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23. September 2021 – Ausgabe 39

 

Leserbriefe zu „Jung und mündig“ von Petra Pinzler

 

Ich habe keine klare Meinung zu dem Thema. Einerseits gebe ich Frau Pinzler Recht. Andererseits sehe ich auch zwei andere Argumente: – Ich weiß nicht ob der Transfer fair ist, doch beim Auto fahren verursachen Teenager lt. Statistik die meisten und die schwersten Unfälle. D. h. sie machen besonders viele Fehler. – Es gibt einen Unterschied zu 1966. Je jünger die Menschen sind, desto weniger Zeit hatten sie etwas zu lernen – auch über Politik. Und bis zu einem gewissen Alter ist die Fähigkeit komplexe Sachverhalte wenigstens ansatzweise zu verstehen einfach nicht gegeben. Vielleicht gibt es von daher Gründe gegen ein vorgezogenes Wahlalter. – Iman Schwäbe

 

Nur als kurze Anmerkung zu Ihrem Artikel „Jung und mutig“: Es gab aktuell die U18 Wahl, zu der verschiedene Akteure (hier im Landkreis Ludwigsburg der BDKJ etwa) die ü16-Jährigen eingeladen hatte. Das Ergebnis hierzu gibt es unter https://www.u18.org/start nachzulesen – und hier evtl auch für die Altersgruppe der 16 und 17-jährigen eine Auskunft zu haben. Dies nur als Ergänzung. Für weitere Fragen melden Sie sich gerne, wir vermitteln Ihnen sonst gerne auch direkt den Kontakt zu den Verantwortlichen. – Isabel Hausser

 

Das Alter der Wähler auf 16 zu reduzieren halte ich nicht für ratsam. Die Jugendlichen sind in dem Alter weniger durch das Elternhaus beeinflußt, als vielmehr durch die Schule. Die Schule aber ist leider sehr einseitig geprägt. Es müßte schon ein sehr intensiver Diskurs im Unterrichtsplan geben, der die poltische Landschaft und Themen objektiv, wiederhole objektiv durchgeht. Die Wähler, die mit 18 bereits wählen dürfen, haben keine staatlichen Verpflichtungen und auch keine strafrechtliche Verantwortung in vollem Umfang. Daher ist davon abzuraten, das Wahlalter noch weiter zu reduzieren. – E.-Christian Wolters

 

Einige Argumente sprechen für die Herabsetzung des Wahlrechts, andere klar und eindeutig dagegen. In beiden Fällen handelt es sich um sachliche Argumente. Mündigkeit ist aus meiner Sicht nicht teilbar. Das aktive Wahlrecht kann vom passiven Wahlrecht m. E. nicht getrennt werden. Jugendliche erhalten mit dem aktiven Wahlrecht die Möglichkeit, über gesamtgesellschaftliche Fragen zu entscheiden. Die Folgen dieser Entscheidungen können sie mehrheitlich nicht absehen. Folglich werden sie Opfer der lautesten politischen Aktivisten.

Eine lautstarke Minderheit greift Fragestellungen auf, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Der dabei offenbarte Aktionismus verbaut das unvoreingenommene Nachdenken über die Einbeziehung der Jugend in politische Entscheidungen. In Irland gibt es ein Bürgerparlament. Aus meiner Sicht hat bisher niemand eine Überlegung angestellt, um auf diese oder andere Weise die Jugend an politischen Entscheidungen zu beteiligen. – R. Renaux

 

Im Wissen, dass diese Vorschläge zur Änderung des Wahlrechts von den Profiteuren des bestehenden Wahlrechts noch sehr lange Zeit abgelehnt werden, meine ich dennoch: 1. Jeder Mensch ist wahlberechtigt. Bis zum Alter von 16 Jahren üben die Erziehungsberechtigten das Wahlrecht stellvertretend aus. Es gibt keinen Grund, die Belange der 82 bis 100-jährigen Menschen zu berücksichtigen, aber nicht die der unter 18-jährigen. 2. Die Stimme eines/einer jeden wird mit (100-seinem Lebensalter) gewichtet. Die Wahlentscheidungen beeinflussen noch mehr als neun Jahrzehnte das Leben meiner Enkel aber nur noch gut drei davon (hoffentlich) mein eigenes. Bei den Umsetzungsdetails bin ich jeweils flexibel, die Richtung aber halte ich für unverzichtbar. – Dr. Thomas Zipse

 

Toller Artikel. Ich gebe Ihnen zu 100% recht! Ich sehe keinen Grund, warum das Wahlalter nicht auf 15 oder 16 Jahre herabgesetzt werden sollte. In meinem Haushalt läuft eine gerade mal fünfzehnjährige, junge Frau herum, die sehr strukturiert und neugierig ist und sehr wohl weiß, was sie will! Es gibt KinderreporterInnnen, die – von Erwachsenenen unbeeinflusst – entwaffnende Fragen an Politikschaffende stellen, auf die JournalistInnen nie kommen würden. Auch bei Fridays for Futuresehen wir viele engagierte Menschen – weit unter 18 – die Reden halten und Forderungen stellen. Die Beispiele in Ihrem Beitrag sind selbstredend. Es gibt keinen Grund, gegen eine Herabsetzung des Wahlalters. Wählen ist ein Grundrecht, und Grundrechte gelten natürlich auch für Kinder. Punkt! – Achim Bothmann

 

Petra Pinzlers Votum für ein Wahlrecht der 16- undf 17-jährigen sollte auf Landes- ,Bundes- und Europa-Ebene eingehend diskutiert werden sowie in den zugeordneten Gerichten. Eventuell sogar im Hinblick auf den Lebenslauf des Kasseler Verlegers Dr.hc Karl Vötterle, der 1923 in Augsburg als gerade 18-jähriger noch nicht geschäftsfähig, strafmündig oder wahlberechtigt war(die damalige Grenze lag bei 21 Jahren) und ohne den Segen der Industrie- und Handelskammer den Bärenreiter-Verlag gründete, der in Kassel mit dem Lexikon „Musik in Geschichte und Gegenwart“ und Gesamt-Ausgaben berühmter Komponisten Kulturgeschichte schrieb.

Trotz Inflation, aber mit Duldung der Augsburger Post, setzte sich Vötterle durch und starb mit 256 Angestellten in aller Welt, nachzulesen in seiner Auto-Biographie „HAUS UNTERM STERN“(dort ein Foto als junger Verleger 1924, der immer noch nicht geschäftsfähig ist! oder sieht man es ihm nur nicht an?) – Dietrich Bauer

 

Ich bin nicht der Meinung, dass ein so junger Mensch (16-17) überhaupt in der Lage ist, politische Dinge, die so vielfältig sind, durch Wahl zu entscheiden. Ich musste auch bis 21 warten, bis ich eine gewisse „Reife“ hatte, zu wählen. Weshalb wird da so ein Hype draus gemacht. Kein junger Mensch kann vorausschauend sagen: so oder so muss es jetzt gemacht werden, denn das ist immer ein gemeinsamer Prozess mit den politisch Gewählten. Ich war auch Jahre lang politisch aktiv, und weiß, wie mühsam so ein Prozess ist. Im Übrigen mussten auch wir, damals jugendlich, mit den Folgen unserer Altforderen leben, und das war mehr als mühselig. Das wird wahrscheinlich auch weiterhin so bleiben. – Ute Koch

 

Wenn ich an meine eigene Jugend zurückdenke, kann ich nur sagen: Ich war mit 16 Jahren ganz gewiss nicht reif genug, um auf Bundesebene wählen zu können. Ich glaube, dass diese Erfahrung quantifizierbar ist: Man muss nicht von Entpolitisierung sprechen, um zu wissen, dass die meisten Jugendlichen ganz andere Interessen haben als politische. Und wie weit soll man gehen? Warum nicht das Wahlalter gleich auf vierzehn absenken? Irgendwo muss eine Grenze gezogen werden, da bietet sich das Alter von 18 Jahren durchaus an. Bemerkenswert anmaßend übrigens die Behauptung: Noch niemals „in der Geschichte der Menschheit waren die Zukunftsaussichten so düster“. – Dr. Bernhard Suermann

 

Leserbrief zu den Beiträgen von Petra Pinzler in der ZEIT vom 23. Sept. 2021: Jung und Mündig – Seite 1, Haus frisst Fläche – Seite 11. Dem Gesichtspunkt Klimawandel / Ressourcenschonung ist das Programm Bauen-Bauen-Bauen der Kandidaten Scholz, Laschet und Lindner zur Bereitstellung bezahlbarer Wohnungen von gnadenloser Widersprüchlichkeit und Oberflächlichkeit, oder Volksverdummung?

Ich bin Frau Petra Pinzler und der ZEIT dankbar, diesem wahlpolitischen mainstream nach weiterer Flächenversiegelung, in den letzten 30 Jahren mehr als 11.000 Quadrat-Kilometer = 14 Städte der Größe Hamburgs, noch vor der Bundestagswahl widersprochen zu haben. Trotz aller ihrer Versprechen werden die Wahlgewinner entscheiden müssen, welcher Raum- und Flächenbedarf den Anforderungen einer gerechten Klimapolitik entspricht, d.h. wie wir künftig wohnen wollen, um es einfacher auszudrücken.

Es sollte selbstverständlich sein, dass junge Menschen bei derartigen Entscheidungen mitwirken. 17 und 18-Jährige wählen zu lassen reicht nicht, liebe Frau Pinzler. Ich wünschte, sie wären mutiger. Heute dürfen unmündige ( „vollbetreute“) Erwachsene wählen !!! Sind sie dazu nicht in der Lage, wählt ein anderer für sie !!! Das Grundgesetz ernst nehmen (Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz), heißt, Kinder und Jugendliche wählen zu lassen, eingeschränkt Geschäftsfähige / Strafmündige (ab 14) in eigener Verantwortung, Jüngere in Verantwortung der Erziehungsberechtigten.

Wenn unmündige Erwachsene wählen dürfen, darf dieses Recht unmündigen Kindern nicht vorenthalten werden! Bundesverfassungsrichter Peter Müller (ehedem Ministerpräsident im Saarland mit CDU-Parteibuch) hat den Verfassungs-Konflikt zwischen Gleichheit vor dem Gesetz und Altersgrenze beim Wahlrecht ignoriert. Er hielt sich an den Wortlaut des Art. 38, der seinem Weltbild entspricht. – Dr. Franz-Friedrich Rohmer

 

Es ist allerhöchste Zeit, das Wahlalter zu senken und zwar drastisch! Ich plädiere für 15. Die Älteren haben zwar mehr Lebenserfahrung, aber die Jungen haben mehr Lebenserwartung. Für sie ist die „richtige“ Politik eine existenzielle Frage nach der weiteren Bewohnbarkeit dieses Planeten. Da es bei der Klimapolitik – pathetisch ausgedrückt – um Leben um Tod geht, müssen ihr alle anderen Politikfelder untergeordnet werden; und dass die unter 18 Jährigen von Klimaschutz verdammt viel verstehen, da sie sich an den neuesten internationalen Forschungsergebnissen orientieren, machen die Fridays-for-Future-Demonstrationen unmissverständlich deutlich. Direkt betroffen sind sie aber zum Beispiel auch auf den Gebieten der Renten und der Digitalisierung. Eine Senkung des Wahlalters muss einhergehen mit einer Offensive der politischen Bildung schon in der Grundschule. – Ludwig Engstler-Barocco

 

Grundsätzlich stimme ich Frau Pinzler zu, dass unter 18-jährige Menschen das „Grundrecht“ zu wählen erhalten sollten, wobei ihr Argument, dass Wählen ein Grundrecht sei in meinen Augen weniger stichhaltig ist, da es bedeuten würde, dass auch Säuglinge und Kleinkinder dieses Grundrecht hätten. Frau Pinzler geht auch von zwei Annahmen aus, die ich nicht teile. Zum einen attestiert sie den Jugendlichen ein Politikinteresse, das sie „auf Augenhöhe mit den Eltern“ diskutieren lässt und zum anderen unterstellt sie den älteren Wählern, dass deren Wahlentscheidung ohne Berücksichtigung der Zukunft ihrer Kinder und Enkelkinder erfolgt.

Beide Annahmen halte ich für falsch. Erstere entspricht zumindest nicht den Erfahrungen, die ich in meiner über 30-jährigen Tätigkeit als Gymnasiallehrer gemacht habe. Ich würde auch soweit gehen zu fordern, dass Jugendliche, die über die Zukunft eines Landes mitentscheiden, nicht mehr nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden sollten. Wenn Mündigkeit, dann komplett! Einen Aspekt hat Frau Pinzler nicht berücksichtigt, der mir nach der Lektüre eines Artikels der „Rheinpfalz“ bewusst geworden ist. Im Landkreis Kaiserslautern durften Gruppen von Jugendlichen wählen, die mindestens 12 Jahre alt waren.

Dabei ergab sich, dass in einem Ort die AfD mit deutlicher Mehrheit zur stärksten Kraft gewählt wurde. Hieraus leite ich meine Forderung ab, dass ein Wahlrecht U18 verbunden sein müsste mit einer entsprechenden Information der jungen Menschen wie es z.B. eine Sozialkundeunterricht ab Klasse 9 leisten könnte. Solange dies nicht erfolgt, halte ich ein Wahlrecht U18 für sehr fragwürdig. – Karl Gerhard Emmerich

 

Frau Pinzler hat sich im idiologischen Gestrüpp verfangen. Einige Formulierungen deuten darauf hin, wie z.B.:“ Bloß weil sie noch keine 18 sind ……..“ Von einem ZEIT-Journalisten erwarte ich mehr Unvoreingenommenheit. Würde die Autorin sich mit ähnlicher Vehemenz für Strafmündigkeit ab 16 einsetzen? – Klaus Grasenick

 

1) Wenn Frau Petra Pinzler in dem Artikel „Jung und mündig“ dafür plädiert, 16-Jährigen das Wahlrecht zuzugestehen, so frage ich sie, ob sie auch 16-Jährigen das Recht zugestehen will, Autos zu führen. Schließlich ist Wählen anspruchsvoller als das aktive Autofahren. 2) Wenn Frau Petra Pinzler in dem Artikel „Jung und mündig“ dafür plädiert, 16-Jährigen das Wahlrecht zuzugestehen, so frage ich sie, ob sie auch Sechsjährigen das Wahlrecht zugestehen will. Schließlich sind Sechsjährige zehn Jahre länger von den Folgen heutiger Politik betroffen als 16-Jährige. – Rolf Zähringer

 

Mein 10-jähriger Enkel verwickelte mich kürzlich in erstaunlich fundierte Diskussion über die Erbansprüche der Hohenzollern – ein Beleg, daß sich auch Kinder schon zu politischen Sachverhalten ein Urteil bilden. Meine Frage: Ab wann (und mit welcher Begründung) sollten Minderjährige nach Ihrer Einschätzung das volle Wahlrecht erhalten? – Manfred Buck

 

Denkt man Frau Pinzlers Argumentation zu Ende, muss man auch Neugeborene wäh-len lassen. Insbesondere Frau Pinzlers zweites Argument spricht dafür, müssen doch die jeweils Neugeborenen am längsten ausbaden, „was jetzt angerichtet oder verschla-fen wird“. Diese offensichtlich unsinnige Schlussfolgerung zeigt die Notwendigkeit ei-ner Altersgrenze. Dass jede Altersgrenze in gewissem Sinn willkürlich ist, versteht sich von selbst und lässt sich auch nicht vermeiden. Es leuchtet mir aber nicht ein, warum es richtig sein soll, dass der Staat das Wahlrecht einer Person zusprechen sollte, die selbst für die Klassenfahrt noch eine Unterschrift der Eltern benötigt; von ande-ren Entscheidungen ganz zu schweigen.

Ist die Wahl wirklich so unwichtig? Es ist rich-tig, dass es Jugendliche gibt, die so reif wie Erwachsene sind. Wie aber zwischen die-sen Jugendlichen und ihren weniger reifen Altersgenossen unterschieden werden soll, bleibt Frau Pinzlers Geheimnis. Auch das letzte Argument – im letzten Satz – ist diskus-sionswürdig. Aus der Tatsache, dass die damalige Senkung des Wahlalters zu einem Aufbruch geführt hat, zu schließen, dass dies nun auch so sein müsse, ist zumindest gewagt.

Es gibt ausreichend Beispiele in der Geschichte, wo die politisch Verantwortli-chen einen Schritt zu weit gegangen sind. Anstatt über die Absenkung des Wahlalters zu diskutieren sollte besser darüber nachgedacht werden, wie man die aktuell immer noch zu große Gruppe der Nichtwähler wieder davon überzeugt, dass Wählen wichtig und richtig ist. – Gernot Schullerus

 

Das Recht zum Wählen ist ein grundsätzliches Recht. Aber es hängt nicht vom Maß der Betroffenheit ab. Denn dann müssten bereits Kinder wählen dürfen – oder realistischerweise 14-Jährige. Immerhin erlangt man in diesem Alter bereits die Religionsmündigkeit. Wer also in diesem Alter bereits seinen Gott oder seine Göttin wählen darf, warum nicht auch den Kanzler oder die Kanzlerin? Die Wahl des passenden Wahlalters ist immer ein Stück weit willkürlich.

Es gibt 16-Jährige, denen das Wählen auf jeden Fall zuzutrauen wäre, mit denen man „auf Augenhöhe“, wie Sie sagen, diskutieren kann. Natürlich gibt es aber auch Menschen dieses Alters, die diesen Diskurs nie gelernt haben. Für die erstgenannten 16-Jährigen mag es eine Zumutung sein, noch zwei Jahre warten zu müssen. Aber nur eine erträgliche Zumutung, denke ich. Für die anderen ist es vielleicht eine Chance, noch weitere Erfahrungen zu sammeln.

Wählen ist ein Grundrecht, aber es ist auch ein Grundprinzip des Rechtsstaats, dass Volljährige, „Mündige“, mehr Rechte haben als Nicht-Volljährige, Unmündige“. Das hat auch seine Gründe – nicht zuletzt zum Schutz der Nicht-Volljährigen. In einer Gesellschaft wie der deutschen sind es vergleichsweise viele Menschen, die volljährig und wahlberechtigt sind, die für relativ wenige 1-17-Jährige mitbestimmen, weil diese nicht wahlberechtigt sind. Vergleicht man dies mit der demographischen Situation weltweit ergibt sich ein interessantes Szenario: Dort haben wir die klassische „Bevölkerungspyramide“. Deren Form macht deutlich, dass relativ wenige Menschen über relativ viele bestimmen, die nicht wahlberechtigt sind (wenn es denn überall freie Wahlen gäbe). Die Pyramide ist so gesehen erstmal nicht gerechter als das blasenartige Bild in Deutschland.

Aber Ihr Argument ist ja ein anderes, ein demographisches, das sich auf das Erleben der Klimaveränderungen bezieht: „Nie zuvor hatten zugleich diejenigen, die das nicht mehr erleben werden, in Deutschland so viel politische Macht. Lag der Anteil der über 60-Jährigen an der Bevölkerung vor 50 Jahren bei 19 Prozent, so beträgt er heute 28 Prozent, Tendenz steigend.“ Und dass die am meisten Betroffenen nicht wählen dürfen, sei ungerecht. Bei Näherem ist es das aber gar nicht. Dass bei uns die Wähler älter sind und werden, lässt sich nicht leugnen. Daraus erwächst aber nicht per se ein Nachteil. Wer jetzt 18 ist, der darf statistisch gesehen hoffen, ungefähr 80 Jahre alt zu werden.

Er/Sie hat dann vielleicht 62 Lebensjahre vor sich – mehr oder weniger. Niemand wird behaupten können, diese 62 Jahre überblicken zu können, jetzt also begründet sagen zu können, was im Laufe dieser 62 Jahre wichtig oder unwichtig werden wird. Das werden auch die 16-Jährigen nicht besser leisten können, die dann 64 Jahre zu überblicken hätten. Aber alle werden von den Problemen einer verfehlten Klimapolitik betroffen sein. Damit – Sie sagen es selbst – verheißt die Aufnahme der relativ kleinen Gruppe der 16-17-Jährigen in die Gruppe der Wahlberechtigten keinen signifikanten Unterschied zum Gesamtbild. Die 16-17-Jährigen sind gar nicht besonders betroffen, die Sorge um den Klimaschutz betrifft im Grunde alle.

