ich habe vor einem Jahr noch viel mehr Medien gelesen. Aber mir hat der Umgangston nicht mehr gefallen.

Ich habe nun die „Zeit“ abonniert, da ich finde, dass hier das Stilmittel der Beleidigung seltener zu finden ist als, zum Beispiel, im Spiegel oder Taz oder anderen Zeitungen. Also die „Zeit“ und ein bisschen WDR5 am Morgen. Der WDR geht mir aber auch auf die Nerven. Fernsehen interessiert mich schon lange nicht mehr. Warum bin ich gefrustet? Mittlerweile habe ich mir eine Depression zugelegt und schaffe kaum noch fünf Stunden Arbeit pro Tag. Die Arbeitszeit habe ich für drei Monate verkürzt, ab Juni muss wieder voll arbeiten und ich weiß nicht, wie das gehen soll. Ich bin studierter Biologe und für mich war es nie ein Problem den Verlauf der Pandemie vorherzusagen. Das ist nichts besonderes, sondern logisch.

Den Verlauf des Winters incl. das Auftreten der Mutanten war mir im Sommer schon klar. Dass es so schnell Impfstoffe geben wird, habe ich nicht so eingeschätzt, davon bin ich überrascht worden. Leider werden diese Impfstoffe nicht viel und dauerhaft nützen, da sie nicht schnell genug und falsch eingesetzt werden. Man hätte für Deutschland mindestens 60 Mio Impfdosen besorgen und dann so schnell wie möglich verimpfen müssen. Da das nicht passieren kann, werden Mutanten gezüchtet. Nach der Impfe ist vor der Impfe. Zurück zu den Menschen. Wir sehen doch mittlerweile fast alle, dass es so nicht weiter geht, mit dem Wischi-Waschi-Lockdown und den Wischi-Waschi-Regeln. Die Leute sehen doch, dass es anders geht. Die sind nicht bekloppt. Die Leute wissen auch das vieles nicht stimmt, was behauptet wird. Der Lockdown greift seit Oktober nicht. Langsam dämmert es doch auch den Befürwortern.

Schweden steht nicht wirklich schlechter da als andere europäische Länder. Europa insgesamt steht nicht besser da als die USA. Aber es gibt Länder, die stehen tatsächlich besser da. China macht vieles richtig. Es fängt bei der jahrelangen Vorbereitung an, die hier in Europa komplett verschlafen wurde. Infizierte werden isoliert, dafür wurde in Wuhan sehr schnell Kapazität geschaffen. Betroffene Orte werden abgeriegelt. Die Menschen werden versorgt und müssen sich nicht selbst kümmern. Die Landesgrenzen sind dicht. China ist seit einem Jahr praktisch coronfrei. So können die dann in Ruhe impfen ohne, dass ein Selektionsdruck entsteht.

Ich habe früher nicht geglaubt und bezweifle es auch immer noch, aber ich denke, dass eine solche Strategie die letzte vernünftige Option ist. Es gibt also Alternativen. Es finden sich sicher Länder in Europa, die mitmachen und nach spätestens zwei Monaten könnte wir uns innerhalb diese Länder wieder frei bewegen. Es wäre eine Chance und man könnte, die Menschen dazu bringen mitzumachen. Mit dem ernst gemeinten Versprechen und Ziel, danach ist Schluss mit endlosen Wischi-Waschi-Lockdowns. – Christian Fahn

 

Es ist wieder mal enttäuschend feststellen zu müssen, dass hier von einem „Urknall“-Auslösenden eine Chance vertan wurde zu liefern. Anstatt zu konstatieren, dass er und andere sich mit ihren bemüht satirischen Video-Clips vergaloppiert haben und selbstkritisch darüber zu reflektieren, was falsch daran war, wird stattdessen larmoyant-trotzig abgelenkt und die altbekannte Medienschelte bemüht. „Zuviel“, „zu einseitig“, „zu hörig“. Substanzielleres war nicht dabei. – Nicht vom Virus, sondern „vom medialen Dauerfeuer“ ist Liefers „fast krank geworden“.

Warum trägt er dann selbst zur weiteren Befeuerung durch solche Clips bei? Und nur weil er die Vielfalt an Informationen nicht verarbeiten kann und dadurch das Gefühl entwickelt „meschugge“ zu werden, ist das noch kein Beweis dafür, dass die Informationen fehlerhaft sind. Auch wenn ihm bekannte honorige Wissenschaftler zu anderen „Einschätzungen und Ergebnissen“ bzgl. der Pandemie kommen. So what? Immerhin ist bei ihm die Erkenntnis erwachsen, dass Abschalten von Twitter & Co. ganz hilfreich sein kann. Damit hat er wenigstens seinen neuralgischen Punkt gefunden. – Dr. Thomas Richter

 

Die letzte Frage der ZEIT in diesem Streitgespräch sagt in der Beantwortung sehr viel über die Protagonisten. „Würden Sie da eine Schicht machen?“ (gemeint ist, auf einer Intensivstation). Wird von der ehrlichen Haut Jan Josef Liefers beantwortet mit „Ich habe mich schon angemeldet“ und der Politiker antwortet wie Politiker antworten, mit Selbstlob und Nichtbeantwortung der Frage. – Eckhard Adler

 

Die Aktion der 53 kulturschaffenden finde ich gut (leider haben einige wieder zurückgezogen). Es geht nicht darum die Corona _ Pandemie zu leugnen, es geht um viel Missmanagement und unlogische Maßnahmen sowie Einseitige Maßnahmen, wobei die Kultur besonders betroffen ist. Da kann man schon mal sehr zornig werden! Herr Spahn war an vielen Fehlern intensiv beteiligt: bis heute Lob der ineffizienten Corona _ App (zusammen mit Herrn Braun vom Kanzler-Amt) wobei Datenschutz über die Gesundheit gestellt wurde und dies sicher vielen Menschen das Leben gekostet hat weil Infektionsketten nicht automatisch verfolgt werden konnten und in der Pandemie Schnelligkeit alles ist! Auch heute, 14 Monate nach Pandemie _ Beginn, arbeiten die Gesundheitsämter noch vorsintflutlich. Auch die Teststrategie war nicht gut vorbereitet und wenig strukturiert.

Die Kultur hat viele Konzepte vorgelegt und wurde immer wieder abgewiesen. Baumärkte, Autosalons etc. dagegen dürfen öffnen. Ein Blick in andere Länder (zum Beispiel Österreich) zeigt, dass Kultur dort einen viel höheren Stellenwert besitzt. Auch Beifall von der falschen Seite sollte die kulturschaffenden nicht beirren. Schließlich stimmt auch im Bundestag manchmal die AfD _ Fraktion mit einer demokratischen Fraktion, man kann doch deshalb nicht seinen Antrag zurückziehen. Und natürlich werden von den Kulturleuten die Menschen im Krankenhaus/Pflege _ Bereich nicht ironisch dargestellt, sondern eher die mainstream _ Medien.

Letztere beten die Beschlüsse der Regierenden oft einfach nach oder verstärken diese noch negativ anstatt bestimmte Maßnahmen und Parameter zu hinterfragen (der sakrosankte Inzidenzwert, welcher eine reine Meldezahl ist wird zum wichtigen Kriterium für Grundrechts _ Einschränkungen oder die ineffiziente Corona _ App beziehungsweise technische/digitale Möglichkeiten werden überhaupt nicht dargestellt). – Dietmar A. Angerer

 

Mit gespannter Neugier habe ich die aktuelle Ausgabe der Zeit gekauft, weil ich wissen wollte, wie Ihre Zeitung die Aktion #allesdichtmachen einschätzt. Ich habe das Interview zwischen Herrn Liefers und Herrn Spahn gelesen und mich danach gefragt, was Sie eigentlich mit diesem Interview bezwecken wollten. Beeindruckt hat mich die Geradlinigkeit und Aufrichtigkeit, mit der Herr Liefers seine Position deutlich gemacht hat und vor allem jede Ihrer Fragen direkt und reflektiert beantwortet hat. Für Menschen, die einen Erklärungsbedarf hatten, waren seine Ausführungen meines Erachtens hilfreich und haben zur Aufklärung beigetragen. Das war gut.

Gewundert habe ich mich aber umso mehr über die harmlosen Fragen, die Sie an Herrn Spahn gerichtet haben, der überhaupt keine Veranlassung sah, zu der von Herrn Liefers an ihn gerichteten Kritik wirklich Stellung zu beziehen. Seine abschließende allgemeine Rechtfertigung, der Virus sei der Feind der Kunst nicht die Politik, lassen Sie unkommentiert im Raum stehen! Auch Herrn Liefers wird nicht Möglichkeit gegeben, darauf zu reagieren. Hier hätten Sie als Moderator und Moderatorin doch mindestens die Frage nach verbesserten Arbeitsbedingungen und besserer Bezahlung für Pflegekräfte stellen müssen!

Sein Bedauern darüber zum Ausdruck zu bringen, dass Künstler*innen zurzeit leiden, aber es sei eben Pandemie, ist keine Perspektive. Im Gegenteil. Mit Verlaub, dasist zynisch! Vor allem vor dem Hintergrund, dass in Zeiten, wo Menschen in Kurzarbeit sind, Existenzen kaputt gehen, die Zahl der Suizide in die Höhe geschnellt ist, Herr Spahn, der als Politiker auch eine Vorbildfunktion hat, sich eine Millionenschwere Villa kauft und im Herbst es völlig in Ordnung findet, an dubiosen Abendessen zur Wahlkampffinanzierung teilzunehmen, während der Rest der Bevölkerung bitte schön brav zu Hause bleiben soll. Aber auch hier muss der Gesundheitsminister sich nicht rechtfertigen und es gibt von Ihnen auch keine Frage danach, wie Künstler*innen besser unterstützt werden können.

Geht es hier um die Imagepflege des Gesundheitsministers? Oder warum haben Sie dem Interview diese merkwürdige Überschrift gegeben? Bei der Biografie von Herrn Liefers vor allem auch, was politisches und soziales Engagement angeht, ist der Titel mehr als unpassend. Was bezwecken Sie damit bzw. warum haben Sie so wenig bis gar keine kritischen Fragen an Herrn Spahn gestellt? Ich habe Hochachtung vor diesem Künstler, der versucht sich zu erklären und die Gegenseite zu verstehen, offen ist und aufrichtige Antworten gibt und sich nicht hinter politischen Floskeln versteckt und damit ungeschoren davonkommt. Und genau deshalb ist die Aktion #allesdichtmachen wichtig gewesen. – Dorit Schäffler

 

Ich war verblüfft, wie einfach man diesem Virus beikommen kann: Wenn die Informationsflut über die Katastrophe überhand nimmt: Augen und Ohren zu! Oder alternativ: sich nur noch an die Wissenschaftler halten, die alles nicht so schlimm finden. Genial! Besser kann Verdrängung nicht funktionieren. Und wenn man dann noch ausblenden kann, dass die Menschen trotzdem sterben wie die Fliegen, dann geht’s schon. Hinzu kommt, dass Liefers und seine Schauspielkumpels, im Gegensatz zu den anderen Berufsständen, denen es ja schließlich kein bisschen besser geht, die Möglichkeit haben, die Dümmlichkeiten dieser geschmacklosen Protestaktion als Kunst zu verkaufen. Ein ernstgemeinter Rat an Liefers, wenn er mal wieder depressiv zu werden droht: über den Zaun sehen, in Länder, wo Menschen zu Abertausenden elendig krepieren, weil dort die Politik nicht funktioniert. Im Idealfall könnte dann so etwas wie Dankbarkeit aufkommen, weil wir hier ein intaktes Gesundheitssystem und ein soziales Netz haben. – Hannelore Schreiner

 

Jan Josef Liefers geht es besser, seit er sich die Berichterstattung über das Coronavirus nicht mehr ansehen/anhören muss. Er benutzt das gute alte Kopf-in-den-Sand-stecken-Prinzip, was meine 2-jährige Tochter auch ab und zu anwendet. Dass das Problem damit nicht gelöst ist, scheint ihm egal zu sein, sobald seine Psychohygiene damit wieder in Ordnung gekommen ist. Es ist sicher richtig, dass nicht alles, was von der Regierung bisher beschlossen wurde, gut war.

Ich frage mich aber, ob es uns allen besser gehen würde, hätte Herr Liefers das Sagen gehabt? Man schaue nur nach Brasilien, wo man sich z.B. vehement gegen Lockdowns entschieden hat. Wenn man bereit ist, zu akzeptieren, viele Menschen und auch Angehörige (nicht nur die Alten) zu verlieren (nicht nur durch Corona, sondern auch durch andere Krankheiten, die bei einem Kollaps unseres Gesundheitssystems nicht mehr behandelt werden können), dann kann man gerne solche Videos verbreiten. Wenn nicht, sollte man es vielleicht lieber lassen…. – Dr. med. Elisa Lewin

 

Vielen Dank für diese ZEIT- Ausgabe: Das Gespräch zwischen Frau Dorn, Frau Zeh und Herrn Kehlmann war wohltuend, der Artikel „Dreckswetter“ hat mir einiges klar gemacht und auch Herr Liefers und Herr Spahn haben sich offen ausgetauscht. So könnte es sein: Mehr Kommunikation und weniger Geschrei und Sarkasmus. Bei heiklen und existenziellen Themen war Sarkasmus weder im persönlichen noch im öffentlichen Konflikt jemals eine hilfreiche Strategie, vielmehr die letzte Zuflucht derer, die nicht mehr an Kommunikation glauben oder jener, die die Not anderer verharmlosen oder verachten. Ich wünsche mir mehr öffentliches Gespräch auf lokaler Ebene, zum gegenseitigen Sehen und Verstehen der Befindlichkeiten in der Pandemiezeit.

Und mehr öffentlichen Diskurs auf gesellschaftlicher Bühne, es gibt so viele kluge und besonnene Expertinnen auf allen Feldern – nicht nur der Virologie – die diskutieren könnten und sollten, wie es weitergehen kann durch die und nach der Pandemie. Wenn es Zivilität im Netz unter den gegebenen Umständen nicht gibt, dann eben überall offline! Gerade in Krisen sind Phantasie und neue Sichtweisen nötig, mit dem Entlanghangeln an Handbüchern zum Ausnahmezustand vergeben wir uns viel Kreativität und Kraft, die Verhältnisse gerechter und nachhaltiger zu machen. Anstatt „Halt’s Maul!“ im asozialen Netz Runde Tische vor Ort, mit Regeln und der Möglichkeit, sich in die Augen zu sehen! – Doris Braun-Heberle

 

Ich finde, man hätte es anders machen können, um auf die dramatische Notsituation vieler Schauspielerinnen und Schauspieler hinzuweisen. Z.B. so: Was können eine Schauspielerin, ein Schauspieler am besten? Schauspielern. Warum also nicht aus der Kernkompetenz heraus der Öffentlichkeit bewusst machen, dass große Not herrscht? Zwei Beispiele: 1.) Schauspielerin: „Sein oder nicht sein. Kennen Sie. Ist von Shakespeare. Aber jetzt ist es von mir. Mich kennen Sie vielleicht nicht. Ich bin Schauspielerin. Bei mir geht es seit Monaten um Sein oder Nichtsein…

(Überleitung zur Notsituation). 2.) Schauspieler: „Und die einen sind im Dunklen, und die andern sind im Licht. Doch man sieht nur die im Lichte, die im Dunklen sieht man nicht. Das ist Brecht. Kennen Sie. Kennen Sie auch mich? Ich bin Schauspieler. Ich stehe gern im Licht, im Rampenlicht, für Sie, mein Publikum. Doch jetzt steh ich im Dunklen – sehn Sie mich? (Überleitung zur Notsituation). Ich finde: ein Konzept mit viel Emotionalität, Substanz und Fortsetzungspotenzial. Und mit guter Werbung für alle Beteiligten noch dazu. – Kurt Eimers

 

Als snobistischer Professor Börne war mir Herr Liefers nur wenig sympathisch. Da halfen auch keine platten Witze. Aber um des lieben Familienfriedens willen saß ich fast regelmäßig vor dem sonntäglichen Münster-Tatort. Kunst- und Realfigur versuche ich seither zu trennen. Das gelang bisher auch gut, tritt Liefers doch abseits der Kamera eloquent auf, musiziert halbwegs gekonnt und war sogar vor vielen Jahren eine leise aber hörbare Stimme der Demokratiebewegung in Ost-Berlin. (Nicht nur) Liefers’ Corona-Video-Statement lässt mich allerdings schockiert zurück. Aus vielen Gründen, die in den letzten Tagen vielfach angesprochen wurden. Gespannt war ich deshalb auf das Streitgespräch mit Herrn Spahn: Zieht sich Liefers elegant aus der Affäre? Kriegt er die Kurve? Hat er vielleicht doch ein gutes Argument auf seiner Seite, das mir seinen Clip-Beitrag erklären könnte? Kurz: Nein!

Ich bleibe nach der Lektüre ratlos zurück, will das hier aber nur an einem Namen genauer erläutern: Als Liefers, ganz in Börne-Manier, einen alten Schulfreund erwähnt, der in Stanford mit Nobelpreisträgern zusammenarbeitet(e) und in diesem Zusammenhang direkt John Ioannidis und Michael Levitt in seine Argumentationskette einbaut, hätte ich mir ernsthafteren Widerspruch, wenigstens jedoch eine Nachfrage, erhofft. Seit langem werden beide Namen und deren Umgang mit der Corona-Pandemie kontrovers diskutiert. Ioannidis’ Thesen dienten u.a. der AFD wiederholt als Referenz für deren Corona- Verharmlosungsstrategie. An diesem Punkt hätte Liefers sowohl von Spahn als auch von di Lorenzo/Parnack zu eindeutiger Konkretisierung aufgefordert werden können, um sich glaubhaft von rechten Populismus- und Verschwörungsideologien distanzieren zu können. Dazu kam es leider nicht, im Gegenteil.

Liefers lieferte weiteren Zündstoff, denn ‚abgebügelt‘, wie von ihm ausgedrückt, wurde die Minderheitenmeinung des Herrn Ioannidis bestimmt nicht: Erst am 14.04. erschien in einer großen deutschen überregionalen Tageszeitung ein ausführlicher Bericht zu dessen fragwürdigen wissenschaftlichen Erhebungen. Darauf hätte Liefers angesprochen werden sollen. Die Antwort wäre spannend gewesen. Glaubwürdig unterstützt hat Liefers seine mit Berechtigung besorgten kunstschaffenden Kolleg*innen auch mit diesem Interview jedenfalls gewiss nicht. Auf den Münster-Tatort werde ich nun endgültig verzichten. Meine Familie zeigt Verständnis. – Harald Lutz

 

Nach der Lektüre des von Ihnen mitverfassten Beitrages Streit vom 29.April 2021 Die Zeit Nr 18 (Jan Josef Liefers vs. Jens Spahn) erlaube ich mir, Ihnen die Lektüre eines Interviews aus den Onlineseiten des ORF nahezu legen. Hier kommt ein ‚Experte‘ aus den Tiefen österreichischer Provinz zu Wort, der es bei Zeiten geschafft hat, durch rechtzeitiges und selbsttätiges Ausscheiden aus dem Beraterstab unseres ach so gesalbten Bundeskanzlers, sich nicht bis zur Unkenntlichkeit verbiegen zu müssen. Er gilt bis heute und zu keinem Zeitpunkt dazwischen trotz differenzierter Meinung als irgendwelchen Republikverächtern oder maskenbefreiten Reichstagsstürmern nahe stehend, obwohl wir von denen auch in der Alpenrepublik (immer noch) jede Menge (und sogar im Parlament) davon herum wuseln haben. Diese Damen und Herren schreien kein Wunder ob ihrer häufigen Maskenbefreitheit immer laut. Auch bei uns. Und den Vorgang des Bemächtigens haben die allesamt scheint es in den Genen genau so wie offenbar ob ihrer Geschichtsbefreitheit das Verlierertum.

‚Über den Tellerrand’ könnte man hemdsärmelig dazu sagen. Da drüber schauen bei weitem nicht alle Experten. Von Politikern fast jeder Coleur verlangt das zu diesen Zeiten ohnehin schon lange kaum mehr einer. Die sind allerortens ja überwiegend nur mehr damit beschäftigt, opfergleich danach zu trachten, dass Ihnen der Laden demnächst (spätestens aber nach der Corona- Bilanzabrechnung) nicht irgendwie um die Ohren fliegt. Herrn Liefers könnte das Interview weil erkenntnisvermittelnd interessieren. Herrn Spahn sollte es interessieren. Und die Zeitredaktion könnte damit einen Blick über den Inn zum Alpenostrand wagen. Es ist zwar die gemeinsame Sprache, die uns trennt, aber von einander lernen war noch nie ein Fehler. – Bertold Jäger

 

Wenn sich zwei Männer anstatt mit scharfen Waffen, lieber mit scharfen Worten duellieren, so kann man doch noch auf bessere Zeiten hoffen! Der Schauspieler und Sänger Jan Josef Liefers und der Gesundheitsminister Jens Spahn nahmen sich Zeit für die ZEIT, und beide zielten sofort, aber nur verbal los. Wer von den beiden Herren mehr auf meiner Linie ist, das will ich mal vorsichtshalber ganz offen lassen. Offensichtlich ist jedenfalls, das die Kluft zwischen beiden nicht noch breiter geworden ist. Hier ist und war jedenfalls Reden Gold und Schweigen wäre nicht mal Bronze wert gewesen! Die Kampagne #allesdichtmachen, die hat hier nicht alles komplett zu- und abgedichtet. – Klaus P. Jaworek

 

Da lassen Sie, die Interviewer Giovanni Lorenzo und Charlotte Parnack, Jan Josef Liefers, den Interviewten, sagen: „Ein alter Schulfreund von mir ist Wissenschaftler und arbeitet in Stanford zum Teil mit Nobelpreisträgern zusammen: mit Leuten wie John Ioannidis oder Michael Levitt. … Die werden hier einfach abgebügelt. …“ und haken nicht nach, was diese Leute zum Schulfreund so in etwa gesagt haben. Ich habe die ganzen langen zwei ZEIT-Seiten danach gesucht und rein gar nichts gefunden; konnte mir also in keiner Hinsicht eine Meinung bilden, ob zu Recht oder zu Unrecht.

Und ob überhaupt abgebügelt, denn es kann ja sein, dass nicht einmal Jan Josef Liefers wirklich weiß, was diese Leute von sich gegeben haben – kann ja sein, dass ihm und dem Schulfreund schon im Vorhinein alles zum Abwinken (Abbügeln?) war. Da hätte man ihn, Jan Josef Liefers, doch wenigstens fragen können, ob es mehr als eine halbe Stunde braucht, die Äußerungen der Nobelpreisträger wiederzugeben. Aber so: Frust nichts als Frust. – Herbert Eberle

 

Herr Liefers nimmt für sich, als mutmaßlich intelligenter Künstler, die Freiheit in Anspruch, solche Dinge -getarnt als Satire- sagen zu dürfen. Er ignoriert damit die Qualen derjenigen, die wirklich unter der Pandemie gelitten haben. Seinen Kritikern entgegnet er, die vermeintliche Satire nicht erkannt zu haben. Und seine Ignoranz gipfelt in dem Satz (…) eins lässt sich auch nicht von der Hand weisen: Irgendeinen neuralgischen Punkt haben wir berührt.“ – Dr Christian Meine

 

Ein sehr gelungenes und beide Seiten beleuchtendes Interview. Aber warum wird denn so ein Text nicht mehr Korrektur gelesen? Es gibt keine Steigerung von „keiner“. Das schleicht sich leider in unseren Sprachgebrauch ein, besonders bei Politikern. Es heißt: in keiner Weise! – Monika Korte

 

Offensichtlich gehört es zum Wesen der Kunst, Botschaften dekorativ zu verbergen oder in Kulturformen raffinierten einzubetten, wohl um dem geneigten Zuhörer, Betrachter oder Leser eine persönliche Sinngebung und Deutung zu ermöglichen. Danach, wenn das interessierte Publikum das Kunstwerk offensichtlich ganz individuell und eigenwillig, jedenfalls irgendwie falsch interpretiert hat, inszeniert man sich als leider total verkannte, arme, missverstandene, feingeistige Kulturschaffende, dessen kreative Geisteseinfälle niemand richtig zu erfassen vermag.

Ich fürchte das ist so gewollt, um uns tumben Toren zu vermitteln, dass uns jeder Feingeist fehlt, in die Höhen des Olymps vorzudringen – und natürlich auch um Aufmerksamkeit zu generieren. Falls nicht, falls das nicht das Ziel war – mein Tipp an die Macher der #allesdichtmachenaktion und allen anderen Künstler, die sich in gesellschaftliche Debatten einbringen wollen: Sagen Sie das nächste Mal in direkten, einfachen, klaren Worten, um was es Ihnen geht! Dann wären wir jetzt vielleicht im Austausch über das Thema, das Ihnen am Herz liegt und Ihnen blieben langwierige Erklärungen erspart. – Ortrud Mauk

 

Und wieder schwappt eine Empörungswelle über die Republik. Was ist geschehen? 53 Schauspielerinnen und Schauspieler haben unter dem #allesdichtmachen eine Kampagne im Internet gestartet, um ihre Kritik an den Corona-Maßnahmen zum Ausdruck zu bringen. Das ist ihr gutes Recht in einem freien Land. Viele meiner Lieblingsschauspielerinnen – und Schauspieler haben mitgemacht und sie werden es auch bleiben, obwohl ich diese Kampagne als gründlich misslungen ansehe. Ich mag Satire, wenn diese Video-Clips aber Satire gewesen sein sollen, waren sie schlechte Satire. Hier waren mir dann doch zu viel Süffisanz und Zynismus mit im (Schau-) Spiel und ohne die „Moralkeule“ schwingen zu wollen, halte ich es für völlig unangebracht, sich auf diese Art und Weise kritisch mit den Corona- Maßnahmen auseinanderzusetzen.

Ich kann Jan Josef Liefers verstehen, wenn ihm die tägliche massive Berichterstattung zu der Corona-Pandemie und allem, was damit zusammenhängt, zusetzt. Das geht vielen anderen auch so und es tut gut, wenn man sich diesem hin und wieder entzieht. Jeder hat das selber in der Hand. Umso erstaunlicher, dass Herr Liefers jetzt so verwundert über die heftigen Reaktionen in der Öffentlichkeit auf die Kampagne ist. So naiv kann er doch gar nicht sein, den Weg ins Internet hat er bewusst gewählt und ihm und allen Beteiligten hätte eigentlich klar sein müssen, dass diese Aktion einen „Shitstorm“ so gut wie sicher nach sich zieht. Unter dem Schutz der Anonymität ist das Internet der perfekte „Tatort“ für Beleidigungen, Drohungen, Diffamierungen usw.

Natürlich gibt es auch Zustimmung und Lob, bekanntermaßen sorgen sie aber für weitaus weniger Furore. Das Gesagte ist gesagt und insofern macht es wohl kaum einen Sinn, danach zurückzurudern oder einzuknicken. Die nächsten Gegenreaktionen sind dann auch wieder sicher. In Ihrem Dossier „ Dreckswetter“ beschreiben Sie das sehr gut. Man kann es nicht jedem recht machen, das ist so im Leben. Schön wären gerade jetzt mehr Sachlichkeit und Contenance im öffentlichen Diskurs und weniger Gewicht auf jede Regung/jeden Shitstorm im Internet. Kultiviertere Möglichkeiten gibt es ja immer noch, z.B. bei einem Streitgespräch in der ZEIT. – Regina Stock

 

#allesdichtmachen Herr J.J.Liefers ist nicht einfach ein Mitwirkender dieser Kampagne, sondern gemeinsam mit Herrn Brüggemann der Erfinder derselben. Wer ist Herr Brüggemann? Jemand ganz rechts außen, jemand, der solche Kunstwerke verfasst: „Steckt euch euren Polizeistaat in den Arsch, steckt euch eure Maskenpflicht in den Arsch, steckt eure Abstandsregeln in den Arsch, steckt euch eure Hygienemaßnahmen in den Arsch.“ Und wer ist dann Herr Liefers?! Mich erschreckt es, dass es der Zeitredaktion kein Anliegen war, genau zu recherchieren, wer tatsächlich die Macher der Video-Kampagne sind, und in welchem Geiste sie diese unternahmen (siehe „netzpolitik.org„). Hier wird nicht nachgefragt, nichts in Frage gestellt, sondern zugelassen, dass sich Herr Liefers über 2 Seiten hinter seiner Legende einer wackeren DDR Biografie versteckt.

Anmaßend, selbstgefällig und extrem eitel begreift sich der Tatort-Gerichtsmediziner als Auslöser eines Urknalls. Gehts noch? Außer Herrn Liefers haben sowieso alle keine Ahnung, sagt Herr Liefers, denn sie leben in bubbles. Wo lebt Herr Liefers? Erschreckend find ich allerdings auch, dass Herr Spahn sich dazu hergibt. Was ist an einem Fernseh-Darsteller so wichtig, so qualifizierend, dass die Politik und die Zeit ihm am Nasenbändchen folgen? Übrigens in der bubble Tübingen und in der bubble Rostock mussten die von Herrn Liefers. als funktionale Konzepte gelobten Modellprojekte wegen Scheiterns (deutlich gestiegene Inzidenzen) beendet werden. Ist das in der bubble Liefers nicht angekommen? Das Essener Klinikum hat sich verwahrt gegen die Bestellung eines medienwirksamen Besuchs des Herrn Liefers („Ich habe mich angemeldet.“) Kein Interesse an Person und Inhalt. Respekt! – Frida Hilbrand

 

Nicht nur muss man in der aktuellen Ausgabe Herrn Liefers Schwarz-Weiß-Denken aushalten, dass es nur mit oder gegen die Regierung und deren Corona-Maßnahmen gäbe, wohingegen er sich selbst und seine Schar alleinig reflektierend in der Mitte sieht. Von der Selbstüberschätzung abgesehen, fallen zB Kritiker der Maßnahmen, die diese zwar prinzipiell Befürworten, aber mehr Konsequenz bei der Umsetzung fordern, schlichtweg durchs Raster. Er fordert die Einbeziehung von Wissenschaftlern, die ihm genehmere, weil verharmlosende, Daten zur Pandemie liefern, deren Daten aber zT längst von der Realität überholt wurden. Das ist nicht Mitte und nicht reflektierend, sondern im besten Fall widerspenstig und provoziert sicher kein rascheres Ende der Maßnahmen.

Als nächstes dann drei AutorInnen als EpidemiologInnen, das kann nur schiefgehen. Warum stammen eigentlich alle drei aus der Bubble einer „kritischen“ Perspektive? Es ist nicht nachvollziehbar, dass aufgrund des von Brüggemann gecasteten PR-Stunts gerade jetzt Kritik und verkapptes Querdenkertum hofiert werden. Dies alles während die Intensivstationen sich füllen. Den gesellschaftlichen Ausnahmezustand zu negieren, der de facto seit Beginn der Pandemie akut vorherrscht, kann man nur Ignoranz nennen.

Diese Ignoranz setzt sich bei der Einschränkungen der Grundrechte fort. Diese können nur bei niederschwelligem und frühem Agieren auf individueller (konsequente Isolation und Quarantäne) und regionaler Ebene möglichst klein gehalten werden. Das lehnen pseudo-liberale Kritiker oftmals als unverhältnismäßig ab, fertig ist der sozial-darwinistische Zirkelschluss: Frühe Eingriffe sind nicht verhältnismäßig, umfassende auch nicht, bleibt nur das Oszillieren zwischen zu spät und zu wenig handeln, der gesellschaftliche Preis ist entsprechend hoch.

Ginge es primär um „Todesverhinderung“ wie Thea Dorn sagt, hätte Deutschland vollständig versagt, die Zahl der Opfer geht mittlerweile auf 90.000 zu. Seit der zweiten Welle wurden unzählige Menschen sinnlos geopfert, man sollte wenn überhaupt von einem „Todeskult“ sprechen, mit Menschenopfern vermeintlich „zugunsten“ der Wirtschaft. Tatsächlich gibt es nämlich keinen Widerspruch zwischen der Bekämpfung der Pandemie und wirtschaften, im Gegenteil, das zeigen Taiwan, Australien, Neuseeland und China, aber auch Norwegen und Finnland.

Die Erhaltung des Wirtschaftskreislaufs ist auch der Grund dafür, dass bei Hongkong-Grippe 1968 keine umfassenden Maßnahmen ergriffen wurden. Die produzierende Industrie spielte in westlichen Ländern damals eine größere Rolle und die BürgerInnen europäischer Festlandstaaten erwarten heutzutage, dass Staaten fürsorglich handeln. Dies ist im Rahmen des Grundgesetzes möglich, ja sogar erforderlich. – Philip Baum

 

Schuster bleib bei deinen Leisten, Schauspieler sein klappt gut, Politaktivist lieber nicht ! Da ich Werk und Person bei Kulturschaffenden schon lange nicht mehr verwechsle, werde ich weiterhin Fan des Schauspielers Liefers sein. Die Meinungen des Mitbürgers Liefers enttäuschen mich zutiefst. Der Stil der Aktion ‚Dichtmachen‘ entspricht nicht dem Ernst der Lage und ist wenig einfühlsam. Ich schlage als Wiedergutmachung vor, dass Herr Liefers 2 Tatortgagen in eine Stiftung für notleidende Künstler einzahlt und Herr Spahn 2 Monatsgehälter drauflegt. Zwei Zeitseiten sind zuviel für soviel Geplänkel ! – Gerda Röben

 

Unabhängig von der Frage, wie man die Aktion #alles dichtmachen bewertet, geht mein Dank an Jan-Josef Liefers, der Dazwischen-Menschen wie mir eine Stimme gibt. Neben viel Weiß und manchmal auch Schwarz in der ZEIT gerne mehr davon! – Helga Schuberth

 

Es ist bezeichnend, wie auf diese Aktion reagiert wurde. Immanuel Kant hatte bereits empfohlen, habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen. Dieser Aufforderung folgen, heisst nachdenken. Nachdenken kann zu Zweifeln führen, wenn sich die Sachargumente für die Entscheidungen widersprechen und nicht nachvollziehbar sind. Die Reaktion eines Teils der Öffentlichkeit verstand das Ansinnen der Aktion „allesdichtmachen“ nicht. Ihre Haltung zu den Massnahmen der Bundesregierung stand fest. Diese sind alternativlos.

Um nur keinen Zweifel an den getroffenen Entscheidungen der Bundesregierung aufkommen zu lassen und keine Zustimmung seitens der AfD zu erhalten, wird gegen jeden Zweifler eine „Gegenstimmen“ entwickelt. Welch eine Debattenkultur offenbart sich hier, Haltung und Moral vor Tatsachen. Gerade angesichts einer Pandemie sollte sich die Bundesregierung nie sicher sein, dass es auch andere Betrachtungsweisen gibt. Das stellte Richard Jefferies, 1838 – 1887, britischer Schriftsteller und Freigeist, fest: „Never, never rest contented with any circle of ideas, but always be certain that a wider one is still possible.“ – R. Renaux

 

Herr Liefers hat Angst Das hätten sich sicher viele gewünscht: Gehör zu finden mit ihrem aktuellen Befinden, über mehrere Seiten in der ZEIT, interviewt zusammen mit dem Gesundheitsminister, befragt von der Chefredaktion. Allein, als Krankenpfleger, Intensivmedizinerin, Mutter im HomeOffice oder pausenloser Logistik-Renner bei amazon fehlt es an Prominenz. Und so erfahren wir einiges über den Zustand von Herrn Liefers, der uns das Wesentliche dazu bereits in der Überschrift verrät.

Nachdem uns nahezu jedes Tatortkommissariat seine Gefühlslage in dem unsäglichen und überflüssigen Spot #allesdichtmachen aufgedrängt hat und wir erfahren konnten, was manche privilegierte Schauspielerinnen in Deutschland so umtreibt, waren immerhin viele von ihnen klug genug, ihren missglückten Beitrag zu dieser unverständlichen Aktion wieder zurückzuziehen. Nicht so Herr Liefers. Zu schön ist es im Rampenlicht zu stehen. Und gibt es kaum einen Kanal, in dem ich mich ihm entziehen kann, so reicht ihm das offensichtlich noch nicht. Ja – die derzeitige Nachrichtenlage kann panisch machen. Sie muss es aber nicht. Wenn es Jan-Josef Liefers hilft, alles mal abzuschalten (sicher die Sendungen, in denen er unermüdlich auftritt, ausgenommen), so hilft es mir, mich dort zu informieren, wo ich seriös mit Hintergründen versorgt werde.

Dass jemand meint, gerade aufgrund seiner selbstgewählten Desinformation besonders viel zu sagen zu haben – auch das erleben wir heute leider zu genüge. Ein Blick über den Tellerrand kann die eigene Panik oder die schlechte Laune, weil immer noch kaum Kontakte möglich sind, oder das Kino möglicherweise gar nicht mehr öffnet, ganz schnell relativieren. Denn von dort, wo die Staatsoberhäupter entweder Corona-Leugner sind oder sich dem Druck von mächtigen Einflussnehmern beugen, erreichen uns grauenhafte Bilder. Auch ich arbeite in der Kulturbranche und bekomme seit November Kurzarbeitergeld.

Davon lässt sich leben. Klar, ich würde gerne wieder arbeiten, aber wenn ich vom Balkon aus die unzähligen Amazon-, DHL-, DPD- oder Hermesboten schwer bepackt und teils orientierungslos durch das Gewirr von Nebenstraßen irren sehen, mein Paket möglicherweise auch dabei ist, dann weiß ich: mir geht es doch ziemlich gut. Nicht gut geht es mir mit dem Versuch, meinen Frust und meine zunehmende Wut darüber zu bändigen, dass ahnungslose Prominente, verschwörungsgläubige Wutbürgerinnen und eine bürokratieversessene Politik täglich dazu beitragen, dass die Pandemie noch ein bisschen länger anhält. Den Münsteraner Tatort habe ich mir geschenkt, wird eh immer schlechter. Ich habe ja noch das neueste Buch von Juli Zeh auf dem Nachttisch – ach so …. . – Inès Schumann

 

Eine freiheitliche Demokratie kann nur dann funktionieren, wenn sie dem Grundsatz folgt, die Freiheit des einzelnen hört dort auf, wo sie die Freiheit eines anderen verletzt. Das gilt auch für die Meinungsfreiheit. Wir sind gerade dabei, diesen Grundsatz leichtfertig über Bord zu werfen, einerseits aus Gedankenlosigkeit, andererseits aus egoistischen Motiven. Ich habe meine Zweifel, dass die Aktion der Schauspieler vom Krankenhauspersonal auf einer Covidstation oder den Patienten, geschweige denn von den Tausenden von Angehörigen, die Familienmitglieder, Freunde, Bekannte durch COVID verloren haben, diese Aktion so ‚lustig‘ gefunden haben. Schauspieler und Schauspielerinnen muss man eine gewisse Intelligenz unterstellen und erwarten können, dass sie eine Form der Kritik finden, die sich eindeutig an den Adressaten wendet, ohne andere zu verletzen. Das spricht nicht gegen Kritik an sich, aber gegen die Art der Kritik. Außerdem möchte ich sie daran erinnern, dass sie es nicht alleine sind, denen es schlecht geht, Existenzängste ihr Leben bestimmt. Es geht vielen Familien, Alleinerziehenden, Gewerbetreibenden ebenso, die nicht die Möglichkeit haben, mal so eben an die Öffentlichkeit treten zu können. Ich finde, diese Aktion war entbehrlich! – Klaus Roleff

 

Vorab kurz zur Thematisierung von #allesdichtmachen, insbesondere zum Streitgespräch zwischen Herrn Liefers und Herrn Spahn: Bei allem Verständnis für die Situation besonders der Schauspieler und Musiker (samt Bühnenbildnern, Veranstaltungstechnikern usw.): Ich finde es extrem befremdlich, dass eine Hashtag-Aktion, von der viele der Teilnehmer inzwischen selbst Abstand nehmen, direkt Titelthema der ZEIT wird. In diesem Rahmen hat – ebenfalls sehr befremdlich – Herr Spahn sogar Zeit für ein Gespräch. Obwohl er gar nicht Bundesbeauftragter für Kultur und Medien ist. Dagegen wurde eine andere Hashtag-Aktion, die kürzlich ein grundsätzliches Problem ansprach, das obendrein tatsächlich Herrn Spahns Zuständigkeit betrifft, in der gedruckten ZEIT bis dato komplett ignoriert: #nichtselbstverständlich zur Situation der Pflege. Wer schafft es, ein Streitgespräch zwischen Intensivpfleger Alexander Jorde und Jens Spahn zu organisieren? – André Fromme

 

Herr Liefers behauptet, von dem medialen Dauerfeuer immer meschuggener geworden zu sein und, dass er deswegen schließlich kaum noch schlafen konnte. Dabei stellt er einen kausalen Zusammenhang her, wo einfach keiner ist: Denn nicht das Dauerfeuer war der Schuldige, sondern er selbst, der die Informationen nicht steuern und vernünftig einordnen konnte. Sein „Therapieansatz“, alles abzuschalten und dieses Video zu drehen, ist der Versuch, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. – Berend Detsch

 

Just in time wurde im Nachgang der kollektiven Erregung auf Grund der Aktion von #allesdichtmachen eine Plattform für ein gemeinsames Gespräch geboten. Diese Initiative durch dieZeit wurde zwischenzeitlich mehr als notwendig, da sich gezeigt hat, hier stehen die Grundrechte einzelner in Gefahr. Im Gegensatz zu Versuchen anderer mit Liefers in ein anständiges Gespräch zu kommen, gelang es der Zeitdie Angelegenheit zu versachlichen, so dass dieses Interview nicht zum Brandbeschleuniger wurde.

Man mag über die Beiträge von #allesdichtmachen denken was man will und unterschiedlicher Meinung sein, doch die neuralgischen Punkte, die getroffen wurden, sind der Beachtung wert. Die Kommentare darauf – auch in einigen Printmedien – machen zweierlei deutlich und beweisen im Nachhinein, dass es tatsächlich mit der freien Meinungsäußerung und der Liberalität in unserem Land schlecht bestellt ist: Zum einen sind Zeitgenossen bereit aufgrund satirischer Kommentare einen Menschen wie Liefers gesellschaftlich zu vernichten wie die Äußerung von Garreit Duin und anderen deutlich machen) und zweitens dienen jene nun als hervorragende Sündenböcke von der eigentlichen Problematik abzulenken, die jahrelangen Versäumnisse im Gesundheitswesen.

Es lässt sich nämlich in Interviews und Kommentaren erkennen, wie im Handumdrehen Liefers unterstellt wird, er würde mit seinem Beitrag die Arbeit der Pflegenden auf den Intensivstationen verächtlich machen. Man fragt sich als unbeteiligter Beobachter: Sind das im Moment die einzig möglichen logischen Konsequenzen? An was macht man das fest? Bedeutet Kritik an der Corona-Einschätzung der Regierung und deren Maßnahmen gleichsam, dass man das Pflegepersonal verächtlich macht und ihnen schadet? Man reibt sich beim Lesen des Interviews die Augen, wenn man irgendwann den Eindruck gewinnen kann, dass bei der ganzen Diskussion am Ende Liefers derjenige ist, der Unheil über das Pflegepersonal bringt und Jens Spahn derjenige, der es vor ihm in Schutz nimmt.

Es ist schon bezeichnend, dass Spahn – wie es scheint – das komplette Pflegepersonal in diesem Land in kollektiver Erregung infolge der Aktion #allesdichtmachen sieht. Es ist zu vermuten, dass es auch einige darunter gibt, deren Intellekt ausreicht, um die Intention des Ganzen zu durchschauen und zu merken, dass man sich mit „sanften“ Mitteln kein Gehör mehr verschaffen kann. Wie gesagt, in solchen Zeiten braucht man Sündenböcke, auf die man all das ablädt, was sich an Aggressionen in dieser Corona-Zeit angesammelt hat. Denn, wer ist denn schlussendlich verantwortlich für die katastrophalen Zustände in den Kliniken?

Mir tun diese Menschen leid, die sich abmühen und die mit anschauen müssen, wie Vertreter ihres Standes in den Medien die Nöte beschreiben, wie unlängst Ricardo Lange, der händeringend darum bittet, dass es mehr Personal geben möge. Weitere werden folgen, ändern wird sich dort wohl nichts! Dem Gesundheitswesen würde man auch eine solch radikale Lobby wünschen, wie die, die gegen #allesdichtmachen aus dem medialen Boden gesprosst ist. – Edgar Tuschy

 

Sehr begrüßenswert, dass die ZEIT den bundesweiten „Coronadiskurs“ um dieses Interview bereichert hat. Herr Liefers ist nicht rechtsextrem und auch kein Coronaleugner. Zu all den bisher getroffenen Maßnahmen steuert er eine notwendige, relativierende Meinung bei. Eigenartig hingegen die Äußerung des Gesundheitsministers. Das Virus ist also der Feind von Kunst und Kultur, nicht die Politik! Viren sind weder freundlich noch feindlich. Politik hingegen, und hier möchte sich Herr Spahn offensichtlich aus der Verantwortung verabschieden, muss auf kategoriefreie Naturerscheinungen reagieren, urteilt und lässt so auch Kategorien aufscheinen.

Kultur und Kunst wurden in die Kategorie „verzichtbares Freizeitvergnügen“ einsortiert und dicht gemacht. Spahn sagt es ja selbst. Er sei auch gern „gesellig“ und sähe sich auch einmal eine Ausstellung an. Doch die Betrachtung von Kunst geht weit tiefer als Geselligkeit. Sie rührt an den Fundamenten unseres Seins, ist ein interpretierendes Fenster in unsere Wirklichkeit! Herrn Spahn sind diese Zusammenhänge unwichtig. Museen, Theater, Konzerte müssen dem feindlichen Virus geopfert werden. Großschlachtereien und ähnlich systemrelevante Errungenschaften bleiben natürlich offen. Hier steckt sich niemand an. Hier sind Viren freundlich. – Dr. Wolfgang Stöcker

 

Ich lese Ihre Zeitung seit gut 20 Jahren. Jetzt hatte ich erstmals das Gefühl: Wenn es jemals eine Ausgabe ‚beste ZEIT aller Zeiten‘ gegeben haben sollte, dann die vom 29.4.2021. Das liegt neben vielem anderen ganz entscheidend an den Interviews mit J.J. Liefers (sehr gut der Punkt zu den pauschalen Politikmanövern und der umgekehrt eingeforderten Differenzierung aufseiten der Kritik bzw. Kunst) sowie mit Th. Dorn u.a.: Wie schön, dass es noch Menschen gibt, denen der unkritische Glaube an bloße Prognosen und abstrakte „Modelle“, an die „Supercomputer des Homo Deus“, die Ersetzung von Politik durch angeblich „alternativlose“ Technik und Naturwissenschaft auf- und missfällt. Dem determinismusgewöhnten Zeit-(Un-)Geist sind „Gängelungen“ offenbar lieber als das Nachdenken über deren Begründungen, Verhältnismäßigkeit und langfristige Folgen.

Könnte es sein, dass wir eine Schrumpfung des Geistes in Abhängigkeit zur individuellen Unterwerfung unter das dauerzustimmungsgebietende Internet (Cookies) sowie zur jeweiligen Bildschirmgröße erleben (die Smartphoneepidemie währt schon länger)? Deshalb mag formalistische KI den Konformisten inzwischen als der menschlichen Geistbegabung gleich oder gar besser erscheinen. Bitte geben Sie kritischen, kreativen, freien Stimmen, insofern sie der sachlich-argumentativen Auseinandersetzung verpflichtet sind, weiterhin Raum. –

Ein Wermutstropfen bei dieser Gelegenheit: Als geborener Ossi Jahrgang ’77, der einige Jahre ‚im Westen‘ gelebt hat, bedaure ich, dass Sie jede Woche 3 (!) Seiten „Zeit im Osten“ drucken, wodurch mir seit geraumer Zeit sämtliche Leserzuschriften entgehen, die ich in der ‚westdt. Ausgabe‘ gern gelesen habe. Nach mehr als 30 Jahren Wiedervereinigung sollte die ZEIT überall gleich erscheinen – gern auch mit ein-zwei Seiten „Osten“ bzw. sonstigen Regionalien im Wechsel, aber für alle: Gesamtdeutsch lesenswert war/wäre z.B. das große Interview mit C. Dieckmann vor einigen Wochen. – PD Dr. Friedemann Drews

 

So divers wie diffus wir Menschen in unserem Tun und Lassen mitunter auch sein mögen, unsere Existenz hat schon immer zwischen der Güterabwägung von Freiheit und Sicherheit gependelt. In dieser ungewohnt langen und erschöpfenden Krise ist das nur viel erheblicher geworden. Und weil das so ist, sollten wir alle zusammenhalten, Verantwortung und Sachlichkeit bei unserer Kritik, aber ebenso bei unserer Gegenkritik bewahren. Bedeutet: Die Chancen, in einer Krise aufzuklären und dazuzulernen, verschiedene Ansichten und Einsichten zu vermitteln, sollten wir – nicht zuletzt im Sinne der Presse- und Meinungsfreiheit (heute, am 03.05.2021, diesjähriger internationaler Tag der Pressefreiheit!) – sehr bewusst wahrnehmen. Das pure Niedermachen der Initiatoren von #allesdichtmachen, zumal die nun bekanntgewordenen Morddrohungen gegen Meret Becker, sind absolut nicht akzeptabel. Denken wir dran: Das Virus ist unser Gegner. Und gegen diesen Gegner brauchen wir alle kraftvolle Entschiedenheit und Geschlossenheit. – Matthias Bartsch

 

Die letzten Frage der ZEIT in dem Streitgespräch sowohl an Jens Spahn wie auch an Jan Josef Liefers lautet: „… eine Aufforderung, sich mal in … Klinik auf der Intensivstation anzuschauen, wie die Mediziner und Pflegekräfte dort arbeiten. Würden Sie da eine Schicht machen?“ Klare, eindeutige Antwort von Jan Josef Liefers („Ich habe mich schon angemeldet.“) Die Antwort von Herrn Spahn war wie häufig eine allgemeine Floskel. Mehr hat mich aber geärgert, dass keiner der beiden Interviewer nachgehakt hat und um eine eindeutige Antwort gebeten hat! Ein Austausch ist ein Austausch. Eine Schicht ist eine Schicht. Ein großer Unterschied. – Gerd Böhmer-Lürwer

 

Danke an „die Zeit“ bzw. an Herrn Chefredakteur, Giovanni di Lorenzo und Frau Charlotte Parnack für das Interview: Minister Jens Spahn und Jan Liefers. Hier ein paar Gedanken als Ärztin, Wissenschaftlerin und Lehrerin dazu: Die Frage „der Zeit“ warum Herr Liefers den Mund aufgemacht hat, obwohl er von den Maßnahmen selbst nicht unmittelbar betroffen ist, finde ich gut – aber gleich zu vermuten, dass er Robin Hood spielen möchte?

Das, was H. Liefers gemacht hat, nenne ich Solidarität und der Sinn war:.. er wollte Räume öffnen, d.h. die geistige Enge der gegenwärtigen Politik öffnen. Und das ist ihm bestens gelungen. Denn Herr Minister hat sich persönlich für ein Gespräch bereit erklärt! Also hat er auch einen neuralgischen Punkt bei Herrn Minister getroffen. Und H. Liefers hat auch etwas gelernt, nämlich die Geschichte unserer Gesellschaft: es haben sich viele, viele „Blasen“ in der Gesellschaft gebildet, die ein bestimmtes Meinungs- oder Gedankenbild vertreten, sich aber anderen Blasen gegenüber Rechthaberisch und Feind-bild-erzeugend verhalten, damit den Zugang zu einer anderen Blase, dem Anhören einer anderen Meinung, verschließen. Das ist unser gesamtgesellschaftliches Problem, das sich auf allen fachlich-inhaltlich- verschiedenen Themen findet: in der Wissenschaft in der Medizin, in der Philosophie usw.…….

Die Vielfalt der Welt ist so groß geworden, dass es objektiv betrachtet sehr schwierig ist, sich über ein Thema, das für einen selbst fachfremd ist, allumfassend zu informieren, dann wollen die Bürgen nicht nur – wie in den vergangenen Gesellschaften – Untertanen der Macht sein (das nennt man ja Demokratie) und zuletzt hat sich eine Umgangs- und auch eine Handlungsform im Miteinander verbreitet, die nur noch in Begriffen, des Kriegsgeschehens formuliert und handelt.

Das beste Beispiel ist die Frage von H. Liefers.: warum wurden nicht andere Meinungen von honorigen Wissenschaftlern – er nennt hier konkrete Namen – von der Politik in ihre Maßnahmen-Entscheidungen einbezogen? Diese Frage wurde von dem Herrn Minister nicht beantwortet? Er hätte jetzt – inhaltlich – begründen müssen, warum er die anderen Ansichten zum Virus und vor allen Dingen zu dem Geschehen einer Pandemie und den Handlungsoptionen nicht in seine Entscheidungen eingeschlossen hat. Er behauptet: das Virus sei unsere Feind! Diese Meinung, die er als Nichtkenner (er ist ja kein Fachmann) des aktuellen Virus und seines Verhaltens und das allen andren – uns umgebenden – Viren einfach so feststellt, kann er nur von einzelnen Wissenschaftlern übernommen haben. Das genau ist sein Fehler! Das ist die pauschale Erzeugung von „Krieg gegen den Feind“ und all seine Kraft richtete er jetzt auf die Eradikation – wie er glaubt – des Feindes.

Auf die Frage von H. Liefers, ob er nicht irgendeinen Gedanken für die vielen Millionen, die noch kerngesund sind, hat, äußert der Minister Verständnis, aber mehr auch nicht – er kann nicht aus der Handlung von H. Liefers und den anderen Künstlern, die eigentlich richtige Antwort finden, nämlich, sein Gedankenbild zu ändern, sich zu öffnen für die Anderen und das nicht nur, weil er Kunst und Kultur auch gern hat, sondern weil dieser Teil unseres Lebens für die Erhaltung unserer Gesundheit, für den Erhalt der Gesundheit vieler, vieler Menschen, die bisher noch kerngesund sind, äußerst wichtig ist. Das Virus ist nicht unserer Feind, sondern es ist Teil der Natur und wir können nicht all unsere Kraft nur auf die Kriegsführung gegen diesen vermeintlichen Feind richten, sondern wir müssen mit ihm in friedlicher Koexistenz leben und wir müssen uns davor schützen, dass er uns nicht die Gesundheit schädigt.

Dazu haben wir in unserem Körper (in unserer kleinen Natur: Mensch) ein ganzes System zu Abwehr, das Immunsystem, was uns vor einem Virus mir diesen Eigenschaften schützt. Und das oberste Gebot dieser Stunde ist, dieses System in uns zu schützen und nicht wie es jetzt gerade durch die Politik gemacht wird, es zu zerstören. Das geschieht mit der Kultur, ihre Aktivitäten werden verboten, anstelle mit Bedacht und Rücksicht auf die Eigenschaften des Virus und dem Schutz davor es zuzulassen und das geschieht mit der Schließung von Einrichtungen, in denen das eigene Immunsystem gestärkt, gekräftigt oder trainiert wird, wie sportliche Betätigung in sozialer Gemeinschaft und es geschieht mit der Schließung von Thermalbädern und Saunen, die eine der stärksten Methoden zu Aktivierung, zur Kräftigung, zum Training des eigenen Immunsystems und damit der Abwehr z.B. gegenüber dem so nicht ganz so „friedlichen“ Viren, dient. Und das geschieht auch, in dem man den zwischenmenschlichen, sozialen Kontakt verbietet – auch in Familien -, damit schädigt man das System, was wir brauchen, um mit dem Virus in friedlicher Koexistenz zu leben.

Vergleichbar ist dies in der Medizin mit der einzigen Strategie (also der Kriegsführung) Bakterien, die Krankheiten hervorrufen können, mit Antibiotika zu töten – das hat dazu geführt: die Bakterien entwickelten Abwehrmechanismen. Und nun haben wir keine Mittel (Antibiotika) mehr zur Abwehr. Es ist aber genauso wichtig oder sogar viele wichtiger das eigene angeborene Abwehrsystem zu stärken und das erworbene Immunsystem zu kräftigen. Dann können wir – ganz friedlich – das Virus mit unserem eigenen Immunsystem einfangen und an seiner Vermehrung hindern, oder es vernichten. Kurz gesagt: das Gleichgewicht in der Natur „Mensch“ wiederherstellen. Die wichtigste Aufgabe der Stunde besteht darin, all unsere Kräfte darauf zu konzentrieren, das eigene Immunsystem zu stärken und die Abwehr gegenüber dem aktuellen Virus (Schutz vor Infektion) in allen Handlungen mit einzuschließen.

Wir müssen uns dazu eine gesamtgesellschaftliche Umgangs- oder Gesprächsform erarbeiten und aneignen und damit versuchen, uns auch Fachübergreifend zu verstehen. Am besten ist das eben – wie H. Liefers sagt – mit Freunden, welche es verstehen, die Fachspezifischen Kenntnisse so zu vermitteln, dass sie auch ein Fach-Fremder versteht. Nur so kann man Handlungen entwickeln, die für Alle Menschen nützlich und gerade sogar nötig sind, um das Ziel zu erreichen, friedlich mit Viren, Bakterien und allen anderen Kleinstlebewesen, die in unserem Körper und der Umwelt leben und ohne die wir überhaupt nicht existieren könnten, auf dieser so fantastischen Erde möglichst glücklich zu leben. – Dr. med. Annegret Balogh

 

Bemerkenswert ist die persönliche Geschichte, die Liefers zu seiner Aktion erzählt. Es waren nicht der Inhalt und nicht die Qualität der Corona-Berichte, die ihn „immer meschuggener“ gemacht haben, sondern die schiere Masse an Informationen, und letztlich die eigene Unfähigkeit, die Grenzen seiner Aufnahmekapazität frühzeitig zu erkennen. Erst der Anspruch, stets hundertprozentig auf dem Laufenden zu sein, und dann, da das nicht gelungen ist, die vollständige Abschottung gegen jegliche Information. Ein Alles-oder-Nichts-Prinzip mit fatalen Folgen. Den Medien sollte meiner Meinung hier kein allzu großer Vorwurf gemacht werden. Letztlich kann und muss jeder selbst entscheiden, wieviel an (Corona-)Information für ihn gut und bekömmlich ist. – Klaus Botzenhardt

 

Ein guter Anlass, um den Millionen Menschen in diesem Land zu danken, die die vielfältigen und zum Teil existentiellen Bedrohungen durch die Pandemie ebenso ertragen, wie die vielen fragwürdigen Aktionen, mit denen sich Menschen in diesem Zusammenhang in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit drängen. Um nicht meschugge zu werden hat es Herr Liefers sogar geschafft, dass sich der Gesundheitsminister höchst persönlich Zeit für seine Befindlichkeiten genommen hat. – Peter Appelrath

 

An vielen aufgebrachten Reaktionen auf die Aktion #allesdichtmachen konnte man ablesen, wie sehr J. J. Liefers und Kollegen eine wunde Stelle in der deutschen Demokratie berührt hatten. Das unglaubliche Geschrei von Garrelt Duin, der für Liefers und Tukur eine zukünftige Nichtberücksichtigung forderte, war wohl die Krönung eines von Diffamierung bestimmten Diskurses(von den Drohungen in den sozialen Netzwerken einmal abgesehen). Nicht Inhalte wurden diskutiert, nein nur die Anschlussfähigkeit zur politischen Rechten gesucht und dadurch ein Meinungsaustausch unmöglich gemacht.

Das kennt jeder „Maßnahmen“-Kritiker seit nunmehr einem Jahr. Gott sei Dank hat Armin Laschet früh auf die Meinungsfreiheit verwiesen, was von Seiten der Kanzlerin mehr als wünschenswert gewesen wäre. Doch spätestens seit der Bundesnotbremse sollten wir ihr verqueres Demokratieverständnis nur noch bedauernd hinterfragen. Schade, dass sich Liefers und Kollegen für ihre Parodien rechtfertigen mussten. Das zeigt auch viel vom Kunst- und Freiheitsverständnis in unserem Lande. Fiktionale Sprechweisen werden von vielen Kritikern, Kollegen und Hypermoralisten nicht mehr verstanden.

Der ständige Hinweis auf Zynismus wirkte ermüdend. Kunst darf und muss auch mal wehtun. Der Lockdown tut auch weh. Und auch daran leiden Millionen Menschen. Wenn J. Spahn als Replik auf Liefers nichts anderes einfällt als auf die Überlastung des Pflegepersonal hinzuweisen, ist das zum einen eine Instrumentalisierung und zweitens eine infame Heuchelei. Wir wissen, dass durch die Gesundheitspolitik der Bundesregierung die Intensivpflege schon mindestens seit einem Jahrzehnt überbelastet ist. Komischerweise wehrt sich Spahn gegen eine Instrumentalisierung der Corona Toten.

Genau aber das macht die Bundesregierung seit März 2020. Italien, USA, Totengedenken im April, immer wieder Lauterbach und die weinerliche Kanzlerin. Und eben das nur, um jede verschärfte Massnahme zu rechtfertigen. Ach , wer das alles nicht sieht, solle sich noch einmal die Videos von # allesdichtmachen angucken. Vielen Dank für die von diesen, aber jetzt auch von Ihnen angestossene Debatte. „Und verzweifeln Sie ruhig- aber zweifeln Sie nicht.“ Oder, „die Maßnahmen dürfen nicht hinterfragt werden „(L.Wieler) und jetzt heisst es „gehorchen“ (!!!) (W.Kretschmann). Von einer „Erziehung zur Mündigkeit“keine Spur mehr. Adorno scheint vergessen. P.S. Letzte Woche hat W. Goertz in der RP einen Brief an Prof. Boerne geschrieben. Ich habe Goertz im Auftrag von Prof. Boerne geantwortet. Leider ist die RP nicht darauf eingegangen. Ich möchte Ihnen daher diesen Brief zukommen lassen: Sehr geehrte Redaktion, sehr geehrter Wolfram Goertz , wenn wir uns schon im Reich des Fiktionalen bewegen, antworte ich Ihnen gerne im Auftrag unseres hochgeschätzten Professors. Er hat mich gebeten Ihnen folgende Worte zu übermitteln:

Sehr geehrter Wolfram Goertz, wie Sie wissen, arbeite ich als Rechtsmediziner in Münster. Die Aufgabe eines Rechtsmediziner besteht darin, mittels einer Obduktion von den Toten für die Lebenden zu lernen. Und das ist gerade in Pandemiezeiten sehr wichtig. Leider wurde diese wichtige Arbeit sowohl vom RKI als auch von Behörden und so auch der Politik von Beginn der Pandemie an unterdrückt. So habe ich bisher auch noch keinen Covid 19 Toten auf meinem Tisch gefunden. Dank meines Kollegen Professor Püschel aus Hamburg haben wir entscheidende Erkenntnisse gewinnen können, die den Alternativlosen in Deutschland (L.Wieler, K.Lauterbach, A. Merkel, Chr. Drosten und natürlich viele Journalisten) nicht immer passte (Vorerkrankungen, Alter der Toten…)

Leider ist das Sektionsinteresse in Deutschland immer noch recht schwach und die politisch Verantwortlichen sind kaum für unsere Argumente empfänglich (siehe auch Prof. Püschel 3.2 im NDR). Auch bei meinen Kollegen in der Intensivmedizin gibt es doch sehr unterschiedliche Meinungen zur Überbelastung der Intensivstationen und dem dazugehörenden Alarmismus (siehe dazu: Sind bald alle Betten belegt?/ Die Zeit 15.April). Das Problem liegt wohl eher bei einem weiteren Versagen der verantwortlichen Politiker, die es gerade im vergangenen Jahr versäumt haben, das Gesundheitssystem zu stärken. Da sind sich die meisten Kollegen einig. Also, es gibt auch Alternativen zu einer aktionistischen Verbots- und Lockdownpolitik der Bundesregierung.

Wie aussagekräftig ist denn der Inzidenzwert, um damit eine Ausgangssperre zu rechtfertigen? Gibt es eine Übersterblichkeit? Haben Masken an der frischen Luft einen Einfluss auf das Infektionsgeschehen? Natürlich nicht!! Doch kommen wir zu Jan Josef Liefers, den ich natürlich in persona sehr schätze. Und ich schätze auch seine Aktion#allesdichtmachen… Eine wirklich gute und überfällige Aktion, die auf die vielfältigen Widersprüche in der Corona Politik aufmerksam macht. Kunst darf und muss auch mal wehtun. Sie darf ironisch, sarkastisch und auch zynisch sein. Das bin ich doch auch – und dafür werde ich geliebt. Wenn allerdings G.Duin mit Konsequenzen für Tukur und Liefers droht ist das nicht nur geschmacklos, sondern das Ende der Meinungsfreiheit. So ja auch Lothar Wieler (die Maßnahmen dürfen nicht hinterfragt werden) oder auch W. Kretschmann (man muss gehorchen). Das ist nicht die freiheitliche Demokratie, die wir alle verteidigen sollten.

Gott sei Dank hat sich ja dann unser Ministerpräsident Armin Laschet für die Freiheit der Rede eingesetzt. Vielen Dank. Und was den Beifall aus der falschen Ecke betrifft, da gab es doch auch schöne Videos dazu. Oder waren diese so schwer zu verstehen? Vielleicht habe ich auch Sie und manchen Leser zum Nachdenken anregen können und wir reden endlich kontrovers und nicht mehr alternativlos über die Corona Politik in Deutschland. Mit pathologischen Grüssen von Professor Boerne i.A. Thomas J. Birgel M.A. P.S. Es wäre schön, wenn diese Gegendarstellung an prominenter Stelle in der R.P. gedruckt würde. – Thomas J. Birgel M.A.

 

Herr Liefers beschreibt sich in dem Gespräch als jemanden, der beim Thema Corona zwischen den polarisierten Gruppen steht. Er hat sich allerdings nicht gut genug informiert. Das für die Aktion verwendete Logo, zwei schräg übereinander gekreuzte Streifen, ähnelt frappierend einer Meme aus Netzwerken, die mit sachlicher Auseinandersetzung nichts am Hut haben. In voller Ausführung, samt stilisiertem Gesicht, symbolisiert diese Meme einen zugeklebten Mund. Ich sehe sie bei „Querdenker“-Demonstrationen und in einem Online-Shop für extremistische Werbemittel unter der Artikelbezeichnung „Meinungsfreiheit in deinem Land“.

Als Einstieg für Aktivisten, die zum Verteilen von Aufklebern angeworben werden sollen, bietet derselbe Shop einen „Kennenlern-Mix“ mit verschiedenen Motiven; darunter eben dieses. Auch im Mix: Hetze gegen Ausländer, besonders Afrikaner; Verteufelung von Frau Merkel; Agitation gegen Steuern; das Symbol von QAnon mit Aufschrift DAS GROSSE ERWACHEN – THE STORM IS HERE. Im Gesamtangebot auch noch viel mehr zu Corona: Autofähnchen, mit denen die Pandemie als Erfindung dargestellt wird, eine Gesichtsmaske mit dem Aufdruck eines „Judensterns“ und der Aufschrift „ungeimpft“, u.v.a.m.. Die Beliebtheit und zugeschriebene Genialität von „Professor Boerne“ wurde – unwissend – in einen schlechten Dienst gestellt. – Dr. Heide Richter-Airijoki

 

Ich habe die Beiträge von #allesdichtmachen weder als Debattenbeitrag noch als Sarkasmus verstanden, sondern als Ventil. Die angemessene Antwort ist darum für mich weder ein Streit noch ein Shitstorm, sondern befreites Lachen. Humor ist ein lebenswichtiges Ventil. Je ernster eine Krise, umso mehr Humor braucht man. Dieser Humor hilft den Schauspielern, die damit Luft ablassen, sie hilft aber auch anderen Menschen, die in dieser Krise am Virus oder an den Gegenmaßnahmen leiden oder andere leiden sehen.

Ich konnte jedenfalls über manchen Beitrag herzlich lachen und hatte dann die nötige Kraft, mich wieder mit den Maßnahmen abzufinden. Und ging mit meinen Gedanken zugleich zur Gruppe der Menschen, die in dieser Krise abgesehen von den schwer Erkrankten und Verstorbenen zu leiden haben. Dazu zählen auch viele Kulturschaffende. Wer über die Beiträge nicht lachen kann, weil es sein oder ihr Humor nicht ist, kann ja einfach weiterklicken. – Dr. Hans Joachim Stein

 


 

 

Leserbriefe zu „»Es geht nicht darum, wer recht hat«“. Gespräch mit Thea Dorn, Daniel Kehlmann und Juli Zeh geführt von Adam Soboczynski

 

Beim Lesen dieses Interviews habe ich das Gefühl, einem intellektuellen Leerlauf beizuwohnen. Auch den drei Autor*innen fällt nichts wirklich Neues mehr ein zur Pandemie und dem, was wir darin Alltag nennen. Man sieht dieselbe wurschtelige Gesamtunzufriedenheit ohne Lösungsideen, wie man sie auch aus Gesprächen mit Freunden und Familie kennt. Dass alle Teilnehmer*innen jede staatlichen Vorschrift fast schon als persönliche Beleidigung empfinden, kommt einem ebenfalls bekannt vor. Aber hier fehlt das, was Dorn, Kehlmann und Zeh normalerweise auszeichnet – die zusätzliche Reflektion.

Reflektiert wird über alles und jeden, aber nicht so wirklich über das eigene Empfinden, obwohl aus fast jeder Zeile die persönliche Betroffenheit und das persönliche Kämpfen mit dieser Ausnahmesituation hervortritt. Es fehlt im Gespräch im Grunde auch die Stimme, die stärker dafür argumentiert, dass ein Staat eben durchaus die Zuständigkeit hat, Regeln zu erlassen, um die Gemeinschaft zu schützen. Die drei Autor*innen können in diesem Gespräch dem Grundkonflikt nicht entkommen, der sich ergibt, wenn man einen liberalen Staat als Zielbild hat – aber weiß, dass sich mit schärferen, zumindest aber einheitlicher durchgeführten, Maßnahmen einige der über 83.000 Toten in Deutschland verhindern lassen hätten, dass aber mit wesentlich weniger Einschränkungen noch mehr Tote zu beklagen gewesen wären. Wie wir in den USA, Brasilien und aktuell auch in Indien sehen können.

Was das Interview allerdings letztlich ärgerlich macht, sind die diversen Sockenpuppen, mit zwischenzeitlich unhinterfragt argumentiert wird. Im Gegensatz zu dem, was im Interview behauptet wird, hatte Herr Kekulé nicht immer recht, und es wurde in wesentlichen Punkten nicht, bzw. erst sehr spät, auf wissenschaftlichen Rat gehört. Wissenschaftsskepsis ist auch keineswegs unpopulär, sondern gerade bei Corona und Klimawandel extrem populär. Die Binse „es gibt nicht die Wissenschaft“ ist da oft der Einstieg in alternative Welten.

Deutschland hat auch nicht einmal im Ansatz die Art von Lockdown umgesetzt wie China – nicht einmal die Art von Lockdown, wie Frankreich, Irland, Portugal usw. sie haben/hatten. Das Verhindern von Toten stand offensichtlich nicht ohne Abwägung ganz oben auf der Liste, sonst hätte die Politik seit Herbst anders agiert. Die Systemdiskussion wird nicht durch erneutes Aufwärmen besser. Corona schert sich nicht um Regierungsform und Politikstil. Einige liberale Demokratien sind besser als Deutschland durch Corona gekommen – die meisten autoritären Regierungen schlechter als China. – André Fromme

 

Was kann der Leser von diesem Aufmacherthema lernen? Künstler sind keine Wissenschaftler, das wollen und sollen sie sicher auch nicht sein. Künstler sind keine Politiker, das wollen und sollen sie ebenfalls nicht sein. Sie tragen auch keine politische Verantwortung und das ist die eigentliche gute Botschaft ihrer Diskussion: Sie werden dies hoffentlich nie tun. Gibt es denn keine Künstler, die wenigstens den Versuch unternehmen Wissenschaft umfassender zu verstehen? Bittet meldet Euch, weil Kunst Wissenschaft bereichern kann! – Dr. Gereon Rogoß

 

Im Gespräch mit den Schriftstellern Thea Dorn, Juli Zeh und Daniel Kehlmann macht Zeh eine wichtige Feststellung: «Das Verhältnis von Politik und Wissenschaft wird eine der wichtigsten Fragen bei der Gestaltung unserer Zukunft sein.» Nun, Aufgabe der Politik ist es, Ziele zu definieren. Aufgabe der Wissenschaft ist es, Mittel und Wege zu finden, wie diese Ziele zu erreichen sind. Aufgabe der Politik ist es wiederum, diese Mittel einzusetzen. Alles klar, wenn da nicht die Zielkonflikte wären. Im Falle der Pandemie gibt es bekanntlich den Zielkonflikt zwischen Sicherheit und Freiheit und ihren vielen Nebenwirkungen. Aufgabe aller Beteiligten ist es dann wieder, kurz- und langfristig dafür zu sorgen, dass die Opfer, die beim Lösen des Zielkonflikts unausweichlich sind, möglichst gering sind.