Auch wenn man zugestehen mag, dass die Jüngeren tendenziell eher den Alternativen zur bestehenden Politik zuneigen könnten: Dies ist noch keine Gewähr für eine bessere Klimapolitik, denn „alternativ“ ist kein Wert in sich. Das Herabsetzen des Wahlalters ist allenfalls für diejenigen eine erfolgversprechende Maßnahme, die sich dadurch kurzfristigen Zuspruch für ihre eigenen Positionen erhoffen. Also in Umwandlung Ihres Satzes: Weil wir hoffen, dass du uns wählst, geben wir dir eine Stimme. Wahlrecht ist aber ein Recht, dessen Geltung unabhängig von einer aktuell diskutierten Agenda Bestand haben muss – so wichtig uns diese Themen im Einzelnen auch erscheinen mögen.

Wenn der Gesetzgeber das Wahlrecht in Richtung auf ein niedrigeres Wahlalter ändert, dann muss dies unabhängig von diesen Themen begründet sein. Grundlagen für solche Entscheidungen könnten etwa Überlegungen zu folgenden Thesen sein: „Die Menschen sind heute reifer, urteilsfähiger als in den siebziger Jahren, als das Wahlrecht und die Volljährigkeit für 18-Jährige eingeführt wurde.“ Oder: „Die gesellschaftliche Wirklichkeit ist – eventuell dank technischer Innovationen – heute strukturell transparenter, durchschaubarer und erklärbarer geworden und weniger gefährdet durch Suggestion und Manipulation.“ Hier ist nicht der Raum, um diese Überlegungen zu vertiefen. Doch habe ich den Verdacht, dass keine der Thesen zutrifft. – Gernod Schlenke

 

Ich fürchte, selten haben Sie sich so geirrt…. Meine beiden Kindern besuchten eines der besseren Gymnasien in Berlin, und oft haben wir ihre Freundinnen und Freunde zu Gast. Diese Kinder (kein Schreibfehler) sind also schon über 18. Bei jedem Gespräch über eine politisches Thema überfällt mich das kalte Grauen. Diese Jungendlichen wissen nichts. Weder über den Arbeitsmarkt, Rente, Wirtschaft, Gesundheitswesen, Lohnnebenkosten, Mehrwertsteuer… zu keinem einzigen Thema ist auch nur in halbwegs fundiertes Statement zu erwarten. I

nteressiert sie auch nicht. Politik ist: „weniger Luftverschmutzung“ und „keine sterbenden Eisbären“ wie, wo, warum – da hört es leider auf. Diese Generation hat zu weiten Teilen einen primär aus Schlagworten bestehenden und eher emotionalen, bildhaften Zugang zu Politik. Dabei sind sie, natürlich, nicht dumm, im Gegenteil. Aber politisches Grundwissen – Fehlanzeige. Meine Kinder lesen beide eine Tageszeitung und gucken Nachrichten Fernsehen. Wenn sie das in ihrer Clique erzählen, ernten sie nur ungläubiges Staunen und Sprüche. Da man mit zunehmendem Alter zwangsweise mit einigen Themen konfrontiert wird und verstehen muss, wäre es also sehr viel sinnvoller, das Wahlalter heraufzusetzen. – Holger Gluth

 


 

 

Leserbriefe zu „Ein Polizist. Ein junger Flüchtling. Elf Schüsse. Warum musste Matiullah Jabarkhel sterben?“ von Sebastian Kempkens

 

„Dampf steigt von der Leiche in den kühlen Aprilmorgen auf.“ — Und bei mir massiver Ärger. Ich habe nicht weiter gelesen. Die sich ausbreitende Blutlache im Satz vorher war schon hart an der Zumutungsgrenze. Billige Krimis verwenden ähnliche Bilder. Was soll das in einer Reportage? – Helga Schneider

 

Den vorletzten Abschnitt in Ihrem Bericht finde ich schon etwas unverschämt. Sollten sich die jungen Brüder in Afghanistan nicht lieber um die Probleme im eigenen Land kümmern? Ich bin froh das es bei uns noch Polizisten gibt die uns vor Messerstechern und Mördern beschützt. Wer hier herkommt sollte sich an „alle“ Regeln halten da er ja auf Kosten der Steuerzahler lebt. – L. Hampel

 

Schon lange nicht mehr hat mich ein Artikel so ergriffen, nur Opfer, letztendlich sogar Ihr lokaler Mitarbeiter Amdadullah Hamdard, wie grausam das Schicksal sein kann. – Gerhard Wolf

 

Eine spannende Reportage mit einem unterschwellig anklagenden Sound, der nicht etwa die kriminelle Vorgeschichte des Täters kritisch untersucht, sondern das Verhalten der Polizei. Dabei erfolgten die finalen Schüsse erst nach einer Serie von Attacken auf die Ordnungshüter. In Belgien, den Niederlande, Frankreich ua, ganz zu schweigen von Israel oder den USA wäre der Täter wahrscheinlich schon bei der 1. Aggression ausgeschaltet worden…ohne auch nur leise Zweifel an Rechtsstaatlichkeit und Opportunität des Vorgehens. Schon der Umfang der Dokumentation insinuiert das Gegenteil. Das sagt auch etwas über den (fehlenden) Rückhalt der Polizei in Teilen der Medien und der Gesellschaft. – Christoph Schönberger

 

Ein Kernproblem unserer Gesellschaft ist die zwanghafte Fixierung der Menschen auf „Schuld“, auf die Festlegung eines „Schuldigen“. Dabei zeigt dieser Fall sehr klar: weder Matiullah Jabarkhel noch Lukas Weiler trifft eine „Schuld“ an dem Vorfall. Es war eine tragische Verkettung von Umständen, die beiden Protagonisten schweren Schaden zugefügt hat, und die durch den gesellschaftlichen Umgang mit „Flucht“ in Deutschland und Afghanistan begünstigt wurde. Danke für den ausgewogenen Artikel. – Jörg Eisfeld

 

Danke für Ihren interessanten Artikel. Trotzdem ziehe ich für mich das Fazit : Armer, armer Matiullah und böser, ungezogener Polizist. Nur mit Mühe konnte ich meine Tränen unterdrücken. – J. Lungwitz

 

Schade, dass dem insgesamt sehr informativen, objektiven und auch anrührenden Artikel ein irreführender Titel vorangestellt wird: wie im Text ja deutlich dargestellt wird, war M.J. ein irregulärer Migrant, den die Familie -wie in tausenden anderer Fälle- aus wirtschaftlichen Gründen mit Schlepperhilfe nach Deutschland geschleust hat. Dass er dann -wie über 90% der afghanischen Migranten- mit irreführenden Angaben Asylbewerber wird, macht ihn nicht nachträglich zum Flüchtling: das Asylrecht wird hier offensichtlich missbraucht. Soviel „correct news“ könnte man dem ZEIT-Leser schon zumuten. – Prof. Bernd Leber

 

Die Geschicht macht betroffen. Zwei Opfer. Beide in ihrer Rolle gefangen. Der Polizist, der durch die unglücklichen Geschehnisse zu einer Tat gezwungen war, dessen Erinnerung ihn sein Leben lang begleiten wird. Hoffentlich erhält er die Hilfe, die er braucht. Und Matiullah, der mit hohen Erwartungen an ihn nach Deutschland geschickt wurde. Vielleicht nicht stark genug war, diesen Anforderungen allein in einem fremden Land, gerecht zu werden.

Junge Flüchtlinge brauchen Unterstützung. Der Staat allein kann diese Aufgabe nicht erfüllen. Wer kann, sollte sich engagieren. Ich begleite 2 junge Männer (Afghanistan und Guinea) seit mehreren Jahren im Rahmen einer ehrenamtlichen Vormundschaft. Und wie oft gab es verzweifelte Situationen die wir gemeinsam überstanden haben. Klar gibt es Kritik an der Flüchtlingspolitik, aber um die hier angekommenen jungen Menschen sollten wir uns kümmern, um solch tragische Geschichten zu vermeiden. – Ursula Janssen

 

Können Sie mir erklären, wie Folgendes funktioniert: „Inzwischen seien etwa drei Viertel der von Polizisten erschossenen Menschen psychisch krank“ Seite 19, Spalte zwei, recht weit oben. Sind die Menschen erschossen worden und die schiessenden Polizisten haben psychische Probleme? Oder haben sie über lebt und beide haben diese Probleme? – Marina Ridder

 

Spannend zu lesen. Leider die Wirklichkeit. Was für eine sorgfältige Beschreibung. Toll. Die Recherche wurde sicher ebenso sorgfältig gemacht. Es ist sehr schwer hier gut und schlecht zu trennen. Wahrscheinlich gibt es hier tatsächlich nur Opfer und keine Täter. Sehr traurig. – Christian Fahn

 

Der bedauernswerte Tod der jungen Mannes ist das Resultat seines eigenen Fehlverhaltens. Es spielt keine Rolle, ob er psychisch krank war oder unter dem Einfluss von Drogen stand. Entscheidend für den Schusswaffengebrauch ist die „Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben“. Dieses Kriterium erstreckt sich aber, anders als implizit behauptet, auch auf Dritte, nicht nur auf den von der Waffe Gebrauch machenden Polizisten selbst. Die Art und Weise, wie das Opfer den Schlagstock einsetzte, lässt „die Gefahr für Leib oder Leben“ offensichtlich erscheinen. – Dr. Bernhard Suermann

 

Im Zeitalter der Aufklärung erkannte der englische Freigeist und Dichter Richard Jefferies: „Begnügen Sie sich nie, mit mit einem Gedankenkreis, sondern seien Sie immer sicher, dass ein weiterer noch möglich ist.“ Die hier vorliegende Recherche zeigt aus meiner Sicht, wie wichtig Sprach- und Kulturkompetenz ist, um Menschen in und aus fremden Kulturkreisen, deren Wertvorstellungen, deren Erwartungen zu verstehen, wenn sie zu uns kommen. Ohne diese Kompetenzen ist der Aussenstehende blind und taub für das, was diese Menschen bewegt.

Selbst hiesige Experten betrachten Probleme von Migranten aus muslimischen Ländern aus der Sicht der europäischen Kultur. So werden sie schwer die wirkliche Motivation von Gewalttätern aus diesen Kulturen verstehen. In den muslimischen Herkunftsländer der Migranten ist niemand bereit oder nicht in der Lage, ihre Bürger über die europäische Kultur, über die Werte und Regeln europäischer Gesellschaften umfassend aufzuklären. Daher ist es Aufgabe der Bundesregierung, diese Aufklärung öffentlich in ganzer Breite und immer wieder zu betreiben. Nur so kann das Schicksal von Migranten wie Ma­ti­ul­lah Ja­bark­hel verhindert werden.

Die Art und Weise der Berichterstattung geht von der hinzunehmenden unmittelbaren Gefährdung von Leib und Leben der Bediensteten der Exekutive des Rechtsstaates aus. Das wird an Beispielen deutlich wie: „Im Au­gust 2019 er­schie­ßt ein Po­li­zist in Sta­de ei­nen Af­gha­nen, der mit ei­ner Han­tel­stan­ge auf die Be­am­ten los­ge­gan­gen sein soll.“ und „Im Ju­ni 2020 tö­tet in Bre­men ei­ne Po­li­zis­tin ei­nen Ma­rok­ka­ner, der ein Mes­ser in der Hand hält.“ Vielleicht muss man erst selbst in eine ähnliche Situation geraten, um wirklichkeitsnah darüber urteilen zu können. Bedienstete der Polizei sind keine Aliens, sondern Bürger wie Sie und ich, haben eine Familie, Kinder und Eltern.

Das Leben und die Gesundheit der Menschen der Exekutive des Rechtsstaates sollten alle Bürger, auch in ihrer Heimat bedrohte Migranten, respektieren. Die Debatte hierüber ist eine Einbahnstrasse. Toleranz gilt sogar gegenüber Intoleranz. Allein das Interesse für die Informationen über die AfD-Fraktion im Bundestag und die Argumentation der Gegner der Migration als Verdachtsmoment darzustellen, ist mehr als bedenklich. Polizisten sollten keine Marionetten sein, sondern Bürger, die allseitig informiert sind. Dafür bedarf es keinen Vormund. Ich verwehre mich gegen den Verdacht einer „rechten“ Gesinnung, wenn ich mich im Netz über die AfD, Hocke und seine kruden Vorstellungen oder über die Antifa informiere. – R. Renaux

 

Ich möchte mich hierdurch gern für das großartig recherchierte Dossier bedanken, das vorige Woche zum Fall von Matiullah Jabarkhil in der ZEIT erschienen ist. Ausgewogen und nüchtern und dennoch so spannend erzählt, dass man nicht mehr aufhören kann – genau deshalb habe ich die ZEIT abonniert. Vielen Dank! Ich wohne in der Region und hatte den Fall verfolgt, nun fühle ich mich hervorragend informiert. Die Geschichte zeigt, wie komplex solche Fälle sind und dass es niemals nur schwarz und weiß gibt. – Marc von Bülow

 

Ein Aspekt kommt in dem so ausführlich recherchierten Artikel nur am Rand vor. Da wird ein Jugendlicher aus einer intakten Familie für viel Geld auf einen gefährlichen Weg geschickt, sozusagen als Auserwählter. Er soll später einmal für die Familie sorgen , indem er dann aus Deutschland Geld nach Hause schickt. Welcher Druck lastet auf diesem jungen Menschen!

Dann kommt er an – fremde Sprache, fremde Kultur ,trotz vieler Hilfen und Unterstützung diagnostiziert ein Arzt später das Entwurzelungssyndrom. Als er in seiner Not zuhause anruft , weil er wieder nach Afghanistan möchte, sagt der Vater in aller Deutlichkeit, dass sie ihn nicht mehr haben wollen. Mich wundert Matiullahs Reaktion nicht. Ich sehe bei der Herkunftsfamilie eine Teilschuld für das aggressive Austicken. – Annette Sprenger

 

Ich möchte Ihnen mal behilflich sein: ein Flüchtling ist jemand, der sich einer akuten Gefahr an „Leib und Leben“ entzieht – ist die Gefahr gebannt, war er mal Flüchtling ! Wenn er dann seinen Aufenthaltsort wechselt, aus welchen Gründen auch immer, „zieht er um“ oder „wandert aus“ ! Flüchtlinge MUSS man Helfen, Migranten KANN man helfen! Die Familie von Herrn Jabarkhel hat 10 000 € gesammelt, damit er nach Deutschland gehen kann – was hat das mit Flucht zu tun? – Dieser Unterschied ist keinesfalls eine Petitesse ! Dieses, wie mir scheint, gezielte Vermengen der beiden Begriffe schafft Ressentiments (kurz: ein Schuft, wer einem FLÜCHTLING nicht hilft!) und ist deshalb, wie ich finde – unverantwortlich ! – Dr. R. Patschan

 

Der Artikel erzählt den tragischen Vorgang aus Sicht des Polizisten und aus Sicht von aussen auf die Migrations-Geschichte des erschossenen Matiullah Jabarkhel. Warum musste er sterben? Der tiefere Grund für die Entwicklung liegt in Perspektivlosigkeit. Die vorhandenen und angebotenen Perspektiven haben nicht gereicht. Fehlende Perspektiven sind kein Einzelfall:«In vielen deutschen Innenstädten sieht man Migranten wie Matiullah Jabarkhel in Gruppen herumhängen, sie kommen aus Syrien, Somalia, dem Irak oder eben Afghanistan.

Manchmal wirken sie sympathisch, manchmal bedrohlich.» Das verständliche Herumhängen, eine Art Kollegialität, gibt wenigstens auch ein Minimum an Perspektiven. Im Falle von Jabarkhel haben solche Perspektiven nicht genügt, eingeengt zwischen Ablehnung des Asyls und Forderung der Familie nach Verbleib in Deutschland.

Über diesen Fall hinaus ist der Mangel an Perspektiven, insbesondere von solchen, die mit Nachhaltigkeit verträglich sind, das grösste Problem der Menschheit. Es liegt eben darin, dass mangels der genannten Perspektiven, solche genutzt werden, die nicht mit Nachhaltigkeit verbunden sind. Ein Beispiel ist die Fluchtursache Jarbarkhels. Er hat sechs Brüder, drei Schwestern: Geburtenrate 10 und damit weit über der von Afghanistan, die bei ca. 7 liegt. Diese hohe Rate ist die wesentliche Ursache für Perspektivlosigkeit und damit auch für die politische Entwicklung in Afghanistan.

Mangel an Perspektiven ist ja insgesamt die Ursache für viele unterschiedliche Vorgänge: die gestoppte Migration an der Grenze zwischen USA und Mexico, die Flüchtlings-Boote übers Mittelmeer, die wachsenden (durch Landflucht verursachten) Slums in vielen Grossstädten Afrikas, letztlich auch für den gescheiterten Arabischen Frühling.

Was benötigt wird, sind Visionen, die Perspektiven bieten. Hinweise zwischen welchen Extremen die Zukunft liegen könnte, bieten folgende zwei (weit gegensätzliche) Visionen, die Bevölkerungswachstum und Perspektiven betreffen. Zur ersten Vision: Bei wenig Nachwuchs bleiben langfristig dem Einzelnen (ohne Raubbau an der Natur) genug Ressourcen fürs Nutzen von Perspektiven (Konkurrenz in Bildung und Beruf, Sport, Naturerleben, Tourismus, etc.), die nicht zum Bevölkerungswachstum beitragen (Beispiel: Industrieländer mit Geburtenrate weit unter 2, etwa Südkorea).

Zur Zweiten Vision: Sind wenig Perspektiven durch Bildung, Berufsleben und Konsum vorhanden, werden zu stark Perspektiven genutzt, die zu hohem Bevölkerungswachstum beitragen. (Beispiel: Industriearme Länder mit Geburtenrate weit über 2, bis zu 7, etwa Nigeria wird 2050 mehr Einwohner haben als die EU). Nur eine geeignete ökologisch-soziale Transformation zur ersten Vision kann ein langfristiges, gutes Fortbestehen ermöglichen.