Ein Beispiel fürs die Problematik des Zielkonflikts zwischen Sicherheit und Freiheit liefert aktuell der Vergleich zwischen China und Indien. China hat dafür vorgesorgt, dass die Pandemie unter Kontrolle kam, durch Massnahmen auf dem Gebiet der Demographie und durch Installation eines Überwachungsstaats. Es ist ja klar, je dichter arme Menschen aufeinander wohnen, umso mehr Chancen hat eine Pandemie. Zu hohes Bevölkerungswachstum schafft auch auf den Gebieten der Ökologie und Ökonomie Probleme, für die weltweit Lösungen noch ausstehen.

Es wird ja häufig ein Vergleich gezogen zwischen Pandemie und Klima-Krise. Bei der Bewältigung von beiden Krisen spielt eben auch die Demographie eine Rolle. Interessant wäre die Frage, wie etwa Indien bei der Bewältigung von Armut und Pandemie erfolgreicher sein könnte, ohne die Menschenrechte ähnlich wie China teilweise zu missachten. Eine schwierige Aufgabe und eine Folge davon, dass es bei den Menschenrechten einen gravierenden Zielkonflikt gibt. Es ist der Zielkonflikt zwischen dem Recht auf Eigentum und den Rechten auf Lebensgrundlagen (Asyl, Medizin, Wohnen, Nahrung, Bildung, Bestimmen der Familiengrösse). Die zu grosse Inanspruchnahme letzterer Rechte ist eine Ursache fürs Plündern des Planeten (Tragik der Allmend).

Das Mittel dagegen liefert das Recht auf Eigentum. Bei China stellte sich das Problem, dass das Recht auf Bestimmen der Familiengrösse (ergibt sich indirekt aus den Rechten auf Religionsausübung und Gründen einer Familie) eingeschränkt werden musste, um langfristig das Recht auf andere Lebensgrundlagen für alle Chinesen zu sichern. Eine Ausgangs-Überlegung zum Lösen des Zielkonflikts wäre: Wir sind nur Gast auf Erden und sollte uns so aufführen wie gute Gäste, die den Nachfolgenden den Planet in gutem Zustand hinterlassen. – Dr. Gernot Gwehenberger

 

Ich habe das Interview einmal gelesen. Für ein zweitesmal hätte ich einen „inneren Widerstand“ überwinden müssen. Warum? Das liegt zum Einen daran, das der öffentliche Diskurs über die Corona-Politik durch die Aufzählung von dem, was die Interviewten nicht möchten, kaum befruchtet werden dürfte. Zum Zweiten erscheint mir die Skepsis an „der Wissenschaft“ inbesondere bei Herrn Kehlmann fadenscheinig. Er behauptet nämlich, dass – Herr Kekulè – (ein Wissenschaftler) „in seinen Einschätzungen fast immer recht gehabt hat“. Dumm bloß das die ignorante Politik auf andere zu hören scheint. Insgesamt bewerte ich den Erkenntnisgewinn aus diesem Interview deshalb als gering, weil ich nicht erkennen kann, welche Argumente für mich „verwertbar“ sein könnten. – Peter Broda

 

Mit #allesdichtmachen haben Schauspielerinnen Deutschlands gezeigt, wie frustriert sie über die aktuelle Situation sind. Das sie dies nun auf zynische Art und Weise tun, ist der Tatsache geschuldet, dass sie seit einem Jahr in Ungewissheit über ihre berufliche Zukunft verharren müssen. Sie treten hier stellvertretend für tausende Kulturschaffende in Deutschland ein, von denen bei der Mehrheit die komplette Existenz auf Eis liegt. Während die großen Unternehmen die Förderungen hinten und vorn reingeschoben bekommen hat die Bundesregierung mal eben Anfang des Jahres die Soforthilfe für Solo-Selbstständige abgeschafft und sie als verbesserte Überbrückungshilfe verkauft.

Längst könnten auch die Öffnungsstrategien die für Einkaufsketten gelten für Theater, Museen, Konzerthäusern etc. umgesetzt werden. Nun frage ich mich, wem bringt es etwas die Schauspieler:innen von #allesdichtmachen direkt in die rechte Ecke zu drängen, um sie mundtot zu machen? Das Gegenteil müsst ihr tun! Wenn das die AfD nutzen kann, um sich selbst zu erhöhen müssen wir dringend hellhörig werden. Die anderen Parteien müssen die Menschen auffangen, damit sie am Ende nicht wirklich den einzigen Ausweg im rechten Lager sehen. – Karoline Konrad

 

Auch wenn sich viele schon geäußert haben und einige von Ihnen ihre Teilnahme an der Aktion bereits bereuen und ihr Video zurückgenommen haben, möchte ich Ihnen hier noch etwas sagen. Ich kann einfach nicht begreifen, wie prominente Schauspieler und Schauspielerinnen, noch dazu recht priviligiert – auch in der Krise (vermute ich mal…), so platte, inhaltslose und zynische Videos posten können! Bei Satire arbeitet man auch mit Inhalten – und diese fehlen mir leider gänzlich bei der Aktion. Es gibt in dieser Pandemie Etliches zu kritisieren an dieser Regierung und deren Vorgehensweise! Das sehe ich in Bezug auf einige Punkte ähnlich! Auch mir fehlt eine Auseinandersetzung der Politik mit Kunst- und Kulturschaffenden in dieser Krise, sowie eine damit verbundene vernünftige finanzielle Unterstützung dieser Branche!

Es hätte deshalb so viele Themen gegeben, die Mensch mit dieser Aktion hätte ansprechen können – oder satirisch hätte verarbeiten können. Sei es die weiterhin laufende Waffenproduktion und der damit verbundene Waffenexport; der prominente Fußball und der damit u.a. verbundene enge Körperkontakt (bei dem WIR uns seit einem Jahr stark einschränken müssen) – während kleine Vereine nicht spielen dürfen und teilweise pleite gehen; die laufende Autoproduktion; die finanzielle Unterstützung der Lufthansa oder großer Kreuzfahrtreedereien, die jahrelang keine vernünftigen Steuern gezahlt haben und trotzdem Millionen erhalten haben und weiterhin erhalten; eine vernünftige Bezahlung und faire Arbeitsbedingungen für (Kranken-)Pfleger und Krankenschwestern usw. – wie nicht zuletzt auch die fehlende Unterstützung von SolokünstlerInnen und KünstlerInnen – und weitaus weniger bekannten Schauspielern und Schauspielerinnen, als Sie selbst es sind.

Mehrere Schauspieler und Schauspielerinnen der Aktion von „Alles dichtmachen“ sind jedoch weitaus weniger von der Krise betroffen als andere! Jan Josef Liefers und Ulrich Tukur spielen u.a. zudem noch in Bands – und von Ihnen, Ulrich Tukur, weiß ich, dass Sie letztes Jahr sogar noch Konzerte geben durften! Ich finde es schade und traurig, dass Sie alle Ihre Prominenz nicht dafür genutzt haben, sich in dieser Pandemie zu engagieren, indem sie beispielsweise für das Impfen oder Testen geworben hätten und sich für weitaus stärker betroffene Menschen eingesetzt hätten – auch sozial! Gerade WEIL so viele Menschen in beengten Verhältnissen wohnen – zum Teil mit häuslicher und/oder sexueller Gewalt – und nicht ein Loft, ein Haus in Italien oder Brandenburg oder einen großen Garten besitzen, hätten Sie etwas Produktiveres auf die Beine stellen können, wie zum Beispiel auch eine Vorlese-Aktion für Kinder. Diese finden in der Pandemie bisher auch nur sehr bedingt Beachtung!

Statt dessen werden per Video unreflektierte, zynische Ich-Botschaften (me, myself and I) rausgehauen, bei denen der Text offenbar nicht mal selber formuliert worden und von anderen vorgegeben worden ist! Diese Videos sind so doppeldeutig, inhaltslos, undifferenziert, wie teilweise auch einfach nur beschämend und in jeder Hinsicht misszuverstehen, dass diese nur von Querdenkern und Rechten gefeiert werden können – und ja nun leider auch werden! Es ist schon sehr erschreckend, sich damit u.a. ein Lob von Hans Georg Maaßen und Alice Weidel einzufangen – und danach immer noch an der Aktion festzuhalten, wie es einige von Ihnen tun! Dies rückt Sie ins rechte Mileu, nicht aber ins „rechte Licht“.

Neben einem (mindestens einem…) Schlag in das Gesicht für alle, die sich bisher an die AHA-Regeln gehalten und Maske getragen haben (in der Hoffnung, dass so die Pandemie zügiger zu beenden ist); für alle an Corona Verstorbenen und ihre Angehörigen; für an Corona aktuell Erkrankte – oder an „Long-Covid“-Leidenden; für die Menschen, die tagtäglich auf Intensivstationen um das Leben anderer kämpfen und dabei wohlmöglich noch traumatisiert werden (siehe auch Jan Böhmermanns Vorschlag, die Dokumentation der ARD/RBB über die Covid-Station der Charité in Berlin zu schauen); für alle, die während der Pandemie permanent arbeiten müssen (ohne – im Gegensatz zu manchen aus der Schauspielbranche – getestet zu werden!)…neben all dem – oder besser: VOR ALLEDEM – ist die Aktion Wasser auf die Mühlen der Rechtsradikalen und Querdenker – und die Gesellschaft wird und wurde dadurch nun noch mehr gespalten, als sie es aktuell eh schon ist!

Hinzu kommt dann noch, dass Menschen wie Sie, Jan Josef Liefers (an dem die Profilneurose von Dr. Prof. Börne aus dem Tatort offenbar auch etwas hängengeblieben ist), auf Kritik hochempfindlich reagieren und jede Kritik von sich weisen. Sie reagieren fast beleidigt, als Sie vom Moderator die Frage gestellt bekommen, ob Sie „wirklich so naiv“ seien (Interview WDR) und antworten, dass dies jemand zu Ihnen vom „Zentralkommitee in der DDR an der Schauspielschule“ zuletzt gesagt habe. Der Jan Josef Liefers, der in seinem Video von Mediengleichschaltung spricht und nach Meinungsfreiheit schreit – und gleichzeitig negative Kommentare zu seinem Video offenbar gelöscht hat! Es macht mich nur fassungslos!!!

Ich hätte Ihnen allen ein bisschen mehr (politische) Haltung und Kreativität zugetraut!!! Die Geschmacklosigkeit manch eines Videos hat mich fast staunen lassen und hat dazu geführt, dass ich mir auch nicht alle angeschaut habe, um innerlich nicht vollends zu eskalieren! Auch die politische Haltung des Regisseurs Herrn Brüggemann ist für mich nach manchem gelesenem Kommentar auf Twitter und einigen gelesenen Artikeln und Interviews SEHR fragwürdig! Wer genau nun welche Rolle bei der Initiation dieser Aktion wirklich spielt oder gespielt hat, ist für mich persönlich nach wie vor recht unklar und undurchsichtig!

UND: Wenn Mensch einen Diskurs mit diesen Videos starten wollte – wieso sind dann plötzlich so viele von Ihnen nicht bereit, sich (öffentlich) zu äußern??? Ich bin nach wie vor schwer erschüttert von der Aktion und hätte all Ihnen, diesen bekannten – nun mehr gelaubten „Größen“ aus der Schauspielbranche – mehr zugetraut! Mein persönliches Bild zu vielen von Ihnen, hat sich dadurch doch etwas geändert…! Eigenes Denken und Handeln wird in den Videos indirekt gefordert – aber vorgefertigte Texte von politisch fragwürdigen Personen übernommen…! Ich kann nachvollziehen, worum es vielen von Ihnen EIGENTLICH ging, aber dieser Zweck heiligt die angewandten Mittel bei Weitem nicht! Ich bin keine große Freundin von sogenannten „sozialen“ Medien und besitze auch keinerlei Profile dort – auch ein Shitstorm oder Drohungen sind nicht angebracht – aber manche Kommentare bei #allenichtganzdicht, treffen den Nagel auf den Kopf („Der Wurm soll dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“).

Auch Nora Tschirner trifft es sehr gut mit „#allesschlichtmachen“ und spricht von „zündeln“. Nicht zu Unrecht gibt es nun #allemalneschichtmachen! Das ist AUCH die Meinungsfreiheit, die Jan Josef Liefers offenbar ja so fehlt!!! Neben anderen, waren die Videos von Ihnen, Richy Müller, Volker Bruch oder Felix Klare, so komplett daneben, dass Mensch sich dann über entsprechendes Feedback nicht wundern darf! …und auch ich würde gerne mal wieder ans MEER, Ulrike Folkerts! …und dafür braucht es aktuell für einige Menschen offensichtlich MEHR Regeln, da sie sich sonst nicht daran halten (siehe bspw. die Querdender-Demos…).

Über die einzelnen Verbote und Regeln kann und sollte Mensch streiten und diskutieren, ja – aber es sollte nicht eine SO plakative Aktion, wie „Alles dichtmachen“ durchgeführt werden, dass genau DIESE Menschen, die ALLES in dieser Pandemie torpedieren, sich damit von Ihnen angesprochen und bestätigt fühlen. Das halte ich für politisch hochgefährlich!!!! Gesundheitlich sowieso! …und MEHR Regeln wünscht sich aktuell wohl so manche und mancher, der bzw. die momentan (oder seit der Pandemie!) auf einer Intensivstation arbeitet – nicht zuletzt, damit die Ansteckungszahlen mal runtergehen!!!! …und weniger Tote bzw. GAR KEINE Toten wären uns allen vermutlich auch lieber! In diesem Sinne:

Nicht alles ist von der Kunstfreiheit gedeckt…und einen Sekt für die Aktion zu öffnen, lohnt hier nicht! (Trotzdem danke ich Danger Dan für ein politisch sehr gelungenen, gehaltvollen Song!) Zu mir: Ich bin Sozialpädagogin und arbeite mit minderjährigen Flüchtlingen in einer Jugendwohnung in einer Großstadt. Ich habe erst seit ein paar Wochen die Möglichkeit, mich (privat) testen zu lassen (über meinen Arbeitgeber auch erst seit ein paar Wochen per Selbsttest 1x wöchentlich)! Ich arbeite regulär, auch mit Nachtbereitschaften – und Homeoffice ist bei uns nicht möglich! Wie es unseren Jugendlichen in der Pandemie so geht, interessiert kaum jemanden. Viele Berichte in den Medien gab es seit der Pandemie über unsere Arbeit als SozialpädagogInnen kaum! Das Augenmerk liegt hauptsächlich bei den ErzieherInnen und Kitas von Beginn der Pandemie an!

Warum? Vielleicht, weil die Eltern arbeiten können sollen, damit „der Laden“ (die Wirtschaft) weiterhin läuft?!? Um auf die Situation von Flüchtlingen aufmerksam zu machen, die SEIT JAHRZEHNTEN zu Tausenden an den EU-Außengrenzen ertrinken – oder anders auf ihrem Weg nach Europa ums Leben kommen – was aktuell kaum jemanden mehr zu interessieren scheint – mache ich auch kein Video, indem ich fordere, dass mehr Flüchtlinge ertrinken sollen, Frontex lobe – oder fordere, dass mehr „Push-Back-Operationen“ von Frontex durchgeführt werden sollen, weil dass ja „so schöne Wellen“ macht! Das wäre die gleiche Schiene Zynismus, wie in Ihren Videos – und ebenso doppeldeutig und misszuverstehen!!! Nur die Aufmerksamkeit – die hätte ich sicher…wie Sie jetzt auch…! In welchen Bereichen die Regierung ihre Prioritäten setzt, ist mir persönlich schon klar! Um andere Menschen darauf aufmerksam zu machen, braucht es aber bessere Aktionen, als Ihre (aller)letzte!!!! – J. Burow

 

Endlich Schluss mit der Tyrannei der Wissenschaftler! Meinung statt Wissen, Hauptsache wohlformuliert! Ich frage mich schon warum DIE ZEIT notorischen Raunern wie Herrn Kelhmann ein derartiges Forum bietet. Wer die Infektions- und Todeszahlen weltweit unvoreingenommen betrachtet, kann doch nicht umhin zu erkennen, dass es einen eindeutigen Zusammenhang gibt: Je weniger wissensgeleitet mit der Pandamie umgegangen wurde und wird, desto schlimmer. Weitaus am besten sind Gesellschaften davon gekommen, die wie Australien, Neuseeland, Südkorea und Taiwan schnell und konsequent gehandelt haben (bspw. mit überwachter und nicht nur angeordneter Quarantäne wie bei uns). Von dem Leben, das dort längst schon wieder möglich ist, können wir nur träumen – nicht zuletzt auch die Künstler.

Auch auf Vernunft und Selbstbeschränkung der Bevölkerung zu vertrauen (Schweden, Schweiz), war nicht wirklich eine gute Idee. Und wer nun argumentiert: Das sei eben der Preis unserer Freiheit und die Unversehrtheit des Lebens nicht alles, dem sei ein Blick nach Chile oder Indien empfohlen. Viren wie Covid 19 folgen einer Eigengesetzlichkeit, welche (die meisten) Wissenschaftler sehr gut verstehen, aber offensichtlich viele Künstler nicht: Sobald wir darin nachlassen, sie zu bekämpfen, gewinnen die Pandemie die Oberhand, getreu ihrer exponentiellen Wachstumskurve – die viele offensichtlich immer noch nicht verstehen, ebensowenig wie die mit jeder Infektion wachsende Gefahr, dass eine wesentlich aggressivere Variante entsteht, gegen die wir dann kein Gegenmittel mehr haben.

Nicht das Feuilleton wird uns retten, sondern das Wissen – und eine Politik, die nicht der lautstarken Minderheit folgt, sondern der Mehrheit: Zwei Drittel der Deutschen bewerten die Corona-Maßnahmen als gerade richtig oder wünschen sich weitergehende Einschränkungen. Zählt deren „Meinung“ nicht? Und schließlich frage ich mich, wann endlich die große ZEIT-Diskussion der führenden Epidemologen und Virologen über den Zustand der deutschen Literatur kommt. – Prof. Dr. Stefan Müller

 

Eine mögliche Diskussion unter Schriftstellern ist zu einer brodelnde Standpunktsuppe geraten. Zu einem Stammtisch. Wut ist der rote Faden des Gesprächs. Anfänglich versucht es Daniel Kehlmann mit einer differenzierenden Betrachtung. Aber auch er steigt rasch ein in den symbolischen Tanz um den „Ausnahmezustand“ undlässt sich vom Sog der Dämonisierung „der Politik“ und „der Wissenschaft“ mitreißen. Juli Zeh dagegen versucht immer wieder, die Ebene der Vernunft zu finden, um gegebene Probleme zutreffend zu beschreiben und eine angemessene Haltung für den Umgang mit ihnen einzufordern.

Insgesamt aber zwingen die Schriftsteller den Gesprächsführer Adam Saboczynski regelrecht in die Rolle eines Therapeuten in einer Gruppensitzung, der sich sanft und mit unterdrückter Ungeduld bemüht, den Weg heraus aus zu engen Einordnungen zu ermöglichen und die Perspektive durch einen Blick auf die Realität zu weiten. Offenbar wächst das Unbehagen in der Kultur auch bei den Kulturschaffenden gerade in dem Moment, wo die Kultur als Sublimierungsinstanz besonders gefordert ist. Juli Zeh sagt es richtig: Die Frage „Wie wollen wir leben?“ stellt sich nicht nur philosophisch, sondern immer drängender auch politisch. Wir alle müssen lernen, uns mit dieser Frage in einer guten Gesprächskultur zu befassen. – Reinhard Koine

 

Hören Sie auf. Das geht an alle Medien in diesem Land: Hören Sie bitte einfach auf. Hören Sie auf, privilegierten, weißen und fehlgeleiteten Künstler*innen eine Bühne zu bieten ohne ein kritisches, faktenbasiertes Gegengewicht. In Deutschland hat es Tradition, Dichter*innen und Denker*innen als wichtige gesellschaftliche Mahner*innen zu sehen. Und wissen Sie was? Bis vor kurzem fand ich das noch großartig! Doch dann kam #allesdichtmachen und in seinem trüben Kielwasser Interviews wie jetzt Ihre mit Zeh, Kehlmann und Dorn oder Liefers und Spahn. „Sind wir zu wissenschaftsgläubig?“ In einer Pandemie. So ein Satz in einer Pandemie! Die weltweit Menschenleben fordert!

Als wäre Deutschland im vergangenen Jahr von „der Wissenschaft“ regiert worden. Schön wär’s gewesen! Hätte man auf die Mehrheit der Wissenschaftler (Fachrichtung beachten) gehört, hätte es nämlich ganz andere Lockdowns gegeben – früher, umfassender, effektiver. Dann könnte sich jetzt keiner über endlose Lockdowns beschweren. Genau diese End- und Ziellosigkeit des Dauerlockdowns wäre verhindert worden! Aber davor stand leider „die Regierung“. Entschuldigen Sie, kleiner Scherz: „die Regierung“ haben wir ja gar nicht an dieser Stelle, wir leben im Föderalismus, und der Wettstreit von Egos von Ministerpräsident*innen der Länder (manche auf noch höhere Ämter schielend) in Kombination mit wenig treffsicheren Bundespolitiker*innen führte dazu, dass die Pandemiepolitik bundesweit mal direkt gegen die Wand fuhr.

Aber das sehen die Künstler*innen, die sich nun so grauslig selbstsicher zu Wort melden, ja nicht. Der Liefert z. B. komplimentiert dem Laschet bei 3 nach 9, anstatt Laschets offenkundigen Beitrag zur Verfahrenheit der Situation irgendwie kritisch anzufassen. Weil hinter #allesdichtmachen bei den Initatoren nämlich der Glaube steht, dass Corona doch halb so schlimm ist und, wenn wir uns alle jetzt mal gegenseitig frontal ins maskenlose Gesichts pusten, nicht wirklich was passieren würde. Sie haben das bei Telegram gelesen (Brüggemann)! Und das Schlimme ist, wie Menschen darauf hereinfallen. Erst Schauspieler*innen, die natürlich auch aufs Besetztwerden durch bestimmte Regisseure angewiesen sind, da hinterfragt man vielleicht nicht zu viel.

Dann aber auch viele Bürger*innen, die – es hat ja nicht jeder immer Zeit für vertiefte kritische Lektüre/Recherche! – nur „Kritik an der Pandemiepolitik“ wahrnehmen und sich freuen,* nicht aber die dahinter steckenden Querdenkereien oder die eigentliche Zielrichtung. *Verständlich – siehe zwei Absätze höher. Kommt bloß alles bei #allesdichtmachen nicht vor. Und dann dieses Privileg, dieses grauenvolle, zum Himmel schreiende Privileg. Schauen Sie auf die Studien, die gravierende Unterschiede in den Infektionsraten zwischen Villenvierten und den „sozial schwächeren“ Stadtbezirken zeigen. Und das ist nur mit Blick in Deutschland – aber dass in Indien die Leichen auf den Straßen verbrannt werden müssen, das scheint ja unseren großen Kritiker*innen (große Künstler*innen mag ich gar nicht mehr sagen) dann final zu weit überm Tellerrand. (Braune Menschen, so weit weg, da machen wir lieber das Mitfühlen dicht!) Wie schön muss es sein, als wohlhabende*r weiße*r Künstler*in sagen zu können:

Mir sind die Auflagen jetzt zu viel! Ich möchte das jetzt nicht mehr! Was Volkes Stimme ist, weiß ich natürlich genau, denn manchmal unterhalte ich mich kurz auf der Straße! Und dann dafür Titelgeschichten und Sendeminuten zu bekommen und Zeit mit Jens Spahn, der sich auch freuen wird, wie diese Kritik an den eigentlichen Problemen vorbeigeht. Vom Feedback auf Social Media kann man ja im Übrigen nur den guten Teil lesen, der Rest ist faschistoid. Dichter*innen und Denker*innen als wichtige gesellschaftliche Mahner*innen? Dass ich nicht lache. Entblößt stehen sie da, jeder treffenden kritischen (Selbst-)Analyse unfähig. Egoisten, Narzissten. Eine verdammte Gefahr für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Liebe Medien, bitte, machen Sie es nicht noch schlimmer. Bitte immer mal kurz innehalten, nachdenken, die Struktur und Dynamik dessen erkennen, was hier passiert. Und dann nicht einseitig berichten, aber kritisch! Umfassend informiert und informierend, was die Hintergründe der Gedankenwelten von Liefers & Co. angeht! Machen Sie die Entblößung öffentlich!

P.S.: … Und wenn Daniel Kehlmann doch so gern über Schweden reden möchte, warum nennen Sie dann nicht mal ein paar aktuelle Infektionszahlen von dort? Den In-Schweden-ist-alles-besser-Mythos kann man doch wunderbar an Fakten abprallen lassen. – Annette Klein

 

Ernsthaft? Riesen-Aufmacher mit einem „Interview“ mit drei „KünstlerInnen“ (Es sind AutorInnen!), die irgendwelchen, nicht belegten oder belegbaren Stuss in die Welt posaunen und da wird nicht ‚mal nachgefragt? Das war so unerträglich zu lesen. Wozu soll das gut sein? Warum bringt Die Zeit so etwas Inhaltsleeres mit dem Platzbedarf (Samt Titelbild sind das zwei ganze Seiten!)? Das Gespräch „Spahn-Liefers“ habe ich noch nicht gelesen. Ich habe Angst, dass es ähnlich unerträglich ist. Und noch eine weitere Seite im Feuilleton zu dieser #allesdichtmachen-Aktion. Das ist unverhältnismäßig viel Raum für ein paar Leute, die meinen, Sie müssten sich äußern. Fragen Sie lieber ‚mal Familien. Oder Alleinerziehende.

Das bin ich als Witwe. Ich kann da gerne Auskunft geben. Und bitte wer ist in der Politik „wissenschaftsgläubig“? Das tolle an Wissenschaft ist ja, dass man da gar nicht dran glauben muss. Wahrscheinlich sind Ihre „Künstler“ eher „selbstgläubig“ und halten sich für das Maß aller Dinge. Überlegen Sie nicht in der Redaktion, was Sie Platz und Raum geben wollen? Und was halt auch nicht? Ich stehe kurz vor Abo-Kündigung, weil das wirklich ein bisschen viel Gelaber ist in dieser Ausgabe. Da ist nichts recherchiert oder aufgearbeitet. Wird das dann für Sie billiger in der Herstellung der Zeitung? – Dr. Sara Schneider

 

Ein tolles Interview mit guten Antworten auf die notwendigen Fragen. Es gefällt mir wahrscheinlich aber auch deshalb so gut, weil es sehr gut zusammenfasst, was ich seit Anbeginn der Krise denke und sage. Ich habe nie verstanden und bin bis heute tief getroffen und frustriert, warum Menschen einerseits so leichtfertig, die Freiheit opfern und das Verteidiger der Freiheit von so vielen „Verantwortlichen“ so unfair, vehement und aggressiv bekämpft werden. Für mich gibt es nur zwei vernünftige Wege mit der Pandemie umzugehen, den schwedischen oder den chinesischen Weg. Anfangs hatte auch ich gedacht, der chinesische Weg wäre hier unmöglich, aber das stimmt nicht, insbesondere deshalb, weil man heute weiß, dass sich die Krise so innerhalb weniger Wochen beenden ließe.

Der endlose Wischi-Waschi-Lockdown ist gescheitert, ohne, dass es eine zugegebene Einsicht dazu gibt, bei den sogenannten „Verantwortlichen“. Im Altenheim meiner Schwiegermutter gab es Corona. Es gab Tote. Alle auf ihrer Station waren infiziert, außer sie selbst. Warum? Weil sie sich gezielt nicht an die mit dem Gesundheitsamt abgestimmten Regeln gehalten hat. Sie hat sich geweigert mit den anderen zusammen in einem Raum zu essen und hat sich mit anderen ausschließlich draußen getroffen. Draußen hat sie grundsätzlich auf die Maske verzichtet, um frische Luft zu tanken.

Man sieht, an diesem Beispiel, wie wichtig es, dass man selbst nachdenkt. Die notwendige Freiheit verteidigt und die individuell richtigen Schutzmaßnahmen ergreift. Wenn alles von oben vorgeschrieben wird, dann verlernen die Bürger verantwortlich zu handeln. Ich habe „die Zeit“ vor ein paar Monaten abonniert, weil ich hier eine fast immer sachliche, gute Berichterstattung gefunden habe. Das Stilmittel der Beleidigung wird bei Ihnen vermieden. Das finde ich selbstverständlich, aber leider ist es eine Ausnahme. Deshalb das Abo. Damit bin ich sehr zufrieden. – Christian Fahn

 

„Es geht nicht darum, wer recht hat.“? Doch, darum geht es. Es geht in der Krise darum, die besseren Strategien zu finden und die schlechteren zu vermeiden. Welche das jeweils sind wird in Deutschland und in allen anderen europäischen Ländern seit einem Jahr in einem endlosen, zermürbenden und oft wenig zielführenden Diskurs verhandelt. Beteiligt sind alle politischen Entscheidungsebenen und gesellschaftlichen Gruppen; darunter auch Leute wie Dorn, Kehlmann und Zeh, die keine Ahnung und eigentlich auch nichts zu sagen haben. – Joachim Krug

 

Ich bin enttäuscht: Sie haben nicht mit irgendjemandem gesprochen – eine hochkarätige Moderatorin, eine Juristin und Richterin und ein erfolgreicher Autor; alles Menschen, die sich über das Leben, die Gesellschaft und Belange des Mensch-Seins, die immer notwendigen Ausbalancierungsprozesse und verbrieften (gesetzlichen) Grundlagen Gedanken machen. Leider lese ich nicht viel mehr als die üblichen Gemeinplätze, Gedanken, die nicht über das übliche Niveau hinausreichen oder neue Impulse setzen.

Zwischen dem virologischen und pandemiebezogenen Wissenschafts-Input und anderen gesellschaftlichen Belangen in einem offenen, demokratiebasierten und doch auch nicht nur simplen Mehrheitsmeinungen folgenden Prozess die angemessene Ausgewogenheit zu finden, dem ist nicht mit seichtem Geplauder weitergeholfen. Gerade dieser Prozess ist unser Problem. Die widerstrebenen Aspekte führen zu dem „chaotischen“ Erscheinungsbild mancher politihschen Entscheidungsfindung. Hierzu trägt der Beitrag herzlich wenig Hilfreiches bei.

P.S.: #allesdichtmachen: Ich habe mir das gestern – sehr weitgehend – angeschaut. Nun verstehe ich die Aufregung nicht mehr. Warum muss aus jeder Aktion ein Skandal generiert werden? Die Spots sind gut gemacht geistreich, satirisch, humorvoll und kritisch. Das ist das, was wir brauchen in diesem Land: Eine Kritik-Kultur, die sich in unterschiedlichen Formaten artikuliert. Es ist ein wertvolles Gegengewicht zu der um sich greifenden dumpf-grollenden Niedermach-Kultur, die jeden Respekt vor Menschen, die anders denken, vermissen lässt. Ja – Kritik ist unbequem und in Zeiten, die vielen – den einen so- und den anderen andersherum, auf den Nerv gehen (den einen zu wenig Schutz und Konsequenz, den anderen zu viel davon und den Dritten von beidem etwas und zu chaotisch ….) trifft sie auf wundgescheuerte Gemüter. Wir sollten froh sein, dass diese Künstler der Kritik ein lebendiges und nachdenkliches Gesicht – humorvoll verpackt – geben!

Am Rande: Ich persönlich habe Verständnis für die Inkonsequenz, die in manchen politischen Maßnahmen zu liegen scheint, für die Verbitterung, die beruflich oder privat (z.B. Familien mit Kindern …) ausgebremste Menschen fühlen, wenn gleichzeitig an anderer Stelle Vergleichbares ganz anderes geregelt ist, wenn … . Ich habe Verständnis, daß in einer Situation, in der zwischen wertvollen Grundrechten eine Konkurrenz, ein Konflikt entsteht und Politik mit jeder Entscheidung entweder hier oder dort Grundrechte einschränkt (für manchen gefühlt: missachtet) viel Kritik, Frust, Verbitterung und auch Lebensangst entstehen kann und entsteht.

Danke den Künstlern für die Videos! Wir brauchen gerade jetzt auch die kritischen Stimmen, die sich von der rein zahlenbasierten, wissenschafts-getragenen und politisch auf Verwaltungs-Maßnahmen heruntergebrochenen Alltagswelt lösen und aus persönlicher Betroffenheit nachdenkliche Fragen kreativ artikulieren. Das blöde Argument bzgl. dem „Applaus von der falschen Seite“ sollten wir ganz schnell wieder einpacken, denn diese Aufwertung sollten wir der „falschen Seite“ nicht zukommen lassen. Menschenverachtendes „nur wir haben recht“ hat nun garnichts damit zu tun, was eine humorvolle, nachdenkliche, gut aufgemachte satirische Kritik formuliert. – Tilmann Wolf

 

Die Lektüre des Gesprächs zwischen den drei Schriftstellern ist ein tautologisches Geschwätz. Kaum neue Argumente kommen hinzu, jene von Frau Dorn, gefühlt in jeder zweiten Zeit-Ausgabe abgedruckt, sind hinlänglich bekannt. Man bleibt ratlos, warum die Redaktion die Debatte den Literaten überlassen hat – als ob sie zu denjenigen Bevölkerungsgruppen gehören würden, die zur Bekämpfung der Pandemie wesentlich (wie beispielsweise die Impfstoffentwickler) beigetragen haben. Was passiert, wenn der Staat (wirklich) versagt und Wissenschaft als beliebige Meinung oder Marotte abgetan wird, illustrieren gerade die Berichte aus Indien und Brasilien.

Interessanterweise sind es viele Vertreter der sog. Geistes- und Kulturwissenschaften, die in den Medien durch Krittelei auffallen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Getue ihre intellektuelle Verlegenheit kaschieren und ihre gesellschaftliche Relevanz aufwerten soll. Das konstatiere ich selbstkritisch als eine dieser „Berufsgruppe“ zugehörige Person.“ – PD Dr. Dariusz Adamczyk

 

„Es geht nicht darum, wer recht hat“, lautet die Überschrift des Gesprächs. Doch genau darum geht es. Und, auch wenn es weh tut, die Gesprächsteilnehmer irren. Ein Virus diskutiert nicht. Phänomene wie Pandemien oder das Klima berücksichtigen nicht „die Gesamtheit der Ansichten und Bedürfnisse“ (Frau Zeh), die Sie so gerne „zukunftstauglich“ vertreten würden. Die Schriftsteller prangern eine „Rhetorik des Ausnahmezustandes“ an, rücken in populistischer Manier die moderne Naturwissenschaft in die Nähe einer Science-Fiktion-Phantasie von einer totalen Steuerung, um selbst an dem Narrativ eines Ausnahmezustandes bezüglich einer bedrohten „Freiheit“ festhalten zu können.

Einer Maßnahmenfindung durch eine Beratung von Wissenschaftlern, welche sich auch des Werkzeugs der Algorithmen bedienen, vertraue ich mehr, als einer Suche nach Lösungen im Streitverfahren (Frau Dorn), die sich auf die seltsam anmutende Begründung stützt, dass „eine Pandemie nun mal nicht unter experimentellen Laborbedingungen stattfindet“. Statt angstbetont eine „Logik des Ausnahmezustandes“ an die Wand zu malen (Herr Kehlmann), wäre es hilfreicher, sich mutig der „Logik der Ausbreitung des Virus“ zu stellen. Dann wäre erkennbar, das hier nicht zwei Kämpfe gegeneinander gekämpft werden („Kampf“ gegen das Virus gegen Kampf für Freiheiten), sondern das alle Bürger einer Gesellschaft für eine gewisse Zeit ein gemeinsames Ziel verfolgen müssen, um ihr Leben behalten und ihre Freiheiten vollziehen zu können.

Deutschland hat eine moderne Intensivmedizin, tonnenweise Sauerstoff, Koffer voller Geld, aber findet keinen Mut, diszipliniert und entschlossen das Virus kurzzeitig an seiner Verbreitung zu hindern. Stattdessen lavieren wir uns, vermeintlich hilflos, in eine für viele mittlerweile unerträgliche und existenzbedrohende Dauerkrise. Statt die Freiheit des eigenen Handelns zu erkennen, liebe Literatinnen, und sich dafür einzusetzen, als Gesellschaft gemeinsam und entschlossen zu agieren – also zuerst etwas zu geben, um dann etwas zu gewinnen – haben zu Viele von uns in einem selbstbezogenen Freiheitsdiskurs Zuflucht genommen oder viel zu sehr auf die alleinige Wirkung einer Impfung gesetzt. – Jürgen Pilz

 

Der Einspruch der Künstler und #alles dicht machen. Ich verstehe nicht, warum mir „Die Zeit“ auf ihrer Titelseite einen seitenlanges überflüssiges Interview mit drei Schriftstellern zumutet, die mit der Realität hadern – nämlich der Tatsache, dass wir alle – und das weltweit – durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie in einem gesellschaftlichen und sozialen Ausnahmezustand leben müssen. Nur der Begriff stört: Ausnahmezustand. Da assoziiert man ja schließlich willkürlich Böses. Nur bitte gebt mir doch ein angemessenes passendes Wort dafür, ihr Kreativen, mir fällt gerade nichts ein!

Und kann mir jemand bitte sagen, welchen Tatort ich am Sonntagabend noch angucken kann ?! Ich bin schließlich 77 und habe meine Gewohnheiten. Aber welchem Kommissar/welcher Kommissarin kann ich noch ohne Verdruss ins Gesicht gucken? Wer Beifall von der falschen Seite bekomme, muss sich doch fragen, was er falsch gemacht habe. Oder? Bitte, liebe Kommissare und Kommissarinnen, lernt brav eure Drehbücher und spielt eure Rollen gut, mehr erwarte ich doch gar nicht. Ihr braucht mir nicht die Welt zu erklären. Die Erkenntnis, auch als bekannter Schauspieler/in nicht „sozial relevant“ zu sein wie etwa jeder malaiische Pfleger auf der Intensivstation macht eben manchen „meschugge. Tatsächlich. – Barbara Kaufmann

 

Eine Nummer kleiner, bitte. Künstler empören sich über Corona-Maßnahmen. Intellektuelle diskutieren über das Verhältnis von Politik und Wissenschaft. Im Ausnahmezustand werden „Wertediskussionen“ vermisst. Und dann wird noch beklagt, dass die politische Verantwortung auf den Einzelnen abgewälzt würde. Geht es auch eine Nummer kleiner? Natürlich hat der Einzelne die Verantwortung! Covid 19 ist eine hochansteckende und gefährliche Krankheit. Eine Pandemie ist kein lokales Hochwasser.

Und wenn jede und jeder sich an die Regeln halten würde, wären Ausgangssperren vermutlich nicht nötig. Dass die Politik der Wissenschaft folgt ist beruhigend. Sie tut dies auch beim Klimawandel oder beim Umstieg auf erneuerbare Energien. Also, wo ist das Problem? Etwas weniger selbstgefällige Aufgeregtheit täte der Sache gut. Es wird geimpft, der Sommer kommt und ein Ende der Beschränkungen ist absehbar. Empathie mit den Opfern, Solidarität mit den Erschöpften und etwas Selbstdisziplin sind bis dahin völlig ausreichende „Erregungszustände“. – Thomas Meichle

 

Was für ein Eiertanz um das Wort „Schicksal“, Frau Zeh braucht einen ganzen Absatz, um es zu vermeiden, aber das ist kein Nazi-Wort, man kann es brauchen und wir brauchen es, der Feuilleton-Aufmacher wäre eine gute Gelegenheit gewesen, dies zu erweisen. – Martin Ahrends

 

Implizite Wissenschaftsfeindlichkeit! Schade, dass die drei befragten Feuilleton-Lieblinge zwar ausgiebig über die große „Freiheit“ parlieren, sich aber nicht gemüßigt fühlen, ihren Freiheitsbegriff zu erläutern; so verbleibt das Gespräch leider nur auf dem Niveau des Austauschens von „Meinungen“ und erzeugt daher wenig Erkenntnisgewinn.

Wissenschaftstheoretische Grundkenntnisse scheinen sie auch nicht zu belasten, wenn sie der Wissenschaft die angeblich dominierende Führungsrolle in der Beratung politischer Entscheidungsträger vorhalten. Sie bezeichnen sich als Wissenschaftsskeptiker und verstehen das als Offensive gegen das angebliche Credo des „Follow the science“ in der Corona-Politik und verkennen dabei, dass die Wissenschaften bereits in ihrem Selbstverständnis stets auch Skepsis gegenüber ihren eigenen Befunden einbauen; so sichern sie -auch in der gegenwärtigen Pandemie- ihre stets nur vorläufigen (!) Erkenntnisse regelhaft auf einem bestimmbaren Irrtumswahrscheinlichkeitsniveau (!) ab; auch scheinen die drei zu unterschlagen, dass Wissenschaftler ausdrücklich keineswegs zu politischen Entscheidungen drängen, sondern ihre wissenschaftlich gewonnenen Befunde anbieten, um Politikern bei deren Entscheidungsfindung helfen können.

Ich frage mich, wem die drei eher folgen wollen in der Beurteilung der pandemischen Lage, etwa Ideologen und Gläubigen aller Couleur oder Partikularinteressenvertretern? Wem würden sie sich eigentlich lieber als den Wissenschaften anvertrauen, wenn sie selbst betroffen wären von einer schweren COVID Erkrankung? Wollen wir in unserer Gesellschaft wirklich wieder zurückfallen auf explizite oder- wie hier- implizite wissenschaftsfeindliche Positionen? Kennen sie irgendeine Quelle, die für uns alle verlässlicheres Wissen schafft als die Wissenschaft? PS: „If you are too stupid to understand science, try religion!“ – Dr. phil. Reinhard Mario Fox

 

Das Feuilleton war immer schon abgehoben. Das ist okay Kunst und Kultur brauchen abstrakte Debatten, um sich zu entfalten. Mit Thea Dorn, Juli Zeh und Daniel Kehlmann reihen sich in Ihrer Zeitschrift nun weitere Prominente in eine abstrakte Debatte und Freiheit in der Corona Pandemie ein. Solch eine Debatte lässt sich leicht führen, wenn man nicht betroffen ist. Denn wer wie ihre Diskuant:innen in Wohlstand lebt, kriegt von der Pandemie tatsächlich nicht viel mehr mit, als die geltenden Regeln zu ihrer Eindämmung und ihr mediales Echo.

Während sich die Autor:innen in ihrer abstrakten Debatte als alleinige Kämpfer:innen für die Freiheit verstehen, kämpfen weltweit Menschen einen tatsächlichen Kampf für die Freiheit – die Freiheit zu leben. Denn es sind nicht die Feuilletonist:innen oder Autor:innen die Corona zum Opfer fallen, sondern vor allem Arme, die ungeschützt die Zahnräder des Kapitalismus weiter drehen müssen, der dem Wohlstandsbürgertum seinen Wohlstand gebracht hat. Corona bringt einen Begriff zurück, den das Feuilleton längst für sich begraben hat: Den Klassenkampf. Die Arbeiter:innenklasse kämpft ums überleben, die Bourgeoisie um ihre Privilegien. An diesem Punkt endet die Legitimität abstrakter Debatten. Es kann in einer demokratischen Gesellschaft keine Diskussionsgrundlage dafür geben, ob die Armen sterben dürfen, damit die Reichen sich in ihrer Freiheit nicht eingeschränkt fühlen. Das Leben Anderer gegen das eigene Verständnis von Freiheit aufzuwiegen, steht niemandem zu. – Robin Jaede

 

Was soll das nun wieder? Um vorab schon mal eines klarzustellen: Ich schätze alle drei Schriftstellerinnen*, die hier interviewt wurden sehr, lese sie mit Begeisterung und genieße sowohl ihren Scharfsinn, ihre präzise Beobachtungsgabe und ihre schriftstellerischen Fähigkeiten. Warum nun aber DIE ZEIT sie im Titel als eine Art geistiger Dreifaltigkeit präsentiert, die nun auch noch zur Pandemie, zur Wissenschaft und zur aktuellen politischen Agenda befragt werden, bleibt mir schleierhaft. Ginge es um Erkenntnisgewinn in punkto Virologie, Soziologie oder Politik, wäre es sicher seriöser gewesen, entsprechende Expertinnen aus diesen Bereichen zu befragen. Aber das wird eventuell mittlerweile langweilig – denn das ist ja auch schon zu Genüge passiert. Oder nicht?

Womöglich nur ungenügend, denn anders kann ich mir ein paar „Entgleisungen“ innerhalb dieses Interviews nicht erklären. Das soll kein Vorwurf sein, denn Schriftstellerinnen müssen schließlich keine Expertinnen sein. Auch ich kann nur das wiedergeben, was ich an Informationen zusammengelesen habe und auch wenn ich Politik und Soziologie studiert habe, so bin weit davon entfernt eine Expertin auf diesen Gebieten zu sein, weil ich darin momentan weder arbeite noch forsche. Es ist richtig, insbesondere auch die soziologischen und politischen Konsequenzen der verschiedenen „Notstandsverordnungen“ genau unter die Lupe zu nehmen. Aber das kann nicht Aufgabe von Schriftstellerinnen sein. Es ist müßig, lesen zu müssen, dass Herr Kehlmann meint, nach medizinischen Gesichtspunkten hätten die Männer in die Prioritätsgruppe 1 gehört. Müßig, weil es ganz einfach falsch ist.

Denn Männer infizieren sich nicht auf Grund ihres Geschlechts häufiger, sondern auf Grund ihres Verhaltens und ihrer Arbeitsstellen (wie bspw. Leiharbeit in der Fleischindustrie, im Kreuzfahrtbau oder anderswo). Was nicht heißt, dass darauf reagiert werden müsste, genauso wie auf die schichtspezifischen deutlichen Unterschiede im Infektionsrisiko. Eine politische Frage und eine politische Entscheidung – auch, es nicht zu machen. Das kann und sollte unbedingt kritisiert werden. Oder Juli Zeh, die kurz eingeworfen hat, dass es „die Wissenschaft“ gar nicht gebe. Hört sich erst einmal richtig an, ist es aber nicht. Vorausgesetzt, wir meinen mit „Wissenschaft“ eine bestimmte Form des Erkenntnisgewinns, auf die sich in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen aus gutem Grund geeignet wurde.

So gibt es sie eben doch „die Wissenschaft“. Und leider muss sich Juli Zeh an dieser Stelle die Kritik gefallen lassen, Wasser auf die Mühlen von Querdenkerinnen zu spülen, die gerne auch mal die Meinung vereinzelter „Wissenschaftlerinnen“ zitieren oder auftreten lassen, die sich weder dieser wissenschaftlichen Methoden bedienen noch aktuell an wichtigen Forschungen arbeiten. Das genau hat eben nichts mit Wissenschaft zu tun. Genauso gut könnte ich behaupten, es ist nicht zu 100% sicher, dass die Erde eine Kugel ist. Auch hierfür könnte ich „Wissenschaftlerinnen“ bemühen, die mit einem Doktor in Philosophie aber erstaunlicherweise auch in Naturwissenschaften das Gegenteil behaupten. 100% Übereinstimmung gibt es nicht in der Wissenschaft – braucht es aber auch nicht.

Mir reichen hier weit über 90% – alles andere würde zur totalen Handlungsunfähigkeit führen und mein Vertrauen in jede Kopfschmerztablette wäre dahin. Ziemlich fatal dann der mehr als holprige Vergleich von Daniel Kehlmann, zwischen Pandemie und IS-Terror. Allein die Betrachtung beider Geschehnisse sollte eigentlich jeden Vergleich verbieten. Handelt es sich beim IS um eine Terrorgruppe, die gerne auch dort unvermutet zuschlägt, wo nicht damit gerechnet wird, ist der IS in ein politisches Weltgeschehen eingebunden, über das sich viele kluge Köpfe bereits viele kluge Gedanken gemacht haben und gibt es bereits zu Hauf berechtigte Kritik an der internationalen Reaktion darauf, so ist die Grundlage der Pandemie ein Virus.

Es macht Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, wieso er ausgebrochen hat, ob und wieweit das auch mit einer immer gnadenloseren Ausbeutung der Natur zu tun hat und natürlich sollte man den Umgang damit – sprich die verschiedenen Konzepte der Pandemiebekämpfung – kontrovers diskutieren. Es gibt allerdings keinen Grund und macht auch wenig Sinn, die Pandemiebekämpfung mit der Reaktion auf den IS-Terror zu vergleichen oder gar daraus irgendwelche Schlussfolgerungen zu ziehen. Viel zu vielschichtig sind hier die Hintergründe, die politischen Gegebenheiten und die politischen Interessen. Dass hingegen politische Interessen (bleiben wir jetzt einmal in Deutschland) eine große, wenn nicht gar viel zu große Rolle in der Pandemiebekämpfung spielen, bekommen wir dennoch täglich zu spüren. Das zu kritisieren ist wichtig, denn es geht hier in der Tat nicht in erster Linie um den drohenden Verlust von Bürgerinnenrechten – den ja gerne ausgerechnet die politische Rechte besonders beklagt, obwohl ihre Ideologie herzlich wenig damit am Hut hat.

Es geht darum, dass politische Interessen, Lobbyismus, Unfähigkeit und Bürokratie täglich Menschenleben fordern. Und auch wenn ich Juli Zeh gerne Recht gebe, dass die Pandemie-Verordnungen gleichzeitig dazu führen, dass die Gesundheit und das menschliche Wohl an anderer Stelle, insbesondere in den unteren gesellschaftlichen Schichten, gefährdet, so ist es nicht angebracht, beides gegeneinander aufwiegen zu wollen. Die Pandemie, so haben wir jetzt nach über einem Jahr gelernt, zeigt uns mit aller Deutlichkeit, welche gesellschaftlichen Missstände es in Deutschland gibt. Sie hat sie nicht erschaffen. Diese Missstände – oder radikaler gedacht, aber wer will das heute noch hören – dieses System, was schlicht Kapitalismus heißt, zeigt sich pandemiebedingt in aller Gnadenlosigkeit.

Das Problem: Es lässt sich nicht mal eben schnell abschaffen – das Virus aber nimmt darauf keine Rücksicht. Natürlich sind auch von diesem Virus in diesem System nicht alle gleichermaßen betroffen. Und warum wundert es mich so wenig, dass auch in der Pandemiebekämpfung in Deutschland bspw. der Auto – oder Rüstungslobby nachgegeben wird und sie als „systemrelevante Industrien“ trotz Pandemie Riesengewinne machen konnten. Dass zwar aus wissenschaftlicher Sicht Betriebsschließungen als Pandemiebekämpfung äußerst effektiv wären, – und zwar von ALLEN Betrieben – aber eben politisch nicht gewollt sind. Gesundheit ist das höchste Gut – doch danach wird nicht gehandelt. Weder in der Pandemiebekämpfung, noch im „Normalzustand“, den alle angeblich so gerne wieder haben möchten.

Es gibt eine Menge an Kritik, die nötig ist, die aber bereits schon an vielen Stellen geäußert wurde, es gibt Diskurse, denen man sich anschließen kann (auch als Künstlerin) und es gibt wenig Gründe, warum die persönlichen Gedanken von 3 Menschen das Titelthema einer Zeitung ausmachen. Außer – naja – es verkauft es sich eben gut. * ich verwende das generische Femininum, gerade auch in der ZEIT, die trotz vollmundiger Ankündigung, endlich auch eine geschlechtergerechtere Sprache zu benutzen, selbst das Bild zweier Frauen und eines Mannes als männliche Gruppe (Künstler) zusammenfasst. ;-) – Inès Schumann

 

Ich möchte mich äußern zu dem Gespräch der drei Schriftsteller*innen und will versuchen, angesichts des schrillen Diskursstreits über Corona-Maßnahmen, nicht zu sehr in Schwarz-Weiß-Argumente zu verfallen. Grundsätzlich finde ich es gut, wenn Schriftsteller*innen, als Ergänzung des Diskurses zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit, geisteswissenschaftliche, moralische und philosophische Gesichtspunkte in die Debatte einbringen. Aus diesen heraus Kritik am politischen Handeln oder der aktuellen Wissenschaftskommunikation zu üben ist nicht nur völlig legitim, sondern notwendig. Was mich an dem Gesprächsinhalt allerdings stört ist, dass die drei in dieser Hinsicht immer wieder ihren eigenen Kompetenzrahmen überschreiten und vor allem Thea Dorn die Naturwissenschaft und ihre Corona-Forschung als solches kritisiert, wozu sie wohl kaum eine Expertise besitzt.

Hier würde ich mir klare Selbstreflexion wünschen: Auf der einen Seite Menschen, die wissen, wie naturwissenschaftliche Forschung und Kommunikation funktioniert, welche die Studien zum Thema lesen und auch verstehen auszuwerten, auf der anderen Seite Geisteswissenschaftler*innen und Bürger*innen, welche sich mit den Auswirkungen der naturwissenschaftlichen Ergebnisse in Politik und Öffentlichkeit auseinandersetzen. Außerdem verlieren sich die drei in meinen Augen in allseits bekannten Nebendiskussionen, anstatt den Kern des Kritisierbaren herauszustellen: Die politischen Verantwortungsträger*innen haben es versäumt, nach der aus Unkenntnis heraus erfolgten Notreaktion im Frühjahr 2020, eine wirksame Strategie zu entwickeln, bei der die „medizinischen und technischen Möglichkeiten“ (Juli Zeh) derart orchestriert werden, dass Grundrechtseinschränkungen minimal bleiben.

Sprich: Anstatt sich im Sommer vorzubereiten (wirksame Teststrategie, Impfstoff bestellen, digitale Kontaktnachverfolgung etc.) und Kapazitäten auszubauen, geschah so gut wie nichts. Das (!) ist das wahre Versäumnis der Politik. Nur deshalb müssen sich die drei im Interview in abgenutzten „Lockdown-Notstands-Angstmache“-Diskussionen ergehen, nur deshalb sitzen die Menschen in Deutschland im Dauerlockdown, weil die seit Monaten geforderten, niedrigen Fallzahlen nie konsequent erreicht wurden, weil Methoden, um niedrige Fallzahlen unter Kontrolle zu halten eben nicht ausgebaut wurden und so nur noch der „Hammerschlag“ hilft, um die Pandemie irgendwie zu kontrollieren.

Zusätzlich möchte ich gerne auf einige Argumente der Interviewten eingehen. 1. Thea Dorns Behauptung, die Politik suche keinen „Ausgleich zwischen Ansichten und Bedürfnissen“, sondern habe nur das Ziel der „Todesverhinderung“, ist polemisch und eine dreiste Unterstellung. Sicherlich, sowohl in Politik, wie Zivilgesellschaft wirft sich die unbeantwortete Frage nach dem Verhältnis von körperlicher Unversehrtheit, Tod und Freiheit auf, wie Dorn aus der ihr beliebten Meta-Ebene heraus versucht aufzuzeigen. Zu behaupten, die Politik sei aber unter einer Art Homo Deus-Prämisse gefangen, mit der der moderne Mensch versuche, jeglichen Tod zu verhindern, ist einfach eine unwahre Unterstellung. Politiker*innen handeln also gesundheitshörig und nehmen alles in Kauf, um Corona-Tote zu verhindern? Die nackten Fakten von 80.000 Toten bisher beweisen das absolute Gegenteil.

Wie auch Frau Dorn aufgefallen sein dürfte, sind wir hier nicht in China und ich bin mir sicher, dass unsere Politiker*innen, mit den üblichen Einzelausnahmen, seit einem Jahr sehr hart darum bemüht sind, verschiedene Interessen und Rechte gegeneinander abzuwägen. Gerade an ihrem ambivalenten Verhalten, den kompromisshaften Beschlüssen und der kritischen Debatte ist doch zu sehen, wie schwierig dieses Abwägen für die Verantwortungsträger*innen sein muss. Und auch Frau Dorn würde über die ein oder andere Art der „Todesverhinderung“ vielleicht anders denken, wenn sie als Mandatsträgerin die schwerwiegende Verantwortung für all das tragen müsste. 2.       Daniel Kehlmanns Verweise darauf, wie andere Länder auch ohne Ausgangssperren durch die Corona-Krise kommen, ist natürlich legitim. Allerdings hinkt sein Argument, dass diese eben auch nicht „zusammengebrochen“ seien.

Ich möchte durchaus hinterfragen, dass nur das Ultima-Ratio-Argument des „Zusammenbruchs“ des Gesundheitswesens als Maßstab für zeitweise Beschränkungen gelten sollte. Was ist mit den massiv gestressten und ausgebrannten Pfleger*innen, den Long-Covid-Getroffenen, den Toten? Ich finde es dreist, diese gravierenden Folgen, die auch ohne solch einen „Zusammenbruch“ Realität sind, einfach so wegzuwischen, nach dem Motto: Kein Kollaps, alles gut. Ich möchte nicht in einem Staat leben, der eine Pandemie nur auf Sparflamme bekämpft und mir sagt, solange es nicht zu viele Tote gibt, solange Ärzt*innen nicht triagieren müssen, solange nicht die Voll-Katastrophe eintritt, passt das alles schon so. Aber noch mal, daran ist nicht Daniel Kehlmann Schuld, sondern die Politik, welche die Fallzahlen nicht runtergebracht hat, um diese dann mit nur wenigen Grundrechtseinschränkungen zu kontrollieren.

3. Dorns Behauptung, es gäbe keine „evidenzbasierte Studie“, welche die Effizienz der einzelnen Corona-Maßnahmen bewerte, stimmt nicht ganz. Es gibt nur nicht die eine, eindeutige, klare und unumstößliche Erkenntnis dazu. Einzelne Studien gibt es aber sehr wohl! Und dass über die einzelnen Maßnahmen nicht gestritten würde, bevor diese als angeblich alternativlos umgesetzt würden, ist doch eine komplette Verleugnung der Realität der Ministerpräsident*innen-Konferenz und der förderalistischen Maßnahmenvielfalt, die es vor der Notbremse gab. 4. Thea Dorn kritisiert auch gerne mal mit polemischen Unterton Dinge, für die sie einfach keine Expertise hat. Wieso könnte sie nicht einmal selbstkritisch bemerken, dass sie als Schriftstellerin und Philosophin, wohl hin als Einzelperson, nicht den gleichen Kompetenzrahmen besitzt, wie ein aus verschiedenen Expert*innen besetzter Ethikrat?

Oder warum meint sie auf einmal besser zu wissen, wie die Impfpriorisierung aussehen müsste, als der Deutsche Ethikrat, der sie nach langen Beratungen empfohlen hat? Warum diese Suggestion, Gerechtigkeitsfragen (Stichwort Brennpunktviertel) hätten dabei keine Rolle gespielt? Das ist einfach eine fiese Unterstellung. Und dann zieht sie auch noch die völlig falsche Schlussfolgerung mit der Behauptung, anstatt die sozial Prekären schnell zu impfen, würden wir alle lieber fröhlich weiter im Lockdown verharren („Ausgangssperre, was solls.“) Geht’s eigentlich noch??? Damit zeigt sie, dass sie den Grund der Impfpriorisierung gar nicht verstanden hat, nämlich den Impfstoffmangel. Nicht fehlender politischer Wille, sondern das Problem der wenigen Dosen hat eine Priorisierung der Älteren und Vulnerablen unumgänglich gemacht!

Wir haben gar keine Dosen, um alle Menschen in Brennpunkten sofort durchzuimpfen und gleichzeitig die gesundheitlich am meisten Gefährdeten zu immunisieren! Diese Kritik von Dorn ist also reine Polemik. 5.  Juli Zeh legt das Problem dar, dass an den „großen Stellschrauben“ nicht gedreht wird und Politik stattdessen in moralisierende Pädagogik umgewandelt wird. Das ist völlig richtig. Nach dem Motto: Aus Angst vor den Konsequenzen bekämpfen wir die Pandemie von staatlicher Seite nicht wirksam genug, aber ihr Bürger*innen schränkt euch bitte schön ein, auch ohne Endaussicht, ansonsten gerät Corona außer Kontrolle. Zutreffender Weise erklärt sie außerdem, dass die Grundrechtseinschränkungen rechtlich nur dann legitim sind (und hier hat Zeh, im Gegensatz zu Dorn, als Richterin Expertise), wenn andere Möglichkeiten ausgeschöpft wurden.

Und das hat die Politik nicht getan, das kann man an anderen Staaten (nein, nicht an China, sondern Australien und Co.) ganz klar sehen. Das sollte meiner Meinung nach das Hauptargument sein. 6. Ein schönes Plädoyer ist das von Juli Zeh für die Demokratie, die ihrer Erklärung nach nicht für Schön-Wetter-Situationen geschaffen wurde, sondern gerade als Antwort auf Katastrophen. Amen dazu. Leider hat die politische Demokratie in Europa bei Corona kein gutes Bild abgegeben, aber das bedeutet im Umkehrschluss trotzdem nicht, dass man nur als Autokratie eine Pandemie gut bekämpfen kann. – Julia Molina

 

Nichts Erhellendes in diesem „Einspruch der Künstler“ außer der Erkenntnis, dass die Gesprächsteilnehmer sich aus der Gemengelage das Herauspicken, was in die eigene Theorie passt. Ein gängiges Muster, das der Komplexizität der aktuellen Situation nicht gerecht wird. Ein paar Beispiele seien genannt: die vermeintliche Überflüssigkeit von Ausgangssperren soll am Vorgehen der USA und Schweiz belegt werden, der Erfolg von Portugal und Großbritannien mit diesen Maßnahmen wird unterschlagen. Dort war ein wirklicher Lockdown die Maßnahme, von der wir meilenweit entfernt sind.

Vulnerable Gruppen schützen – diese Sätze wurden schon zigmal von verschiedenen Seiten bemüht. Wie das mit geschätzt einem Drittel der Bevölkerung gehen soll, dazu herrscht dann Schweigen. Reflexartig wird auch die Grippe als Vergleich herangezogen und geflissentlich übersehen, dass damals für die Mediziner keine Triage-Situation bestand. Unterschlagen wird auch, dass Wissenschaft immer ein diskursiver Prozess unter Experten ist, hier wird sie aber mit Ausgrenzungen und Machtkämpfen assoziiert. Die von Frau Zeh geforderten „technischen Lösungen“ gehen an der Wirklichkeit vorbei. Nicht das Fehlen von Intensivbetten steht auf den Stationen im Vordergrund, sondern der Mangel an hochqualifiziertem Personal mit der benötigten Erfahrung.

Der weite Bogen darf dann auch nicht fehlen. Wenn wie hier in dem Gespräch auf eine begründete Argumentation verzichtet wird, dann soll ein großer Blick helfen: die USA und der 11. September, die Republikaner und die Ablehnung einer Gesundheitsreform, multinationale Konzerne. Nicht zu vergessen die drohende Übernahme der Regierungsentscheidungen durch Algorithmen, schließlich wird noch ein „Homo Deus“ beschworen und als höchste Steigerung die Apokalypse! Welcher Schatz in unserer Gesellschaft in Form von Empathie, Solidarität und Kooperationsbereitschaft vorhanden ist, wird mit keiner Silbe erwähnt und ist doch so existenziell nicht nur in der derzeitigen Situation. Richtig ärgerlich finde ich, dass ich mich wohl als Wesen sehen sollte, das sich gängeln läßt, das sich Ist diese Pandemie wirklich nur unter dem Aspekt von zahllosen Verwerfungen zu sehen, die im Leben zu meistern sind? Diese Verharmlosung finde ich zynisch. – Susanne Gilg

 

Die Schauspieleraktion war getan und nach den herrlich Empörten wie Ulrich Matthes meldeten sich auch gleich die Verständnisvollen, die den Akteuren Mut zusprachen und Durchhaltewillen. Lob an die Querbürster für die orginelle moralische Aufrüstung der Eingeschüchterten, ja Verängstigten. Wurden die Unkritischen kritisch, befürchtete man, diese hätten womöglich die Videos 1 zu 1 genommen und den satirischen Kontext nicht erkannt. Außerdem müsste doch Satire und Ironie möglich sein in diesem Land. Dabei sind Krimis, Satire und Comedy doch das Mastfutter für das öffentlich-rechtliche Publikum. Ich hatte sogar immer schon Sorge: wer als Tatortkommissar/in Mord auf Mord auf Mord klären muss, riskiert einen Schaden.

Hinter jeder Ecke lauert ein Feind, der Kampf gegen die Übelwollenden ist hart und die Empathie bekommt eine Hornhaut. – Obwohl unbedarft habe ich das Ganze sofort als Satire erkannt! Gleichzeitig machte sich aber ein großes Peinlichkeitsempfinden breit, ein Fremdschämen. Nach 30 Minuten konnte ich nicht mehr. Da werden 53 Leute, zu denen man teilweise aufblickt, benutzt für eine epedimologische Zeitgeistwelle die seit 1968 anhält und nach links und rechts schwappt: dass nämlich unserem Staat höchst misstrauisch zu begegnen ist und er uns heute in der Art eines wilhelminischen Erziehungsratgebers (Video) zum Strammstehen und Ja-Sagen erziehen will.

Dieser gute Ton eines oft uniform feinschwarz gekleideten Milieus weht auch durch das Gespräch der 3 SchriftstellerInnen Dorn/Zeh/Kehlmann. Der Staat ruft einen Ausnahmezustand aus (da schauerts einen schon) und etabliert mit Drohkulissen und Angst fast schon chinesische Methoden. Dazu wird bei uns noch ein Teil der Verantwortung auf den Einzelnen abgewälzt: richtig einkaufen, richtig reisen, richtig Maske tragen. Wenn die das so sagen, komme ich wirklich allmählich auf dem Zahnfleisch daher. Auch das Staatsziel der Todesverhinderung ist zu hinterfragen: wann kommt der Zeitpunkt wo die Infizierten aus der Familie geholt werden?

Da hilft auch kein Blick mehr hinter der Gardine hervor. Wie ist es mit unserem Bedürfnis nach gemeinsamen Erlebnissen, Feiern, Reisen, Theater etc .wird gefragt. Wenn Sie mich fragen würden: kommt lange nach der Todesverhinderung!“ Wie zahlreich sind doch die Dinge, derer ich nicht bedarf,“ ist meine Erkenntnis bislang aus der Pandemie. Auch mit Blick auf den Kulturbetrieb, in dem ich mich durchaus tummelte. Heute sehe ich den Supermarktleiter der seinen Laden im Griff hat durchaus ebenbürtig mit dem Kleinkünstler der mir die gesellschaftlichen Verwerfungen nahebringen will. Was die Virologen, Epedimologen, Mediziner sagen ist meistens sehr substanziell. Ich habe das Gefühl, da sind manche Soziologen, Publizisten, Literaten etc.etwas neidisch.

Das schmerzt, man ist ja auch wer und will gehört werden. Herr Prantl von der „Süddeutschen“ befürchtete ja auch schon im April 2020 das Ende alles Demonstrierens. Und die Kämpferin für Freiheitsrechte Frau Leutheusser-Schnarrenberg beschied dem Herrn Lauterbach bei „Markus Lanz“ barsch „Jetzt hören Sie doch mal auf, immer von der 2.Welle zu reden. Sie machen den Leuten ja Angst“. In einer Sendung von „3Sat-Kulturzeit“ vom 31.3.21 läßt sich der Soziologe Alexander Bogner über eine „Herrschaft (schon wieder) der Wissenden“ aus.

Wer das meiste Wissen hat, ist der der bessere Politiker? wird gefragt. Der Austausch von Daten und Fakten zwischen Wissenschaft und Politik wird misstrauisch beäugt. In der Zeit der Dringlichkeit sei die Gefahr, dass die Politik zu sehr nach der „Expertokratie“ schiele und dem „Expertenbefehl“ gehorche. Interessante Wortschöpfungen aus der Sphäre der Sprachsensiblen. Herr Kehlmann erwähnt in dem Gespräch fast lobend Schweden und die Schweiz für ihre Öffnungsstrategien. In Schweden gibt es jetzt offenbar aktuell ca. 13800 Tote, in Dänemark 2500. Da wünscht man sich fast Thomas Mann mit in die Runde. Und Frau Zeh empfehle ich, senden Sie Ihr Schlusswort „Politik ist mehr als ein Abwehrkampf gegen die Apokalypse“ zum Trost per e-mail mal nach Indien. – Michael Frau

 

Vielen Dank für das interessante Gespräch mit Thea Dorn, Juli Zeh und Daniel Kehlmann. Ich halte es für eine Bereicherung in der aktuellen Debatte. Zwar zeigen die Gelehrten beeindruckende Wissenslücken und Undifferenziertheiten. Daniel Kehlmann etwa diffamiert unwidersprochen die Zunft der Modellierer, da ihm das viel diskutierte Präventionsparadox offensichtlich kein Begriff ist. Juli Zeh verwahrt sich gegen den Begriff „die Wissenschaft“, schwadroniert aber fröhlich von „der Politik“. Thea Dorn legt die Binse eines SPD-Manns als juristisches Urteil aus, damit sie es grotesk finden kann. Aber wenigstens hat man das Gefühl, die Beteiligten wären zu einer konstruktiven Auseinandersetzung bereit. Ein wohltuender Unterschied zu #allesdichtmachen. – Simon Freiberger

 

Ich möchte meinem Leserbrief ein paar persönliche Daten vorausschicken. Ich bin 75 Jahre alt und habe bis vor einem Jahr als Internist gearbeitet. Als junger Assistenzart war ich auf einer großen Intensivstation auch mit Beatmungspatienten befasst. Später bin ich immer wieder als Oberarzt mit schwersten Erkrankungen konfrontiert gewesen. Ich schreibe dies, damit Sie wissen, dass ich nicht ins Blaue hineinrede. Umso mehr irritiert mich, wie Herr Liefers (auch DIE ZEIT No. 18) sich jetzt als Opfer darstellt und wie die ansonsten von mir geschätzten Autorinnen Juli Zeh und Thea Dorn sowie Daniel Kehlmann sich zur Pandemie äußern ohne die Worte genau abzuwägen, ohne sich bewusst zu machen, was verwandten Begriffe einschließen. Ich hätte verstanden, wenn jeder seine persönlichen Empfindungen geschildert hätte, die die Einschränkungen der Freiheitsrechte bedeuten. Ich hätte auch den Zweifel an einigen Maßnahmen verstanden, Zweifel, die ich vielleicht auch selbst habe. Stattdessen sehe ich, ich muss es leider sagen, eine kalte, herzlose Selbstbezogenheit und eine mangelnde Empathie für die, die mit dem Tode ringen.

Diese Diskussion wird weder dem Tod als „Urproblem der menschlichen Existenz“ (Jan Assmann), noch den Kampf gegen den Tod auf den Intensivstationen, den Angehörigen der Erkrankten und Toten und auch nicht den Politikern, die sicherlich nicht alles nichtig entscheiden, gerecht. Fangen wir mit dem Tod an: „der Tod ist unausweichlich, es gibt keinen Zustand der Störfreiheit“ (Juli Zeh). An späterer Stelle spricht Juli Zeh von „Verwerfungen“, die wir zu bewältigen haben. Der Tod ein „Störfall“, eine „Verwerfung“, ich nenne das herzlos. Später wird im Zusammenhang auf die 2 Millionen Tote der Hongkong-Grippe 1968 verwiesen, und dass damals Tote durch Krankheiten als unvermeidlich galten (Dorn) und dass Gesundheit noch nicht so sehr als staatliche Angelegenheit gesehen wurde (Zeh).

Das ist historisch falsch, nicht erst die Cholera-Epidemie von 1892 in Hamburg wurde durchaus als staatliche Angelegenheit betrachtet (Ruf nach Robert Koch, Verbesserung der hygienischen Verhältnisse). Als dominierendes Ziel wird die Todesverhinderung genannt (Dorn) und ein fehlender Ausgleich zwischen Ansichten und Bedürfnissen (ich ergänze: der Lebenden) beklagt. Da hätte ich doch gerne von Frau Dorn gewusst, was den mehr zählt als der Kampf gegen Krankheit und Tod. Das schließt überhaupt nicht die Sorge gegenüber den Gesunden aus. Beide Ziele lassen sich verbinden.

Sodann wird die aktuelle weltweite Pandemie mit immer neuen und gefährlichen Mutanten kleingeredet: eine „Rhetorik des Ausnahmezustandes“ wird von Juli Zeh beklagt, als wenn die Gefahren und Maßnahmen herbeigeredet und überzogen seien. Ein „Antagonismus von Demokratie gegen Effizienz“ sieht Thea Dorn und Juli Zeh meint, „wenn man von einem Ausnahmezustand ausgeht (weltweit ansteigende Todeszahlen) ist eine parlamentarische Debatte besser als, dass man den wissenschaftlichen Empfehlungen folgt, zumal es „die Wissenschaft“ gar nicht gibt (Zeh) und auch keine absolut richtige Lösung (Zeh). Kehlmann konstatiert, dass keine Gesellschaft nur auf die Wissenschaft hört, aber Wissenschaftsskepsis erforderlich ist. Nach welchen Kriterien soll, frage ich mich, denn der Politiker (der als „verantwortungsscheu“ bezeichnet wird – Zeh) entscheiden?

„Der große Störfall, der Terrorangriff, die Naturkatastrophe, die Pandemie darf nicht unter der suspendierenden Bedingung des Ausnahmezustandes stehen (Zeh). Der „Normalitätsbegriff“ soll so „normalisiert“ werden, dass er große Störfälle umfasst (Zeh). Das ist wiederum eine Verharmlosung der Situation, in der wir nicht so handeln können, als wäre es nur Teil der Normalität. Die Pandemie effektiv bekämpfen ohne wesentliche Eingriffe in die Grundrechte (Zeh) ist leider ein Wunschtraum. Herr Kehlmann bezweifelt den Sinn der Ausgangbeschränkung und verweist auf Amerika, die Schweiz und Schweden.