Anstatt das System verantwortlich zu machen, sollten sich auch die im Artikel genannten «Gruppen aus dem linken Spektrum» an der Diskussion um Lösungen für die grundsätzliche Problematik beteiligen. Es geht dabei auch darum, zu begründen, warum der Westen nicht die alleinige Verantwortung übernehmen kann und warum die Migrations-Politik sich an Grenzen ausrichten muss. – Dr. Gernot Gwehenberger

 

Herr Kempkens hat diese Geschichte ausgezeichnet recherchiert. Warum mußte Matiullah sterben? Letztlich weil er vom Vater in einen Kampf geschickt wurde, den er nicht wollte und dem er nicht gewachsen war. So kämpfte er um sich und gegen andere und schlug schließlich zu wohlwissend, dass er am Ende keine Chance hat. . Daher handelte auch der Polizist richtig und wehrte sich. Leider bestehen ähnliche Gefahren für manche Flüchtlinge, weil ein Kampf in ihnen selbst tobt. Da helfen auch Integrationsbemühungen wenig, jedenfalls nicht immer. – Helmut Staudt

 

Ausgehend von den Berichten der Medien kam es in den letzten Jahren immer wieder im Zusammenhang mit Gewalttätigkeiten von Zuwanderern auch zu Messerangriffen. Woher hätte der Polizeibeamte Lukas Weiler wissen können, dass der Aggressor kein Messer dabei hatte? Sebastian Kempkens schreibt in seinem Dossier: „Es gibt noch eine andere Theorie dazu, warum Polizisten auf Migranten schießen. – Studien zum sogenannten shooter bias legen nahe: Polizisten feuern in akuten Gefahrensituationen eher auf jemanden, der eine dunkle Hautfarbe hat – weil in ihrem Gehirn eine tief verankerte Verbindung abgerufen wird. Schwarz gleich gefährlich. Arabisch gleich gefährlich. – Man kann also durchaus fragen, ob Lukas Weiler in der gleichen Situation auch elfmal geschossen hätte, wäre er von einem weißen, deutschen Gewalttäter angegriffen worden.“

Hier unterstellt man dem Polizeibeamten Lukas Weiler, aus Rassismus geschossen zu haben. Ich behaupte: Man kann also durchaus sagen, wenn der Polizeibeamte Lukas Weiler in jeden gefährlichen Polizeieinsatz unvoreingenommen dem Aggressor gegenübertritt, er sich von jeder Person erst mal ein unvoreingenommenes persönliches Bild machen will, er eines Tages einfach nur noch ein toter Polizeibeamter gewesen wäre. Im Einsatz müssen Entscheidungen im Bruchteil von Sekunden getroffen werden. In Stresssituationen kann nur antrainiertes abgerufen werden: hier die Behebung der Ladehemmung der Pistole. Ein Messerangriff ohne gezogene Dienstwaffe aus einer Distanz von 2 bis 3 Meter überlebt man nicht. – Jochen Harms

 


 

 

Leserbriefe zu „Politiker von der Stange“ von Thea Dorn

 

Thea Dorn, vereinnahmt alle Leser zunächst pauschal als „Die Wähler“ und versucht darüberhinaus diese Wähler als Erziehungsberechtigten des Parteienpersonals zu „beschuldigen“. Wenn Thea Dorn in ihrem Beitrag dann noch die AfD und DIE LINKE in subtiler Form als „nicht wählbar“ klassifiziert, erlaube ich mir als „Die Wähler“ zu widersprechen:

Es war meines Wissens nach nicht die Partei DIE LINKE oder ihre außenpolitischen Ziele, sondern die außenpolitische Expertise von allen bisherigen Bundesregierungen die zu solchen Ergebnissen wie z.B. in Afghanistan und Mali oder (für die Älteren) im Kosovo geführt hat. Das bitte ich zu beachten, ehe man in einem Nebensatz der Partei DIE LINKE die Kompetenz in der Außenpolitik absprechen will… Was Frau Dorn und ihren „Politikern von der Stange“ bei aller Aufregung in diesen Zeiten fehlt? Zurückhaltung! – Armin L. Fischer

 

Thea Dorn lässt uns wissen, es scheine ihr der Fall zu sein, dass im Bundestag „nur noch Ladenhüter und Ausschuss sitzen“. Es macht mich fassungslos, dass eine solche Formulierung in der ZEIT Platz findet. Natürlich: Demokratisch gewählte Politikerinnen und Politiker müssen kritikfähig sein. Pauschale Verunglimpfungen sind aber das Gegenteil von konstruktiver Kritik. Sie bereiten, wie zu Zeiten der Weimarer Republik das Wort vom Parlament als „Schwatzbude“, lediglich den Boden für Demokratieverachtung, für Anschläge auf Wahlkreisbüros, Hetze in den sozialen Medien und körperliche Übergriffe. „Achte auf Deine Worte, denn sie werden zu Handlungen“, möchte man entsetzt rufen. – Dr. Sven Kerkhoff

 

Thea Dorn bringt es mal wieder auf den Punkt: Protagonisten der Parteien, die eigentlich keiner so richtig wählen will, „Ladenhüter und Ausschuss“ im Bundestag (wenn auch als rhetorische Frage verbrämt), Wahlkampf als „Ranschmeiße“, Spitzenpersonal, das das Volk verdient hat, „Personenzirkus mit ausgeprägt infantilen Zügen“, Politik und insbesondere der aktuelle Wahlkampf als „Kasperletheater“ bei weitgehender Inhaltsleere.

Ich ergänze: Auch wenn Heine mit seinem berühmten Gedicht („Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“) sich nach seiner alten Mutter im fernen Deutschland verzehrt hat, lässt sich der Satz sehr wohl auf das heutige Deutschland anwenden: Was haben wir nicht alles verschlafen, während wir uns auf Lorbeeren vergangener Erfolge ausruhten: Digitalisierung, Bildung, Klimapolitik, außenpolitische Rolle, Migration und Integration. Stattdessen die Paradedisziplinen: Verzögern, Aussitzen, Wegducken, Schönreden. – Bernd Riegsinger

 

Thea Dorn diagnostiziert einen zunehmenden Warencharakter in der Politik. Merkmale u.a.: Standardisierung, zugleich Singularisierung, Oberflächlichkeit, Marktgängigkeit. Die demokratische Wahl mündiger Bürger mutiert zu einer Auswahlentscheidung von Kunden. Gegen die in der Politik sich weiter etablierenden Markt- und Wettbewerbsgesetze hat der eigentliche Kern von demokratischer Politik – nämlich Gestaltungsmacht für die Angelegenheiten der Bürger zu sein – kaum eine Chance. Gleichwohl: Die Fridays for Future-Bewegung macht vor, dass die Regression zum Kunden, der sich mitschuldig z.B. an Massentierhaltung und Klimawandel macht, keineswegs die einzige Option ist. Weiterhin ist die Entwicklung zu mündigen Bürgern in einer freien Welt offen. – Reinhard Koine

 

Was sagt eigentlich das Grundgesetz, was wir bei der Bundestagswahl wählen? Wenn ich das richtig verstanden habe, dann wählen wir Abgeordnete. Aber was haben wir im Bundestag? Parteien. Klar, wir haben eine Erststimme, mit der wir uns für einen Abgeordneten aussprechen, aber wenn zu viele Persönlichkeiten auf diese Weise im Parlament den Parteienproporz stören, dann wird das hohe Haus so lange mit Figuren aus den Parteien aufgefüllt, bis diese Persönlichkeiten, die wir gewählt haben, unschädlich gemacht sind.

Und so kommt es, dass wir eine Repräsentanz haben, die überwiegend aus Intriganten, Seilschaftlern und Häutungskünstlern besteht. Das Wahlrecht steht sowieso zur Reform an. Warum machen wir nicht aus dem Parteienparlament ein Abgeordnetenparlament? Es gibt z.B. 200 Wahlkreise, die jeweils drei Abgeordnete entsenden. Der Stimmzettel besteht aus einer Liste von Kandidaten, aus denen jeder Wähler drei ankreuzen darf. Die mit den meisten, zweitmeisten und drittmeisten Stimmen vertreten den Wahlkreis. Die Abgeordneten sind verpflichtet, ihr Mandat allein nach ihrem Gewissen auszuüben, Fraktionen gibt es nicht mehr.

Die Folge wäre, dass die Größe des Parlaments feststeht, Abstimmungen im Parlament entlang der anliegenden Sache erfolgen, nicht mehr nach Parteizugehörigkeit, es sich nicht mehr lohnt, sich im Gewächshaus der Parteien auf einen hohen Listenplatz zu ranken, sondern man die Wähler überzeugen muss. Und am überzeugendsten sind die authentischen Persönlichkeiten mit all ihren Ecken und Kanten. Die aalglatten, stromlinienförmigen Einschmeichler dürften dann kaum noch eine Chance haben. Die Parteien dürfen an der politischen Willensbildung mitwirken, indem sie Kandidaten mit ihrem Parteiapparat unterstützen. Aber sie dürfen nicht mehr die politische Willensbildung sein. So sieht mein Traum aus. Die Wirklichkeit wird den niemals zulassen. – Hans List

 

Diesen Beitrag habe ich mit Interesse gelesen. Mein Eindruck ist, Politiker kommen nicht von der Stange, sondern aus der „politischen Retorte“ (Schauspielschule), nach einem langen Prozess der Anpassung auf den Karriereleitern der Parteien. Prof. Dr. Karl Jura, Lobbyist im Bundestag, Inhaber eines ständigen Hausausweises für den Bundestag, bekannte kürzlich in der Dokumentation „Geld, Macht, Politik“ in 3sat), er sei lieber Regisseur als Schauspieler.

Bei genauer Beobachtung von Christian Lindner und Armin Laschet entdecke ich den Ton des Oberlehrers, wenn sie ihre Zuhörenden belehren und bekehren wollen. Dann wird klassisches „Bühnen-Deutsch“ „gesprochinn“. Frau Baerbock ist überzeugt, das beste Deutsch zu sprechen und überdehnt als Nachweis die Vokale. Wort wird so zu „Wooat“ und Ort zu „Oooat“. Dazu ist es gekommen, weil die in der Öffentlichkeit stehenden Personen und vor allem die politischen Entscheider den bequemen Weg wählen und sich einer Selbstzensur unterwerfen. – R. Renaux

 

„Hilfe, ich habe nichts zu wählen!“ ist der Ausruf von jemanden, der alles Mögliche sein mag, aber jedenfalls kein Demokrat. Denn wer als Mitglied des Volkes an dessen Herrschaft teilnehmen will, muss sich wenigstens in ausreichender Weise darüber informieren, wer und was zur Wahl ansteht. Das ist nun wirklich das Minimum für eine Demokraten.

Eigentlich ist das jedoch nicht ausreichend. Als Demokratin oder Demokrat kann sich nur jemand bezeichnen, der an dem permanenten politischen Willensbildungsprozess aktiv teilnimmt, der in Art. 20 Grundgesetz mit der historischen Formulierung beschrieben wird:“ Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“. Denn das bedeutet, dass Demokraten nicht nur an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen, sondern auch zwischen diesen Daten darauf Einfluss nehmen, wie ihre Organe agieren, vor allem ihre Vertreter in den Parlamenten und Regierungen.

Hier mag es viele Möglichkeiten geben. Der Königsweg ist für mich die Mitarbeit in einer politischen Partei. Denn über diese gibt es den kürzesten Weg zu den politischen Entscheidungsträgern und vor allem: fast alle diese Entscheidungsträger werden aus den Parteien vorgeschlagen, diese stellen das politische Personal. Wer daher dieses Personal kritisiert, muss als Demokrat/in in den Parteien dafür sorgen, dass bessere Leute aufgestellt werden.

Zur Zeit sind weniger als 2% der Wahlberechtigten Mitglieder in den Parteien, die im Bundestag vertreten sind. Aber selbst von diesen 2% nimmt nur ein Bruchteil an der Parteiarbeit teil: der Entscheidung von Grundsatzfragen, der Auswahl der Kandidaten für die öffentlichen Ämter (unter Einschluss der eigenen Kandidatur). Würden sich viel mehr als diese 2% an der Arbeit beteiligen, würden sich auch die Meinungen in der Bevölkerung besser in den Parteien abbilden und geeignetere Kandidatinnen und Kandidaten um die öffentlichen Ämter bewerben.

Es handelt sich bei den von Frau Dorn zu Recht beklagten Problemen nicht um Wohlstandsverwahrlosung, sondern um Menschen, die keine Demokraten sind. Demokraten sind nicht nur Zuschauer, Betroffene, Konsumenten von Politik, sonder haben bei der politischen Willensbildung und der Auswahl des politischen Personals eine Bringschuld.

Der vielversprechendste Ausweg wäre daher, wenn die Meckerer in die ihnen am nächsten stehende Partei einträten und dort für bessere Politik und bessere Politiker sorgten. Doch auch dies ist angesichts der „Gesellschaft der Singularitäten“ nur ein naiver Vorschlag. In den Medien ist er unbekannt und die Politische Wissenschaft beschäftigt sich lieber mit dem 35. Modell von Bürgerbeteiligung als mit den notwendigen Voraussetzungen für das Funktionieren unserer Parteiendemokratie.

Für etwaige Interessenten an diesen Thesen verweise ich auf meine kleine Streitschrift „Wir brauchen nicht mehr Demokratie, sondern mehr Demokraten“, erschienen 2021 unter „wbgAcademic“ bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft,Darmstadt – Dr. Wolf-Dieter Hauenschild

 

Politiker von der Stange und narzisstische, gewitzte Wähler. Thea Dorn stellt beiden Seiten kein gutes Zeugnis aus, so einfach ist es aber nicht. Natürlich haben Medien und Umfragen im Wahlkampf Einfluss auf die Wählerschaft und auf die Politik gleichermaßen. Hier traue ich den geübten Wählern deutlich mehr Durchblick zu als Frau Dorn. Ich denke, dass die Wählerschaft durchaus zwischen Phrasendrescherei, Anbiederei, falschen Skandalen, Schlammschlachten im Netz und echten Inhalten beziehungsweise Fakten unterscheiden kann und in der Lage ist, dieses entsprechend zu bewerten. Dass die Wähler bei dieser Bundestagswahl so unentschlossen sind, fällt natürlich auf.

Meiner Meinung nach liegt das aber nicht an einem wohlstandsverwahrlosten, zickigen Wahlvolk sondern daran, dass die Herausforderungen der Zukunft gewaltig sind und fast nicht mehr beherrschbar erscheinen. Anstehende Veränderungen werden triefgreifender sein als vorher und die ganze Gesellschaft betreffen. In dieser Situation wünscht sich die Wählerschaft klarere Worte von denen, die später regieren wollen, und Führungskraft sowie Verlässlichkeit. Und hier sind die Parteien gefragt. Sie und ihre Gremien sind es doch, die die Kanzlerkandidaten bestimmen und selbst die Politiker von der Stange „produzieren“.

Die Formel, Kandidaten zu stellen, die möglichst wenig anecken, plus parteiinternen Präferenzen und Interessen genügen, geht nicht mehr so ganz auf. Markus Söder hätte für die CDU/CSU und Robert Habeck hätte für die Grünen mehr punkten können. Das besagt etwas und interessant ist doch auch, dass Politiker wie Boris Palmer und Sahra Wagenknecht bei vielen Wählern parteiübergreifend so beliebt sind, in den eigenen Parteien aber als Abweichler gelten. Beide sind Persönlichkeiten, die eben nicht mainstream sind oder Politiker von der Stange.

Thea Dorn verweist darauf, dass die meisten Wähler sich nicht zur Wahl stellen würden und an ihre eigenen Verhaltensweisen andere Maßstäbe ansetzen als an die der Kanzlerkandidaten. In diesem Punkte hat sie wohl recht. Meckern geht leicht, es selber besser zu machen, ist schon schwieriger. Trotzdem steht fest: Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, ist die ganze Gesellschaft gefordert und auch dafür mitverantwortlich, es sind nicht nur „die Politiker“. Heute ist Wahltag, wir werden sehen. – Regina Stock

 

„Politiker von der Stange“ ? Besser sind die Sympathieträger der breiten Masse nicht zu beschreiben. Die Menschen mit der „typisch german Angst“ lieben offenbar bevorzugt eher kalte und rationale Führertypen, grinsende Finanzbuchhalter und rumfabulierde Skeptiker mehr als fröhliche Rheinländer, die nicht kontrollieren, wann sie wo lachen dürfen, oder eine frisch-freche junge Frau. Lieber Merz, Söder, Scholz und Habeck als Laschet und Baerbock. Also sind wir, ein humorloses Volk, an den Politikern von der Stange schuld. Um Lebenswege, Erfolge und Programme geht es doch nicht. Bitte widerlegt mich heute (26.9.21) Abend um 18 Uhr…. würde mich freuen. – Wolfgang Frings

 

Treffend beschrieben von Thea Dorn: wir, das Wahlvolk, haben unseren Politikern sämtliche Ecken und Kanten abgeschliffen, bis jederzeit austauschbare Politkieselsteine übrigblieben! Dabei bräuchten wir Frauen und Männer mit Haken und Ösen, die sich so lange an all den sperrigen Zukunftsaufgaben festkrallen, bis sie sie gelöst haben! Doch, sie wurden aufs Abstellgleis gestellt oder längst aus ihren Parteien ausgeschlossen! Geblieben sind die Zeitgeistjets und Mainstreamtorpedos, die wir verdienen! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Dass wir Wähler die Politiker abgeschliffen haben, traue ich eher den Parteifunktionären an ihren Mitgliedern zu. Hier ein Beispiel, wenn die Parteiräson wirsam wird. Die FDP verlangte zwecks Koalitionswechsel ein Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt abzugeben. Das konnte Frau Hildegard Hamm-Brücher als dessen Staatsekretärin nicht tun. Die Folge war Ausschluss von sämtlichen Parteiämtern, obwohl die Frau zuvor aktiv für die Partei tätig war. – Claus Bley

 

Der o.g. Artikel war sehr erfrischend, geradezu herrlich mit dem Aufspießen der allzu häufigen Selbstgerechtigkeit und Projektion eigener Widersprüche und Anspruchshaltungen seitens vieler Kritiker „der Politik“, sei es in den Medien oder Stammtischen. Als müsste die Demokratie uns gefälltigst die Möglichkeit geben perfekte Menschen zur Macht zu wählen, die außerdem noch solche Zauber-Kompetenzen hätten, dass sie auch die Quadratur des Kreises hinkriegten oder des Waschens des Systems ohne nennenswert jemanden nass zu machen.

Als hätte „die Politik“ die „verdammte Pflicht und Schuldigkeit“ uns nicht nur unangenehme Entscheidungen abnehmen, sondern sie überflüssig zu machen, indem sie die Probleme und Dilemmas, mit Neusprech nur noch „Herausforderungen“ löst ohne Kosten, Einschränkungen, Anstrengungen und sonstige Nachteile und uns dabei auch noch durch unterhaltsame Spannung aus der Langeweile befreit. Als gebe es nur politisch verschuldete und keine schicksalsbedingten oder von anderen Ländern oder auch von vielen Wählern selbst (mit) verursachten Probleme oder Mängel.

Mit solchen Ansprüchlichkeiten verlangen die Kritiker allzu oft etwas, das nicht nur sie selbst niemals schaffen würden, sondern auch quasi Supermen oder Superwomen mit übernatürlichen Fähigkeiten erfordern würde. Da die Politiker und Parteien aber von der stetig wachsenden Zahl solcher überheblicher Kritiker in der Wählerschaft und den Medien abhängig sind, vollführen sie regelmäßig zu den Wahlen Eiertänze um die Illusion zu erzeugen solchen Ansprüchen gerecht zu werden, falls sie nicht sogar regelrecht ihre Erfüllung versprechen um trotz ihrer Menschlichen Begrenztheiten und Abhängigkeiten von naturgesetzlichen, mathematischen oder menschlich-sozialen Realitäten gewählt zu werden.

Ich habe dazu vor ein paar Monaten ein Gedicht geschrieben, dass ich im Anhang beifüge: An alle, die selbstgerecht mit engem Tunnelblick kritisieren//Hi, große ober-weise, habt Dank für eure Tipps, /was faul in unserm Land, der Welt, /Ihr wisst genau, wo man „versagt, ver-geigt“ – ohn´ euren Grips – /was doch so toll von euch bestellt! /Ihr braucht kein Pro und Kontra, und kein Fragen /an den „Angeklagten“, ihr wisst´s gleich zu sagen, /habt die „Vision“ des Ideals, die, wie man sieht, /ohn‘ Nachteil, Kehrseite noch Preis und Schweiß erblüht. //Ihr kennt kein einer-/andrerseits, /nur klare schuldige des Leids, /seht vom Glas nur den leeren Teil /und wer vermasselt hat das Heil,/doch kein Dilemma, keine Quadratur des Kreis´, noch wählen /zwischen Pest und Cholera, es darf nichts fehlen, /ob´s schwer, ob´s gar nicht geht, was fordernd ihr aufreiht, es „muss“ sofort erledigt sein, nur Wundern lasst ihr gnädig etwas Zeit. //Doch „großen Wurf“ verlangt ihr dann, ihr liebt /das gute, reine, himmlisch ungetrübt, /das nur gehindert, weil noch nie von euch am Steuer stand ein Groß-Genie; /für euch sind alle grottenschlecht, /nur ihr allein, ihr wisst es recht: /Weg mit den grottenschlechten, dann wird`s gut, /wenn ihr allein habt auf den Hut! – Peter Selmke

 

Dank an Frau Dorn für ihre – wieder einmal – offenen Worte. Ich kann jeden Satz unterstreichen. Zudem zeichnet sich eine sorgenvolle Divergenz ab: Die hyperkomplexen Zeiten werden herausfordernder (politisch, ökologisch, ökonomisch) gleichzeitig wird die Gesellschaft meiner Meinung nach oberflächlicher, denkfauler, “überhitzt“ und leider ja – auch ungebildeter.