Die relativ höheren Todeszahlen werden nicht genannt, auch nicht die Überwachung /Kontrolle in den demokratischen Ländern Südostasiens wie Korea und Taiwan). Thea Dorn bezweifelt wie Kehlmann den Zusammenhang zwischen Ausgangssperre und sinkenden Infektionszahlen ohne Belege zu nennen. Insgesamt eine traurige und ernüchternde Diskussion, die eher von der Sorge um die eigene Befindlichkeit als um die Sorge gegenüber den Gefährdeten und Erkrankten geprägt ist. – Dr. med. Ulrich Schläger

 

Hervorragende Idee, die drei literaten zusammen zu bringen, wenn auch keine lösungen geboten werden, aber in diesem fall sind die fragen schon lösungen. – jenny schon

 

Eine gesunde Debattenkultur ist wichtig, auch in Zeiten wie diesen. Aber Vergleiche mit Schweden oder der Schweiz, wo Menschenleben durch Ignoranz gefährdet wurden, finde ich persönlich ignorant. Jedem sei empfohlen, die Dokumentation der Charité Intensivstation in der ARD anzuschauen, um sich zu vergegenwärtigen, wie wichtig es ist, einen Staat zu haben, der zumindest Maßnahmen ergreift, um die Bevölkerung zu schützen. – Christopher Beckenbach

 

Hier kommt eines der naiven Dummerchen zu Wort, die sich von der Drohkulisse der Politik und der Angstmacherei namhafter Virologen gängeln lassen, das sein Leben und seine Freiheit aber ungemein liebt – und verteidigt. Ich stimme Ihren Aussagen in der Zeit vom 29.04.2021 in vielen Punkten zu, habe aber eine Frage: Wie beurteilen Sie die harten Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie in Neuseeland und Australien, die den ihrer Grundrechte beraubten Bürgern, nach kurzer Zeit, ihre Freiheit zurückgegeben haben – und zwar ohne gravierende ökonomische Einbußen, ohne hohe menschliche Verluste und gänzlich ohne grundrechtliche Verwerfungen?

„Der Ehrgeiz, das möglichst Gute für möglichst viele zu erreichen, sollte gerade nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein.“ (Zitat, Juli Zeh): Diese Prämisse wurde von der australischen und neuseeländischen Regierung m. E. erfolgreich umgesetzt. Lassen Sie uns im Diskurs bleiben, auch wenn dieser heikel ist; dann können wir bei Gelegenheit darüber debattieren, wie das bürgerliche Leben 1968, während der Hongkong – Grippe ausgesehen hat. – B. Forquignon

 

Vielen Dank für dieses Gruppeninterview, wenngleich ich persönlich von Vertretern der Geisteselite mehr erwarte. Ich lese die Argumente der Querdenker, etwas differenzierter formuliert. Jedoch fehlen bei allen durchaus berechtigen Bedenken (Angst, Moral) konstruktive Lösungsvorschläge. Aber halt, da sind doch welche: „Impfungen bereitstellen, Alten- und Pflegeheime angemessen schützen und Krankenhäuser großzügig ausstatten.“ Wir sollten uns einig darüber sein, dass Punkt 1 und 3 nicht in der notwendigen Reaktionszeit umsetzbar waren. Masken hingegen sind laut Herrn Kehlmann „von keinem Aerosolforscher mehr empfohlen“?!? Mein Vertrauen in unsere Demokratie (angemahnt von Frau Zeh) ist so stabil, dass ich nicht empfinde, wir „opferten unsere Freiheitsrechte“ (Dorn).

Wir stellen sie vorübergehend, aus einem Selbstverständnis des Gemeinsinnes, zurück. Eben dieser ist es, der leider völlig unerwähnt bleibt, ebenso die Tatsache, dass die Pandemie vor allem zu Lasten der Bevölkerung und kleinen Gewerbetreibenden geht, während die Wirtschaft ungeschoren davon kommt und sogar unverhältnismässig gestützt wird. Und wenn schon der Focus auf unsere Grundrechte (nicht auch auf unsere Pflichten als Mitglied einer Gesellschaft) gelegt wird, so würde ich mir von Herzen wünschen, die Herrschaften würden sich diesbezüglich auch anderweitig engagieren. Da fällt mir spontan das Recht auf Würde auch für unsere Alten Mitbürger in den Heimen ein. Wie gesagt – enttäuschend. – Laura R. Bauer

 

„Die Unabwendbarkeit des Todes ist unser schwerster Kummer.“ (Luc de Clapiers, Marquis de Vauvenargues, 1715-1747, fränzösischer Philosoph, Moral und Schritsteller) Die Dauer-Stocherei im Corona-Nebel des Corona-Grauens, die geht munter weiter. Keiner weiß genaues, dennoch tut die Pandemie-Verwaltung so, als hätten sie irgendetwas im Griff, mit ihren gruseligen Corona-Maßnahmen, die eigentlich das Coronavirus in die Flucht schlagen sollten, es aber leider nicht tun. „Was wissen wir denn schon? Und doch gibt´s zu viele, die meinen zu wissen.“ (Stefan Wittlin, *1961, schweizer Autor, Kolumnist und Hundetherapeut)

Der Tod lässt sich einfach nicht verhindern, und wer da in dieser Pandemie-Zeit tatsächlich an oder mit dem Coronavirus verstorben sein soll, das sind alles nur Infos, die aus dem Hause des RKI kommen, im Grunde sind diese Angaben, eigentlich mehr oder weniger konstruiert. Stirbt irgendwann einmal ein Mensch, der sich irgendwann einmal mit dem Coronavirus infiziert hat, vielleicht bei einem Verkehrsunfall, der geht als ein Corona-Toter in die Statistik der ewigen Jagdgründe ein.

„Wir kümmern uns nicht, dass wir nicht da gewesen sind, ehe wir geboren wurden, warum uns kümmern, nichts mehr da zu sein, wenn wir gestorben sind?“ (Karl Julius Weber, 1767-1832, deutscher Jurist und Schriftsteller) Das Gespräch mit den Schriftstellern Thea Dorn, Juli Zeh und Daniel Kehlmann und deren Ansichten zur Corona-Politik, die konnten mich überhaupt nicht überzeugen! – Klaus P. Jaworek

 

Sehr geehrte Herren, die Sie so empört sind über ‚Alles Dichtmachen‘: (die geehrten Damen scheinen da differenzierter, siehe jüngste Interviews z.B. in der SZ von Frau Lottritz mit Dr. Carola Holzner, Notfallmedizinerin, oder von Frau Reich mit J.J. Liefers, Berliner Zeitung; und noch mehr: Frau Jöres, Die Zeit 8/2021 aus Vor-Shitstorm-Zeiten.) Leider reich(t)en offenbar Fachbücher von Star-Journalisten (Gloger&Mascolo) allein nicht aus. In ihrer Nüchternheit schaffen die es weitestgehend nur auf diverse rote Couches, aber z.B. nicht bis zur Redaktion des Tagesspiegels. Die Aktion ‚Alles Dichtmachen‘ war also überfällig und ist schon deshalb gut zu heißen. Die z.T. hoch-emotionalisierende Gegenkritik bekräftigt dies nur.

Für jeden, der alle Clips gesehen hat, ging es ganz offenbar nicht um die (inzwischen ja angeblich ferngelenkte) ausschließliche Bauchnabelsicht etablierter und gutsituierter Schauspieler, es gingt nicht um gesundheitliche Tragödien, die die Pandemie mit sich bringt, und schon gar nicht um die Verhöhnung von Covid-Toten – etwas, was gar nicht auftaucht – sondern um die Versäumnisse, das Chaos, die Planlosigkeit, die Besserwisserei von Politik und Expertentum, bei gleichzeitig großer Klappe! Darüber hinaus ging es bei ‚Alles Dichtmachen‘ in einer ganzen Reihe von Beiträgen aber ausdrücklich darum, dass Familien allein gelassen werden – ja auch Schauspieler haben Kinder -, dass bestimmte berufliche Sektoren immer prekärer ja schlicht eliminiert werden, dagegen andere privilegiert bleiben, z.B. der gesamte Sektor großer und mittelgroßer Arbeitgeber.

Von den Sektoren mit erzwungenem Personen-zu-Personen-Kontakt (Zustelldienste, Kassierer etc.) ganz zu schweigen. Ganz offenbar ist auch, dass in 14 Monaten nichts wesentliches hinzugelernt wurde, wesentlich zumindest insoweit, dass es uns weiter hilft. Dazu fehlt wohl die politische und wissenschaftliche Phantasie. Auch die der Medien. Eine verfehlte Impfpriorisierung, die sich nicht an gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen orientiert, wird doch erst jetzt ad acta gelegt, nicht aber aus plötzlicher Einsicht, sondern aus Profilierungsstreben, mit Bayern als Vorreiter. Bezüglich politisches Chaos muss also nichts zusätzlich gesagt werden. Bezüglich Expertentum kann schon mal erwähnt werden, dass auch hier es Hü und Hott geht. Da werden Virologen zu (mittelmäßigen) Statistikern und umgekehrt, Ärzte zu in Mathematik überforderten Modellierern, da werden Physiker zu Virologen, da werden Tierärzte zu Pandemisten, Politiker (wieder) zu Ärzten, obwohl sie wohlweislich den Wechsel zur Politik vollzogen haben.

In keinem anderen wissenschaftlichen Bereich, so scheint es, war bisher eine solche fachübergreifende Anmaßung, Wichtigtuerei und Kakophonie zu hören. Mal ganz abgesehen davon, dass z.B. Sportredakteure Schauspieler naiv nennen und in Germanistik promovierte Moderatorinnen zu COVID-Experten werden. Da wird von Null-COVID – vgl. die Tukur’sche Persiflage – gefaselt, obwohl das ernstzunehmende, gleichzeitig von Experten verhöhnte Tübinger Modell dies ja im Prinzip ad absurdum geführt hat (an jedem Stadttor ein polizeibewachter Schlagbaum?), da werden lange erst Masken überhaupt in Frage gestellt, dann reicht ein Wollschal, bis schließlich doch FFP2 Masken zwingend werden, obwohl in Asien schon lange praktiziert, da werden das fleißige Händewaschen befohlen, gleichzeitig aber Ausgangssperren verhängt, was gewichtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht und deshalb schöngeredet werden muss.

Solche Widersprüche entgehen auch dem sog. kleinen Mann auf der Straße nicht, dem doch gesagt werden muss, wo der Hammer hängt. Wo kommt denn die Zahl 165 her? Wo 0, 10, 20, 35, 50, 100, 200? Verhöhnt dies Karikatur auch die COVID-Toten? Dass Wissenschaft nicht ohne Wechselwirkung und Kontroverse zwischen Theorie/ Spekulation/Modellbildung einerseits und Praxis/indikativer nachvollziehbarer Experimente/ Überprüfung andererseits auskommt, ist hier einmalig ignoriert. Wissenschaft muss sich auch messen lassen an einer belastbaren verifizierbaren (Vor-)Aussagekraft, nicht nur an ‚Rat nach Tat zu spat‘ oder alarmistischer Besserwisserei.

Die Wahrheit ist aber: es geht bei der Komplexität einer Pandemie vielleicht gar nicht anders bzw. besser. Dann fehlt aber die Bescheidenheit bezüglich Hinterfragbarkeit und zwangsläufiger Fehlerbehaftung jeweiliger (Vor-)Aussagen. Beispiel: der Reproduktionsfaktor wird bis auf drei Stellen (also <0,5%) angegeben, wo die Ursprungsdaten um 80% variieren. Man hätte die Uhr bzw. den Kalender danach stellen können, als ob das Virus wüsste, wann z.B. Mittwoch ist. Kein Wunder, dass es um diesen mehrfach angepassten Reproduktionsfaktor inzwischen, nach anfänglich großem Hype, nun sehr sehr ruhig geworden ist. Oder: Infektions-Modelle basieren zum Teil auf dem ‚Nachbau‘ gesellschaftlicher Verhaltensweisen mittels Billard-Tischen!

Das generiert zwar nette Filmchen, allerdings weit weg von der Realität. Oder: die klassische Pandemietheorie beruht seit 100 Jahren (Kermack&McKendrick 1927) auf gekoppelten Raten-(Differenzial)gleichungen, deren charakteristische Parameter aber gar nicht bekannt sind bzw. sein können, ausgenommen nur in einfachsten Fällen, eine Charakterisierung durch tatsächliche Tests oder Messungen dagegen nur durch Integralgleichungen (Fraser 2007), d.h. summarisch denkbar ist. Kein Wunder also, dass das pandemische Verhalten (gar nicht so) ‚kleiner‘ Gruppen (statistischer Ensembles), wie etwa deutscher Großstädte, hier Beispiel Stuttgart, weit von jeder Modellvorhersage bzw. einfachen Modellierbarkeit mit exponentiellem Verhalten abweichen, abgesehen mal von der ersten Welle. Das RKI kaschiert das vornehm mit dem Begriff ‚diffuses Geschehen‘. Und: Nach Expertenvorhersage sollten wir diese Tage doch eine Inzidenz von 500 bis 1000 haben?!

Die Detaillierung vieler weiterer tiefer liegenderer wissenschaftlicher Widersprüche erspare ich mir hier, sie würde an dieser Stelle zu weit gehen. Auch möchte ich mir nicht anmaßen, mehr als andere zu wissen. Man kann über die Aktion ‚Alles Dichtmachen‘ geteilter Meinung sein. Über Geschmack, Humor und Satire kann man streiten. Was sich jetzt über ‚Alles Dichtmachen‘ entleert, unterstreicht aber doch erst, dass diese Diskussion überfällig war und ist, auch wenn Puristen recht haben mögen, dass eine solche Satire nicht die richtige Haltung sein kann. Man kann und darf das in der Tat so sehen. Offenbar hat sie aber doch, so scheint es, einen Nerv getroffen, und zwar nicht nur bei den corona-sicheren Arbeitsplätzen der Redaktionsstuben. Jeder Corona-Tote ist einer zu viel und alles muss unternommen werden, um weiteres Leid so gering wie nur möglich zu halten.

Führen wir uns aber vor Augen, dass die Intensivstationen personalmäßig auf niedrigster Flamme gehalten werden, Klatschen allein bringt uns da nicht weiter, und weiter, dass sie in der Überzahl von Nicht-Covid-Patienten ausgelastet sind, dann stellt sich doch die Frage, wo der Aufschrei bleibt für diese Nicht-Covid-Patienten. Wo also sind denn alle, die hier aufschreien, wenn jährlich 140 Tausend Menschen in Folge von Rauchen sterben, und wo bei den Fehlernährungs- und Diabetes-Toten? Und das nicht nur während einer Pandemie, sondern jahraus-jahrein! Wo sind denn alle, wenn von jeder Straßenbahnhaltestelle uns ein glückliches Raucherplakat anlacht? Ist dies denn nicht auch wehtuend schäbig und verhöhnend gegenüber all den Raucher-Toten? Sogar die EU macht hier strengere Vorgaben, ohne dass sich die deutsche Politik und insbesondere ein Herr Spahn und seine Union mit all den Masken-Maklern im Schlepptau drum scheren?

Und wie sieht es mit den 60 Tausend Schwerverletzten von Verkehrsunfällen aus, mit in der Regel Langzeitbeeinträchtigung. Deutschland ist eines der wenigen Länder ohne jede allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung, die tendenziell mit Sicherheit die Verletzungsschwere reduzieren würde. Klar: das sind doch alles Äpfel und Birnen! So können wir dann deshalb einfach und ruhig so wie bisher weitermachen. Diese tragischen Fälle sind es aber doch, die unsere Intensivstationen zu einem beträchtlichen Maß auslasten! Wo ist denn da die Betroffenheit bzw. die des meinungsmachenden Sektors? Ganz abgesehen davon, sind doch diejenigen COVID-Intensivpatienten am meisten (zu 2/3) gefährdet, die in beide bzw. mehrere Kategorien fallen. Man stelle sich doch mal vor, die Plakate zeigten statt Zigarettenwerbung ‚glückliche Menschen‘ mit abgenommener Maske und den Worten: ‚freizügig genießen‘ oder ähnlichem Blasentext-Blödsinn? Oder umgekehrt: wir hätten, wie in allen anderen Ländern ein generelles Geschwindigkeitslimit von 100 km/h?

Was gäbe das für einen Aufruhr! Es kämen die Rufe: Verbotspartei, Grundrechteinschränkung! Freie Fahrt für freie Bürger! Gerade jetzt wird aber entrüstet behauptet, dass doch jeder sagen kann, was er empfindet. In den 14 Monaten wurde freilich der Gesichtspunkt problematischer beschönigend sogenannter ‚Zivilisationskrankheiten‘ mit viel gravierenderer Auswirkung im Vergleich zu COVID in fast allen zugänglichen Premium-Medien mit Breitenwirkung, soweit überhaupt, nur am Rande detailliert thematisiert und ohne jede etwaige Forderung nach wirksamen (ja: ähnlich grundrechteinschränkenden wie bei COVID) Maßnahmen. Die frühzeitige Suchterzeugung in einer breiten Bevölkerungsschicht auf Grund von Profitstreben bestimmter ganzer Industriezweige! Vgl. ausnahmsweise A. Jöres, Die Zeit. Der Unterschied zwischen Raucher- und Diabetes-Toten auf der einen Seite und Corona- Toten auf der anderen Seite ist doch schlicht und ergreifend, dass mit den einen ein Schweinegeld, ja: auch Steuergeld, verdient wird, mit Corona aber nur Kosten entstehen, mit Profiten höchstens bei der Pharma-Branche und, wie gesagt, bei den Masken-Maklern.

Und die deutsche Autoindustrie lebt von einem nicht-existenten generellen Geschwindigkeitslimit. Welche Bigotterie! Schließlich: Im Hinblick auf Meinungsdiversität wäre vielleicht das Experiment lehrreich, eine Plagiat-Software über die vielen Medien laufen zu lassen, um dann den hohen Grad an ‚Übereinstimmungen‘ zu erkennen. Oft ist das aber gar nicht nötig, da gleichen sich schon die einzelnen Worte und Textbausteine, von Argumentationen und Inhalten entlang derselben Linie ganz zu schweigen. Soweit sie nicht nur auf nachplappernde Plattitüde beschränkt sind. Die vorliegenden Reaktionen auf ‚Alles Dichtmachen‘ sprechen doch eine unverkennbare (gemeinsame) konzertierte Sprache. Immer wieder das Gleiche ohne neuen Erkenntnisgewinn!

Die wenigen Ausnahmen bestätigen die Regel. Was ich am Tag zuvor in der Zeitung lese, kann ich am folgenden Tag wortgleich und kommentarähnlich in den Nachrichten hören und umgekehrt. Wen wundert’s dass all diese Widersprüche rechte Kräfte sich zu Nutze machen. Die wären schön blöd, wenn sie solche Steilvorlagen einseitig selektierender, d.h. nur bestimmte Fakten betonender Meinungsmache nicht nützen würden. Eine solche Vereinnahmung von der falschen (rechten) Seite dient dann aber auch als Argument gegen jede offene Diskussion. Die entsprechenden Meinungsmacher tragen daher doppelt, ja mehrfach Verantwortung! – Prof. Hermann Meuth, Dipl.-Phys., Ph.D.

 

Mich hat das sehr harmonische Gespräch der drei Schrifsteller*innen sehr verwundert. Nur eine, Juli Zeh, hat als Juristin Fachexpertise beim Thema Ausnahmezustand. Aber anstatt ihr Sparringpartner*innen aus Politik oder Medizin gegenüberzustellen, bekundet Thea Dorn erneut ihre Unkenntnis über wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn. Kausalität ist eben nicht nur im Labor nachweisbar, und mit den sehr unterschiedlichen Pandemiebekämpfungsmaßnahmen weltweit können wir in der aktuellen Lage – so zynisch es klingt – sehr wohl von natürlichen Experimenten sprechen. – Dr. Moritz Botts

 

Was hat Sie geritten, mehrere Seiten für die Meinung von Daniel Kehlmann, Juli Zeh und Thea Dorn zu Ausgangssperren und der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen der Pandemiebekämpfung zu verschwenden? Der von Daniel Kehlmann vorgebrachte Vergleich der Sars-CoV2-Pandemie mit den Terroranschlägen vom 11. September ist haarsträubend – eine Pandemie lässt sich ja wohl kaum mit einem gezielten, lang vorbereiteten Terroranschlag vergleichen. Selbst der Vergleich des „War on Terror” mit einem “War on Covid-19”, den Thea Dorn dann vollzieht, unter der fadenscheinigen Gemeinsamkeit, dass es darum gehe, “Tode zu verhindern”, hinkt in alle Richtungen. Besonders ärgerlich ist jedoch, wie Daniel Kehlmann im Kontext vom 11. September und dem “War on Terror” wilde Behauptungen aufstellt.

Wenn Kehlmann oder ihr Mitarbeiter Adam Soboczynski es nicht besser wissen, dass es keinesfalls “nur in Europa”, wie Kehlmann behauptet, eine breite linksliberale Verurteilung der Kriegspläne der Bush-Administration in Afghanistan und dem Irak gab, dann würde ich beiden vorschlagen, einfach mal nichts zu sagen. Da keiner der beiden an den Protesten in den USA damals teilgenommen hat, geschweige denn, sich die Mühe gemacht hat, es zu recherchieren, gebührt es sich, von dreisten Behauptungen abzusehen. Genau ärgerlich ist es, dass Daniel Kehlmann sich das Recht herausnimmt, sagen zu können, welche Ausgangssperren in welchem Land im Laufe des vergangenen Jahres verhängt wurden. Er behauptet, die Fallzahlen in den USA seien “gefallen … nicht mehr stark gestiegen, ohne dass es dort je eine Ausgangssperre in unserem Sinn gegeben hätte”. Auch das ist unwahr. Er mag sich für einen Schlaumeier halten, aber warum drucken Sie solche unreflektierten, in ihrer Arroganz erschreckend albernen Aussagen ab? – Birgit Nielsen

 

Vieles von dem, was Juli Zeh, Thea Dorn und Daniel Kehlmann in dem Interview zum Ausdruck bringen, ist wohl gerechtfertigt. Auch ich teile ihre Fundamentalkritik an unseren politisch Verantwortlichen, dass es während der gesamten Pandemiephase kaum transparente Entscheidungsfindungen, eine mangelhafte Kommunikation und einige andere Versäumnisse gab. Mit der Verkürzung auf Inzidenzzahlen, dramatische Einzelschicksale und der Lage auf den Intensivstationen haben wohl auch die Median dazu beigetragen, dass es viel zu wenig Diskussion „über den angemessenen Umgang mit dem Ausnahmezustand“ gegeben hat. Insofern ist dieses Interview wohltuend. Dennoch macht es mir geradezu Angst zu lesen, wenn „prädiktive Modellierung“ hier ganz nonchalant mit Wahlprognostik in einen Topf geworfen wird und der „Ausgleich zwischen Ansichten und Bedürfnissen“ über alles andere gestellt wird.

Genau wegen dieser Haltung gab es bisher auch viel zu geringe Fortschritte bei der Bekämpfung des Klimawandels. Natürlich wird Wissenschaft von Menschen gemacht und mangels eines vollkommenen Verständnisses der Welt wird es immer Fehler in den Modellen und Prognosen geben. Nichtsdestotrotz sollte es keinen Zweifel an einigen grundlegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen geben, etwa, dass ein Stein zu Boden fällt, dass Viruserkrankungen sich ohne Kontrolle exponentiell ausbreiten können und dass CO2 aus fossiler Verbrennung nun mal zu einer Erwärmung der Erde führt. Diese Fakten sind alternativlos und nicht verhandelbar.

Wohl verhandelbar ist natürlich der Umgang mit diesen Tatsachen und wie wir das Recht auf ein gesundes Leben gegen das Recht auf persönliche Freiheit abwägen. Leider fehlt jedoch in dem Interview bei der Betonung der Freiheit jeglicher Verweis auf ihren Gegenspieler, die Verantwortung. Wer Freiheit einfordert, muss auch Verantwortung einfordern und erklären, wie man genügend Menschen dazu bekommt, diese mitzutragen. Ohne freiwillige Selbstbeschränkungen wird das nicht funktionieren. Und wie schlecht diese funktionieren, erlebt man ja immer wieder. Ja, es wäre schön, die Pandemie mit einem Gesellschaftsvertrag in den Griff zu bekommen, aber den haben wir nicht. – Dr. Martin Schultz

 

Es geht nicht darum, wer Recht hat, sondern das Richtige zu tun. Im Interview „Es geht nicht darum, wer recht hat“ bezweifelt Frau Dorn die Wirksamkeit der Ausgangssperren und meint, es gäbe keine evidenzbasierte Studie, die zeigen kann, wie effizient Maßnahmen im Einzelnen sind. Ich empfehle dazu u.a. Science 19.02.2021 Vol 371, Issue 6531, eabd9338 oder Nature Human Behaviour 4, 1303-1312, (2020) als Weiterbildungslektüre. Fazit: Ausgangssperren sind eine begrenzt wirksame Maßnahme unter vielen Möglichen. Herr Kehlmann geht im Rahmen seiner Logik davon aus, Herr Prof. D. von der Charite wolle im Notfall Ausgangssperren am ganzen Tag.

Durch diese Überzeichnung diskreditiert er diese Maßnahme grundsätzlich und wird dem Angesprochenen nicht gerecht. In Anlehnung an Frau Zeh vertrete ich die Meinung, dass sich Demokratie und effiziente Krisenbewältigung nicht ausschließen müssen. Es gibt Beispiele dafür und das sind weder Schweden noch die Schweiz. Interessant und zukunftsrelevant wäre daher ein Diskurs darüber, warum es die verantwortliche Politik in unserem Land seit Beginn der Pandemie und meistens trotz besseren Wissens häufig versäumte, rechtzeitig das Richtige zu tun. – Dr. Stefan Wechsler

 

Sie fragen auf der Titelseite „Sind wir zu wissenschaftsgläubig?“. Erst dachte ich, das Wort „wissenschaftsgläubig“ könne es doch gar nicht geben, so absurd erschien mir die Idee, wissenschaftliche Erkenntnis sei eine Frage des Glaubens. Aber nein, das Wort gibt es, und der Duden definiert es so: „[allzu] großes Vertrauen in die Wissenschaft setzend“. Sollten „wir“ (Meinen Sie damit eigentlich die Gesellschaft als Ganzes oder diejenigen, die die verordneten Maßnahmen befolgen oder die sogenannten Querdenker?) also zu wissenschaftsgläubig sein, könnte es nicht daran liegen, dass die Politik – wie Frau Zeh diagnostiziert – „verantwortungsscheu geworden“ ist? Selbst wenn Wissenschaft eine Frage des Glaubens sein sollte, wem soll also der Mensch bei einer Pandemie, die allein durch die Wissenschaft zu erforschen ist, denn vertrauen und damit – wenn Sie es so wollen – glauben?

Insgesamt habe ich wahrgenommen, dass Sie bei „Wissenschaft“ von der irrigen Annahme ausgehen, es würden uns von den Forscher*innen vom ersten Tag an unumstößliche Wahrheiten präsentiert. Wissenschaft ist im Fluss. Sie baut auf gültigen Methoden auf, Erkenntnisse jedoch sind anhand neu hinzukommender Erkenntnisse zu präzisieren und auch falsifizierbar. In einer Informationsgesellschaft wie der unseren wurde von Beginn an erwartet, dass die Virolog*innen permanent Ihre Ergebnisse und ihre Modellrechnungen präsentieren.

Dass die Forschungsergebnisse im Verlaufe der Pandemie frühere relativierten, verursachte oftmals Ärger, Zweifel und Unverständnis in der Bevölkerung. Es gibt das verständliche Bedürfnis, sich an Sicherheiten festhalten zu können. Dass die Wissenschaft dies in einem so frühen Stadium der Forschung gar nicht kann, führt zu Enttäuschung und Kritik wie sie von den drei Autor*innen in Bezug auf Modellrechungen geäußert wird. Hätte Frau Zeh Ihren Satz einfach um ein „nur“ ergänzt, wäre nichts an ihm auszusetzen: „Politik soll sich Expertise einholen und auf Fachleute hören, aber die Zukunftstauglichkeit ergibt sich aus der Gesamtheit der Ansichten und Bedürfnisse und nicht NUR aus Modellrechnungen.“

Das Gespräch vermittelt den Eindruck als verstünden die Autor*innen nicht im Ansatz wie Wissenschaft funktioniert. Wenn Herr Kehlmann sagt, sie sei „keine Instanz, von der aus Orakelsprüche ergehen könnten“, verkennt er, dass diese „Orakelsprüche“ zur Forschung gehören. Wie sonst soll später überprüft werden, ob vorherige Annahmen richtig waren? Und selbstverständlich ist Skepsis an Modellierungen angebracht. Nur eben nicht von Frau Dorn, sondern von den Forschenden, die etwas von der Materie verstehen. Frau Dorn empört sich: „Stellen wur uns kurz einmal vor, was der Staat alles verbieten müsste, wenn er tatsächlich verpflichtet wäre, den Tod als solchen zu verhindern: grotesk!“ Nun, immerhin verbietet der Staat bei Rot über die Ampel zu gehen, es besteht eine Anschnallpflicht, er erlässt Grenzwerte bzgl. irgendwelcher Substanzen im Trinkwasser. Er bemüht sich also durchaus, der Staat. Warum sollte er das im Rahmen einer Pandemie also nicht auch tun?

Frau Zeh sieht es als „verfassungsrechtlich geboten“ und die „politische Notwendigkeit, alle medizinischen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, bevor man an die Grundrechte geht“. Natürlich! Das wäre super! Aber hier hat die Politik leider versagt: Zumindest der Impfstart – also die ersten vier Monate – wurde wie Frau Dorn sagt „vermasselt“. Alten- und Pflegeheime wurden zu spät geschützt, eigentlich doch erst mit Beginn der Impfung. Krankenhäuser wurden nicht großzügig ausgestattet. Ganz und gar nicht. Alles andere als das ist geschehen. Es wurden aber auch im Sommer keine Luftfilter für Schulen angeschafft, es wurde keine angemessene digitale Infrastruktur für die Schulen geschaffen. Die Poltik hat in dieser Hinsicht also auf ganzer Linie versagt. Davon ausgehend hatte sie nur noch zwei Möglichkeiten: Grundrechtseinschränkungen oder Durchseuchung.

Dann kommt Herr Kehlmann mit dem unseligen Schweiz- bzw. Schweden-Vergleich. Ja, stimmt, dort gab es keine Ausgangssperren. Wären wir denn auch bereit, die Anzahl von Infektions- und Todesfällen zu akzeptieren, die wir dann in Deutschland hätten? In der Schweiz sind 0,12% und in Schweden 0,13% der Bevölkerung gestorben. 0,13% wären in Deutschland 108.147 Menschen! In der Schweiz wurden 7,67% der Bevölkerung infiziert, in Schweden waren es 9,43%. 9,43% wären in Deutschland 7.844.869 Menschen! Nein danke, da bleibe ich doch lieber ab 22 Uhr zuhause.

Wenn Frau Zeh die Verordnung zum „Masketragen im Freien“ kritisiert, weiß Herr Kehlmann beizusteuern, dass dies „kein Aerosolforscher mehr empfiehlt“. Ja, das ist zum Teil richtig. Der andere Teil, den die Forschung betont und der nicht unterschlagen werden sollte, besagt, dass man auch draußen eine Maske tragen sollte, wenn man draußen in Gruppen zusammensteht und sich unterhält.

Die Gruppe beschäftigte sich mit der Frage, warum die Hong-Kong-Grippe 1968 medial nicht so viel Beachtung fand wie COVID-19. Zwei Millionen Tote sind eine Tragödie, keine Frage. Die aktuelle Pandemie kostete allen Ein- und Beschränkungen zum Trotz bereits 3,19 Millionen Menschen das Leben! Die mediale Beachtung 1968 mit der von 2020/21 zu vergleichen ist per se ein verrücktes Unterfangen. Was gab es 1968? Drei Fernsehsender, kein Internet, eine nicht zu vergleichende Presselandschaft. Aber die Begründungen der Autor*innen haben ganz andere Gründe identifiziert:

Man war stärker geneigt, Krankheit und Tod für unvermeidlich zu halten“ und „Gesundheit wurde damals noch nicht so sehr als staatliche Angelegenheit gesehen“. Wirklich? Das Recht auf körperliche Unversehrtheit stand aber doch schon damals im Artikel 2 des Grundgesetzes, oder? Bleibt für mich die Frage, warum um alles in der Welt DIE ZEIT nun auf den Zug der Querdenken-Schickeria aufgesprungen ist und in einer Phase, in der die Menschen mehr und mehr der Corona-Politik der Regierenden überdrüssig werden, tatsächlich meint die Frage stellen zu müssen, ob wir zu wissenschaftsgläubig sind. – Susanne Göttker

 

Wer soll in der Pandemie die Richtung vorgeben? Genau das ist die Frage, an der viele Menschen leiden oder verzweifeln. Weder die Wissenschaftler allein noch der evtl. rigorose Staat (so wie China wollen wir es ja nicht machen) sind in einem demokratischen Gemeinwesen dazu prädestiniert. Immer noch am besten wären doch Gremien, die alle wesentlichen Gruppen der Gesellschaft zusammenführen und die wichtigste Frage beraten, die hinter der Frage nach der Richtung steht: WIE WOLLEN WIR LEBEN? Was ist uns wichtig in solch einer Situation und was tritt in den Hintergrund?

Wie wollen wir leben in einer Situation, die eine Abweichung des bisher als normal Geltenden ist, eine Verwerfung, wie Juli Zeh sagt? Mit solchen Verwerfungen müssen wir weiterhin rechnen und uns selbst sowie die gesamte Gesellschaft darauf vorbereiten. Das ist nur möglich durch Aushandeln zwischen möglichst unterschiedlichen Gruppen, wieder und wieder und immer wieder. Dieses Aushandeln fehlt vielen schmerzlich und macht zornig und hilflos. Auch die Künstler. So viele Menschen kommen mit ihren Nöten nicht vor in dem bisherigen Stolpern durch das Maßnahmenwirrwarr. Und anders als die Künstler, die immerhin aufschreien, verabschieden sich viele innerlich und treten aus der Gemeinschaft aus, auch wenn sie lange guten Willens waren. Wenn die satirische Aktion der Künstler dazu beigetragen hat, dass die wesentliche Frage wieder gestellt wird – siehe oben – dann war sie richtig. Gegen den Beifall von der falschen Seite ist selbst Gott nicht gefeit. – Edith Gieler-Weiler

 

„Die alte Frage „Wie wollen wir leben?“ muss nicht nur philosophisch, sondern auch politisch immer wieder neu beantwortet werden.“ So lautet das goldrichtige und hochaktuelle Fazit Juli Zehs im Artikel „Es geht nicht darum, wer recht hat“ aus der Zeit Nr. 18. Nur leider trägt das Interview mit den drei Schriftsteller*innen wenig zur Auseinandersetzung mit dieser Frage bei. Statt konstruktiver Antworten und Impulse bekommt die interessierte (liberale und demokratische) Leserin undifferenzierte Kritik an Wissenschaft und Politik serviert.

Dies alles gründet in einem vagen – dafür aber absolut gesetzten – Freiheitsbegriff, den näher zu definieren sich keine*r der Diskutant*innen bemüßigt fühlt. Das Sprechen von der „Freiheit“ verkommt zu einer nichtssagenden Worthülse, die sich auch durch Mantra-artiges Wiederholen nicht mit Inhalt füllt. Eine echte Auseinandersetzung damit, was ein liberaler Freiheitsbegriff beinhaltet, was er für die Demokratie und damit für den Umgang mit der Pandemie und ihren Folgen leisten kann, bleibt aus.

Sowohl der Erkenntnisgewinn als auch der Mehrwert für die aktuell geführten politischen und gesellschaftlichen Debatten wären wohl deutlich größer ausgefallen, hätte man statt selbsternannten ausgewiesene Expert*innen für Fragen der Freiheit in der liberalen Demokratie zu Wort kommen lassen – gibt es doch ganze Wissenschaftszweige, etwa in der Philosophie und den Politikwissenschaften, die sich mit diesen Fragen in differenzierter Weise auseinandersetzen.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass das entscheidende Merkmal, welches die drei Schriftsteller*innen für das Interview qualifiziert hat, der Umstand ist, dass sie KEINE Wissenschaftler*innen sind. Dass dieses Auswahlkriterium der Sache, d.h., einer konstruktiven Auseinandersetzung mit komplexen philosophischen und gesellschaftlichen Fragestellungen, nicht dienlich ist, stellen die drei Interviewten eindrücklich unter Beweis. – Dr. Monika Platz

 

Von Zeh, Kehlmann und Dorn viel Selbstgefälliges ohne wirklichen Orientierungs- und Erkenntnisgewinn! Was für mich leider für den gesamten Feuilleton-Teil der aktuellen Ausgabe gilt. – Arno Heitmann

 

Ich danke der ZEIT, dass sie Teilen der angeblich geistigen Elite dazu verholfen hat, sich selbst zu entblößen. Erst Wefings Leitartikel, der nur von Freiheitsrechten redet, statt durch einen Blick ins Grundgesetz, wozu die Juristin Zeh ihm hätte helfen können, zu erkennen, dass es vielleicht sogar vorrangig auch ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gibt und eine entsprechende Schutzpflicht des Staates. Dann ein Interview mit Liefers , der von seiner dümmlichen Satire einfach nicht runterkommt und als Spitze dann Dorn, Kehlmann und Zeh, deren verächtlicher Hochmut kaum zu übertreffen ist.

Statt ein plattes Buch „über Menschen“ brauchen wir in dieser Ausnahmezeit (als was soll man sie denn sonst bezeichnen?) Beispiele, wie es Daniel Hope über ein Jahr mit seinen Serien hope@home u.ä. geschafft hat, fast jeden Abend ohne jegliche Anklage mit viel Empathie positive Signale zu senden und damit mehr als alles Gerede die Berechtigung von Kunst bewiesen hat. – Dr. Karsten Notthoff

 

Herr K. bringt es auf den Punkt : Staaten, wie die USA, Schweiz und Schweden sind auch ohne Lockdown nicht zusammengebrochen. Was meint er nur, wenn er dieses Verb benutzt? Welche Staaten sind denn nach seiner Meinung zusammengebrochen, etwa Deutschland ? Er verschweigt zudem, dass in allen drei von ihm so bewunderten Ländern bezogen auf die Einwohnerzahl viele hundert Menschen mehr als in Deutschland gestorben sind . Keiner der übrigen Anwesenden äußert sich dazu, wahrscheinlich aus Unkenntnis. Zahlen und Modelle scheinen ihnen, den Künstlern, sowieso zuwider zu sein. – Rainer Cammann

 

Das missglückte Video der Schauspielerriege hat gezeigt, dass nicht jede Person des öffentlichen Lebens etwas konstruktives zur Lage beitragen kann. Hier muss ich leider die Beiträge von Frau Dorn und Herrn Kehlmann einreihen, die sich in dem Wiederkäuen abermals Gesagtem und pauschalen teils unschlüssigen Annahmen erschöpfen. Ist Alexander Kekulé zwar als Wissenschaftsjournalist anerkannt, forscht er nicht auf dem Gebiet der Virologie und ist entsprechend nachvollziehbar nicht der erste Ansprechpartner für die Politik in wissenschaftlichen virologischen Fragen. Nur weil Paul der Krake das Ergebnis mehrerer WM-Spiele richtig vorhergesagt hat, ist er längst kein anerkannter Fußballexperte.

Auch die vermeintlichen Feststellungen, dass „Verantwortung (auf Bürger) abgewälzt“ werde und eine „Verantwortungsverschiebung“ (zwischen den staatlichen Gewalten) stattfinde, gehen fehl. Zum Einen hat der*die Bürger*in in einem freiheitlichen demokratischen Staat nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Im vorliegenden Fall solidarische und mithin auch Verantwortung, die nicht erst „abgewälzt werden muss“. Zum Anderen leben wir in der Bundesrepublik seit in Kraft treten des Grundgesetzes sehr gut mit der Gewaltenteilung. Vielleicht darf man das hier Gesagte aber auch nicht wortwörtlich nehmen?! Hm. Wirklich?

Ehrlich gesagt erwarte ich von jemandem, der für sich in Anspruch nimmt, mit Sprache Kunst zu machen, dass er diese auch bewusst einzusetzen vermag und inhaltlich prüft, was er sagt. Nunmehr weg von der Schriftstellerriege erlaube ich mir, die positive Kreativität eines Künstlers namens FatBoy Slim zu betonen, der der Gesellschaft in Pandemiezeiten ein gelungenes Album präsentiert hat und nicht in das derzeit gesellschaftlich und auch in Künstlerkreisen etablierte Gejammer einstimmt. Es wäre wünschenswert, wenn sich manche*r Künstler*in an dieser positiven Kreativität ein Beispiel nehmen würde. – Lisa Brechter

 

Der Einspruch der Künstler ist vor allem eines – er ist demokratisch vielgestaltig. Nicht zuletzt zeigt sich, dass die Pandemie für jeden auch noch so intelligenten Kopf eine schwer zu bewältigende Krise darstellt, es scheinbar keine angemessenen und übereinstimmenden, geschweige als gesamtgesellschaftlich richtig erkannten Lösungsansätze gibt. So gerät das Interview respektive das Pläydoyer der Künstler, gleicht man unvoreingenommen die prozessierende Realität und das menschliche Un- und Nachwissen ab, auch jenseits des Rechthabens insbesondere zu einer Darlegung der Grenzen des politisch Umsetzbaren. Überdies bedarf es bei der Feststellung von Fehlern (und Eindeutigkeiten) freilich grundsätzlich weniger Klugheit denn bewusster Aufmerksamkeit. Kurzum: Halte den Einspruch für zulässig, jedoch für nur teilweise begründet. – Matthias Bartsch

 

Die drei Autoren sprechen über viele Punkte, die in meinen Augen Strohmänner sind – Frau Dorns Behauptung, andere Aspekte als der Lebensschutz würden ignoriert oder Herrn Kehlmanns Diagnose eine Ausnahmezustands, der immer strengere Regeln fordert, haben schlicht und ergreifend nichts mit der realen Politik während der letzten vierzehn Monate zu tun. Auch eine angebliche Diskussionsarmut lässt sich bei den wiederkehrenden Debatten über die angebliche Bedeutungslosigkeit von abwechselnd Kitas, Schulen oder Fitnessstudios für die Infektionsausbreitung, über die gravierenden Folgen des ausgefallenen Schuljahres und über die Zunahme psychischer Erkrankungen kaum Aufrecht erhalten.

Auch soll der Lockdown die „politische Abwälzung der Verantwortung auf den Einzelnen“ (Zeh) ja gerade verhindern, indem er ein gesellschaftliches Koordinationsproblem löst, BEVOR eine völlig unkontrollierte Situation eintritt, in der z. B. ein Arztbesuch ein gravierendes individuelles Risiko bedeutet. Die traurige Ironie des Interview ist jedoch vor allem, dass genau der eingeforderte Politikstil uns erst in die Lage eines perspektivlosen Dauerlockdowns gebracht hat. Würde die Exekutive tatsächlich „einfach wissenschaftlichen Empfehlungen folgen“ und nicht alle „technischen Optionen“ ausreizen, bevor es ans Eingemachte geht, hätten wir uns mit einem sehr harten aber auch zeitlich eng befristeten Lockdown bei noch niedrigen Infektionszahlen im Herbst nicht nur viele Tote ersparen, sondern auch viele Freiheiten mittel- und langfristig bewahren können.

Mit einem solchen hätten wir auch über Weihnachten, als ohnehin viele Betriebe geschlossen hatten, eine Ausbreitung der Mutanten noch verhindern können und wären jetzt in einer viel besseren Lage.Denn auch keine noch so starke Betonung des Primat des Politischen ändert etwas an der Tatsache, dass die gesellschaftlichen Kosten einer unkontrollierten Pandemie die unserer Maßnahmen übersteigen würde. – Adrian Schröder

 

Endlich gibt es in der Zeit eine echte Diskussion über die Coronamaßnahmen. Daniel Kehlmann, Juli Zeh und Thea Dorn sprechen mir und wohl vielen anderen aus dem Herzen. Das ist natürlich Jan Josef Liefers zu verdanken, der mutig einen Anfang gemacht hat. Für den freien Diskurs! – Willy Künzel

 

Deutschland 2020/21: Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten, Verboten,Verboten, Verboten. – Tomek Walter

 

Das Trio gehört zweifellos zum Besten, was die Republik heute intellektuell zu bieten hat. Die Definition, was unter dem Begriff „Demokratie“ verstanden werden kann, hielten die Diskutanten allerdings für entbehrlich. Dabei liefert aber eine zutreffende Definition, was Demokratie eigentlich bedeutet, einen ganz wesentlichen Aspekt: An der Spitze der Entwicklung zur politischen Philosophie seit Aristoteles und Platon steht der Erkenntnis von John Ralws, wonach man von einer wohlgeordneten Gesellschaft – sprich Demokratie – dann sprechen kann, wenn es in der Gesellschaft einen sog. overlapping consensus über ihre essentiellen Belange gibt. Das muss in einer Diskussion, wie übrigens auch in Parteiprogrammen, hinreichend erkennbar sein. Sonst bleibt es bei gekonnter, aber überwiegend bekannter Rhetorik. – Manfred Eckelt

 

Danke für das tolle Feuilleton in Ausgabe Nr. 18. Das Interview und Gespräch zwischen Daniel Kehlmann, Juli Zeh und Thea Dorn hat mir sehr gut gefallen. Von vielen Seiten wird ausgewogen und konstruktiv auf die Pandemie, Entscheidungen und die Auswirkungen von Politik, Virus auf Kunst und Kultur geblickt. Es zeigt, wie schwierig es ist, die Menschen und die Gesellschaft zu schützen dabei aber auch das rechte Gleichgewicht zu finden. Nicht moralisierend, sondern verständnisvoll und trotzdem kritisch habe ich das Gespräch wahrgenommen. Sehr guter Beitrag. – Andreas Braun

 

Wo sich die drei Autoren so viele Gedanken über die Rolle der Wissenschaft in der Politik machen, ist es schade, dass keine Naturwissenschaftlerin zugegen war. Die hätte grundfalsche Behauptungen wie die von Herrn Kehlmann, prä­dik­ti­ve Mo­del­lie­rung sei „et­was ganz an­de­res als Phy­sik oder Mi­kro­bio­lo­gie“, sondern „eher wie Wahl­pro­gnos­tik“ korrigieren können. Gerade die Physik will nicht nur erklären, wie der Apfel vom Baum fällt, sondern so exakt wie möglich vorhersagen, wo er auftrifft.

Modellierungen werden nicht anders auf die Güte ihrer Vorhersage geprüft als das Gesetz des freien Falls. Beim Thema Modellierung von Epidemiologen wie des Weltklimas scheint mir das Wort „Großrechner“ bei manchen Zeitgenossen eine seltsame Technikfeindlichkeit auszulösen, die angesichts des eigenen Smartphones verschwindet. – Dr. Martin Böckmann-Barthel

 


 

 

Leserbriefe zu „Freiheit, unbändig“ von Heinrich Wefing

 

Diesem Beitrag kann ich nur beipflichten. sachlich, unvoreingenommen. Zeigt er das Problem auf, das die Politik nicht bewältigt. Wenn die Polizei einen Straftäter nicht ermitteln kann, bildet sie eine Sonderkommission (SOKO). Wissenschaftler organisieren eine Denkfabrik, wenn sie in ihrer Arbeit nicht vorankommen. Woran liegt es, dass die Bundesregierung offensichtlich davon ausgeht, sie selbst sei die SOKO, die Denkfabrik, die versammelte „Schwarm-Intelligenz. Dabei nimmt sie nicht wahr, dass Denkfabriken und Sonderkommissionen interdisziplinäre Einrichtungen sind. Angesichts ihrer teilweise widersprüchlichen, nicht nachvollziehbaren Entscheidungen sind Psychologen und Polikwisschaftler gefragt, die Ursachen für diese Situation festzustellen. Mit hilft die Aufforderung Immanuel Kants: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ – R. Renaux

 

Es gibt nur ein entweder oder. Ich versteh die Menschen nicht mehr. Wollen wir mehr Tode oder mehr Freiheit. Wer ins Kino oder in die Kneipe will, ist ein oberflächlicher und egoistischer Mensch. Er nimmt den tot inkauf, und zwar für alle. – Gunter Knauer

 

Dieser Leitartikel in der Zeit Nr. 18 von Heinrich Wefing erzeugt wieder mal das Gegenteil von Lesegenuss! Da wird gelabert (Tschuldigung) von irgendwelchen „Twentysomethings“ unter Ausgangssperre, während die „Boomer“ beim Italiener sitzen. Kurz nach diesem schwer verdaulichen Kauderwelsch ist davon die Rede, es gäbe kein juristisches Argument für ein „leveling down“ (-> Unfreiheit für alle)? Was soll das? Gewinnen Aussagen in diesem Artikel erst dann Bedeutung, wenn sie von einem Anglizismus veredelt werden? – Hans-Günter Meyer

 

Dass die Argumentation in Ihrem Beitrag nicht allzu kohärent ist, werden Sie sicher selbst wissen. Was ist das „unbändig“ – ungeduldig, wütend, rücksichtslos, egozentrisch? Die eigentliche Frage aber ist: Darf „Die Zeit“ in einer Phase, in der die Gesellschaft um Zusammenhalt ringt, ein solches Beispiel postmoderner Irrationalität auf der Titelseite bringen? – Dieter Wurm

 

Teure Politiker! Raus aus der Komfortzone. Farbe bekennen. Schlagworten Taten folgen lassen: Digitalisierung, Bürokratieabbau, Kümmern um die Abgehängten und so weiter und sofort. Alles das ist seit mehr als einer Dekade auf der Agenda der verschiedenen politischen Farbspiele. Ergebnis bisher = ungenügend bis mangelhaft. Einschränkungen von Grundrechten sind keine politische „Spielmasse“. Die Bundesregierung und/oder der Bundestag sollten immer und immer wieder im Grundgesetz nachlesen und endlich, endlich nach diesen dort festgeschriebenen Maximen handeln.

Das „Werkeln“ der Politik in der gesamten Corona-Pandemie ist unter einem Brennglas betrachtet erschreckend hilflos und dilettantisch. Es wird leider nicht über den Tellerrand (hier der Hinweise und Schilderungen durch Virologen, Epidemiologien und den Beschäftigten auf Intensivstationen) geschaut. Also weiter wie bisher. „Komm ich heut nicht komm ich morgen!“ Hierzu passt natürlich auch das „Ergebnis“ des „Impfgipfels“. Wobei jedem Viertklässler klar ist, dass Geimpften durch Aufhebung von Grundrechtseinschränkungen eine andere, neue Lebensqualität in Aussicht zu stellen ist. So und nur so kann man das Impfen attraktiver machen.

Die Politik muss gestalten und liefern, trotz Wahlkampf und sie darf nicht auf Gerichtsentscheidungen schielen oder gar warten. Statt sich über berechtigte Kritik zu mokieren sollten die Regierung und das Parlament die Arbeit machen für die sie gewählt sind und bezahlt werden. – Felix Bicker

 

Fassungslos lese ich Ihre Feststellung: 9 Millionen Menschen in Dtschl können sich nicht mehr anstecken…. können nicht mehr Übertragende sein. …“ nach allem, was die Wissenschaft weiß“. Ich frage mich, wie Sie zu dieser Feststellung kommen können.,,,, Es ist doch überhaupt nicht schwierig, im Netz Ergebnisse von Studien zu lesen, dass das Übertragungsrisiko nach wie vor gegeben ist – von Geimpften! Auch wenn es unterhalb von 50% liegt. Ebenso lässt sich aus veröffentlichten, zitierten Studien erkennen, dass eine erhebliche Unsicherheit besteht, wie lange der Schutz, also das Antikörper- Aufkommen reicht, um nicht erneut infiziert zu werden oder – zum Überträger zu werden, für die Menschen, die eine Infektion durchgemacht haben.

Aus welchem Grund sollten diese geimpft werden? Als Beispiel aus der Praxis-1- Personal, welches im Familieneinsatz ist, die Familien nach bestimmter Zeit wechselt, muss zur vollständigen Impfung einen PCR – Test vorliegen, ehe die neue Familie betreut wird. Beispiel -2-: In Niedersachsen sind vor 3 Wochen mehrere Pflege-Heime genannt worden ( Zeitung), in denen geimpftes Personal erneut als infiziert gemeldet wurde. Ich würde mich über eine kurze Erklärung freuen. – Sigrid Bauer

 

Der Leitartikel „Freiheit, unbändig“ von Heinrich Wefing beschreibt m. E. sehr treffend und pointiert das, was ich selbst wahrnehme und wahrscheinlich objektiv den Zustand dieser Republik beschreibt, welche eine selbstgefällige CDU und Kanzlerin mit Hilfe der SPD systematisch heruntergewirtschaftet und gegen die Wand gefahren hat. – Jörg Immelnkämper

 

So ein Widerspruch in den beiden Leitartikeln auf der ersten Seite der Zeit. Das sollte nicht sein. Artikel Freiheit….: Neun Millionen (zweimal Geimpfte und Genesene), die mit jedem Recht sagen können: Wir gefährden niemanden, gebt uns unsere Freiheit zurück. Nicht irgendwann, sondern sofort. Artikel Indien…. Diese Ungleichheit gefährdet nicht nur die Ungeimpften, sie gefährdet auch alle, die schon eine Spritze bekommen haben. Lassen Sie sich das bitte mal auf der Zunge zergehen. – Klaus P. Greschok

 

Die ZEIT entdeckt die Grundrechte: es müssen enge Voraussetzungen erfüllt sein, sonst darf man sie nicht einschränken. Ich freue mich drauf, daß die ZEIT in Zukunft auch die digitale Welt als einen Raum anerkennen wird, in dem Grundrechte gelten sollten, die aber an allen Ecken und Enden eingeschränkt werden. Ohne daß diese engen Voraussetzungen erfüllt sind: Urheberrechtsreform, Websperren, Vorratsdatenspeicherung, Geheimdienstüberwachung, Staatstrojaner, Steuer-ID, etc. Immer wieder muß hier das Verfassungsgericht oder der europäische Gerichtshof die Freiheit erzwingen, und ein ums andere Mal demonstriert der Gesetzgeber, wie egal ihm die Grundrechte der Bürger sind. Schön, daß Ihnen die Grundrechte jetzt so wichtig sind, bitte weiter dranbleiben! – Matthias Ferdinand

 

Der Virus verhält sich solidarisch und mutiert unter Mithilfe von Gerichten zu einer Pandemie. Eine Pandemie hält sich nicht an Grundrechte des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Das sechs Millionen Menschen geimpft sind stimmt aber das drei Millionen Menschen genesen sind stimmt nicht. Sie haben zum Teil noch mit schwersten Nachwirkungen der Krankheitsverläufe zu kämpfen. Somit sind 71 Millionen Menschen in Deutschland noch nicht geimpft. Das der Gang zum Gericht oder nach Karlsruhe nicht der Eindämmung der Pandemie hilft ist denen die dort vorsprechen klar. Ein gravierender Grund für die, die den Gang nach Karlsruhe gehen ist die bevorstehende Bundestagswahl.

Der fundamentale Unterschied ist, wer die Gerichte mit welchem Ziel um Entscheidung bemüht. Wir sollten das Ziel der Eindämmung der Pandemie als Maßstab ansetzen, was zwei elementare Bausteine beinhaltet; Impfen und Solidarität. Wir sollten uns solidarisch verhalten und Einschränkungen der Grundrechte für unsere Freiheit akzeptieren, bis eine Herdenimmunität erreicht ist. Nicht nur die Menschen im Gesundheitswesen werden es dem solidarischen Verhalten von uns allen danken. Genau um diese Solidarität bittet die Regierung unter temporärer Einschränkungen der Grundrechte weiterhin. Das Ziel bestimmt den Weg. – Siegfried Görs

 

Sie sprechen mir aus dem Herzen. Nach dem ergebnislosen „Impfgipfel“ habe ich meinem Parteivorsitzenden, Herrn Laschet, folgende Mail geschrieben: „Sehr geehrter Herr Laschet, nach dem ergebnislosen Impfgipfel kann ich nur zu dem Ergebnis kommen, dass die Bundes-CDU, die CDU-Ministerpräsidenten und die CDU-Regierungsmitglieder politikunfähig geworden sind. Seit November schaffen es die führenden Köpfe der CDU nicht, Ziele für eine Rückkehr ins normale Leben zu setzten. Wie lange noch wollen Sie die Menschen in Deutschland in dieser aussichtslosen Situation gefangen halten? Ich habe mit meiner Mail vom März bereits darauf hingewiesen, dass die Menschen ein Ziel vor Augen haben müssen um einen Weg zu verfolgen, politischen Entscheidungen zu folgen. So wie es zur Zeit läuft, verlieren Sie und die CDU die Menschen und die Wahl.“

Dies kann man natürlich auch auf die SPD übertragen und die Landesregierungen. In Braunschweig stolpere ich inzwischen von einem Schnelltestzentrum in das nächste. Nur was habe ich von dem Negativergebnis, wenn es mir keine zusätzliche Bewegungsfreiheit verschafft? Ich habe den Traum, dass alle Gastwirte der Republik auf einen Schlag (vorerst nur) ihre Außengastronomie öffnen und konsequent nur geimpfte, negativ getestete und genesene Menschen bewirten und so ihr Recht in die eigenen Hände nehmen. Ob dann wohl die „staatliche Gewalt“ dagegen angehen würde? Aber es bleibt wohl nur ein Traum. – Henning Glaser

 

Einschränkung des Grundrechts Freiheit? Welche Freiheit meint Herr Wefin? Die Freiheit als solche, die Bewegungsfreiheit, die Konsumfreiheit, die Gedankenfreiheit oder die Freiheitseinschränkungen einer behördlichen Überreglementierung. Gerade das ist eine Freiheitseinschränkung, die nur in seltenen Fällen öffentlich angeprangert wird, da diese Art der Einschränkung nur von den Betroffenen wahrgenommen wird. Was ist mit dem Grundrecht aus Art. 3 GG: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, Abs. 3 letzter Satz: Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden? Was hier als Einschränkung des Grundrechts Freiheit angeprangert wird ist doch nur Ausdruck eines kognitiven Lockdowns der öffentlichen Verwaltung und deren Versäumnisse in der Vergangenheit. So die Missachtung der Risikoanalyse des RKI aus dem Jahre 2012 mit deren Missachtung die Probleme verbunden sind.

Die Bewegungsfreiheit, und nur die wird eingeschränkt, auf 100-Tausend-Bereiche auszudehnen, ist sinnfrei. Nun eine neue Regel mit Aufhebung der Bewegungsfreiheit für nicht geimpfte und geimpfte zu regeln ist einfach zu kurz gedacht. Was ist, wenn in einer Familie ein Mitglied geimpft ist und die anderen nicht? Wie soll das geregelt werden. In dem von der Verwaltung (Regierung) bis in den Mikrobereich hinein Regeln geschaffen werden sollen, welche nie alle Möglichkeiten erfassen können, wird die Verwaltung immer mehr Respekt verlieren und schließlich als unfähig angesehen werden. – Dieter Goldschalt

 

Ja, ich möchte auch wieder „unsere“ Freiheiten zurück. Bei dieser Diskussion werden aber die Kinder vergessen. Sie haben keine Lobby. Seit der Pandemie findet bei uns ein flächendeckender Kaspar-Hauser-Versuch statt. Ein Großversuch in Sachen Erfahrungsentzug für Kinder und Jugendliche. Ich selber bin Mutter von drei Kindern und frohlocke, denn meine Kinder sind erwachsen. Wir verlieren zur Zeit eine ganze Generation und Keinen kümmert es scheinbar. Insbesondere Kinder und Jugendliche aus armen Bevölkerungsschichten verweigert man Entwicklung, Bildung und Zukunft. Sie waren schon immer ohne Stimme.

Wir leben in einer stark alternden Gesellschaft. Wir impfen zuerst die „Schwächsten“, d.h. die über 80jährigen. Bevorzugt im Pflegeheim. Wir priorisieren die Impfung. Ich verstehe das und möchte auch kein Bergamo. Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, dass die zur Zeit Geimpften in der Regel nur noch den kürzeren Teil ihres Lebens vor sich haben. (Ich habe auch schon mehr als die Hälfte meines „Brotes“ gegessen.) Die zukünftige Bevölkerung, die Heranwachsenden werden vergessen. – Gabi Kleist

 

Man möchte ja gerne zustimmen: Freiheit, so schnell wie möglich. Schluss mit den Corona-Einschränkungen, jetzt. Allerdings ist Zweierlei zu bedenken: Medizinisch: Die Pandemie ist überhaupt noch nicht besiegt. Die Inzidenzen sind nach wie vor viel zu hoch. Tests bedeuten Momentaufnahmen mit der Gefahr falscher Sicherheit. Eine Genesung von Covid-19 ist nicht ohne besondere Diagnostik nachweisbar. Gesellschaftlich: Eine gefährliche Spaltung ist absehbar. Ein massiver Generationenkonflikt droht auf den letzten Metern vor dem ausreichenden Impfstoffangebot für alle. Daher gilt jetzt Handeln mit Vorsicht, Vernunft und Besonnenheit – ohne sich von Wahlkampftaktik und Populismusgetöse treiben zu lassen. – Ludger Gaillard

 

Auch ich bin dafür, dass Geimpfte und Genesene möglichst rasch wieder ihre Grundrechte wahrnehmen dürfen. Ihren Beitrag finde ich in diesem Kontext allerdings wenig hilfreich. In Deutschland sind zwar inzwischen ca. neun Millionen Menschen geimpft bzw. genesen, aber ca. 74 Millionen sind es eben noch nicht! Auch diese Menschen könnten auf die Idee kommen, ihre Rechte einzuklagen. Aus diesem Grund finde ich es durchaus sinnvoll, dass sich unsere gewählten Volksvertreter die Zeit nehmen, solide rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Mit einem innerhalb von drei Tagen beschlossenen Gesetz, das nach drei weiteren Tagen wegen grober rechtlicher Mängel von den Gerichten kassiert wird, ist schließlich niemand gedient.

Im Übrigen wundere ich mich, dass die oft geforderte stärkere Beteiligung des Parlaments in Ihrem Artikel kritisiert wird. Die Einleitung eines ganz normalen Gesetzgebungsverfahrens im Bundestag als „Versumpfung im parlamentarischen Prozedere“ zu bezeichnen, finde ich zudem äußerst unpassend. Durch die Pandemie werden Defizite tatsächlich schonungslos offen gelegt. Dazu zählt aus meiner Sicht aber auch eine unglaubliche mediale Larmoyanz, die sich oft nur auf negative Aspekte fokussiert und das Positive weitgehend ausblendet.

In letzter Zeit habe ich z.B. nirgendwo gelesen, dass in Deutschland schon deutlich mehr Menschen geimpft wurden als in allen anderen EU-Ländern (und übriges auch viermal so viele wie im hoch gelobten Israel). Offen gesagt habe ich das ständige Genörgel auf allen Kanälen allmählich satt. Ich werde daher Ihren Artikel zum Anlass nehmen, um mir einmal gründlich zu überlegen, ob ich die Berichterstattung zur Corona-Pandemie überhaupt noch weiter aktiv verfolge. – Ingo Scholz

 

Eine lautstarke Minderheit hetzt mit: „der Staat nimmt uns die Freiheit!“ Nicht der Staat nimmt uns die Freiheit, sondern Corona. Dem Staat kann man vorwerfen, daß er diese Seuche nicht konzequent bekämft hat. Eine Kanzlerin die nicht führen wollte, oder es nicht konnte. Halbseidene Politiker die das Grundgesetz und den Datenschutz für ihre Selbstdarstellung misbraucht haben. Das kostet uns heute noch Freiheit. – Friedrich Küspert

 

Mit Interesse verfolge ich die öffentliche Diskussion über die Rücknahme der Freiheitseinschränkungen für vollständig gegen Corona geimpfte Menschen. Auf der aktuellen Titelseite (!) der Ausgabe vom 29.04. darf Heinrich Wefing unwidersprochen behaupten, dass sich etwa neun Million Geimpfte und Genesene „nicht mehr mit dem Coronavirus anstecken und auch andere nicht mehr infizieren können“. Die Behauptung, dass Geimpfte das Virus nicht weitergeben können, ist ausweislich der aktuellen Studienlage, falsch. Dies haben Sie zuletzt in einem gestern erschienen Artikel noch einmal selbst richtig dargestellt: „Die gute Nachricht könnte dennoch lauten: Die Impfstoffe schützen wahrscheinlich auch die Mitmenschen von Geimpften – nur eben nicht zu 100 Prozent. Ausnahmen gibt es immer.

„Wir können davon ausgehen, dass eine vollständige Impfung das Risiko einer Übertragung stärker reduziert als ein negativer Schnelltest“, sagt der Impfstoffforscher Sander.“ aus: https://www.zeit.de/gesundheit/2021-04/corona-impfung-geimpfte-uebertragung-virus-ansteckungsgefahr-studie-forschung/komplettansicht Ich verstehe und unterstütze, dass viele Zeit-Redakteure die Freiheitsrechte sehr energisch verteidigen. Allerdings sollten Sie auf Ihrer Titelseite trotzdem keine Falschbehauptungen unwidersprochen zulassen – der Zweck heiligt nicht immer die Mittel! Zusätzlich entspricht das nicht Ihrem hohen journalistischen Anspruch! Da ich Ihnen schon einmal schreibe, möchte ich noch zwei Themen ansprechen: Abseits der Diskussion, ob die Gesellschaft die Sprache oder die Sprache die Gesellschaft verändern sollte (alle Argumente dazu sind hinreichend ausgetauscht): ich wünsche mir etwas weniger „Verrenkungen“ beim „Gendern“.

Dort, wo es – ohne den Lesefluss zu behindern, gut umzusetzen ist, setzen Sie es ruhig ein – für die Menschen denen das Befriedigung bringt. Ich werde mich daran sicher im Lauf der Zeit auch gewöhnen (auch wenn es meinen Lesefluss immer noch stört). Als jemand, der aus dem Osten dieses Landes kommt, kann ich keine strukturelle Benachteiligung oder fehlende Sichtbarkeit speziell (!) von Frauen erkennen, welche über andere „Ungerechtigkeiten“ in unserer Gesellschaft hinausgeht (fehlende Chancengleichheit in Bezug auf Bildung bei Kindern möchte ich hier nur als Beispiel nennen).

Ich wünsche mir, dass Sie diese Art von Problemen, welche ich heute als wesentlich größere Gefahr für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft betrachte, mit dem gleichen journalistischen Elan versuchen zu verändern. Vielen Dank für den bereits vielen Jahre sehr guten Journalismus – machen Sie bitte weiter so! Sie alle sind eine wichtige Basis für unsere erfolgreiche Demokratie! – Tino Hoffmann

 

Nur so könnten wir unsere Grundrechte wieder zurückerhalten: als Geimpfte, als an“Corona-Erkrankte“ und wieder Genesene, oder vielleicht auch als „Testpersonen“, die sich ständig einem Corona-Test unterziehen; am besten man erfüllt gleich alle drei Kriterien. Die beliebten Corona-Hygieneregeln sollen aber ein fester Bestand des täglichen Lebens bleiben, die FFP2-Maskenpflicht (zumindest hier in Bayern), der Mindestabstand, und das ständige Händedesinfizieren (diese Art der Infiziererei scheint erlaubt zu sein, aber nur, wenn ein „Des“ vorausgeht). Wir bekommen demnach unsere Grundrechte wieder retour, die laut der Präambel im Grundgesetz, irgendwie immer noch für das gesamte Deutsche Volk gelten sollen, oder hab´ ich da irgendetwas falsch gelesen. – Klaus P. Jaworek

 

Alle diejenigen, die für vollständig Geimpfte zunehmend „unbändig“ Freiheit fordern und dabei u.a. von unbeschwerter Geselligkeit und Reisen nach Belieben träumen lassen, mögen sich bitte folgendem Gedankenexperiment stellen: Eine neue hochinfektiöse Mutation entsteht, die besonders die Jüngsten gesundheitlich schwer schädigen oder töten kann. Reiserückkehrer bringen sie trotz Impfung mit zurück, so wie die Ischgl-Heimkehrer, Feiernde verbreiten sie im Land wie die Karnevalisten in Gangelt. Für die unter Zwölfjährigen gibt es absehbar noch keinen Schutz.

Was folgt daraus? Zum einen , dass dieses Szenario die größte anzunehmende gesellschaftliche Katastrophe wäre. Zum anderen, dass es zwar Lockerungen geben darf, doch mit aller Vorsicht, d.h. tragbaren und überwachten Öffnungskonzepten, der Beibehaltung elementarer Hygienegebote und regelmäßiger Testkontrolle. Großbritannien, Südafrika, Brasilien und Indien mahnen daran, dass das Mutationsszenario so unwahrscheinlich nicht ist und dass es insbesondere für hochfliegende Reisepläne, für Gedränge an Urlaubs- und Festivalhotspots, für feuchtfröhliche Sommernachtspartys deutlich zu früh ist. Im Übrigen gilt das Gesagte selbst ohne das Gedankenexperiment, so lange weiterhin zu große Teile der Bevölkerung noch nicht geschützt sind, und sollte vor-und umsichtiges Regierungshandeln leiten. Frankreich z.B. hat einen Stufenplan veröffentlicht, unter Vorbehalt. – Herbert Zemke

 

Der Beitrag von Herrn Wefing zeigt deutlich woran es in unserer Gesellschaft krankt: Freiheit kann eingeklagt werden, der verantwortliche Umgang damit nicht. Freiheit ohne Verantwortung dient nur den Cleveren und Durchsetzungsstarken. Sie sichern sich damit ein ‚größeres Stück vom Kuchen‘. Rücksichtnahme, Solidarität? Fehlanzeige. Juristisch lässt es sich leider nicht einklagen, dass sich alle bestmöglich bemühen, eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Aber ethisch betrachtet ist es einfach notwendig so zu handeln. Nur so ist Freiheit für alle möglich auch für Künstler, Gastronomie, Einzelhandel und alle diejenigen, die momentan nicht die Freiheit haben ihrem Beruf nachzugehen. Und die Freiheit für jene, die an der Coronafront arbeiten und keinen normalen Alltag mehr erleben dürfen. Spenden wir nicht nur Applaus, sondern bemühen wir uns nach Kräften, den Virus zu besiegen! – Uwe Endress

 

Heute gegen Corona schon vollgeimpft zu sein ist ein Privileg, ermöglicht durch die Solidarität der Jüngeren mit den Älteren, bzw. anderen „Priorisierten“. Aus dieser Bevorzugung nun eine weitere Bevorzugung abzuleiten, erscheint mir, gelinde gesagt, unangemessen. Wie liebend gern wären unzählige Jüngere- beispielsweise allein Mitarbeiter un Mitarbeiterinnen im Supermarkt oder im Friseurladen, die täglich dem Risiko einer Ansteckung ausgesetzt sind, auch geimpft: Vor einer Krankheit, die sich immer häufiger auch für Jüngere als äußerst tückisch erweist.

Das gute Gefühl als Geimpfte, dieser Gefahr weitgehend entronnen zu sein, sollte es leicht machen, nun unsererseits Solidarität zu zeigen und die Beschränkungen mit einer gewissen Geduld weiter gemeinsam durchzustehen, statt auf den „entzogenen Grundrechten“ herumzureiten, die die nicht Geimpften schließlich auch nicht haben. Allein schon aus Fairness. Außerdem:Die Impferei kommt -jetzt endlich- auf Touren, d.h. das Licht am Ende des Tunnels wird heller, und gemeinsam feiert es sich dann in hoffentlich absehbarer Zeit doch viel schöner! – Helge Holzer

 

Auch wenn ich Ihre Argumentation grundsätzlich nachvollziehen kann, obwohl das Thema Generationengerechtigkeit aus meiner Sicht in Ihrem Artikel und generell in der aktuellen Debatte zu unrecht ausgeblendet wird, habe ich mich doch über die meines Erachtens sehr einseitig gewählten positiven wie auch negativen Zuschreibungen von Begriffen und Eigenschaften zu einzelnen Gruppen geärgert.

Angefangen mit den Begriffen „Twentysomethings“, für mich ein tendenziell gering schätzender, auch nicht etablierter Generationen-Begriff, versus dem etablierten, positiv besetzten Begriff der „Boomer“, schreiben Sie die eindeutig positiv und grundsätzlich erstrebenswerten Eigenschaften clever, durchsetzungsstark, wohlhabend, gut vernetzt den Gewinnern einer Aufhebung der Impfpriorisierung zu. Diese, ich hätte sie „Impfvordrängler“ genannt, die sich – nur um ein Beispiel zu nennen – auf 10 Wartelisten unterschiedlicher Ärzte setzen, lassen sich eindeutig auch mit den folgenden Eigenschaften hervorragend beschreiben: egoistisch, rücksichtslos, unsozial. Trotzdem vielen Dank für Ihren Artikel, der mich zu meinem allerersten Leserbrief angeregt hat. – F. Siegmann

 

EINE IMPFUNG SCHÜTZT VIELLEICHT VOR EINER (schweren) Erkrankung,Nicht vor einer Infektion ,daher können Geimpfte und Genesene das Virus weiterverbreiten, über 70 Millionen sind daher noch gefährdet! – Dr med Michael Lang

 

1. Wefing definiert den Begriff Freiheit überraschend, nämlich als „Gehen, wohin man will , wann man will. Mit acht, zehn oder zwölf Leuten an einem Tisch sitzen, essen, trinken, schwatzen, laut prustend lachen, andere anfassen , ihnen um den Hals fallen, ohne in Panik zu verfallen. das ist Freiheit. Ein hohes Gut. Eine ununterdrückbare Sehnsucht.“ – Es ist also die Ballermannfreiheit, die uns hier so hoch gepriesen und gegen die obrigkeitlichen Einschränkungen wegen der Pandemie in Stellung gebracht wird. Welch ein moralisches Desaster!