Ich denke da öfters an die vorübergehende „Expertenregierung“ in Österreich vor 2 Jahren (damals leider ohne viel Befugnisse). Die war sehr respektiert und geachtet. Wer weiß, vielleicht würde uns so eine Lösung mit entsprechenden Befugnissen für Themen und Inhalte für ein/zwei Legislaturperioden helfen. Nichts Abgeschliffenes, sondern eckiges und kantiges! – Klaus Prinz

 

Ich musste Lachen über den Aufsatz von Frau Dorn, in welchem sie sich zur Verfechterin der klaren Kante und der unangenehmen Wahrheiten geriert. Hat sie doch schon gleicher Stelle vor einiger Zeit gegen all jene (Wissenschaftler), die unbequeme Wahrheiten mit klarer Kante vertreten, zum verbalen Rundumschlag ausgeholt. Bravo, bemerkenswerte geistige Akrobatik. Aber immerhin in die, meiner Einschätzung nach, richtige Richtung. Deshalb kann ich über diesen durchaus sinnvollen Ansatz zur Selbstläuterung herzlich Lachen. – Simon Wölfelschneider

 

Die werte Thea Dorn hat selbstverständlich recht. Zuerst bekommt das Volk die Politiker, die es verdient; dann bekommen die Politiker das Volk, das sie verdienen. In einer Demokratie, mithin der Diktatur eines Durchschnitts von Schwarmintelligenz und Schwarmdummheit, ist und bleibt das nun mal so. – Matthias Bartsch

 

Endlich bringt jemand zu Papier, was sonst unter der Bewusstseinsschwelle liegt und doch die meisten wissen! Danke, Thea Dorn für ihren Mut, das Verstörende, ratlos Machende auszusprechen! Gut auch, dass es diese Analyse aus dem Feuilleton ins Politikressort geschafft hat. Wer hätte bei der „Erfindung“ der Demokratie damit gerechnet, dass der Souverän so infantil werden könnte! Verstörender Befund! Demokratie hin oder her: Die Mehrheit der Wähler huldigt dem autoritären Herrscherpaar König Spaß und seiner Mätresse Bequemlichkeit, und wehe der Partei, der es wagt, deren fatale Herrschaft infrage zu stellen.

Immer dann, wenn konkrete, effektive Maßnahmen (Veggie-Day, höhere Energiebesteuerung, wirkungsvolle CO2-Bepreisung, usw.) beschlossen werden sollen, heißt es: „politisch nicht durchsetzbar“, m.a.W.: wir würden ja gerne, aber dann brechen unsere Umfragewerte ein. Wehe dem Politiker, die ausspricht, was schlichte Tatsache ist: dass wir nicht mehr so verschwenderisch wie bisher leben können! Dann holt der Souverän Wähler sofort die gelben Westen aus dem Schrank, nachdem er am Tag zuvor noch über die Untätigkeit „der Politiker“ geschimpft hat. Bleibt die bange Frage: welche Konsequenzen für die Gestaltung von Politik hat diese Analyse? – Wolfgang Bach

 


 

 

Leserbriefe zu „Deutschland braucht mehr Zuwanderer. Aber zwei von drei Syrern leben von Hartz IV. Wie kann das sein?“ von Kolja Rudzio

 

Wie kann man so einen unverantwortlichen Unsinn schreiben!!! Seit 40 Jahren bekommen die Deutschen weniger Kinder als Mitbürger sterben – wir könnten heute vermutlich bei 50-60 Millionen Deutschen sein! Die Welt würde es verkraften ! UND: es hätte gewaltige, gute Wirkungen für die Umwelt ! Was soll dieser ständige, unverantwortliche Wachstumswahnsinn !!??? – Dr. R. Patschan

 

Es ist eine Schande, dass so wenige Flüchtlinge nicht arbeiten! Auch wenn viele immer noch nicht gut Deutsch sprechen, so müssen sie zugewiesene Arbeiten annehmen: Reinigen und kochen in Flüchtlingsheimen, Müllabfuhr, Strassenreinigung, putzen in öffentlichen Gebäuden und vieles mehr. Wenn sie diese Arbeiten verweigern, kürzen der Mittel. Seit 6Jahren sind viele in Deutschland und es ist höchste Zeit, dass der Gesetzgeber hierfür die Weichen stellt! – Dr. Josef Schmidseder

 

Seit 2014 begleite ich Geflüchtete und gründete eine Flüchtlingsinitiative in meiner Stadt, um Geflüchtete zu unterstützen, ihnen „Paten“ and die Seite zu stellen und vor allem sie bei Behördengängen zu begleiten. Dies war unerlässlich, denn eine gute persönliche Begleitung hat den Geflüchteten bei der Durchdringung der Gesetze, der Formulare, bei der Wahrnehmung von Terminen bei der Ausländerbehörde geholfen und die Integration vieler möglich gemacht. Sie sind heute in Arbeit, haben teilweise eine Ausbildung absolviert und z.T. auch unbefristete Arbeitsverträge. Insgesamt ist der Prozentsatz der erfolgreichen Integration in unserer Kommune sehr hoch.

Aber: für geduldete Geflüchtete sieht das Ganze anders aus. Die Hürden, die durch Behörden und da insbesondere durch die Ausländerbehörden aufgebaut werden, sind extrem hoch und verschiedentlich konnten wir feststellen, dass – vor allem im Bereich der „Bemühungen“, Identität oder Passantrag zu stellen – eine völlige Unklarheit bestand, was das denn bedeute. Die Nachfrage beim Innenminister NRW hat ergeben, dass dies dem Ermessen des einzelnen Verwaltungsbeamten überlassen wird.

Was natürlich auch erklärt, warum in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich mit geduldeten Geflüchteten umgegangen wird. In Bayern werden sie trotz Ausbildung und Arbeitsvertrag abgeschoben, auch kranke Geflüchtete werden abgeschoben….in NRW wird teilweise großer Druck ausgeübt, in Hessen verzichtet man weitgehend auf solche Mechanismen. Ich konnte beobachten, das geduldete Geflüchtete in Tages- Wochen oder Dreimonatsrhythmen vorstellig werden müssen, dass häufig Arbeitserlaubnis nicht erteilt wird, dass die Geflüchteten in die Untätigkeit gezwungen werden und sich vor allem vor Abschiebung fürchten müssen, die leider auch in einer Form vor sich geht, die man als Mensch dieses Landes nicht akzeptieren kann.

Dies alles macht klar, dass geduldete Geflüchtete – trotz der eingeräumten Möglichkeiten – nicht gewollt sind, selbst wenn sie sich hervorragend integriert haben. Der alltäglich Druck auf diese Menschen ist inhuman, ist verwerflich, ist unerträglich – und die augenblicklich formulierten „Lösungen“ des Problems sind Anlass für Entsetzen. Ich bin nicht sicher, dass wir noch auf dem Grundgesetz stehen, wenn wir Menschen nicht erlauben, ein menschenwürdiges Leben in unserem Land zu führen. – Renate Hahn

 

Mit großem Interesse habe ich den Artikel im Wirtschaftsteil:‘ Deutschland braucht mehr Zuwanderer‘ gelesen. Ihre Darstellung, dass die Schüler im Sprachkurs am (unzumutbaren) schriftlichen Teil scheitern, kann ich nur unterstützen. Ich habe dazu einschlägige Erfahrungen mit einem Syrer, dem ich bei der Vorbereitung auf diesen schriftlichen TestIm Jahre 2019 geholfen habe. Diese Erfahrungen waren so deprimierend, dass ich versucht habe einzugreifen: Ich habe einen Brief an das Bamf, an das Gesundheitsministerium (Herrn Spahn)und einen an den Berliner Tagesspiegel geschrieben.

Die Reaktionen waren sehr überschaubar. Wenn überhaupt, erhielt ich einen Formbrief. Inzwischen ist mein Schützling im 2. Jahr der Ausbildung zum Pfleger bei einer großen Berliner Krankenhausgesellschaft. Es war mit viel Glück nur bei einem Anbieter gelungen die überzeugende Selbstdarstellung des Bewerbers über die B2 Prüfung zu stellen. Wenn die Arbeitsbedingungen für die Zuwanderer überhaupt besser werden sollen, muss man vor allen Dingen an Telc herantreten, die als einziges Sprachinstitut verbindlich für die Geflüchteten sind. – Elke Stumpf- Neukirch

 

Ich habe in den Grundschuljahren 2019/2020 u. 2020/21 ehrenamtlich einen syrischen Jungen, geb. im Oktober 2008 in Damaskus, mit mäßigem Erfolg, bis zu meiner Aufgabe im Frühjahr 2021 wegen fehlender Lernbereitschaft meines Schülers betreut. Im Rahmen dieser ehrenamtlichen Tätigkeit dufte ich einige Erkenntnisse über das Leben einer sechs-köpfigen syrischen Flüchtlingsfamilie mit 4 Kindern im schulpflichtigen Alter gewinnen und darüber, welche gravierenden Defizite das deutsche Integrationssystem für Erwachsene und das Schulsystem für Kinder und Jugendliche aufweist.

Allem voran muss man bei Erwachsenen die mangelnden Grundkenntnisse der deutschen Sprache nennen, die trotz mehrjährigem Aufenthalt in Deutschland die Integration erschweren, und weil es für das tägliche Leben inzwischen genügend Möglichkeiten gibt, in der einstigen Landessprache zu kommunizieren, fehlt meist der Anreiz, sich die deutsche Sprache anzueignen. Denn das ist mühsam und wozu auch? Da die Nicht-Teilnahme an den angebotenen Deutschkursen mit Abschlussprüfungen keine mir bekannten Sanktionen zur Folge hat, wird ein großer Teil der erwachsenen Migranten im Sozialsystem verharren. Können wir uns leisten? Fördern ist gut und richtig- aber Fordern braucht‘s auch.

Kinder und Jugendliche, die in einem familiären Umfeld aufwachsen, in dem kaum oder gar kein Deutsch gesprochen wird, bleiben, wie ich erleben musste, auf der Strecke. Hier wächst eine Generation mit Perspektivlosigkeit heran, wenn wir die Integrationsmaßnahmen nicht auf praxisnahe Füße stellen. Das wird viel Geld kosten, aber sicherlich weniger, als das Festsitzen in sozialen Netzen bis zum Rentenalter oder der Auseinandersetzung mit sich zwangsläufig bildenden, außerhalb des Rechts stehenden Gruppierungen. Mein Fazit: Bei Erwachsenen sollte die Gewährung voller Sozialleistungen von der Bereitschaft und Möglichkeit (physische und psychische Belastbarkeit; familiäre Situation) auf der Basis wertiger Gutachten abhängen.

Bei Schulkindern und schulpflichtigen Jugendlichen bedarf es dingend einer nachhaltigen Verbesserung der gesamten Integrations-Maßnahmen auf kommunaler Ebene. Das kostet viel Geld und Manpower. Salbungsvolle Betrachtungen der zuständigen Personen und Organe, verkennen den Ernst der Lage und bringen niemanden weiter. Ja, wir brauchen Zuwanderer, sofern sie über einen Wissensstand verfügen, der uns weiterhilft. Aber ebenso wichtig ist es, die bereits bei uns lebenden Menschen auf einen für die Teilhabe am täglichen Leben erforderlichen Bildungsstand zu bringen, wobei der Landessprache fraglos die Schlüsselrolle zukommt. – Harald Seidel

 

Über Ihren Artikel über ein Scheitern der beruflichen Integration von Asylbewerbern habe ich mich sehr gefreut. Ihre Analyse über die Gründe halte ich für sehr wichtig. Seit 2015 habe ich mir als Ehrenamtler ebenfalls darüber Gedanken gemacht. M. E. hat die Regierung und die Bürokratie durch Halbherzigkeit und Gängelei der Wirtschaft einen erheblichen Anteil an der von ihnen geschilderten Situation.

So sehr z.B. die Wertung eines Praktikums als entlohnungspflichtiges Probearbeitsverhältnis bei Hochqualifizierten sinnvoll ist, so verwehrt sie doch den meisten Asylbewerbern den Einstieg ins Berufsleben. Zwar wurde auf meine Anfrage bei der Bundesregierung hin ein unentgeltliches Praktikum von drei Monaten erlaubt. Dieser Zeitraum reicht aber keinesfalls aus, um die notwendigen – insbesondere sprachlichen – Fähigkeiten zu vermitteln. (Dabei waren Arbeitgeber dazu bereit, Asylbewerber länger und sogar bis zur Befähigung einer Lehre zu behalten.)

Eine weitere Möglichkeit zur Qualifizierung und Hinführung zu einer Ausbildung hätte meines Erachtens auch in den Pflegeberufen bestanden, wenn auf die Möglichkeiten von ehrenamtlichen Tätigkeiten hingewiesen worden wäre! (Der interessante Einwand der Behörde lautete dazu, dass die Asylbewerber in dieser Zeit nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden.) – Heiner Drabiniok

 

Ihre Beobachtung ist vollkommen zutreffend, die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt und das Leben hier ist für die meisten Geflüchteten weit schwerer als erwartet. Daran trägt das BAMF wie das Jobcentre einige Mitschuld. Denn die BAMF-Anhörer befragen wie ich mehrfach erlebt und noch öfter in Protokollen nachgelesen habe, die Geflüchteten wohl nach dem Namen ihres Großvaters und wo der wohne oder, falls tot, gewohnt habe.

Sie fragen aber wenig nach der beruflichen Qualifikation. Sie fragen kurz nach der Ausbildung, aber kaum nach der Praktizierung, Dabei wären die vielseitigen Erfahrungen der Flüchtlinge ein großes Kapital, denn die meisten haben mehrere Tätigkeiten ausgeübt, nur ohne formelle Ausbildung, Zeugnisse. Es wäre seitens des BAMF klug, diese Kenntnisse recht genau abzufragen und in geeigneter Weise dem Jobcentre zuzuleiten. Auch wenn das rechtliche Asylverfahren von Jobsuche getrennt betrachtet werden sollte, wäre sehr wohl zu bedenken, wo Leute sinnvoll unterkommen, selbst nach Ablehnung, denn wie bekannt erheben die meisten Klage gegen die negative Entscheidung – und die Dauer bis zum Gerichtsverfahren währt lange, z.Zt oft drei Jahre.

Darüberhinaus ist das gegenwärtige Verfahren: Wartezeit – Sprachkurse 2-3 Jahre) – dann Bewerbung – einfach nicht passend. Denn über den langen Wartezeiten bis ein Sprachkurs anfängt, sich dann mit 15 Nationalitäten mühsam dahinschleppt und dabei immer noch zu wenig lebendiges Deutsch gesprochen wird, geht ein großer Teil der Anfangsmotivation verloren. Ich lernte Menschen kennen, die nach 2 Monaten bereits viel und richtig sagen konnten, aber die Asylbürokratie hat ihnen langsam aber sicher die Hoffnung und ihre Sprachkenntnisse zerschlagen.

Ich habe mit Schreiben an den Präsidenten des Bundesamtes eben das beklagt und mehrfach, auch über kirchliche Vertreter den Vorschlag unterbreitet, Geflüchtete in passenden Berufsgruppen / z.B. Ingeneure/ oder Lehrer und Erzieher zusammenzufassen, sie schnell zweispurig (Praxis mit Theorie und Fachsprache) auszubilden und sie direkt den Firmen,/Heimen anzubieten. Das ist weit effektiver als sie zu lehren, wie sie schöne Bewerbungern schreiben. Diese Anbiederungsversuche sind so abschreckend wie hoffnungslos. Nein, die Jobcentre müssen die Fortbildung auf der vorhandenen Erfahrungen betreiben.Die sollten bei allen Asylbewerbern genau abgefragt werden..

Ich habe in diesem Sinn an die Bundesbahn geschrieben, die Tausende Mitarbeiter sucht( die beim BAMF anfragen könnten, aber ..) und erhielt eine freundliche Antwort, dass man für die Anregung danke. – Lediglich die Verkehrsbetriebe Hamburg haben ein solches Gruppentraining für Geflüchtete durchgeführt. Es werden z.Zt vielerorts Fachkräfte in der Gastronomie gesucht. Wo aber finden dafür Anwerbung und Kurse statt? Selbstbewerbungen haben nur selten Erfolg, es braucht nicht nur die Empfehlung, sondernm die Vermittlung: vom Training in den Job! Denn es gehört auch zu den absurden Erfahrungen, dass die Zeugnisbewertungsstelle – ebenfalls mit Wartezeiten bis zu einem Jahr ! – Leute mit Abitur und einem begonnen Studium auf Hauptschulabschluß zurückstuft. Aber Zeugnisse allein nützen nicht viel in dieser Situation.

Für die Integrationsmaßnahmen selbst wäre es wohl nützlich wenn ein jeder deutsche Verein, ob Sport, Gesang oder Schmetterlingsammeln, amtlich gefragt wird, was er für die Integration von Flüchtlingen unternommen habe. Das gleiche in den Kirchen. Es bräuchte vor allem eine grundsätzlich andere Einstellung des BAMF als unter Minister Seehofer, wo so viel auf Abweisung ausgerichtet war. Ob der zukünftige Innenminister dafür Mut hat? – Helmut Staudt

 

Ihr Bericht ist sehr ernüchternd und gibt einem zu denken. Da kommen mehr als eine Million Menschen ohne berufliche Qualifikation aus einem Land im Bürgerkrieg nach Deutschland. Und in dieser für die nicht Geflüchteten beneidenswerten Lage schaffen sie es nicht nach 6 Jahren, deutsch zu lernen und Arbeit zu finden. Die beiden Beispiele sind erschreckend. Zwei junge Männer in ihrer aktivsten Lebensphase, der eine mit Familie und kleinen Kindern, der andere konnte sogar seine Familie nachkommen lassen, stehen nach so langer Zeit nicht auf eigenen Füssen und werden es in absehbarer Zeit immer noch nicht sein.

Ihre Kinder mit Eltern ohne Sprachkenntnisse werden Problemfälle in der Schule sein. Integration?Wieviel Jahrzehnte wird es dauern, bis sie sich hier zurecht oder auch nicht zurecht finden? Das Problem wird dazu verniedlicht. 26 Euro pro Jahr und Bundesbürger summieren sich auf 20 Milliarden. Die wären woanders mehr Menschen zugute gekommen. – Dr. Walter Engel

 


 

 

Leserbriefe zu „Politik statt Programm“ von Navid Kermani

 

Die Aussage Ihres ausgezeichneten Artikels ist im Wesentlichen bereits in der 2. Überschrift enthalten: Angela Merkel hat vieles mit Herz, aber wenig aus Überzeugung getan. Es wäre für Deutschland besser, Sie könnten schreiben: Angela Merkel hat vieles mit Verstand und Überzeugung selbst mit dem Risiko des Machtverlustes getan. Aber so war es leider nicht. – Dr. Walter Engel

 

Ich kann dem Artikel von Herrn Kermani nur vehement zustimmen. Seine Analyse stellt eine nahezu perfekte Beschreibung der Merkelschen Politik dar. Frau Merkel hat 2005 erkannt, dass die Bürger nicht bereit sind, irgendwelche Zumutungen zu akzeptieren und dass egal, was man für eine Idee hat, stets eine hinreichend große Wählergruppe beleidigt ist. Bei einem Handeln, dass strikt dieser Prämisse folgt und der völligen Abwesenheit von politischer Konkurrenz, bekommt das Land dann genau das, was wir in den letzten 16 Jahren erleben mussten.

Ja, in vielen Bereichen haben wir einen gesellschaftlichen Konsens, aber wir können einfach nicht weitere zehn Jahre in der digitalen Steinzeit verbringen und die Klimakatastrophe erfordert jetzt sofort Maßnahmen die weh tun werden, wie etwa den sofortigen Kohleausstieg und die massive Verteuerung von Fleisch und Energie. Glaubt jemand im Ernst, dass nach der Wahl in diesem Land politisches Handeln stattfindet, dass der Größe dieser Probleme auch nur im Ansatz gerecht wird? Ich jedenfalls nicht. – Priv.-Doz. Dr.-Ing. Dipl.-Inform. Andreas Zabel

 

Noch nie hat mir jemand so aus der Seele gesprochen wie Herr Kermani, deshalb schreibe ich auch zum ersten Mal einen Leserbrief. Bei allen menschlichen Qualitäten, die Frau Merkel sicher zu eigen sind, hat für mich noch niemand so treffsicher und klar ihre Defizite aufgezeigt und übersichtlich zusammengefasst und durchleuchtet, wohin uns ihre Kanzlerschaft gebracht hat. Er hat in allen Punkten zu 100 Prozent Recht. Herzlichen Dank für Diesen hervorragenden Beitrag! – Elke Hammersen

 

„Politik statt Programm“ von Navid Kermani muss man zweimal lesen, um so viele Unterstellungen auf einmal erfassen zu können. Der Laureat mag ein hervorragender Schriftsteller sein; was er ausführt, kann nicht unkommentiert bleiben. Auf Einleitung und Schluss hätte er verzichten können, da dies lediglich Hohn auf die Kanzlerin und auch auf viele ihrer Wählerinnen und Wähler ist. Frau Merkel auf „unprätentiös, empathisch, witzig und klug“ zu reduzieren ist unseriös!