Es gäbe ja auch in dieser Weltkatastrophe die freie Wahl, sich zu solidarisieren mit den Vielen, die sich anstrengen, den Politikern, Wissenschaftlern, Kranke pflegenden, Verwaltungspersonen, Versorgern, Pharmakaherstellern, Impfenden u.a. , das Leben in der Gemeinschaft aufrecht zu erhalten und den Schutzwall zu errichten. Zu den elementaren Grundrechten der Bürger gehört, dass ihm alle mögliche Hilfe in seiner Not gewährt wird. Das geht nicht ohne , dass Mitbürger sich in aller Freiheit entschließen, für ihn da zu sein! Der Schrei nach Freiheit im Wefingsinn wirkt da, wie jauchzendes Lachen am Bett eines beatmeten Kranken. – Friedo Boekhoff

 

In den Artikeln „Geimpfte und Genesene – Freiheit, Unbändig“ von Heinrich Wefing und „Corona in Indien – Einem Land wird die Luft abgeschnürt“ von Padma Rao wurde in der Ausgabe dieser Woche (18/21) leider etwas unvorsichtig mit Fakten umgegangen. Heinrich Wefing schreibt in ersterem: „Etwa neun Millionen also, die sich – nach allem, was die Wissenschaft derzeit weiß – nicht mehr mit dem Coronavirus anstecken und auch andere nicht mehr infizieren können“, wobei sich die neun Millionen sich auf die zweifach Geimpften beziehen. Ein Blick in das FAQ des RKI spricht eine andere Sprache – dort wird geraten, weiterhin Infektionsschutzmaßnahmen zu ergreifen. Es hat seinen Grund, dass bei keinem Impfstoff von einhundertprozentiger Wirksamkeit gesprochen wird. Ein praktisches Gegenbeispiel dafür ist der Ausbruch unter Geimpften in einem Altersheim in Remscheid.

Eine so klar falsche Aussage ist problematisch. Ist es denn undenkbar, dass eine geimpfte Person sich an diese klare Information von Ihnen hält, die betagten Eltern trifft und diese ansteckt? Ich empfinde eine solche Unzuverlässigkeit in Detailfragen gerade in der aktuellen Situation der Verunsicherung als unverantwortlich und es unterminiert leider auch mein Vertrauen in weitere Aussagen: Ist vielleicht noch mehr für den erzählerischen Punch etwas prägnanter formuliert worden?

Ähnlich verhält es sich im zweiten Artikel, in dem die Autorin schreibt: „Es ist die Heimat der nach ihm getauften Indien-Variante, einer als besonders gefährlich geltenden Corona-Mutation, die bereits in einigen Ländern Europas angekommen ist.“ Ich frage mich allerdings, bei wem diese Variante als „besonders gefährlich“ gilt? Das RKI führt B.1.617 nur als „Variante unter Beobachtung“, die WHO als „Variant of Interest“ – belastbare Daten für eine Einschätzung fehlen. Auch dieser Satz passt gut in die Erzählung aber schlecht in eine verlässliche Nachricht. Gerade in Zeiten, in denen oft eine mangelhafte Kommunikation moniert wird, sollte ein Medium wie die ZEIT bemüht sein, verlässlich zu sein. – Jonas Röhrig

 

Was der Autor anscheinend nicht bedenkt, ist dass es von Seiten der Politik immer hieß „es gäbe keinen Impfzwang“. Wenn nun aber nur die Geimpften ihre Freiheit zurück bekämen, so käme das doch einer Impfpflicht für die übrigen gleich. Und das Vertrauen in politische Versprechen wäre dahin. Wenn Dr. A. Merkel daher Geimpfte und Getestete gleichsetzen möchte, ist das wohl der richtige Weg möglichst viel Freiheit ohne Vertrauensbruch zu erzeugen. – L. Paulke

 

Heinrich Wefing zitiert „die Wissenschaft“ für seine Leitartikel leider falsch: Nach dem Stand des Wissens schützt die Corona-Impfung exzellent vor einer schweren Erkrankung und befriedigend, aber keineswegs vollständig, auch vor asymptomatischer Infektion und Weitergabe des Virus (korrekt dargestellt von Linda Fischer auf Zeit online: https://www.zeit.de/gesundheit/2021-04/corona-impfung-geimpfte-uebertragung-virus-ansteckungsgefahr-studie-forschung). Der Schutz nach einer überstandenen Erkrankung ist schwächer. Es besteht also ein relevantes Restrisiko der Virusübertragung durch Geimpfte und Genesene.

In Zeiten, in denen die Fallzahlen hoch sind und die Reproduktionszahl um 1 liegt, kann ein völliger Verzicht auf Einschränkungen für Geimpften und Genesenen durchaus zu einer weiteren Verbreitung des Virus beitragen. Die indirekten Effekte („warum soll ich mich am Riemen reißen, wenn der Nachbar schon wieder feiert?“) kommen oben drauf. Es gibt also gute medizinische Argumente, die Beschränkungen für Geimpfte und Genesene derzeit nicht komplett zu streichen, sondern nur zu lockern. Heinrich Wefings Überlegungen kommen basierend auf einer falschen Eingangshypothese einige Monate zu früh. Die Perspektive wird sich ändern, wenn die Mehrheit der Bevölkerung geimpft sein wird. – Prof. Dr. med. Stefan Krause

 

Auf der Titelseite der ZEIT schreibt Heinrich Wefing: „Etwa neun Millionen [vollständig geimpfte Menschen] also, die sich – nach allem, was die Wissenschaft derzeit weiß – nicht mehr mit dem Coronavirus anstecken und auch andere nicht mehr infizieren können“. Dies entspricht – entgegen der Bekräftigung – nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Der aktuelle Stand ist, dass geimpfte Menschen sich durchaus mit dem Coronavirus anstecken und auch andere infizieren können. Beides ist bei Geimpften deutlich unwahrscheinlicher als bei Nichtgeimpften (die Größen der Unterschiede sind abhängig von Impfstoff und Virusvariante), aber eben nicht unmöglich. Ich hoffe auf Korrektur und auf Aufklärung darüber, wie es diese Falschinformation auf die Titelseite der ZEIT geschafft hat. – Alexander Renz-Wieland

 

Ich teile die Ansicht des Autors nicht, dass es keine Rechtfertigung mehr dafür gibt, Geimpften Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen aufzuerlegen. Unter den bereits geimpften Personen befinden sich eben nicht nur „80-Jährige“, denen ich die sofortige Rückgabe ihrer Freiheiten gerne gönne, sondern auch – wie jeder aus seinem Bekanntenkreis weiß – eine beachtliche Zahl von Vordränglern mit Beziehungen und Kontakten, die dann in der Folge auch noch als Erste in den Genuss dieser Erleichterungen kommen. Ich hätte kein Verständnis dafür, wenn diese Personen meinen (erwachsenen) Kindern, die sich an die Regeln gehalten haben, dann auch noch die lange Nase zeigen.

Das Argument, dass es sich lediglich um die Rückgabe grundgesetzlich garantierter Freiheitsrechte handelt, ist sicher schwerwiegend und formalrechtlich einleuchtend, sollte aber nicht als Totschlagargument verwendet werden. Auch das Recht auf Gleichbehandlung ist ein wichtiger Wert, den das Grundgesetz schützen will. Politische Entscheidungen sollten darüber hinaus durch die Grundsätze Fairness, Gerechtigkeit und Solidarität geleitet sein. Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht nachhaltig zu belasten, müssen die Geimpften die empfangene Solidarität derjenigen, die monatelang auf ihr Recht auf Gleichbehandlung bei der Vergabe von Impfterminen verzichten mussten, jetzt zurückgeben. Alles andere wäre nicht fair. Es sollte auch beachtet werden, dass die geplante Verordnung praktisch nur schwer zu kontrollieren sein wird und förmlich dazu einlädt, die getroffenen Maßnahmen und Beschränkungen zu unterlaufen. Ich hoffe sehr, dass die Politik eine ausgewogene und verhältnismäßige Lösung mit Augenmaß findet. – Georg Sitterberg

 

Lt. Duden bedeutet „ unbändig“ „ riesig“, auch im Sinne von „ ungebärdig“. Derartige Freiheiten darf der Staat durchaus legalerweise einschränken, z. B. das Grundrecht auf Freizügigkeit für Autofahrer, indem er Ampelanlagen aufstellt. Die Autofahrer, das Rotlicht missachten, werden bestraft selbst dann, wenn nirgends ein anderer Verkehrsteilnehmer zu sehen ist, d.h. in dem Fall „gefährden (sie ) niemanden“ (Zitat H. Wenig). Diese staatliche Einschränkung wird bislang ohne Aufschrei aus der Bevölkerung oder von den Gerichten akzeptiert. Bei Geimpften hingegen ist nicht einmal ganz klar, ob sie nicht doch andere gefährden.

Im übrigen hat kein Geimpfter diesen Status einem besonderen Verdienst zu danken, sondern allein pragmatischen medizinischen Entscheidungen. Und die (noch)Nichtgeimpften haben keine Schuld an ihrem Status. Aber alle Bürger (ein Gattungsbegriff) sind gleichermaßen den Folgen der Pandemie mit eklatantem Impfstoffmangel unterworfen und sollten gemäß dem Grundrechtsprinzip der Égalité diese Situation gemeinsam durchstehen. Akzeptabel ist natürlich, dass Doppeltgeimpfte die gleichenSchön-Wetter-Grundrechte,wie Friseurbesuch oder nachts auf den Straßen rumlaufen oder große Familienfeier im Restaurant etc., bekommen wie verlässlich Negativ-Getestete. – Gisela Rau

 

Die „Neid-Debatte“ um Öffnungen für 9 Mio. Geimpfte lenkt davon ab, dass 17 Mio. Kinder KiTas und Schulen bitter nötig hätten. Obwohl das Virus für Kinder praktisch ungefährlich ist und KiTas und Grundschulen nachweislich kein Treiber der Pandemie sind, sind diese trotzdem ab dem eher willkürlich anmutenden Inzidenzwert von 165 geschlossen. Zum Schutz der Älteren verzichten Kinder seit Beginn der Pandemie auf Sozialkontakte. KiTa- und Schulschließungen bedeuten für Kinder soziale Isolation und verpasste soziale Entwicklungsmöglichkeiten, da sich Kinder nur in einer Gruppe von Gleichaltrigen entfalten können.

Anstatt sich nun Sonderprivilegien und das schwerlich vermisste „Lachs-Carpaccio“ zu erstreiten, sollten die Geimpften lieber ihrerseits Solidarität mit den Kindern zeigen und sich für die prinzipielle Öffnung von KiTas und Schulen mit den passenden Test- und Impfkonzepten einsetzen. Zu allem Überfluss hat die ältere Generation nämlich nicht nur Impfung und Lachs-Carpaccio, sondern auch noch eine Stimme bei der Bundestagswahl, um ihre Interessen vertreten zu wissen. Zeit für ein Wahlrecht für Kinder, ausgeübt durch ihre Eltern, damit auch ihre Interessen vertreten werden! – Tiziana Pfeiffer

 

Um was geht es? Geht es um die in Corona Zeiten erst richtig wertzuschätzen gelernte Freiheit? Die möchten wir alle möglichst schnell zurück. Aber was bedeutet Gerechtigkeit im Zusammenhang mit dieser Freiheit? Warum sollten Kulturschaffende, Besitzer und Angestellte von Cafés, Restaurants, Hotels etc. weiter im Lockdown verharren und für ihre Grundsicherung auf finanzielle Unterstützung aus Steuergeldern angewiesen sein, wenn es doch genug geimpfte Menschen gibt, die gern kulturelle Veranstaltungen, Cafés etc. besuchen würden, ohne andere und sich selbst zu gefährden. Sicher, es ist absolut nicht gerecht, wenn Ungeimpfte, gerade junge Menschen, die so lange in der Pandemie auf ältere Rücksicht genommen haben, dieses Angebot nicht oder nur mit Tests nutzen dürfen. Aber geht es den Ungeimpften wirklich besser, wenn weiterhin alle unter dem Freiheitsentzug leiden?

Wie wäre es stattdessen mit Solidarität auf allen Seiten? Warum können nicht z.B. Flugreisende, Restaurant-, Kino-, Theaterbesucher*innen einen freiwilligen Solidaritätsbeitrag von z.B. 5 % der Rechnung zahlen, der dann z.B. in Kinder- und Jugendprojekte fließt. Das würde jeden gutsituierten, geimpften Menschen an der Kasse daran erinnern, dass er es gut hat und andere diese Freiheit leider noch nicht genießen können und zum Teil sehr unter den Einschränkungen der Freiheitsrechte leiden müssen. Nicht nur das, der Mensch mit der zurückgewonnenen Freiheit wird vielleicht auch dafür sensibilisiert, dass viele Menschen nie im Leben an dieser Freiheit teilhaben, weil das monatliche Einkommen für viele schöne Dinge auch unter normalen Voraussetzungen, d.h. ohne Pandemie, nie reicht, was auch nicht gerecht ist. – Silke Oeltjen

 

Heinrich Wefing argumentiert, als gäbe es keine gewichtigen Gründe mit der Gewährung von „Freiheitsrechten“ für Geimpfte zu warten. Dabei nennt er sie – in falscher Verpackung – selbst: Den „Neid“ der Jungen, die darben, während die Boomer (er meint uns, die Alten) Lachslasagne schlemmen. – Sven Herfurth

 

Grundrechte bräuchten auch Grundpflichten. Was ich in der ununterbrochenen Pandemiediskussion nicht verstehe, es wird nur von dem Grundrecht auf Freiheit gesprochen. Es ist so, als ob Menschen keine Pflichten hätten, und Freiheiten deshalb nur mit Verordnungen geregelt werden könnten. Am 10. Dez. 1948 wurden die allgemeine Erklärung der Menschenrechte in Kraft gesetzt. In der damals vorausgegangen Diskussion waren es der Libanese Charles Malek und der Chinese Peng-chun-Chang, die auch für die Aufnahme von Menschenpflichten votierten, sie wurden aber überstimmt. Wie sich zeigt, ist das ein problematisches Versäumnis. Seitdem breitet sich in der Gesellschaft ein enormes Anspruchsdenken und die Stimmung aus, dass Menschen nur Grund-Rechte hätten und der Staat ihnen diese Rechte zur Verfügung stellen müsste.

Es hat sich zwischen Bürgern und Staat ein Kunde – Dienstleister – Verhältnis etabliert. Das Ideal ist sicher, dass der mündige Bürger freiwillig Verantwortung aus Einsicht und Solidarität übernimmt. Die derzeitige Situation zeigt, dass das nicht so einfach ist. Welche Wirkung hätte es – das Frage ich mich – wenn eine Grundmenschenpflicht, wie „niemandem zu schaden“ auch in dieser Charta und im Grundgesetz stehen würde; dann wäre Abstand halten, Maske tragen, ganz einfach die persönliche Aufgabe: sich selbst vor anderen zu schützen und andere vor einem selbst zu schützen. Ob das wirklich helfen würde, weiß ich nicht. Nur, egoistische Freiheit allein, reicht nicht. – Dr. Ulrich Mack

 

Wir sprechen mit Stand vom 04.05.21 von einer Impfquote von knapp 8 %, das entspricht knapp 10 % der Bevölkerung. Zu diesem Zeitpunkt davon zu reden, wie Geimpften Freiheiten zugestanden werden können, die Nicht-Geimpften nicht zustehen, geht an der Impfrealität vorbei. Viele Menschen, die in der Impfprioritätengruppe 2 sind, haben noch kein Impfangebot erhalten, z.B. in Berlin die Gruppe der Sozialarbeitenden und Geflüchteten. Darauf sollte sich konzentriert werden: wie können möglichst schnell die Menschen, die eine Impfung möchten und sogar zu einer priorisierten Gruppe gehören, geimpft werden. Eine Debatte über Freiheiten hört sich in den Ohren derjenigen, die noch lange nicht dran sind oder dran wären, aber kein Impfangebot erhalten, fast wie Hohn an.

Vor ziemlich genau einem Jahr hieß es, es sei ein Zeichen der Solidarität, wenn nicht sogar eine solidarische Pflicht, dass auch junge Menschen ihre Kontakte einschränken, um Ältere und Vorerkrankte zu schützen. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hat, trotz persönlicher Einschränkungen und Entbehrungen, die eigenen Bedürfnisse hinten angestellt, zum Wohle aller. Und genau so ein Zeichen der Solidarität sollte es nun wieder geben, auch wenn sich das Verhältnis umgedreht hat. Die Situation von Familien, Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen wurde meiner Meinung nach zunächst gar nicht und später zu wenig beachtet. Leid kann und darf man nicht gegeneinander aufgewogen werden. Festzustellen ist aber dennoch, dass es immernoch keine wirkliche Strategie gibt, wie diese Gruppe unterstützt und entlastet werden kann.

Wenn nun kritisiert wird, dass Geimpften mehr Rechte zugestanden werden sollen, handelt es sich weder um eine Neiddebatte, noch um Egoismus. Wie im letzten Jahr geht es hierbei um ein Zeichen der Solidarität, einer gesamtgesellschaftlichen Solidarität. Zeit und Kapazitäten nun für ein Ringen um Öffnungen für die vergleichsweise kleine Gruppe der Geimpften aufzuwenden, erscheint komplett deplatziert. Und es wird zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft beitragen, weil sich Teile der Bevölkerung kaum gehört und nicht vertreten fühlen. Geimpfte und Getestete müssen gleichgestellt werden, solange noch nicht jeder ein passendes Impfangebot erhalten hat. Und die politischen und organisatorischen Anstrengungen müssen auf Testen und Impfen konzentriert werden, nicht auf Debatten, welche Rechte eine vergleichsweise kleine Gruppe so schnell wie möglich wiedererlangen soll, die einem Großteil der Bevölkerung noch eine Weile verwehrt bleiben werden. – Stephanie Reuter

 

Ostern bekam ich die erste Impfung, in wenigen Tagen die Zweite. Dann bin ich fein raus und kann die Freiheiten, die dann als „fertig Geimpfter“ auf mich zukommen, genießen. Wirklich genießen …? Ich fühle mich schlecht dabei, dass die vielen jüngeren Menschen, denen Verzicht und Geduld abverlangt wurde, mir nun bei den neuen Freiheiten zuschauen können und mir womöglich noch zuwinken dürfen, wenn ich den Urlaub antrete. Politiker schieben zur Begründung Grundrechte vor, wobei ich bezweifle, ob es denen um diese Rechte wirklich geht. Ist es vielleicht Kalkül, um sich als „Kämpfer“ darzustellen in der Hoffnung, dass dadurch Wählerstimmen auf sie abfallen …? Wenn dieser Schuss mal nicht nach hinten losgeht! Nach hinten, weil es eine 2-Klassengesellschaft produziert und dabei Zorn und Unmut fördert! – Kurt (Curd) Nickel

 

Seit letzter Woche wird in den Medien auch von führenden Politikern immer wieder behauptet, dass von zweifach geimpften Personen keine Gefahr mehr ausgehen würde und deshalb bestimmte Grundrechte wieder gewährt werden müssten. Die Grundlage für diese Behauptung ist meines Wissens eine Einschätzung des RKIs zu dieser Thematik, welche sich insbesondere auf eine schon vor drei Monaten als Preprint veröffentliche Studie aus Israel bezieht, nach der die Viruslast bei einer Corona-Infektion bei geimpften Personen auf ein Viertel reduziert sei (zwei CT Stufen) im Vergleich zu nicht geimpften Infizierten.

Diese Studie bezieht sich ausschließlich auf den Impfstoff von BIONTEC. Es handelt sich außerdem hierbei lediglich um eine retrospektive Beobachtungsstudie, die eine deutlich geringere Qualität und Aussagekraft hat als eine bei wissenschaftlichen Arbeiten in diesem Bereich als Goldstandard geltende randomisierte kontrollierte Prospektivstudie. Man geht aktuell davon aus, dass für eine Infektion mit dem neuen Coronavirus ca. 500 bis 1000 Viren erforderlich sind.

Werden also beispielsweise von einem Infizierten nach Impfung statt 10.000 Viren nur 2.500 übertragen ist leicht nachvollziehbar, dass die andere Person dennoch angesteckt werden kann. Selbstverständlich spielen bei einer Infektion mehrere Faktoren eine Rolle, auch insofern ist dieser Wert zwar statistisch relevant, aber nur bedingt aussagekräftig was eine tatsächliche Infektionswahrscheinlichkeit angeht. Konkret konstatiert auch das RKI im epidemiologischen Bulletin 16/2021, dass sich Menschen nach einer Impfung erneut infizieren und ansteckend sein können und empfiehlt deshalb weiter auch für diese Personen die Einhaltung der AHAL- Regeln. Im nächsten Abschnitt schreibt das RKI : „Aus Public-Health-Sicht erscheint durch die Impfung das Risiko einer Virusübertragung in dem Maß reduziert, dass Geimpfte bei der Epidemiologie der Erkrankung keine wesentliche Rolle mehr spielen“.

Nach der Einschätzung des RKI scheinen Geimpfte also zwar keine wesentliche Rolle mehr bei der Unterhaltung der Pandemie zu spielen, dennoch besteht bei einer Infektion weiter ein Individualrisiko für die Ansteckung von anderen, insbesondere nicht geimpften Personen, die in der Folge auch schwer erkranken können. Eine Interpretation der dargestellten Ausführungen des RKI in dem Sinn, dass von Geimpften keine Gefahr mehr ausgeht und dann auf dieser Grundlage ein Gesetz zu beschließen, ist nicht nur für mich nicht nachvollziehbar. Auch in der Diskussion mit Kolleginnen und Kollegen (alle inzwischen geimpft…) konnten wir nach intensivem Studium aller uns zur Verfügung stehenden Informationen (insbesondere direkt auf der RKI-Seite verfügbare und vom RKI verlinkte Quellen) nicht zu demselben Schluss kommen.

Es ist weiterhin erstaunlich, dass in der aktuellen Diskussion pauschal „Geimpfte“ von „nicht Geimpften“ und „Genesenen“ unterschieden werden. Hiermit wird suggeriert, dass diese Personengruppen einen vergleichbaren Selbst- und Fremdschutz haben. Dabei ist es völlig klar, dass ein Immunschutz in diesem Zusammenhang abhängig ist von der Virusvariante, dem verwendeten Impfstoff, vom Alter und weiteren Faktoren bezüglich der geimpften Person (z.B. Grunderkrankungen) sowie von der Zeitspanne, die seit der Impfung vergangen ist.

Insofern ist es ist hochwahrscheinlich, dass eine Person, die aufgrund ihres hohen Alters und möglicherweise auch durch Vorerkrankungen bedingt ein eher schwaches Immunsystem hat und mit Astra-Zeneca-Impfstoff geimpft wurde, sechs Monate nach der Impfung bei einem Kontakt mit einem Virus der südafrikanischen Variante einen deutlich geringeren Immunschutz hat als eine gesunde junge erwachsene Person zwei Wochen nach ihrer zweiten Impfung nach Kontakt mit der britischen Variante. Sollten in den nächsten Monaten weitere Mutanten eine größere Rolle spielen, wäre das ein weiterer nicht zu kalkulierender Faktor, der hier eine wesentliche Rolle spielen kann. Es wäre sehr unwahrscheinlich, wenn der schlechtere Immunschutz nicht auch mit einem geringeren Fremdschutz bzw. einer erhöhten Infektiosität für andere einhergehen würde.

Mehrere Corona-Ausbrüche in Seniorenheimen, z.B. in Belm ( Landkreis Osnabrück), bei dem im Februar 14 zweimal mit Biontec geimpfte Personen erneut nicht nur PCR positiv getestet wurden, sondern einige davon auch Krankheitssymptome entwickelten (s.a. FAQ RKI.de), sowie einige mir persönlich bekannt gewordene Fälle bei jüngeren Menschen im weiteren Umfeld zeigen diese Problematik deutlich. Insofern kann die Einschätzung des RKIs allenfalls auch nur eine aktuelle Situationsbeschreibung mit zeitlich begrenzter Aussagekraft sein, zumal es derzeit (noch) keine validen Langzeitdaten gibt, die sicher belegen könnten, wie lange ein Immunschutz nach Erkrankung bzw. Infektion und auch nach Impfung tatsächlich anhält.

Es ist deshalb unverständlich, wie auf dieser Grundlage ein derart eingreifendes Gesetz beschlossen werden soll, das nicht Geimpften weiterhin wesentliche Grundrechte verweigert, Geimpften diese Freiheiten zeitlich unbegrenzt gewährt, während gleichzeitig diese Freiheiten bei Genesenen im Wesentlichen aufgrund von einzelnen Labor-Parametern aber auf sechs Monate begrenzt werden.

Abgesehen davon ist es schwer hinnehmbar, dass v.a. Jugendliche und junge Erwachsene, die seit mehr als einem Jahr aus Solidarität zu den Risikogruppen deutliche Einschränkungen in ihrem Lebensalltag hinnehmen mussten und bezüglich eines Impfangebotes an letzter Stelle kommen jetzt weitere Monate auf eine Normalisierung warten sollen, während eben diese jetzt inzwischen geimpften Bevölkerungsgruppen dann schon lange wieder ohne Kontaktbeschränkungen feiern dürften. Die Aussagen, dass Geimpfte praktisch nicht mehr ansteckend sind führen schon jetzt dazu, dass viele bereits Geimpfte sich sehr sicher fühlen und bisher durchgeführte Sicherheitsregeln zunehmend vernachlässigen, was aufgrund der genannten Aussagen führender Politiker ja auch eine nachvollziehbare Konsequenz ist.

Ich halte das für fatal, weil dadurch das Infektionsgeschehen nachvollziehbar verstärkt unterhalten und verlängert wird von denjenigen, die aufgrund der schon erfolgten Impfungen Erleichterungen erhalten und damit diejenigen, die (noch) nicht geimpft sind, doppelt benachteiligt werden. Wenn sich, wie es sich derzeit abzeichnet 80-90% aller Erwachsenen impfen lassen und damit das Auftreten von schweren Verläufen und hohen Todesfallzahlen im Zusammenhang mit Covid 19 vermutlich spätestens im Juni ein Ende haben wird, sollten meines Erachtens dann – unabhängig von Inzidenzzahlen – die Pandemiebeschränkungen für alle wieder aufgehoben werden.

Während eine Gleichstellung von Geimpften und Genesenen mit schnellgetesteten Nicht-Geimpften vielleicht noch irgendwie erklärbar und vertretbar wäre, sind exklusive Ausnahmen bezüglich Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren für Geimpfte und Genesene aus den genannten Gründen schwer nachvollziehbar. Letztendlich wäre damit faktisch auch eine indirekte Impfpflicht eingeführt, die bis vor Kurzem von der Regierung noch weitgehend ausgeschlossen wurde. – Dr. Wolf Amrein

 

… Auch wenns nur einen scheinbar kleinen Unterschied macht , aber der macht viel aus : Heinrich Wefing möchte 9 Mio. geimpften und genesenen Menschen in Deutschland ihre Freiheit wieder geben . Vielen Dank , sehr großzügig . Was er nicht schreibt aber impliziert : das er es ok findet 71 Mio. GESUNDEN Menschen ihre Freiheit weg zu nehmen . Sie auch gar nicht mehr als relavante Volksgruppe zu erwähnen ( da er sie eh entweder nur schon dem Tode geweiht oder als Virenschleuder identifiziert ? ) ignoriert die Verhältnismäßigkeit .

Über die Formen der Corona Maßnahmen kann man streiten ,aber nicht darüber Menschen , die gesund sind ( incl. z.T. gesunden Menschenverstand ) der Freiheit unwürdig zu degradieren – und sie auch gar nicht mehr als Gruppe an zu sprechen . Freiheit ist unteilbar und wird nicht über Gesundheit entschieden . Sonst wird was verdreht , was gar nicht zu teilen ist. Ich bin gesund und nicht geimpft . Angesicht der zunehmenden Verdrehung von dem , was mir damit zusteht oder nicht mehr zusteht droht eine schleichende Ideologisierung von „Gesundheit“ und damit beginnt die Spaltung der Gesellschaft … Freiheit , unbändig ! – Florian Scholz

 

Die Menschenwürde ist bekanntlich unser höchstes Gut, und es ist unteilbar. Da wir den Menschen zuvorderst als ein soziales, vernunftbegabtes und freiheitsliebendes Wesen erkennen müssen, sind die daraus resultierenden Bedürfnisse die Kernsubstanz seiner Würde. Das bedingt die umgehende, gleichwohl gewissenhafte Widereinsetzung aller Grundrechte für die Menschen, von denen einschätzbar keine Gefahr mehr für Leib und Leben ihrer Mitmenschen ausgehen kann. Die Frage nach Solidarität ist (auch) in diesem Zusammenhang überaus verständlich und ethisch nachvollziehbar.

Doch obwohl unsere Verfassung durchaus und wertvollerweise auf christlichen und ethischen Werten beruht, betrachte ich ebendiese juristisch als nicht gleichwertige Rechtsgüter in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Soweit also die Fürsorge des Staates für die Sicherheit/Gesundheit seiner Bürger:Innen als Grundrecht neu gewichtet bzw. entfallen kann, verbleibt nach meiner Überzeugung die entscheidende Frage, inwieweit die Freiheitsrechte bundesweit zu gleichen Konditionen umsetzbar, mithin überprüfbar, sind bzw. sein werden. Denn, wir alle als Teil der Gesellschaft und als Teil dieses Staates haben die Pflicht und das Recht, die Zusage auf Gewährung der Menschenrechte wahrzunehmen. Darüber hinausgehende Moral und Solidarität sind zweifelsohne großartige menschliche und gesellschaftliche Vermögenswerte – indes, einklagbar sind sie nicht. – Matthias Bartsch

 

Da ich die Zeit schon länger abonniert habe und vor allem die differenzierten Artikel schätze, hat mich der Artikel von Herrn Wefing (Freiheit, unbändig) wirklich geärgert. Er trifft Aussagen, die so pauschal nicht korrekt sind (Geimpfte und Genese können niemanden mehr anstecken). Er zieht in einer unfairen, kaum differenzierten Art und Weise über die Arbeit der Bundesregierung her, denn gewisse Prozesse der Gesetzgebung sind nunmal einzuhalten. Schließlich bezieht er zu wenig ein, dass Freiheiten für Geimpfte und Genese auch verschiedene Fragestellungen aufwerfen und zu einer Ungleichbehandlung führen können. Ich würde mich freuen, wenn es zu dem Thema auch noch eine differenziertere Darstellung gebe. – Julia Idler

 

Ihr leitartikel auf seite 1 zeigt,wie sehr sie sich von aller gleichheit entfernt und sich als propagandainstrument dieses faschistoiden regimes in deutschland andienen, so dass ihre einst so liberal gelobte zeitung sich mehr und mehr dem „stürmer“ von damals annähert. schämen sie sich. ihre grundrechte für 9 millionen zeigen,dass sie entweder nicht zählen können oder es gerne wie 1938 hätten,als juden und aussätzigen ein nächtliches ausgangsverbot auferlegt wurde. auf dem besten weg dahin sind sie. art. 1 des grundgesetzes kennen sie wohl nicht,wenn sie ihn irgendwo finden,können sie ja mal reinlesen. p.s.:das grundgesetz ist das ding, mit den artikeln zur menschenwürde und verfasstheit eines staates,der brd heisst und dessen freiheit sie gerade missbrauchen um gegen die freiheit vieler menschen zu hetzen. – Jochen Bauer

 


 

 

Leserbriefe zu „Büschn schämen“ von Peter Kümmel

 

Endlich mal wieder Tränen gelacht. Danke! – Ralf Kiekhöfer

 

I’m not convinced… Die medialen Betroffenheits-Zynismen der „50 Selbstgerechten“ sind ein bezeichnender Reflex einer latent willfährigen Ich-bezogenen Wahrnehmung von Welt und adäquater Ausdruck eines im Grunde selbstmitleidigen Nabelschau-Horizonts ohne kritische Selbstreflexion und Empathie für die um (Über-)Leben Kämpfenden. Der Gestus des sich ach so originell wähnenden und auf intellektuelles Schulterklopfen der „Erkennenden“ zielenden Appells ist ärgerlich, die damit einhergehende Medienschelte billig und unqualifiziert. Aus elitären Nischen heraus werden auf diese scheindialektische Weise zudem berechtigte Anliegen existentiell betroffener Akteure im Kulturbereich diskreditiert. Bisher von mir geschätzte „Schauspielende“ werde ich nicht mehr offen und unvoreingenommen in Filmen und in öffentlichen Kontexten sehen können und wollen. Das verzeihe ich ihnen auch nicht. – Peter Panes

 

Ich finde nicht die Aktion „allesdichtmachen“ beschämend sondern die Reaktionen vieler Verantwortlicher aus Politik und Medien darauf. Gerade vor wenigen Tragen sah ich einen 1stündigen Fernsehbericht darüber, wie inhaltliche Meinungsfreiheit kaputtgeht: Statt sachlich in einer Antwort Stellung zu beziehen, wird mit Diffamierungen und dem Bedienen von Schubladen reagiert. Die Folge: Kluge und gute Menschen trauen sich nicht mehr, etwas zu sagen, aus Angst, als „Nazi“ oder etwas anderes abgestempelt und vielleicht in ihrer öffentlichen Reputation geschädigt zu werden. Oder ist es nicht schlimm, wenn Heike Makatsch und andere ihren fast verzweifelten Beitrag zurückziehen?

Auch seriöse Medien schlugen in diese Kerbe und verhielten sich nicht besser. „Heute“ beispielsweise antwortete hektisch und vorwurfsvoll mit einem besonders schlimmen Beitrag aus Intensivstationen. Tenor: Böse und verantwortungslose Leute haben diese Clips hergestellt. So muss man sich doch fragen: Warum laufen viele zu den Querdenkern? Vielleicht, weil sie woanders nicht einmal Gehör finden geschweige denn Antworten. Wenn eine so integre Gruppe wie diese Schauspieler und Künstler sich mit diesem Aufschrei an die Öffentlichkeit wagt, müssen wir ihnen beistehen. Oder uns nie wieder wundern und beschweren, wenn Leute zu „Wutbürgern“ werden.

– Wenn Frau Dr. Federle in „3 nach 9“ sagt, dass selbst gut gebildete Bekannte von ihr, mit Haus, Garten und Internet, nicht mehr wissen, wie sie ihre kleinen und großen Kinder noch sozialisieren können, muss man doch aufhorchen und alarmiert sein! Gut so, liebe AktionistInnen! / Künstler! Die Aktion entpuppt sich als eine Provokation an der richtigen Stelle, denn spürbar hat sie ins Schwarze getroffen und Gespräche an der richtigen Stelle ausgelöst. – Heidi Hamdorf

 

Fassungslos über die Eskalation um die #allesmaldichtmachen-Aktion, habe ich erstmals ein dringendes Bedürfnis meine Gedanken dazu auch außerhalb meines Familien- und Freundes- kreises loszuwerden. Ich bin 58 Jahre alt, habe zwei Töchter großgezogen und bin mittlerweile zweifache Großmut- ter. Ich habe in meinem Leben noch nie einen Brief an Politik oder Medien geschrieben. Die erste Demonstration, auf der ich mitgelaufen bin, war die Fridays-for-Future-Demo September 2019. Ich twittere nicht, ich blogge nicht. Ich hätte durchaus viele Verbesserungsvorschläge für die Politik, aber ich finde, im Großen und Ganzen läuft es doch nicht so schlecht in Deutsch- land. Wer sind denn diese „vielen“ Menschen, die ihre extremen Meinungen im Internet verbreiten dürfen!? Immer häufiger finden sie leider auch noch eine Plattform in den Medien.

Die wirklich große Mehrheit der Bevölkerung hat nach meinem Empfinden doch eine eher entspannte Streitkultur, muss sich mit ihren Befindlichkeiten nicht ständig in die Öffentlich- keit drängen und zum Sprachrohr für Menschen machen, die größtenteils nicht darum gebe- ten haben. Im Familien- und Freundeskreis schafft man es in der Regel doch auch, kontrovers zu diskutieren, ohne sich gleich gegenseitig den Tod an den Hals zu wünschen! Und wem es schon dort nicht gelingt, der disqualifiziert sich für öffentliche Auftritte doch erst recht. Wahr- scheinlich müsste man langsam „Wir-sind-die-schweigende-Mehrheit-Demonstrationen“ an- melden, um zu zeigen, wie sehr die Gemäßigten überwiegen.

Seit über 10 Jahren lese ich nun DIE ZEIT und mache stets viel Werbung für Sie, weil ich finde, dass Sie ein breites Meinungsspektrum abbilden. Oft lese ich einen Artikel und denke, stimmt, das kann ich so voll unterschreiben. Aber in der nächsten Ausgabe antwortet jemand mit einer Gegenmeinung, und wieder denke ich, stimmt. Nur kann eben nicht beides 100%tig richtig sein und man muss die Wahrheit irgendwo in der Mitte suchen. Sensationell gut gefallen mir die abgedruckten Leserbriefe, in denen Sie regelmäßig auch z. T. schneidende Kritiken gegen sich selbst zulassen. Chapeau dafür!

Aber zurück zu meinem Eingangssatz. Tatsächlich sind Sie mir als einzige Möglichkeit einge- fallen meine Meinung rund um die #allesdichtmachen-Aktion mal über den üblichen Dunst- kreis loszuwerden. Wahrscheinlich gibt es allen Grund, dass die Videos der Schauspieler vie- len Leuten nicht gefallen. Auch ich finde vieles überspitzt, aber ich sehe doch auch die Ver- zweiflung dahinter, die sich nach fast einem Jahr faktischem „Berufsverbot“ angesammelt hat.

Und, statt eine Diskussion zuzulassen, nun gleich mit der „80.000-Tote-Keule“ zu kommen und eine Person auf einen einzigen Beitrag zu reduzieren, das kann unmöglich eine angemes- sene Reaktion sein. Nur gibt es solche Eskalationen leider immer regelmäßiger, was mir mitt- lerweile wirklich Sorgen bereitet. Vielleicht können Sie in den nächsten Ausgaben ja dazu beitragen, dass sich die Wogen wieder etwas glätten und die Protagonisten des Beitrags spüren lassen, dass doch viele Menschen ihre eigentlichen Beweggründe trotz allem verstanden haben. – Silvia Leopold

 

Nun, da hat Herr Kümmel seine persönliche Kränkung, die die Schauspieler von #allesdichtmachen ihm und den Medien zugefügt haben, an die Macher aufgeregt zurückadressiert. Nur einmal in Kümmels wütenden Artikel wird der Autor wirklich substanziell, auf den spöttischen Unterton will er aber auch hierbei nicht verzichten. In einem kurzen Absatz wird ein möglicher Grund für die Videos und die Wut der Schauspielerinnen und Schauspieler angesprochen, dass viele Betroffene dem Narrativ folgen würden, darstellende Kunst könne einfach kontrolliert und bevormundet werden, im Gegensatz zu anderen, mächtigeren Bereichen.

Kümmel geht darauf nicht weiter ein. Schade und wahrscheinlich seiner persönlichen Situation geschuldet. Als festangestellter Redakteur bei der ZEIT wird Kümmel kaum finanzielle Einbußen durch die Pandemie spüren. Ganz anders aber liegt die Situation bei vielen Künstlern, die seit Pandemiebeginn meist deutlich weniger verdienen oder gar kein Einkommen mehr erhalten. Die Hilfen der Regierung greifen dabei bei den wenigsten. Auch der leichtere Zugang zur Grundsicherung ist oft nur Augenwischerei. Wer beispielsweise mit einem Partner zusammenlebt, der weiterhin verdient hat, wenn auch nur wenig, erhält dann schnell keinen Cent aus Hartz IV, wenn das Paar zusammen auf kaum mehr als 1500 € netto im Monat kommt. Bedarfsgemeinschaft nennt sich das im Amtsdeutsch.

So ein starker finanzieller Rückgang wäre über einen Zeitraum von zwei, drei Monaten sicher noch bei einigen zu stemmen. Mittlerweile aber gehen wir in den 15. Monat der Pandemie und eine Ende ist noch immer nicht in Sicht. Da reicht ein Luftanhalten nicht mehr aus, sämtliche Ersparnisse sind aufgebraucht, alle Freunde und Verwandte angepumpt. Hinzu ist sehr real zu befürchten, dass nach der Pandemie Künstler, die nicht zum erfolgreichsten Teil ihrer Berufsgruppe zählen, erst einmal weiterhin keine Aufträge und Engagements erhalten, aufgrund eines riesigen Produktionenstaus. Auch bei mir auf dem Schreibtisch stapeln sich die Konzertkarten für ausgefallene und immer wieder verschobene Veranstaltungen. Das Angebot an Filmen, Konzerten, Theateraufführungen wird nach der Pandemie die Nachfrage deutlich übersteigen. Verlierer werden die „Kleinkünstler“ sein, die zuvor ihre Nische zwischen den großen Produktionen fanden. Für sie wird die Pandemie deutlich länger dauern als sie „offiziell“ dauern wird.

Unter diesem Hintergrund kann sich ein Künstler zu recht fragen, warum sein Berufszweig geschlossen wurde. Gleicher Schutz der Bevölkerung vor einer Virusausbreitung wäre sicher auch erzielt worden, wenn die Regierung Teile der Industrie geschlossen hätte. Möglicherweise wäre dies mit einem größeren gesamtwirtschaftlichen Schaden verbunden gewesen. Wenn aber die Regierung abwägt, und das hat sie sicher getan, zwischen einem möglichst hohen Schutz der Bevölkerung vor dem Virus und einem möglichst geringen wirtschaftlichen Schaden, dann darf die letztlich betroffene Branche nicht übermäßig darunter leiden oder anders ausgedrückt, sie darf nicht verhältnismäßig stark die Kosten der Pandemie für alle anderen tragen. Die Regierung muss ihnen ausreichende Entschädigungen zahlen, wenn sie ihren Arbeitsbereich schließt. Zumindest gegenüber den meisten Künstlern ist das eklatant missachtet worden.

Naturgemäß ist es so, Künstler sind kaum organisiert und es fehlen ihnen mächtige Lobbyisten wie sie die Industrie besitzt. Der Journalismus könnte aufgrund seiner Nähe zur Kunst ein kraftvoller Verbündeter von ihnen sein. Leider war er das in der Pandemie nicht. Bis auf eine dünne Mitleid-Berichterstattung, bekamen Künstler durch die Presse kaum Unterstützung, wurde ihr Schicksal nicht nachhaltig und immer wieder ins Licht gesetzt und vor den Folgen gewarnt und Lösungen aufgezeigt. Auch nicht in der ZEIT. Es ist sicherlich genauso ein Versäumnis der Künstler, die ihre Situation viel zu lange schicksalhaft hingenommen haben.

Nun haben sich 53 Schauspielerinnen und Schauspieler und ein Regisseur zu Wort gemeldet und dies bestimmt nicht auf die kreativste und intelligenteste Art getan, aber zumindest haben sie nach einem langen Schweigen einen Versuch unternommen, auf sich aufmerksam zu machen. Doch anstatt sich nur über eine ganze lange ZEIT-Seite damit zu beschäftigen, wie dämlich diese Kampagne scheinbar war, wäre der Artikel von Peter Kümmel viel lesenswerter gewesen, wenn nach dem Grund für einen derartigen Wutausbruch bei den Schauspielern gesucht worden wäre.

Denn Frustration, Zukunftsangst und eben auch Wut ist in der Kunstbranche gerade deutlich vorhanden. Wer das mit Spott abtut, wie es Kümmel andeutet, dem ist diese Branche mit ihren Menschen reichlich egal – und gehört damit leider nicht zur absoluten Minderheit in Deutschland. Selbst dem Bundespräsidenten fiel kürzlich nichts besseres bei einem Gespräch mit Künstlern ein als ihnen zu sagen: „Wir wissen wie schlecht es vielen von ihnen geht, aber halten sie durch.“ Wenn bei diesen Worten mitgedacht wird, dass nicht ein Tsunami oder ein Krieg den Kunstbetrieb geschlossen hat, sondern es eine rationale Abwägung von Politikern war – wo wird der geringste wirtschaftliche Schaden und gleichzeitig der größte Virusschutz generiert – dann ist so eine Aussage wie vom Bundespräsident der wirkliche Zynismus. Wenn die Regierung eine ganze Branche schließt, dann muss sie sich auch um die Betroffenen kümmern. Im Fall der Künstler ist das größtenteils unterlassen worden.

Deshalb ist auch die Gegenkritik auf #allesdichtmachen von einer der bestbezahlten Schauspielerinnen in Deutschland, Nora Tschirner, die im Artikel von Kümmel als Ehrenretterin fungiert, genauso abgehoben und elitär. Mir jedenfalls ist es lieber, jemand nutzt seine privilegierte Stellung, um Missstände anzusprechen und scheitert dabei, als dass es gar nicht versucht wird. DIE ZEIT hat sich seit über ein Jahr für letzteres entschieden und nimmt die Schließung des Kunstbetriebes und die damit einhergehende Notsituation vieler Künstler Gott gegeben hin. Oder um es mit einem Satz unserer Kanzlerin auszudrücken: „Es ist alternativlos.“ Ist die finanzielle Not vieler Künstler das wirklich? – Achim Michael Hasenberg

 

Büschn schämen sollte sich die TV-Kommissarin Tschirner für ihre „unfuckingfassbare“ Verhunzung der deutschen Sprache. Trotzdem hofft man natürlich inständig, dass bald auch Dorn, Zeh und Kehlmann die Rechnung für ihre Kritik an der Corona-Politik Deutschlands präsentiert bekommen! Ab in die Notaufnahme zur Versöhnung! Andererseits sollte „die Stimme der Vernunft“ (Frau Holzner) ihre Einladung auch jenen öffentlich zukommen lassen, die statt Intensivbetten und Krankenhauspersonal drastisch aufzustocken, weiterhin horrende Rüstungsausgaben (und Managergehälter) absegnen.

Hier werden permanent mit Zynismus, Sarkasmus und Menschenverachtung Grenzen überschritten und da sollten sich alle „büschn schämen“, denen jetzt nichts wichtigeres einfällt als auf Schauspielende, sogar auf Kolleg*Innen, hinzutreten. Deren Nähe zu „rechts“ ergibt sich meines Erachtens ganz automatisch durch das lautstarke Abrücken der Liberalen und Linken, und dass umgehend Beiträge zurückgezogen, Entschuldigungen und Absagen anstelle eindeutiger Bekenntnisse zum eigenen Video und gegen eine rechte Vereinnahmung erfolgen, beweist den Verfall von Demokratie und freier Meinungsäußerung im Ausnahmezustand. – Dr. Andreas Kosek

 

Ich bin nicht der Meinung, dass man sich für diese Aktion schämen muss. Die Kulturbranche hat seit Beginn der Pandemie quasi ein Berufsverbot und muss mitansehen, dass in anderen kontaktintensiven Bereichen lustig weitergewerkelt wird. Der Artikel beschreibt das sehr gut. Wir sind in einem pandemischen Zeitalter angekommen. Offensichtlich haben wir es demnächst mit Krankheiten zu tun, die uns häufiger in der Intensivstation der Krankenhäuser ankommen lassen. In der ganzen Zeit der Lockdownschaukelei hat man es nicht für nötig gehalten, diese zu stärken und auszubauen. Wir können Krankheiten doch nicht mit Grundrechtseinschränkungen behandeln. Dazu bedarf es ein bisschen mehr sinnvolle Politik. – Carmen Beyer

 

Einen „Ganz-feine-Ironie-Sound, wie ihn Inhaftierte pflegen“, will Peter Kümmel in der Video-Kampagne #allesdichtmachen ausgemacht haben. Ich habe von der unterstellten Bemühung um Subtilität wenig bemerkt, im Gegenteil gibt sich die Satire unmissverständlich als solche zu erkennen. Entsprechend würde es sich lohnen, sie an den Maßstäben der Satire zu messen – also nicht zu fragen, ob differenziert argumentiert wird, sondern, ob politische Wirklichkeit humoristisch zur Kenntlichkeit entstellt wird.

Die Wirklichkeit, auf die die Kampagne abzielt, scheint mir jedoch weniger in den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zu bestehen, als in einer neuen Obrigkeitshörigkeit, zwanghaftem Optimismus, der Sehnsucht nach unumstößlicher Wahrheit, der Selbstgerechtigkeit privilegierter Moralist*innen und einem Denunziantentum, das sich mit Begriffen wie „Verantwortung“, „Haltung“ und „Solidarität“ schmückt. Dass die satirische Kritik an alledem Beifall von der falschen Seite erhält, entzieht ihr nicht ihre Berechtigung. – Karl Kelschebach

 

Lange habe ich über mein Leserbrief-Intro nachgedacht. Was sollte ich besser vorausschicken, um nicht missinterpretiert und politisch falsch verortet zu werden? Das allein finde ich vielsagend. Ich persönlich fühle mich mit meinen Einstellungen meist gut vertreten in ARD, ZDF, „der Zeit“ und Süddeutscher Zeitung. Aber oft kommt mir der Gedanke, was wäre, wenn ich (wert-) „konservativ“ wäre? In der Tat driften Berichterstattung und Kommentare immer mehr in Richtung „political correctness“ Die Zeit hatte dazu einen sehr selbstkritischen Artikel gegen Ende der sog. Flüchtlingskrise verfasst. Darf eine Sarah Wagenknecht keine kritischen Fragen stellen über das Klischee von links hinaus?

Dürfen Schauspieler keine satirische und/oder ätzende Aktion starten? #allesdichtmachen war alles andere als nach meinem Geschmack sowohl in Form, als auch inhaltlich. Aber warum muss Herr Kümmel Jan Josef Liefers Dinge in den Mund legen, die er nicht gesagt hat? Journalisten, die „einem Chor beitreten“… das kann ich in obigem Sinne wirklich nachvollziehen. „Lügenpresse“ daraus zu machen und damit die Nähe zu allen möglichen und unmöglichen Gruppierungen zu suggerieren finde ich wirklich nicht in Ordnung! (Und das mehrfache Herumreiten auf dem Tatort-Thema finde ich eher kindisch). Uns scheinen Tugenden wie präzise hinhören, differenziert denken und Respekt vor der Meinung anderer zu haben immer seltener zu werden. Kritisch zu sein und kritische Fragen zu stellen sind wichtige Bestandteile unserer Demokratie.

Ich wünsche mir, dass wir wieder zu einer GesprächsKULTUR zurückfinden, die diesen Namen auch verdient – und zwar von allen Seiten. Und weil ich schon am Schreiben bin noch eine Rückmeldung: die Sexkolumne finde ich weder witzig, noch ästhetisch, noch künstlerisch wertvoll. Der Sinn, so etwas in der Zeit zu veröffentlichen erschließt sich mir auch nicht. (Werde ich jetzt als spießig und konservativ eingeordnet?) Ansonsten bin ich eine treue (und meist begeisterte) Leserin „der Zeit“. Danke für die oft so wertvollen Denkanstösse! – Andrea Schmuck

 

Büschen mehr Unaufgeregtheit bitte! Um nicht ebenfalls falsch verstanden zu werden sei vorausgeschickt, dass jeder Corona-Tote ein Toter zu viel ist und wir alle mit dafür verantwortlich sind, entsprechend zu handeln. Das gilt m. E. übrigens auch für andere vermeidbare Todesfälle und zwar überall auf der Welt. Die Verurteilung von #allesdichtmachen durch einen überwiegenden Teil der Medien und den vorliegenden Artikel halte ich für unpassend. Es ist doch eine inzwischen weit verbreitete Meinung, dass die Regierungen in Deutschland in der Pandemie eine schlechte Performance erbringen, wenn nicht versagt haben. Die Politik ist deshalb für viele unnötige Tote mitverantwortlich. Anstatt am Anfang die Gefährdeten in Alteneinrichtungen professionell zu schützen, wurde ein undifferenzierter Lock Down verhängt.

Die Möglichkeiten der Digitalisierung zur Infektionsnachverfolgung werden nicht genutzt, aus Angst vor Datenschützern. Es werden seit Dezember letzten Jahres Aktivitäten unterbunden, die nachweislich keine Haupttreiber der Pandemie sind, z. B. in der Kultur. Man diskutiert ernsthaft über nächtliche Jogger. Die Ministerpräsidententreffen sind Komödianten-Stadel. Die Liste an politischem Versagen lässt sich beliebig fortsetzen. Das Ende der Pandemie ist anders als in Ländern wie Südkorea oder Taiwan der Entwicklung von Impfstoffen zu verdanken und nicht den Regierungen. Da darf man schon mal satirisch darauf hinweisen, dass der Dauer Lock Down vielleicht nicht die intelligenteste Lösung ist und ernste Kollateral-Schäden verursacht. Man kann #allesdichtmachen schlecht finden, ungeschickt, falsche Claqueure anziehend, das Format ablehnen.

Den moralischen Zeigefinger zu heben, ist hingegen fragwürdig, Pegida-Vergleiche sind unangemessen. Peter Kümmel hat zwar recht, wenn er eine Meinungsdiktatur im Wortsinne nicht sieht, erliegt jedoch genau den Reflexen aus Gesellschaften, die abweichende Meinungen unterdrücken. Es ist bedauerlich und gefährlich, dass in dieser Pandemie vom politisch gewünschten Mainstream abweichende Äußerungen – und #allesdichtmachen ist hier nur ein Beispiel – mit populistischen Mitteln bekämpft werden, mit Unterstützung großer Teile deutscher Medien. Wir schauen immer voller Kritik nach Ungarn, Polen und auch weiter. Wir sollten zuerst bei uns selbst anfangen, dann werden wir glaubwürdiger. – Dr.-Ing Friedrich Curtius

 

Vorab: Ja, das Pandemie-Management der Regierungen ist suboptimal, es wurden Fehler gemacht, die zu Lasten der gesamten Bevölkerung gehen. Einzelne Milieus leiden ganz besonders darunter. Die Regierenden haben ihr Bestes gegeben, das hat aber nicht gereicht. Das muß kritisiert werden. Das offen und deutlich kritisieren zu dürfen, gehört zur Stärke von Demokratien. Wobei konstruktive Kritik demokratiestärkend wirkt, destruktive Kritik dahingehend demokratiezersetzend.

In diesem Zusammenhang ist es „Mit ein Büschn schämen“, so die Überschrift von Peter Kümmel, bei der destruktiven Initiative der Tatortkommissare und des Regisseur Brüggemann nicht getan. Das Verhalten der Beteiligten ist eine ausgemachte Schande und das Gegenteil dessen, was unser gebeuteltes Land in diesen Wochen am meisten braucht: Führung, Ausdauer, Demut. Die Beteiligten bieten das komplette Kontrastprogramm: Selbstgefälligkeit, Weinerlichkeit, Effekthascherei. Neben dem oftmals zitierten Marktversagen und dem politischem Versagen bietet diese show nun auch ein unrühmliches Beispiel für kulturelles Versagen. Der Diktaturvergleich ist absurd und ein Schlag ins Gesicht von Millionen Menschen auf dieser Welt, die tatsächlich in menschenverachtenden Systemen leiden. Und das schon länger als 15 Monate.

Offenbar haben sich die Tatortkommissare und der ebenso farblose wie verantwortungslose Regisseur Brüggemann bereits derart in ihrer eigenen Blase eingerichtet, daß sie die globale Realität nicht mehr wahrnehmen können. Das Verhalten ist beängstigend, wenn man bedenkt, daß diese Pandemie lediglich eine von mehreren Krisen ist, die unser Land in den nächsten Jahren bewältigen muß. Wir wissen jetzt schon mal auf wen wir uns dabei auch in Zukunft nicht verlassen können, wenn es wieder schwierig werden sollte. Noch eine weitere destruktive Verirrung von Brüggemann & Co., und AFD, PEGIDA Querdenker brauchen keine eigenen Wahlkampfauftritte mehr im nächsten Bundestagswahlkampf. – Hans-Jörg Glaß

 

Als intellektuell interessierter Bürger lese ich Ihre Zeitschrift und lasse mich auch speziell von Ihnen in „3 nach 9“ nicht nur gerne unterhalten sondern auch inspirieren durch Ihre Art, Empathie und investigativen Journalismus zusammenzubringen. Ihr Eintreten für eine neue Streitkultur ist überfällig und findet meine volle Unterstützung. Umso mehr verwundert mich der Beitrag von Peter Kümmel in der Zeit vom 29.April, in der er über #allesdichtmachen schreibt. Nach meiner Lesart rückt er die Macher dieser Satire mit unsäglichen Worten und Vergleichen in die Nähe von Pegida (Chöre) und skizziert einen Weg der Gesundung nämlich die „Selbsteinweisung zum Wohl des Ganzen“. Verstehen Sie mich nicht falsch.

Er darf seine Meinung äußern und Sie können solche Äußerungen auch als Herausgeber nicht verbieten. Das ist nicht mein Ansinnen. Aber ich würde bei dem Anspruch, eine neue Streitkultur zu beeinflussen, erwarten, dass Sie in Ihrem eigenen Haus damit anfangen und zur Diskussion stellen, warum „unangenehme Meinungsäußerungen“ immer gleich in einer Schublade versteckt werden müssen, wie es Peter Kümmel tut. Ihre Forderung ist ja die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen und ein eventueller Erkenntnisgewinn daraus. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn Sie Ihrem Anspruch nachkämen und an diesem Beispiel öffentlich eine Diskussion im eigenen Haus entfachen würden. Dazu und als Gedanken zu #allesdichtmachen möchte ich Ihnen noch eine Geschichte ans Herz legen, die sich so auch zugetragen haben könnte.

— Die Menschen saßen und sahen die Bilder aus China. In Deutschland, im Frühjahr 2020 Als Ähnliches aus Italien gezeigt wurde, waren sie erschüttert Sie rührten sich nicht mehr und gingen kaum mehr vor die Tür Aus Angst und aus Vorsicht – und aus Einsicht, das Richtige zu tun Dann war da noch ein junger Mann – ehrgeizig und Gesundheitsminister Er sah alles kommen und es kam schnell – die Pandemie Also machte er zunächst alles dicht, was ihm Zeit gab Es wurde auch von den Menschen akzeptiert und beachtet Keiner wusste so recht, was zu tun sei Also setzte der Gesundheitsminister einen Krisenstab ein – 50 Leute zuerst aus allen Fakultäten Die analysierten die neue Situation – überlegten, dachten nach und kamen zu dem Schluss:

Mit Schnelligkeit könnte man sich vielleicht dagegen wehren Also wurde der Krisenstab auf 500 Leute erweitert Der Gesundheitsminister richtete jeden Montag mit seinen Kollegen eine Krisensitzung ein In der Krisensitzung berichtete der Krisenstab an die Politik Sie schickten an die wichtigsten Schwerpunktschulen Analysetrupps Die Kindergärten wurden ganztags untersucht, wer sich wie ansteckt Die Gruppe WAHLEN machte wöchentliche Umfragen, wer sich wo angesteckt hat Einer machte Vorschläge, in den Schulen Luftreinigungsgeräte zu installieren.

Dann kam der Einzelhandel und machte es den Schulen nach Auch die Altersheime wurden so ausgestattet Andere schlugen vor, das Infektionsschutzgesetz vom Datenschutz zu erleichtern Wieder andere – Aerosolforscher – warben dafür, die Menschen nach draußen zu bringen Ganz schnell wurde klar, dass die Ansteckung dort größer war, wo Menschen auf engem Raum zusammenlebten Also holte man sie durch Aktivität nach draußen Und vieles andere mehr Die Politik hörte sich das an, veröffentlichte und wurde aktiv – mal richtig und mal falsch Wirksames behielt man bei – Unwirksames nahm man wieder zurück.

Alle durften weitermachen, aber für jeden wurde eine verträgliche Regel erarbeitet über das WIE Das fanden die Menschen gut Andere beteiligten sich dann an der Ideenfindung Die ÖffentlichRechtlichen machten jeden Freitag einen corona-Brennpunkt und berichteten darüber Die „ZEIT“ zusammen mit der „FAZ“ machten mit all Ihren Mitarbeiter*innen einen workaround Es ging einfach um neue Ideen zur Verhinderung der Krankheit Auch da kamen neue Vorschläge Man schickte Spezialisten in die Krankenhäuser, um Daten zu erheben Da stellte man fest, dass die Alten am meisten betroffen waren Also schützte man diese zuerst Gleichzeitig wurden neue Krankenhäuser gebaut, Intensivpersonal ausgebildet Die Bundeswehr und ihre Lazarette wurden aktiviert Sehr viel Geld wurde in die Forschung gesteckt Bahnen und Busse durften nur noch zu 30% ausgelastet werden.

Dafür fuhren sie 3 mal so viel Die Busse der Touristikunternehmen fuhren für Betriebe um den ÖPNV zu entlasten Dann stellte man fest, dass man nun erst bei einem Inzidenzwert von 250 das Gesundheitssystem stark belasten würde Und vieles andere mehr Die Politik hörte sich das an, veröffentlichte und reagierte – mal richtig und mal falsch Wirksames behielt man bei – Unwirksames nahm man wieder zurück Alle durften weitermachen, aber für jeden wurde eine verträgliche Regel erarbeitet über das WIE Das fanden die Menschen gut Sie wußten, jemand macht sich Gedanken um sie Sie fuhren beruhigt in Urlaub, wenn auch nicht immer dahin, wohin man wollte Ihr Gesundheitsminister kümmerte sich ja um alle Dann kam die gute Nachricht – es war sensationell Ein Impfstoff war gefunden und würde in 9 Monaten vielleicht die Menschen schützen.

Da richtete der Gesundheitsminister noch einen Stab ein Die TASKFORCE IMPFEN war geboren mit 100 Leuten Sie kümmerten sich darum, wie eine Impfung ablaufen könnte Es wurde alles simuliert Computermodelle wurden benutzt Man stellte fest, dass Fehler gemacht wurden Da ersetzte der Gesundheitsminister bestimmte Leute durch bessere Und plötzlich wusste man, wie es ablaufen könnte Jetzt fehlte nur noch der Impfstoff Alle Hersteller gaben schon früh ihre Liefermengen bekannt EU-weit Als die Genehmigungen viel schneller da waren als früher noch, ging alles ganz schnell Man schrieb die Menschen an – nach Ihrem Geburtsdatum auf dem Personalausweis Jeder bekam einen Termin und kam auch zu diesem.

Alle hatten dafür Verständnis, denn sie wurden ja permanent unterrichtet Alle Qualitäts-Medien hatten einen corona-Ticker, in dem sie über die positive Entwicklung schrieben Die betroffenen Kranken und Toten wurden in eigenen Artikeln gewürdigt Dann – nach 9 Monaten – war der Impfstoff tatsächlich da Jeder freute sich – es war geschafft Alles ging ganz schnell Taxis fuhren die Schwächeren auf Kosten des Staates zum Impfen Fast jeder nahm seinen Termin wahr Schnellimpfstellen waren schon eingerichtet für mobiles Impfen Ärzte gingen in die Firmen und impften In Ballungszentren suchte man die Menschen in Ihren Wohnungen auf Sie rackerten Tag und Nacht und nach 3 Monaten waren alle geimpft Die Politik rechnete und stellte fest, dass man viel weniger Wirtschaftshilfen benötigte als geplant Das Gesundheitssystem war zu keinem Zeitpunkt an seine Grenzen gekommen Die Menschen nahmen die Einschränkungen klaglos hin – der Protest hielt sich in Grenzen.

Der Gesundheitsminister beschloss, eine „TASKFORCE PANDEMIE“ für immer einzurichten Er wurde aufgrund seiner transparenten Politik zum Kanzlerkandidaten gewählt Zuletzt wiesen die Umfragen einen nie dagewesenen Wert von 72,31% für ihn aus Das war dann das Frühjahr 2021 Nur 12 Monate nach den drastischen Bildern aus China Die meisten wussten nicht mehr, was LOCKDOWN bedeutet Extreme und Rechte wunderten sich über so viel Solidarität in der Gesellschaft Für die Wirtschaft gab es Unterstützung aber keine „Wiederaufbauhilfen“ Man hatte ja keinen Krieg durchlebt Für alle war die Erfahrung des Zusammenhalts groß – es gab keine Spaltung — So hätte es ja auch kommen können und ich bin eigentlich verwundert, dass es nicht so kam.

Wir wissen 5 sec nach 18 Uhr, wie eine Wahl ausgeht aber heute noch nicht so richtig, wo wir uns anstecken Die Medien haben hochklassige Rechercheure als Journalisten und berichten wenig über Mißstände Die Bundeswehr organisiert im Ausland hochklassige Aktionen und hilft hier nur als Laufbursche Und vieles mehr Insofern verstehe ich auch Herrn Liefers, wenn er auf die Medien verweist Diese haben gleichgerichtet immer nur von Lockdown, Intensivstationen und Regierungsuneinigkeit berichtet, aber kaum etwas konstruktives aufgegriffen. Und heute – 1 Jahr nach beginn – beginnt Herr Lanz seine Sendung immer noch mit den entsetzlichen Bildern aus Indien, währenddessen 5 hochkarätige Personen unserer geistigen Elite dabeisitzen und schweigen müssen. – Michael Plohnke

 

„Na? Wie war ich?“ fragte mich ein bekannter Schauspieler mit wehendem Seidenschal und vorgerecktem Kinn. „Was meinst Du? Hast Du keinen Beifall bekommen oder nicht genug?“ „Doch doch, den bekomme ich ja immer. Aber jetzt habe ich das Fach gewechselt, habe geschrieben, einen Text voll beißender Ironie und brennender Satire und auch noch selber vorgetragen. Das konnten Tucho und Heine und wie sie alle heißen mögen, die Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit, die der Gesellschaft den Eulenspiegel vorhielten, nicht. Heine in seiner Matratzengruft konnte nicht mal für sich alleine sorgen und Tucho hat sich selbst aus dem Staub gemacht. Ich habe zigtausend Klicks innerhalb weniger Tage bekommen.“

„Aber dennoch hat dein Gequassel keinen Taug und nützt niemandem. Deine armen Kollegen können weiter zusehen, wo sie ohne Engagement bleiben und müssen z.B. ihr Publikum einzeln mit Spaziergängen beglücken um vor sich selbst zu bestehen (Theater Willy Praml, Frankfurt). Du kannst deine Bücher oder Biografien verkaufen, auch wenn sie schlecht geschrieben sind, dich als Sänger, Musiker oder sonstiger Künstler vermarkten, allein dein Bekanntheitsgrad sorgt für ausreichend Publikum und das Auftreten in öffentlichen Labershows. Was tust Du gegen die schlechte Behandlung des Personals in den Kliniken?

Erheiterst Du die Schwerkranken, nimmst den Ängstlichen die Angst? Sagst du uns, was wir tun müssen, damit die Unterdrücker der Freiheit uns nicht für dumm verkaufen? Und könntest du bitte die elitäre, besserwisserische Attitüde des moralisch und kritisch kämpfenden Barrikadeurs ablegen!.“ Aus mir bricht ein schaumiges und zu bedauerndes „Verpiss dich“ heraus. Der bekannte Schauspieler wand sich ringend und wendete sich mit wehendem Schal und voller Verachtung ab. „Ich brauche keine Kritik – ich brauche Bewunderung “. Vorhang. Ende der Vorstellung. Kaugummi unter den Sitz geklebt. – Manfred Kramer

 

Darf man sich eigentlich fragen, ob die 52 Akteure von allesdichtmachen sich nicht auch ein büschn solidarisch für ihre Kollegen und Helfer, für die weniger bekannte Schauspieler, oder gar die unbekannten Maskenbildner, Beleuchter, Kameraleute, Techniker, Fahrer, Produktionsassistenten vor die Kamera gestellt haben? Ob sie sich nicht nur für die jeweils eigene Person und ihre Entourage, sondern darüber hinaus auch noch ein büschn für die Performance- und Strassenkünstler, Musiker und die gesamte Festivalszene engagierten, die trotz anderslautenden Zusagen noch immer kaum, oder gar kein Geld erhielten?

Oder ist man dann am Ende schon Querdenker, unpatriotisch, vielleicht schon viel zu patriotisch? Würden Journalisten anders denken, wenn sie sich derzeit unter dem dem Druck des freien Arbeitsmarktes nach einem Aushilfs- oder Alternativjob umsehen, und sich darüber Gedanken machen müssten wie lange es die Familie auf der „Hartz IV-Diät“ noch aushält? Würden sie dann vielleicht auch ein büschn von der Linie abweichen, anders denken? Oder würden sie den Keil noch ein büschn weiter reinschlagen, und das ohne sich dafür jemals ein büschn zu schämen? – Tom Heine

 

#allesdichtmachen war kein „Meisterwerk“, wie der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit meint, sondern mehr als nur ein „büschen (zum) Schämen“, wie Nora Tschirner findet! Was die Aktion sympathisch macht: Sie zeigt, dass Schauspieler auch nur Menschen sind! Und: Jeder Mensch blamiert sich eben, so gut er/sie kann! Peinlich, weil völlig daneben und falsch, die Pauschalkritik von Jan Josef Liefers an den Medien! Logisch der Applaus von der „rechten“ Seite! Nicht weniger daneben das „Angst-Video“ von Volker Bruch! Das „Tüten-Video“ von Ricky Müller war bereits gelöscht – aus sicherlich sehr guten Gründen! Und wenn Dietrich Brüggemann saudumm (!) von „Polizeistaat“ schwafelt, dann wünschte ich ihm, er würde die Chance erhalten, in einem solchen zu leben!

Bestimmt lag es nicht daran, dass er sein Statement „mützebehauptet“ in einem Innenraum abgegeben hat! Gleichwohl: Bei Statements sollte man immer auf einen klaren und vor allem kühlen Kopf achten! Richtig harmlos dagegen Heike Makatsch. Wobei sich mir die Satire hinter ihren Worten nicht wirklich erschlossen hat! Aber ich bin ja auch kein Schauspieler! Eines allerdings habe ich jetzt begriffen: Warum Schauspieler Drehbücher und Skripte an die Hand bekommen, in denen ihnen vorgegeben wird, was sie sagen sollen!

Was mir bei Jan Josef Liefers wieder sehr bewusst geworden ist, als er im Streitgespräch mit Jens Spahn seine DDR-Biographie erwähnte: Auch dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung sind viele meiner „Brüder und Schwestern aus dem Osten“ noch immer nicht wirklich in unserer Republik angekommen! Das Erstarken der AfD im Osten, das Ministerpräsidentenwahldebakel in Thüringen sind dafür weitere Beispiele! Eine Erklärung dafür ist für mich: Wer in der DDR aufgewachsen ist und die Schule besucht hat, dem ist dort ganz sicher nicht das Wesen unserer Verfassungsordnung vermittelt worden. Nicht, welche Schlussfolgerungen die Frauen und Männer, die auf Herrenchiemsee und im Parlamentarischen Rat unser Grundgesetz ausgearbeitet haben, aus ihren Erfahrungen mit der Weimarer Verfassung, der Weimarer Republik und dem Dritten Reich gezogen haben für die Ausgestaltung dieses Grundgesetzes.

Nicht, was das Wesen der Grundrechte ist, welche immanenten Schranken auch Freiheitsrechte haben und welche Beschränkungen sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen verschiedenen Grundrechten ergeben. Was hat man ihnen wohl erzählt über das Zusammenspiel der Staatsorgane in unserer freiheitlichen Demokratie, die Rolle der Parteien, der Verbände, der Medien usw? Auch viele Westdeutsche haben unser politisches System nicht wirklich begriffen, was viel damit zu tun haben dürfte, dass diese Thematik vertieft erst in der Oberstufe behandelt wird. Um wieviel schwerer haben es da Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind? – Erwin Beck

 

„büschn schämen“ von Peter Kümmel (Die Zeit Nr. 18/ 29.4.2021) finde ich richtig und gilt für alle Seiten, die leider wieder mal nur zynisch und teilweise respektlos aufeinander losgegangen sind. Auch Satire hat ihre Grenzen. Ich habe mich in den letzten Monaten gerade von „der Zeit“ umfassend informiert und auch kritisch begleitet gefühlt. Der Text von Peter Kümmel gehört genauso dazu, wie vor Monaten „Ich, Corona “ von Jürgen Neffe.

Den politischen Entscheidern kann ich ihre Fehlentscheidungen verzeihen. Die Pandemie ist für alle eine Blaupause. Ich lerne ständig dazu und kann immer wieder ein Stück besser damit umgehen. Auch die Politik konnte Fehler einsehen und korrigieren. Da wo Fehler der persönlichen Bereicherung dienten, werden strafrechtliche Konsequenzen folgen. Unsere Demokratie hat sich gegenüber dem Virus bewährt. Das Ziel in der derzeitigen Situation ist unser gemeinsamer holpriger Weg. Geduld, Zuversicht und Bescheidenheit gilt es zu bewahren. Sachlich und zielführend bleiben. In der Verärgerung stecken bleiben, führt zwangsläufig zur Verbitterung.

Was kann ich aktiv tun, damit diese langanhaltenden seelischen Überforderungen, verursacht durch das Virus (!), nicht zum chronifizierten Stress mit Krankheitswert führen ? Selbstbestimmt auf meine seelischen Grundbedürfnisse achten ! Kontrolle behalten: in dem ich mich seriös umfassend aber auch zeitlich begrenzt informiere. Auch mal ab- und auschalten können. Beziehungen aufrechterhalten: erlaubte Kontakte und Treffen nutzen. Zusätzlich verstärkt „alte“ (Telefon und Brief) und neue Medien der Kommunikation einsetzen. Beziehungen und Freundschaften so regelmässig intensivieren. Das hilft mir und den anderen.

Selbstwert erlangen : Verantwortung für mich und andere übernehmen. Solidarität nicht nur in der unmittelbaren Nachbarschaft sondern über Grenzen hinweg, denn das Virus hat nirgends Halt gemacht und viel Leid mitgebracht. Freude gewinnen: die ungeahnten Zeitressourcen nutzen für Dinge, die ich schon immer mal gern ausprobieren oder erledigen wollte. Das steigert mein persönliches Wohlbefinden. Das allerwichtigste ist aber, mit anderen über meine Ängste und Sorgen zu reden, sich gegenseitig zu entlasten und wenn nötig, Hilfe und Unterstützung einzufordern, damit ich mich nicht verquerdenke und verquerhandle. – Klaus-Michael Gatzemeier

 

Nach dem Lesen des Beitrags hatte ich ein deutliches Bild vor Augen: Drei Egos rufen von Berg zu Berg. Alles schon einmal woanders gemeint und verkündet, aber bei diesen Dreien in luftiger Höhe fehlte am Ende bezeichnenderweise das Wesentliche: Der Hinweis auf diejenigen, die in den Krankenhäusern mit Covid Schwerkranken zu tun haben. Die Solidarität mit denjenigen, die wirklich hautnah mit den Auswirkungen der Pandemie zu tun haben. Nein, in meinem Namen sprechen diese Künstler nicht. – Bettina Munk, Künstlerin

 

Danke für den ausgewogenen Beitrag von Peter Kümmel! Ich wollte schon zum Beitrag von Heinrich Wefing Stellung nehmen, fand das aber unproduktiv, wie auch eine Stellungname zum Gespräch mit Ich werde mir weiterhin Tatort-Filme ansehen – sofern sie nicht immer schwachsinniger werden. Aber es bleibt schon etwas an einem hängen, wenn man sich diese „Satire“ verinnerlicht, zumal ich viele „Kommissare“ schätze, nicht zu Letzt Herrn Liefers. Wer im Krieg geboren wurde, mit den Eltern zwei Jahre Flucht und schließlich Vertreibung miterlebte und dann noch 40 Jahre „Sozialismus“ ertragen musste, hat wenig Verständnis für den angeblichen „Ausnahmezustand“ in Deutschland. Ich würde auch gern meine Enkelkinder öfter sehen.

Dann denke ich an meinen Vater, der 1965 als Invalide nicht einmal zur Beerdigung seiner Mutter fahren durfte, weil sie im „imperialistischen“ Deutschland verstorben war. Ich denke an die vielen Menschen, die nach dem Krieg mit all den seelischen und materiellen Verlusten zurecht kommen mussten. Nun ist die Welt einem Virus zum Opfer gefallen. Tausende Menschen bemühen sich, den Schaden zu minimieren und das Virus zu bekämpfen. Regierung und Wissenschaft versuchen, Ordnung in die Gemengelage zu bringen. Und dann kommt von so gescheiten Leuten – Querdenker und AfD meine ich damit ausdrücklich nicht – eine solch ungeheuerliche Botschaft rüber.

Schlussendlich: Offenbar haben die Künstler einen anderen Medienzugang als ich: Die öffentlich Rechtlichen und zahlreiche Printmedien, die gern z. B. in der Presseschau des DF zitiert werden, lassen doch kaum ein gutes Haar an den Regierenden. Das akzeptiere ich als Meinungsfreiheit. Aber zu behaupten, das wäre die „Lügenpresse“ im Sinn einer Hofberichterstattung kann man wohl nicht. – Arnold Grolmus

 

Darf Satire alles? Ja! Muss sie gekonnt vorgetragen werden? Ich denke ja. Denn Kunst kommt von Können. Was sich die Herren und Damen Schauspieler mit ihrer vermeintlichen Satire oder Ironie erlaubt haben, zeigt, welche psychologischen Verwüstungen Covid-19 angerichtet hat. Diese Künstler haben keine geistvolle, ironisch verpackte Kritik an der Corona-Politik in ihren Clips dem Publikum geboten, sondern plumpe, billige Anmache. Kein Wunder, dass die Maaßens, Weidels und Gaulands sich vor Vergnügen auf die Schenkel schlagen konnten. Sie sind sich des Werbewertes dieser völlig misslungenen Aktion sehr bewusst. Hohe Kunst geht eben anders. – Helmut Schmitz

 

Büschn selbstkritisch sein. Jan Josef Liefers schreibt: „Habt ihr es auch so erlebt, als wären die meisten Journalisten plötzlich einem Chor beigetreten?“ Das ist auch genau meine Wahrnehmung. Herr Kümmel sollte zur Kenntnis nehmen, dass fast alle Zeitungen die Maßnahmen der Regierung nur in Randbereichen kritisieren. Man schießt sich ein auf vermurkste Impfkampagnen und stellt nicht die wichtigere Frage, wie zwischen medizinischen Gefahren und den Schäden im sozialen Leben, sowie dem langandauernden Freiheitsentzug abzuwägen ist. Ganz eindeutig gibt es bei weitem mehr bestätigende als kritische Artikel zur Corona-Politik. Herr Kümmel macht es sich auch zu leicht, wenn er die „Wutchöre der Pegida“ heraushören will. Ich glaube nicht an eine Verschwörung oder den Unsinn von staatlicher Einflussnahme auf die Medien in Deutschland. Ich bin aber entsetzt über die freiwillig aufgegebene Distanz.

Schauen sie sich eine „ganz normale“ Heimatzeitung an: Undifferenzierte Zahlenhuberei („Schon 1000 Corona-Tote in unserer Stadt“), Horrormeldungen („Intensivstationen laufen über“ in dicken Lettern, aber wenn dies am nächsten Tag schon nicht mehr der Fall ist, nicht die kleinste Erwähnung) aufgebauschte Berichte („Fünf Jugendliche im Bauwagen“) schaffen eben doch ein Klima der Angst. Ich plädiere wirklich nicht für Fahrlässigkeit, vermisse es aber, dass Journalisten mäßigen Forderungen Ausdruck verleihen: Wieso kein Mannschaftssport im Freien? Wieso keine Außengastronomie? Wieso Kinder (in Bayern) auch bei Inzidenz 101 noch aus der Schule sperren? Ich wünsche (auch zum Tag der Pressefreiheit): „Gute Besserung!“ – Markus Schaffer

 

Ist das so? Muß man sich für „feine Ironie“ jetzt schämen? Darf man seine Meinung nicht mehr sagen, weil es außerhalb der Meinung zu dem angesprochenen Thema tatsächlich Opfer gibt? Ist 2 + 2 = 4 nicht mehr sagbar, weil die AFD möglicherweise zustimmen könnte? Ich bin hier in jeder Hinsicht anderer Auffassung. Aus meiner Sicht als Jurist ist sowohl die Kunst- als auch die Meinungsfreiheit ein hohes Gut. Nicht umsonst sind beide im Grundgesetz verankert und in der Vergangenheit auch Gegenstand diverser Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes gewesen. Dabei hat das Gericht regelmäßig die Kunst- und Meinungsfreiheit ebenfalls als sehr schützenswerte Grundrechte eingestuft und höher bewertet als individuelle Persönlichkeitsrechte.

Deshalb dürfen Künstler und Schauspieler ihre Meinung sagen und Sie dürfen sie auch ironisch äußern, selbst zu einem Thema, das außerhalb der Meinungsäußerung Menschenleben fordert. Im Übrigen reden wir nahezu ständig über Themen, die in der Realität Menschenleben fordern: das Tempolimit, Rauchverbote, Alkoholausschank, Drogenkonsum, Kernkraft etc. pepe. Bisher war das richtigerweise kein Problem, daß Meinungen zu Themen geäußert wurden, die möglicherweise Relevanz für Menschenleben hatten. Das durfte auch ironisch und sarkastisch geschehen.

Ihr Autor sieht das jetzt schon anders und dies belegt in erschreckender Art und Weise, wie die Corona-Krise unsere Art und Weise zu denken, unsere Art und Weise Grundrechte wahrzunehmen und unsere Art und Weise Diskurs zu pflegen, verändert hat. Diskurs und Meinungsäußerung ist also zukünftig nur noch zu Themen möglich, die keine Menschenleben kosten. Damit dürfte Ihr Blatt in Zukunft deutlich dünner werden.

Unabhängig davon, ob die Corona-Pandemie Menschenleben fordert, darf ich zu der Corona-Politik der Bundesregierung und jeder andere Bundesbürger seine Meinung äußern. Tatsächlich könnte die Corona-Politik der Bundesregierung falsch sein und möglicherweise mehr Menschenleben fordern als die Umsetzung des Pandemie-Planes der Universität Bonn aus April vergangenen Jahres. Möglicherweise sind Maßnahmen der Bundesregierung wie die nächtliche Ausgangsbeschränkung nicht nur wirkungslos sondern sogar eher kontraproduktiv, wie die Universität Toulouse in ihrer Studie meint.

Einzelne Maßnahmen der Bundesregierung könnten sogar völlig sinnlos sein, wie die deutsche Aerosolforschung zu der Pflicht des Maskentragens außerhalb von geschlossenen Räumen meint. Diese Punkte dürfen wir ansprechen und sogar ironisch ansprechen; diese Freiheit sichert dem einzelnen das Grundgesetz zu. Es ist auch wichtig, diese Punkte anzusprechen und Kritik an der Politik der Bundesregierung zu üben; die Kritik mag berechtigt oder unberechtigt sein, solange sie sachlich bleibt, ist sie von der Kunst- und Meinungsfreiheit zu Recht gedeckt. Die Politik der Bundesregierung – auch in der Corona-Krise – ist nie alternativlos und darf es auch nicht werden, sonst sind wir tatsächlich bald in dem Szenario gefangen, welches Brüggemann in seinem Block am 11. März 2021 entwickelt hat. –Volker v. Moers

 


 

 

Leserbriefe zu „Tod in Marokko“ von Merlind Theile

 

Tiertransporte sind nachweislich grundsätzlich grauenhaft, und das seit Jahrzehnten! Rindertransporte dauern oft länger als eine Woche, im Extremfall Wochen bis Monate. Erst kürzlich erfuhr die Öffentlichkeit von Schiffen mit hunderten von Rindern, die monatelang auf dem Mittelmeer herumirrrten. Auch der Stau am Suezkanal bedeutete für Tausende von Tieren aus der EU wochenlang Hitzestress, Hunger und Durst. Das Töten der Tiere in nordafrikanischen Ländern oder dem Orient ist schockierend und in der Regel äußerst qualvoll.

Es ist belastend, sich die vielfältigen Dokumentationen anzusehen. Wenn der Chef eines Transportunternehmens diese Barbarei schön redet und weiterhin am Rande der Legalität Geld scheffelt, spricht das für einen eiskalt berechnenden Charakter, finde ich. Um ihm und seinen Kollegen das Handwerk zu legen, sind aufrichtige, entschiedene Maßnahmen der verantwortlichen Politiker gefordert – die in der aktuellen Regierung erfahrungsgemäß nicht zu erwarten sind. Ich danke der „Zeit“ herzlich für diesen wichtigen Beitrag! – Karin Ulich

 

Wir sind erschüttert über die kaltschnäutizge Skrupellosigkeit dieses Rinderhändlers Lindena und die Verlogenheit einer Politik die für diese grauenhaften Exporte „legale“ Schlupflöcher vorbei an Anstand, Moral und dem Tierschutzgesetz zulässt bzw. bietet! Danke für diesen sehr informativen und aufrüttelnden Bericht!! – Martina & Shawn Patterson

 

Gewinnmaximierung steht über allem. Der Grund, dass Tierqual seit Jahren unter den Augen der Politik geduldet und nicht verboten wird, ist eindeutig: Wettbewerbsfähigkeit in einem wachsenden globalen Wirtschaftsmarkt und lukrative Geschäfte, die sich mit Tiertransporten erwirtschaften lassen, stehen über Moral, Ethik und Menschlichkeit. Was sagt das über unsere Gesellschaft aus? Tiertransporte in Drittländer = grausamste Tierquälerei legalisiert von Parteien, die das Wort „christlich“ in ihrem Parteinamen verwenden!

Seit Jahren zeigen Dokumentationen, wie Rinder und Schafe aus EU-Ländern geschlagen, mit Elektroschocks gequält, getreten und tagelang ohne ausreichend Wasser und Futter in überfüllten Pferchen und oft vollständig von Fäkalien bedeckt, bei extremen Temperaturen (Sommer wie Winter) nach Osteuropa oder Nordafrika transportiert werden und dort am Ende doch entsetzlich geschächtet werden. Herr Lindena nennt dies „angenehmer Transport und ein schönes Leben in Maghreb“. Wie ignorant, gleichgültig und abgebrüht kann ein Mensch eigentlich sein?

Es kann nur eine Forderung geben, die den Tieren hilft: die sofortige Beendigung aller Tiertransporte in Drittländer. Warum geht in Deutschland nicht, was in Neuseeland jüngst umgesetzt wurde? Liebe Merlind Theile, liebe ZEIT, bitte berichten Sie weiter über die grausame Wirklichkeit und über die vor den Augen der Öffentlichkeit weitgehend verborgenen Zustände auf den tierquälerischen Tiertransporten und in unseren Nutztierfabriken. Das leidvolle Leben und Sterben unserer sogenannten Nutztiere muss an die Öffentlichkeit und dem Verbraucher das (all)tägliche billige Stück Fleisch und Käse im Halse stecken bleiben. Noch mehr wünsche ich mir, dass die Verbraucher (= Volk) dann bis zum 26. September die Parteiprogramme aller Parteien (= Volksvertreter) bezüglich Tierschutzthemen genauestens hinterfragen! – Simone Forgé

 

Ein ganz hervorragender und mutiger Artikel, fernab vom Mainstreamjournalismus, der der Fleischlobby gar nicht gefallen wird. Frau Merlind Theile schildert in Ihrem Beitrag in sehr beeindruckender Weise die tierverachtende und brutale Realität die hinter den Tiertransporten steckt. Besser hätte es keine Tierschutzorganisation darstellen und formulieren können. Als genereller Tierfreund und ein Mensch der andere Mitgeschöpfe achted habe ich mich der Aktionsgemeinschaft www.menschfairtier.de angeschlossen, um mich aktiv für das Tierwohl einzusetzen und Ihnen eine Stimme zu verleihen. Es beschämt mich zutiefst einer Spezies anzugehören die so acht- und herzlos, als sog. „Krone der Schöpfung“, mit anderen beseelten Lebewesen umgeht.

Degradiert als gefühlslose Sache, geschunden, maltretiert, gequält und mishandelt. Einfach nur traurig und erschütternd. Ich habe deshalb auch folgenden Appell an den Landrat vom Landkreis Aurich geschickt: Sehr geehrter Herr Landrat Meinen, Die 32 tragenden Rinder aus Bayern sind mittlerweile in Aurich angekommen, um von dort den Langstreckentransport nach Marokko anzutreten. „Die beschränkten Aufzuchtkapazitäten bzw. Aufzuchtressourcen in Form von Futtermitteln in vielen Drittländern“ (Formulierung einer Antwort aus dem Nds. Landtag entnommen) sprechen u.a. dafür, dass in diesen Ländern gar kein Herdenaufbau stattfindet. Folglich sind es mit größter Wahrscheinlichkeit „Schlachttiere“, die nach Marokko transportiert werden sollen.

Es ist doch allgemein bekannt wie grausam, brutal und barbarisch in Drittländern die Tiere beim Transport, beim Entladen sowie beim Schlachten gequält werden. Sollte deshalb in unserer zivilisierten Welt als Erstes das Handeln nach ethischen und moralischen Werten als Leitmotiv gelten und die Achtung vor unserem Mitgeschöpf Tier nicht viel mehr Bedeutung beigemessen werden ? Ich appelliere deshalb an Sie und alle Verantwortlichen, diesen Transport nicht abzufertigen und auch künftig auf die Abfertigung von Rindertransporten in Drittländer, in denen es keine Tierschutzgesetze gibt, zu verzichten.

Nutzen Sie Ihren Handlungsspielraum und fällen Sie Ihre Entscheidung mit Herz für das Tierwohl und gegen das Leid der Tiere. Frau Theile ich wünsche mir noch viele weitere tolle Artikel von Ihnen mit denen Sie die Öffentlichkeit über die Not der sog. Nutztiere und den üblen Handlungspraktiken, unter denen sie qualvoll leiden müssen, informieren. – Harald Steinberg

 

Vielen Dank an Frau Theile und die ZEIT für diesen durch und durch hervorragenden Artikel zu den gnadenlosen Tiertransporten von Deutschland/EU in Drittstaaten. Immer noch wird das Tierrecht millionenfach gebrochen, immer noch zählt Profit vor Tierrecht/Tierschutz. Viele Bürger:innen ertragen diese Schieflage nicht mehr, was die Auslegung von Tierrecht betrifft. Und immer mehr Menschen tun sich in den letzten Jahren zusammen (in NGOs oder auch als Privatleute), um gegen das kranke System, das Tiere milliardenfach grausam ausbeutet, quält und tötet, zu protestieren. Die ethisch verwerflichen, unrechtmäßigen Tiertransporte müssen sofort unterbunden werden und besagte Tiere dürfen nicht auf die Höllenfahrt nach Marokko! Tierschutz/ Tierrecht Verfassungsrang!

Auch Steffen Augsberg vom Deutschen Ethikrat sagt: “ Ich kenne jedenfalls kein Rechtsgebiet, in dem so heuchlerisch vorgegangen wird wie im Tierschutzrecht.“ Wie es den Tieren in Marokko ergehen wird, braucht man Politik, Justiz und Behörde nicht mehr erläutern. In den den letzten Monaten haben viele namhafte Journalist:innen bekanntermaßen über diese brutalen, rechtswidrigen Transporte und über die unvorstellbar grausamen Schlacht- bzw. Schächtpraktiken in EU-Drittstaaten berichtet. Die Behörde in Aurich hat rechtliche Möglichkeiten, welche sie in ihrer ethischen, politischen, behördlichen Verantwortung gegenüber den Bürger:innen und den Tieren in dieser Situation ergreifen könnten.

In einem offenen Brief vom 25.04.2021 haben wir vom „Bündnis XOrga für Tierrechte“ den Ministerpräsidenten Weil, die Ministerin Otte-Kinast, den Landrat Meinen und die Verantwortlichen des Veterinäramtes Aurich, gebeten, umgehend eine Verbotsverfügung per Verwaltungsakt nach §16a Tierschutzgesetz zu erlassen. Dass das Eingreifen der Behörde hier unbedingt gefordert ist, beweisen die oben genannten zahlreichen Dokumentationen von NGOs und Medien. Es kann sich niemand mehr herausreden, er hätte von nicht gewussst! Wie viele Beweise und Bilder müssen die NGOs und die Journalist:innen/ Dokumentarfilmer:innen denn noch liefern? Nein, es macht einem Bundesland keine Ehre, als Schlupfloch für unrechtmäßige Tiertransporte zu gelten (so wie beispielsweise auch leider Baden-Württemberg ein Schlupfloch für unrechtmäßige Kälbertransporte ist). Die gnadenlosen Tiertransporte sind zu ächten und passen nicht mehr in die (Tier-)Ethik unserer Zeit!

Massentierhaltung, bzw. industrielle Tierhaltung gehören zu den größten Umwelt- und Klimakillern! Man kann nicht den Planeten retten und schützen wollen und gleichzeitig unsere friedlichen Mitgeschöpfe, die Tiere, mit äußerster Brutalität quälen oder quälen lassen und ihre Rechte mit Füßen treten! Empathie für das Leben ist unteilbar. Wessen Herz für den Planeten schlägt, dessen Herz schlägt auch für wehrlose Mitgeschöpfe – anders ist er oder sie nicht mehr glaubwürdig! Wir werden sehen, ob die Politik und die Behörde hier Rückgrat zeigt oder wieder vor der mächtigen Wirtschaft, dem Handel und dem Lobbyismus kuscht.

Rainer Hagecord, Zoologe und kath. Priester bringt es auf den Punkt: „Es gibt hier nur zwei große Gewinner: Die Fleisch*- und die Pharmaindustrie. Dies sind die größten Protagonisten in dem Spiel einer Wirtschaft, die vor allem eines tut, sie TÖTET! (*eig. Anmerkung: und die Milchindustrie). Wir Bürger:innen fordern ein sofortiges Umdenken im Umgang mit unseren fühlenden Mitgeschöpfen – die Zeit ist überreif! – Susanne Kirn-Egeler

 

Lebendtiertransporte in Drittstaaten sind eine seit mehr als drei Jahrzehnten gängige Praxis. Scheinbar sehen die verantwortlichen Politiker keinen Handlungsbedarf, obwohl durch zahlreiche Berichte ( z.B. von Manfred Karremann ) erwiesen ist, was die Tiere nach dem entsetzlichen Transport im Zielland erwartet: Sehnendurchtrennen, Augenausstechen, Schächten. In diesem Zusammenhang stellen sich mir einige Fragen: – von was für Menschen wird dieses Land regiert, die tatenlos aus wirtschaftlichen Gründen diese Tierquälerei dulden und nicht endlich bundeseinheitlich Tiertransporte in Drittstaaten verbieten ? Wo ist der massive Widerstand der Amtstierärzte diese Transporte zu genehmigen? Warum entscheiden Richter nicht im Sinn des Tierschutzes, obwohl der Tierschutz seit 2002 als Staatsziel im Grundgesetz verankert ist Zu Herrn Lindena kann ich nur sagen: Geld verdirbt den Charakter. – Antje Duell

 

Dem deutschen Unternehmer Uwe Lindena geht der eigene Profit eindeutig vor Moral und Ethik. Seit etlichen Jahren ist bekannt, durch die Animals Angels und TV-Begleitungen,dass in Hochrisikostaaten, dazu gehört Marokko, keine Herdenaufzucht mit Tieren stattfindet. Herr Lindena macht gute Geschäfte mit fühlenden Lebewesen und macht sich dabei der Beihilfe zur Tierquälerei schuldig! Die grausamen Brutalitäten, die am Ende der Reise die verängstigten und erschöpften Tiere erwartet,darf ein Herr Lindena nicht ’schön reden ‚. Schluß mit solchen Lügen! Vielleicht sollten wir alle Geld spenden, damit Herr Lindena in Begleitung nach Marokko fliegen kann um sich selbst zu überzeugen. – Uwe und Anne Scholz

 

Vielen Dank für diesen Artikel. Der Herr Lindena, der so tut, als reisten diese Kühe mit „Schöner Wohnen“ in ein Paradies, zeigt doch deutlich, dass es ihm völlig gleichgültig ist, was diese Tiere im Ankunftsland erwartet. Und die Zahlen sprechen für sich. Unsere als Zuchtrinder deklarierten Tiere werden dort getötet, in einer Art und Weise, über die sich deutsche Mitbürger nur zu gern empören würden, geschähe das auf deutschem Grund und Boden. Es wird Zeit, dass diese Praxis unterbunden wird. Nicht nur wegen des Etikettenschwindels, der auch noch Subventionen durch die EU möglich macht, und wir alle mit unseren Steuern dieses Unrecht bezahlen müssen, sondern auch, weil die Bürger unseres Landes die Tiertransporte nicht mehr wollen. Es ist an der Zeit, dass das aufhört.

Und noch ein Wort. Wer Klimaschutz will, darf solche Transporte nicht mehr zulassen. Es kann nicht angehen, dass der Deutsche Steuerzahler Ökosteuern zahlen soll, um mit den Ressourcen sparsamer umzugehen, auf der anderen Seite Subventionen gezahlt werden für solche Transporte, die dem Klimaschutz entgegenstehen. Auch die „Überproduktion“ von Tieren muss ein Ende haben. Denn der Regenwald wird auch für unsere Rinder abgeholzt. Und Kühe, die nicht geboren werden, müssen weder transportiert werden, noch müssen sie sterben. – Angelika Rimbach

 

Der Artikel „Tod in Marokko“ bediente ein Stereotyp, welches mir sauer aufstieß. Gesund und glücklich trat die deutsche Kuh ihre Reise an bis sie in Marokko, im Land der Barbaren, einen grausamen, blutigen Tod starb. So ist der Weg bis eine Kuh zur Frikadelle oder zum Steak wird immer blutig und leider meistens brutal – auch in Deutschland. Ein Bolzenschuss ist kein zu Tode Streicheln. Das Schächten ist somit nicht brutaler als unsere hiesige Variante des Schlachtens. Man werfe einen Blick in deutsche Schlachtbetriebe und es bleibt einem der Burger im Halse stecken. Mangelnder Tierschutz ist kein marokkanisches Problem – es ist ein globales Problem. Die deutsche Kuh lebt in deutscher Aufzucht bereits ein jämmerliches Leben (es mag kleine Ausnahmen geben). Ihre traurige Existenz verschlechtert sich in Marokko höchstens minimal.

Waren Sie schon einmal in deutschen und marokkanischen Betrieben, um sich ein Bild zu machen? Ob die Kuh schließlich durch eine marokkanische oder rumänische (wir beschäftigen in Deutschland meistens unterbezahlte Hilfsarbeiter aus Osteuropa) Hand stirbt, möge ihr egal sein. Statt sich mit der Frage zu beschäftigen weshalb es lukrativer ist, dass wir Marokkaner unsere Drecksarbeit machen lassen, während wir ihnen nicht gestatten europäischen Boden zu betreten, wird die Mär einer guten deutschen Schlachtkultur rezipiert, welche in Marokko verloren ginge. Die Kuh stirbt immer bis wir sie essen. Und wer sich genüsslich ein Stückchen Steak in den Mund schiebt („bitte Englisch!“), der möge sich bewusst sein, dass dafür eine Menge Blut geflossen ist – in Marokko und auch in Deutschland. – Sarah Meyers

 

So wie die Tiere von Bauern, Rinderzüchtern, Tierexporteuren, der Justiz und der Politik seit vielen Jahren im wahrsten Sinne verkauft und verraten werden, wird durch aktive Tierschützer*innen und Journalist*innen wie in diesem sehr gut recherchierten ausführlichen Artikel wenigstens auf das ihnen widerverfahrene Leid aufmerksam gemacht. Mehr können letztere auch nicht tun. Aber die erst genannten könnten und tun es nicht. Es gibt tatsächlich Landwirte, die ihre Tiere nicht an Zuchtverbände und Exporteure verkaufen, von denen sie wissen, dass sie in Drittländer transportieren. Die meisten Rinderhalter*innen jedoch ignorieren all die Berichte, machen immer noch auf unwissend oder alternativlos, während sie ein überflüssiges Kalb nach dem anderen „produzieren“, um den Milchbedarf der Menschen zu decken, die im übrigen auch Alternativen ohne Ende probieren könnten.

Menschen, wie Herr Lindena, leben seit vielen Jahren sehr gut und gänzlich ohne Gewissen von dem Leid der Tiere. Er hat nicht das geringste Problem damit, vielfach belegte Tatsachen zu leugnen. Profitgier und vollkommenes Desinteresse an Tieren als fühlende Wesen scheinen Herr Lindenas Charakter auszumachen. Das Tierschutzgesetz und die EU Transportverordnung werden von den Gerichten immer wieder so ausgelegt, dass am Ende die mächtigen Zuchtverbände gewinnen. Was ist das für eine Justiz? Die Politik versucht hier und da durch Erlasse Abhilfe zu schaffen, aber so lange sich die Tierexporteuere aussuchen dürfen, von welchem Veterinäramt sie sich die Genehmigung einholen, werden die Tiere weiterhin quer durch die Republik gekarrt, um dann von dort ihre eigentliche Höllenfahrt antreten zu müssen.

Und dass es immernoch Tierärzt*innen gibt, die hoheitlich für den Schutz der Tiere zuständig sind, aber Tiertransporte in Tierschutz-Hochrisikoländer genehmigen, und somit auch die seit Jahrzehnten von NGOs vorgelegten Berichte ignorieren, lässt mich an der Integrität dieses Berufsstandes (ver-)zweifeln. Noch ein Satz zur Politik: diese fördert diese grauenhaften Tiertransporte durch sog. Exportgarantien in Milliardenhöhe. So macht sich ein ganzes System schuldig an dem unendlichen Tierleid, das vollkommen überflüssige Lebendtiertransporte tagtäglich millionenfach erzeugt und billigt. – Cornelia Praetorius

 

Zunächst ein Dankeschön für Ihre Artikel, die ich regelmäßig lese und mich darüber freue, dass es engagierte Journalisten gibt, die nicht müde werden immer wieder in dieses (doch manchmal sehr unübersichtliche) Geflecht der Landwirtschaft einzudringen/durchzudringen und den Boden für Veränderungen vorzubereiten. Die nicht müde werden, wenn besagte Veränderungen auf sich warten lassen und weiterschreiben, gegen die Ignoranz.

So sehe ich auch den Beitrag „Tod in Marokko“, die diese unsäglichen Exporte wieder an das Bewusstsein des Lesers holt. Das ist gut, richtig und legitim, auch wenn Landwirte das vermutlich anders sehen. Landwirte, die in schwierigen Zeiten die Betriebe versuchen rentabel zu bewirtschaften. Landwirte, die ihre Tiere lieben, aber Entscheidungen auch nach wirtschaftlichen Aspekten fällen müssen. Und dass diese Tiere gut vergütet werden , hatten Sie ja erwähnt . Und es ist gut, das es Menschen gibt, wie die von Ihnen erwähnte Gruppe „Ostfriesen gegen Tierleid“, die sich für diese wunderbaren Tiere einsetzen und ihnen eine Stimme geben. Diese Transporte sind moralisch verwerflich und das muß so stehen bleiben.

Nur, und jetzt komme ich zu meinem Anliegen. Sind diese Transporte verwerflicher als all die täglichen, die auf deutschen Straßen stattfinden? Was ist mit den 4 Wochen alten Kälbern, die aus den Ställen auf Hänger verladen den ganzen Tag umhergefahren werden? Was ist mit 4 Wochen abgesetzten Ferkeln (Babyferkeln genannt, weil eigentlich viel zu früh von der Sau getrennt), die in die nächste Produktionseinheit gefahren wird? Was ist mit den Schweinen, die aus Dänemark auf deutsche Schlachthöfe gefahren werden ? Natürlich sind die Wege nicht so weit ,aber sie sind so häufig, dass es millionenfaches Tierleid verursacht, inmitten dieses Landes.

Sie haben einmal diesen wunderbaren Beitrag über die Zuckerrübe , die „Königin“ geschrieben. Es hat einfach alles gepaßt. Er war gut geschrieben und gut recherchiert. Ich denke darüber nach, ob es nicht vermessen ist die Zustände in Marokko anzuklagen, so lange es in Deutschland nicht besser gemacht wird. Sie prangern die kurze Nutzungsdauer der Kühe an. Es sind einzelne Beobachtungen von Märkten. Frage, kann man dies so verallgemeinern? Es fehlen mir hier einfach Fakten. Auch in diesem Land werden Kühe nach einer Laktation geschlachtet, weil sie nicht tragend werden, weil,weil… .

Was ich mich immer wieder frage, wer ist der Käufer dieser Tiere- der Staat, einzelne Bauern ? Sie merken, Ihr Text hat mich sehr zum Nachdenken angeregt und das ist gut. Letzte Frage ist, ob es für die Importländer wirtschaftlich überhaupt Sinn macht, diese Tiere zu kaufen. Die Einkaufspreise sind hoch, der Transport teuer und ein Teil der Tiere wird sicher mit den neuen Gegebenheiten nicht zurecht kommen (Verkalbung, Krankheit). Wäre es nicht sinnvoller, darauf zu verzichten und Sperma und Embryonen zu importieren? – Marion Habekuß

 


 

 

Leserbriefe zur Infografik „Gefährlicher Zwerg“ von Claudia Füßler (Recherche) und Cyprian Lothringer und Matthias Schütte (Infografik)

 

Wissenschaftlich zeigt Ihre Zeitung regelmäßig Schwächen. Hydrogensulfat statt Schwefelwasserstoff war letzte Woche. Fehler aktuell bez. Zecken: 8 ml als durchschnittliche Zeckenmahlzeit? Was bedeutet durchschnittlich hier? Während der gesamten Sitz-Zeit … Das wäre aber doch einfach zu lösen, wenn nochmals jemand kritisch Korrektur lesen würde. In der Hoffnung auf weniger Korrekturen – Dr. Ulrich Hermfisse

 

In der aktuellen Ausgabe sind auf S. 46 die Zecken mit einer Infografik beschrieben. Da steht: „Während ihrer Blutmahlzeit können die Weibchen das Zwanzigfache an Volumen und das Hundertfache an Gewicht zulegen.“ Das kann keinesfalls beides stimmen. Das abgezapfte Blut wird ja in der Zecke nicht auf ein Fünftel seines Volumens komprimiert. Wenn Zwanzigfaches Volumen, dann auch etwa Zwanzigfaches Gewicht, aber nicht mehr. Und wenn Hunderfaches Gewicht, dann auch etwa Hundertfaches Volumen. – Gerald Pribas

 

„Acht Milliliter Blut“ sollen „einer durchschnittlichen Zeckenmahlzeit entsprechen“? Ist da vielleicht bei den Zehnerpotenzen etwas verwechselt worden? Beim Gemeinen Holzbock sind übrigens bereits die frühen Stadien, vor allem die Nymphen, durchaus auch auf dem Menschen anzutreffen und potentiell infektiös (wie ich aus eigenen Borreliose-Erfahrungen weiß). Da sie aber viel kleiner als die Erwachsenen sind, entgehen sie einem beim Absuchen eher und stellen daher eine m. E. größere Gefahr dar als das adulte Stadium. – Dr. rer. nat. Gabriele Prescher

 

In Ausgabe No. 18 vom 29. April schreiben Sie auf S. 46 in der Infografik über Zecken unter dem Titel „Überträger von Krankheiten“, dass die Zecke dem Menschen bei ihrem Biss acht Milliliter Blus abzapfen kann. Nun schreiben sie gleichzeitig, dass das Weibchen 2-4 mm groß ist (das entspricht auch meinen Erfahrungen), zeichnen es aber 20 mm groß und in der Seitenmitte, vollgesogen mit Blut, sogar 35 cm.

Was lernen wir aus diesen Zahlen? NIE UND NIMMER SAUGT DIE ZECKE 8 MILLILITER BLUT BEI EINER MAHLZEIT! Es sind vermutlich nur 8 Kubikmillimeter oder 8 Mikroliter. Wäre die Zecke 20 mm groß, dann könnten es wohl auch 8 Milliliter sein. Wäre die Zecke 35 cm groß, dann würde ich auch über 100 Milliliter für möglich halten. Gönnen Sie ihrer Redaktion ein Wochenendseminar über „Physikalische Größen und Einheiten“. Oder hängen Sie ein, zwei Plakate über dieses Thema an die Wände Ihrer Redaktion. Auf dem Gebiet erscheinen immer wieder die abstrusesten Fehler in Ihrem Blatt. Bitte setzen Sie ein ERRATUM in die nächste Ausgabe und korrigieren Sie Ihre Angabe um den Faktor 1000 nach unten. – Dr. Thomas Dittrich

 

Ich glaube es gibt ein Versehen auf der Seite “ Infografik Zecken „. Unmöglich erscheint mir die angegebene Menge von 8 Millilitern Blut für eine Zeckenmalzeit. Die Zecke müßte demnach ca. 10 mal so groß sein ?! – Matthias Becker

 

1.Sie vermitteln den Eindruck, dass nur adulte Zecken den Menschen befallen und die Larven und Nymphen an kleinere Tiere gehen. Das ist falsch! Über zwei drittel aller Zecken , die von meinem Blut saugten (jährlich meist mehr als ein Dutzend), waren(sind) Larven und Nymphen. In der Stunde nach dem Betrachten Ihres „Wissens“ konnte ich mir wieder ein winziges Tier (< 1mm), allerdings mit dunklem Hinterleib, vom Unterarm entfernen. Ob es sich um eine Larve handelt lässt sich nur feststellen, wenn man dass Tier sehr bald nach dem Festbeißen entdeckt und es dann noch nicht durch das aufgenommene Blut langsam einen dunklen Hinterleib bekommt. Ich habe mir bei einer Wanderung schon mal mehr als 40 noch ganz heller Larven von den Unterschenkeln abgesammelt, weitere, zum Teil nun dunkle, bis zum übernächsten Tag. Erwachsene Zecken spüre ich häufig durch ihr Krabbeln und kann diese vor dem Festbeißen töten. Auch deshalb haben weniger davon Gelegenheit, an mir zu saugen.

2.Sie zeigen unten rechts das Durchseuchungsgebiet von Zecken mit FSME-Erregern (nur für Deutschland). Dann wird spekuliert, dass die Ausbreitung nach Norden mit dem Klimawandel zusammenhängt. Diese Spekulation wird hinfällig, wenn man das Fortschreiten der Ausbreitung der FSME in Richtung auf Deutschland seit den 60iger Jahren betrachtet und wenn man die (auch aktuelle) Verbreitung in Nordosteuropa und Sibirien einbezieht. Aber für Recherchen fehlt es der WISSENsredaktion wohl meist an Zeit/Willen/Wissen…. – Dr. Hartwig Hagenguth

 

Würde die durchschnittliche Blutmahlzeit einer Zecke tatsächlich 8 Milliliter betragen, wäre sie danach so dick wie ein Daumen! Soviel Blut nehme ich tatsächlich in meiner Praxis morgens den Patienten ab, bin aber beruflich nicht als Zecke unterwegs sondern Hausarzt. Sie meinten sicher eher 8 Mikroliter, was um den Faktor 1000 kleiner ist und besser passt. – Dr. Walter Telschow

 

Sind Sie sich sicher, dass Zecken 8 Milliliter (ml) Blut saugen können? Das entspricht einem halben Reagenzglas! Stellen Sie sich einmal die Größe einer solch vollgesaugten Zecke vor. Muss es nicht eher 8 Mikroliter heißen (µl)? – Dr. Kerstin Hoef-Emden

 

Mit Interesse haben wir die o.g. Infografik „Zecken“ zur Kenntnis genommen. In der Infografik ist eine Grafik abgebildet, in der die Zahl der jährlichen Lyme-Borreliose-Fälle in Deutschland weit unter den bekannten Schätzungen liegt. Nach dieser Grafik hätte es 2001 etwa nur so viele Borreliose- wie FSME-Fälle gegeben, die damals bei 277 lagen [1]. Der Höchstwert der Borreliose-Fälle wäre nach dieser Grafik mit etwa 14.000 Fällen im Jahr 2020 erreicht worden. Hingegen schätzt das Nationale Referenzzentrum für Borrelien die Zahl der Borreliose-Neuerkrankungen für Deutschland auf 60.000 bis 100.000 pro Jahr [2] und das RKI weist auf Studien hin, die für die späten 80er Jahre 40.000-80.000 Borreliose-Neuerkrankungen ergeben, für 1999 dann 80.000-120.000 und für 2012 basierend auf Abrechnungsdaten von Ärzten und Krankenhäusern 214.000 geschätzte Fälle [3].

Dass die Borreliose anders als die FSME überall in Deutschland auftritt, ist nicht jedem bekannt, weil stets wie in dieser Infografik nur die Grafik der FSME-Risikogebiete abgebildet wird, ohne dass darauf hingewiesen wird, dass ganz Deutschland Risikogebiet für die Borreliose ist. Die Karte des Leibniz-Institut für Länderkunde zeigt wie oft und regional unterschiedlich Lyme-Borreliose kassenärztlich 2007-2009 abgerechnet worden ist [4]. Dass die Lyme-Borreliose gut therapierbar sei, liest man in der Infografik, nicht aber die Einschränkung „im Anfangsstadium“, das leicht übersehen wird. COVID-19 kann zu Long-COVID führen, eine Lyme-Borreliose zu Post-Treatment Lyme Disease [5]. gez. Dr. Dr. Herbert Rixecker Vorsitzender der Deutschen Borreliose-Gesellschaft e.V. gez. der Vorstand der Deutschen Borreliose-Gesellschaft e.V.

Quellen: [1] Epidemiologisches Bulletin 2002/Nr. 43 [2] https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.lgl.bayern.de%2Fgesundheit%2Finfektionsschutz%2Finfektionskrankheiten_a_z%2Fborreliose%2Flyme.htm&amp;data=04%7C01%7Cleserbriefe%40zeit.de%7Cee55f11fd014481022e508d90ed5d21d%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C0%7C0%7C637557133785662591%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C1000&amp;sdata=wkgB5AIs71hLBHeVzyKFhJC5Yu%2FQVWuviY8B2B20BFc%3D&amp;reserved=0 [3]

https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.rki.de%2FSharedDocs%2FFAQ%2FBorreliose%2FBorreliose.html&amp;data=04%7C01%7Cleserbriefe%40zeit.de%7Cee55f11fd014481022e508d90ed5d21d%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C0%7C0%7C637557133785662591%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C1000&amp;sdata=F%2Bdzd13nzcseaIdWJ9X3q0JxGyyyxmxhNeY1kYq0u9k%3D&amp;reserved=0 [4]

https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=http%3A%2F%2Faktuell.nationalatlas.de%2Fborreliose-4_04_2012-0-html%2F&amp;data=04%7C01%7Cleserbriefe%40zeit.de%7Cee55f11fd014481022e508d90ed5d21d%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C0%7C0%7C637557133785662591%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C1000&amp;sdata=dQgAVqCV%2F5yCqVrRr%2BRT9r207brhREDdwkMOYMQ01Ps%3D&amp;reserved=0 [5]

https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.frontiersin.org%2Farticles%2F10.3389%2Ffmed.2020.00057%2Ffull&amp;data=04%7C01%7Cleserbriefe%40zeit.de%7Cee55f11fd014481022e508d90ed5d21d%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C0%7C0%7C637557133785662591%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C1000&amp;sdata=7SHIj4PBQknAe1qqZ5kgV9EPMWAPn79WccWZrUV8Lh8%3D&amp;reserved=0 – Dr. med. Dr. med. dent. Herbert Rixecker

 

1. a) in der Ausgabe Nr. 18, Seite 46, Wissen über Zecken steckt unten links wohl ein Fehler(chen): 8 ml (Milliliter) Blut, die einer Zeckenmahlzeit entsprechen – das kann nicht sein, wären 8 Kubik-cm = die Zecke damit ca. 1 x 2 x 4 cm prall, fast wie mein kleiner Finger! Solch Monster habe ich nie gesehen, und Wirt Mensch würde derartige Riesen nicht übersehen. Eher kommen 0,8 ml/Mahlzeit = 800 Mikroliter/Kubik-mm in Frage, der Zwerg würde schon damit auf sehr üppige etwa 5 x 8 x 20 mm = 0,5 x 0,8 x 2 cm anschwellen.

1. b) Wunschartikel in Die Zeit: Warum tragen seit Corona immer mehr Männer in BRD derart struppige Mehrtagesbehaarung im Gesicht? Reiner Modetrend, Typ lässig, leger, oder wollen sie mit zugewanderten Herren, in deren Ländern Bart üblich ist (und in der Regel sehr gepflegt) mithalten? Für mich sehen 0,5 -2 cm Gestrüpp im Gesicht grausig aus, zudem wirken sie dem Zweck der FFP2-Nasenmundmaske, die rundum möglichst dicht abschliessen soll, voll entgegen. Deshalb gerne ein Artikel „Warum ist Gesichtsgestrüpp bei vielen deutschen Männer derzeit so in Mode?“ Im Lockdown sollte genug Zeit zum Rasieren sein, Friseur hat zu gilt nicht, Mann kann ja wohl selbst den Nasshobel oder Elektrorasierer ansetzen. – Rosi Kerler

 


 

 

Leserbriefe zu „Keine Bevormundung beim Gendern!“ von Henning Lobin und Carolin Müller-Spitzer

 

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Die Ableitung eines generischen Maskulinums ist kein generisches Femininum. Wenn aus „die Richter“ also „ die Richterinnen“ wird, so bleibt es dabei, dass mit „die Richter“ die Menschen genannt sind, die den Beruf des Richters ausüben, unabhängig von ihrem Geschlecht. Der Begriff „die Richterinnen“ bezieht sich jedoch einzig und allein auf Frauen, die den Beruf des Richters ausüben. Damit tritt das Geschlecht in den Vordergrund.

Die Verständlichkeit der Texte auf ZeitOnline oder in der Wochenzeitung „Die Zeit“ leidet, wenn nicht mehr klar wird, ob der Journalist tatsächlich nur die Frauen benennen wollte oder meint, durch die gewählte Ableitung des generischen Maskulinums gendergerecht zu schreiben. Leider bringt einen die Frage, was der Journalist meinen könnte, indem Moment inhaltlich nicht weiter. Auch durch die zunehmende Häufung des abgeleiteten generischen Maskulinums wird es nicht besser, da diese Frage jedes Mal unbeantwortet bleibt. Ich fände es sehr begrüßenswert, wenn die Zeitverlagsgruppe nach den gültigen Regeln der deutschen Rechtschreibung und Grammatik schriebe. Diese Texte waren über Jahrzehnte verständlich und werden es auch noch in Jahrzehnten sein. Je mehr jedoch versucht wird, eine angeblich gendergerechte Sprache zu nutzen, umso unverständlicher und hölzerner werden die Artikel.

Weiteres Beispiel: Wieso werden kaum noch Begriffe wie „Student“, „Demonstrant“ oder „Mitarbeiter“ verwendet? Stattdessen wird immer häufiger das Partizip I genutzt, was jedoch einen Menschen beschreibt, der gerade im Moment diese Tätigkeit ausübt. Ein „Studierender“ ist somit keiner, der an einer Universität oder Fachhochschule immatrikuliert ist, sondern jemand, der gerade eben studiert, z.B. die neue Ausgabe von „Die Zeit“ oder die Vögel im eigenen Garten. So dürfte auch ein demonstrierender Studierender seltener sein als ein demonstrierender Student.

Solche Wörter, oder gar Texte, in denen das „*“ verwendet wird, spiegeln nicht die sprachliche Realität auf der Straße, im Supermarkt oder am Arbeitsplatz wieder. Oder sprechen Sie im Zeitverlag mit einem Glottislaut? Ich kennen niemanden, der dies im Alltag tut, weder jung noch alt. Warum auch, über Jahrhunderte war die deutsche Sprache verständlich und hat sich natürlich entwickelt. Wenn die Menschen der Meinung sind, dass bestimmte Wörter, grammatische Formen, Aussprachen, sich ändern müssen, so werden sie es praktizieren. Bestes Beispiel ist der Genitiv, der aus der Alltagssprache mehr und mehr verschwindet. Oder die Wendung „das macht Sinn“, die falsch ist, da Dinge Sinn ergeben, aber nicht machen können. Trotzdem wird so gesprochen.

Bitte greifen sie weiterhin Themen auf, in denen Sie auf Ungerechtigkeiten zwischen Mann und Frau differenziert hinweisen. Doch bitte verwenden Sie dabei eine klare, eindeutige, gut lesbare Sprache, die sich nicht an den Wünschen einer kleinen, aber lautstarken Gruppe orientiert, die meint, das generische Maskulinum sei von Männern erfunden und damit verwerflich. Zudem würde mich ein Artikel interessieren, in dem die Studien, wonach das generische Maskulinum Frauen sprachlich benachteilige, ausführlich und kritisch mit Quellennachweisen beleuchtet werden. Bisher lese ich immer noch pauschal, das dem so sei, aber nicht, wie die Studien aufgebaut waren und wie valide sie sind. Auch würde mich interessieren, wie in anderen deutschsprachigen Ländern mit dem Thema „gendergerechte Sprache“ umgegangen wird. Es wäre doch schade, sollten sich Deutsche, Österreicher und Schweizer dereinst nicht mehr verstehen, obwohl sie angeblich immer noch dieselbe Sprache sprechen. – Ingo Gorski

 

Die Verfasser beklagen, dass nur „das generische Maskulinum systematisch angelegt“ sei. Dabei gilt das ebenso für das Femininum, wie sie selbst mit dem Beispiel „die Lehrkraft“ unfreiwillig bestätigen. Auch Männer können nämlich Lehrkräfte sein. Es gibt unzählige Beispiele dafür, dass grammatisch weibliche Formen das jeweilige männliche Pendant wie selbstverständlich einschließen, übrigens viele auch aus der Tierwelt. Niemand muss Gans und Ganter sagen, wenn er alle Gänse meint, und wir brauchen auch keinen Enterich oder Kater extra zu erwähnen, denn die weibliche Grundform meint stets die gesamte Spezies. – Martin Köhl

 

Gender-Corona-Impfhotline: „Sehr geehrte Anruferin, sehr geehrter Anrufer, sie haben die Corona-Hotline ihres Landratsamtes gewählt. Leider sind derzeit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gespräch, der nächste freie Platz bei einem unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist für sie reserviert. Wenn sie Fieber, Husten oder eine Erkältung haben, wenden sie sich bitte an ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt bzw. deren Sprechstundenhelferinnen oder Sprechstundenhelfer. Auch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit LGL hat eine Hotline eingerichtet, die dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen ihnen gerne weiter.

Wenn sie bereits einen Impftermin haben, verweisen wir alle impfwilligen Bürgerinnen und Bürger auf die Maskenpflicht auf dem Weg ins Impfzentrum. Ferner bitten wir darum, auf dem Bürgerinnen- bzw Bürgersteig sowie im Zugang zum Impfzentrum die Einbahnregelung zu beachten. Im Impfzentrum selbst dürfen sie sich durchaus als Gästin oder Gast betrachten, denn dieser Bürger- bzw. Bürgerinnenservice ist kostenlos, so beschlossen von unseren Volksvertreterinnen und Volksvertretern.

Die Frauen und Frauinnen werden gebeten, im Wartebereich die den Besucherinnen und Besuchern angebotenen Sitzplätze aus Solidaritätsgründen nicht über Gebühr (Frauenanteil) zu belegen. Von Beschwerden über Wartezeiten bitten wir Abstand zu nehmen, denn die Ärztinnen und Ärzte ebenso wie die medizinischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tun ihre Pflicht gewissenhaft. Im Ausgangsbereich bzw. auf dem Bürgerinnen- bzw. Bürgersteig, sie wissen schon, Einbahnregelung, auch für alle geimpften Bürgerinnen und Bürger.“ War das früher nicht einfacher? Es lebe der Gender-Unsinn! – Theodor Häußler

 

Hiermit stellen wir den Antrag zum Ersatz des weiblichen und männlichen Artikels in der deutschen Sprache, beispielsweise durch das englische „the“. Das schlägt doch schon längst dem Fass den Boden aus! Warum ist das noch keinem aufgefallen? Sitzen wir doch mehr und mehr verzweifelt am Frühstückstisch und fragen uns, ob nicht der Meise sich benachteiligt fühlt und der quakende Kröte im Teich. Wir behelfen uns derzeit mit Herr und Frau Amsel, aber das kann doch keine Dauerlösung sein! Mich welcher Begründung heißt es der Gimpel und was ist mit ihr? Ist etwa das Rotkehlchen transgender? – Dr. Aide Rehbaum

 

Keine Bevormundung beim Gendern: Da haben sich zwei (oder drei) gefunden, um übers Gendern zu plaudern, die qualifizierten Henning Lobin mit Carolin Müller-Spitzer und der gemeine „Martenstein“, der sich seine eigenen Gedanken macht. Beide Beiträge versuchen zu deeskalieren im Genderstreit, jeder auf seine Weise. Die Beiden (vom Stellenmarkt) machen auf die Dynamik und Vielschichtigkeit von Sprache aufmerksam, auf die unterschiedlichen Aspekte und die offenen Forschungsaufgaben. Doch halten sie den sprachlichen Weg für vorgeprägt. Harald Martenstein ist auch gegen jede Bevormundung, hält aber die gegenwärtige Auseinandersetzung – wohl zu recht – für zeitgeistgetrieben und absehbar vergänglich. Weil er das so gelassen sieht, tut er das, was man den Kölnern nachsagt: „Man muß auch jönne könne“ – oder „jedem Tierchen sein Plaisirchen“. Ich danke der ZEIT dafür, dass sie so bunt ist, gegensätzliche Meinungen zuläßt und sich selbst dann und wann auf den Arm nimmt. – Wolfgang Phillips

 

Frau Müller-Spitzers und Herrn Lobins Wortmeldung unter der Rubrik „Die Position“ ist geradezu beispielhaft für die Unsinnigkeit der Debatte um die „richtige“ Sprechweise. Da werden seitens einiger, leider die große Mehrheit bildender Geisteswissenschaftler immer weitergehende Absurditäten als neue, allgemeingültige Regeln unserer Sprache postuliert. Anschließend bezieht man sich im Diskurs auf diese völlig abgehobenen Konstrukte mit der Behauptung, dass dies „aktueller Forschungsstand“ in der Linguistik und die bisherige Auffassung hinsichtlich des Unterschiedes von Genus und Sexus überholt sei. Das geschieht nach dem Motto: Wir modernen Linguistiker legen zuerst fest, was richtig ist und alle anderen Ansichten sind veraltet und damit unwissenschaftlich. Die zur Untermauerung dieser These im Beitrag angeführten Beispiele sind geradezu grotesk – nicht allzu verwunderlich, wenn sich Geisteswissenschaftler in das Gebiet der Logik verirren.

Bei der Beschreibung von Verbindungen zwischen den Geschlechtern ist es essentiell, dass zwischen den Geschlechtern auch sprachlich unterschieden werden muss, wie bei angehenden oder ehemaligen Ehepaaren. Bei gleichgeschlechtlichen Hochzeiten spräche man dagegen selbstverständlich von zwei Bräuten bzw. zwei Bräutigamen. Wenn dagegen von Menschen oder auch Tieren gesprochen wird, bei denen das Geschlecht für die Sachlage von keiner Bedeutung ist, dann ist die genaue Kenntnis des Sexus der einzelnen Individuen überflüssig. Und wie die folgenden Beispiele zeigen, ist in der deutschen Sprache nicht grundsätzlich die maskuline Form dominant, wenigstens nicht in der Tierwelt.

Wenn ich einem Kind erkläre, dass diese Feder auf dem Weg von einer Gans stammt, ist es überflüssig zu wissen, ob sie wirklich von einer Gans oder von einem Ganter stammt. Und wenn Katzen Mäuse fressen, ist es jedem klar, dass sowohl Kater als auch Katzen und ebenso Mäuse wie Mäuseriche gemeint sind. Aber wenn es sich um Sammelbegriffe für Personen handelt wie z.B. Berufe, soll das alles außer Kraft gesetzt werden, und man darf auf keinen Fall voraussetzen, dass z.B. mit Handwerkern auch Handwerkerinnen gemeint sein könnten. Das ist Absurdität in Reinkultur.

Leider unterwerfen sich in den Medien, in der Wirtschaft und in den Ämtern fast alle, die sich öffentlich äußern, in vorauseilendem Gehorsam diesem Diktus der political correctness. Dabei ist 95 % der Bevölkerung das ganze Gewäsch völlig egal. Die abgehobene Sprachpolizei sollte einfach mal aus ihren Zirkeln heraus treten und unter die Leute gehen um sich anzuhören, wie wirklich gesprochen wird. Da antworten z.B. junge Fußballerinnen auf eine einschlägige Frage ganz unbefangen, dass die gegnerischen Stürmer einfach zu stark waren ohne auch nur den leisesten Gedanken darauf zu verschwenden, dass „die Stürmer“ selbstverständlich weiblich waren. Da muss offensichtlich noch sehr viel Erziehungsarbeit geleistet werden.

Wozu eigentlich die ganze Aufregung? Ich habe in meinen letzten Berufsjahren, als ich mit dieser Problematik konfrontiert wurde, meine E-Mails unverbesserlich mit „liebe Kollegen“ adressiert und damit selbstverständlich auch die weiblichen Kollegen gemeint. Wenn mich dann zuweilen ein Vorgesetzter darauf hinwies, dass diese Anrede unkorrekt sei, habe ich pflichtschuldigst genickt und die Ermahnung einfach ignoriert. Lasst die Sprachpolizei einfach weiter ihren Unsinn verzapfen und den Zeigefinger heben. Kümmert euch einfach nicht drum, ist mein Ratschlag, gerichtet auch an die Mitarbeiter der Zeit. – Karl-Heinz Rutsch

 

Sprache verändert sich nicht, indem man neue Regeln einführt. Aber genau das machen die Genderbefürworter. Wer zum Bäcker oder Friseur geht, für den ist die anatomische Beschaffenheit der Personen, die er dort vorfindet, in der Regel zweitrangig. Wenn Sie, liebe ZEIT-Redaktion, die Befürworter der Gendersprache zu Wort kommen lassen, dann bitte auch diejenigen, die darin eine Verlotterung und Verhunzung der Sprache sehen wie Eva Trutkowski, Linguistin an der Freien Universität Bozen: „Der Duden mißbrauche die Deutungs- und Definitionshoheit über die deutsche Sprache, um eine wissenschaftlich einseitige Sichtweise zu propagieren“. Henning Lobin, Direktor des Instituts für die Deutsche Sprache und Co-Autor des Artikels, treibt mit der Dudenredaktion die Gendersprache voran, das kostet den Steuerzahler Millionen. Für den Potsdamer Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg ist das ein Skandal. – Hagen Treutmann

 

Veränderungen der Sprache durch ihren Gebrauch und durch externe Einflüsse hat es immer gegeben; und alle Widerstände gegen diese langfristige und gewissermaßen natürliche Entwicklung werden wohl auch in Zukunft letztendlich erfolglos bleiben. Etwas Anderes sind ideologisch motivierte Aktivitäten zur Durchsetzung kurzfristiger Sprachänderungen, wie derzeit bevorzugt das Gendern. Wird dabei versucht, logische Gründe ins Spiel zu bringen, führt das allerdings fast immer zu Widersprüchen. Denn Sprache enthält nun mal mindestens so viele Inkonsistenzen, wie sie Regeln besitzt.

Auch in diesem Artikel scheint den Autoren die Widersprüchlichkeit eines eigenen Beispiels nicht aufgefallen zu sein. Sie schreiben: „Damit wird es zur Regel erhoben, dass eine weibliche Lehrkraft als Lehrer bezeichnet werden kann, weil das Grundwort Lehrer die übergreifende Bezeichnung sei.“ Wenn der Lehrer aber stets männlich wäre, wäre die Lehrkraft nach derselben Logik ausnahmslos weiblich, ebenso wie die Führungskraft, was meist eher nicht so gemeint sein dürfte. – Prof. Dr. Heiner Kaiser

 

Die Nutzer von ARD und Deutschlandfunk werden bevormundet. Wenn ich das Radio einschalte, wird mir die Gendersprache auf die Ohren gedrückt. Eine Wahl gibt es nicht, denn es gibt kein Alternativprogramm. Diese Gleichschaltung der Sender bezüglich Gendersprache ist nicht demokratisch legitimiert. Die Hörer werden unfreiwillig und ungefragt Teilnehmer eines Experiments; so will es die Genderlinguistik, die Sender sind die Helfershelfer.

Ich habe große Zweifel, ob alle Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen Probleme mit der Geschlechtsidentität haben, diese Sprachveränderungen tatsächlich gewollt haben, zumal sich viele abweichend von ihrem biologischen Geschlecht entweder dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen. Die Anzahl derjenigen, denen eine Zuordnung nicht zumutbar ist, weil sie von Natur aus männliche und weibliche Geschlechtsmerkmale haben (kein drittes Geschlecht), ist sehr gering.

Die Verfasser des Artikels schreiben, dass sich die Sprache ändert, weil sich die Welt ändert. Die zunehmende Verwendung kurzer englischer Begriffe wäre dafür ein Beispiel. Beim Genderdeutsch ist das anders. Es ist unschön und umständlich und wird von einer ideologisch motivierten Minderheit der Bevölkerungsmehrheit aufgezwungen. Soll das etwa politisch korrekt sein? Die Ästhetik der Sprache und des Schriftbildes spielen in der Genderlinguistik offenbar überhaupt keine Rolle.

Die Kluft zwischen dem Sprachgebrauch in den Medien und dem größten Teil der Bevölkerung wird durch die Gendersprache größer. Sprache soll der Verständigung dienen, die meisten haben für diesen konstruierten Sprachkrampf kein Verständnis. Sehr viele beherrschen die hochdeutsche Sprache nicht, in Dialekten wird nicht gegendert. Betroffen sind nicht nur die Menschen in deutschsprachigen Ländern, sondern alle, die in der ganzen Welt irgendwann Deutsch als Fremdsprache gelernt haben.

Nicht nur Genderstern und andere Symbole sind überflüssig, sehr oft sind es auch die Doppelnennungen in Berichten über Schüler, Lehrer, Bürger, Mieter, Radfahrer, Tierfreunde usw., wenn das Geschlecht der Personengruppe keinerlei Bedeutung hat. Wenn von Steuerzahlern die Rede ist, kommt kein vernünftiger Mensch auf die Idee, nur Männer müssten Steuern zahlen.

Ich habe den Eindruck, dass die Themen der Genderlinguistik mit der Realität und den Bedürfnissen der Bevökerungsmehrheit kaum etwas zu haben. Der Nutzen für die Gesellschaft ist fraglich. Dem Frieden zwischen den Geschlechtern haben die Forschungsergebnisse eher nicht gedient. Gleichberechtigung wird nicht durch Sprachkosmetik erreicht. Die Probleme der Gesellschaft können nur gelöst werden, wenn alle miteinander sprechen und alle gehört werden. Die Errichtung weiterer sprachlicher Hürden zwischen den Bevölkerungsschichten schadet allen. – Maria Christiany

 

Der als Titel gewählte Appel „Keine Bevormundung beim Gendern!“ ist kurios; denn sprachliches Gendern wird ja gerade durch Bevormundung bewirkt. Die Genderbewegung schreibt vor, wie wir schreiben und welche Wörter und Wortformen wir gebrauchen sollen und welche nicht. Wehe, wenn nur von Bürgern oder Kunden gesprochen oder geschrieben wird in Kontexten, in denen es auf das Geschlecht der Gemeinten nicht ankommen soll; es muss Bürgerinnen und Bürger heißen, Kundinnen und Kunden, möglichst sogar Bürger*innen und Kund*innen. Längst geben nachdrückliche Empfehlungen und Handreichungen staatlicher und kommunaler Stellen, mancher Firmen, Hochschulen, sogar einzelner Parteien vor, wie Menschen nach ihren Berufen oder Funktionen zu bezeichnen sind.

Der Duden-Verlag, dem immer noch eine besondere Autorität in sprachlichen Dingen zugeschrieben wird, hat sein neuestes Rechtschreibwörterbuch ‚gegendert‘ und vertreibt auch ein Buch mit dem Titel „Richtig gendern“. Die Entwicklung erinnert an den Sprachpurismus früherer Zeiten, der Fremdwörter durch ‚deutsche‘ Wörter zu ersetzen suchte. Wer Fremdwörter gebrauchte, war kein guter Deutscher. Wer heute nicht gendert, ist gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter oder gar ein Sympathisant der AfD. Die freundliche Empfehlung von Lobin und Müller-Spitzer, dass „wir die sprachliche Freiheit einer jeden Person, sofern diese nicht den Regelungen einer Institution unterliegt, nicht antasten“, schützt uns nicht vor Bevormundung, gehören wir doch alle zu Institutionen und werden von Institutionen betroffen.

Dass es für den privaten Sprachgebrauch keine Vorschriften geben kann, bedarf keiner Erwähnung. Doch vor dem gegenderten Sprachgebrauch mancher Institutionen können wir uns kaum mehr schützen. Dass sich die Sprache ändere, weil sich die Welt ändere, ist eine sehr ungenaue Behauptung. Die deutsche Sprache scheint sich derzeit zu ändern, weil die Genderbewegung dabei ist, sie zu ändern. Das zu beschreiben und zu analysieren, kann durchaus eine Aufgabe der Sprachwissenschaft sein, sofern sie nicht selbst schon eine Gendersprache verwendet. – Prof. Dr. Gerhard Stickel

 


 

 

Leserbriefe zu „Sehnsucht nach Klarheit“ von Harro Albrecht

 

Fehlende sozial- und careethische Perspektive: Ergänzend zu den Ausführungen im Beitrag „Sehnsucht nach Klarheit“ von Harro Albrecht am 29.04.21 möchte ich noch auf weitere sehr wichtige Aspekte hinweisen, die im o.g. Artikel nicht erwähnt wurden und die auch in der öffentlichen Diskussion um selbstbestimmtes Sterben und assistierten Suizid weitestgehend fehlen. Das umfasst zum einen die Frage, was das Recht auf Sterbehilfe mit Anspruch auf Assistenz Dritter für medizinisches und pflegerisches Personal bedeutet. Mit seinem Urteil vom 26. Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht die individualethische über die sozialethische Perspektive gestellt. Jedoch führen Selbstbestimmung und Autonomie in der pflegerischen und medizinischen Praxis kein isoliertes Dasein.

Der amerikanischen Entwicklungspsychologin Gilligan zufolge sind „Individuen nicht autonom, sondern in ihrem jeweiligen Netzwerk von Beziehungen zu betrachten. Sie [Gilligan] betont das In-Beziehung-Stehen als Kennzeichen menschlicher Existenz und fordert eine Aufwertung der emotionalen und relationalen Dimension für ein Verständnis konkreter moralischer Konflikte.“ (Kohlen/Kumbruck 2008, S. 4). Unabhängigkeit ist nach Auffassung der Philosophin Kittay eine normative Setzung und Fiktion, und somit ist die Abhängigkeit sozial konstruiert (Kittay 2004, S. 69-79). Auch Klie und Kruse beschreiben eine Überbetonung der Selbstbestimmung mit einer „Vereinseitigung der Wertedebatte zugunsten der Selbstbestimmung“ (Klie/Kruse 2015, S. 35).

Die emotionale Involviertheit und die zwischenmenschliche Verwobenheit, die Interrelationalität, wird im gesellschaftlichen Diskurs über das Thema assistierter Suizid nicht beachtet. Es wird ausschließlich aus der individualethischen Perspektive argumentiert (Klie/Kruse 2015, S. 37; Positionspapier 2020, S. 2). Aber was bedeutet Selbstbestimmung in einer sozialethischen Einbettung? Was bedeutet Selbstbestimmung für die Freiheit der Angehörigen und für die Freiheit der Suizidassistenten?

„Was bedeutet es für assistierende Begleiter*innen, „freiwillig“ zu handeln angesichts der verzweifelten Erwartung eines Anderen, von dessen Not sie sich ansprechen lassen und durch die sie erst zum Handeln gedrängt werden: Sterbehilfe als Ausdruck extremer Not und Hilflosigkeit in der Begegnung zweier Menschen?“ (Baumann 2020b, S. 3) Außer dieser im öffentlichen Diskurs fehlenden sozial- und careethischen Perspektiven mangelt es meines Erachtens in Deutschland auch an einer Diskussion über eine geschichtlich begründete Nicht-Beteiligung von Pflegefachpersonen und Ärzten am assistierten Suizid. Die Perspektive beteiligter Ärzte und Pflegefachpersonen wirft im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus besondere Fragen auf. Dies sollte auch bei einer künftigen Änderung der ärztlichen Berufsordnung Berücksichtigung finden.

Zudem sollte in den Diskussionen nicht ausschließlich das ärztliche Ethos thematisiert werden, das bislang eine Beteiligung am assistierten Suizid untersagt. Vielmehr bedarf es einer emanzipierten pflegefachlichen und pflegewissenschaftlichen Stimme, welche die Position des Berufskodex der Pflege in den fachlichen und gesellschaftlichen Diskurs einbringt. Im Vordergrund des pflegerischen Handelns steht nicht die Assistenz beim Suizid, sondern die Suizidprävention durch beispielsweise die Erfassung der Gründe eines Suizidwunsches (DBfK 2017, S. 2).

Den im Urteil aufgeführten Gefahren wie die Normalisierung der Suizidhilfe als Dienstleistung der gesundheitlichen Versorgung (Bundesverfassungsgericht 2020, S. 164; 229 ;250) und Gefahr sozialer Pressionen (ebd., S. 248; 250; 257) begegnet das Bundesverfassungsgericht lediglich mit der Aussicht auf rechtliche Regulierung der Sterbehilfe, wobei auch hier mit Aufklärungs- und Wartepflichten nur der Weg in die individualrechtliche und individualethische Perspektive gewählt wird. Doch gerade im Hinblick auf die andauernde Corona-Pandemie könnte es zu einer Zunahme von Depressionen bei älteren Menschen kommen, was die Gefahr der sozialen Pression vermutlich verstärkt. Ein weiterer Aspekt betrifft die Frage, welche Bilder vom Altern und Sterben in der Gesellschaft vorherrschen. Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der die

vorherrschenden Altersbilder durch Aktivität und Produktivität geprägt sind. Ein Leben in Abhängigkeit und Krankheit passt nicht zu diesem Bild und wird folglich als ein Leben mit geringerer Würde empfunden. „Die moderne Medizin hat uns unfähig gemacht, mit dem Schmerz, der Einsamkeit, den Demütigungen des Alterns und dem Sterben sozial und menschlich umzugehen.“ (Gronemeyer/Heller 2014, S. 10) Das Bild des Kranken und Alten, der seinen Mitmenschen „zur Last fällt“, ist bereits in vielen Köpfen verankert. Außerdem sind aktuelle Bilder vom Sterben oftmals durch Schmerzen, Leid und Abhängigkeit von der Apparate-Medizin gekennzeichnet. Dieser Eindruck wird noch durch Bilder verstärkt, in denen Pflegemangel, Vereinsamung und Siechtum zum Ausdruck kommen (Baumann 2020a, S. 46f.). Aus diesen Gründen sollten unsere Bemühungen stärker darauf zielen, an der Vermittlung von lebensbejahenden Bildern zu arbeiten sowie Möglichkeiten eines palliativ begleiteten Sterbeprozess aufzuzeigen, damit nicht die individualethische Perspektive einer selbstbestimmten Lebensführung bis möglicherweise hin zum (assistierten) Suizid als alternativlose Option im gesellschaftlichen Bewusstsein dominiert.

Pflegewissenschaft PTHV Literatur- und Quellennachweise: Baumann, Manfred (2020a): „Ich will sterben“. Reflexionen über Todeswünsche und assistierten Suizid im Kontext hospizlicher Praxis. In: die hospiz zeitschrift palliativ care (87), S. 43–47. Baumann, Manfred (2020b): Stellungnahme des HOSPIZ STUTTGART zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, S. 1–3. Online verfügbar unter: https://www.hospiz-stuttgart.de/wp- content/uploads/2020/03/Assistierter-Suizid-MB-M%C3%A4rz-2020.pdf , zuletzt aufgerufen am 30.04.2021.

Bundesverfassungsgericht (2020): Urteil des Zweiten Senats vom 26. Februar 2020 – 2 BvR 2347/15 – , Rn. 1-343, Online verfügbar unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/e/rs20200226_2bvr234715.html ,zuletzt aufgerufen am 30.04.2021. Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) (2017): Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung. Positionspapier. Berlin. Online verfügbar unter: https://www.dbfk.de/media/docs/download/DBfK-Positionen/Positionspapier-Foerderung-der- Selbsttoetung_erg_2020-03-03.pdf , zuletzt aufgerufen am 30.04.2021. Gronemeyer, Reimer; Heller, Andreas (2014): In Ruhe sterben. Was wir uns wünschen und was die moderne Medizin nicht leisten kann. München: Pattloch.

Kittay, Eva Feder (2004): Behinderung und das Konzept der Care Ethik. In: Graumann, S./Grüber, K./Nicklas-Faust, J. (Hrsg.), Ethik und Behinderung. Ein Perspektivenwechsel (S. 67-80), Frankfurt/New York. Klie, Thomas; Kruse Andreas (2015): Zwischenruf – Verzicht auf gesetzliche Regelung zum assistierten Suizid. In: die hospiz zeitschrift Sterbehilfedebatte – Das Sonderheft (67).

Kohlen, Helen; Kumbruck, Christel (2008): Care-(Ethik) und das Ethos fürsorglicher Praxis (Literaturstudie). (artecpaper, 151). Bremen: Universität Bremen, Forschungszentrum Nachhaltigkeit (artec). Online verfügbar unter: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-219593 , zuletzt aufgerufen am 30.04.2021. Positionspapier (2020): An der Seite des Lebens. Positionierung katholischer Träger von Krankenhäusern, Senioreneinrichtungen und Behinderteneinrichtungen in Deutschland zur Frage des assistierten Suizids, S. 1–3. Online verfügbar unter https://www.bbtgruppe.de/media/docs/Positionspapier-An-der-Seite-des-Lebens-2020.pdf , zuletzt aufgerufen am 30.04.2021.. – Karin Herrmany-Maus

 

Ein zentraler Begriff des Beitrages von H. Albrecht ist die Autonomie des Sterbenden, die ja die Autonomie des lebenden Menschen ist. Fragwürdig erscheint mir, dass Autonomie vorwiegend aus der Perspektive medizinischer und ethischer Experten betrachtet wird. Die Betroffenenperspektive bleibt nur Objekt der Bewertung durch die Experten. Dabei geht es im Urteil des BVG zur Suizidbeihilfe um die Souveränität jedes Einzelnen, dem es das Recht auf seinen persönlichen, würdevollen Tod festschreibt, den er auch selber herbeiführen kann. Er soll sich durch die Verschreibung einer geeigneten Medikation unterstützen lassen können.