Seine Analyse verkennt u. a., dass eine Kanzlerin keine unbeschränkte Machthaberin ist, die in Deutschland, Europa und der ganzen Welt nach Gusto oder auch nach einem „Programm“ regieren kann. Sie unterliegt – wie auch in der Pandemie zu beobachten war – dem Grundgesetzt mit seinen Restriktionen für die Bundes-regierung. Ich bin dankbar, dass wir eine Kanzlerin der Realpolitik hatten, die mit naturwissenschaftlicher Rationalität unser Land regiert hat. Ist Herrn Kermani entgangen, dass Deutschland von Bürgern vieler Länder mit dieser Kanzlerin beneidet wird, die nach seiner Ansicht „wenig aus Überzeugung getan“ hat? – Arnold Grolmus

 

Wenn er das Wesen Angela Merkels beschreibt, bin ich mit Herrn Kermani einer Meinung. Nicht einverstanden bin ich mit seiner Vorstellung, dass sie rein pragmatisch, ohne Agenda gehandelt habe. Ja, ich sehe auch keine spektakuläre Vision, doch den Willen, für Deutschland und Europa Frieden, Freiheit und Wohlstand zu garantieren – und das auf eine wunderbar unaufgeregte Art. Ich meine, dass wir dieser Agenda sehr viel zu verdanken haben.

Doch zu einer Demokratie gehört nicht nur die Regierung, sondern dazu gehören auch die Bürger – und die haben es sich in der Sicherheit der Regierung Merkel bequem gemacht. Für alles was unbequem war, riefen sie nach dem Staat: Die Sorge für Alte, Kranke, Kinder, Menschen mit Behinderung, ja und auch für das Beherrschen der Pandemie. Sie riefen nach Regulierungen bis ins Kleinklein, statt selbst Verantwortung zu übernehmen, indem sie z. B. ganz einfach konsequent AHAL einhielten!

In dieser staatsmütterlichen Fürsorge hat Frau Merkel dafür gesorgt, dass ihre Staatskinder nicht erwachsen wurden. Jetzt gilt es, dass die Bürger aus den Federn kommen, gemeinsam mit der Regierung Deutschland lebendig machen, nicht in Konsumträumen die Weiterentwicklung unseres Landes verschlafen.- Dr. Ursula Augener

 

Nun gut, man kann von Frau Dr. Merkel halten was man will, immerhin hat sie 16 Jahre als Kanzlerin durchgehalten, und das alleine ist schon eine großartige Leistung; in dieser bisher doch sehr typischen Männerdomäne. Sie hat vieles nach typischen Merkelmanier gemanagt, und vielleicht werden wir sie gerade dafür sehr vermissen! Vielleich wird sie bis auf weiteres die einzige Kanzlerin bleiben, vielleicht hält sie tätsächlich noch heuer ihre allerletzte Weihnachtsansprache, aber danach dürfte der letzte Vorhang fallen und der Ofen ist. Schluss, Ende, aus und vorbei, die Kanzlerin geht mit ihrer typischen Merkelraute und mit einem „Ihr könnt das, auch ohne mich schaffen“, von Bord! – Klaus P. Jaworek

 

1. Kermani analysiert professionell, und spätestens nach dem von klugen Beobachtern längst vor der eben vollbrachten Bundestagswahl mit der Auflösung jeglicher Volksparteienmythologie muss mit dem elendigen CDU/CSU-Ergebnis allerdings konstatiert werden, dass 16 Jahre Dr. Merkel zuviel waren und sie genau dem Kohlschen Fehler unterlag, nicht im richtigen Moment längst ihr Kanzleramt verlassen zu haben.

Bereits während der medial fabrizierten Wahlkampagnen musste jedem genau hinhörenden bewusst geworden sein, welche Probleme sich in diesem Lande aufgetürmt haben und dies sehenden Auges. Die Wahlschlachten mit erschütternd banaler Rhetorik offenbarten das Desaster, dass sich dann höchst beunruhigend in den Wahlergebnissen für die CDU/CSU widerspiegelten. Dass Herr Laschet nicht einmal den simpelsten Wahlvorgang beherrscht, außerhalb der Wahlkabine auch noch den Wahlzettel verkehrt faltet und damit per se diese seine Wahl als ungültig zu erklären gewesen sein müsste (!) und nach dieser massiven Wahlschlappe nicht die elementarste menschliche Haltung dmeonstriert, nämlich seinen und den enormen Vertrauensverlaust seiner Partei einzugestehen und anzunehmen, zeitigt doch nur, dass er nie Kanzler einer demokratischen Zivilgesellschaft werden kann und darf.

Verlieren können ist eine Geistesqualität, die muss man aber haben, vor allem aber Anstand und ein gefühl für Würde dem Anderen gegenüber! In unserem sächsischen Land poltert die AfD vor CDU und, ja auch SPD – ein schrecklicheres Wahlergebnis nach der Merkel-Ära kann es nicht geben. Auch ich setze alle Hoffnung auf Realitätssinn eines O. Scholz, eines Chr. Lindner und der Grünen: Es kann und darf nur die Ampel geben! Das Wählervotum bedeutet dies ganz klar und unmissverständlich! – Jo. Flade

 

Ich möchte mich für Ihren Aufsatz über Angela Merkel in le Monde und der Zeit bedanken. Er ist – gerade auch wegen seiner passenden Kritik – eine würdige Auseinandersetzung mit dieser (deutschen) Politikerin. Ich möchte Ihnen jedoch in einem Punkt widersprechen: So konnte sehr wohl mit dem bloßen Blick Politik und Diplomatie ausdrücken. Es gibt von Ihr z.B. ein Bild in einer Pressekonferenz mit Medwedjew, direkt nach dem russischen Eingreifen in Georgien, auf dem Frau Merkel Medwedjew während seiner Einlassungen ansieht wie eine Gouvernante.

Der Blick sagt „Du kleiner dummer Junge“. Die Briten (Times/Financial Times) haben dieses Bild auch kolportiert. Manchmal sagt ein (veröffentlichter) Blick mehr als tausend Depeschen – sie konnte das schon. Aber sie war eher sparsam damit. Sonst nutzt sich eine solche Geste ja auch ab. – Gerhard Roland

 


 

 

Leserbriefe zu „Haus frisst Fläche“ von Petra Pinzler

 

Ich bin mit Ihrem Artikel völlig einverstanden. Klimaschutz und weiterbauen wie bisher geht nicht zusammen. Die Parteien wissen das, und keine nimmt das Thema ehrlich auf bis auf die Grünen, die es aber schnell wieder haben fallen lassen. Ich erlebe, wie Karlsruhe, eine von extremen Temperaturen bedrohte Stadt, jeden Winkel mit Gewerbebauten zubaut, wohl aus Gründen der Gewerbesteuer, ohne Wohnraum für zusätzlich Beschäftigte zu haben. Der Siedlungsdruck auf die angrenzenden Gemeinden ist enorm. Falls dort Wohnungen entstehen, führt das zu neuem Verkehr, den man bereits jetzt kaum bewältigen kann. Insgesamt erscheint es falsch, die Ballungszentren zu fördern. Eine gezielte Entwicklung der Landgemeinden wäre besser. Aber auch bei diesem Problem drückt sich die Politik. – Dr. Walter Engel

 

Aufgabe der Politik sollte es sein, Lösungen, die den Flächenverbrauch verringern, zu fördern. Seit dem Bauhaus und dem „Neuen Bauen“ nach dem 2. Weltkrieg gab es wenige wirklich innovative Bau- und Verkehrsplanungen. Gebaut wird, was profitabel ist und die grösste Lobby hat. – R. Renaux

 

Das Thema hatten wir schon einmal, und es wird wahrscheinlich immer mal wieder aufkeimen. Frage an Sie:“Wohnen Sie in einem Haus? Oder in einem Wohnwagen?“ Es ist immer wieder erstaunlich, warum immer wieder Einzelhäuser ( von den GRÜNEN schon bemeckert , Dr. Hofreiter), in der ZEIT als Grund für die Erderwärmung herangezogen werden. Ich denke, dass auch in den ZEIT Redaktionen die Mitarbeiter♡ innen, in irgendeinem Haus wohnen und leben. Es ist ein ganz natürlicher Prozess, denn alle Erwachsenen „Kinder“ wollen ja auch irgendwann eine Familie gründen. Also braucht man Wohnungen.

Oder sollen alle bei Mama und Papa wohnen bleiben? Dann wird es mit großer Sicherheit bald keine Kinder mehr geben ( siehe Italien). Auch ziehen immer mehr aus anderen Bundesländern dort hin,wo die Arbeit ist. Ansonsten müssten Hamburg und SH sich verbinden, um mehr Bauplatz zu bekommen. Einfach zu sagen, es darf nicht mehr gebaut werden, und man selbst hat eine tolle Wohnung, finde ich etwas pervers. Also lasst alle nach SH, wir haben hier viel Platz, und es wird sehr viel gebaut, und zwar für jeden! – Ute Koch

 

In der Debatte um die Wohnungspolitik präsentieren VertreterInnen fast aller Parteien unisono EINE Lösung: bauen, bauen, bauen. Dass das DIE Lösung ist, dagegen sprechen viele Argumente: 1. Es dauert zu lange (darauf hat u.a. kürzlich das DIW in einem lesenswerten Aufsatz aufmerksam gemacht). 2. Es wird den Anstieg der Mieten nicht bremsen; zu rapide ist der Anstieg der Baukosten – ohne sehr erhebliche öffentliche Subventionen entsteht dadurch kein für die breite Mehrheit der Bevölkerung bezahlbarer Wohnraum. 3. Neubau in der u.a. von Christoph Gröner propagierten Masse trägt zur ohnehin bereits fortgeschrittenen Versiegelung des Bodens bei. Deshalb ist es verwunderlich, dass auch die Grünen keine andere Lösung als Wohnungsneubau anbieten.

Unter den Teppich gekehrt wird das massive Verteilungspoblem, das wir haben. Die Wohnfläche pro Kopf ist in den vergangenen 30 Jahren in Deutschland von 35 auf 47 qm gewachsen. Dafür gibt es viele Gründe, z. B. mag der Rückgang der Haushaltsgröße von 2,2 auf 2,0 Personen dazu beigetragen haben, gleichlaufend auch der Einfluss der Alterung der Bevölkerung. Der Durchschnitt verdeckt wie immer auch viele wichtige Differenzierungen. So hat sich die Wohnfläche pro Kopf in Ostdeutschland zwar fast verdoppelt, liegt im Schnitt aber immer noch unter der westdeutschen Versorgung. Erhebliche Unterschiede gibt es auch zwischen Stadt und Land; zwischen Regionen/Metropolen wie Berlin mit erheblichem Zuzug, mit dem die Entwicklung des Wohnungsbestand nicht Schritt hielt, und ländlich geprägten Regionen wie etwa Brandenburg und Schleswig-Holstein.

Gleichwohl: wir haben ein massives Verteilungspoblem im Hinblick auf die Finanzierbarkeit von Wohnraum. Die gestiegene Wohnfläche pro Kopf hat auch mit Wohnen als Prestige-Objekt, dem Hang zu Zweitwohnungen und Datschen, Wohnraum als Spekulationsobjekt etc. zu tun, die wachsende soziale Kluft zwischen Einkommens- und Vermögensstarken und Geringverdienenden spiegelt sich immer stärker im Wohnungsmarkt.

Es wäre verantwortungsvolle Politik, darauf aufmerksam zu machen, dass die Flächenversiegelung ihre Grenzen haben muss. Es wäre auch verantwortungsvoll, auf den mit der Wohnfläche pro Kopf einhergehenden Energieverbrauch und Ressourceneinsatz hinzuweisen. Es wäre sozial- und umweltpolitisch umso wichtiger, Wohnraumverschwendung entgegenzutreten. Also: drastische Erhöhung der Zweitwohnungssteuer, drastische Erhöhung der Bußgelder bei Zweckentfremdung z. B. als Ferienwohnung. Abgaben für Leerstand, erhöhte Grundsteuer im Fall von nicht genutzten Grundstücken. – Sabine Hübner

 

Der Eigenheimbau ist ein Musterbeispiel dafür, wie Politik, Wirtschaft und der Einzelne einen sinnvollen Umweltschutz verhindern und statt dessen einen symbolischen Aktionismus betreiben. Die Politik fördert den Wohnungsbau durch Ausweisung von Baugebieten, einem Bundes-Bodenschutzgesetz, das den Boden vor Flächenverbrauch nicht schützt, Bausparförderung, Baukindergeld etc.. Bürger haben dadurch die Möglichkeit großzügig zu bauen. Es entstehen Eigenheime für 2 bis 4 Personen mit über 200 m² Wohnfläche plus Garage und Grünfläche ums Haus. Die HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) belohnt Architekten, die solche Häuser planen, da sie umso mehr verdienen, je mehr Geld verbaut wird.

Gleichermaßen profitiert die Bauindustrie davon. Steht das Haus, müssen die Räume gefüllt werden. Möbelhäuser liefern die erforderliche Inneneinrichtung. Schließlich bieten Baumärkte vom Rasenmäher über Kirschlorbeer bis zum Dübel alles drum und dran, was der Hausbesitzer zur Selbstverwirklichung in und um seine eigenen vier Wände braucht. Das Gesamtpaket bekommt einen grünen Anstrich, indem die Politik Solarmodule auf Neubauten fordert und Schottergärten verbietet, indem die Wirtschaft Produkte mit Ökolabel liefert und indem die Hausbewohner einen Gartenteich anlegen und sich vegan ernähren.

Unserem Umgang mit der Umwelt fehlt jegliche Wahrhaftigkeit. Wir beschäftigen uns intensiv mit dem Fliegendreck auf dem Güllefass. Außen glänzt alles wunderbar, an das Kernproblem wollen wir nicht ran. Aber das Güllefass schwabt langsam über, wie wir es im Ahrtal erleben konnten. Und jedes Neubaugebiet liefert seinen Beitrag zum nächsten Jahrhunderthochwasser. Es bedarf grundlegender Änderungen der Politik (rechtliches Regelwerk), Wirtschaft (Wachstumszwang), Bürger (Anspruchsdenken) und damit der gesamten Gesellschaft, um die Umweltproblematik zu bewältigen. Wer behauptet, dies allein mit technischen Innovationen erreichen zu können, denkt offensichtlich nicht weiter, als es ihm das ökonomisch-technokratische Paradigma erlaubt. – Dirk Schranz

 

Endlich ein Artikel der die Grundsatzfrage stellt: warum brauchen wir immer mehr Wohnraum bei gleich bleibender Bevölkerung? Und es zeigt sich ein weiteres Beispiel unserer Lebensweise: Wir wählen eine Standard-Ferien-Hotelanlage, aber weit weg, fahren auch bei schönem Wetter zum Brötchen holen mit dem Auto, essen nicht gesund, sondern billig und dafür viel, und bauen schließlich Wohnungen in denen wir vereinsamen. – Frank Hrebabetzky

 

Der Flächenfraß frisst sich weiter durch unser Land und keiner wagt es, diesen „Selbstläufer“ zu stoppen. Jede Kinkerlitzchengemeinde braucht neben dem eigenen „Industriegebiet“, auch immer mehr an Straßen, Straßen, Straßen. Und was machen wir Menschen, aus lauter Freude, wir lassen uns ganz individuell und extraorbitant in unsere Häuser „ein- und zubetonieren“.

Der Mensch will weiter größenwahnsinnigen Wachstum betreiben und gleichtzeitig spielt er sich riesengroß als Klimaschützer auf, und das gefühlsmäßig schon immer! Doch wer soll damit wohl anfangen? Naturgemäß, wie immer, immer der Andere, und die alte Leier leiert weiter, weiter, weiter, dieses uralte Menschenliedchen! – Klaus P. Jaworek

 

Auf der Conference of parties (CoP) Nr. 21 in Paris wurde 2015 das berühmte Abkommen ge-schlossen. Bereits auf der CoP Nr. 7 in Marrakesch wurde 2001 „changed land use“ als eigenes klimarelevantes Problem benannt. Wann hat Frau Pinzler gemerkt, dass es nicht nur das „böse CO2“ (neben sechs weiteren Treibhausgasen und zudem Bewölkung) gibt? 2001 gab es 6,2 Mrd. Menschen, heute über mit 7,8 Mrd. weitere 25 % mehr Menschen auf der Erde. Fällt Ihnen etwas auf? – Wolfgang Ströbele

 


 

 

Leserbriefe zu „Sollen wir jetzt alle aus der Kirche austreten?“ von Rainer Esser

 

JA – und wenn man die Argumente von Herrn Esser liest muss man ergänzen – UND ZWAR DRINGEND ! ‚Ändern würde es nichts‘ – ein meist falsches und leider typisches Argument des alten weißen Mannes und Zeugnis der eigenen ‚geistigen Faulheit‘ Natürlich ist man ‚Ketzer‘ wenn man ‚entfernt Parallelen‘ mit anderen frauenfeindlichen Institutionen erkennt. Schulen und soziale Einrichtungen müssen Aufgabe der freien Gesellschaft sein und frei von religiöser Einflussnahme. Frauen bewegen Kirche und Maria 2.0 als Beweis für den Reformwillen der Kirche zu missbrauchen ist mehr als frech.

Alle die jetzt aus der Kirche austreten, weil sie diese korrupte und nicht reformierbare Institution nicht länger aktiv unterstützen können, werden also als egoistische Steuerflüchtlinge diffamiert weil ‚nur kurzfristig Freude über etwas mehr Geld auf dem Lohnzettel‘ der eigentliche Grund sein kann. Da mag doch ruhig auch ein kleiner Aufreger auf mich niedergehen wenn ich entgegne – Hitler hat auch Autobahnen gebaut. – Oliver Leifheit

 

Treten Sie aus der Kirche aus! Eines der schlimmsten Verbrechen als Priester ist es, im Missbrauch des Vertrauens und der religiösen Autorität Kinder zu „vernaschen“, ihnen schweres Leid zuzufügen, das sie ein Leben lang belastet. Der Umgang kirchlicher Würdenträger damit – Verleugnung, Verdrängung, Vertuschung – lässt nur einen Schluss zu: den Austritt aus der Kirche! Nur massiver finanzieller Druck wird zur Rückbesinnung führen, alles andere ist naives Wunschdenken. Nächstenliebe geht auch ohne die Pharisäer der Lügen und Intoleranz. So bleibt nur eines: Treten Sie aus der Kirche aus. – Karl Knapp

 

Vielen Dank für den bemerkens- und lesenswerten Artikel, weil die reale Problemsituation der Katholischen Kirche von einem, darunter leidenden Verfasser als Kirchenmitglied richtig wahrgenommen und geschildert wird, er aber trotzdem „bei der Stange bleibt“, in der Hoffnung, daß seine Veränderungswünsche sich irgendwann realisieren werden. Ich fürchte allerdings, daß die klerikalen Verantwortlichen sich von den Veränderungs- wünschen der Kirchenmitglieder nicht von ihren autoritären Strukturen abbringen lassen, jedenfalls solange die Finanzen noch reichen.

Mein Vorschlag an den Verfasser und die gleichgesinnten Kirchenmitglieder sind zwei Alternativen: – Austritt sofort, Beobachtung der Reformentwicklung und Wiedereintritt wenn die wichtigsten Reformen durchgeführt worden sind. – Kein sofortiger Austritt, aber Setzung eines zeitlichen Limits (z.B. 5 Jahre) und Austritt dann, wenn bis dahin keine wichtigen Reformen umgesetzt worden sind, Übrigens: Man kann auch gläubiger Christ sein und z.B. nach der Bergpredigt leben, ohne einer Kirchen anzugehören (wird auch vo Theologen so gesehen). – Dieter Nier

 

Bis zu seinem Schlusssatz „Kirchenaustritt hingegen bringt nur kurzfristig Freude über etwas mehr Geld auf dem Lohnzettel!“ hat Rainer Esser längst verloren, womit er angefangen hat: den Hinweis auf den Kern des christlichen Glaubens: Nächstenliebe. Dass alle, die sich von der Institution Kirche verabschieden, nur den Lohnzettel im Sinn hätten – auch über solch einen phantasiearm und lieblos hingeworfenen Satz würde sich Jesus wohl wundern. Eher ist es ein Zeichen der Ratlosigkeit des Autors angesichts des Bildes, das die Kirche heute der Welt von sich zeigt.