Der Vollzug der Selbsttötung bleibt die souveräne Tat des sterbewilligen Menschen. Dabei habe ich vor allem Menschen mit schwersten Erkrankungen im Blick, deren Verlauf irgendwann (Zeitannahmen sind reine Annahmen!) irreversibel zum Tod führt. In meinen letzten Berufsjahren arbeitete ich als Psychotherapeut mit ca. 280 Menschen im letzten Leben in einem Stationären Hospiz. Ich arbeitete auch mit ca. 120 Trauernden, die einen Menschen durch Suizid verloren haben. Eine Erfahrung vieler therapeutischer Gespräche, aber auch die Erfahrung ethischer Fallberatungen über einen bestimmt vorgetragenen Suizidwunsch, ist:

Wann die Symptomlast für einen Menschen die Würde seines Lebens in einem Maß bedroht, dass er es beenden will, kann nur er selbst bewerten. Meist kommen in diesen Gesprächen zur konkreten Symptomlast die biographischen Narrative ins Spiel. Menschen geben sich in ihrer erlahmten Resilienz, in ihren aufgezehrten Ressourcen, in ihren Zweifeln und ihrer Verzweiflung zu erkennen. Der Sterbewunsch wird so nachvollziehbar. Manchmal bleibt er irritierend. Wichtig ist dann aus psychotherapeutischer Sicht, ob sich in diesen Explorationen der Übergang von der Suizidbereitschaft zur Suizidwilligkeit festmachen lässt. Mit der Suizidwilligkeit wird meist auch die Bitte um Suizidassistenz verbunden. Das entspricht dem in der psychotherapeutischen Suizidprävention wichtigen Übergang von der Suizidabsicht zur Suizidplanung.

Jährlich beendet eine seit langem in etwa konstante Zahl von 10.000 Menschen in Deutschland das Leben durch Suizid. Menschen im letzten Leben, die einen suizidalen Sterbewunsch äußern, handeln in der Regel genauso wenig spontan, wie viele andere, die durch Suizid sterben. Der Wunsch ist häufig während einer krisen- oder krankheitsbehafteten Lebensphase gereift. Die Möglichkeit, in einer schweren suizidalen Krise Fachleute um Beihilfe beim Suizid zu bitten, sich verbunden damit auf die Exploration des Suizidwunsches einzulassen, ist grundsätzlich eine Chance für die Suizidprävention.

Sie ist zugleich eine Chance für den Suizidwilligen, sich seiner souveränen Würde zu versichern und auf der Suizidentscheidung zu bestehen. Die Verweigerung führt zur Kränkung der souveränen Würde. Das ist für alle an der Umsorge des Sterbewilligen Beteiligten oft eine gewaltige Herausforderung. Es ist jetzt an der Zeit, endlich den Diskurs um Leben, Sterben und Tod souverän zu führen – und nicht aus einer auch in den zuständigen Expertengremien oft deutlichen Vermeidungshaltung gegenüber der bedeutendsten existenziellen Herausforderung jedes Menschen, seiner Einsicht in die „Lebenszeitbefristung“(O. Marquard). – Dr. phil. Christoph Riedel, M.A.

 

Wie Sie richtig schreiben ist es uns Ärzten seit Februar ’20 straffrei erlaubt, Assistenz beim Suizidwunsch eines Patienten zu leisten. Wir Allgemeinärzte werden bei diesem schwierigen Thema jedoch völlig im Stich gelassen. Es gibt in Deutschland hunderte Richt- und Leitlinien für unzählige Erkrankungen, aber keine einzige Handlungsempfehlung für die Situation, in der nach ausführlichen Gesprächen und Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen für eine straffreie Assistenz beim Suizid eines Patienten dieser auf der ärztlichen Hilfe zum Suizid besteht. Wir sollten auch hier möglichst professionell handeln können.

Wir sollten auch hier „primum non nocere“, was in diesem Zusammenhang bedeutet, dass wir dem Patientenwunsch in einer Weise nachkommen, die ihm kein (zusätzliches) Leid verschafft. Wir sollten dieses Thema nicht irgendwelchen Organisationen überlassen, die mehrere Tausend Euro für diese Assistenz verlangen, sondern wir sollten auch bei diesem letzten Schritt unseren Patienten zur Verfügung stehen. Ich habe verschiedene Stellen angeschrieben und um konkrete Hilfe oder Empfehlung gebeten: Die Bayrische Landesärztekammer hat seit Juli ’20 nicht geantwortet, die Bundesärztekammer schrieb im Februar ’21:

„Die Bundesärztekammer wirkt aktiv am gesundheitspolitischen Meinungsbildungsprozess der Gesellschaft mit und entwickelt Perspektiven für eine bürgernahe und verantwortungsbewusste Gesundheits- und Sozialpolitik. In diesem Rahmen hat die Bundesärztekammer das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2020 in einer Pressemitteilung kommentiert, die Sie hier herunterladen können: https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.bundesaerztekammer.de%2Fpresse%2Fpressemitteilungen%2Fnews-detail%2Freinhardt-der-normalisierung-des-suizids-entgegenwirken%2F&amp;data=04%7C01%7Cleserbriefe%40zeit.de%7C2f3bb0045cc045bbea0e08d90d5a7041%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C0%7C0%7C637555504350656844%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C1000&amp;sdata=%2F6VGoTmANym7PC2TFbibOB%2BHIv9DOpjAXB5gWKHfZtw%3D&amp;reserved=0Wir bitten um Verständnis, dass sich die Bundesärztekammer darüber hinaus erst nach Abschluss der Beratungen in den entsprechenden Gremien zu dieser Thematik äußern wird.“

Die „Tägliche Praxis“, eine der wenigen völlig werbefreien und daher unabhängigen medizinischen Zeitschriften antwortet auf Anfrage im Juli ’20: „vielen Dank für die Übermittlung Ihrer für die Praxis sehr wichtigen Frage. Wir leiten diese an die Schriftleitung weiter und hoffen, einen entsprechenden Beantworter finden zu können, der auch den Mut hat, dazu Stellung zu nehmen.“ Seither keine Rückmeldung. Egal wie man ethisch zur Frage des ärztlich assistierten Suizides steht, so ist es m.E. beschämend, dass wir Hausärzte von unseren Standesvertretern komplett im Stich gelassen werden bei der Umsetzung dieses vom BVG garantierten Patientenrechts. – Dr. med. Thomas Hoffmann

 

Eine gesetzliche Pflicht zu leben ist auch über die Hintertür des Verbots zum freien, legalen Zugang adäquater Mittel zum gewaltfreien Suizid moralisch zu verwerfen. Wer Menschen vor lethalen Kurzschlusshandlungen schützen will, sollte entsprechende niederschwellige, nicht-pathologisierende, nicht-missionierende, nicht-konfessionierende Angebote machen und hinreichend sowie frei von marktkonformen Nötigungen steuerlich finanzieren, nicht billige Verbote aussprechen. (Siehe dazu „Zuhören hilft“; oder vielleicht auch, sachlich grundlegender, den Beitrag zur Lebenskunstphilosophie in der gleichen Ausgabe.)

Was freilich eine fortschreitende Lockerung der gesellschaftlichen Tabuisierung – diese, letztere, nicht zuletzt generiert durch die monopolistische Kolonialisierung dieser auch sozialen, mithin politischen, Thematik durch die Kirchen – der Faktizitäten Sterben im Allgemeinen, Suizid im Besonderen, gesetzt im Kontext der individuell gelingenden Lebensgestaltung, zur Folge haben kann — und im Zuge dessen vielleicht sogar noch weiterer kritischer menschlicher Befindlichkeiten. Und das ist auch gut so. – Volker Homann

 

Die Weltmeister des Heuchelns mit dem „C“ in ihrem Namen. Sie sorgen sich inniglich, dass sich nicht ein schwerkranker Mensch in unerträglichen Qualen gar erdreiste, seinem Leben ein Ende zu setzen, was nur Gott erlaubt ist. Dieselben Christen sehen kein Problem darin, sich in die Rolle Gottes aufzuschwingen, indem sie Rüstungsgüter produzieren und gewinnbringend vermarkten und dadurch millionenfach Tode verursachen. Geht es heuchlerischer? – Gerd Wimmer

 

Der im Artikel von Harro Albrecht zitierte Kollege Jean-Pierre Wils stellt in einigen Punkten den liberalen Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des assistierten Suizids von Kathrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte (Linke) in ein unverdient schlechtes Licht. Dieser Entwurf fordert die Einrichtung von Beratungsstellen, die den Suizidwilligen einerseits über Alternativen zum Suizid beraten, andererseits die Freiverantwortlichkeit des Suizidwillens prüfen sollen. Entsprechende Bedenken, z, B. der Verdacht auf das Vorliegen einer psychischen Erkrankung, sollen auf der Bescheinigung über die erfolgte Beratung vermerkt werden. Jean-Pierre Wills kürzt dieses entscheidende Element heraus und lässt es dabei bewenden, den Entwurf mit der zutreffenden Bemerkung „Als ob mehr Information automatisch zu mehr Autonomie führt“ lächerlich zu machen.

Nicht weniger sachfremd ist seine Darstellung der Hinzuziehung von Nahestehenden des Suizidwilligen durch die Beratungsstellen. Es sollte selbstverständlich sein, dass die jeweiligen Berater Nahestehende und andere Personen, die den Suizidwilligen kennen, etwa den Hausarzt, hinzuziehen können. Das wäre z. B. sinnvoll, um die Dauerhaftigkeit und Konstanz eines Suizidwunsches zu prüfen. Ebenso selbstverständlich sollte es sein, dass dies nur mit Einverständnis des Suizidwilligen geschieht. All dies ist jedoch weit entfernt von dem, was Wils daraus macht: die Legitimierung von Suizidassistenz in Selbstbedienung. – Prof. Dr. Dr. h. c. Dieter Birnbacher

 

1.) Die Erfindung von angeblichen Gründen das Verfassungsgerichtsurteil zu umgehen grenzt an unrechtsstaatliches Verhalten und ist für jeden Verfassungspatrioten ein Schlag ins gesicht. 2.) Faktisch hat sowieso jeder Mensch das Recht sich umzubringen; es geht nur um die Frage wie? Muss er sich dabei unmenschlicher Methoden bedienen oder darf er einen humanen Tod sterben, wie dies auch Menschen am Ende ihres Lebens unterdessen fast selbstverständlich zugestanden wird (Jede Morphiumspritze die das Leben möglicherweise früher beendet ist ja nichts anderes als Sterbehilfe)?

3.) Die Reihenfolge ist nicht: Der Staat (Arzt) hilft beim Suozid indem er ein entsprechendes Mittel verschreibt sondern: zu aller erst verbietet der Staat das Mittel, indem er es verschreibungspflichtig macht. Zu Recht werden Arzneimittel verschreibungspflichtig gemacht deren Wirkung von Laien nicht eingeschätzt werden kann aber genau dies trifft in diesem Fall ja nicht zu. 4.) Eine derartige Infragestellung der Autonomie, wie sie hier betrieben wird, stellt die Demokratie in Frage. Wer kann schon „frei“ von seiner Psyche entscheiden welcher Weg der Richtige ist? Irgendwie Gläubige, ob Christen oder sonstwas ja wohl schon mal gar nicht. – Dieter Herrmann

 

Beispiele über Beispiele werden erbracht, wenn es um das Thema Sterbehilfe geht, persönliche Meinungen sind zu lesen. Jeder tut, als ob es etwas abzuwägen gäbe. In aller Deutlichkeit: Es gibt nichts abzuwägen. Jeder Mensch muss das mit sich selbst ausmachen. Und jeder wird die Antwort finden, die für ihn richtig ist. Am Umgang mit dem Tod zeigt sich die Reife eines Menschen, sein Weltbild und seine innere Freiheit. Es sind deshalb nur zwei Punkte (zugegebenen Maßen schwierig) zu klären: Wie verhindert man, dass auf Menschen Druck ausgeübt wird? Wie verhindert man Missbrauch im Sinne von Mord?

Die gesamte derzeitige Diskussion zeigt nur eines: Bei einem sehr lauten Teil der Gesellschaft darf der Tod nicht stattfinden. Wieso glauben Politiker, darüber entscheiden zu müssen, ob jemand leben muss oder sterben darf? Ist die Würde und Selbstbestimmtheit des Menschen nicht unantastbar? Übrigens habe ich persönlich den Eindruck, das große Teile der Gesellschaft durchaus reif sind, mit dem Tod umzugehen. Die Bestrebungen eines Herrn Spahn, das Gesetz quasi wieder zurückzudrehen, würde dazu führen, dass Menschen in der entscheidendsten Frage, die es gibt, „will ich leben“, bevormundet wird und ihm deshalb zweitens nur noch bleibt, Brutalität gegen sich selber anzuwenden. Über diesen Aspekt wird übrigens seltsamer Weise nicht gesprochen. – Edda Karnowski

 

Was das Hinundher in Sachen Sterbehilfe bedeutet habe ich sehr direkt mit meinem Vater erlebt, der bei mir zuhause verstarb und trotz Palliativbetreuung ein sehr schweres Ende hatte obwohl es sein Wunsch war sein Leiden zu beenden. Kein Mensch hat ein solches Ende „verdient“. Und jetzt fängt schon wieder das Unwürdige Geschachere von Meinungsgruppen an. Anstatt sich anzuschauen wo es würdevolle Modelle gibt, die aber auch Missbrauch verhindern.

Spätestens seit dem Verfassungsgerichtsurteil sollte allen klar sein, es geht nicht darum individuelle Gewissensentscheidungen von Mandatsträgern in ein Gesetz zu giessen, sondern darum ein würdevolles und sicheres Ausüben eines Grundrechtes – in meinen Augen des Elementarsten. Wen ein gutes Beispiel wie soetwas aussehen kann interessiert, dem empfehle ich den Artikel eines betroffenen Schweizer Journalisten der NZZ. https://www.nzz.ch/gesellschaft/wenn-die-eltern-gemeinsam-aus-dem-leben-scheiden-ld.1455660Renate Kittelmann

 

Nach meiner Ansicht werden die “niederländische Verhältnisse” in dem Artikel nicht richtig dargestellt, wie auch so oft an anderer Stelle in deutschen Medien. Ich selbst wohne als Deutscher in den Niederlanden und habe einen Sterbewunsch mit psychischer Grunderkrankung. Laut Arztbericht der Universitätsklinik Amsterdam vom 22. April 2021 leide ich allerdings nicht unter einer Depression und bin bei klarem Verstand. Mein Problem ist stattdessen eine Persönlichkeitsstörung, die mir das Leben zur Hölle macht.

Den Sterbewunsch trage ich jetzt schon seit mehreren Jahre mit mir herum und ich habe es auch schon über 15 Jahre hinweg mit Psychotherapie versucht. Dennoch kann ich in den Niederlanden immer noch keine Sterbehilfe erhalten, sondern werde voraussichtlich noch mehrere Jahre abwarten und leiden müssen. Die Gründe dafür sind, dass in den Niederlanden bei psychischen Erkrankungen wirklich jede in den Niederlanden verfügbare Therapie versucht worden sein muss, bevor Sterbehilfe in Frage kommt und es zu wenig Psychiater gibt, die sich dem annehmen wollen. Das führt dazu, dass es bei psychischen Grunderkrankungen eine generelle Wartezeit von etwa zwei Jahren gibt, bevor überhaupt ein Arzt genauer prüft, ob Sterbehilfe in Frage kommt. Nach diesen zwei Jahren Wartezeit dauert es nochmals ca. 1 Jahr für die Untersuchung, ob Sterbehilfe gewährt werden kann.

So weit bin ich allerdings noch nicht, denn im Oktober letzten Jahres habe ich erst meinen Hausarzt nach Euthanasie gefragt. Dieser sage mir dann allerdings im Februar diesen Jahres, dass ich mich an das Expertisecentrum Euthanasie wenden sollte, was ich dann auch tat. Das Expertisecentrum Euthanasie ist in den Niederlanden quasi die einzige Einrichtung, die Sterbehilfegesuche bei psychischen Grunderkrankungen untersucht. Heute habe ich schließlich einen Anruf von dort erhalten, dass ich noch weitere Diagnostik über mich ergehen lassen muss und danach evtl. noch weitere Therapie versuche muss. Danach könnte ich dann nochmals ein Gesuch stellen, wobei dann die Wartezeit von ca. 2 Jahren wahrscheinlich wieder von vorne beginnen wird. Dabei möchte ich eigentlich gar keine Therapie mehr, sondern einfach nur in Frieden Sterben können.

In den Niederlanden ist es also alles andere als einfach Sterbehilfe zu erhalten und nach meiner Meinung sind die Regelungen hier auch zu restriktiv und behindern die autonome Entscheidung. Diese langen Wartezeiten und die Pflicht alle Therapien versucht haben zu müssen erlebe ich doch als sehr quälend und menschenunwürdig. Zu dem immer wieder erwähnten Druck, dass sich bei Freigabe der Sterbehilfe alte und kranke Menschen sich möglicherweise von Angehörigen unter Druck gesetzt fühlen Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, möchte ich anmerken, dass es für diesen Druck keine Belege gibt. Nach meiner Erfahrung ist es viel mehr so, dass Angehörige Druck ausüben den Sterbewunsch fallen zu lassen und mich dazu drängen am Leben zu bleiben, obwohl ich das gar nicht will.

Die Entscheidung, ob Sterbehilfe gewährt werden darf oder nicht, sehe ich nicht in den Händen der Ärzte gut aufgehoben. Einerseits sehen sie das auch gar nicht als ihre Aufgabe, wie heute auf dem Deutschen Ärztetag beschlossen wurde. Zum anderen entsteht dann wahrscheinlich auch, wie hier in den Niederlanden, ein Kapazitätsengpass bei den Psychiatern, weil sich nicht genug finden lassen, die sich damit befassen wollen. Dies würde unnötiges Leid zur Folge haben und dieses in die Länge ziehen. Durch eine verpflichtende Beratung über mögliche Hilfsangebote und eine Wartezeit von vielleicht 3 Monaten sollte genügen Schutz geboten sein vor einem Sterbewunsch aus Gründen einer akuten Depression oder durch Liebeskummer eines Teenagers. Im Zweifel sollten aber Ärzte die Möglichkeit haben diese Wartezeit zu verkürzen, wenn ein längeres Leiden wirklich nicht mehr zumutbar ist. Um dies zu ermöglichen muss der Staat auch nicht, wie nach Herrn Spahn’s Meinung, Medikamente zur Selbsttötung zur Verfügung stellen, sondern er darf den Zugang dazu nicht unnötig verwehren, was er gerade faktisch tut. – J. Deuchert

 


 

 

Leserbriefe zu „Dreckswetter“ von Hennings Sußebach

 

Vielen Dank für das Dossier „Dreckswetter“. Mittlerweile habe ich mich von allen „sozialen Medien“ wie Twitter, Instagram, Facebook verabschiedet. Man hat den Eindruck, dort sind nur noch Wahnsinnige aller politischen Strömungen, Formen und Farben unterwegs. Empörung, Hass und Moralisieren allerorten. Möchte man nicht selbst verrückt werden, bleibt nur die Abstinenz. Obwohl das Ganze immer Größer wirkt, als es in Wirklichkeit ist. So lese ich mittlerweile nur noch die ZEIT, auch sie mag eine Blase sein, aber wenigstens eine, die kontroverse und gegensätzliche Meinungen gleichberechtigt gelten lässt. – Daniel Scheffler

 

Als ehemaliger Planungsdezernent erlebte ich mit meinen Planungszielen ständig, aber auch natürlich, geteilte Auffassungen, weil Veränderungen begünstigen, aber auch schmerzvolle Einschränkungen bedeuten können. Je nach Schwere der Einschränkung konnte eine Betroffenheit heftiger bis hin zu einem damals eher analogen Shitstorm ausfallen. So wie man auf Reaktionen auch einer seriösen Presse nach der Devise, „in der Zeitung von heute wird der Hering von morgen eingewickelt“, gelassen handelt, muss man dieses erst recht bei einer ubiquitären Dummheit sein. – Jürgen Dressler

 

Ich glaube so ist es richtig formuliert, bitte machen Sie sich erst gar keine Gedanken darüber, meine Zuschrift zu veröffentlichen! Das ist kein Verbot, aber ersparen Sie sich den Ärger! Doch bitte lesen Sie: Erst einmal ein ganz großes Kompliment für die damalige Teil-Überschrift „oder sollen wir es lassen?“ Ich war damals im ersten Moment auch schockiert, und ich denke, genau das war vom Autor beabsichtigt. Denn für diese Option würde man sicherlich Millionen Unterstützer beiderlei Geschlechts finden! Leider.

Es ist nämlich überhaupt nicht so, als seien Humanität und Menschenliebe in unsere DNA eingeschrieben. Sie haben das auf den Punkt gebracht, auf den wunden Punkt! Und jetzt werde ich richtig böse: Ich gönne Ihnen eine große Leserschaft, dazu machen Sie die Zeitung schließlich. Aber bedeutet das auch, dass so viele, sagen wir zu nur wenig Differenzierung fähige Menschen die ZEIT lesen, dass diese Menschen nicht merken (können/wollen), dass mit dem Sagen des (angeblich) Undenkbaren die ganze von uns „duldsam“ mit angesehene menschliche Katastrophe nicht nur ins Bewusstsein gehoben werden soll, sondern dass es auch zu konkreten Taten, hier ist Hilfe gemeint, kommen sollte?

In der Bibel steht in etwa „Was ihr dem Geringsten unter euch getan habt, das habt ihr mir getan“. Wie wäre es mit der Mahnung „Was ihr dem Geringsten unter euch angetan habt, dass habt ihr mir angetan?“. Ein schlaues Buch, diese Bibel. Und die ZEIT ist eine intelligent gemachte Wochenzeitung, die ich fast so lange lese, wie es sie gibt. Und die auch auch weiterhin lesen werden. Bleiben Sie wetterfest! – Michael Dericks

 

Shitstürme gehören, wie der Name schon sagt, am besten ungelesen, ins Klo. – Willi Krebser

 

Shitstorm in der Hose? nein hier nur in der „Dose“: Danke für die umfangreiche, mit Beispielen gut dokumentierte Recherche zur Entstehung, Verbreitung und Auswirkung von Shitstorms. Aber im Grunde wussten wir schon lange: Milliarden Fliegen können nicht irren, fresst Scheiße! – Dr. H. Kronsbein

 

Dem ausführlichen Dossier zum Thema ‚Shitstorms‘ möchte ich noch eine tiefenpsychologische Entstehungshypothese hinzufügen: Wie das Dossier richtig herausstellt, braucht es manchmal nur ein falsches Wort, einen kleinen Kommentar, um einen Shitstorm auszulösen. Doch woher kommt diese latente Wut, von der man ausgehen muss, wenn sie sofort und massiv abgerufen und ausgedrückt werden kann? Aus tiefenpsychologischer Sicht entsteht bei vielen Menschen in der Kindheit eine frühe Enttäuschungswut durch nicht ausreichende, oder, um im Fachjargon zu bleiben, unsichere Bindungserfahrung. Diese Wut gibt es in verschiedenen Ausprägungen. Sie kann als milder Ärger, Enttäuschung und auch rasende Wut auf sich und die Welt erlebt werden, und bleibt meist unbewusst.

Nun kommt eine vermeintliche Provokation daher, eine Irritation, ein Ärgernis, ein Trigger. Ohne innere Enttäuschungswut könnte man darauf mit Toleranz und Achselzucken reagieren. Es bietet sich aber auch die Möglichkeit, einen Teil seiner inneren (unbewussten) Wut abzugeben, indem sie auf den Verursacher projiziert. In Zeiten von social media kann man dann auch noch sicher sein, dass sich mit Sicherheit Unterstützer und Mitstreiter finden, was früher nur am Stammtisch in der Kneipe möglich war. Und so entsteht gleich zweierlei Balsam für die narzisstisch gekränkte Seele: Spannungsabfuhr und Unterstützung zugleich – warum sollte diese Chance ungenützt vorbeiziehen? – Anke von Skerst

 

Mit großer Lust habe ich die aktuelle ZEIT verschlungen, und ich bin noch nicht fertig. Eins möchte ich anmerken: An dem im Artikel zitierten und nicht weiter reflektierten Buchtitel „Shitstorms. Zusammenprall digitaler Kulturen“ stört mich das Wort „Kultur“. Darin stecken doch auch die Verben „entwickeln, pflegen, hegen“, und davon kann nach meiner Meinung in diesem Zusamenhang keine Rede sein. Da kotzen, rotzen, geifern und brüllen doch wie auf Tastendruck fanatische Selbstdarsteller ihre Reaktionen heraus, ganz und gar nicht kultiviert im vorher genannten Sinn. Gesunde Wut ist tolle Energie, aber hier rasen die Höllenschwerter blinden Vernichtungswillens, ins Unendliche multipliziert durch die „sozialen“ Medien. Wie öde. – Andreas Hage

 

Für mich der zentrale Satz des lesenswerten Beitrags, noch dazu geschmückt mit einer neuen Wortschöpfung: „Die Welt draußen ent-pört sich ja meist schnell wieder und wendet sich dem nächsten Aufreger zu.“ In meinem Beruf habe ich Ähnliches schon oft erlebt: ein Patient klagt lange Zeit immer wieder über die gleichen Beschwerden, bis ihn eines Tages ein neues Leiden ereilt. Es läßt zwar die alten Schmerzen nicht gänzlich verschwinden, drängt sie aber so weit in den Hintergrund, daß sie kaum noch wahrgenommen, ja vergessen werden! Der alte Erregungspegel sinkt so schnell wie der neue steigt! Auch in den übelsten Beleidigungen steckt oft ein winziges Körnchen Wahrheit, nur wird es nie aufgespürt, weil es vollkommen mit Schmutz verkleistert ist! Ent-deckt wird es dagegen, wenn es zwischen Humor und Ironie hervorblitzt!

Hämische Haßbotschaften sollte man nicht mit dem gleichen Haß erwidern, sondern mit Ruhe, leicht satirisch durchmischt; dann nimmt man den Wind aus dem Wutsturm und verhindert, daß er sich zu einem Hurrikan auftürmt, der eine Schneise der Verwüstung in die Diskussionskultur schlägt! Vielleicht ist der derzeitige ruppige verbale Umgang nur eine – hoffentlich kurze – Episode, und man besinnt sich endlich wieder auf das harte, offene, ehrliche Gespräch, bei dem auf der anderen Seite des Tisches nicht mehr ein virtuelles Monster sitzt, sondern ein Mensch wie du und ich, getragen von seinen Überzeugungen – nur halt den falschen! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Die beschriebenen „Kritikführungen“ sind fürwahr leider nur einige wenige Beispiel unter allzu vielen – nicht zuletzt für die meines Erachtens falsch verstandene Wokeness, die oftmals geradezu widersinnig in antidemokratische Dialektik und sogenannte Cancel Culture mündet. Anstatt mit durchaus verständlicher Empörung, geschweige denn mit sachlicher Korrektur zu reagieren, werden, hauptsächlich über soziale Medien, jene Protagonisten, die nicht der eigenen (gefühlten) Identität, Überzeugungen und Sympathien entsprechen, radikal angegriffen, abgewertet und abgeurteilt. Spätere Einsichten und Entschuldigungsersuche der Delinquenten stellen sich zumeist als schlichtweg vergeblich dar.

Dort also, wo sich vor geraumer Zeit noch tolerante Aufklärung (die nach Kant und Co.) und Argumente zu gemeinsamen Diskursen zwecks besserem Verständnis und verbindendem Bewusstsein angereichert haben, bleiben und wachsen gesellschaftliche Spaltungen und Dissonanzen. Indes: Die Aufklärung kann (objektiv) nicht erhellender dastehen als jene, die sie betrieben haben bzw. betreiben. Bildung und Wissen sind das, was wir Menschen darin vernünftigerweise mehrheitlich zu erkennen und zu vermitteln meinen. Und darum, liebe Mitstreiter:Innen, bitte verzichtet auf Hasstiraden, Mobbing, Gewalt. Das Ziel eines jeden aufgeklärten Menschen ist nicht die Rechthaberei oder gar Selbsterhöhung; sondern Wissen und Verstehen zu mehren und zu teilen. Denn nur damit werden wir etwas in die bessere, weil gerechtere, respektvollere und aufmerksamere Richtung bewegen. – Matthias Bartsch

 


 

 

Leserbriefe zu „So nah ist Indien“ von Andrea Böhm

 

In o.g. Artikel steht der Satz: „Je ungleicher die Verteilung der Vakzinen und je unterschiedlicher weltweit das Impftempo, desto häufiger kann das Virus mutieren“. Daraus abgeleitet wird, dass es auch für „uns“ günstiger wäre, wenn die Verteilung des Impfstoffes weltweit gleichmäßiger erfolgen würde. Im Artikel wird darauf verwiesen, daß stattdessen momentan in Europa 24 % geimpft seien, in Afrika aber nur 2 %. Stand 28.4.2021 sind weltweit 248 Mio Menschen vollständig geimpft. Das sind rund 3,2 % der Weltbevölkerung. Ginge man also davon aus, daß die Impfverteilung bisher weltweit völlig gleichmäßig gelaufen wäre, was ja laut Frau Böhm wünschenswert wäre, dann wären jetzt beispielsweise in Afrika nicht nur 2 % geimpft, sondern eben die o.g. 3,2 %.

Ist es wirklich realistisch, daß dadurch beispielsweise die Gefahr der Mutantenbildung in Afrika spürbar geringer wäre ? Ich kann mir das nicht vorstellen, lasse mich aber gerne durch Fakten und Belege überzeugen. Ich würde mir wünschen, daß in einer an sich seriösen Zeitung wie der ZEIT etwas mehr darauf geachtet würde, daß Behauptungen von Fakten und Belegen untermauert würden. Dies umso mehr, als man – wie in diesem Fall – kein Expertenwissen benötigt, sondern lediglich die 4 Grundrechenarten beherrschen und einfaches logisches Denken anwenden muss. – Herbert Rein

 

Dieser Betrachtungsweise kann ich mich nicht anschliessen. Einer Herausforderung, wie sie eine Pandemie darstellt, begegnet man m. E. nicht allein mit Gefühlen, Bedauern und Mitleid. Meinen Sie, geehrte Frau Böhm, wirklich, dass die breite Streuung der noch unzureichend verfügbaren Impfstoffe eine wirksame Massnahme gegen die Pandemie ist? Hier ist eine unvoreingenommene Analyse der Situation und strategisches Handeln gefragt. China hat es bewiesen.

Absolute Gerechtigkeit würde bedeuten, die anlaufende und noch nicht ausreichende Produktion Impfstoffe gleichmässig auf acht Milliarden Menschen zu verteilen. MeinenIch frage mich, wem damit geholfen wäre. Viel wichtiger ist es, das Wissen über die Verbreitung der Pandemie in einfacher Sprache allen Bürgern, auch den bildungsfernen überall auf der Erde zu vermitteln. Solange religiöse Kulte, Riten und politische Massenversammlungen wichtiger sind als die Bekämpfung der Pandemie, werden so oder so noch viele Opfer zu beklagen sein. Impfnationalismus und andere Totschlagargumente polarisieren und vernebeln das Denken. Sie sind das Ende jeder sachlichen, offenen Debatte. – R. Renaux

 

Sie schreiben:“ Nach der Pandemie ist vor der Pandemie. Den Satz hört keiner gern, aber an diese Einsicht werden wir uns gewöhnen müssen.“ Mein Gedanke:“ Dann bring ich mich um.“ Mit dieser Aussicht kann ich nicht leben. Ich leide unter den Kontaktbeschränkungen und den ganzen Freiheitsbeschränkungen so sehr, sie rauben mir die Lebenskraft, dass mir diese Aussicht jede Hoffnung und jeden Lebensmut nimmt.

Es mag Menschen geben, die sich an diese „Einsicht“ gewöhnen können. Das ist in Ordnung für mich. Aber ich gehöre nicht dazu. Und da gibt es sicherlich nicht wenige Menschen, denen es genauso geht wie mir. Ich brauche die Hoffnung, dass all das (in nicht allzu ferner Zukunft) ein Ende hat. Und ich finde es nicht falsch, diese Hoffnung zu haben, wenn sie mir die Kraft gibt, meinen Alltag zu bewältigen. Ihrer Hauptaussage, dass auch die armen Länder frühzeitig genügend Impfstoff haben sollten und dort ein großer Teil der Bevölkerung so früh wie möglich geimpft werden muss, stimme ich ohne Einschränkungen zu und ist mir auch ein sehr wichtiges Anliegen. Was kann ich als durchschnittliche Bürgerin tun, damit in armen Ländern mehr Impfstoff zur Verfügung steht und geimpft wird? – Deborah Poppowitsch

 

Immer wieder ist zu lesen, dass „der Westen“ so egoistisch ist und den anderen keinen Impfstoff abgibt. Und das sei gefährlich, weil erst die Durchimpfung der ganzen Welt für Sicherheit sorgt. Aber ist dieser Vorwurf berechtigt? Bislang sind erst ca. 3,2% der Weltbevölkerung geimpft. Erst? Man könnte auch sagen: schon! Es ist keinen Kleinigkeit, dass es so kurz nach Auftauchen des Virus mehrere Impfstoffe gibt und dass die bereits in so großer Menge produziert werden können. Eine Fabrik wie in Marburg in weniger als einem Jahr aus dem Boden zu stampfen und in Betrieb zu nehmen, ist ein kleines Wunder, wenn man die üblichen Vorgänge von der Planung, über die Baugenehmigung bis zur Qualifizierung und Validierung anschaut.

Wie viel mehr Impfstoff wäre denn produziert worden, wenn sofort Lizenzen an alle vergeben worden wären, insbesondere von den mRNA-Sorten? Wie viel mehr Menschen wären geimpft, wenn der Impfstoff gleichmäßig über die Welt verteilt worden wäre? Wie viele Menschen weniger wären bis heute gestorben? Dass die Heimatländer der Hersteller mehr Stoff bestellt haben als sie brauchen, heißt doch nicht, dass sie auch mehr bekommen haben. Erste wenn da alle geimpft sind und die über den Bedarf bestellte Menge nicht an die Welt verteilt wird, fängt der Vorwurf an zu greifen.

Wobei ich glaube, dass keine Regierung so dumm sein wird, nicht benötigten Impfstoff zu horten, statt ihn an die zu verschenken, die den heimischen Erfolg mit Mutationen zunichtemachen können. Die rasante Ausweitung der Fertigungskapazitäten ist nur deshalb möglich, weil die Hersteller sicher sein können, das Zeug auch an solvente Kundschaft loszuwerden. Die Überbestellung durch reiche Länder ist also nicht zwingend schlecht. Auch wenn Ihnen das Unbehagen bereitet, wir haben bisher keinen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben. – Hans List

 

In dem Artikel wird ein wesentlicher Punkt übersehen: In vielen der „armen“ Länder gibt es großen Reichtum: Zum Teil versickern Entwicklungsgelder in wenige korrupte Taschen, zum Teil ist der Reichtum auch selbst verdient, z.B über IT-Firmen, kommt aber der Gesellschaft nicht zugute. In Kolkata beispielsweise betreibt eine deutsche NGO seit fast 30 Jahren eine viel zu kleine Ambulanz für die Ärmsten der Armen; aber auf den Hügeln rund um die Stadt wohnen Menschen, die so reich sind, wie es in Deutschland kaum vorkommt. – Dr. Ursula Augener

 

Grundrecht sind selbstverständlich nicht verhandelbar. Geht von einer Person sicher kein Risiko aus, dann gilt für diese keine Seuchenschutzregel! Wenn Politiker etwas anderes von sich geben, ist das Unsinn, dann haben sie unsere Rechtsordnung nicht verstanden. Ich persönlich habe dazu eine dezidiert viel weitergehende Meinung. Wenn wir verhindern wollen, dass es bei einer der sicher nächsten Pandemien nicht 0,2% sondern vielleicht mal eine Sterberate von 10, 20, 80,2% gibt, der sollte sich überlegen woher das Seuchenrisiko kommt.

In früheren Jahrhunderten folgten Seuchen stets den Handelsrouten. Damals waren das einzelne Handelsschiffe, -Karawanen und mal eine Kriegshorde. Heute ist die ganze Erde eine einzige Handelsroute mit 100 – tausenden Einzelspuren und täglich billionenfachen Kontakten. Ein Dorado für Viren, die nach neuen Ufern suchen. In der landwirtschaftlichen Massentierhaltung werden Seuchen durch 100-%-ige Kontaktverhinderung bekämpft. Homo sapiens, der mittlerweile in einer ähnlichen massenhaften Haltungsform lebt, meint bei ihm gilt das alles nicht. Das kann ein tödlicher Irrtum sein. – H. Giller

 

Vielen Dank, dass auf dem aktuellen Titelblatt der ZEIT nicht nur einer der beiden Leitartikel, sondern beide nebeneinander und gewissermaßen in Kombination zu lesen sind! Ich möchte anregen, den klaren Bilck, den Frau Böhm auf die internationale Lage wirft („Die reichen Länder starten durch, die armen warten auf das, was übrig bleibt.“) auch auf die nationale Situation anzuwenden. Das Problem ist eben nicht, wie Herr Wefing andeutet, dass „die Twentysomethings noch unter Ausgangssperre daheim sitzen, während die Boomer beim Italiener Lachs-Carpaccio verspeisen.“

Was Sie als eventuelles Szenario bei einer Aufhebung der Impfpriorisierung ansprechen, dass die „Cleveren, die ohnehin Durchsetzungsstarken, im Zweifel die Leute mit Geld und Beziehungen“ zuerst ihre Spritze bekommen, ist jetzt schon Realität. Hier liegt das eigentliche Problem: Während sich die Intensivstationen mit Erkrankten aus benachteiligten Stadtteilen und Gesellschaftsschichten füllen, sind in vielen wohlhabenderen Stadtvierteln merkwürdig viele jüngere Menschen bereits geimpft. Ein nachhaltiges Gefühl von Impfungerechtigkeit ist für die Stimmung und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, zumal in einem Wahljahr, keine gute Nachricht! Bleiben Sie dran und legen Sie den Finger in die Wunde — genau dafür schätze ich die ZEIT! – Katrin Köhl

 

Frau Böhm bringt es fertig aus diesem Leitartikel eine einzige Anklage Gegen die reichen Länder zu machen. Dass besonders Indien mit Immerhin 759 Tausend Millionären auf Rang 13 der Weltrangliste Steht, ,das erwähnt sie mit keinem Wort. Schade, etwas mehr Kritik An diesem Land und den Bedingungen in diesem Land wäre angebracht Gewesen. Aber man liest nur Anklagen gegen die reichen Länder. Wie reich Indien wirklich ist, auch das wäre erwähnenswert gewesen. – Manfred Mengewein

 


 

 

Leserbriefe zu „Die vielen Leben der Sophie Scholl“ von Maximilian Probst

 

Vielen Dank für den sehr ergreifenden, umsichtigen Artikel, der auch verschiedene Aspekte anspricht, die in unserer heutigen verheerenden weltweiten Geld-, Finanz- und Schuldenkrise sehr relevant sind. Auch heute geht es um verschiedene Narrative, mit denen versucht wird, die Wirklichkeit zu erfassen bzw. zu beeinflussen. Auch heute geht es um den Erhalt unserer Demokratie. Wenn sie zu stark beschädigt ist, wird es sehr schwierig, sie wieder zu reparieren. Das lehrt uns die Geschichte. Die Gewaltenteilung, die Grundrechte und der Föderalismus sind die Basis unserer Demokratie. Diese werden durch die verschiedenen Novellen des Bevölkerungsschutzgesetzes immer mehr eingeschränkt. Der Inzidenzwert und der PCR-Test-Wert sowie die Annahme von substantiellen asymptomatischen Ansteckungen dienen als Basis für die Einschränkung der Grundrechte. Wenn die Grundlage fällt, fällt die demokratische Rechtfertigung für die Einschränkung der Freiheit.

Diese Inzidenz- und PCR-Werte sind aber nicht standardisiert und nicht evidenzbasiert und sollten von allen einzelnen Politikern, Medienschaffenden und Bürgern intensiv überprüft werden. (4) RTV Talk Spezial: Kritik an den Corona-Maßnahmen – YouTube Wirtschaftskrise und Kriegsgefahr im Gefolge der Corona Maßnahmen – Enorme wirtschaftliche Schäden, Armut und Hunger weltweit durch Corona Maßnahmen – #Rechtsanwalt #Dr. Reiner #Fuellmich über asymptomatischen Infektionen – YouTube Unabhängige Expertisen gibt es genug. Alternative Medien, die langfristige, hintergründige und umfassende Erkenntnisse verbreiten, werden von manchen Regierungen, anderen Politkern und Medien als „rechts“ oder „Verschwörungstheoretiker“ bezeichnet, weil sie die offizielle Lesart wissenschaftlich hinterfragen. Aber was wäre, wenn wirklich eine Art Übereinkunft zwischen dem digital-finanziellen Gläubiger-Komplex und manchen Staaten vorläge?

Das weltweite Szenario wirkt für einen unabhängigen Betrachter auffallend orchestriert. Und es wurde schon seit Jahren oft und öffentlich angekündigt. Der Great Reset ist da! – Max Otte im Gespräch – YouTube Marc Friedrich: Corona-Krise war nur das Vorgeplänkel für den großen Crash – YouTube Die Geld- und Schuldenblase: wie geht es weiter? | Von Christian Kreiß | KenFM.de Dann könnnten solche Hypothesen und Annahmen doch sehr hilfreich sein, um diese Orchestrierung aufdecken zu helfen, die Bevölkerung aufzuklären und mit Hilfe der ganzen Bevölkerung die zu Grunde liegende Krise einer demokratischen Lösung zuzuführen? Alles Ablenkung für das neue Geldsystem | Ernst Wolff – YouTube Bisher werden diese Expertisen nicht immer im ARD und ZDF zugelassen, sondern müssen andere Wege gehen und Alternativen finden.

Das ändert natürlich nichts an ihren Aussagen: Sahra Wagenknecht kritisiert Corona-Politik wegen Inzidenzwerten | GMX Medizinprofessor Schrappe: Zahlen des RKI sind „nichts wert“ – ZDFheute Medizinprofessor Matthias Schrappe: „Die Bundesregierung ist beratungsresistent“ – YouTube RKI: Ungenaue PCR-Tests lassen Inzidenz nie unter 100 sinken Auch Übersterblichkeit und Krankenhausauslastung sind genau zu prüfen. #DIVI​ #RESEARCH​ SPEZIAL 2 – Das #DIVI und die #Notbremse: #Zahlenbetrug? #Merkel auf dünnem Eis? – YouTube Covid-19: Auslastung der Helios Kliniken #Sterbezahlen #DEUTSCHLAND – #Update April 2021 – plötzliche #Untersterblichkeit? – YouTube Ich ändere die Welt im täglichen Leben – #Sterbezahlen​ #DEUTSCHLAND​ – #Update​ April 2021 – plötzliche #Untersterblichkeit​? | 21.04.2021 |

Facebook Die Folgeschäden der Lockdowns dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Offizielle Zahlen belegen unmissverständlich: Lockdowns töten Es liegen beim Bundesverfassungsgericht bereits Klagen gegen dieses neue Gesetz vor. Die FDP-Bundestagsfraktion zur Verfassungsklage gegen das Infektionsschutzgesetz am 27.04.21 – YouTube Die weltweise Geld-, Finanz- und Schuldenkrise spielt eine entscheidende Rolle. Die Staaten verschulden sich seit Jahren immer mehr in schwindelerregender Höhe und spielen damit einem finanziell-digitalem Gläubigerkomplex in die Hände, der möglichst viel Einfluss auf Staaten und Bürger ausüben möchte, um auch nach dem endgültigen Platzen der Blase des jetzigen Geldystems seine Position und Macht weiter behalten und ausbauen zu können. Das klingt durchaus plausibel, weil ja jeder Gläubiger in Bezug auf seine Schuldner und deren Vermögen verständlicherweise einen entsprechenden Einfluss anstrebt. Das geht verständlicherweise sehr gut in autoritären Regimen.

(14) Dr. Daniele Ganser: Corona und China: Eine Diktatur als Vorbild? (Basel 5. Februar 2021) – YouTube In Demokratien geht es nicht so einfach: Corona-Einschränkungen : Angela Merkel: „Dieses Virus ist eine Zumutung für unsere Demokratie“ Corona-Politik: „Eine Zumutung“ | tagesschau.de Rechtsanwälte für Grundrechte: Lockdown neuerlich rechtswidrig Justiz und Rechtsanwälte für Grundrechte – Hort der Vernunft und Stütze des Rechtsstaats – Auch die Auswirkungen der überstürzt auf den Markt gebrachten Impfstoffe müssen von den Medien, Politikern und Bürgern genau beobachtet werden.

Viele Millionen Bürger, wahrscheinlich auch ein großer Anteil der anhand von früheren Ergebnissen ca. 14 Mio. Wahlverweigerer, die diesen Mechanismus teilweise anfangen zu durchschauen, hoffen darauf, dass ALLE demokratischen Oppositionsparteien und einzelnen Politiker sowie alle Medien, nicht nur die alternativen, neuen Medien, intensiv recherchieren und aufgrund der Expertisen unabhängiger Wissenschaftler zu realistischen Ergebnissen kommen, so dass das sogenannte Bevölkerungsschutzgesetz aufgehoben und durch demokratieförderliche Maßnahmen auch zur demokratischen Lösung der Schuldenkrise ersetzt wird. Schon sehr früh in dieser Krise wurde massiv begonnen, die Freiheitsrechte wie z.B. das Versammlungsrecht einzuschränken und die Aufhebung der Gewaltenteilung durchzuführen und damit Demokratie und Rechtsstaat in Gefahr zu bringen. Größte Krise seit hundert Jahren: Jetzt hilft nur noch ein radikaler Schuldenschnitt The Wolff of Wall Street: Demokratisches Geldsystem (Podcast) | KenFM.de Größte Krise seit hundert Jahren: Jetzt hilft nur noch ein radikaler Schuldenschnitt

The Wolff of Wall Street: Demokratisches Geldsystem (Podcast) | KenFM.de Auch die Folgen der überstürzten Impfstoffentwicklung und Impfungen werden im Interesse der Bürger hoffentlich von Politikern, Juristen und von allen Bürgern genau beobachtet. Offizielle Zahlen: ÜBER 120.000 IMPFSCHÄDEN BEI PFIZER/BIONTECH – Gegen den Strom (3) Notruf vom Virologen und Impf-Experten Geert Vanden Bossche: – YouTube Die Bürger erwarten sicher, dass allen solchen Hinweisen inhaltlich, medizinisch und rechtlich nachgegangen wird. – Gerhard Jahnke

 

Die vielen Leben der Sophie Scholl? Sie hatte nur eines. Ihr junges Leben endete durch die Gewalt eines übermächtigen Unrechtsstaats in einer Phase, in der sie sich mit großer Unbedingtheit diesem Staat in den Weg stellte. Ihr weiteres Leben blieb ungelebt. Dürfen wir das kurze Leben von Sophie Scholl tatsächlich für unsere Projektionen verwenden, für unsere jeweiligen Bedürfnisse verfügbar machen? Tut nicht jede idealisierende Verkürzung ihres Lebens auf ein Prinzip, auf ein Wunschbild, auf eine Beispiel-Rolle Sophie Scholl noch einmal Gewalt an?

Ist es nicht eine Form von Ausbeutung, wenn jede Zeit das Leben von Sophie Scholl immer wieder neu als ergiebigen Steinbruch nutzt? Interessant ist der Ansatz von Maximilian Probst, anlässlich des Jubiläums zu ihrem 100. Geburtstag die Geschichte der Sophie Scholl-Bilder zu skizzieren. Es stimmt, diese Bilder sagen mehr über uns und die jeweilige Zeit aus, als über Sophie Scholl. Richtig auch die Frage: Was bleibt von Sophie Scholl? Eine Frage an die Furie des Verschwindens. – Reinhard Koine

 

Sicher ist es Ihnen nicht leicht gefallen, die verschiedenen Sichtweisen auf Sophie Scholl zu schildern, ohne jemandem, am wenigsten Sophie Scholl selbst, Unrecht zu tun. Ich finde, es ist Ihnen gut gelungen. Dass ihr Opfer in der Nachkriegsgesellschaft eine Entlastungsfunktion hatte, ist tragisch. Wenn die Aktion der Geschwister ein „willentlicher Opfergang“ war, macht sie das nicht weniger wertvoll als eine Aktion nach der Maxime „Wir wollen leben, um handeln zu können.“ Jedes menschliche Bemühen ist letztlich zum Scheitern verurteilt. Beide Formen des Widerstands vereint finden sich in der Opfergruppe der Zeugen Jehovas, wie es im Titel des Buchs von Dr. Garbe zum Audruck kommt „Zwischen Martyrium und Widerstand“. Ein Grund mehr, die skandalöse Mißachtung des unbedingten und offenen Widerstands dieser Gemeinscnaft zu beenden. – Klaus E. Margraf

 

Im lesenswerten und informativen Bericht über Sophie Scholl fiel mir folgender Satz auf: „ Im Kalten Krieg war es [das Buch] auch gegen die DDR gerichtet, die den Widerstand der Scholls früh vereinnahmte und damals bereits eine Schule nach Sophie Scholl benannt hatte.“ Beim ersten Lesen klingt das so, als gingen die Umbenennungen von der Regierung (und ihrer Führung, der SED) aus, z. T. richteten sich jedoch die Umbenennungen nach den Scholls gerade gegen die Regierung. Als Beispiel, dass es gerade nicht so war, möchte ich auf die Straßenumbenennung in der Kleinstadt Dingelstädt hinweisen, über die mich der Ortshistoriker Ewald Holbein informierte.

Am 3. Januar 1950 erließ die Thüringer Landesregierung – Dingelstädt und das überwiegend katholische Eichsfeld gehörten damals, wie auch heute, zum Land Thüringen – eine Anordnung, alle Straßen und Plätze, die noch eine militaristische, faschistische oder antidemokratische Bezeichnung tragen, durch die Gemeinden umzubenennen. Die SED in der Stadtvertretung schlug vor, die Wilhelmstraße, die Hauptstraße der Stadt, in Ernst-Thälmann-Straße umzubenennen. Die CDU – die Mehrheitsfraktion – wendete sich dagegen, Kaiser Wilhelm I. sei kein Militarist gewesen, und schlug den Namen Adolph-Kolping-Straße vor, der ja ein Arbeiterführer gewesen sei und durch den Gesellenverein in Dingelstädt eine große Tradition habe. Eine Umbenennung wurde mit knapper Mehrheit abgelehnt.

Doch der Kreisrat forderte erneut eine Umbenennung. Am 29. August tagte der sogenannte „Demokratische Block“, in dem auch die gesellschaftlichen Organisationen vertreten waren. Der Vorsitzende der CDU hatte sich vorher mit dem Mitglied der FDJ, der Staatsjugend, die damals noch nicht völlig linientreu war, verständigt, den Namen „Geschwister-Scholl-Straße“ vorzuschlagen. Er befürchtete nämlich, dass dieser Vorschlag, wenn er von der CDU käme, von der SED erneut abgelehnt würde.

Und so beschloss der Stadtrat am 4. September 1950 mit Mehrheit, die Wilhelmstraße in Geschwister-Scholl-Straße umzubenennen, wie sie auch bis heute heißt. Am 12. 12. 1951 genehmigte das Ministerium des Inneren endgültig die Umbenennung. Die lange Zeit bis zur endgültigen Umbenennung deutet darauf hin, dass diese Umbenennung nicht im Interesse der Regierung der DDR (und der SED) lag, sondern von christlicher Seite initiiert wurde. Wie es zu der Umbenennung einer Schule kam, müsste also genauer untersucht werden. – Christoph Flucke

 

Bei allem Respekt – anstatt 4 Zeilen den „Querdenker“-Demos zu widmen, hätte Maximilian Probst den 2008 im Basis-Film-Verleih erschienenen Dokumentarfilm „Die Widerständigen – Zeugen der Weißen Rose“ von Katrin Seybold (92 min.) erwähnen müssen: Die erste dokumentarische Gesamtdarstellung des Widerstandes der Münchner Studenten in den Kriegsjahren 1942/43. Vierzehn Gefährten, Freundinnen und Geschwister berichten, wie sie Flugblatt-Aktionen unterstützten und Gestapo-Verhöre überstanden, darunter Herta Siebler-Probst, Witwe des hingerichteten Christoph Probst. Auch Traute Lafrenz-Page, Hans Scholls damalige Freundin, geboren am 3. Mai 1919 und die letzte heute noch lebende Zeitzeugin, kommt in Katrin Seybolds Dokumentation zu Wort. Alle Zeitzeugen-Gespräche mit je 7 Männern und Frauen entstanden ab dem Jahre 2000. Drei von ihnen haben den Kinostart am 28.1.2009 nicht mehr erleben dürfen. – Harald im Spring

 

In oben genanntem Artikel schreibt der Autor über das Buch „Die Weiße Rose“: „Den Plan, das Buch zu schreiben, fasste Inge Scholl bereits, als sie nach der Hinrichtung ihrer Geschwister in Sippenhaft genommen wurde.“ Wir fragen: Woher weiß Maximilian Probst das? Zunächst verfasste unsere Mutter und Schwiegermutter kurz nach 1945 einen „biografischen Bericht“ zum Thema. Nach unserer Kenntnis führte erst eine Begnung mit Eugen Kogon („Der SS-Staat“) zur ersten Veröffentlichung des Buches „Die Weiße Rose“ 1952.

„Eugen Kogon und Walter Dirks waren linkskatholische Herausgeber der `Frankfurter Hefte‘, einer kulturpolitischen Zeitschrift für demokratischen Sozialismus. Publikationen, die den Rahmen der `Frankfurter Hefte‘ überschritten, wurden in Buchform veröffentlicht – so auch die Erstausgabe von `Die Weiße Rose‘ 1952.“ So die Ergebnisse unserer Recherchen für das Buch von Christine Abele-Aicher (Herausgeberin): „Die sanfte Gewalt. Erinnerungen an Inge Aicher-Scholl“, Ulm 2012, Seite 133.

Obwohl die Vermutung naheliegt, dass Inge Scholl aufgrund verwandtschaftlicher Nähe in der „Weißen Rose“ mehr über ihre Geschwister schrieb als über die anderen Mitglieder der Gruppe, erlauben wir uns den sachlichen Hinweis, dass sich in dem 1952 im „Verlag der Frankfurter Hefte“ herausgegebenen Druck des Buchs Fotos von Willi Graf, Alexander Schmorell und Christoph Probst finden, jedoch nicht von Hans und auch nicht von Sofie Scholl. – Christine Abele-Aicher und Julian Aicher Leutkirch-Rotismühle

 

Neben Sophie Scholl sind sechs weitere Personen zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Ihr Bruder Hans Scholl und Christoph Probst wurden bereits mit ihr gemeinsam am 22.02.1943 guillotiniert. Alexander Schmorell, Prof. Kurt Huber, Fritz Hartnagel und Willi Graf folgte kurze Zeit später. 60 weitere Personen wurde zu teils empfindlichen Freiheitsstrafen verurteilt.

Hans Scholl war Mitbegründer und prägendes Mitglied der ab 1942 aggierenden Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Er wurde nur 24 Jahre alt. Sophie Scholl war in Bezug auf die Gruppe nur eine Randfigur. Allein sie wird aber – nach meiner Ansicht zu Unrecht – immer wieder als angebliche Lichtfigur des Deutschen Widerstandes gegen die Naziherrschaft herausgestellt und durch mehrfache Biographien und Schulbenennungen verehwigt.

Diese Einseitigkeit ist himmelschreiend und würdigt die anderen Opfer gleichzeitig herab. Nur weil sie doch angeblich so eigenständig war, so der Autor Hermann Vinke, widmete er ihr sein Buch mit dem Titel „Das kurze Leben der Sophie Scholl“ auch allein. War das Leben von Bruder Hans Scholl so viel länger und uninteressanter? Der insoweit momentan zügellose Emanzipationsdrang macht aus Sophie Scholl nachträglich die Heldin, die heute ins Bild passt.

Die kalte Pflasterfläche vor dem Haus der Jugend in meiner Heimatstadt heißt gottlob noch unverändert „Geschwister-Scholl-Platz“. Ob das so bleibt? Schön wäre, wenn nachfolgende Generationen fragen könnten „wer waren die Geschwister Scholl?“ und sich die Frage nicht nur auf Sophie Scholl beschränken müsste. – Axel Ströder

 

Vielen Dank für Ihren wunderbar reflektierten Artikel über Sophie Scholl. Das, was sie am Ende schreiben, würde ich momentan gerne einem Jeden mitgeben. „Wir müssen uns hier und jetzt fragen, ob wir nicht auch Teil des Problems sind“. Gerade in der aktuellen Situation würde das der ein oder anderen Diskussion die Schärfe nehmen. Wir blicken zu viel von oben und von außen, wie sollten mehr von innen schauen. – Katrin Zinkel

 


 

 

Leserbriefe zu „Es blubbert, aber es leuchtet nicht“ von Bernd Ulrich

 

…Na hoffentlich kommt es erst gar nicht erst zu der Option, Schwarz-Grüner Koalitionsverhandlungen. Nicht auszudenken wenn die Gruppe der Uralt-Männer (bin selber 69…) Laschet,Seehofer, Merz, Schäuble, Scheuer etc. in die Position kommen den Grünen (bin selber Mitglied) Koalitionsgespräche anzubieten.Möge irgendein guter Geist der Bundesrepublik die ungekehrte, frische Option bescheren… – Johannes Gros

 

Bezüglch der Klimapolitik könnte ich mir vorstellen, dass ein inzwischen recht solider gesellschaftlicher Konsens den potentiellen Streithähnen eine sachgerechte Einigung erleichtert. Ich sehe die höhere Hürde für Schwarz-Grün in identitätspolitischen Fragen. Hier liegen noch größere Welten zwischen den Parteien. Wird die CDU z.B. einem hürdenlosen Wechsel des standesamtlichen Geschlechtseintrages ab dem 14. Geburtstag zustimmen? Die Grünen wollen das und haben es in ihr Wahlprogramm geschrieben.

Sprechen beide Parteien überhaupt noch dieselbe Sprache? Bei den Grünen ist der Genderstern inzwischen Pflicht. Er findet sich nun auch in zusammengesetzten Wörtern. Robert Habeck informierte z.B. alle Mitglieder „persönlich“ über die Entscheidung in Sachen der Kanzler*innenkandidatur. Da ist der Weg zu den Bürger*innenmeister*innenoder zur kompletten Entsexualisierung der deutschen Sprache nicht mehr weit.

Kurzum: Die erdsystemischen Krisen Erderwärmung und Artensterben werden von den Grünen am ehesten in ihrer wahrhaftigen Dimension erkannt, auch wenn man in Hessen und Baden-Württemberg nichts davon merkt. Leider ist die Ökologie aber nur ein Einzelbaustein grüner Politik. Denn inzwischen streben die Grünen mit jakobinischem Eifer eine grundsätzliche Umerziehung der Gesellschaft weit über ökologische Fragen hinaus an. Ob sie mit diesen, oft nicht zuende gedachten Ideen unsere Gesellschaft wirklich hinter dem Ziel des ökologischen Umbaus vereinen können, bleibt abzuwarten. Denn abseits der Ökologie könnte ihnen viel Gegenwind drohen, wenn die weniger bekannten Inhalte ihres Grundsatzprogrammes an´s Tageslicht treten. – Dr. Christian Voll

 

Bin erst kurz Abonnent. Habe aber schon das Gefühl, die Zeit läuft im medialen Mainstream mit und versucht ihre Wunschkoalition herbeizuschreiben. Die CDU dafür verantwortlich zu machen, das wir die CO2-Emissionen noch nicht komplett runtergefahren haben und nur die Grünen uns noch retten können, finde ich dünn argumentiert. Es hilft, wenn man sich ausführlicher mit den Begleiterscheinungen des Kohle- und Atomausstiegs und der Versorgung mit regenerativen Energien auseinandersetzt, sowie dem Umstand, dass wir aufgrund der aufgeblähten Beteiligungsverfahren möglicherweise noch eine Dekade lang Kohlestrom aus den Nachbarländern importieren. WIR haben dann vielleicht unsere Klimaziele eingehalten…

Wenn ich dann auf der nächsten Seite lese, dass die Liste der SPD ja so jung und weiblich ist, frage ich mich, ob es nicht Journalistenpflicht ist, auch mal das Wahlprogramm zu hinterfragen. Beleuchten Sie doch mal deren Position zur bedingungslosen Grundrente, Hartz-IV Reform, Drohneneinsatz, Wirtschaft, Freiheits- und Eigentumsrechte, identitärer Rassismus, innere und äußere Sicherheit, Eigenverantwortung und staatliche Eingriffsrechte usw. – Matthias Thiemann

 

Wieder mal wird hier den Grünen die absolute Wahrheit zugebilligt. Und der staatstragenden Partei der BRD ( CDU )der Untergang beschieden. Nahezu identitätspolitisch werden Leute wie Merz oder Maaßen als fast außerhalb des demokratischen Spektrums beschrieben nur weil sie zum Grün/Linken Denkraum noch geostrategische,energiepolitische und wirtschaftliche Alternativen aufzeigen. Wie soll denn im Diskurs nach den besten Lösungen gesucht werden wenn ich im Vorfeld nur einen begrenzten Denkraum zulasse? Nein, freies Denken ist unser größtes Gut und nicht einseitiges festlegen auf Technologien oder verengter kultureller Denkraum. – Peter Knappmann

 

Ich liebe die Kommentarspalten der ZEIT, in diesem Fall versprechen Seitenzahl und Überschrift aber so etwas wie eine Analyse. Und die hätte interessant sein können! Wenn aber die Couleur des Autors so penetrant durchscheint wie hier, ist das nur eines: Langweilig. Schade. Amüsanten Ausgleich schafft immerhin das generisch-feminine Sprach-Experimentierlabor des Artikels. – Daniel Kemper

 

Es geht halt bei allen Regierungsformen, die es weltweit gibt, nur um eins, nur um die Macht, um die Machterhaltung, um den (rücksichtslosen) Ausbau dieser Macht. Dummerweise gibt es in der Demokratie, ab und zu auch Wahlen, und hier sollen wir irgendwelche, uns (meist) „wildfremde“ Menschen wählen, die (oft) einer demokratischen Partei angehören, und die uns dann vertreten sollen, obwohl sie uns gar nicht kennen; soweit die Theorie! Das (Wahl)Volk darf nach getaner „Bürgerpflicht“ wieder abtreten, um in ihren Behausungen weiter zu kuschen.

Nun kommt die Zeit für jene Menschen, die in den Bundestag hineingewählt worden sind. Als erstes wird sich am Wahlabend beim Wahlvolk, für das entgegengebrachte Vertrauen bedankt, dann folgt die Stunde der Labertaschen! Wer jetzt mit wem, das könnte sich andeuten, vielleicht gleich oder vielleicht auch ungleich später. Gibt es eine Lösung, die einigermaßen wackelfrei ist, dann wird versucht möglichst schmerzfrei (aber nicht für das Wahlvolk) bis zur nächsten Wahl durchzuregieren. Ist der Weg für Schwarz-Grün oder auch für Grün-Schwarz im Jahr 2021 endlich freigeschaufelt, dann kann der nächste farblose Ernst des Lebens auf neue starten. – Klaus P. Jaworek

 

Die Ziele in der Klimapolitik werden nicht von der Union festgelegt, sondern von Brüssel diktiert und der Beifall der Grünen ist hörbar. Herr Ulrich schreibt dazu im Artikel, dass die Minderungsziele ohne weniger Fliegen, weniger Autos, weniger Fleisch und einen früheren Kohleausstieg nicht zu erreichen wäre. Damit sind wir bei den Grünen. Ich erinnere Herrn Ulrich an die mehrteilige Serie „Wende zum Weniger“ (letzter Teil) geschrieben in der Zeit am 27. August 2020. Dort ist der Satz zu finden „Weniger bedeutet geringere Löhne, höhere Arbeitslosigkeit, neue Armut“. Genau dies möchte die Union vermeiden und die Grünen mit ihren radikalen Forderungen wollen Deutschland in diese Richtung führen! – Werner Baisch

 


 

 

Leserbriefe zu „Dausend Prozent“ von Peter Dausend

 

Erlauben Sie mir einen Scherz? Wenn nicht, bitte Mail löschen! Da ein Bundeskanzlerinnenamt wahrscheinlich Probleme bekommt, wenn es sich auch um Außenpolitik kümmern will, sollte man sich als Kompromiss lieber auf Bundeskanzelamt entscheiden. Das Amt bleibt sachlich oder zumindest sächlich, und die Kanzel ist sogar weiblich und der Bund hält es zusammen. So spart man Druckerschwärze, auch wenn 23% ein Innenamt vorgezogen hätten. – Siegfried Kärcher

 

statt genderflatterhaft über ein bundeskanzler*innen amt nachzudenken oder zu diskutieren könnte man doch auch ganz einfach „BUNDESKANZLEI“ sagen! wenn das nicht geschlechtsneutral ist!?!?!? und dudenkonform ist es auch noch. fangt doch bei der ZEIT mal mit einfacher sprache an!!! – klaus j clemens

 

In Ihrer Kolumne schreiben Sie, Bundeskanzlerin Angela Merkel sei unfähig zur Absenz von Mitgefühl und verzichte demonstrativ auf jedes Machtgebaren. Wie aber passt die Entlassung von Bundesumweltminister Norbert Röttgen nach der verlorenen NRW-Landtagswahl 2012 in dieses Bild? War das etwa kein demonstrativer, mitleidloser Akt von Machtausübung? – Eugen El

 

Ist ja toll mit welchen „ Problemen“ hinsichtlich deutschen Sprachgebrauchs aktuell gestritten wird ! Sie mischen hier kräftig mit – zielführend scheint das aber nicht zu sein ; Sie zitieren ja sofort die 77 % im Lande die das Ganze eher doch für „Haar(-wort )spalterei „ aufassen. Schade , daß Sie sich die Mühe machen um unschuldiges Papier mit diesen Betrachtungen zu bedrucken — aber letztendlich Ihr Job ! Doch hier sieht man wieder den allumfassenden infantilen Zeitgeist der einen Teil unserer Gesellschaft und die beflissenen intellektuellen Medien erfasst hat –ganz abgesehen von diesen hysterischen grünen Feministinnen , die sich landauf/ab die Mäuler verschäumen … Als ob es nichts Wichtigeres in Deutschland zu debattieren gäbe ….. Wie verhält es sich etwas mit „Person“ —DIE– DER – DAS ? „ DER PERON „ um dem Maskulinen gerecht zu werden ? Person*innen —- welch ein absurder Blödsinn ! – Klaus Schindler

 

Meiner Meinung nach kann man sich die Diskussion um eine gendergerechte Sprache sparen, wenn man sich die deutsche Sprache nur etwas genauer anguckt. 1. Der Pluralartikel „die“ ist identisch mit dem weiblichen Singularartikel. 2. Das Pluralpronomen „sie“ ist identisch mit dem weiblichen Singularpronomen. 3. Das höfliche Anredepronomen „Sie“ ist ebenfalls identisch mit dem weiblichen Singularpronomen. Folglich ist das weibliche Geschlecht in der deutschen Sprache viel präsenter als gemeinhin wahrgenommen wird. Mich wundert, dass noch kein Mann auf die Idee gekommen ist, sich diskriminiert zu fühlen, weil er sich im Plural mit dem weiblichen Artikel oder Pronomen benennen lassen muss! – Monika Frense

 


 

 

Leserbriefe zu „Den Weg ebnen“ von Uwe Jean Heuser

 

Dieser Artikel beschreibt eine existenzielle Notwendigkeit für die Zukunftsperspektiven unseres Landes. Gerade die COVID-19-Pandemie offenbart eine besondere Schwäche, die Sektoralisierung gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Belange und Themen. Dieses wird noch durch eine inflationäre Institutionalisierung von politischen Themen durch das Beauftragtenwesen verstärkt. Statt zusammenzuarbeiten, wird zu allererst der eigene Bedeutungszuwachs gepflegt. Als Institution kann die Leopoldina die Basis dafür sein und mit gesellschaftlicher und politischer Unterstützung in eine mit Nesta vergleichbare Bedeutung gelangen. – Jürgen Dressler

 

Mit großem Interesse habe ich Ihren o.g. Artikel gelesen. Aus jahrzehntelanger Erfahrung kann ich das beschriebene Problem voll und ganz bestätigen. Bedauerlicherweise werden Innovationen in Deutschland zu wenig beachtet und dann auch noch mit „Füßen getreten“! Seit über 30 Jahren bemühe ich mich, meine patentierte Entwicklung „Papierschaum“ nebst dem entsprechenden Know how als umweltfreundliche und kostengünstige Alternative zu EPS(Styropor) ohne chemische Treibmittel und umweltbelastende Weichmacher im Bereich Verpackung, Isolierung und in der Baubranche etc. zu veräußern. Die bisher angesprochenen Interessenten haben in den letzten Jahren das Potential wohl nicht erkannt und zudem noch versucht, mich über den Tisch zu ziehen.

Hier hätte eine unabhängige Institution wie die englische Nesta sehr hilfreich mitwirken können, die Entwicklung industriell umzusetzen und auf den Markt zu bringen. Zudem fehlt es neben den durchaus vorhandenen Fördermitteln für F+E an Risikokapital für die Markteinführung. Denn der Zugang zum Markt ist die größte Hürde für neue Technologien. Allein das Beispiel Transrapid, mit dem ich auf der Teststrecke in Lathen bei über 400 Std/km mit unserem Sohn und Schwiegersohn derzeit einen fantastischen Eindruck der überragenden Technologie gewinnen konnte, zeigt deutlich, wie innovationsfeindlich man in Deutschland agiert.

Für eine erste schnelle Verbindung von Hamburg nach Berlin wurde von der Kohl Regierung bereits ca. 6,2 Milliarden Euro bereitgestellt, die dann unter der nachfolgenden Regierung unter Kanzler Schröder mit den Grünen anderweitig ausgegeben wurden. Der später höchst bedauerliche und durch einen menschlichen Fehler ausgelöste Unfall auf der Teststrecke mit fatalen Folgen führte zum endgültigen Aus. Hätte man diese sehr leistungsstarke, leise und bemerkenswert umweltfreundliche Technologie, die vorwiegend auf Betonstelzen flächenschonend gebaut, hätte man heute eine europaweite Netzstrecke mit schnellstmöglichen Verbindungen!

Die vorhandenen Eisenbahnstrecken könnten vermehrt Frachtverkehr aufnehmen Die von dem Elektro-Ing. Kemper entwickelte Grundidee wurde derzeit maßgeblich von Minister Leber als sehr passende Alternative zum Auto-, Zug- und insbesondere als Lücke zum Flugverkehr erkannt. Heute schlagen die Grünen vor, neue Eisenbahntrassen mit deutlich höherem Flächenverbrauch, endloser Planungszeit und wesentlich höheren Kosten bei relativ geringem Nutzen zu bauen. Durch mittlerweile vielversprechende Ansätze habe die Hoffnung, dass meine og. Entwicklung Papierschaum doch noch den Weg zur industriellen Fertigung finden wird. – Friedrich Priehs

 

1.) Die Erfindung von angeblichen Gründen das Verfassungsgerichtsurteil zu umgehen grenzt an unrechtsstaatliches Verhalten und ist für jeden Verfassungspatrioten ein Schlag ins gesicht. 2.) Faktisch hat sowieso jeder Mensch das Recht sich umzubringen; es geht nur um die Frage wie? Muss er sich dabei unmenschlicher Methoden bedienen oder darf er einen humanen Tod sterben, wie dies auch Menschen am Ende ihres Lebens unterdessen fast selbstverständlich zugestanden wird (Jede Morphiumspritze die das Leben möglicherweise früher beendet ist ja nichts anderes als Sterbehilfe)?

3.) Die Reihenfolge ist nicht: Der Staat (Arzt) hilft beim Suozid indem er ein entsprechendes Mittel verschreibt sondern: zu aller erst verbietet der Staat das Mittel, indem er es verschreibungspflichtig macht. Zu Recht werden Arzneimittel verschreibungspflichtig gemacht deren Wirkung von Laien nicht eingeschätzt werden kann aber genau dies trifft in diesem Fall ja nicht zu. 4.) Eine derartige Infragestellung der Autonomie, wie sie hier betrieben wird, stellt die Demokratie in Frage. Wer kann schon „frei“ von seiner Psyche entscheiden welcher Weg der Richtige ist? Irgendwie Gläubige, ob Christen oder sonstwas ja wohl schon mal gar nicht. – Dieter Herrmann

 

Haben Sie besten Dank für Ihren Beitrag „Den Weg ebnen – In Deutschland gibt es gute Ideen, aber nur wenig Mut, sie umzusetzen. Es fehlen die richtigen Institutionen“. Ihrer grundsätzlichen Aussage eines bei uns fehlenden adäquaten institutionellen Ansatzes für den Wissens-, in Teilen auch für den Technologietransfer stimme ich sehr zu. Auch wenn wir uns seit Jahren darum bemühen, haben sich die gewünschten Erfolge nicht oder nur in unzureichender Art und Weise eingestellt.