Wie wurde Woelki zu Woelki, Wilmer zu Wilmer, wie wurden wir zu dem, was wir jetzt sind, was uns jetzt Halt gibt und mehr als nur Hoffnung. „Die Kirche muss sich ändern“ – leicht hingesagter Satz, nur wer muss und wer will überhaupt sich da in welcher Weise ändern? Wie wird aus Woelki ein Wilmer? Wie bringt wer „eine alte Glaubenslehre“ auf den „rechten Weg“ – oder vielleicht doch eher auf einen „neuen Weg“, auf dem auch Jesus wieder mitgeht? – Hans Fechler

 

Ihr Beitrag „Sollen wir jetzt alle aus der Kirche austreten?“ riss mich mit. Bis dann der letzte Satz mich innehalten lies. Kurzes Durchatmen: Wir treten also aus, weil wir etwas mehr Geld auf dem Lohnzettel haben wollen? Am Tag meiner Volljährigkeit trat ich aus der Kirche aus. Damals erhielt ich 80,00 DM Gehalt. Die Ersparnis wäre marginal gewesen. Was der wirkliche Grund für meinen Austritt war und es bis heute ist: Als Frau meine Würde zu behalten. – Irmgard Emmerling

 

Ihre Analyse hat mich sehr angesprochen. Als ebenfalls Laie und gläubiger Christ stelle ich mir auch dieselben Fragen. Im Ergebnis kommt mir der Kirchenaustritt aber wie ein Austritt aus der Familie vor. Wenn ich mit Gott in Beziehung treten will, bietet mir zudem die Kirche auch heute noch vielfältige Möglichkeiten. Auch habe ich sehr viele überzeugende Priester kennengelernt. Aus Ihren Analysen ziehe ich folgende Folgerun-gen für mein Gottes- und Menschenbild: 1. Gott hat weder in der Vergan-genheit noch in der Gegenwart diese vielfältigen Missbräuche und Gewalt-taten verhindern wollen oder können!

Im Hinblick auf seine Na-tur- insbesondere seine Evolutionsgesetze – glaube ich aber, dass Gott es tatsächlich nie konnte! – Damit nehme ich aber nicht zugleich an, dass Gott nicht allmächtig ist. Wir können dem Schöpfer m. E. nur nicht vorschreiben, wie er von seiner Allmacht Ge-brauch zu machen hatte, als er das Universum initiierte. – 2. Wenn er physisch aber nicht eingreifen konnte, hat er auch die Vormachtstellung der Männer in der Kirche – und in den Religionen lange vor dem Christen-tum! – weder initiieren noch verhindern können. Die Frau am Herd mit kleinen Kindern war die meiste Zeit der Menschheitsgeschichte halt in einer schwächeren Position.

3. Selbst wenn die Machtverhältnisse sich jetzt wandeln sollten, fühlen sich die meisten Christinnen durch die Lehre Christi zu Recht daran gehin-dert, ihrerseits die Männer aus den Priesterämtern zu ver-drängen. 4. Damit dies auch nicht geschieht, sollte die Kirche schnell der Frau eine gleichberechtigt Teilhabe ermöglichen. – Heiner Drabiniok

 

Herr Esser argumentiert zu Unrecht, dass ein Kirchenaustritt nur kurzfristig Freude über etwas mehr Geld auf dem Lohnzettel bringt und wiederholt das alte und längst widerlegte Narrativ, man könne ja nur etwas ändern, wenn man in der Kirche bleibe. Genau das ist doch nicht der Fall: Die im theologischen Amtsverständnis der Kirche gründende Hierarchie sieht schlichtweg keine echte Beteiligung von Laien vor. Bei den von Herrn Esser angeführten Hinweisen, es gäbe ja immerhin den Synodalen Weg und Maria 2.0, handelt es sich gerade nicht um kirchliche Formen der Partizipation.

Der Synodale Weg diskutiert wichtige Themen, er hat aber schlichtweg keinen verbindlichen Impact, erst recht nicht auf die theologischen Kernpositionen der Kirche – er ist, so bitter das klingt, eine Partizipationssimulation. Maria 2.0 ist ein Format, dass sich gerade gegen die Struktur der Kirche wendet – zurecht, wie ich finde – und gerade kein von der kirchlichen Hierarchie bereitgestelltes Mitwirkungsinstrument ist. Die Behauptung, der Kirchenaustritt brächte ja nichts außer etwas mehr Geld, sieht völlig darüber hinweg, dass es vielen Austretenden gerade nicht um Geld geht, sondern den einzigen Ausdruck von Autonomie, der ihnen innerhalb der kirchlichen Logik nach Jahren der Frustration bleibt.

Der Kirchenaustritt ist oftmals der einzige Weg, wie überzeugte Christ:innen maximale Distanz zur sogenannten „Amtskirche“ zum Ausdruck bringen können. Es geht ihnen dabei nicht ums Geld, sondern um Integrität. Wer austritt, nimmt in erster Linie Einschränkungen auf sich: Wer Austritt, wird niemals für eine:n kirchliche:n Arbeitgeber:in tätig sein können, wird niemals Firm- oder Taufpate sein können, muss sich rechtfertigen, wenn Kinder dennoch zur Erstkommunion oder Firmung gehen sollen. Wenn Katholik:innen all das auf sich nehmen, verdient das unseren Respekt und nicht den subtilen Zynismus, den Herr Esser zum Ausdruck bringt.

Dass Viele diesen Schritt – oftmals schweren Herzens – gehen, sollte der Kirche zu denken geben, es sollte ihr Mahnung sein, die Missbrauchsskandale endlich nicht mehr als PR-Problem zu sehen sondern als reales Scheitern, es sollte – zugespitzt – sie zur Umkehr mahnen. Genau darin aber liegt das produktive Potential eines Kirchenaustritts. Also doch, vielleicht sollten wir sehr wohl alle aus der Kirche austreten. Auch der Kirche zuliebe. – Richard Mathieu

 


 

 

Leserbriefe zu „99 Fragen an Sven Plöger“ von Moritz von Uslar

 

Zwei Seiten Interview mit Sven Plöger und ich weiß immer noch nicht, warum wir während des Lockdown so oft herrlich blauen Himmel hatten. – Susanne Sänger

 

Herzlichen Dank für diesen Beitrag, ein symphatisches und ebenso informatives Portrait…Sven Plöger hat diese Seite mehr als verdient, besonders weil er, ebenso wie Carsten Schwanke und Claudia Kleinert, jeden Abend die erbarmungslos dämlichen und stumpf wiederholten „Witzchen“ der Moderatoren des WDR nicht nur erträgt, sondern elegant und unaufgeregt kontert, besser von der Bildfläche wischt. – Norbert Nowotsch

 

An dieser Stelle – Frage 58- steht der Satz „Die Energieeinheit ist Watt“. Dass dem Herrn von Uslar ein solcher Satz durchrutscht, kann ich noch verstehen. Vertritt er doch eine Berufsgruppe, die bei Kraftwerken und dem, was diese alles so machen, gerne die schöne deutsche Einheit Haushalt verwendet. Was Herr Plöger dazu erklärend ausführen könnte, würde mich aber schon interessieren. Oder ist das Physik in einfacher Sprache? – Dr.-Ing. Manfred Trauselt

 

Sven Plöger, den ich sehr schätze, nähert sich an einer Stelle des Interviews dem Knackpunkt. Er spricht von 10 Mrd. Menschen auf dem Erdball. Aber dann verläßt ihn der Mut. Die Grünen haben irgendwann mal gesagt, sie hätten gerne die klimatischen Verhältnisse von 1850 wieder zurück. Damals gab es 1,3 Mrd. Menschen auf der Erde. Heute sind es ca. 7,3 Mrd. Es ist doch offensichtlich, dass diese Menschenmasse die Kugel sehr viel stärker belastet, als die geringe Zahl 1850. Schon der Ressourcenverbrauch ist um ein vielfaches höher. Das Problem ist unlösbar. Der einzige Trost ist, dass der Mensch das am besten anpaßbare Lebewesen auf der Erde ist. Er wird also immer überleben. – Gerd Heidbrink

 

Leider kam ich erst diese Woche dazu, mir die Rubriken Wissen und Entdecken in der Ausgabe No. 39 der Zeit vom 23. September 2021 durchzulesen, weshalb meine klei-ne Kritik etwas verspätet kommt. So nett sich das Interview von Sven Plöger durch Mo-ritz von Uslar eigentlich liest, in welchem sich Herr Plöger bemüht in der gebote-nen Kürze eine auch für die Nichtfachleute allgemein verständliche Darstellung zu verwenden, so sollte er doch – auch als Meteorologe – die korrekten SI-Einheiten verwenden.

Die SI-Einheit der Energie ist nun mal das Joule und nicht wie im Frag-enteil 58 von ihm angegeben, das Watt. Die Leistung wird in Watt gemessen!! Da ver-sucht man in der Grundvorlesung Studierenden die Verwendung korrekter Einheiten einzutrichtern, aber ein ausgewachsener Metereologe macht dies immer noch falsch. Es bleibt zu hoffen, er ist sich auch im Klaren darüber, dass es sich bei der Energie um eine Zustandsgröße handelt, nicht aber bei der Wärme; Wärme ist übertrage-ne Energie. Diese Frage stellt sich beim Fragenteil 60. – Prof. Dr. rer. nat. habil. Ulrich Haas

 


 

 

Leserbriefe zu „Und wir ändern uns doch“ von Elisabeth Raether und Ulrich Schnabel

 

Der Mensch ist ein gesellschaftliches Wesen. Und Menschen gehen im Wege der Individuation aus der Gesellschaft als Persönlichkeiten hervor. Wenn die Gesellschaft sich ändert, ändern sich auch die Menschen. Und Menschen ändern durch ihre Entwicklung zu Persönlichkeiten die Gesellschaft. Auch wenn dieses immer offene Zusammenspiel nie ideale Resultate hervorbringt, so ist dies doch eine gute Nachricht, wo es heute so entscheidend auf Veränderungen ankommt (u.a. Klima, Energie, Landwirtschaft, Mobilität, Machtverhältnisse in der Welt), wo aber zugleich wichtige politische Kräfte sich kategorisch gegen Veränderungen sperren und völlig enthemmt individuelle und gesellschaftliche Ängste vor Veränderungen schüren.

Ein Klima ist entstanden, in dem jeder noch so kleine Veränderungsperspektive sofort im Keim erstickt wird. In diesem Klima ist der Artikel von Elisabeth Raether und Ulrich Schnabel „Und wir ändern uns doch“ ein notwendiges Korrektiv der Versachlichung und Entideologisierung. Ein sehr wichtiger Beitrag, um ein Narrativ entstehen zu lassen, das Ansatzpunkte für einen Anschluss an wichtige Veränderungsschritte schafft. – Reinhard Koine

 

Der Klimawandel ist Teil eines größeren Problems: Der Mensch beutet irdische und menschliche Ressourcen für seinen Konsum und Wohlstand aus, und zwar mehr als verträglich ist. Damit ist der Glaube verbunden, dass Geld und Wohlstand glücklich machen. Bereits 1976 schrieb Erich Fromm in seinem Buch: „Haben oder Sein“, …“dass Glück aber etwas ganz anderes ist, was nur aus der eigenen Anstrengung, aus dem Innern kommt und überhaupt kein Geld kostet, das Glück das „Billigste“ ist, was es auf der Welt gibt, das ist den Menschen noch nicht aufgegangen.“

Weiter behauptet Fromm, die schon damals als dringend empfundendenen notwendigen Veränderungen in Bezug auf Umweltschutz und ressourcenbewusstem Umgang nur durch eine Veränderung des Menschen gelingen kann. Solange die Verknüpfung zwischen Wohlstand und Glück existiert kann es nicht klappen. „Um eine ökologische Katastrophe zu aufzuhalten, ist eine reine Veränderung der Umwelt, von Gesetzen und Vorschriften sinnlos“, so Erich Fromm. – Bettina-Christin Lemke

 

Die Frage lautet nicht so sehr, ob wir uns oder gar, ob sich Gesellschaften ändern können, sondern ob sich unser Verhalten so verändern kann, dass wir angesichts der von uns ausgelösten klimatischen Veränderungen gut überleben können. Den Schlüssel zu einer Veränderung erhalten wir, wenn wir uns fragen, was unseren jetzigen Lebens- und Produktionsstil bestimmt. Die Antwort ist einfach: die billige Energie. Wir können heute mit dem Aufwand von nur 1 € 100 kg 17000 m hochheben oder 5 Personen 20 km in einem komfortablen PKW transportieren, dessen Energieausbeute nicht einmal 30% beträgt. Warum sollten wir Energie sparen?

Es gibt keinen ökonomischen Grund. Bei diesen Preisen ist Energiesparen ineffizient. Daher ist es irrational, auf einen Kippeffekt zu hoffen. Wenn wir die Umwelt nicht ruinieren wollen, geht es nur so: Energie durch eine Besteuerung wesentlichteurer machen. Das tut weh. Ist aber wirksam. Alles andere ist Gerede. Dabei werden wir uns gar nicht ändern, sondern „nur“ unser Verhalten. Das aber ist absolut notwendig. – Dr. Raimund Dietz

 

Das Thema Ändern hat durch die Klimakrise an Aktualität gewonnen. Denn diese Krise kann wohl nur durch Ändern bewältigt werden, und zwar durch weltweites Ändern. Eine der wichtigsten Änderungen, die übrigens auch einen positiven Einfluss aufs Klima hatte, fand im vergangenen Jahrhundert in China statt. Die dortige Bevölkerung verdoppelte sich zwischen 1940 und 1970 von 700 Millionen auf 1,4 Milliarden.

Wäre das im gleichen Ausmasse fortgesetzt worden, hätte es bereits anno 2000 in China 2,8 Milliarden Menschen gegeben. Die genannte Änderung war durch die von der Regierung verordnete Ein-Kind-Politik erzwungen. Aber auch die Regierung stand unter Zwang. Sie stand unterm Zwang, zu verhindern, dass alle 30 Jahre doppelt so viele Menschen Lebensunterhalt benötigten.

Der Klimawandel übt ebenfalls Zwang aus. Die Autoren des Artikels Elisabeth Raether und Ulrich Schnabel schreiben: «Und was erst der Klimawandel von den Menschen einfordern wird, welche Änderungen und Gewohnheiten, Ansichten und Lebensweisen, kann man bisher nur ahnen.» Nur ist der Klimawandel keine Regierung, die das, was sie einfordert, auch durchsetzen kann. Was für Lehren kann man also aus den Erfahrungen Chinas ziehen?

Der dortige Erfolg ist ein zweifacher, es gelang ein Ziel zu erreichen und davor gelang es, die dortigen Menschen zu überzeugen (allerdings mit mehr oder weniger Zwang), dass sie dafür den nötigen Beitrag leisteten. Der Grund dafür liegt nicht nur im Zwang sondern auch im Bereich der Perspektiven. Das Fortsetzten des bisherigen Wegs bot keine Perspektiven, der neue Weg versprach Perspektiven durch wirtschaftlichen Erfolg.

Auch beim Klimawandel bietet das Fortsetzen der bisherigen Verhaltenweisen keine Perspektiven. Was benötigt wird, sind Visionen, die Perspektiven bieten. Hinweise zwischen welchen Extremen die Zukunft liegen könnte, bieten folgende zwei (weit gegensätzliche) Visionen, die Bevölkerungswachstum und Perspektiven betreffen. Zur ersten Vision: Bei wenig Nachwuchs bleiben langfristig dem Einzelnen (ohne Raubbau an der Natur) genug Ressourcen fürs Nutzen von Perspektiven (Konkurrenz in Bildung und Beruf, Sport, Naturerleben, Tourismus, etc.), die nicht zum Bevölkerungswachstum beitragen (Beispiel: Industrieländer mit Geburtenraten weit unter 2, etwa Südkorea).

Zur Zweiten Vision: Sind wenig Perspektiven durch Bildung, Berufsleben und Konsum vorhanden, werden zu stark Perspektiven genutzt, die zu hohem Bevölkerungswachstum beitragen. (Beispiel: Industriearme Länder mit Geburtenrate weit über 2, bis zu 7, etwa Nigeria wird 2050 mehr Einwohner haben als die EU).

Nur eine geeignete «ökologisch-soziale Transformation» zur ersten Vision kann ein langfristiges, gutes Fortbestehen ermöglichen. Aber wie sollen in den Ländern mit hohem Bevölkerungswachstum die nötigen mit Nachhaltigkeit verbundenen Perspektiven geschaffen werden? Es gilt Zielkonflikte zu überwinden, die im Interesse des übergeordneten Ziels (gute Zukunft für alle) gelöst werden müssen.

Das Beitragen zum Erreichen dieses Ziels muss Perspektiven geben, als Ersatz für die Perspektiven, die das Beitragen zu hohen Geburtenraten oder zu Umwelt schädigendem Wirtschaftswachstum liefert. Vor allem auch die Eliten der Länder mit zu hohen Geburtenraten sind in der Verantwortung. Natürlich trägt auch der «Norden» eine hohe Verantwortung, Verhaltensänderungen vorzunehmen. Nur, es wäre Grössenwahn, die alleinige Verantwortung zu übernehmen. Vgl. dazu mein Buch «Die Technik reicht nicht» BoD, 2016 – Dr. Gernot Gwehenberger

 

Wieder einmal haben Sie mit dem o.g. einen sehr erhellenden, interessanten und auch hoffnungsvollen Artikel verfasst, der gleichwohl auch zur aufmerksamen Vorsicht mahnt, denn wie Sie selbst erwähnen, können diese Prozesse zum Guten wie zum Schlechten oder gar Bösen funktionieren. Das dargelegte Prinzip ist wichtig für alle, die denken, ihre Stimme oder Aktivität würde nichts bewirken.

Selbst wenn es so aussieht, liegt es wohl oft auch daran, dass denen, die die Gesellschaft in einer Richtung ziehen oder antrieben, ob vor-, rück- oder seitwärts, etwa genauso viele andere gegenüberstehen, die (resultierend) in die umgekehrte Richtung ziehen oder schieben. Diese letzteren hätten also vielleicht längst den Sieg davongetragen, wenn es die ersteren nicht gäbe. Die einen wie die anderen bewirken also ggf. viel, selbst wenn das Ergebnis äußerlich — noch — Stillstand oder Schneckentempo ist. Wenn sie wüssten, in welche Richtung es ohne sie gegangen wäre, würden sie vielleicht ihrer Wirksamkeit und ihres Einflusses bewusster oder stolzer sein.

Die hilfreiche Funktion der Gruppeneffekte ist j auch aus der Suchttherapie bekannt, wo es außerdem leider auch oft eines dramatischen „Schockmoments“ oder eines „ganz tief unten seins“ bedarf um zu der so anstrengenden und unangenehmen nötigen Änderung zu motivieren. Ich frage mich manchmal, ob unser festhalten, ja kleben an den fossilen Gewohnheiten in Wirtschaft, Politik und Privatverhalten auch mit so einer Sucht vergleichbar ist.

Ähnlich ist jedenfalls das Fortsetzen und dran Festhalten trotz aller Schäden und Warnungen von Fachleuten vor noch viel schlimmerem. Wir können nur hoffen und vor allem dafür kämpfen/arbeiten, dass die Kippunkte in den Gesellschaften der Welt hier noch rechtzeitig vor Überschreiten der Klima-Kippunkte kommen bzw. von ausreichend vielen herbeigeführt werden. Dafür war Greta Thunberg ja das allerbeste Beispiel, wenngleich selbst sie und die FFF-Bewegung es noch lange nicht zu Ende geschafft hat. Es müssen wohl noch viele Menschen und schlimmstenfalls noch eine Reihe – noch begrenzter — Katastrophen mehr dazu kommen, ehe es vielleicht schon bis Ende dieses Jahrzehnts zu spät ist und bei der langen Dauer der Maßnahmen-Organisation und -Umsetzung könnte es dafür schon viel früher zu spät sein.

Die beschriebenen Prinzipien sind — vielleicht in etwas weniger komplexer Form — auch schon im Tierreich zu beobachten, bei „anderen Herdentieren“, die ebenso auch oft „Gewohnheitstiere“ sind, und die sich z.B. über Körperhaltungen beginnend mit wenigen abstimmen, wohin die Reise als nächstes geht, oft in geradezu demokratischer Form, selbst wenn es im Prinzip ein Alphatier gibt, das aber nicht alles einfach bestimmen kann, z.B.. wenn die Erfahrung und Bedürfnislage aller wertvoll ist. – Peter Selmke

 


 

 

Leserbriefe zu „Keine Marionetten“ von Katrin Hörnlein

 

Ich habe die Interviews von Armin Laschet und Olaf Scholz zufälligerweise auch gesehen. Spontan hat mich diese Show, von ernsthaften Interviews kann wohl kaum die Rede sein, an die „Mini Playback Show“ bei RTL erinnert. Dort wurden Kinder in Erwachsenenkostüme gesteckt und haben Hits von Popstars nachgesungen. Diese Kinder waren ebenso sorgfältig gecastet und haben Erwachsene eigentlich nur nachgespielt. Nicht gerade kindgerecht, so wie hier, wo den Kindern die Fragen „eingeflüstert“ worden sind.

Was soll so ein Klimbim im Wahlkampf? Warum lassen sich Spitzenpolitiker auf diese Art vorführen? So sammelt man sicher keine Punkte bei der Wählerschaft, erntet allenfalls Häme. Nein, über jedes Stöckchen, das man hingehalten bekommt, sollte man nicht springen. Das gilt wohl ganz besonders, wenn man als Kanzlerkandidat antritt und die Regierungsverantwortung anstebt; denn diese ist dann keine Show mehr, selbst wenn es danach manchmal aussieht. – Regina Stock

 

1. „Es dauerte vier Jahre um wie Raphael zu malen, aber ein Leben lang, um wie ein Kind zu malen.“ (Pablo Picasso, 1861-1973, spanischer Maler, Grafiker und Bildhauer) 2. Die Kinder von heute sind Tyrannen. Sie widersprechen ihren Eltern, kleckern mit dem Essen und ärgern ihre Lehrer.“ (Sokrates, 399 v. Chr. verstorben, griechischer Denker) 3. Kinder müssen mit dem Erwachsene viel Geduld haben.“ (Antoine de Saint-Exupery, 1900-1944, französischer Schriftsteller) Drei Sprichwörter über Kinder, allerdings nicht von Kindern über Kinder, sondern von Erwachsenen über Kinder! – Klaus P. Jaworek

 

Um Deutschland ist es schlecht bestellt. Die Linke Fraktion ist eine schäbische O Organisation. Denen scheint jedes Mittel recht zu sein, um der Konkurrenz eins auszuwischen. In den Talkshows kann man das besonders feststellen. Die Öffentlich-Rechtlichen glauben, ihren Zuschauern diesen Quark unterübeln zu können. – Gunter Knauer

 


 

 

Leserbriefe zu „Arbeitszeitreform für Bienen“ von David Hugendick

 

Es wäre sehr freundlich, wenn Sie Ihren Artikel “ Arbeitszeitreform für Bienen “ aufheben und in späteren Jahren Ihren Enkelkindern vorlegen. Keine Ahnung wie der Spruch in Zukunft lauten wird, im Moment sagt man: “ Herr schmeiß Hirn vom Himmel !“ In der Zeit stehen so viele Artikel über den Verlust der Artenvielfalt, vielleicht sollten Sie lieber lesen, anstatt zu schreiben? – Thomas Kroll

 

Was hat Herrn Hugendick da nur geritten? Das Insektensterben ist dramatisch mit Folgen für viele andere Arten, nicht zuletzt den Menschen. Möchte der Autor demnächst die Bestäubung organisieren? Obst und Gemüse sind schon jetzt so teuer, dass viele sie sich nur noch sehr eingeschränkt leisten können. Was also ist die Intention eines Textes, der sich scheinbar, ich mag es eigentlich nicht glauben, über ein Forschungsprojekt im Zusammenhang mit dem Insektensterben lustig macht?

Herr Hugendick, Sie scheinen zu meinen, wir hätten derzeit noch ganz andere Probleme. Das stimmt, nur ist das Insektensterben ein Teil dieser ganz anderen Probleme. Es wäre besser, wenn Sie helfen würden, dieses Bewusstsein zu verbreiten. Andere in Ihrer Redaktion haben das im Übrigen schon versucht. Schade, dass diese Versuche im selben Blatt konterkariert werden. – Antje Koch

 

Der Artikel „Die gute Nachricht, Arbeitszeitreform für Bienen“ von D. Hugendick ist in Anbetracht des andauernden und dramatischen Insektensterbens sowohl vom Inhalt als auch vom Stil so überflüssig wie ein Kropf. Ihnen, Herr Hugendick, empfehle ich mal, diesbezüglich aufmerksam durch die „Natur“ zu spazieren und sich mit Fachleuten auszutauschen. Oder als investigativer Journalist über den Artenrückgang nur der letzten 20 bis 30 Jahre mal zu recherchieren und die Gründe dafür zu verinnerlichen.

Beachten Sie dabei unter anderen eindeutigen Fakten, dass beispielsweise der Index der Vorkommen alle paar Jahre auf 100 gesetzt wird und so der Artenschwund von vielen nicht erkannt und deshalb bagatellisiert wird. Zu allem Überfluss werden amtlich oder ehrenamtlich Engagierte im Artenschutz auch noch verscheißert. Sollte Ihr Artikel aber satirisch gemeint sein, ist meine Nachricht an Sie nicht so gemeint wie sie gemeint ist. In diesem Falle Asche auf mein Haupt. Wäre der Artikel in einer Axel-Springer-Presse erschienen, hätte ich nicht in die Tasten gehauen. – Rüdiger Weis

 


 

 

Leserbriefe zu „Der Erstwähler“ von Matthias Krupa

 

Im Hinblick auf die zitierten Voraussetzungen, die Deutsche, die im Ausland leben, erfüllen müssen, um sich in ein Wählerverzeichnis eintragen lassen zu können, kann man über die Entscheidung des Bezirksamtes, Herrn Kamm Wahlunterlagen zuzustellen, nur erschüttert staunen. Denn trotz seines in jungen Jahren von Deutschland beeinflussten Lebenswegs, ist sein Leben seither nunmal ohne persönlichen Bezug zu deutscher Politik. Ein krasses Beispiel dagegen, im Ausland Wohnenden diese Option zu eröffnen. – Monika Bangert

 

Vielen Dank für Ihren aufschlussreichen und gut recherierten Artikel in der Zeit. Ja!Heinrich Kamm hat es verdient wieder in Deutschland wählen zu können. Nur verstehe ich nicht, warum unsereiner das nicht darf. Hängt dies damit zusammen ,dass das Landratsamt in Berlin weltoffener ist als das Landratsamt von Lindenfels,wo ich bei der letzten Bundestagswahl meinen Antrag stellte, weil ich dort bis 1984 am Wiesenrain14 wohnhaft war?‎Die Lindenfelser Beamtin hat mich damals in dem Glauben gelassen, dass da alles in Ordnung war.

Habe meine Steuern für meine deutsche Rente ja brav bezahlt und mich immer im deutschen Fernsehen über die deutsche Politlandschaft informiert.kein Wunder!Österreich ist ja ein Nachbarland und nicht aus der Welt. Nur als dann immer noch nichts kam habe ich gewusst,zuviel Arbeit für einen kleinen Rentner und nicht der Mühe wert. Habe deshalb resigniert und nicht nochmal einen Antrag gestellt.Ihr Artikel allein hat mir gezeigt ,dass es auch anders geht.

Vielleicht hätte ich angeben sollen,dass ich als Student in Israel in einem Kibbuz gearbeitet habe und dass meine Nichte zum jüdischen Glauben konvertiert ist. Ich jedenfalls fühle mich diskriminiert!Man muss doch nicht zum jüdischen Glauben konvertieren,um beim Lindenfelser Landratsamt Gehör zu finden. Oder? – Dr. Hans-Peter Schiefer

 

Der Artikel über den 96jährigen Henry Kamm, der in Deutschland aufwuchs und vor den Nazis in die USA floh, hat mich sehr bewegt. Dass er, der den Großteil seiner Familie im Holocaust verlor, sich wieder mit Deutschland versöhnte und 2018 seine Einbürgerung beantragte, lässt unweigerlich ein gewisses Gefühl des Stolzes aufkommen. Wie viel Gewicht hat eine solche Stimme bei der Bundestagswahl! – Ludwig Engstler-Barocco

 


 

 

Leserbriefe zu „Platzhirsche“ von Anna Mayr

 

Es gibt verschiedene Gründe, einen reservierten Platz in Anspruch zu nehmen. Daher empfinde ich diese Polemik dagegen ein wenig übertrieben. Sie stützt sich auf eine generalisierte Annahme und blendet alles Andere aus. – R. Renaux

 

Wenn man wissen will, warum manche Leute so an ihren Reservierungen in der Bahn hängen, egal ob in der ersten oder zweiten Klasse und egal, ob der Zug zum Bersten voll oder komplett leer ist, muss man keine psychologische Analyse des Erste-Klasse-Bonzen anstellen. Man kann bei den ganz praktischen Aspekten der Reise fündig werden: Das Ticket wird heutzutage über eine App gebucht, die App sagt wo man einsteigen muss, und wenn man dann sitzt, kann man über die App auch gleich den Check-In der Bahn nutzen.

Das geht nur, wenn man auf dem reservierten Platz sitzt. Die Kontrolleure haben weniger Arbeit, unnötige Kontakte werden zwecks Infektionsschutz vermieden und man kann seine Aufmerksamkeit vollends anderen Dingen widmen oder einfach mal die Augen schließen, statt nach einer halben Stunde, wenn man sich dann langsam eingefunden hat, hastig das Ticket herauszukramen. Hält man die Augen doch offen, wird auf den Displays im Zug praktischerweise etwa alle zehn Minuten auf die Funktion hingewiesen. – Paul Meye

 

Vielen Dank für diesen amüsanten Artikel. Der Punkt ist: wenn ich schon mal mit der Bahn fahre – ich habe wirklich immer Angst, weil noch nie in meinem Leben ein Zug pünktlich war oder die Wagen in der richtigen Reihenfolge waren oder oder oder – freue ich mich immer, wenn ich dann endlich MEINEN Platz erreicht habe und mich endlich setzen kann. Dann fängt aber oft das nächste Problem an, dem ich bislang nicht Herrin werden konnte: die Fahrtrichtung. Bislang ist es mir bei einer Buchung noch nie gelungen, irgendwo hin zu klicken, wo ich die Fahrtrichtung meines Sitzes aussuchen kann.

Und die ich für mich sehr sehr wichtig, weil es mir sonst sehr schnell kodderig wird – und das noch vor dem ersten Besuch der unappetitlichen Zug-Toilette. Vielleicht liegt das an der Super-Sparpreis-Buchung in der – genau – 1. Klasse, wo die Sitzplatzreservierung ja inbegriffen ist. Haben Sie damit Erfahrung? Von all dem unabhängig: Sie haben ja sowas von Recht. Ich glaube, das ist ein deutsches Problem. Der guten Ordnung halber und so. Senk ju for trawelling wiss Deutsche Bahn. – Annette Haagen

 


 

 

Leserbriefe zu „Wer blickt da noch durch?“ von Peter Dausend et al.

 

Polit-Parabel: Acht Jahre hatte die Beziehung zwischen gehalten, in letzter Zeit hatte es immer wieder heftigen Streit gegeben, und nun zumindest für die nächsten vier Jahren wurde eine Trennung beschlossen. Aber wem würden sich die beiden völlig unterschiedlichen Kinder anschließen? Die kecke und an allem Neuen interessierte Anna-Lena würde ja gerne mit Papa Olaf leben, aber der biedere und sparsame Christian tendiert eindeutig zu Mama Armina. Nun hat aber Richter Volk entschieden, dass die beiden Kinder unbedingt zusammen bleiben müssen.

Also werden sich Anna-Lena und Christian gemeinsam überlegen müssen, bei wem es ihnen denn in den nächsten Jahren besser geht. Anna-Lena hofft, bei Papa Olaf auf eine Erhöhung des Taschengeldes, während Christian glaubt, dass er von Mama Armina einen neuen Laptop und mehr Freiheit für seine persönliche Entfaltung bekommt. Wer wird sich denn mit seinen Forderungen und Hoffnungen durchsetzen können? Sowohl die zuletzt schwächelnde Mama, die bei ihren Mitmenschen nicht mehr besonders beliebt ist, als auch der selbstbewusste Papa, der neuerdings immer beliebter wurde, werden wohl Versprechungen machen müssen, um die Kinder auf ihre Seite ziehen zu können.

Für die labilere Mama spricht natürlich, dass diese nachgiebiger sein und den Wünschen der Kinder wohl eher entsprechen wird. Anna-Lena wird raffiniert genug sein, vorerst mit der Mama zu liebäugeln – mehr nicht -, damit ihr der Papa noch mehr Erhöhung des Taschengeldes in Aussicht stellt. Und wenn sie letztlich auf das Werben der Mama nicht hereinfällt, wird ihrem Bruder nichts anderes übrig bleiben, als mit ihr zum Papa zu gehen. – Norbert Berger

 

Eigentlich widerstrebt es mir besserwisserische Anmerkungen abzugeben und ich bin als langjähriger Abonnent auch sehr zufrieden mit Ihrer Zeitung. Aber nun muss ich doch einmal darum bitten, etwas besser auf den Gebrauch von „Prozent“ und „Prozentpunkten“ zu achten. Allein in dem relativ kurzen Artikel zu den Grünen auf Seite 3 von Robert Pausch zum Thema „Wer blickt da noch durch?“ wurden die Begriffe dreimal falsch verwendet. Das sollte meines Erachtens nicht passieren und gerade im Hinblick auf die nächste Ausgabe zur Bundestagswahl hoffe ich, dass dies nicht mehr vorkommt – vor allem nicht in der Häufigkeit. – Timo Graf

 

Es waren nur Wahrsager am Werk. Ihre Autoren haben Beiträge abgeliefert die sich sehen lassen können. Ich würde sagen; standesgemäß für ihre Wochenzeitschrift. – Gunter Knauer

 


 

 

Leserbriefe zu „Auf Wiedersehen!“ von Jecinda Ardern et al.

 

Worte der Anerkennung, des Danks und der Hochachtung von 11 Politikerinnen und Politikern. Nicht so die abgehobene und kaltschnäuzige Verabschiedung des österreichischen Bundeskanzlers. Der Schlusssatz könnte glatt aus einem nullachtfünfzehn Arbeitszeugnis stammen. Nicht einmal am Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels kann er auf billigen Populismus und Unwahrheiten verzichten.

Kurz schwebte nie eine ehrliche europäische Lösung vor. Seine Nähe zum Kryptodiktator Orban und frühere Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ sind nur zwei eindeutige Belege seiner egoistischen Europapolitik. Angela Merkel wird es verkraften. Ist sie doch das beste Beispiel für „Macht ohne Niedertracht.“ – Franz Josef Dorn

 

Im Vergleich zu den anderen tatsächlichen Staatspolitiker*innen liest sich der Beitrag von Sebastian Kurz als hätte diesen ein*e Praktikant*in der ÖVP HR-Abteilung mitten im Personenwahlkampf „Kurz“ steckend, mit einem Dienstzeugnis einer scheidenden Kollegin verwechselt. Er könnte ihn aber auch tatsächlich selber verfasst haben. – C. Wolf

 


 

 

Leserbriefe zu „Und jetzt mal alle tief durchatmen“ von Dirk Asendorpf

 

Es wäre sinnvoll auch beim Rauchen anzusetzen. Das entlastet nicht nur hier die Lungen, sondern auch ganz wesentlich in den afrikanischen Ländern, in denen Tabak angebaut wird. Zum Trocknen der Blätter wird immens viel Holz verbrannt – ein Baum für 300 Zigaretten. – Iman Schwäbe

 

Gemäß dem ersten Absatz soll „die Luft in Deutschland tatsächlich sauberer“ geworden sein. Toll, dass wir uns im Bereich „sauber“ bewegen. Allerdings heißt es in der dritten Spalte, dass wir „dreckige Luft“ haben, und in der fünften Spalte, dass die Luftverschmutzung in der OECD zu erheblichem Schaden führt. Also ist die Luft in Deutschland tatsächlich weniger schmutzig geworden. – Christoph Zahrnt

 


 

 

Leserbriefe zu „»Sie haben uns verraten«“. Gespräch mit Gérard Araud geführt von Samiha Shafy

 

Um den aktuellen indo-pazifischen Konflikt als Bild zu nutzen : Wenn die Außenpolitik ein Meer wäre so fährt Deutschland seit Jahrzehnten, länger als selbst ein Atom-U-Boot in der Lage ist, abgetaucht unter der Oberfläche. Nach der Hitler-Katastrophe nahmen die Ameri-kaner uns nicht nur außenpolitisch unter ihre Fittiche. Denn ihre politische Fürsorge, gepaart mit der Bewältigung des Kalten Krieges sorgte auch dafür, dass Deutschland wie ein Kind unter ihre Obhut blieb. Da registrierten die Deutschen mehr als dankbar und erleichtert, dass sie mit ihrer Sündenlast aus der Hitlerherrschaft so leicht davonkamen. Mit ihrem Fleiß und technischer Begabung bauten sie eine weltweit geschätzte und leistungsstarke Industrie und florierende Wirtschaft auf.

Das sollte doch Beweis genug dafür sein, welche positiven Eigenschaften in den Deutschen steckten -ein Art Entschuldigung für ihr Versagen unter der Hitler-Herrschaft. Nicht erst heute zeigt sich unsere außenpolitische Unmündigkeit als schwerer politischer Makel, der uns Deutsche noch immer daran hindert, als vollwertige Nation neben z.B. Frankreich und England wahrgenommen zu werden. Wenn Deutschland in der „Zeit“ als das mächtigstes Land Europas bezeichnet wird muss man massive Zweifel anmelden. Bei den Spät-Kolonialmächten Frankreich und England ist die Außen- bzw. Welt-politik genetisch angelegt.

Deutschland hat diesbezüglich seine Gene im ersten und zweiten Weltkrieg verloren bzw. selbst zerstört. Bisher waren die Deutschen mit diesem politischen Schwebezustand hochzufrieden. Klar, ein bisschen Afghanistan hier oder dort ein bisschen Mali dienten mehr der Fassade. Intellektuell war und ist Deutschlands Engagement mehr Selbstbetrug als Überzeugung. Die fehlende politische und geschichtliche Diskussionskultur in Deutschland zum Thema Außenpolitik ist eines der erstaunlichsten Defizite einer Nation die anscheinend immer noch nicht die Verbrechen ihrer Vergangenheit richtig einordnen kann.

Da sich diese Schuld aus der eigenen Geschichte nicht tilgen lässt muss umso mehr die Verpflichtung bemüht werden, daraus seine Lehren zu ziehen. Warum nicht gerade auf dem Felde der Außenpolitik ? Aber leider finden derartig gravierende Mängel im politischen Kosmos Deutschlands als Thema keinen Eingang in den innenpolitischen Wahlkampf. – Klaus Reisdorf

 

Monsieur Araud sieht Frankreich als einsame Stimme in der Wüste, das einzige Land in Europa, welches den Durchblick hat, während alle anderen sich an die Illusion des Schutzes durch Amerika klammern. Würde seine Arroganz ihn nicht so blind für die Realität machen, könnte er anhand seiner eigenen Äußerungen nachvollziehen, warum das so ist: die diplomatische Eskalation nach dem U-Boot-Deal zwischen Australien und den USA folgt der Logik der Kanonenbootpolitik des frühen 20. Jahrhunderts. Botschafter werden aus Washington und Canberra abgezogen, weil „die französische Öffentlichkeit Vergeltung“ fordere.

Ist das also der Kern der französischen Außenpolitik unter Macron? Nationale Eitelkeiten? Frankreich, das sich skrupellos für Rüstungsprojekte mit Saudi-Arabien eingesetzt hat – sogar nach dem Kashoggi-Mord, das mit seinem Antiterrorkrieg in Mali drauf und dran ist, die Erfahrungen der Amerikaner in Afghanistan zu wiederholen, sollte sich dringend die Frage stellen, ob es eine Außenpolitik des 21. Jahrhunderts mitgestalten möchte oder aber zurück ins 19. Jahrhundert strebt, wo Außenpolitik ausschließlich dem nationalen Prestige diente.