Anlass meiner Einlassung ist Ihr Hinweis zum IASS. Im Spätsommer 2007 wurde ich von der damaligen Bundesforschungsministerin, Frau Annette Schavan, gebeten, die ins Auge gefassten Klimaschutzgipfel ihres Ministeriums zu koordinieren. Ein Ergebnis dieser Initiative war der Vorschlag, ein Institut zum Thema Nachhaltigkeit als „Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS)“ zu etablieren. Dazu wurde ein kurzes Konzept entwickelt, es gab einen Standortauswahlprozess, und die Wahl fiel auf Potsdam.

Gemeinsam mit Dr. Bernd Uwe Schneider auf der Seite des GFZ und mit Prof. Schellnhuber und einem seiner Mitarbeiter auf der Seite des PIK haben wir den ersten Projektantrag formuliert und beim BMBF eingereicht. Im Ergebnis wurden rund 70 Mio. Euro für die ersten sieben Jahre bewilligt. Der Bewilligungsbescheid ging ans GFZ und wurde dann für die Etablierung dieses Instituts als Projekt genutzt. Die Leitung lag zunächst bei Klaus Töpfer und Carlo Rubbia, dann kam Mark Lawrence hinzu, und nun sind es Herr Renn und Mark Lawrence; Frau Nanz war gemeinsam mit ihm und Mark Lawrence aktiv, hat aber inzwischen eine andere Aufgabe übernommen.

Gemeinsam mit John Schellnhuber habe ich über viele Jahre den wissenschaftlich-strategischen Beirat des IASS geleitet und bin dann in die Mitgliederversammlung gewechselt. Die erste Evaluation durch den Wissenschaftsrat fiel nicht optimal aus, trotzdem wurde das Projekt über das BMBF – auch mit weiterer Unterstützung des Landes – verlängert, und nach einer weiteren Evaluation durch den Wissenschaftsrat steht nun eben eine Entscheidung zur Anbindung in eine unserer außeruniversitären Forschungsorganisationen an.

Dass sich das GFZ dafür grundsätzlich anbietet, war in der Tat von Anfang an eine Option, allerdings hatte ich mir hierfür keine wirkliche Eingliederung in dieses Zentrum vorgestellt, sondern ein vergleichsweise autonomes Institut des GFZ, das insofern enger mit dem GFZ interagiert, als es Themen dieses Zentrums bzw. aktuell des gesamten Forschungsbereichs Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft und der vielen vernetzten Partner aufgreift und diese mit ihren je eigenen Methoden und deren Weiterentwicklung bearbeitet.

Dazu lassen sich aus meiner Sicht die entsprechenden Gremienstrukturen bilden, die für eine nachhaltige Umsetzung bzw. Realisierung dieses Konzepts entsprechend Sorge tragen. Themen, die hier in Rede stehen, könnten beispielsweise CCS, die Tiefengeothermie, ein nukleares Endlager, die Nutzung des geologischen Untergrunds für die Speicherung von Wasserstoff sein oder auch etwas weiter entfernte Themen wie Geoengineering oder neue Methoden der Rohstoffnutzung bis hin zu Weltraumschrott.

Aus dem Forschungsbereich Erde und Umwelt könnten auch andere Themen, die z.B. stärker aus dem Umweltforschungszentrum oder aus dem Alfred-Wegener-Institut oder der Atmosphären- und Küstenforschung der Helmholtz-Gemeinschaft kommen, vom IASS „autonom“, d.h. ergebnisoffen, bearbeitet werden. Und natürlich sollte das IASS auch selbst Themen aufgreifen können. Damit könnte ein enorm wichtiger Beitrag im Kontext „wissenschaftlich basierte Beiträge zu Lösungen der großen gesellschaftlichen Herausforderungen“ geleistet werden. Wie auch immer – ich glaube schon, dass man bei entsprechendem Willen auf allen Seiten hier eine innovative Lösung realisieren könnte. – Reinhard Hüttl

 


 

 

Leserbriefe zu „Hochbett für Fortgeschrittene“ von Thilo Mischke

 

Ich bin Einwohnerin der Sächsischen Schweiz, Kletterin und mit der Tradition des Boofens groß geworden. Genauso sind es unsere Kinder, die selbstverständlich seit ihrem ersten Lebensjahr mit Boofen gehen. Und das unterscheidet unsere Kinder und Sie, Herr Mischke. Unsere Kinder wissen um den Schatz dieser Landschaft aus ihrem Elternhaus. Sie wurden erzogen mit dem Wissen, dass ein Campingkocher ein offenes Feuer ist, sie wissen, dass es keinen Grund gibt, sich nachts im Wald zu fürchten, sie kennen die Wege zu den Boofen, ohne sich an Grasbüscheln festkrallen zu müssen und sie wissen letztendlich auch, wie sie ihre Hinterlassenschaften im Wald so zu vergraben haben, dass es aber auch gar niemand bemerkt.

Dass nicht jeder dieses Wissen und diese Werte in die Wiege gelegt bekommen kann, ist klar, keinesfalls ein Vorwurf und auch völlig in Ordnung. Aber ein Nationalpark (der höchste Schutzstatus, den ein Gebiet weltweit haben kann) ist kein geeigneter Ort, um sich „auszuprobieren“ und „seinen Ängsten zu stellen“. Sie schreiben ja selbst von den Waldbränden. Wer glauben Sie, hat diese verursacht? Allein 12 im letzten Jahr… und wer, glauben Sie, steht tagelang auf und in engen Felskesseln, um diese zu löschen? Die Einwohner, die gern hier leben und denen es wichtig ist, dass eine einmalige Landschaft, wie diese, noch für Generationen erhalten bleibt.

Boofen ist einfach nicht für Jedermann das Mittel der Abenteuer-Wahl, ein Nationalpark ist kein Freizeitpark. Artikel, wie der Ihre, haben zur Konsequenz, dass Leute (live erlebt!) mit Rollkoffern (!!) in Boofen wandern, dass Berliner Jugendweihe-Vereine zu fünfzigst (!!) in Boofen pilgern, dass Leute ihre JBL nachts dröhnen lassen, weil die Waldgeräusche sie beängstigen … Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wie hoch der Preis ist, den Mensch und Tier von hier dafür zahlen? Dass diese Tradition nach wie vor noch erlaubt ist, ist ein Kompromiss zwischen Naturschutz und Bergsport-Tradition und in unserer regionalen „Bergsport-Konzeption“ festgeschrieben, von unseren Vätern ausgehandelt und den Kletterern vorbehalten. Es ist nicht dafür gedacht, Großstädtern ein „Mikroabenteuer“ zu bieten. Sie wissen schlichtweg nicht, wie „Draußen-sein“ im Einklang geht und solch ein Klientel gehört hier einfach nicht her.

Es hat keiner mehr gelernt, sich im Wald zu erleichtern, ohne, dass es alle danach Kommenden miterleben. Überall liegen Papiertaschentücher am Wegesrand, es wird vor Felswände gekackt, an denen sich Einstiege von Kletterrouten befinden. Nicht-Kletterer können das nicht wissen, ist ja klar… aber genau das ist das Problem: Es muss nicht immer ALLES für ALLE und JEDEN erhältlich und möglich und zugänglich sein. Woher nehmen Sie den Anspruch, zu denken, dass es doch so ist? Ihr Artikel, Herr Mischke, trägt dazu bei, dass diese 200-jährige Boofen-Tradition dem Untergang geweiht ist.

Was Sie auslösen, ist nicht naturverträglich und nicht nachhaltig. (Erste Ideen zur Boofen-Reglementierung sind schon im Gespräch.) Sie alle fahren nach ihrem „Mikroabenteuer“-Wochenende, nach Ihrer „Auszeit“ zurück in ihr kosmopolitisches Großstadtleben. Wir bleiben mit Müll, Taschentüchern, ab und an einem Waldbrand und unsere Kinder mit bald einer Tradition weniger in unserer Heimat zurück. – Peggy Nestler

 

ich habe großes Verständnis, dass man in Corona-Zeiten auch Reisejournalismus betreiben und auf irgendeine Weise „anders“ reisen möchte. Auch dass man nicht päpstlicher als der Papst sein sollte, was die Nutzung von informellen Nischen anbetrifft, kann ich verstehen. Ich wundere mich aber schon sehr über den genannten Artikel. Da fährt jemand, der offenbar keinerlei Bezug zum Klettersport hat, in die Sächsische Schweiz, um dort in einer Boofe zu übernachten, zieht sich nicht einmal ordentliches Schuhwerk an und schwächelt bei den Anstiegen, weil er meint, man müsste Cola usw. in rauen Mengen mitschleppen.

Doch damit nicht genug: Er schildert in romantisierenden Facetten von der Besonderheit dieser Art zu reisen und unterlässt es auch nicht, darüber zu berichten, dass die Boofen in den letzten Jahren durch Studierendenparties und ähnliches unter typischen Überlastungserscheinungen zu leiden hatten, die im Fremdenverkehr allenthalben zu beobachten sind und gerade in Nationalpark als besonders problematisch angesehen werden müssen. Dass er durch seinen Artikel gerade einen wesentlichen Beitrag zur Popularisierung der Boofen weit über naturverbundene Wanderer und Kletterer hinaus leisten dürfte, kommt ihm offenbar nicht in den Sinn. Vor diesem Hintergrund bin ich sehr enttäuscht von dem Artikel und der mangelnden Sensibilität von Autor und Redaktion. – Uwe Altrock

 

Ich habe Ihren Artikel in der letzten Ausgabe der Zeit mit sehr unguten Gefühlen gelesen. Ich gehe seit über 30 Jahren aktiv in der Sächsischen Schweiz klettern. In den letzten Jahren hat sich die Situation im Nationalpark stark zum Negativen verändert. Die Menge der Menschen, die auf den Pfaden zu den Klettergipfeln unterwegs sind, hat extrem zugenommen. Ebenfalls hat sich die Menge der Menschen, die die Boofen benutzen stark vergrößert. Oft findet man an den Wochenenden keine freie Boofe mehr. Es gibt mittlerweile professionelle Anbieter, die „Abenteuer Wochenenden“ in der Sächsischen Schweiz veranstalten.

Es gab in den letzten Jahren im Nationalpark einige Feuer, die nur mit größtem Einsatz gelöscht werden konnten. Diese wurden vermutlich von Menschen verursacht, die ähnlich wie Sie, völlig unsensibel und leider unwissend unterwegs sind. Bei einem der letzten großen Waldbrände (im Hirschgrund bei Rathen) wurde noch eine Gitarre gefunden. Das war im Sommer bei sehr hoher Waldbrandstufe. Die Leute haben sich sicher nichts Schlechtes dabei gedacht, als sie sich entschieden, ein Feuerchen zu machen. Aber der ausgetrocknete Waldboden hat eben auf die Hitze reagiert und nach kurzer Zeit war das Feuer außer Kontrolle. Die freiwilligen Feuerwehren kamen nur mit größtem Einsatz zum Brandort, da dieses auf einem vorgelagerten Felsriff war. Löschwasser musste aus der Elbe ca. 1 km hoch gepumpt werden. Wissen Sie, wie diese sich fühlen, wenn sie Ihren Artikel lesen?

Bei den für Wanderer gesperrten Zugängen zu den Kletterfelsen (und Boofen) ist es ähnlich. Es hat gute Gründe, warum diese nicht begangen werden sollen. Da geht es nicht nur um teils seltene Tierarten, die gestört werden. Auch nimmt die Bodenerosion immer stärker zu. Es gibt meist nur eine dünne Grasnarbe, unter welcher sich Sand befindet. Wird diese „weggelatscht“, sind die Hänge unter den Felsen noch anfälliger für die Versandung. Es wäre also gut, Herr Mischke, wenn Sie in Zukunft keine Werbung mehr für offene Feuer (in Form von Kochern) und unerlaubtes Begehen von Kletterpfaden machen. Es gibt zum Beispiel geführte und sehr informative Wanderungen vom Nationalpark. Dort wird Ihnen vielleicht auch erklärt, das Sie keine Ratten in der Boofe hatten (das werden wahrscheinlich Bilche gewesen sein) und der „Urwald“ in Schmilka nicht aus 40 m hohen Kiefern besteht. – Erwin Kafka

 

Den Bericht über die Boofen in der Sächsischen Schweiz finde ich sehr ambivalent, um nicht zu sagen „daneben“: Da wird auf der einen Seite detailliert das „Mikroabenteuer“ (wie man das neudeutsch nennt) ausgebreitet, als Großstädter vor der Corona-Reglementierung zu flüchten und im Nationalpark Sächsische Schweiz im Freien unter einem Felsüberhang zu übernachten. Und gleichzeitig schildert der Autor, dass er sich natürlich nicht an das Feuerverbot gehalten hat, dass die Boofen als Kompromiss mit der Kletterszene nur den Kletterern vorbehalten sind….

Das kommt mir vor, als würde die „Zeit“ einen Bericht darüber bringen, was für ein befreiendes Gefühl es ist, mit 100 Sachen im Auto durch geschlossene Ortschaften zu jagen – nur um im Kleingedruckten darauf hinzuweisen, dass das natürlich verboten und ohnehin nicht verantwortungsvoll ist. Die einzelne Regelverletzung durch den Autor ist sicherlich kein großes Problem. Doch mir graut vor der Vorstellung, dass sich aufgrund solcher Berichte nun womöglich auch andere wie beschrieben mit Klapptisch, Campingkocher und Hängematte zur Übernachtung in den Nationalpark Sächsische Schweiz aufmachen, ermutigt durch „Die Zeit“. – Dr. Manfred Redelfs

 


 

 

Leserbriefe zu „Wie heizen wir morgen?“ von Marcus Rohwetter

 

Als altgedienter Sachverständiger, der in den letzten Jahren gut 60 größere Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG’s) bei der Sanierung der Heizungs- und Wassererwärmungsanlagen begleitet hat, betrachte ich diese Frage von der Heizungspraxis her. Wenn es Störungen in der Heizung gibt z. B. ein 25 Jahre alter Heizkessel ausfällt muss die Heizung i.d.R. umfassend saniert werden. Bei keiner der WEG-Anlagen, zu denen ich gerufen wurde, war die Hydraulik und Regelung in Ordnung. Wenn es keine planerische Vorbereitung gibt erfolgt die Sanierung durch Kesselersatz nicht wirtschaftlich und nicht fachgerecht.

Bei großen Heizungsanlagen gibt es nur noch wenige mit Ölfeuerungen. Viele heizen mit Erdgas, aber nur wenige haben ein Heizungs-System das den Brennwert durch Kondensation des Wasserdampfgehaltes im Abgas optimal nutzt. Bei großen mit Fernwärme versorgten Wohnungsanlagen, 40-50 Jahre alt, ist das hydraulische System degeneriert und mangelhaft. Dies wurde vielfach durch die erste Heizungsanlagen-Verordnung mit dem Einbau von „Thermostatventilen“ ohne hydraulische Einregulierung (Voreinstellung) ausgelöst.

Bei keiner der großen WEG’s die ich begleitete konnte man sich bisher auf eine energetische Gebäudesanierung verständigen. Die Alteigentümer erklären: für uns reicht es noch. Bei den Eigentümern die vermieten zahlen die Mieter die Heizkosten und bei den Eigentümern die die Wohnung erst gekauft haben fehlen die Finanzen für eine höhere Sonderumlage. Hier muss die Politik Lösungen anbieten.

Der Wohnungsbestand ist so riesig, dass wir nicht überall neue Heizsysteme einbauen können. Nur wenn der jährliche Heizwärmebedarf um den Faktor 3 – 4 durch eine energetische Gebäudesanierung gesenkt wird, sinkt bei den vorhandenen Heizsystemen die Heizwasservorlauftemperatur so weit, dass der Einsatz einer Wärmepumpe in Frage kommt. Aber Vorsicht, nicht alle Heizungsanlagen sind ordentlich geplant und gebaut. Bei einer WEG (Objekt-GmbH, Baujahr 1995) mit 120 Einheiten variierte die Heizkörperauslegung bezogen auf die Raumheizlast (früher Wärmebedarf) zwischen 50 und 500%.

Die Empfehlung des vom Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau… veranstalteten „Runden Tisches“ mit der Verankerung des Quartiers als politische und praktische Handlungsebene, dürfte für den großen Anteil der Wohnungseigentümergemeinschaften im Bestand ungeeignet sein. Nur dort wo nach der Gebäudesanierung die Heizungen mit Wärmepumpen ohne halogenisierte Kältemittel zusammen mit kalt gefahrenen Fernwärmenetzen zu betreiben sind, kann das Quartier wegen der (Fern-)Wärmequelle eine Handlungsebene sein. Um die Klimaziele zu erreichen muss die jährliche Gebäudesanierungsrate um den Faktor 3 – 4 erhöht werden. Das wird nicht ohne Eingriff in die althergebrachten Regeln gehen. – Ulrich Soller

 

Wie heizen wir morgen? Gute Frage, Herr Marcus Rohwetter, einfache Antwort von mir: Mit temperaturgeregelten Wasserheizsystemen, möglichst im Niedertemperaturbereich. Woher kommt die Wärme? Aus Langzeit-Wasser-Wärmespeichern. Wo stehen die Speicher? In jedem Gebäude in Haushalt, Gewerbe und Industrie. Wie kommt die Wärme hinein? Aus Wärmequellen aller Art, auch mehrere parallel betrieben. War das einfach beantwortet? Mehr finden Sie in unserem über 20 Jahre alten Prospekt, besonders auf den Seiten 24 + 25 Hydro 32.pdf Beachten Sie dabei bitte, wie man schon über 30% Primärenergie spart, wenn die Energiequelle ein uralter Heizkessel ist, den man nur in eine andere Betriebsweise bringt. Der Einfachheit halber sende ich Ihnen hier meinen Brief an Prof. Dr. Rürup, der im Handelsblatt vom „Geisterstrom“ schrieb. Googeln Sie das Wort bitte einmal.

Hallo Herr Professor Dr. Dr. h.c. Bert Rürup, Hohe Ausgaben für „Geisterstrom“ Die Zahl der Woche ist für mich jedoch eine andere: 761 Millionen Euro hat die deutschen Verbraucher 2020 erzeugter, aber nicht nutzbarer Wind- und Sonnenstrom gekostet. Damit stiegen die Ausgaben für „Geisterstrom“ um sieben Prozent auf einen neuen Höchststand, heißt es in einem Bericht der Bundesnetzagentur. Diese Kompensationen werden fällig, wenn Netze überlastet sind und deshalb Elektrizität von Erneuerbare-Energie-Anlagen nicht eingespeist werden kann. Zusammen mit weiteren Maßnahmen kostete die Absicherung des Stromnetzes gegen Schwankungen vergangenes Jahr insgesamt rund 1,4 Milliarden Euro.

Die FAZ meldete am 27apr21 das gleiche. Man muß sich das auf der Zunge zergehen lassen: „Nicht nutzbarer Wind- und Sonnenstrom“. Unglaublich, im Land der Dichter und Denker. Oder anders gesagt, der IQ der Vorstände namhafter Unternehmen in der Heizungs- und Stromversorgerbranche ist direkt ablesbar. Denn meine Technologie habe ich denen schon vor vielen Jahren erfolglos zur Verwertung angeboten. Viessmann, Buderus, RWE, EnBw, EOn und wie sie alle heißen. Die Lösung des Problems „Geisterstrom“ ist der Einsatz von Wasser-Wärmespeichern jedweder Größe in jedem Gebäude in Haushalt, Gewerbe und Industrie.

Sie wurde schon mehrfach in Häusern aller Art eingesetzt und war immer kostengünstiger als die sogenannte normale Heizung mit Öl- oder Gaskessel. Ein Anruf eines ehemaligen Kunden bestätigte kürzlich meine „uralte“ Technologie, die dort seit 35 Jahren im Einsatz ist. Ohne jegliches Ersatzteil! Uralt deshalb, weil auch ich dazu gehöre, denn im Oktober werde ich 80. 40 Jahre jünger und ich würde die gesamte Heiztechnik in Deutschland umkrempeln. 1,4 Milliarden € bedeuten ca 40.000 ordentliche Heizsysteme ohne CO2-Ausstoß vor Ort. – Georg Haase

 

„Wie heizen wir morgen“, eine fundamentale Frage mit weitreichenden Folgen für alle Bürger. Nicht zuletzt durch Lobbyarbeit, erwähnt sei hier die Denkfabrik Agora Energiewende, man kann es auch Beratung nennen, hat das Bundesumweltministerium, verantwortlich die SPD Ministerin Svenja Schulze, schonmal vor einer breiten Diskussion per Gesetz das Ende von neuen Gas- und „kokelnden“ Ölheizungen festgelegt. Wer sich auf dem Heizsektor auskennt, fragt sich schon, wieso ausgerechnet jetzt Wärmepumpen, die speziell für Niedertemperaturheizungen, z.B. Fußbodenheizungen, schon mehrere Jahrzehnte auf dem Markt, die Lösung sein sollen. Der heutige Marktanteil liegt gemäß Artikel bei nur 2,6 %. Warum das so ist? Zu hohe Kosten, nur bei niedrigen Vorlauftemperaturen wirklich wirtschaftlich, die Lebensdauer ist „überschaubar“.

„Effiziente Brennwertkessel und gedämmte Fassaden allein reichen nicht aus“, heißt es im Artikel. (Da vorwiegend gasbetrieben, nicht erwünscht). Das stimmt. Brennwertkessel haben nur dann Sinn, wenn ihre Kesseltemperatur niedrig im Kondensationsbereich liegt. Das wird im unsanierten Bestand schon schwierig. Den unsanierten Bestand aber hirnlos dick wärmedämmen ist nicht nur absolut unwirtschaftlich, ganz zu schweigen von der CO2-Bilanz, es kann auch zu Taupunktunterschreitung, sprich Feuchteschäden kommen. Zur Fernwärme. Das modernste Steinkohlekraftwerk Datteln4 erzeugt neben der Stromerzeugung über eine Kraft-Wärmekopplung Fernwärme für 100.000 Haushalte. Das wird öffentlich nicht nur nicht kommuniziert, die Stilllegung ist ohne wenn und aber einfach ein Muß.

Nur das wie und wann sollte sachlich entschieden werden. Stattdessen werden Beispiele aus Schweden,10 Mio Einwohner, Dänemark 5 Mio Einw. für mich unvergleichbar, angeführt. „Deutschland muss Millionen Gas- und Ölheizungen ersetzen, um seine Klimaziele zu erreichen.“ Was ist denn, wenn wir diese Klimaziele zeitlich nicht erreichen? Was man mit Gewißheit sagen kann. Eine funktionierende Infrastruktur, über Jahrzehnte gewachsen, hochtechnisiert, wird relativ undemokratisch demontiert. Eine Antwort, warum ein“ Wendethema“ nach dem andern so „effizient“ abgearbeitet werden kann, habe ich in einem Artikel der WELT AM SONTAG gefunden, “ GOLIATS fürs Klima“.

Hier wird die vielseitige finanzielle Unterstützung durch Ministerien und Stiftungen von Umweltorganisatoren beschrieben, die sie zu einem mächtigen Klimalobbyismus bei Regierungen national aber vorallem auch in Brüssel befähigt. Der Einfluß auf sogenannte LEITMEDIEN für die Gesellschaft gehört auch dazu. In dem Zusammenhang wird der Spiegel in dem Artikel mittlerweile als Sprachrohr der NGOs bezeichnet. Alternative oder kritische Beiträge zur Energiewende werden kaum noch öffentlich diskutiert, bzw. sie werden einfach abgwürgt. – Walter Schroiff

 

Im hervorragenden Artikel „Wie heizen wir morgen ?“ schreibt Marcus Rohwetter : „Von Gas…auf eine klimaneutrale Heizung umzusteigen ist teuer und aufwendig. Mieter können darüber noch nicht einmal selber entscheiden.“ Das stimmt nur zum Teil. Wir sind Mieter in Köln und haben einen Gasnetz-Anschluss. Der Anteil von Erdgas am Raumwärmebedarf liegt im Kölner Stadtgebiet bei rund 66 %. — Unser Vermieter musste nicht gefragt werden. Seit vielen Jahren haben wir das übliche Gas zum Heizen umgestellt auf Windgas von Greenpeace Energy eG (GPE).

GPE erzeugt mit Windstrom Wasserstoff und speist diesen in das normale Gasnetz ein. Je mehr Windgas von GPE bestellt wird, desto mehr wird produziert, und der Gas-Mix wird entsprechend verbessert. Die Gaspreise von GPE können mit den Preisen der Kölner RheinEnergie AG durchaus mithalten. Zumal GPE keine AG ist, sondern eine Genossenschaft ! Außerdem frage ich mich, ob aus der Sicht der zunehmenden globalen Erwärmung der Erdkugel sowie aus der Sicht unserer Ur…enkel der Energiepreis so wichtig ist ? – Volker Freiesleben

 

Das Thema des Artikels ist ja völlig neu! Dabei geht es insgesamt um den Raumwärme-, Warmwasser- und Prozesswärmebereich (letzterer z.B. in der Industrie) in einer Größenordnung von heute 1.300 Mrd. kWh Energieeinsatz in Form von bspw. Mineralöl, Erdgas und Kokskohle – den größten Brocken des Endenergieverbrauchs. Alleine Raumwärme und Warmwasser benötigen heute rund 780 Mrd. kWh dieser Energieträger. Ließe sich dieser heutige Wert durch „Energieeinsparmaßnahmen“ auf 550 Mrd. kWh senken und zudem zu sensationellen 50 % durch Wärmepumpen mit einer Stromkennzahl von 2 ersetzen, bräuchten wir alleine dafür 138 Mrd. kWh jährlich zusätzlich Strom vor allem in den vier Monaten November bis Februar (≈ 100 Mrd. kWh Strom). Dort liegt der Stromverbrauch schon heute mit 180 Mrd. kWh um 20 % höher als in den 4 Sommermonaten. Nimmt man die Aufladung für etwa 10 Millionen E-Autos hinzu, steigt der Stromverbrauch in den vier Wintermonaten (um über 160 Mrd. kWh) auf rund 340 Mrd. kWh Strom; ein Plus von fast 87,5 % bis 2035 gegenüber heute.

Dummerweise ist die Photovoltaik mit nur rund 11,5 % ihrer Jahresstromerzeugung gerade in diesen vier Wintermonaten ganz schlecht und vor allem ab 16:30 Uhr oder bei Schnee völlig bei NULL. Und weht der Wind einmal für einige Tage sehr mäßig, dann bricht halt das System zusammen. Dementsprechend benötigen wir absehbar riesige Mengen grünen Wasserstoff oder „grünen Erdgases“ o.ä. WOHER kommen diese? DAS ist alles egal: Wir haben ja gute Absichten! Schon ein Blick auf den eigenen Familienbereich zeigt die Größenordnungen:

Bewohnt die Familie ein gut gedämmtes Haus von 135 qm, so verbraucht sie für Warmwasser und Heizung rund 1.750 cbm Erdgas (≈ 17.000 kWh), 2.750 kWh Strom und 15.000 kWh Benzin für zwei Autos (21.500 km/a). Da eine Brennwertheizung einen recht guten Wirkungsgrad hat, wären etwa 15.500 kWh Wärme und beim Verkehr 6.000 kWh Antriebsenergie beim E-Auto zu ersetzen.

DAS hätte schon jedem Politiker und Bürger auffallen können, der seine Tank- und Stadtwerkerechnung lesen kann! Der kleine Unterschied liegt in den Kosten: Erdgas kostet 7,5 – 9 Cent/kWh, Strom rund 30 – 35 Cent/kWh und Benzin mit Mineralölsteuer rund 17,5 Cent/kWh. Wenn die „Grünen“ gerne erzählen, dass „die Sonne keine Rechnung schickt“ und EE-Strom längst wettbewerbsfähig zu konventionell erzeugtem Strom inklusive seit 15 Jahren bezahltem EU-ETS-CO2-Preis wäre, dann könnten wir doch schnellstens auf die EEG-Umlage verzichten: 25 Mrd. € jährlich.

Diese großen Mengen anderer Energieträger innerhalb von 20 Jahren durch EE-Strom, EE-Wasserstoff o.ä. zu ersetzen, erforderte eine hohe Vervielfachung der EE-Kapazitäten sowie riesige Wasserstoff-Speicherung, enorme Wiederverstromungskapazitäten mit Brennstoffzellen für Dunkelflaute- und Winterzeiten etc. DAS wiederum will keiner wahrhaben!

Wuppertal-Studie Oktober 2020 für „FFF“: Rund 650 Mrd. kWh jährlich für etwa 2040 bei Annahme extremer Energieeffizienzsteigerung über die nächsten Jahrzehnte. Ganz dumme Frage am Rande: Haben wir überhaupt genügend Facharbeiter und Ingenieure dafür, um 40 Millionen Gebäude / Woh¬nungen / Büros + Infrastruktur und Verkehrswege energetisch innerhalb der nächs¬ten 20 Jahre zu sanieren? Bei „gutem Willen“ kann man solche lächerlichen kleinen Nebenbedingungen ja getrost vergessen, oder hinterher beim Scheitern den „bösen Lobbyisten“ die Schuld geben.

Wenn in den Wintermonaten 2030 bspw. dank einer zweitägigen Fast-Flaute, Kälte und Schnee rund 3 Mrd. kWh Strom aus Brennstoffzellen (Wasserstoff als Energieträger) erzeugt werden müssen, benötigt Deutschland für nur 2,5 – 3 solcher Ereignisse über den Winter (Nov – Febr) bereits 15 Mrd. kWh H2 und für dessen „grüne“ Erzeugung zusätzlich rund 21,5 Mrd. kWh Strom, um via Brennstoffzelle den Black-Out zu verhindern. Für Treibstoffe etc. bliebe immer noch sehr wenig übrig! EIN WENIG DIE GRÖSSENORDNUNGEN beachten! – Prof. Emeritus Dr. Wolfgang Ströbele

 


 

 

Leserbriefe zu „IDEE 19. Sonnenschutz im All“ von Stefan Schmitt

 

Wieder einmal berichten Sie vom neuesten Wissensstand und dessen künftiger Entwicklung ! Was hier nun die Sorge ums Klima angeht scheint die „Idee 19 „ recht interessant , wenn auch mit vielen Unwägbarkeiten was die Machbarkeit beträfe . Ich darf , um auch was die Zukunft an gehe , meine IDEE „ Nr. 20 „ darstellen : Um es kurz zu machen ,und nicht 10 – tausende an Modulen irgendwo ins All zu platzieren, könnte man doch eine effektive , wenn auch riesige Pumpanlage in den Pazifik montieren und das Wasser flugs in den Weltraum verspritzen – das Ansteigen des Meerespiegels käme in den Griff und als Nebeneffekt würde sich im Abstand vom Planeten eine Eiswolke bilden die durchaus einen TEIL DER BÖSEN Sonne abfangen und reflektiere — die neue Eiszeit wäre und gewiss !

Ich verstehe eines nicht , warum nimmt man solche Typen wie diesen M.Fuchs überhaupt ernst – diese Leute verkaufen uns , wenn`s sein muß auch PKW mit Nuclear-antrieb ! Der Oberidiot aus dieser Liga lässt gerade in Brandenburg eine Fabrik bauen und möchte Fernverkehr zum Mars organisieren – als ob es in der Sahara , oder in anderen Wüsten nicht genug Raum für „Geoingeneering“ gäbe ??? Sie als Wissenschaftsjournalist haben doch sicher ein gesundes Urteilsvermögen was technische Wissenschaft angehe — ironischerweise könnten Sie Ihre Fähigkeiten auch mal meiner IDEE zuwenden ! – Klaus Schindler

 

Wir drehen mit unseren Emissionen an einem kleinen Schräubchen im Klimasystem, ohne bisher im Detail zu wissen, was damit wo in den kommenden Jahrzehnten „angerichtet“ wird. Wir sind weit davon entfernt, die Klimamaschine so gut zu verstehen, dass wir uns „ans Steuer setzen könnten“. Die „theoretische Fahrprüfung“ haben wir noch nicht abgelegt, aber die praktische wollen wir jetzt vorziehen? Die Vorstellung durch Eingriff am „Klima“-Hauptschalter ein genehmeres Klima einstellen zu können ist grotesk. Diesen Blindflug mit seinem hohen eingebauten (regionalen) „Überraschungspotential“ kann niemand verantworten. – Dr. M. Rieland

 

Bei Artikeln über Geoengineering überkommt mich immer große Faszination. Da wird wortgewaltig erklärt, warum und wie das der Menschheit helfen könnte. Dabei wird mit keinem Wort erwähnt, dass wir bereits seit über 100 Jahren ein globales Geoengineering Programm am Laufen haben: Die Industrialisierung. Offensichtlich ist es also möglich, dass der Mensch das globale Klima beeinflusst! Ob das so geschieht wie beabsichtigt, das ist allerdings zweifelhaft. Und was nährt eigentlich den Glauben, dass es ein neues, gegenläufiges Projekt erfolgreich sein könne? Wir sind ja nichtmal in der Lage das bereits laufende Geoengineering-Projekt einfach zu stoppen. – Sebastian Fontaine

 

Es ist sicher eine aufregende Idee, welche hier vorgestellt wird, im Lagrange-Punkt Sonnensegel zur Abschirmung der Sonnenstrahlung anzubringen. Es ist natürlich auch eine enorme technische, logistische und finanzielle Herausforderung. Man muß sich aber auch der Problematik bewußt werden, welche Auswirkungen dies auf die Erde ausüben kann. Schließlich ist das Leben auf unserer Erde hauptsächlich von der Energie der Sonne abhängig. Die Vegetation, die Tiere und Menschen existieren durch diese Energie und werden von ihr beeinflußt. Es ist kaum abzusehen, wie alle Daseinszustände des Planeten Erde auf eine entsprechende Abschottung reagieren. Daher muß bezweifelt werden, ob dies eine Idee für ein besseres Leben auf der Erde ist.

Sollte man nicht die enorme Wärmeproduktion, welche der Mensch auf der Erde verursacht, überdenken? Die Milliarden von Fortbewegungsmitteln zu Wasser, zu Lande und in der Luft werden großteils mit fossilen Brennstoffen betrieben. Von diesen Brennstoffen werden ca. 70 bis 90 Prozent an Energie ausschließlich in Wärmeenergie umgesetzt, welche über das Wasser oder die Luft in die Atmosphäre gelangt und eine wesentliche Ursache der Klimaerwärmung darstellt. Zusätzlich werden dabei durch die Verbrennung dieser fossilen Brennstoffe größere Mengen Wasserdampf als Kohlenstoffdioxid gebildet und Wasserdampf hat ungefähr das vier fache Treibhauspotential gegenüber Kohlenstoffdioxid. Ähnlich ist die Situation bezüglich der unzähligen Wärmekraftwerke, welche über das gesamte Festland der Erde übersät sind.

Diese produzieren ebenfalls Wärme und zusätzlich wieder mehr Treibhaus wirksamen Wasserdampf neben dem Kohlenstoffdioxid. Besondere Wärmeerzeuger sind die Kernkraftwerke. Auch hier wird nur ein kleiner Teil der entstehenden Wärmeenergie in Strom umgewandelt. Der Großteil dieser entstehenden Wärmeenergie wird zum größten Teil über Wasser in Flüsse oder gleich in das Meer geleitet und trägt damit weitestgehend zur Erwärmung der Meere bei, welche natürlich einen Teil dieser Wärmeenergie wieder an die Atmosphäre abgeben. Zusätzlich entstehen durch die Kühlung der Reaktoren mit Wasser sehr große Mengen Wasserdampf, wie bei Reaktoren schon von weitem durch die entstehenden Dampfschwaden sichtbar.

Und dieser Wasserdampf trägt nicht nur viel Wärmeenergie in die Atmosphäre, sondern dieser Wasserdampf selbst ist eben ein äußerst wirksames Treibhausgas, wie weiter oben schon ausgeführt. Daher ist es dringend angebracht, sich von all diesen stark Wärme- und Treibhausgas produzierenden Vorgängen zu verabschieden und auf Energieerzeugung zu setzen, bei welcher kaum Abwärme entsteht . – Prof. Dr. Rainer M. Jelinek

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Brücke zum Licht am Ende des Teichs“ von Moritz Herrmann

 

Es war ein Genuss, Ihren Artikel zu lesen. Allerdings zeigt er doch nur eines: kein Mensch braucht, und ich denke auch, will Politikergesülze hören. Weder vor noch während noch nach der Pandemie. Es ist Zeit, Tacheles zu reden, sich der Realität zu stellen und dann mit ihr zu leben. Das allein wäre verantwortungsvolle Politik. – Annette Haagen

 

Man könnte einen Ausschnitt aus diesem Text ungefähr so abändern: „Es ist einer dieser So-da-Texte, die republikweit in den Zeitungen herumstehen, etwa in der Süddeutschen, der taz oder dem Philosophie Magazin und außerordentlich prächtig in der ZEIT. Die So-da-Texte führen in der Tat nirgendwohin, sie haben keinerlei Informationsgehalt und mithin keinerlei Sinn, es sind oft bloß Lückenfüller für ansonsten leere Seiten, Fanale der schlechten Qualität des heutigen Journalismus.“ – Werner Lösch

 

Dank sei Ihnen gesungen. Ein großes Lesevergnügen. Die Phrasen der Regierenden wurden nicht nur entdeckt sondern feinsinnig aufgespießt und ihre Erzeuger wurden schonungslos entlarvt (klingt fast wie „Die drei Musketiere“). Den witzigen Spruch von Wolfgang Neuss habe ich sogleich in meine Sammlung „Witze, Sprüche, Zitate“ aufgenommen. Zu Armin Laschet fällt mir aus diesem Schatz das Churchill zugeschrieben und auf Clement Attlee gemünzte Bonmot ein: „Ein leeres Auto fuhr vor, und Armin Laschet stieg aus“. – Sven Herfurth

 

Danke, danke, danke, Herr Herrmann, für Ihren wunderbaren, großartig geschriebener Artikel! Klug, witzig, wortgewandt, bildreich, spitzzüngig, treffsicher, ironisch… Das Themenpaar Pandemie und Politik mal von der sprachlichen Seite her auszuleuchten und auf die Schippe zu nehmen, ist Ihnen voll gelungen. Was für ein Lesevergnügen! Und gratis Kopfkino noch dazu (Brücken-Laschet, Tunnel-Tschentscher, Söder-Oblate…) You made my days! – Andrea Bausch

 


 

 

Leserbriefe zu „»Das einzige absolut Böse ist der Krieg«“. Gespräch mit James G. Stavridis geführt von Jörg Lau

 

James Stavridis spricht im Interview davon, im Sezzessionskrieg sei ein Drittel der männlichen Bevölkerung der USA getötet worden. Die USA hatten um diese Zeit über 30 Millionen Einwohner, die Schätzungen der Todeszahlen für den Krieg liegen bei etwa 800.000. Da stimmt also rechnerisch etwas nicht. Was kann Herr Stavridis daher mit dieser Aussage gemeint haben? Oder geht der Buchautor nur sehr großzügig mit Fakten um? – Michael Weyand

 

«US-Admiral James G.. Stavridis hat ein Thriller über den nächsten grossen Krieg geschrieben – zwischen USA und China.» Ursache des Krieges wären Differenzen auf den Gebieten Wirtschaft, Weltpolitik und Weltsicht. Statt eines Abgleichens der Waffentechnik wäre ein Abgleichen der Weltsicht für alle Beteiligte, ja für die ganze Menschheit ein enormer Nutzen. Ziel wäre es Lösungen anzubieten, die geeignet sind, der Menschheit eine gute Zukunft zu ermöglichen. Es geht dabei um eine Reihe von Themen, die auch in anderen Konflikten eine Rolle spielen. Neben den Themen Demographie, Menschenrechte und Ökologie wären historischen Ansprüche und Opferrolle wichtige Themen.

Das Prinzip Opferrolle sollte beerdigt werden und dies aus mehreren Gründen. Ein biologischer Grund wäre, dass alle heute lebende Menschen ihr Dasein der Tatsache verdanken, dass die Geschichte so verlaufen ist, wie sie eben ist. Wäre sie auch nur wenig anders verlaufen, dann hätte sich bei der Demographie wenig geändert, es gäbe ungefähr ebenso viele Menschen, aber eben andere. Das liegt daran, dass bei einem Zeugungsvorgang Millionen Spermien auf den Weg geschickt werden und bei einer minimalen Änderung wäre bei einem Zeugungsakt ein anderes Spermium ans Ziel gelangt und es hätte einen ähnlichen aber eben doch anderen Menschen gegeben. Fazit: Gäbe es diejenigen Ereignisse nicht, die der Opferrolle zugrunde liegen, dann gäbe es die Menschen nicht, die sich als Opfer fühlen.

Übrigens eine merkwürdige Vorstellung: Hätte Hitlers Mutter zur richtigen Zeit einen Hustenanfall gehabt, wäre uns der zweite Weltkrieg erspart worden. Ähnliche Überlegungen sollten gelten für die Themen historische Schuld und historische Ansprüche. Praktisch alle Nationen sind von irgendwoher eingewandert und haben dabei andere Menschen verdrängt. Gäbe es den homo sapiens nicht, wäre vielleicht die ganze Welt von Neandertaler-Menschen bewohnt. Solche Überlegungen sollten die Vorstellung bestärken: Wir sind nur Gast auf Erden, dank Verkettung einer unendlichen Kette von Zufällen und sollte allein schon als dankbare Auserwählte uns so aufführen wie gute Gäste, die den Nachfolgenden den Planet in gutem Zustand hinterlassen. – Dr. Gernot Gwehenberger

 

Das einzig absolut Böse ist eder Krieg, Das diskutiere ich schon lange mit meinem jetzt 12-jährigen Kosovo- Schüler, schade dass er den Artikel noch nicht ganz verstehen kann. Aber ich versuche im aufzudröseln, wenn einmal angefangen man aus dieser Spirale nur selten herauskommzt und schon gar nicht ohen Bellssurenaauf beiden Seiten und immensen unnötigen Kosten. Und ich hooffe für ihn und zukünftige Generationen dass es ihnen immer besser gelingt. Zu mir bin ich 1945 geboren, am 16.6. also knapp schon im Frieden. Und nun zum Autor James G. Stavridis.

Unser seit Nov. 2020 in unserem knapp 6000 Seelendorf hat das Glück als BM Nikolaos STAVRIDIS zum Oberhaupt zu haben. Ich berichtete ihm von James… und er teilte mir mit dass vielen Dank. Tatsächlich verfolge ich die Karriere von James G. Stavridis schon länger. Ich hätte ihn vor fünf Jahren fast sogar in der Clay Caserne in Erbenheim getroffen. Leider musste er einen Tag früher abreisen. Nun bekommt er das Interview und sorgt in unserem „Eck „wenigstens für Frieden. – Geelke Braun

 


 

 

Leserbriefe zu „Kämpf doch mal!“ von Peter Dausend

 

Ja, das wäre bitternötig. Die SPD hat leider das falsche Personal an der Spitze. Der Verfall dieser Partei ist hausgemacht. Die haben sich von der CDU einwickeln lassen. Jetzt ist Holland in Not. Aber dafür ist es zu spät. Das Feld haben jetzt die „Grünen“ übernommen. – Gunter Knauer

 

Kaum wird jemand (ganz unfreiwillig) vor einen Untersuchungsausschuss gezerrt, schon lässt das Erinnerungsvermögen bei all diesen „Unschuldslämmer“ sehr stark nach. Auch der frühere Bürgermeister von Hamburg (Olaf Scholz) reagierte so, und macht daher auch keine Ausnahme. Ob und wie Olaf Scholz, am Ende dieser Veranstaltung der „Hamburger Schauermärchenstunde“, tatsächlich ganz ohne fremde Hilfe, den Weg nach Hause gefunden hat, das bleibt natürlich auch ein ungeklärter Punkt.

Deutschland braucht in Zeiten von „Dauer-Superkrisen“ einfach diese „Dauer-Superkrisen-Manager“, wie z.B. einen Olaf Scholz, die auch einmal irgendetwas vergessen können/wollen! Olaf gibt den wahren Kämpfer, der jedoch auch immer rechtzeitig vergessen kann, wofür, wozu und warum das alles! Fazit: „Klappe zu, Affe tot, alles gut, weitermachen“ (Redewendung?). – Riggi Schwarz

 

So, so ‚die verlässliche Autorität eines Olaf Scholz‘ soll es also im September richten. Olaf Scholz und verlässliche Autorität – woran machen Sie das fest ? Die SPD-Mitglieder haben das mehrheitlich nicht erkennen können. Was war beim G20-Gipfel ? Während Teile der Stadt brannten hielt sich Olaf am Champagnerglas fest. Cum Ex, war da was ? Der termingeplagte Olaf führte zwar stundenlange Gespräche mit dem Chef der Warburg Bank, aber worüber ? Daran kann er sich nicht mehr erinnern. Und sein Adlatus Tschentscher weiß natürlich auch von nichts. Wieso sollte sich auch der Finanzsenator mit Steuerschulden von mehr als 40 Mio beschäftigen. Die verschenkt man einfach und Scholz und Tschentscher sind völlig unschuldig !

Wirecard, noch so eine Baustelle. Das Finanzministerium lässt die Kriminellen gegen falsche Beschuldigungen schützen merkt aber ansonsten nichts, wieso auch, wenn Mitarbeiter mit den Papieren an der Börse spekulieren. Aber es war mal wieder alles korrekt und Teflon-Olaf strahlt mit seinem Unschuldslächeln in die Kameras. Alles perlt an ihm ab wie Wasser, vielleicht hat es das bei Putin abgeguckt. Auf diese Vorgänge kann Scholz doch wirklich stolz sein und das prädestiniert eindeutig zur Übernahme höherer Aufgaben, unterstützt von Kühnert (2 abgebrochene Studiengänge, aber 3 Jahre Erfahrung im Call-Center) und Eskens etc. Schade, dass Helmut Schmidt hierzu keine Meinung mehr äussern kann. – Dieter Stremme

 


 

 

Leserbriefe zu „Blindflug im Klischee“ von Yassin Musharbash

 

Drama verkauft sich besser als Substanz. Die Herde bietet Reportern Sicherheit. Dramatisierung ist eine einfache Möglichkeit, sich in der Herde hervorzutun. Die Bestätigung von Klischees und das Reißerische erfüllen zugleich ein Bedürfnis der Leser. So schließt sich der Kreis. Und so schließen wir uns in unserer Parallelwelt ein. Aufklärung ist das mutige Ausbrechen aus diesem Kosmos. Hier liegt die Aufgabe der ZEIT: Transparenz schaffen. Die Wirklichkeit freilegen, gerade auch wo sie sich hinter Täuschungen und Selbsttäuschungen verbirgt. Yassin Musharbash hat recht: Die Wirklichkeit ist auch ohne künstliche Dramatisierung dramatisch genug. – Reinhard Koine

 

Als ein aufmerksamer Zeitleser und Abonnent, wollte ich ihnen mitteilen, das auf Seite 20 eine Verwechslung auf dem abgedruckten Foto besteht. Auf dem Bild befindet sich Momo Abou Chaker und nicht dessen Bruder Arafat. Bleiben Sie alle gesund und ein großes Danke für Ihre Arbeit. – Rene Stein

 

Eine sehr schöne, differenzierte und kritische Betrachtung der Berichterstattung über (kriminelle) Clans in der Medienlandschaft von Yassin Musharbash. Jedoch fehlte mir ein wichtiger Aspekt: Der Begriff Clan, der eigentlich neutral für Großfamilie steht, ist durch die aufmerksamkeitsheischende Berichterstattung erst zu diesem negativ und kriminell aufgeladenen Begriff geworden, der diese Headlines ermöglicht. Denjenigen, die sich weiter differenziert mit der Thematik auseinandersetzen möchten, sei der neue Podcast Clanland von Marcus Staiger und Mohamed Chahrour ans Herz gelegt. Hier wird nicht über die Clans, sondern mit ihnen gesprochen. Viel Freude bei einem augenöffnenden Einblick. – Kira Tschierschke

 


 

 

Leserbriefe zu „Annalena und die Medien“ von Thomas E. Schmidt

 

Indem er ihre offensichtlichen Stärken – ihren Mut, die an sozialen und ökologischen Werten orientierte Politik, ihre Fähigkeit und ihr Wille zu vereinen statt zu spalten, ihr Durchhaltevermögen, ihre Kontrolle über ihre Medienpräsenz und ihren offenen Umgang mit verbaler Gewalt – alle durchweg ins Negative wendet, entwirft der Autor eine rechtskonservative Karikatur von Annalena Baerbock, gewürzt mit hier einer Prise Zynismus, da einer Prise Sarkasmus.

Seine Argumentation beruht so sehr auf rechtskonservativen Narrativen (Tugendwettbewerb, Universalität der Grünen, geltende linksliberale Moral, allgemeinkultureller Linksliberalismus), dass sie letztlich inhaltsleer ist und damit weit davon entfernt, seinen eigenen Anforderungen in Bezug auf Komplexität und inhaltliche Substanz zu genügen. Dass der Artikel in der ZEIT erscheint – er ist nicht der einzige in den letzten Wochen, der aus dem Spektrum deutlich rechts von der Mitte stammt – unterstreicht einmal mehr die Vielstimmigkeit in dieser Zeitung.

P.S.: So weit mein Leserbrief. Ich kann es für mich persönlich gut akzeptieren, wenn sich die ZEIT nicht auf eine bestimmte politische Richtung festgelegt. Wenn ich dann in anderen Medien mit Bezug auf einen solchen rechtskonservativen Artikel lese: „Die ZEIT schreibt, dass …“ (im Sinne von die ZEIT vertritt die Auffassung, dass …), dann frage ich mich aber, ob unkommentierte Vielstimmigkeit eine gute Strategie ist. Vor diesem Hintergrund wünsche ich mir auch in der ZEIT entweder eine Kennzeichnung als Leitartikel oder als Gastbeitrag eines/r unabhängigen Autors/Autorin. – G. Rogge-Wiest

 

Bezugnehmend auf Ihren Artikel in der Zeit vom 29.4.21 möchte ich Sie fragen, ob Sie auch schon in der Überschrift eines ihrer Artikel Herrn Kurz (Jahrgang 86) oder Herrn Macron (Jahrgang 77) in der Überschrift nur mit dem Vornamen angesprochen haben. Um in Ihren Jargon zu schreiben, können alte weiße Männer junge Frauen, die wie Sie schreiben alles richtig machen mit den Medien, nur noch klein halten, indem sie sie mit Vornamen anreden. In früheren Zeiten hat man Frauen auch mit der Anrede „Fräulein“ kleingehalten. Bundeskanzler Kohl hat Frau Merkel gerne mit „mein Mädel“ bezeichnet. Frau Baerbock ist übrigens Jahrgang 80. Sie ist 6 Jahre älter als Sebastian und 3 Jahre jünger als Emmanuel. – Heide Tapavicza

 

Die Analyse im Feuilleton der ZEIT (Nr. 18, S.51) mit dem Titel „Annalena und die Medien“ von Thomas E. Schmidt ließ mich auf journalistisches Terrain stolpern, bin aber bei Formulierungen von Überschriften bereits stecken geblieben. Vielleicht ist dennoch die eine oder andere für weitere Analysen von Thomas E. anregend: * Armin und das versteckte Trampolin * Markus und seine Stör(an)fälle * Friedrich und das liebe Geld * Jens und die Mühen der Ebene * Christian und die Ampelschaltung. – Hartmut Stirner

 


 

 

Leserbriefe zu „Frau sucht Bauer“ von Adam Soboczynski

 

„Wir trafen uns vor einigen Tagen am Brandenburger Tor in Berlin. Judith Herman stieg vom Fahrrad ab, und wir setzten uns im Tierpark auf eine Bank.“ Meinen Sie den Tiergarten oder sind Sie die ca. 10 km zum Tierpark geradelt. – Klaus Rozinat

 

War Ihr Autor Adam Soboczynski wirklich in Berlin, um Judith Hermann zu treffen? Wenn sie sich am Brandenburger Tor getroffen haben, haben sie sich bestimmt nicht auf eine Bank im „Tierpark“ gesetzt: Der Tierpark ist einer der beiden Zoologischen Gärten in Berlin im Ortsteil Friedrichsfelde, der zum Bezirk Lichtenberg gehört. Der andere „Tierpark“, der Zoologische Garten oder „Zoo“, befindet sich im Bezirk Charlottenburg, also auch weit vom Brandenburger Tor entfernt. Wahrscheinlich habe die beiden im „Tiergarten“ gesessen …

Noch etwas: Heutzutage gilt es wohl als eher kleinkariert, an einer Sprachfigur Anstoß zu nehmen, die zumindest missverständlich ist: O.g. Autor schreibt in ebendiesem Artikel: „… in ein Haus am Dorfrand, das so verdammt einsam liegt, dass es die Städterin dann doch fürchtet, sobald es dunkel wird.“ Der korrekte Bezug von „es“ ist „das Haus“, das (wen oder was?) die Städterin fürchtet: …?? Oder wollte der Autor eine Analogbildung zu „dass es die Städterin gruselt“ im Sinne von „dass die Städterin sich dann doch fürchtet“ konstruieren? Wie auch immer … – Jutta Sauermann

 

Der Autor mit J. Hermann am Brandenburger Tor im TierPARK ist genauso unwahrscheinlich wie die RABEN. Der erstere ist in Ostberlin, nicht am Brandenburger Tor, und die Raben sind recht selten und auf der roten Liste, so dass es wohl eher Krähen gewesen sein dürften. Was ist mit ihrer Redaktion und den Lektoren los? – Petra Dachtler

 


 

 

Leserbriefe zu „Heimat ist mehr als ein Ort“ von Wilhelm Schmid

 

Mit seinen fulminanten philosophischen Ausführungen zu seinem Verständnis von „Heimat“ unterfüttert und bestätigt Herr Schmid mein über Jahrzehnte herangereiftes und täglich sich verdichtendes, wenn auch eher schlicht zu fassendes Heimatverständnis: Ubi bene, ibi patria. Die weniger akademisierte, aber durchaus alltagsnähere Version meines Heimatverständnisses entdeckte ich in einem kanadischen Souvenir-Laden: Home is where you poop most comfortably.

Auch für diese von mir favorisierte Version gilt, was Herr Schmid philosophiert: „… jeder Mensch braucht eine kleine Ecke, … in die er sich zurückziehen kann“, einen Ort, der „Hoffnung auf Vertrautheit und Geborgenheit“ weckt, der mir versichert: „Hier bin ich richtig.“ Und genau das lässt uns Heimat/home doch alltäglich so sehr entspannt, so most comfortably genießen… Wenn Sie zudem die angehängte, wie ich finde, hübsche Abbildung meines Heimatverständnisses hinzufügen würden, wäre ich Ihnen doppelt dankbar. – Dr. F. Klaus Koopmann

 

Und doch ist sie sehr konkret! Auch ich habe meine Kindheit in einem kleinen Dorf verbracht, dessen Winkel, Wege, Bewohner ich alle kannte: der Dorfteich, auf dem im Sommer Enten und Gänse schwammen, auf dem wir Kinder im Winter huschelten (=auf dem Eis schlitterten) und „Eishockey“ spielten; der Weg, auf dem ich jeden Morgen bei Wind und Wetter mit zwei Klassenkameraden mehrere km durch den Wald zur Schule in der Stadt eilte, der mittags doppelt so lang wurde und dauerte, weil wir jede Blume betrachteten, jeden Käfer in die Hand nahmen; mein Elternhaus, in dem die Großeltern aus dem Fenster schauten, wenn meine Mutter mir die Tür öffnete und mich „Mährsuse“ dankbar in den Arm nahm;

die Wiese vorm Haus, über der an warmen Sommerabenden unzählige Junikäfer schwärmten, von denen ich mit dem Tischtennisschläger einige für die Hühner zu Boden schlug, sie vorher aber wieder freiließ; die Bauern, die sich in einem herben, für Außenstehende wenig verständlichen Dialekt mit mir unterhielten, den heute leider kaum noch einer spricht; die alte Eiche, zu der ich mit meinem Großvater so oft wanderte, um mir beim Griff in ihre rissige Borke „Kraft“ zu holen! Eines Tages vertrieb uns aus diesem vertrauten Flecken ein rauher Ostwind in den Westen, in eine Stadt, die noch zur Hälfte in Trümmern lag.

Dort fand ich neue Freunde, aber nur „eine andere Form von Heimat“! Und selbst mein jetziges Haus mit großem Garten und alten Bäumen würde ich glatt gegen mein Elternhaus tauschen; es ist längst verkauft! In einer Stadt heutiger Art könnte ich nie Heimatgefühle entwickeln; sie ändert ständig ihr Gesicht und wird immer bunter, so daß ich mir in ihr fremd vorkomme wie ein einheimischer Exot! Und auch als „Mönch am Meer“ wäre ich ungeeignet, der eins wird mit der Natur und der Welt, ein Kosmopolit, der überall und nirgends zu Hause ist in einer „ultimativen Heimat“! Selbst gegen das riesige bunte Mosaik unserer Erde würde ich nie das winzige grüne Steinchen meiner alten Heimat eintauschen – zumindest so lange, wie die alte Eiche noch Wind und Wettern trotzt! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 


 

 

Leserbriefe zu „Was heißt hier Ordnung, Frau Hofmann?“ von Florentin Schumacher

 

Was noch bis Anfangs 2020 Usus war, das sind ab dem Frühjahr 2020 alles (schwere) Ordnungswidrigkeiten oder gleich (schwere) Straftaten. So wird unser demokratischer Rechtsstaat Stück für Stück aus allen Angeln ausgehebelt, und das noch von denen, die ganz offiziell auf dem Boden des Grundgesetzes stehen wollen, uns aber nur noch mit dem Infektionsschutzgesetz kurz und klein regieren. Dabei überraschen sie uns mit Ausgangssperren ab 22.00 Uhr, mit einer FFP2-Vermummung bis Sankt Nimmerlein, mit Homeoffice und mit sonstigen Nickligkeiten. Irgendwie habe ich da ein sehr komisches Gefühl, eine Art Deja-vu! Wir gehen nur noch in eine Richtung, nämlich in die Richtung „Jasager und Abnicker“! – Riggi Schwarz

 

Als langjähriger Abonnent geniesse ich üblicherweise insbesondere die „ENTDECKEN“ Beilage, oft interessante Beiträge die meinen Fokus erweitern. Deshalb habe ich auch die Begleitung des Ordnungsamts in Coronazeiten gerne gelesen. Leider habe ich mich über einen Teil/Satz als Einführung sehr geärgert (selbst als „Alter weißer Mann“, Jahrgang 1957): „Hofmann, platinblonde Haare, künstliche Wimpern, eine Hand am Koppel mit dem Schlagstock und dem Reizgasspray,…“ Wenn ich sowas lese, denke ich eher an „BILD“. Ich bitte Sie, den vermutlich jungen Journalisten namens Florentin Schuhmacher mein Feedback weiterzuleiten, ich finde das klischeehaft und herabsetzend. Ich empfehle sich bei den jungen Dame mit einen Päckchen „Florentiner Plätzchen“ zu entschuldigen und vor dem nächsten Artikel einen Nachmittag Nachsitzenrecherche im „EMMA-Archiv“ :-) – Dieter Früauff

 


 

 

Leserbriefe zu „Der politische Impfstoff“ von Martin Machowecz

 

Das Problem der unzureichenden Bereitstellung von Impfstoffen, nicht irgendwann, sondern möglichst kurzfristig ist ein Sachproblem. Die Frage „wie hält man es mit Russland“ darf in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen. Die Vermengung von Vorurteilen und Emotionen mit der objektiven, sachlichen Feststellung unzureichender Bereitstellung von Impfstoffen ist eineinhalb Jahre nach Beginn der Pandemie unerträglich. Sie disqualifiziert sich von selbst. Philisterhafte Beiträge, die sich mit beliebigen Argumenten befassen, tragen nicht gerade zur Klarheit bei.

Wo bleibt die investigative sachliche Untersuchung und Gegenüberstellung von Sputnik V mit den anderen Impfstoffen. Welche Unsicherheiten und Probleme treten bei Astra Seneca, Johnson&Johnson und den anderen Herstellern auf? Stattdessen wird bis zur Unendlichkeit hinein philosophiert. Die „große“ Politik bedeutet Macht. Sie bestimmt, was politisch korrekt ist, sie gibt vor, wie wir es mit Russland, China, Türkei, Syrien und anderen Autokratien „zu halten haben“. Die Impfverdrossenheit der Russen ist massgebend für die Bewertung von Sputnik V. Statt Argumenten – vor allem Meinungen – unglaublich. Die ideologische Auseinandersetzung mit dem „System Putin“ wird niemals durch Sanktionen und Boykotte entschieden, sondern durch Annäherung. Das lehrt die Geschichte. – R. Renaux

 

Seit vielen Jahren Zeit Leser fällt mir in den letzten Jahren auf, dass ihre Redakteure immer häufiger Fremdwörter und Anglizismen verwenden. Wenn diese dann noch falsch angewendet werden, fragt man sich wie bei dem oben genannten Beispiel, ob man nicht gleich Impfstoff anstatt Vakzin schreiben kann (laut deutschen Duden ist das Fremdwort Vakzin sächlich und nicht weiblich). Bitte denken sie auch an ihre Leser und Abonnenten die nicht nur einen höheren Bildungsabschluss haben. Und trotzdem sich aber gerne auch über die Zeit weiterbilden wollen. – Christian Seeliger

 


 

 

Leserbriefe zu „Ein Fall wie Contergan …“ von Anne Kunze

 

Danke für den Artikel „Ein Fall wie Contergan …“. Wie ich finde eine gute Entscheidung diesen Artikel zum jetzigen Zeitpunkt zu veröffentlichen, in der Hoffnung einen Anstoss zu geben. Mich würde interessieren welche Langzeitstudien zum Einsatz von mRNA Impfstoffen existieren. Aus diesen sollte sich dann eine Risikoabschätzung zur Impfung von Menschen ergeben, deren Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist. Es ist nicht nur moralisch richtig und die Verantwortung der Mächtigen, die vor dem Hintergund des Schutzes der Gesellschaft dafür werben alle Einwohner in Deutschland zu impfen, größt mögliche Klarheit über die Konsequenzen dieser Maßnahme zu schaffen. Wo sind die 10 Jahres Studien? Stellen wir ein (un-)bekanntes Langzeitrisiko der Impfung dem Riskio einer Infektion gegenüber?

Wie fällt diese Abwägung aus? Ich bitte Sie eindringlich und mit Nachdruck, für unsere Gesellschaft, diese Hintergründe schnellstmöglich aufzuklären und das Ergebnis zu veröffentlichen. Wir müssen wissen ob wir uns auf einem „Himmelfahrtskommado“ befinden! Unsolide begründete Werbekampagnen mit fatalem Ausgang haben sicher das Potential unsere Gesellschaft für Jahrzehnte in tiefe Nacht zu tauchen. Hier können wir nicht auf Sicht fahren! In großer Hoffnung für die friedvolle Zukunft unserer Gesellschaft und Erwartung Ihrer geschätzten Antwort. – Marcus Corzilius

 

Wir sind ebenfalls betroffene Eltern eines durch Duogynon mit Missbildungen auf die Welt gekommenen Kindes. Ein Arzt hat im Dezember 1977 das Medikament Duogynon Oral verschrieben mit der Begründung, dass nach der Einnahme entweder die Blutung einsetzt oder eine Schwangerschaft nachgewiesen ist. Unser Sohn kam am 21.07.1978 zur Welt mit folgenden Missbildungen. Das rechte Auge war nur ein Stumpf, also überhaupt nicht entwickelt und hatte mit dem Aussehen eines normalen Auges nichts zu tun. Dieser Stumpf wurde später entfernt.

Das linke Auge hatte eine geringe Sehkraft und ist inzwischen ebenfalls erblindet. Hinzu kam eine Störung des Rechenzentrums, Störungen der Feinmotorik und weitere erhebliche Entwicklungsverzögerungen. Unser Sohn trug rechts seit dem 6. Lebensmonat eine Glasschale und später bis jetzt ein Glasauge. Seit dem 6. Lebensjahr musste er wegen des hohen schultechnischen Aufwandes auf ein Blindeninstitut gehen und ist daher seit dieser Zeit fern von seinen Eltern unter Fremden aufgewachsen.

Ständige Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte, Therapien, Förderprogramme etc. waren die Folge dieser Entwicklung. Andere Medikamente sind während der Schwangerschaft nicht verschrieben und eingenommen worden, Krankheiten bestanden während der Schwangerschaft nicht. Unsere Tochter kam am 21.04.1980 völlig gesund zur Welt. Die Missbildungen bei unserem Sohn sind auf die Einnahme des Medikamentes Duogynon zurückzuführen. Das Inverkehrbringen von Duogynon war jedenfalls bei der Indikation Schwangerschaft unverantwortlich und aus medizinischer Sicht völlig unangebracht. Schering hat ein Hormonpräparat auf den Markt gebracht, dass weder getestet noch erprobt und überprüft und dann noch bei bestehender Schwangerschaft zugelassen worden war.

Schering hat zudem im Laufe der Zeit Dosisveränderungen vorgenommen, ohne dass auch dabei eine entsprechende Erprobung und Prüfung stattgefunden hat. Es fand zuvor keine einzige tierexperimentelle Forschung statt, was mit dem Hinweis begründet worden ist, dass „ derartige Versuche auf den Menschen nicht übertragbar wären“, wobei auch eine klinische Erprobung weitgehend unterblieben ist. Diese Vorgehensweise wirft schon die Frage auf, auf welchen tatsächlichen Grundlagen Schering die unbedenkliche Einführung von Duogynon auf den Markt gestützt hat.

Interessanterweise wurden dann allerdings ab 1965 Tierversuche durchgeführt, deren Ergebnisse unter Verschluss gehalten worden sind. Schering hatte daher trotz bekannter konkreter Warnungen vor Hormonen als teratogene Risikofaktoren nichts in der Hand, dass eine Risikobehaftung von Duogynon speziell auch bei bestehender Schwangerschaft sicher ausgeschlossen hat. Jetzt sollen aber diejenigen, die Duogynon ärztlicherseits verschrieben während einer bestehenden Schwangerschaft eingenommen haben, nachweisen, dass Duogynon kausal für die aufgetretenen Missbildungen ist. Ausgangspunkt aller Überlegungen im Zusammenhang mit der Markteinführung des Präparates Duogynon muss sein, dass dadurch eine Gefahrenlage geschaffen wurde, dass dieses Präparat absichtlich in eine bestehende Schwangerschaft eingebracht worden ist.

Schon zu der Zeit der Markteinführung galt der unbestrittene und unzweifelhafte medizinische Grundsatz, dass eine nicht zwingend gebotene Arzneimittelaufnahme während einer Schwangerschaft vermieden werden sollte. Dieses bereits während der Einführung des Präparates Duogynon anerkannte und bekannte Prinzip bedeutete und bedeutet, dass grundsätzlich in einer Schwangerschaft wegen der Gefahr der Schädigung der Frucht ein Medikament nur in dringenden Fällen gegeben werden sollte. Ein Medikament zur Schwangerschaftsdiagnose zu verschreiben und abzugeben, verbot und verbietet sich daher von vorneherein. Wenn man von diesem grundlegenden Prinzip zur Abgabe von Medikamenten – in der Frühphase – einer Schwangerschaft ausgeht, stellte das Inverkehrbringen von Duogynon „ ein Glücksspiel auf Leben und Tod“ oder sachlich ausgedrückt einen schwerwiegenden Verstoß gegen allgemeine Grundsätze der Humanmedizin dar.

Das Präparat Duogynon war ausdrücklich nicht allein zur Behandlung der sekundären Amenorrhoe bestimmt gewesen, sondern auch für den gesunden Zustand einer Schwangerschaft vorgesehen. Es gab keinerlei gesundheitsbedingte Veranlassung, dieses Präparat bei einer bestehenden Schwangerschaft zur Anwendung zu bringen, weil eben gerade keine gesundheitliche Störung vorlag. Die Zugabe von Hormonkombinationen zu Beginn einer Schwangerschaft war nicht nur nicht indiziert, sondern kontraindiziert. Duogynon wurde zudem ohne vorherige Prüfung und Kontrolle bei bestehender Schwangerschaft zur Verschreibung und Verabreichung freigegeben. Da der Nachweis einer fehlenden Risikobehaftung des Präparates nicht mit Sicherheit zu führen war, musste von dem Standpunkt eines gewissenhaften Mediziners der Grundsatz gelten :

„im Zweifel lieber nicht anwenden“. Das Inverkehrbringen von Duogynon ohne Überprüfung und Kontrolle war im Grunde genommen ein „teratologisches Experiment“. Wie viel mehr muss dieser Grundsatz gelten, wenn konkrete Verdachtsmomente gegeben sind und während des weiteren Verkaufs des Präparates auftauchen. Es gab schon sehr früh Hinweise darauf, dass hormonale Schwangerschaftstest, die synthetische Östrogene und Gestagene enthielten, das Auftreten verschiedener Missbildungen begünstigen könnten. Da ein unbezweifelbarer wissenschaftlicher Nachweis für missbildende Wirkung klinische Versuche erfordert, die aus ethischen Gründen schlechthin abzulehnen sind, durfte doch nicht abgewartet werden, ob ein erkanntes Risiko sich tatsächlich verwirklichen würde, sondern musste gerade bei einer Schwangerschaft eine Marktrücknahme oder zumindest der eindeutige und klare Hinweis des Ausschlusses bei einer bestehenden Schwangerschaft erfolgen.

Ein Wahrscheinlichkeitsurteil ist aus Gründen des Gesundheitsschutzes aus keinerlei Gründen ausreichend. Erst wenn sicher gewesen wäre, dass eine Schädlichkeit auszuschließen ist, hätte das Präparat für den Markt zugelassen werden dürfen. Aus unserer Sicht stellt das Verhalten der Verantwortlichen im Fall Duogynon aus den genannten Gründen einen medizinischen Kunstfehler dar, der zumindest eine Umkehr der Beweislast rechtfertigt. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, dass ein Geschädigter beweisen muss, dass das Präparat Duogynon kausal für seine Schädigung ist. Richtigerweise ist derjenige beweispflichtig, der dafür verantwortlich ist, dass er ein mit Risiken für die Schwangerschaft behaftetes Mittel auf den Markt bringt und belässt, indem er dessen Risikolosigkeit nachweist, wobei Zweifel wie immer bei einer Beweislast zu Lasten des Beweisführenden gehen.

In Großbritannien, in dem das Präparat Duogynon unter dem Markennamen Primodos vertrieben worden ist, hat eine von der damaligen Regierung eingesetzte Kommission im Jahre 2020 einen umfassenden Bericht unter dem Titel „ First Do No Harm „ veröffentlicht, der im wesentliche folgende Aussagen und Empfehlungen beinhaltete. Eine Rücknahme von Primodos als Schwangerschaftstest hätte bereits 1967 erfolgen müssen. Die Rücknahme von Duogynon als Schwangerschaftstest erfolgte in Deutschland erst im Jahre 1978, wurde aber unter der Bezeichnung Cumorit von Schering unter der Voraussetzung des Ausschlusses einer Schwangerschaft weiter vertrieben. Eine von der Kommission geforderte Entschuldigung ist seitens der jetzigen britischen Regierung bereits erfolgt. Eine angemessene Unterstützung der Betroffenen wird gefordert und wird überprüft.

Die Frage der Kausalität lag außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der eingesetzten Kommission. Die Vorsitzende einer früher eingesetzten Kommission hatte auf Nachfrage ausdrücklich die Möglichkeit ja sogar die Wahrscheinlichkeit der Kausalität von Primodos für die aufgetretenen Missbildungen bejaht. Im Hinblick auf die Vorgänge in Großbritannien hatte sich das Bundesministerium für Gesundheit entschlossen, eine Studie in Auftrag zu geben mit dem „ Ziel, das Handeln deutscher Aufsichtsbehörden hinsichtlich der Registrierung, Zulassung, Arzneimittelsicherheit und Marktrücknahme zu untersuchen“. Das Anliegen der Betroffenen war und ist, eine objektive und umfassende Aufklärung und systematische und fachliche Aufarbeitung aller Fragen, die im Zusammenhang mit der Markteinführung und Aufrechterhaltung der Zulassung von Duogynon entstanden sind und noch bestehen, durch eine/n sorgfältig ausgewählten und unbefangenen Gutachter/in zu veranlassen.

Die Vergabe der vom BMG ins Auge gefassten Studie ist bisher leider noch immer nicht erfolgt. Eine öffentliche Vergabe wird seitens des BMG abgelehnt. Obwohl die von Duogynon Betroffenen schon zeitlich sehr lange auf eine Aufklärung und Anerkennung ihrer Anliegen warten müssen, die Elterngeneration verstorben oder sehr alt, die Kindergeneration ohne Absicherung ist, verzögert sich eine dringend gebotene umfassende Aufklärung immer weiter. – Klaus Peter und Elke Fuchs

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Wahrheit über Stephen“ von Kerstin Kohlenberg

 

Vorab möchte ich mich für die wöchentliche Berichterstattung bedanken. Ich habe immer wieder zwischen den großen deutschen Zeitungen gewechselt, aber irgendwie bin ich dann doch bei euch hängengeblieben. Grund dafür ist, dass ihr es schafft, modern, abwechslungsreich und unterhaltsam zu sein und zu bleiben. Macht weiter so!

Hier kommt nun mein Anliegen: Ich würde gerne folgenden Kommentar zu dem Artikel „Sturm auf das US-Kapitol: Die Wahrheit über Stephen“ abgeben: „Sehe ich da gewisse Parallelen zu dem sehr empfehlenswerten Netflix-Dokumentarfilm „The Social Dilemma“?!“ Sollten Sie sich dazu entscheiden, meinen Kommentar abzudrucken, können Sie gerne meinen Namen und meinen Wohnort (Osnabrück) nennen. – Julian Kroll

 

Da schreibt Ihre USA-Korrespondentin, Kerstin Kohlenberg, eine Gegendarstellung in eigener Sache, mit dem Titel „Die Wahrheit über Stephen“ – wie anders ist der ganzseitige Text in der Ausgabe ZEIT #18, vom 29.April 2021, Seite 3, zu verstehen? „Was kann ich ihm überhaupt noch glauben? Nach Lisas Anruf mache ich mich dran, seine Biografie, so wie er sie mir erzählt hat, zu überprüfen.“ Da ist dann doch zu fragen: „Jetzt erst?“ Gehört es nicht (mehr) zur journalistischen Ausbildung, Quellen mindestens doppelt zu überprüfen? – Quellen zu hinterfragen? – Fakten immer mindestens aus zwei unabhängigen Quellen zu überprüfen? — Und hat die ZEIT keine Redaktion zum Fakten-Check? (Kleiner Hinweis auf die Zeitschrift GEO.)

Wenn es dann im weiteren Verlauf heißt: „Das [Informationen über Großmutter und Mutter] lässt sich im Zeitungsarchiv überprüfen“, tauchen doch die nächsten Fragen auf: Hat eine Überprüfung nun stattgefunden oder hat die Autorin nunmehr erst herausgefunden, dass Informationen zur Vita sich in einem (welchem auch immer) Zeitungsarchiv überprüfen lassen? Wer hat die Meldung/Nachricht/Artikel/Glosse… für jenes „Zeitungsarchiv“ geschrieben? Gab es Gespräche mit dem Autor/der Autorin der Artefakte für jenes „Zeitungsarchiv“? – Welche Quellen wurde für diese Artefakte verwendet? Polizeiberichte? Standesamtdokumente? Sind diese Quellen verlässlich oder erfolgt alsbald eine Gegendarstellung der Gegendarstellung in eigener Sache?

Artikel wie diese, die einerseits dem aktuellen Main-Stream folgen, journalistische Textformen zu verwischen – Kommentar, Bericht, Glosse, Meldung, Reportage…? – andererseits dann zumindest „Unschärfen“ in der Recherche zeigen, lassen mich fragen: Was unterscheidet ein journalistisches Qualitätswerk wie die ZEIT dann von kostenfreien Blogs, in denen selbsternannte „Journalisten“ Meinungen publizieren? Und letztere (Blogs) meide ich, da ich mich via fundiert recherchierte Artikel informieren möchte; mit Verlässlichkeit auf die Inhalte. – Thomas Conrad

 


 

 

Leserbriefe zu „Kinder sind keine Virenschleudern“ von Ulrich Bahnsen

 

Ich weiß gar nicht, ob Sie auch zuständig sind für die Überschrift Ihres Artikels, aber ich glaube, dieser führt in die Irre. Zumindest weist die von Ihnen zitierte Studie ja eigenltich doch nur darauf hin, dass – so Ihre Worte – „für Kita- und Grundschulkinder Öffnungen keine Gefahr sind“. Aber das heißt doch gar nicht, dass sie keine Virenschleudern sind. Denn einmal angenommen, 5 von 100 Kinder und 10 von 100 Erwachsene infizieren sich, dann weiß man nichts über deren Virenschleuder-Potenzial. Denn einmal weiter angenommen, 1 Kind steckt durchschnittlich 2 weitere Personen an, aber 1 Erwachsener steckt nur 1 weitere Person an, dann infizieren 5 Kinder 10 andere und 10 Erwachsene auch 10 andere. Oder nicht?

Und ich kann mir schon vorstellen, aber ich kenne keine Daten dazu, dass Kinder mehr Menschen infizieren, z.B. weil sie mehr köperliche Nähe mit mehr Menschen haben oder seltener merken, dass sie infiziert und ansteckend sind. Ich glaube, Studien darüber, wie oft Kinder SICH infizieren, sind wenig aussagekräftig dafür, wie oft Kinder ANDERE anstecken. Aber vielleicht irre ich mich auch, ich bin selbst keine Statistikerin. – Prof. Dr. Bettina Schmidt

 

Danke für Ihren Artikel „Kinder sind keine Virenschleudern“. Das Ressort Wissen gehört zu meinen Lieblingsteilen der ZEIT – aber Ihren Artikel hätte ich für noch mehr Sichtbarkeit gern auf der Titelseite gesehen. Herzliche Grüße von einer durch Monate „nahezu faktenfreien Streitens“ zermürbten Mutter – Ulrike Blank

 


 

 

Leserbrief zu „Einem Land wird die Luft abgeschnürt“ von Padma Rao

 

Nach der Lektüre dieses Beitrages frage ich mich, wie die Mehrheit der Hindus die gegenwärtige Situation mit der sich rasend schnell ausbreitenden Pandemie sieht. Ist es in deren Augen eine hinzunehmende Fügung einer außerirdischen Macht? Sind diese Hindus immun gegen Erkenntnisse der Vernunft oder verstehen sie den Sinn vorbeugender Verhaltensregeln nicht? – R. Renaux

 


 

 

Leserbrief zu „»Leben wie in Kalifornien«“ von Lea Frehse

 

Nein: ihr Photo aus Cairo zeigt kein „Plantschbecken für Kinder“, sondern eines für Jungen. Mädchen dürfen in Ägypten nichts – schon gar nicht schwimmen im Pool. Traurig, aber Realität. – Elisabeth Mayer

 


 

 

Leserbrief zu „So wird Europa nicht grün, sondern arm“ von Uwe Jean Heuser

 

Es ist interessant dass immer wieder nur ein Teilaspekt herausgegriffen wird. Vergessen wird in dem Kontext darauf hinzuweisen, dass unsere Konkurrenzfähigkeit sich deutlich verschlechtern wird mit dieser Entwicklung. Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass die Nutzung der Kernenergie kaum einen CO2 Fußabdruck hat Das neue Urteil des Verfassungsgericht wird Deutschland noch mehr zwingen sich Kostennachteile ein zu fangen. Dabei ist offensichtlich, dass die jetzigen Beschlüsse uns in wenigen Jahren vor große Probleme stellen werden. Ich staune immer wieder über die Blauäugigkeit bei vielen, oder ist das ein bewusstes Verdrängen nach dem Motto: nach mir die Sintflut. – Ulrich Hauser

 


 

 

Leserbrief zu „»Ich bin kein Verräter«“ von Claas Tatje

 

Herr Osterloh ist für mich ein erneutes Beispiel für den alten weißen Mann, der nicht weiß, wann Schluss ist. Warum geht er nicht und nervt seine Frau zuhause? Dieser Mann ist ein Wendehals der Sonderklasse und leidet – das beurteile ich mal ganz frech als Laiin – unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Ich habe es nie verstanden, warum sich der VW-Vorstand all das bieten ließ, was er sich anmaßte. – Annette Haagen

 


 

 

Leserbrief zu „Der Seitenwechsler“ von Christiane Grefe

 

Der ZEIT-Artikel über Matthias Berninger könnte gelesen werden als Wandlung eines Paulus zum Saulus, da aus Sicht von Bündnis90/Die Grünen der Wechsel vom Bundestag zur Firma MARS und dann zur Firma BAYER nach Übernahme von MONSANTO wie ein Abstieg erscheint. Daran ist aber nicht Berninger schuld, wie aus einem Vortrag des Kanadischen Rapszüchters Percy Schmeiser(damals 75 Jahre) am 8.Mai 2006 in der Kasseler Ingenieurschul-Aula hervorging.Die durch Freiherrn vom und zum Stein nach 1806 abgeschaffte Leibeigenschaft der Bauern schien MONSANTO in den USA und Canada durch Knebelverträge bei Raps- und Mais-Farmern wieder einführen zu wollen, bis Schmeiser beim höchsten kanadischen Gericht Recht bekam und der mit Round-up/Glyphosat garnierte Spuk zusammenbrach. Offen ist jedoch die Frage, ob MONSANTO nicht doch Recht hatte mit der Feststellung : „ohne Gentechnik keine Ernährungssicherheit für die wachsende Weltbevölkerung“. – Dietrich Bauer

 


 

 

Leserbrief zu „»Weißt du, wie schwer das war?«“ von Brigitte Fassbaender

 

Der Text beginnt m. E. mit einer Fehlmeldung: Frau Ludwig war zwar 93 Jahre alt, aber seit etlichen Wochen im 94. – Horst Behr

 


 

 

Leserbrief zu „Möbel für den Mittelbau“ von Anna Mayr

 

Vielen Dank für den sehr vergnüglichen Bericht über Ihr USM Haller Möbelstück. Das war eine Morgenlektüre, die mich vergnügt in den 1. Mai starten ließ. Ich kannte diese Möbelmarke vorher nicht. Ich denke jedoch ein Möbelstück bestimmt nicht über Ihre Identität. – Marko Becker

 


 

 

Leserbrief zu „Löwenzahn“ von Stefanie Flamm

 

„Der Löwenzahn braucht nur eine sanfte Brise, um neues Leben in die Welt der Blumen zu tragen.“ (Willy Meurer, 1934-2018, deutsch-kanadischer Publizist & Aphoristiker) Eigentlich gärtle ich schon mein ganzes Leben hindurch sehr gerne. Ich bin gerne von viel Botanik umgeben, mit Pflanzen, Bäume & Co., die ich selbst ausgesät habe, und die einfach so auf Gottes Acker groß gewachsen sind! – Riggi Schwarz

 


 

 

Leserbrief zu „Beste Grüße aus Sizilien!“ von Hannah Knuth und Jens Tönnesmann

 

Die Technik der Bitcoin ist neu, das Prinzip aber ist unter dem Namen „Schweizer Nummernkonto“ altbekannt. – Peter Pielmeier

 


 

 

Leserbriefe zu „Im Jahre der Frau 2021“ von Raoul Löbbert im ZEIT Magazin

 

Im Zeitmagazin Nr. 18 wird im Artikel „Im Jahre der Frau 2021“ die Ansicht vertreten, dass aus der katholische Kirche immer mehr Mitglieder austreten werden und sie untergehen wird, wenn nicht endlich das Zölibat aufgehoben wird und die Frauen zu allen kirchliche Ämtern zugelassen werden. Im Umkehrschluss muss man annehmen, dass sich die Kirchen nach dem Aufheben des Zölibats und der Zulassung der Frauen wieder füllen würden. Dem widersprechen aber Fakten. Die protestantische Kirche in Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten wesentlich mehr Mitglieder verloren als die katholische ganz ohne Zölibat, mit Frauen als Bischöfinnen und keinem Papst. Vielleicht sollte man da doch einmal tiefer bohren, warum der Schwund in beiden Kirchen so groß ist.

Liegt es daran, dass die Menschen heute denken, sie brauchen keine Religion mehr, die neue Religion ist die Wahrung des Wohlstands, damit hat man genug zu tun. Eine weitere Tatsache sollte nicht übersehen werden. Die deutschen Katholiken sind nur rund 2% der katholischen Weltkirche, die in den anderen Erdteilen eine Zunahme aufweist, die die Verluste in Deutschland bei weitem übersteigt. Da gibt es sicherlich noch viele andere weit größere Probleme zu überwinden als die, von denen einige bei uns glauben, dass sie die zentralen Probleme der katholischen Kirche sind. – Dr. Hartmut Franz

 

Zu Ihrem „Magazin“ am 29. April („Frauen in der Kirche“) sei angemerkt, dass der Jesuitenpater Peter Knauer SJ bereits vor Jahrzehnten auf die widersprüchliche Tatsache verwiesen hat, dass aus dem Christusbekenntnis des Petrus das Papstamt geworden sei, während aus dem gleichlautenden Christusbekenntnis der Schwester des verstorbenen Lazarus nichts Vergleichbares folgte. Zudem, so Knauer, waren doch wohl Frauen die Erstzeugen der Auferstehung ( so auch Maria Magdalena im Garten der Auferstehung). – Peter Pypelinx

 

Als rigoroser Antimonarchist kann ich es heute nicht mehr begreifen, dass sowohl königliche Monarchien als auch die Männermonarchie der katholischen Kirche heute noch Bestand haben. Warum sollen einige Menschen mehr Wert haben und gegenüber anderen (undemokratisch) höher gestellt sein? Ich kann den Frauen in diesem Artikel nur Respekt zollen und sie in Ihrem Tun ermutigen. Der Klerus ist nicht vom Himmel gefallen; warum sollten Frauen nicht eine eigene Kirche gründen (und auch Männer zulassen)? Nicht unerwähnt in diesem Zusammenhang möchte ich die kürzlich verstorbene Uta Ranke-Heinemann lassen, in Ihrer Arbeit eine Vordenkerin und –arbeiterin für die Sache von Maria 2.0. – Klaus Prinz

 

Als jahrzehntelang sozialisierter und tief überzeugter Katholik, der dann letztendlich den letzten bitteren Tropfen “ Verbot von Donum Vita“ durch. Rom/. Johannes Paul II zum Anlass des Austritts nahm, gratuliere ich zu diesem Artikel. Sowohl der Beitrag von Raoul Löbbert als auch die Schilderungen der 11 Frauen zeigen – ohne Polemik – mit großer Ernsthaftigkeit, den traurigen Zustand der Institution Katholische Kirche, der sich hoffnungslos im Gestrüpp der nicht korrigierbaren „ewigen Wahrheiten“ verheddert hat! Stellen Sie bitte diesen Beitrag – ich übernehme die Produktions – und Portokosten – den 27 deutschen Eminenzen zu. Auch das ohne jegliche Hoffnung auf Veränderungen…denn ein Papst kann das Wort seiner Vorgänger nicht korrigieren!/ – Hans-Joachim Vogel

 

Mit Interesse las ich Ihren Artikel „Aufstand der Katholikinnen“. Es gab 1870 eine Gruppe katholischer Laien, die bei dem Unfehlbarkeisdogma nicht mitmachen wollte. Heute ist dies die Altkatholische Kirche Deutschlands, deren Mitglied ich bin. “ Alt“ meint hier vorkonziliar. Wir haben ein Imageproblem aufgrund des Namens; altkatholisch klingt schlimmer als „Piusbrüder“ oder „Legionäre Christi“. Aber eigentlich sind wir eher eine Alternative zu den Römern. ( obgleich das Wort „Alternative“ Geschmäckle hat und leider auch nicht mehr nutzbar, Sie wissen, warum) Bei uns gibt es u.a. Priesterinnen, verheiratete Priester, einen anderen Umgang mit Geschiedenen, Schwulen und Lesben… und ja, wir zahlen altkatholische Kirchensteuern, sind keine Sekte. Ich würde mich freuen, wenn Sie über uns berichten. – Karin Wichelhaus

 

Selbstermächtigung. In den letzten Tagen habe ich zwei Artikel gelesen: „Katholische Kirche: Im Jahre der Frau 2021“ im ZEITMAGAZIN und ein Interview mit Kardinal Müller bei kath.net, auch vom 28.4.2012. Und da kam mir das Wort des Konzilspapstes Johannes XXIII. in den Sinn: „Traditionheißt: das Feuer hüten, nicht: die Asche aufbewahren.“

Was Müller als Aushängeschild der Reaktionäre hier zu bieten hat, ist eine Theologie von vorgestern, mag er sich noch so sehr darauf versteifen, es sei die katholische Wahrheit schlechthin. Auf die Botschaft des Mannes aus Nazaret kann sie sich jedenfalls nicht berufen. Müller spricht z.B. von den Bischöfen als Nachfolgern der Apostel; die Nachfolgerinnen der Maria von Magdala, der „Apostolin der Apostel“, kommen in seinem Denken aber nicht vor und werden bis heute totgeschwiegen.

Wie wohltuend der Satz aus dem Artikel von Raoul Löbbert über das selbstbewusste Auftreten der Frauen von Maria 2.0: „Dabei berufen sie sich, auch das ist neu, aufs Evangelium – ein Dokument der Liebe, der Freiheit, des Mitgefühls, der Gerechtigkeit. Mal reinzuschauen kann nie schaden. Man lernt als Mann wie als Frau: Macht über andere macht nicht frei. Das vermag nur die Selbstermächtigung.“

Eine „katholische“ Kirche, wie sie sich heute geriert, gibt es erst seit 150 Jahren, seit dem 1. Vatikanischen Konzil mit dem Dogma der Unfehlbarkeit und des Jurisdiktionsprimats. Das System kann sich aber nicht selbst zum Glaubenssatz erheben! Reformgruppen wie die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirchesetzen sich seit über 25 Jahren für eine evangeliumgemäße Kirche ein. Nach einem Vierteljahrhundert müssen wir jedoch feststellen: „Wem nicht zu raten ist, dem ist nicht zu helfen“; mehr noch: „Wer nicht hören will, muss fühlen“. Ermächtigen wir uns selbst! Unsere Kirche hat nur dann Zukunft, wenn wir auf Gott vertrauen, von dem es im Magnificat heißt: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.“ – Magnus Lux

 

Raoul Löbbert schreibt : „Die katholische Kirche steht vor einer Entscheidung : Entweder sie ändert sich, oder ….“ — Warum 15 Seiten im Zeit Magazin zum Thema Kirche ? Religionen und Kirchen sind doch menschengemacht. Männer und Frauen ohne Fehler gibt es nicht. Es kann doch so einfach sein : Warum nicht an die unendliche Kraft der Liebe glauben ? Die Liebe enthält doch die entscheidenden Werte. Zum Beispiel : Gewaltlosigkeit, bedingungslose liebevolle Zuwendung zu allen Menschen und Tieren auf der Erde, Hilfsbereitschaft, Fairness, Schutz der Umwelt und somit Schutz der Zukunft unserer Enkel/Ur…enkel. Natürlich könnte man mit diesem Glauben die katastrophalen Folgen des durchschnittlichen Lebensstils der Industriestaaten nur langfristig verhindern. Aber es ist m.E. der einzige Weg. — Der Kategorische Imperativ von Kant ist ebenfalls eine ideale Lebens-Richtlinie. – Volker Freiesleben

 

Nun folgen einige Zitate über Gott und die Kirche von Menschen, die in der Schweiz geboren sind: „Die Erde, die Gott geschaffen hat, bewegt sich unaufhörlich. Doch Gottes Kirche sollte unbeweglich bleiben?“ „Einige Päpste und Bischöfe wälzen Probleme, die ihre Halbwertszeit längst hinter sich haben.“ (beide Zitate: Walter Ludin, *1945, schweizer Journalist, Redakteur, Autor & Aphoristiker) „Abendgebet für Priester: Bitte vergib mir, dass ich immer noch an die Verbesserungsfähigkeit der Amtskirche und der Glaubenshüter glaube.“ (Irene Bento, *1935, schweizer Lehrerin) „Das Zölibat ist unmenschlich und unbiblisch.“ (Hans Küng, 1928-2021, schweizer Theologe und Autor) – Klaus P. Jaworek

 

Die elf Berichte habe ich mit großem Interesse gelesen. Sie zeigen Probleme auf, die etwas mit Macht, Einfluss und innere Haltung der Menschen in den Führungsfunktionen der Kirchen zu tun haben. Besonders klar und deutlich haben das die Schriftstellerin Barbara Frischmuth und die Studentin Iva Jahres herausgestellt. Die aufgezeigten Missverhältnisse beschränken sich jedoch nicht auf die Institutionen der Kirchen. Sie sind in anderen Bereichen der Gesellschaft ebenso allgegenwärtig. Für die Funktionäre in der Politik gibt es ebenfalls nur ein Ziel: Mandat sichern und aufsteigen. Dieses Denken schränkt ebenfalls das Denken und Entscheiden ungeheuer ein. Absurder, unbegrenzter Reichtum ist Vorbild für Inhaber von Führungspositionen in Wirtschaft, Politik, Sport, ARD und überall dort, wo die Strukturen sich verselbstständigt haben. Dort werden Vergleiche herangezogen, die Jahresgehälter ab 250.000 € aufwärts rechtfertigen sollen.

Der Nebenerwerb der überlasteten Richter (Verfahren werden wegen Fristüberschreitung eingestellt) und der Mitglieder des Bundestages sind ebenso Zeichen der Unersättlichkeit wie die Sitzungsgelder, die Bundestagsabgeordnete zusätzlich zu ihren Diäten und zum persönlichen Aufwand für Tagungen des Bundestages und seiner Ausschüsse erhalten. Absurd sind m. E. Die Größenordnungen, in denen dort gedacht und entschieden wird. Die Notwenigkeit der Zahlung eines „Sitzungsgeldes“ für Tagungen des Bundestages und seiner Ausschüsse an die Abgeordneten erschließt sich mir nicht. Während für die Einen Beträge ab fünfzig Euro nennenswert sind, beginnen diese Grenze für Andere ab fünfhundert bzw. Tausend Euro. So sind Schritt für Schritt die Maßstäbe der Vernunft verloren gegangen. Mit freundlichem Gruß und einem Dankeschön an die Offenheit und Ehrlichkeit der Frauen, die die geschilderte Situation nicht mehr ertragen können. In der politischen Basis gibt es ebenfalls nicht wenige, die versuchen, sich in den Parteien zu betätigen. Innerlich sind sie verzagt und fragen sich, wie lange noch. – R. Renaux

 

Ich gehöre zu den „alten“ Katholiken, 56 Jahre, Mann. Die ganzen Argumente der Kritiker sind mir bekannt – aber ich glaube halt an Christus und die Kirche – trotz alledem. Der erste Teil von dem Artikel hat mich nicht vom Hocker gerissen – da sind viele Allgemeinplätze enthalten, nichts wirklich Neues. Aber die einzelnen Statements der Frauen, die haben ich mich echt betroffen gemacht. Ich konnte den Schmerz spüren – ich fühlte etwas wie in Joh 2 – den Ärger von Jesus mit den Opfertierhändlern und Geldwechslern: „Schafft das hier weg – macht das Haus nicht zu einer Markthalle“ – es ist sehr schade, wenn Gläubige durch die Kirche aus der Kirche vertrieben werden.

Etwas scherzhaft gesprochen, habe ich in Gedanken Jesus gehört: „Mensch Kirche, ich habe mit der Frau am Jakobsbrunnen gesprochen, ich habe die Ehebrecherin vor der Steinigung bewahrt, ich bin mit Maria und Martha befreundet, die Frauen standen unter dem Kreuz und kamen zum Grab – ich bin Maria Magdalena erschienen und und und. Ich habe am Pessach Abend einfach viele Dinge im Kopf gehabt – das ist nun mal bei den Juden ein Männerabend – und das mit der Fußwaschung war mir wichtig: wenn da noch Frauen dabei gewesen wären – die anderen hätten einen Aufstand gemacht. Und weil ich an diesem Abend nur mit Männern war, daher sollen keine Frauen Priester werden? …. Ihr habt es noch immer nicht verstanden“ – Stephan Siegel

 

Es gibt einen Grund, warum die katholische Kirche ihren weiblichen Mitgliedern die Priester*innen-Weihe und die Beteiligung an der Macht nicht gibt: sie hat größere Fragestellungen und die haben vor allem mit Machtfragen zu tun. Zuletzt hat man bei der Nazi-Diktatur gesehen, dass die Kirchen es nicht vermochten, die Menschlichkeit über den Erhalt ihrer Macht-Organisation zu stellen. Kirche besteht nämlich im eigentliche Sinne auch dann noch weiter, wenn die kirchliche Hierarchie beseitigt wurde und besteht dann vielmehr eigentlich – anders konnte das eigentliche Christentum ja auch nicht entstehen. Ich habe vor allem die Beiträge der Frauen katholischen Glaubens gelesen. Was mir auffällt, ist, dass sie alle die evangelische Kirche nicht als Alternative in Erwägung ziehen. (bis auf ein Beispiel, wo dies verworfen wurde).

Es muss also etwas faszinierendes Kraftvolles im Katholizismus sein, das man unbedingt in die Moderne retten möchte. Die nun spannende Frage ist, ob dieses Kraftvolle, Faszinierende überhaupt ohne die Organisation des päpstlich zentralistisch geführten Vereins existieren kann, und sei es nur die Kontinuität der Tradition. Wenn nein, dann wären diese Katholikinnen in gewisser Weise, ohne sich dessen bewusst zu sein, durch die Wirkung des Machtapparates korrumpiert. Wenn ja, wäre es Zeit, eine neue Kirche zu gründen. Es könnte aber sein, dass der Gründungsprozess schon seit über hundert Jahren im Gange ist, nur eben nicht als weltweit oder national agierende Organisation sondern als eine geistige Gemeinschaft von Gläubigen, die sich eher konfessionslos in einer geistigen Kirchengemeinschaft finden, ohne groß aufzufallen (indem sie ein Kirchenbekenntnis äußerten).

Und diese gegenwärtige Gemeinschaft könnte die tragende Säule der menschlichen Zivilisation sein, was nicht ausschließt, dass Einzelne zweckmäßigerweise nach wie vor in den konfessionellen Kirchen mitwirken. In seiner neunten Elegie hat R.M.Rilke das (aus meinem Empfinden) angedeutet: . . . Aber weil Hiersein viel ist, und weil uns scheinbar alles das Hiesige braucht, dieses Schwindende, das seltsam uns angeht. Uns, die Schwindendsten. Ein Mal jedes, nur ein Mal. Ein Mal und nichtmehr. Und wir auch ein Mal. Nie wieder. Aber dieses ein Mal gewesen zu sein, wenn auch nur ein Mal: irdisch gewesen zu sein, scheint nicht widerrufbar. . . .

Hier ist des Säglichen Zeit, hier seine Heimat. Sprich und bekenn. Mehr als je fallen die Dinge dahin, die erlebbaren, denn, was sie verdrängend ersetzt, ist ein Tun ohne Bild. Tun unter Krusten, die willig zerspringen, sobald innen das Handeln entwächst und sich anders begrenzt. Zwischen den Hämmern besteht unser Herz, wie die Zunge zwischen den Zähnen, die doch, dennoch, die preisende bleibt. Wo Staat – Macht – Geld auch noch Die Kirche im Bund haben, ist das Eigentliche der Kirche, auf das es ankommt, schon längt verschwunden. Die wahre Kirche als geistige Kraft der Gemeinschaft der Menschen kann nur da sein, wo jede Korruption durch Geld und Macht ausgeschlossen sind. So jedenfalls trat das Christentum einst in Erscheinung. Insofern ist die Frage nach der Stellung der Frau in der katholischen Kirche aus meiner Sicht irrelevant, außer mit dem Ziel, die katholische Kirche aufzulösen. – Uwe Mannke

 

Vielleicht kann man die Reformation auch als Männerrevolte verstehen: Priester, Fürsten und Künstler hatten die Bevormundung Roms einfach satt. Jetzt legen die Frauen nach: Klug, bibelkundig und glasklar fordern sie eine Reformation der „einen heiligen katholischen (=weltweiten) Kirche“. Vor 500 Jahren tat dies in Wittenberg ein kluger bibelkundiger Mönch, der eine ebenso kluge bibelkundige Nonne heiratete. Beide setzten sich damit in Widerspruch zur römischen Lehre von Kirche, Priesteramt und Zölibat. Es steht zu hoffen, dass die klugen katholischen Frauen von heute nicht ebenso abserviert werden wie die Männer damals. Daher: Bischöfe, höret die Signale! An Bibel und Vernunft orientiere Christ/inn/en brauchen Rom nicht. Aber Rom in diesem, hoffentlich letzten derartigen Gefecht die Glaubwürdigkeit solcher Christ/inn/en.

Und: Die ZEIT hat eigentlich nur einen einzigen Nachteil: erst im Ruhestand hat man wirklich Zeit, im Blatt über die Woche hinweg, morgens intensiv zu schmökern. Im Berufsstress bleibt meist nur die kursorische Lektüre und das Stapeln von Artikeln… Im Nachhinein wirklich schade. Aber ansonsten wirklich großes Lob! – Willi Stöhr

 

Sehr richtig verweist Raoul Löbbert in seinem einleitenden Essay zum „Jahr der Frau 2021“ auf das päpstlichen Unfehlbarkeitsdogma vom 18. Jul. 1870. Das war zwar nicht die „Erfindung des Katholizismus“ sondern eher die Verabsolutierung des Romanismus – deshalb „römisch katholische Kirche“, wie Lisa Kötter als einzige der zitierten Frauen korrekt schreibt. Aber richtig ist: „Seitdem ist die Kirche nicht mehr dieselbe“, denn, wie der Münchener Theologe Ignaz von Döllinger 1870 den seinem Erzbischof Gregor Scherr bei seiner Rückkehr vom I. Vatikanum in Rom entgegnete, als dieser ihn zur Unterwerfung aufforderte: „Man hat in Rom eine neue (Kirche) gemacht.“

Dabei wusste der Erzbischof damals noch gar nichts von dem wichtigen päpstlichen Zusatz, dass sich der Papst „ex sese, non autem ex consensu ecclesiae“ – aus sich selbst, nicht durch Zustimmung der Kirche – unfehlbar sei. Döllinger und seine Anhänger, die Alt-Katholiken, wurden von Rom exkommunizieret und mussten eigene Bistümer errichten, wie das „Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland“. Bei den Alt-Katholiken gibt es seit Jahrzehnten katholische Priesterinnen, der Zwangszölibat wurde schon im 19. Jahrhundert abgeschafft und es gibt eine demokratisch („synodal“) gewählte Kirchenleitung. Es gibt hier nur „Gleiche unter Gleichen“.

Aber eine menschliche Gemeinschaft, auch das Volk Gottes, kommt auf die Dauer ohne Leitungsorgane nicht aus. Leider erwähnt keine der zitierten Frauen die Alt-Katholiken, bei denen Ihre Forderungen seit Menschengedenken erfüllt sind. „Die Bewegung müsste richtig groß werden“, wie die Kölner Politikwissenschaftlerin Johanna Pulheim sich richtig wünscht. Aber wie soll das gehen, wenn man seine ebenfalls katholischen Geschwister im Geiste nicht nennen und nicht kennen will? – Ewald Keßler

 

Die Artikel im letzten ZEIT MAGAZIN über den Aufstand der Frauen in der Katholischen Kirche waren aufrührend und schonungslos – ein hervorragender Beitrag zur Aufklärung und Ermutigung zum Beenden der Entmündigung durch die Kirchen. Ich bin der Meinung, dass sich DIE Zeit nun auch dem nächsten heissen Eisens annehmen sollte – DAS KONKORDAT. Sicher ein komplexes und für Laien schwer verständliches Thema – auch ich habe nur vage Vorstellungen der rechtlichen, finanziellen , politischen und gesellschaftlichen Facetten des Konkordats, das ja bis heute wirkt. Die Tatsache, dass immer mehr Menschen den Kirchen den Rücken kehren, sollte auch eine zeitgemässe Überprüfung und Neuregelung möglich machen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass unser Staat eine unzeitgemässe, in rechtlichen Grauzonen operierende Macht wie die Katholische Kirche weitermachen lässt und nicht staatliche Hoheit anwendet.

Für eine aufgeklärte Leserschaft wäre es sicher informativ zu erfahren, in welchem Maße die Katholische Kirche auch heute noch von den veralteten Inhalten des Konkordats profitiert – kurz gesagt, in welchem Maße der Staat noch immer finanzielle Verpflichtungen wie die Entlohnung der Priester leistet, die ja eigentlich über die Kirchensteuer bezahlt werden sollten. Für jeden, der der Kirche den Rücken kehrt, ist diese meines Wissens nach noch immer bestehende Tatsache nicht nachzuvollziehen! Sicher ein heisses Eisen – DIE ZEIT sollte es anpacken!! – Dieter Simmerling

 

In vielen Statements der zitierten Frauen habe ich mich wiedergefunden. Ich habe als katholische Lehrerin für Mathematik und Sozialwissenschaften 37 Jahre lang an einem katholischen Mädchengymnasium gearbeitet und habe den Widerspruch zwischen christlichem Menschenbild einerseits und der hierarchischen Struktur der Amtskirche hautnah erfahren. Als junge Lehrerin, geprägt von Willy Brandts Aufruf: „Mehr Demokratie wagen“, habe ich erlebt, dass sich die Klosterschule in der Trägerschaft des Sacrè-Coeur-Ordens Ende der 80-er Jahre eine moderne Schulmitwirkungsordnung mit paritätischer Besetzung der Schulkonferenz – die Hälfte Lehrer*innen, ein Viertel Schülerinnen, ein Viertel Eltern – gab. Schwester Isa Vermehren, bekannt als erste Frau, die das „Wort zum Sonntag“ sprechen durfte, hat nach ihrer Pensionierung als Schulleiterin der Sophie-Barat-Schule in Hamburg, 1982, dem vom Orden bestellten Schulleiter als Vertreterin des Schulträgers auf die Finger geschaut und kassierte als allererstes diese Mitwirkungsordnung, indem sie den Satz:

„Die letzte Entscheidung in allen wichtigen Angelegenheiten, die die Schule betreffen, hat der Schulträger“, den sie kraft ihrer Macht als Vertreterin des Schulträgers einsetzte. Als ich mich mit Kolleg*innen zusammen in einem Brief gegen diesen Satz auflehnte, warf sie mir „hypertrophes Demokratieverständnis“ vor, was mich in eine Identitätskrise stürzte. Ich habe dann erst mal eine Familie gegründet. Als die Schule 1986 vom Erzbistum Köln übernommen wurde hat man als erstes von allen Lehrerinnen und Lehrern die katholische Taufurkunde, die kirchliche Heiratsurkunde und die Taufurkunden der Kinder verlangt. Evangelischen Kolleg*innen wurde unmissverständlich mitgeteilt, man werde sie zwar weiter beschäftigen, aber nicht mehr befördern. Die Klage einiger evangelischer Oberstudienrät*innen vor dem Arbeitsgericht war erfolglos, denn Beförderungen sind grundsätzlich nicht einklagbar.

Was mich besonders gestört hat war die ablehnende Haltung des Erzbistums Köln zur Ökumene. Man hat allerdings weder evangelische noch konfessionslose Schülerinnen abgewiesen, sie mussten sich nur zwischen der Teilnahme am evangelischen oder katholischen Religionsunterricht entscheiden. Zuerst hat man den traditionellen ökumenischen Abiturgottesdienst abgeschafft, der für alle nach außen sichtbar dokumentiert hatte, dass christliche Schülerinnen in dieser Schule neun Jahre lang gemeinsam gelernt und sich zu Persönlichkeiten entwickelt haben. Das Erzbistum als Schulträger bestand darauf, dass für evangelische Schülerinnen ein separater Abschlussgottesdienst getrennt von der katholischen Messe stattfinden müsse und hat sich durch kein Argument überzeugen lassen.

Die Schülerinnen und Kolleg*innen waren sehr aufgebracht und haben demonstrativ an beiden Gottesdiensten teilgenommen, was der Abiturentlassungsfeier die Dimension einer Wagner-Oper gegeben hat. Als die Schulleitung eine Kontrolle der Anwesenheit der Schülerinnen im Gottesdienst durch die Klassenlehrer durchsetzen wollte habe ich mich geweigert, als „Blockwart“ eine solche Aufgabe auszuführen, wir haben uns aber als Klassenlehrer*innen verpflichtet, an allen Gottesdiensten der Klasse als Vorbild teilzunehmen. Damit gab sich die Schulleitung zufrieden. Schulgottesdienste wurden übrigens immer von Klassen und Kursen in Absprache mit den Schulpfarrern vorbereitet. Schülerinnen konnte ihre wichtigen Anliegen in den Schulmessen artikulieren und Texte im Rahmen der Liturgie weitgehend selbst gestalten und auswählen.

Nachdem ich vor fünf Jahren in den Ruhestand gegangen bin habe ich nur noch anlässlich von Familienfesten und Beisetzungen an Gottesdiensten teilgenommen und bin erstaunt, wie wenig die katholische Kirche selbst im Rheinland noch eine Rolle spielt. Es ist mir unverständlich, mit welchen Verstößen gegen verfassungsmäßig garantierte Grundrechte die katholische Kirche als Tendenzbetrieb heute noch durchkommt. Keine andere Institution kann es sich erlauben, Frauen aus ihrer spirituellen Leitungsebene wegen des Geschlechts auszuschließen. Auch der Umgang mit hochkarätigen Theologieprofessoren wie Eugen Drewermann und Hans Küng hat mich sehr befremdet. Immerhin hat man 1992 Galileo Galilei rehabilitiert.

Die katholische Amtskirche hat den Bonus, den sie in meiner Generation noch bei vielen katholisch sozialisierten Kindern hatte, durch ihr unzeitgemäßes und engstirniges Verhalten verspielt. Der Ansturm auf die Termine zum Kirchenaustritt spricht eine deutliche Sprache. Auf der anderen Seite hat man sich an der Schule, an der ich gearbeitet habe, sehr um jede einzelne Schülerin bemüht und keine ohne einen Abschluss gehen lassen. Das christliche Menschenbild als Leitlinie in Offenheit und Toleranz zusammen mit einem hohen Bildungsanspruch ist für viele Eltern immer noch ein Anreiz, ihre Kinder Schulen in katholischer Trägerschaft anzuvertrauen. – Ursula Hartlapp-Lindemeyer

 

Im Essay wird aus dem 1. Timotheusbrief zitiert und dieser Brief wird hier Paulus zugeschrieben. Der Brief entstammt aber der Rezeption des Paulus im 1. Jahrhundert und ist einer der Pastoralbriefe. Es ist unwahrscheinlich, dass Paulus Verfasser des Briefes ist, inhaltlich-theologisch wie sprachlich-stilistisch. Der Brief ist Zeugnis dafür, dass in nachpaulinischer Zeit die praktizierte Gleichberechtigung der jesuanischen Nachfolgegemeinschaft – wie sie noch von Paulus in Gal 3,28 überliefert wird – allmählich wieder durch vertrautere gesellschaftliche Muster in den Hintergrund gedrängt wird. Gemeindestrukturen wie sie in den Pastoralbriefen anfanghaft aufkeimen, gibt es in den paulinischen Gemeinden nicht.

Paulus ist ein Netzwerker, arbeitet mit Frauen und Männern zusammen, die gleichermaßen Dienste wahrnehmen: so gibt es die Diakonin Phöbe, die Apostelin Junia, die Gemeindeleitung des Paares Priska und Aquilla oder die der Lydia, um nur einige zu nennen. Er hält Kontakt über Briefe. In den paulinischen Gemeinden gibt es aber noch keine Ämterstruktur, das Prinzip ist die Geistbegabung eines jeden Menschen: „Wisst ihr nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Kor 3,16).

Häufig wird dann noch die Stelle aus einem tatsächlichen Paulusbrief zitiert, dass die Frauen in der Gemeindeversammlung schweigen sollen (1 Kor 14,33-35) – auch diese Aussage passt nicht in die Theologie und Gemeindepraxis des Paulus und ist eher als redaktionelle Überarbeitung in nachpaulinischer Zeit zu werten. Eine gute Übersicht über Paulus, seine Briefe und seine Theologie und die Rezeptionsgeschichte bietet das theologische Standardwerk: Oda Wischmeyer (Hg.), Paulus. Leben-Umwelt-Werk-Briefe, Tübingen 2006. – Christiane Friedrich

 

Ja, die römisch-katholische Kirche ist reformunfähig. Die Bewegung Maria 2.0. ist zwar der z.Z. letzte Versuch, diese sklerotische Hierarchie zu reformieren. Aber es hat in den 2 Jahrtausenden des Christentums zahlreiche Versuche dieser Art gegeben. Der letzte einigermaßen erfolgreiche führte zur Kirchenspaltung – vor 500 Jahren. Verständlich ist, dass eine Glaubensorganisation darüber wacht, dass keine „falsche Lehre“ die Gläubigen verwirrt; der Kampf gegen Ketzer ist immanent. Aber die römische Kirche ist selber an den Rand der Ketzerklippe gerückt und droht nun hinabzustürzen. Es war im Mittelalter – also rd 1000 Jahre nach ihrer Gründung – für Christenmenschen höchst gefährlich, die Kirche zu kritisieren oder auch nur durch gelebte Mitmenschlichkeit die Autorität der „heiligen Herrschaft“ in Frage zu stellen: ist Franz von Assisi dem Verbot seiner Anhängerschaft noch entgangen, die Waldenser haben es in aller Schärfe zu spüren bekommen.

Ähnlich erging es Jan Hus und seinen Anhängern, den Hussiten, die einen Religionskrieg entfachten, als Auftakt für die Auseinandersetzungen, die einhundert Jahre später mit Martin Luther und vielen anderen Reformatoren eine breite Unterstützung nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa fanden. Zudem stand sie auf Kriegsfuß mit den Naturwissenschaften, wie das Beispiel Galileo Galilei belegt. Immer war es die römische Hierarchie, die jede inhaltliche Diskussion verweigerte, Unterwerfung verlangte und ggf. die Abweichler auf den Scheiterhaufen stellte. Daher war es nicht das 1. Vatikanum, das den Charakter der Kirche verändert hat mit den Dogmen der Unfehlbarkeit des Papstes sowie der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel. Das hat nur zur Abspaltung der Altkatholiken geführt, ein verschmerzbarer Verlust. Vielmehr hat es ihn verdeutlicht. Wer dieser verknöcherten Institution Beine machen will, muß wissen: Sie wird nicht laufen lernen, sondern stolpern – in den Abgrund. – Wolfgang Phillips

 

Ich kann Sie nur beglückwünschen zu diesem hervorragenden Artikel! Besser kann man den erschreckenden Zustand der katholischen Kirche nicht beschreiben. Blickt man in die Zukunft, so ist sogar die Zerstörung der Erde von dieser Kirche mit verursacht. Vor gut 200 Jahren (1804) betrug die Weltbevölkerung 1 Milliarde Menschen. Medizinischer Fortschritt, Impfungen, Massentierhaltung und die brutale Ausbeutung der Böden durch die heutige „moderne“ Landwirtschaft machten diese unglaubliche Vermehrung des Menschen möglich.

Die heraufziehende Klimakatastrophe, deren Folgen wir heute, da wir alle auf das Coronavirus starren, nur ahnen können, ist vermutlich nicht mehr aufzuhalten. Wir hoffen ja alle, dass das Virus bald besiegt ist und wir dann wieder um die Erde fliegen können wie vorher. Deshalb retten wir ja auch mit großer Priorität die Luftfahrtunternehmen. Mahner gibt es viele. Ein Versiegen des Golfstroms würde Europa in eine Eiswüste verwandeln. Das Abtauen der Gletscher und der Polkappen ist in vollem Gange.

Die Weltbevölkerungskonferenz von 1994 in Kairo hat mit dem Begriff „Reproduktive Gesundheit und reproduktive Rechte“ das Grundrecht aller Paare und Individuen festgeschrieben, eigenverantwortlich über Zahl und Zeitpunkt der Geburt ihrer Kinder entscheiden zu können. Die Planung der eigenen Fortpflanzung sollte ohne Diskriminierung, Zwang oder Gewalt erfolgen. Damit wird also jedem Menschen –auch den Frauen- das Recht zugesprochen, über seine/ihre Sexualität frei zu entscheiden und dafür Zugang zu entsprechenden Verhütungsmitteln zu erhalten. Dieses gute und vernünftige Konzept geht aber über das reine Verteilen von Verhütungsmitteln hinaus und verfolgt einen ganzheitlichen, entwicklungspolitischen und menschenrechtlichen Ansatz. Aufklärung, Zugang zu Bildung und vor allem veränderte Rollenbilder gehören dazu.

Doch wie sieht die Realität heute im Jahr 2021 tatsächlich aus. In den westlichen Ländern stagniert die Bevölkerungsentwicklung. Doch in den Entwicklungsländern, vor allem dort, wo Frauen keine Rechte, keine Bildung, keine Ämter und damit keine Macht und keinen Zugang zu Verhütungsmitteln haben, dort wächst die Bevölkerung in unvorstellbarem Ausmaß, nämlich um 78 Millionen Menschen pro Jahr. Die Einstellung der katholischen Kirche zu Empfängnisverhütung ist hinreichend bekannt. Ebenso das Ämterverbot für Frauen und die menschenverachtende katholische Sexualmoral. Auch im Islam sind die Rechte von Männern und Frauen keineswegs gleich. Männer können mehrere Frauen haben und beten getrennt von den Frauen.

Überall dort auf der Welt, wo Frauen nicht die gleichen Rechte haben wie die Männer, wächst die Weltbevölkerung. Wohl kämpfen Frauen zunehmend um ihre Rechte, doch gerade die großen Weltreligionen verhindern mit ihren alten Dogmen ihren Erfolg. Leider ist nicht zu erwarten, dass der Islam oder die katholische Kirche an ihren Grundfesten rütteln. Die Katastrophe nimmt wohl ihren Lauf. Man rechnet im Jahr 2050 mit 10 Milliarden Menschen auf der Welt. Man müsse nur die produzierten Lebensmittel richtig verteilen, dann sei alles machbar, so die Meinung des katholischen Klerus. Welch eine Ignoranz der Probleme. Die einzige Hoffnung besteht darin, dass die Frauen sich ihre Unterdrückung nicht weiter bieten lassen, zur Rettung der Welt. – Norbert Braun

 

Es ist nun allerhöchste Zeit, dass Gott seine Tochter in die Welt sendet. – Bettina Lemke

 

Wer in der katholischen Kirche sozialisiert wurde, hat es genauso erlebt, wie es die Frauen gerade auch meiner Generation, die heute in den Sechzigern sind, schildern. Trotz der Wunden, die mir das System Kirche im Laufe der Zeit zugefügt hat, habe ich es bis heute ausgehalten, in dieser Kirche zu sein, mitzuarbeiten, mit zu gestalten. Dabei lag und liegt mir die Ökumene besonders am Herzen. Nun werde ich gehen. Vertuschung von Missbrauch, Umgang mit den Frauen in der Institution, Umgang mit Andersgläubigen, verpasste Chancen in der Ökumene – ich kann es nicht mehr mittragen. Meine ersparte Steuer werde ich spenden. Meinen Glauben an das Evangelium werde ich behalten. Meine Meinung werde ich weiterhin fehement vertreten. Ich glaube nämlich schon lange nicht mehr daran, dass man im System Kirche sein muss, um etwas zu verändern. – Vera Lienkamp-Högner

 

Danke für die Statements der befragten Frauen, sie sprechen mir damit aus der Seele! Ich bin selbst seit meiner Kindheit in der katholischen Kirche aktiv, war auf einem katholischen Gymnasium, habe Gruppenstunden und Sommerfreizeiten bei der KJG organisiert und geleitet und singe bis heute im Kirchenchor mit. Ich kann und will nicht länger tatenlos dabei zusehen, wie meine Kirche vor die Hunde geht, wenn sie (und damit ist v.a. das männliche Bodenpersonal in den Führungsetagen gemeint) nicht endlich nach dem Grundsatz handelt, den Jesus vorgelebt hat, nämlich :“liebe deinen Nächsten wie Dich selbst“.Damit ist eigentlich alles gesagt. Amen. – Julia Arnold

 

Es freut uns, dass die kath. Frauenbewegung Eingang ins ZEIT-MAGAZIN gefunden hat und so auch unterstützt wird. Die elf Stellungnahmen von Katholikinnen zeigen eine Bandbreite des persönlichen Umgangs mit der Geschlechterapartheit in der röm.-kath. Männerkirche. Herr Löbbert analysiert sehr genau die ganze Misere, in der der römische Katholizismus steckt. In einem Punkt müssen wir allerdings widersprechen. Nicht erst seit Maria 2.0 verlangen Katholikinnen ihre Rechte in dieser Kirche. Frühere „Kämpferinnen“ werden verkannt, wenn gesagt wird, sie hätten um die „Anerkennung des Systems gebuhlt“. Schon zu Beginn des 2. Vatikanischen Konzils, dann durch die feministische Theologie und Geschichtsforschung, durch Initiativen für Gleichberechtigung und Anerkennung der Berufungen von Frauen wie des Maria von Magdala e.V. oder die Aktion Lila Stola der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche wurde die Geschlechterdiskriminierung benannt und Änderungen verlangt; sog. „Trostweihen“ wurden immer abgelehnt.

Auch haben engagierte Frauen viel riskiert und ebenso viel Ausgrenzung erfahren, vor allem, wenn sie auf die Anerkennung durch die Kirche in ihrem Beruf angewiesen waren. Vielen wurde die Lehrerlaubnis entzogen oder erst gar nicht erteilt. Sie mussten mit „niedrigen“ Stellungen vorliebnehmen, das Fach wechseln oder ins Ausland gehen. Aber diese Frauen haben das Fundament für die heutige große Bewegung gelegt und sollten nicht als „Buhlerinnen des Systems“ diskriminiert werden. – Angelika Fromm

 

Seit 2000 Jahren sind die Frauen das Fußvolk einer dem Leben und Wirken Jesu geweihten Gemeinschaft von Christen. Es wurde daraus eine patriarchalisch aufgebaute Ur-Kirche die natürlich von ihrer Zeit, der Antike, geprägt war. Eine spezielle Meinung von Jesus über die Frauen scheint nicht vorzuliegen und so wurden die katholischen Gläubigen von ihrer Kirche gezwungen, deren fatale Herabwürdigung der Frauen als natürlich hinzunehmen obwohl die Rolle Marias als Gottesmutter Jesu mit der Mariologie theologisch fixiert wurde. Sie wird dort als Gottesgebärerin, oder auch Gottesmutter, bezeichnet und ihre immerwährende Jungfräulichkeit als Glaubenssatz festgeschrieben. Deshalb wundert es einen immer wieder wie die katholischen Hierarchen trotzdem die „gewöhnlichen Frauen“ als minderwertige menschliche Wesen in eine Rolle pressten, die sie mehr als Diener der männlichen Herrschaft denn als gleichwertige Menschen vor Gott sahen.

Hier tut sich der eklatante Widerspruch auf zwischen den Werten die Jesus den Christen vermittelte und einer Kirche die glaubte, bei der Durchsetzung ihres primitiv-menschlichen Machtanspruchs mit der Unterdrückung der Frauen mehr Erfolg zu haben. Genauso wundert es einen aber auch wie sehr die Frauen aus dieser ihnen von der katholischen Kirche zugewiesenen Rolle nicht herausfanden. Klar, vor wenigen Jahrhunderten wurden „aufmüpfige Frauen“ von der Kirche kurzerhand als Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Heute, aber auch schon seit der Aufklärung, können Frauen ihr Leid freier artikulieren und sinnvollen Widerstand gegen eine verbohrte und verlogene katholische, immer noch von Männern dominierte Kirche leisten. Als Vorschlag zur Güte an alle katholischen Frauen : „Droht dem Papst mit eurem Austritt aus der Amtskirche und entfacht damit eine Kraft, die eine verlotterte Kirche zu grundlegenden Reformen zwingt.“ Nach dem Aufstand Luthers gegen seine Kirche vor einem halben Jahrtausend wird es Zeit für eine weiblich gesteuerte Reformation. – Klaus Reisdorf

 


 

 

Leserbriefe zu „Über Sternchenpausen, Bösewichtinnen und neue Erwerbsquellen für den Duden“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

 

Wann gönnt ihr euch und uns endlich einen neuen Kolumnisten? Oder wenigstens eine*n Neue*n zusätzlich im Wechsel? Jede Woche schreibt Harald Martenstein dasselbe und es ist so dermaßen selbstgefällig, dass ich Durchfall davon kriege. (Die obige Nutzung der Gendersternchen hat mich exakt halb soviel Zeit gekostet, wie Harald Martenstein braucht um zu betonen, warum er keine benutzt – ich pflanze und setze also doppelt so viele Apfelbäume und Kinder in die Welt). – Sofie Neu

 

Wenn Sie gerade beim Thema Sprache sind – ob man gendern will oder nicht, Sprachveränderungen waren noch nie aufzuhalten. An der Schule (Schule!) meiner Frau (vielleicht ja auch schon anderswo) erlebe ich da zur Zeit mit den Formulierungen „liebe Schülys“ und „liebe Kollegys“ eine (nach meinem Empfinden) Brutalisierung der deutschen Sprache. (Wenn man den Verfassern sagen würde, daß sie eine Meise hätten, käme man womöglich auch noch mit der von Ihnen angesprochenen Tierschutzorganisation Peta in Konflikt, auch wenn nicht ganz klar ist, ob die Meisen damit als Familie – oder welche der mehr als 15 Arten eigentlich? – womöglich verunglimpft werden). Die Italiener tun sich mit dem Gendern schon immer etwas leichter: stronzo- stronza. Die „Bösewichtin“ ist dudenkonform. Wird es die „Arschlöchin“ auch? – Ottmar Voll

 

YES! Brilliant! So isses! Selten so amüsiert in der letzten Zeit – Das Leben ist wieder schön. Vielen Dank für diese Perle! Wennse mal in der Gegend sind geb ich einen aus (oder zwei…) – Achim Hauck

 

Dass Ihnen die sprachphilosophische Sensibilität abgeht, die wirklichen semantischen Herausforderungen der Gegenwart zu erkennen, ist eine Sache. Ich persönlich finde es zwar schade, dass Sie Ihren offenkundigen Wortwitz an die Zelebrierung und Zementierung eines intellektuell und ethisch anspruchslosen Sprachverständnisses verschwenden – aber sei’s drum. Warum die ZEIT Ihnen dafür Platz einräumt – keine Ahnung.Allerdings bin ich es heute mal meinem Sohn schuldig, Sie zu kommentieren. Der ist zehn und sollte er zu einem ebensolchen Fatalisten heranwachsen wie Sie, dann lasse ich mich im Knast foltern, denn ich hätte es nicht besser verdient.

Ich bin eine weiße Frau und ich danke als solche allen, die einen Lebenstag dafür verdaddeln, dass ICH MICH GEMEINT FÜHLE. Mir ist schnurzpiepe, ob durch *, Unterstriche, Leerräume oder einen Stinkefinger-Emoji. Denn diese ästhetischen Ungetüme symbolisieren keine Rede- sondern DENKpausen, ungelenke, frag/würdige, natürlich-nicht-endgültige Stolpersteine, der uns JETZT daran erinnern, wie immer noch ungleich die Welt ist, in der wir leben und schreiben. Sie sollen ruhig holperig, hässlich und vor allem scheiß unbequem sein; „Sternchenpausen“ sind nicht dafür gemacht, dass Männer gemütlich darauf kacken (oder währenddessen), sondern dass wir alle uns an ihnen reiben.

Sprache ist nicht nur Abbildung der Wirklichkeit, Verwalterin des Status Quo, Betongießerin (!) des ontisch „Sinnvollen“; sie ist genauso Spielplatz der Hoffnung, Baustein einer gerechteren Welt. Feministische Linguistik ist tatsächlich nicht ausgezogen, deskriptiv zu sein – sondern intervenierend. Na und? Das ist keine Sprachlenkung von oben, sondern Sprachkritik von unten; keine sprachpolitische Erziehungsmaßnahme, sondern der Versuch, eine Utopie durch vorauseilende Sprache Wirklichkeit werden zu lassen. Das Sternchen ist nicht Teil einer manieristischen Didaktik, sondern Schritt auf dem Weg in eine Gesellschaft, die tatsächlich gerecht ist – auch wenn diese Idee Ihr ironisch gebrochenes Weltbild sprengt.

In einem sind wir uns einig – in zehn Jahren wird das Sternchen tatsächlich aufgrund veränderter Verhältnisse nur noch historiografische Fußnote sein. Aber nicht, weil es auf dem Misthaufen herbei gekünstelter Sozialblasen verwelkt. Sondern weil es sich in einem lebendigen Dialog zu einer eleganten, flüssigen, gerechten Sprache transformiert hat, in der alle Menschen sich wiederfinden. Sie sind dann 77. Wir wissen ja seit Neuestem, zu welch moderater Progressivität 77-Jährige fähig sind. Vielleicht erleben wir es beide noch, wie in zehn Jahren auf Seite 7 der ZEIT eine autobiografische Erinnerung Ihrerseits den Titel trägt „Über semantische Griesgrame, gescheiterte Prognosen und den Anfang einer besseren Zeit.“ Ich wünsche es uns allen. – Caroline Claudius

 

Ich möchte Ihrem Beitrag in Heft 18 so heftig, wie mir nur möglich, widersprechen: wir werden uns an * bzw. Rülps vor -in(nen) in allen Medien auf Zeiten, Zeit uund eine halbe Zeit gewöhnen müssen. Es wird noch lange dauern, bis unsere Frauen so viel Selbstbewusstsein entwickelt haben werden, dass sie auf diesen sprachverhunzenden Gender-Firlefanz verzichten können. Am Ende der Zeiten wird die deutsche Sprache wieder völlig ungerecht sein, und auch Frauen werden sich darin herr-lich aufgehoben fühlen. Loot Se sick dat goot gohn! – B. J. Diebner

 

Sehr nachvollziehbar, Ihre Abneigung gegen das Gender-Sternchen. Vorbildlich aber auch Ihre Haltung, Menschen, denen das Gendern ein Herzensbedürfnis ist, nicht kränken zu wollen. Hier mein Vorschlag zur Lösung des Dilemmas: Man verwende das Sternchen so wie früher als Hinweis auf eine Fußnote. Diese könnte etwa lauten: „Die Autorin / der Autor versichert hiermit, soweit in diesem Text ein generisches Geschlecht auf Personen angewandt wird, damit sämtliche bekannten natürlichen Geschlechter diskriminierungsfrei mit einzubeziehen, sofern der Kontext nicht etwas anderes aussagt.“ Das Sternchen wäre einmalig hinter den ersten zu gendernden Ausdruck im Text zu setzen.

Die Fußnote könnten Vielschreiber, also z.B. Journalisten, zur Erleichterung ihrer Arbeit als Textbaustein auf ihrem Computer abspeichern. Und noch ein weiterer Vorschlag, und zwar zum zugegeben etwas skurril klingenden Mitsprechen des Gender-Sternchens: Man besinne sich wieder auf den in den 70er Jahren gern geübten Brauch des Tragens eines Meinungsbuttons („Atomkraft nein danke!“). Dafür stelle ich mir ein von einem guten Grafiker ansprechend gestaltetes Gender-Sternchen vor, umgeben von einer Botschaft wie etwa: „Ich gendere auch, wenn ich nicht gendere“. Besonders konsequenten Genderer*innen könnte auch die Aufschrift „Ich gendere auch Tiere“ oder „Ich gendere auch in Selbstgesprächen“ gefallen.

Insgesamt könnte man sich mit meinen Vorschlägen der Pflicht entledigen, seine korrekte Gesinnung in Wort und Schrift auf Schritt und Tritt dokumentieren zu müssen. Machen Sie sich also uncancelbar! PS: Leider besitze ich keinen Facebook- oder Twitter-Account, auf dem ich diesen Beitrag posten könnte, sonst würde ich mich jetzt auf den zu erwarteten Shitstorm freuen. – Wolfgang Frey

 

Als gebürtiger Italiener habe eine ganz persönliche Lösung vom Genderproblem gefunden : Da meine Eltern arm wie Kirchenmäuse waren , gab es für mich nichts zu er-ben . Also blieb mir keine Wahl , ich musste mich mit sie-ben begnügen . Die Spaghetti brauchen exakt 11 Minuten . – Adriano Maiazza

 

Danke für diese Kolumne. Sie behandeln ein Thema, das viele Leser beschäftigt und mit dem sie Probleme haben. Selbsternannte Sprach-Apostel predigen eine Doktrin, die der Sprache fremd ist, in der Blase, in der sie leben, Mundart und Mutterwitz sind dort, wo diese Aktivisten leben, offenbar unbekannt. Wer weiß, was von diesen Volkserziehern noch zu erwarten ist. Vielleicht arbeiten sie bereits an dem Berufsbild der Sanitärinstallarinnen oder den ‘Sanitärinstallateusen, an Ausbildungsplänen für ‘ ‚Sanitärinstallateusenlehrlinginnen‘. Wer weiß schon, was alles solchen Hirnen noch entspringt. Warum eigentlich solche Halbheiten. Wenn diese Aktivisten konstruieren möchten, können sie sich doch gleich auf Esperanto festlegen. Auf diese Weise würde unsere Muttersprache erhalten bleiben. – R. Renaux

 

Der Freedom Fighter Harald Martenstein spricht mit einer Arroganz, über das von ihm nur unter drohender Folter umsetzbare Gendern, wie es lediglich von jemandem kommen kann, der immer genannt wird, immer gemeint ist und immer am Tisch sitzt. Die fadenscheinige Überleitung von „le confinement/ das Einsperren“ die französische Version des Wortes Lockdown, suggeriert, dass die Bösewichtinnen der Sternchenpausen auch ihn in seiner Sprache gerne Einsperren würden. Ihm seinen Platz im Satz verwehren. Dabei gendert er ja, wenn er zufällig Lust darauf hat, es den „emsig gendernden Mitmenschen“ zuzugestehen. Es gruselt mich immer wieder, wenn die alten weißen Männer sich hinstellen und sagen: „Nein, das haben wir schon immer so gemacht. Das ist sperrig und aufgezwungen und unnötig.“ Und Frauen und non-binäre Menschen damit aktiv sagen sie wären kein nennenswerter Teil dieser Gesellschaft. Es gruselt mich, weil hier keinerlei Empathie zum

Tragen kommt. Es gruselt mich, weil es nur einen Funken Einfühlungsvermögen braucht, um zu erkennen, dass es unfair ist, 999 Frauen im generischen Maskulin anzusprechen, weil Harald Martenstein anwesend ist. Nur weil er jetzt nicht mehr der einzige ist, der angesprochen wird und Angst hat, dass er diese schwierige sprachliche Veränderung nicht meistern kann, heißt es nicht, das allen, die sich zufällig nicht als männlich identifizieren, keinerlei Bedeutung in der Sprache zuzugestehen ist. Übrigens, ich nutze gerne einen Tag Lebenszeit für Unterstrichredepausen und Binnen Is, wenn sich dann alle sich angesprochen und genannt fühlen. Harald Martenstein kann ja an diesem, für ihn zusätzlichen Tag Lebenszeit, darüber sinnieren, warum die Zeit der alten weißen Männer vorbei ist. – Lisa Wegmann

 

Sorry, Herr Martenstein. Aber musste das sein? Nach dem grandiosen „Alter Sack“ Beitrag der letzten Ausgabe, jetzt (schon wieder) das abgedroschene Gender-Ding. Und wirklich: die alte weißer Sack Leier. Ich gehöre selbst zur Kategorie alter weißer Mann – aber wer jetzt noch so schreibt, kapierts einfach nicht mehr. – Martin Pignotti

 

Die Position Martensteins ist nachvollziehbar: „alter“, „weißer“, „Mann“ findet sich im Duden. – Claudia Latzel-Binder

 

Ihre Meinung über Genderstern möchte ich ergänzen. Die Sprach-Änderungen, die Feministinnen erzwungen haben, musste ein Teil der Eliten übernehmen. Es ist unvorstellbar, dass die Mehrheit der Bevölkerung diese neue Sprache akzeptiert. Es werden dann zwei Deutsche Sprachen in Gebrauch sein: Eliten-Deutsch und Volks-Deutsch. Mindestens wird es dann einfacher, Plebs von Eliten zu unterscheiden. – Dr. Ferdinand Wagner

 

Warum so polemisch und empfindlich beim Gendern? Wieder eine Kolumne von Harald Martenstein, in der er sich über einige Stilblüten gendergerechter Sprache auslässt. Es ist ein Leichtes, auf diesem Feld ein beifallswilliges Publikum zu finden. Siehe auch einige Leserbriefe zum Artikel „Salominische Sprachpolizei“. Wir haben inzwischen zur Genüge verstanden, dass Herr Martenstein und viele andere mit gendergerechter Sprache nichts am Hut haben. Warum aber ereifern sich alle so? Warum diese Erregungsbereitschaft und Unerbittlichkeit? Das Pochen auf das generische Maskulinum allein rechtfertigt diese aggressiven Angriffe nicht. Vielmehr verstellt und verschleiert es den Blick auf die Brisanz und Aktualität des Themas.

Wir lesen im selben Heft (Zeitmagazin NR18) von demütigenden Erfahrungen elf starker Persönlichkeiten der katholischen Kirche. Sie werden von Männern durch Ignoranz, Machtsicherung, Bewahrung des Statusquo, Behäbigkeit etc. in ihren Fähigkeiten, mit ihren Gestaltungsideen und Führungsqualitäten aufgrund ihres Geschlechtes ausgegrenzt und von allen sakralen und den meisten Führungsämtern ferngehalten. Es sind nicht dieselben Leute, aber die polemisierende und lächerlich-machende Haltung gegenüber der gendergerechten Sprache, den Bedürfnissen, die dahinterstehen und den Menschen, die sie benutzen, zeugt von einer ähnlichen, bewussten Behäbigkeit und Ignoranz. – Stefanie Köhler

 

Bezueglich des interessanten Artikels von Martenstein im ZM Nr. 18 moechte ich anmerken, dass der Lockdown in Spanien „el confinamiento“ und nicht „el aislamiento“ genannt wird. – R. Arndt

 

Dank an Harald Martenstein, endlich mal thematisiert jemand diese Sucht nach englischen Wörtern und zeigt, dass es in anderen Sprachen sehr viel klüger und an die jeweilige Sprache angepasster geht. Mir geht jedes Mal ein Schauer über den Rücken, wenn ich dieses Wort “Lockdown” oder auch “click and meet”… höre oder lese. Oder auch IT, ISS, Biontech,… warum wird das und vieles andere englisch ausgesprochen? Soll das Weltoffenheit demonstrieren?

Oder eher Provinzialismus? Auch das gibt es wohl in keiner anderen Sprache. Das Gleiche gilt für das Sternchen. Wäre es nicht besser, den Frauen und anderen Benachteiligten auf andere Art zu helfen? Frauenhäuser, bessere Aufstiegschancen, gleiche Löhne für gleiche Arbeit, Respekt vor Menschen, die anders sind, das alles wird durch diese Zerstörung der Sprache nicht erreicht. Mir würde reichen, wie es auch die ZEIT angedeutet hat, beide Geschlechter zu nennen oder abzuwechseln. – Helga Bertsch-Messerschmied

 


 

 

Leserbriefe zu „Warum wir die Kirche ändern wollen“. Aufgezeichnet von Raoul Löbbert und Ilka Piepgras im ZEIT Magazin

 

Da kann man nur feststellen, die Katholische Kirche ist nicht verfassungswidrig in Deutschland, weil durch die Übergangsvorschrift des Art. 140 GG ausdrücklich erlaubt, aber sie ist eindeutig verfassungsfeindlich, weil sie bewusst und gezielt die Grundrechte von Frauen bekämpft. Ähnlich wie in Italien sollte es zumindest Frauen frei gestellt werden, ob sie noch Kirchensteuern zahlen oder das Geld anderen sozialen/kulturellen Zwecken widmen.

Und der Feststellung von Frau Prof. Klaiber kann man nur zustimmen, dass nicht nur Frauen, sondern auch Männer so von dieser Kirche verletzt und verbogen werden. Wobei glücklicherweise inzwischen die von vielen Päpsten für ein musikalisch schöneres Halleluja gebilligte massenhafte Kastration junger Chorknaben unter Berufung auf das Paulus-Wort: „Frauen keine Stimme in der Gemeinde“ , inzwischen hoffentlich unterbleibt.? P.S.: Bei den vielen tausend kastrierten Chorknaben wegen des Paulus Wortes: „Frauen keine Stimme in der Gemeinde“ hat sich die katholische Kirche bis heute nicht entschuldigt. – Wolf Fircks

 

Was für berührende und wahrhaftige Stellungnahmen von authentischen, gläubigen, starken Frauen! Solange wir solche Frauen haben, ist mir nicht bang. Auch ich ringe täglich darum, meine Position innerhalb der Kirche zu beschreiben, ohne dabei ins Stottern zu geraten und mich zu rechtfertigen. Auch ich habe 1981 frohen Herzens Theologie studiert in sicherer Erwartung, dass ich es noch erleben werde, dass wir Frauen alle Ämter bekleiden werden … wir erleben in unseren Gemeinden, dass die Strukturen, die uns früher in einer guten Gemeinschaft zusammengehalten haben, zerplatzt sind. Die Alten sterben, die Jüngeren sind schon lange auf und davon. Es hält sie nichts mehr. Was muss noch passieren, bevor endlich allen das Licht aufgeht: Ohne Frauen wird das nichts! Wenn es jetzt nicht gelingt, die Frauen ins Boot zu holen, dann weiß ich wirklich nicht mehr weiter … – Stefani Methler

 


 

 

Leserbriefezum Wochenmarkt „CURRY OHNE VORURTEILE“ von Elisabeth Raether im ZEIT Magazin

 

Mit Interesse lese ich jede Woche die Zeit und das Magazin. Als Veganer wünschte ich mir allerdings, wenn Sie schon schreiben „Curry ohne Vorurteile“, dass dann ein veganes Curry-Rezept kommt. Da muss ja nicht unbedingt Schmorfleisch vom Rind (wie gruusig) drin sein. Seien Sie doch ein bisschen fortschrittlich. Viele junge Menschen entscheiden sich aus ethischen und ökologischen Gründen für eine vegane Lebensweise. Da sollte Die Zeit eigentlich ein Vorbild sein! – Martin Hoch

 

Ihr Artikel und ihre Rezepte goutiere ich sehr. Beim letzten Rezept(Japanisches Curry) wundert sich mein naturwissenschaftlicher Verstand.Warum soll man die Brühe entschäumen? Es wird eh eine Mehlschwitze.Der Schaum ist denaturiertes Eiweiß,das ich in der Brühe haben möchte,sonst wäre es Wasser. Bei einer Fleischbrühe löst sich der Schaum nach längerem kochen sowieso,zerfällt in Aminosäuren. Dass es bitter würde,ist ein Ammenmärchen. Sie können auch Herrn Drösser fragen(Stimmt’s?) Ich freue mich schon auf ihre nächsten Rezepte. – Klaus Bartholomé

 


 

 

Leserbrief zu „von wegen“ von Katharina Meyer zu Eppendorf im ZEIT Magazin

 

Zunächst möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich „Die Zeit“, ihre Inhalte und generell die/ihre objektive journalistische Arbeit sehr schätze. Umso wichtiger ist es mir, zu einem Artikel des o.g. „Zeit-Magazins“ Stellung zu beziehen und meine Kritik zu äußern. Es handelt sich um den Artikel „von wegen“, geschrieben von Fr. Katharina Meyer zu Eppendorf. Offensichtlich kennt die AutorIn diesen Teil Hamburgs nicht (oder nur vom Hörensagen) und hat wohl niemals dort gelebt. Anders kann ich mir Äußerungen wie „Schnösel-Stadtteil“ in dem es „unsympathisch zu Wohnen“ sei, nicht erklären… (… Bugaboo-Kinderwagen, Flat Whites und Canada-Goose-Jacken sind hier auch nicht unbedingt an der Tagesordnung…)

Mit gewollter Ironie haben diese plakativen Statements offensichtlich ebenfalls wenig zu tun. Statt dessen wäre eine objektive Vor-Ort-Recherche vor der Veröffentlichung vielleicht hilfreich gewesen. Es ist für mich mehr(!) als ein wenig despektierlich, wenn ein alt gewachsenes Hamburger Stadtteil inklusive seiner mehreren Tausend hier lebenden Einwohner, aufgrund einiger, weniger(!) „sogenannter Promis“ (die es sicherlich gibt) von jemand, die/der das Umfeld nicht kennt, „general-verurteilt“ und in ein schlechtes Licht gerückt wird! Viele Menschen hier gehören zur Mittelschicht und leben schon seit vielen Jahren im Stadtteil.

Sie sind Rentner, junge Familien mit Kindern oder „nur“ einfache Arbeiter / Angestellte oder Beamte, bei denen der Brotkorb recht hochhängt. Sie stehen nicht(!) täglich Champus trinkend und Kaviar essend an der Ecke, sondern arbeiten Tag für Tag hart und kämpfen um ihre Existenz. Und es gibt auch hier (teils obdachlose) Menschen, die Flaschen sammeln, „Hinz&Kuntz“ verkaufen oder betteln müssen um ihren Lebensunterhalt zu sichern… Auch ist es nicht so, dass Nobelkarossen das Straßenbild prägen…. Ein nicht unerheblicher Teil der Mitmenschen hier besitzt nicht einmal ein Auto und fährt Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Des Weiteren kennt „man“ sich in der Nachbarschaft, unterstützt sich im Alltag und hilft sich gegenseitig im Notfall. Ich könnte noch mehrere Seiten so weiter schreiben… denke aber, Sie haben mich und mein Ansinnen verstanden… Es wäre schön, wenn Sie die Autorin auf Ihre „unglücklichen“ Formulierungen hinweisen könnten. Vielleicht akzeptiert sie die Kritik und adaptiert sie für zukünftige Arbeiten. In diesem Sinne… Schönen Sonntag und einen schönen Start in den Mai! – Frank Wehner