Eine europäische Souveränität, von der Macron träumt (oder hat er den Traum aufgegeben, weil Merkel ihn abblitzen ließ??), setzt eine gemeinsame europäische Außenpolitik voraus, und eine solche ist unvereinbar mit einer Diplomatie nach Art des Sonnenkönigs, wie sie Frankreich derzeit in Szene setzt. – Dr. Dirk Kerber

 


 

 

Leserbriefe zu „Wenn gute Bürger quer denken“ von Oliver Weber

 

Ein guter Artikel mit einer kleinen Schwäche. Eine Demokratie ist nicht perse gut und richtig. Dazu ein einfaches Beispiel: Nehmen wir an, die Einwohner eines Ortes stimmen darüber ab, wie ein gefangener mutmaßlicher Verbrecher bestraft werden soll. Man stimmt demokratisch ab und beschließt mehrheitlich den Gefangenen ohne Gerichtsverfahren aufzuhängen. Mir reicht es nicht, in einer Demokratie zu leben. Es muss eine freiheitlich-liberale Demokratie sein. Demokratisch gewählte Diktatoren sind nicht selten. Ethik und Moral sind sehr wichtig und stehen immer über einer demokratischen Entscheidung.

Ich bin kein Mitläufer der Querdenkerszene, nicht im geringsten. Ich bin Naturwissenschaftler (Biologe), bin auch geimpft (wie alle in meiner Familie) und versuche vernünftig zu leben, aber die verfehlte Coronapolitik toleriere ich nicht im geringsten. Es wurde soviel Unsinniges von oben diktiert und Sinnvolles unterlassen. Es wurde ein großer unnötiger Schaden angerichtet. Als intelligenter Mensch, habe ich mich oft geschämt und geärgert. Und ich war und bin oft wütend über die unnötige Übergriffigkeit durch die Politik, die ich selbst auch oft als diktatorisch empfunden habe.

Ich bin nicht selten aggressiven „Maskitos“ begegnet, die mich allein dadurch in Gefahr gebracht haben, indem Sie sich mir näherten, um mich zu belehren und zu beschimpfen. Sie hätten auch einfach vorbeigehen können. Meine achtzigjährige Schwiegermutter hat im Altenheim überlebt, weil sie sich nicht(!) an das Hygienekonzept gehalten hat. Auf ihrer Station waren, begünstigt durch das schlechte Hygienekonzept, am Ende alle außer sie selbst infiziert. Es gab mehrere Tote im Heim. Das hätte nicht sein müssen. Und glauben Sie ja nicht, irgendjemand wäre gekommen und hätte Mal gefragt, wieso meine Schwiegermutter als einzige nicht infiziert war.

Niemand hat gefragt. Ich bin davon überzeugt, dass wir als Familie, die richtigen Entscheidungen treffen können und wenn man uns lässt, dann können wir auch gut mit unseren Entscheidungen leben. Wir wissen selbst, was gut für uns ist und was richtig ist. Und das geht den Staat nichts an. Wenn man mehr Vertrauen in die Bürger hätte, wenn unsere Politiker etwas mehr Respekt hätten und weniger korrupt wären, wenn man nicht jeden Bürger für dumm hielte, dann hätten wir vielleicht gar keine Querdenker und auch mehr Vertrauen in die Demokratie. Der richtige Satz am Anfang ihres Textes ist sicher auch so richtig: Die „Demokratie“ wird viel gelobt. Aber sie hat auch ihre dunklen Seiten. – Christian Fahn

 

Wenn ich Ihren Artikel richtig verstanden habe, dann finde ich, dass Sie ein recht idealisiertes Bild der Demokratie zeichnen. Dann versuchen Sie dem „Querdenkertum“ auf den Grund zu gehen. Insgesamt kommen diese Menschen dabei relativ schlecht weg. Bei der Frage, wie es zu einer solchen „Bewegung“ in der „Zivilgesellschaft“ kommt, haben Sie, wie ich meine, die richtige Antwort gefunden. Es ist ein wachsendes Misstrauen gegenüber den Machtstrukturen des Staates. Demokratie findet während der Wahl statt. Das haben wir gerade hinter uns. Aber leider haben viele Menschen das Gefühl, dass danach wieder Eliten das Zepter übernehmen. Politische Entscheidungen sind häufig sehr widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Die Coronapolitik ist ein glänzendes Beispiel dafür. „Die Entzweiung von Staat und Gesellschaft“ ist dann die Folge.

Wenn dann die Medien ihre neutrale Kontrollfunktion nicht wahr nehmen, wirkt das wie ein Katalysator! Es gibt genügend an der Coronapolitik zu kritisieren, aber hier herrscht eine erstaunliche Einmütigkeit bei den öffentlich rechtlichen Medien. Dadurch fühlt sich ein Teil der Gesellschaft allein gelassen. Ihre Interessen und ihre Kritik finden kein Sprachrohr. Konkret: Wenn Medien und Politik gleichermaßen alle gegenüber der Coronapolitik kritisch eingestellten Menschen alls „Covidioten“ bezeichnen, ohne sich näher mit ihrer Kritik zu befassen, dann kommt es zu einer Radikalisierung dieser Menschen. Haben Sie schon einmal einen Bericht darüber gesehen, was bei den sog. Querdenkerdemos auf der Bühne passiert? Wer spricht und was da gesprochen wird? Interessant für die Medien wird es nur, wenn irgendeine Randfigur aus der Reihe fällt. Aber solche gibt es überall! Auch in der Politik. Durch eine selektive Darstellung kann man ein Bild stark verzerren.

Beim Thema „Corona“ haben wir inzwischen einen sehr engen Gedankenkorridor. Wer hier nicht auf Linie ist, hat es schwer. Schön zu sehen ist es daran, dass sich die seltenen kritische Äußerungen immer dadurch auszeichnen, dass derjenige, der sie tätigt, sich genötigt sieht, sich zunächst mal von „Schwurblern“ oder „Coronaleugnern“ zu distanzieren, weil er/sie Angst hat, in eine extreme oder rechte Ecke geschoben zu werden.

Ich glaube, dass die „bösen“ Querdenker einfach nur ein ganz normaler Querschnitt der Gesellschaft sind. Menschen, die durchaus ein gesundes Maß an Misstrauen entwickelt haben. Leider sind ihre öffentlichen Veranstaltungen auch ein Magnet für extreme oder schillernde Randgruppen, die auf jede Gelegenheit warten, sich in Szene zu setzen. Ich glaube, hier liegt der Hund begraben, wenn Politik und Medien sich nur für diese Randgruppen interessieren und diese bevorzugt in Szene setzen, in Bild und Ton. Warum sie das tun, das wiederum ist ein eigenes Thema….. – Dr. med. Martin Krivacek

 


 

 

Leserbrief zu „»Der Sex war unfassbar!«“ Gespräch mit David Crosby geführt von Christoph Dallach

 

Das sind nur die Bekenntnisse eines alten Mannes, ein Uropa der Musikgeschichte, ein Mitglied der „Byrds“ und ein Mitglied von „Crosby, Stills & Nash“. Mit beiden Bands hat auch er ganz entscheidend an der internationalen Musikgeschichte mitgeschrieben. Wir waren damals blutjunge Burschen und fuhren mit der Eisenbahn von Land hinein in die Großstadt Nürnberg.

Wir schreiben das Jahr 1970 und Woodstock, der Film, der lief in einem Kino in Nürnberg, das es längst nicht mehr gibt. Für uns war eines der vielen Abenteuer, von dem unsere Eltern nie etwas erfahren haben. Eine offizielle Genehmigung für diesen Trip hätten wir Jungspunde nie und nimmer erhalten, aber genau darin lag der Reiz, der Reiz das Verbotenen zu machen!

Und erst dieser Musikfilm mit Canned Heat, The Who, Joe Cocker, Ten Years After, Santana, Sly & the Family Stone, Jimi Hendrix und natürlich auch mit Crosby, Stills, Nash & Young. Das waren damals unsere Megastars, mit deren Posters mein Zimmer ziemlich vollgestopft war. Dann diese Stephen-Stills-Komposition „Suite: Judy Blue Eyes“, man war das megageil, auch der David-Crosby-Song „Wooden ships“, aber der absolute Megagig kam von „The Who“, mit: „See me, feel me/Listen to you & Summertime Blues“! – Klaus P. Jaworek

 


 

 

Leserbrief zu „Blaulichtnächte“ von Viktoria Morasch

 

Ihre letzte Zeile :“Teenager tun eigentlich immer das Selbe. Nur die Umstände ändern sich;“ trifft auf München nicht zu. In München ändert sich „polizeimassig“ nix. Ich bin als Sechsjähriger hierhin zwangsversetzt worden, mein Sohn inzwischen 22, ist hier geboren und unsere Polizeierfahrungen zu Jugendzeiten sind ähnlich. Buben filzen, ihnen an die „Eier“ grapschen, weil da könnten ein paar Krümel „Gras“ kleben.

Natürlich dunkler pigmentiert sollte man in München als Jugendlicher auch besser nicht sein. Zwei Generationen, die selben Erlebnisse. Olympia Attentat, Wiesen Attentat- Spurensicherung. Die münchner Polizei ist eine traurige Behörde. Das gehört zu München wie das Oktoberfest und wird sich nie ändern. Kriminelles Geld in Imobilien ? Teenager filzen is einfacher. –Oswald Baumeister

 


 

 

Leserbrief zu „Wie abgetaucht“ von Jörg Lau

 

Ist es nicht Aufgabe der Berichterstattung, über alles zu berichten, was ist? Wenn aussenpolitische Fragen kein Thema für die Berichterstattung sind, kann darüber keine öffentliche Debatte geführt werden. Was aus der Öffentlichkeit heraus gehalten wird, das ist folglich auch für die Politik nur ein nachrangiges Thema. – R. Renaux

 


 

 

Leserbrief zu „Liebevoll und erbarmungslos“ von Hanns Bruno Kammertöns

 

Ich habe den Dokumentarfilm über Michael Schumacher auf Netflix gesehen. Der Film hat mich berührt und ich finde, er zeigt Michael Schumacher ohne falsches Pathos oder Verklärung. Besonders beeindruckend, wie einfühlsam Ehefrau, Kinder und Familie in diesen Dokumentarfilm eingebunden werden konnten. Man muss gar kein Motorsportfan sein (das bin ich auch nicht), um zu wissen: Michael Schumacher ist ein ganz besonderer Mensch. – Regina Stock

 


 

 

Leserbrief zu „Kürbis“ von Stefanie Flamm

 

„Ein Skelett und ein Kürbiskopf. Das ist Halloween. Ein Skelett und ein Pferdeschwanz. Das ist Karl Lagerfeld.“ (Bernd Stelter, *1961, deutscher Karnevalist, Comedian, Moderator & Schriftsteller) Es ist wieder Kürbiszeit, überall und nirgends werden diese Köpfe angeboten, und auch Halloween droht schon aus der Ferne! Bei uns gab es gestern es ein ganz wunderbares Kürbissüppchen, unter anderm mit Kurkuma, Ingwer, Fenchel, Liebstöckelkraut, Sonnenblumenöl, Melisse, Salbei, Thymian, Muskatnuss und gelber Enzianwurzel verfeinert, zu essen. Gut, Karl Lagerfeld kann sich für diesen Spruch nicht mehr bei Bernd Stelter bedanken, vielleicht hat er auch dieses nie vorgehabt! Alles eben wieder nur eine Geschmackssache, das mit den Sprüchen, als auch das mit der Kürbissuppe! – Klaus P. Jaworek

 


 

 

Leserbrief zu „Ihr neuer Herrscher ist ein Phantom“ von Wolfgang Bauer

 

Aussenstehenden mögen die Taliban als Phantom erscheinen. Für die überwiegend muslimische Bevölkerung Afghanistans sind sie kein Phantom. Gewalt und Terror der Taliban gehen von den finsteren Seiten ihres Glaubens aus. Dieses Dogma ist für Muslime nicht teilbar. Deshalb gab es keinen nennenswerten Widerstand der Bevölkerung gegen ihre Glaubensbrüder. Ihr Erfolg wird als „Entscheidung Gottes“ angesehen. Über Gewalt und Terror, der sich auf die Doktrin des Islam berief, gab es noch nie einen vergleichbaren Aufschrei der friedliebenden Muslime wie nach der Karikatur in einer dänischen Zeitung.

Ausländer sind ohne entsprechende tiefgreifende Sprach- und Kulturkompetenz in Afghanistan taub und blind. Ihnen erscheinen die Taliban als Phantom. Gesellschaftliche Abhängigkeiten und Zusammenhänge bleiben ihnen verschlossen. Daher gibt es keine Antworten auf sehr widersprüchliche Tatsachen wie – 70 bis 90 Prozent des in der Welt erzeugten Opiums (6.000 bis 9.000 t/a) kommen aus Afghanistan (ein Teil davon auch nach Deutschland mit entsprechenden Folgen). – Die Anbaufläche von Schlafmohn ist auf 328.000 ha angewachsen. Die UNO schätzt den Markwert des erzeugten Opiums auf 1,4 Milliarden US-$. An diesem Geschäft sind die Taliban beteiligt.

– Migranten aus Afghanistan in Belorussland haben nach eigener Auskunft ihren Schleusern pro Person 6.000 $ bis 8.000 $ pro Person gezahlt. Viele kamen mit Familien. Ihr Ziel ist Deutschland. – Die Bevölkerung Afghanistans ist in den vergangenen dreissig Jahren auf das Dreifache angewachsen. Im Jahre 1990 waren es 12,1 Millionen. Im Jahre 2000 waren es 39,6 Millionen. – die Entwicklungshilfe und das Welternährungsprogramm der UNO unterstützen m. E. de facto die Taliban und die oben aufgezeigte Entwicklung. – R. Renaux

 


 

 

Leserbrief zu „Die Pannen-Truppe“ von Ingo Malcher

 

Journalistische Fairness scheint der ZEIT abhandengekommen zu sein. Nachdem in der Vorwoche Herr Malcher bereits einen einseitigen und sachlich z.T. unrichtigen Artikel über die sog. Razzia im Finanzministerium geschrieben hatte (s. mein Lesebrief vom 19.9.), darf er in der aktuellen ZEIT noch einmal nachlegen. Eine aktive Mitgliedschaft des Osnabrücker Leiters der Staatsanwaltschaft wird verneint. Die CDU-Karriere dieses Mannes, der z.B. Büroleiter eines CDU-Ministers war, wird dem Leser vorenthalten.

Ebenso wird immer noch verschwiegen, dass der Durchsuchungsbeschluss einen Monat zurückgehalten wurde, um ihn dann kurz vor der Wahl umzusetzen. Andere Medien berichten ausführlich über das Geschehen, dem ganz sicher ein „Geschmäckle“ anhängt. Andere sprechen sogar von einem Justizskandal. Nicht so die ZEIT, die dem Leser wohl nur vermitteln will, dass Herr Scholz jetzt ein Problem hat.

Wie unsauber die Berichterstattung in diesem Fall geworden ist, dokumentiert der Artikel auf derselben Seite: da heißt es wörtlich „und jetzt bei den Razzien im Ministerium“. Aus einem eher lächerlichen Auftritt der Staatsanwaltschaft im Ministerium werden in der ZEIT gleich mehrere Razzien! ZEIT – wie tief bist Du gesunken! – Dr. Ortlieb Fliedner

 


 

 

Leserbrief zu „Das Sozialmonster“ von Peter Dausend und Mark Schieritz

 

Einen Artikel mit „DAS SOZIALMONSTER“ zu übertiteln, im Text davon zu schwadronieren, dass der betroffene Politiker Wolfgang Schmidt vom „Typ Rammbock“ sei, dass seinem Körper „das Filigrane abhanden gekommen sei“, dass er belächelt wird, ihn pedantisch zu nennen, weil er Akten wälzt und immer alles unter Kontrolle haben will… pardon, das ist wirklich nicht mehr als seriöser Journalismus zu bezeichnen. Ich bin wahrlich kein SPD-Freund, aber hier versprühen Dausend und Schieritz eine derart teenagerhafte und hämische „Bäbäbä! Der is aber doof!“-Geisteshaltung, dass es einen graust. Das ist kein Porträt, das ist eine peinliche Schmähschrift auf Abizeitungs-Niveau. – Birgit Auweiler

 


 

 

Leserbrief zu „Stimmt’s? Sekt macht schneller betrunken als Wein“ von Christoph Drösser

 

„Es gibt drei Dinge im Leben, die unerträglich sind: kalter Kaffee, lauwarmer Champagner und überreizte Frauen.“ (Orson Welles, 1915-1985, US-amerikanischer Schauspieler, Regisseur & Autor) Will man sich schnell die Kante geben, dann heißt es nicht Sekt oder Selters, da hilft dann scheinbar nur eins, der Griff zur Bottle! Und zwar der Griff zu Champagner, Sekt, Prickelbrause, Prickelwasser, Puffbrause, Schampus, Schaumwein, Prosecco, Spumante oder auch zu einem Piccolöchen! „Wissen ist eben Macht“, das hatte auch schon damals der englische Philosoph Francis Bacon (1561-1626) auf seiner Pfanne! – Klaus P. Jaworek

 


 

 

Leserbrief zu „Und in uns tönt die Welt“ von Hanno Rauterberg

 

Ja warum auch nicht? Ein ganzes Museum vollgestopft mit Raub- und Plünderkunst und Hehlerware aus der „guten alten Zeit“. Wir befinden uns knapp nach der Mitte des 19. Jahrhunderts, in einer Zeit, wo Deutschland noch ein Kaiserreich war. Wo Deutschland sich mit Frankreich 1870/71 mit Frankreich duellierte, und wo Deutschland das letzte Mal „siegreich“ vom Felde ging. Das war auch die Zeit der Deutschen Kolonien, die Otto von Bismarck „Schutzgebiete“ nannte, weil er in ihnen den deutschen Handel, z.B. auch in Afrika, schützen wollte. Das war auch eine sehr unrühmliche Zeit mit Mord und Totschlag, eine Zeit mit Schmerz und unsagbarem Leid, eine Zeit der Ausbeutung und Plünderung dieser sogenannten Kolonien. – Klaus P. Jaworek

 


 

 

Leserbrief zu „Der Mensch als Pille und Vorstellung“ von Elisabeth von Thadden

 

Es ist mir sehr bewusst dass der Artikel „Der Mensch als Pille und Vorstellung“ im Feuilleton erscheint. Nichtsdestotrotz finde ich es sehr schade, dass in der Zeit bisher kein einziges Wort erschienen ist zu den vielen ambitionierten Pflegefachleuten, die genau dieses Konzept der kleinteiligen Pflegewohngemeinschaften auch in Deutschland schon seit Anfang der 2000er Jahre gegen die großen Widerstände von Baubehörden, Sozialämtern sowie Lobbyisten von Wohlfahrtsverbänden und Krankenkassen zugunsten von pflegebedürftigen Menschen unter großen persönlichen Engagement und Bereitschaft zu geringer Vergütung umsetzen.

Wir als ambulanter Pflegedienst betreiben bereits seit 2005 genau diese Art von Wohngemeinschaften. Ich selbst bin seit mehr als 20 Jahren als Diplom-Pflegewissenschaftlerin im Auftrag von Gerichten, Anwälten, Versicherungen und Privatpersonen als Sachverständige regelmäßig tätig und muss leider sagen, dass ich niemandem wünsche, seinen Lebensabend in ‚Pflegefabriken‘ mit 100 und mehr Mitbewohnern verbringen zu müssen. Manches, was ich als Sachverständige -auch bei Heimschließungen durch Behörden- habe sehen müssen, verfolgt mich bis heute. – Dr. Katja Diegmann-Hornig

 


 

 

Leserbrief zu „Der dicke Schlüsselbund“ von Andreas Bernard

 

Wenn Schlüssel Menschen wären, könnten sie einen Bund schmieden, sogar einen dicken. Zwei davon wären zwei Bünde. Zusammengefügte leblose Schlüssel bilden ein Bund. Zwei davon sind zwei Bunde. Mehr Respekt vor unserer schönen Sprache wünscht sich – Helmut Kämpf

 


 

 

Leserbrief zu „Dausend Prozent“ von Peter Dausend

 

Glückwunsch, Sie treffen den Nagel auf dem Kopf. Ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit kommt bei den „Möchtegern-Experten“ auf den Karriereleitern der Parteien und deren Beraterunternehmen leider selten an. – R. Renaux

 


 

 

Leserbriefe zu „»Ich bin in einem Geschäft, in dem für jede Form der Verunsicherung kein Platz ist«“. Gespräch mit Christiane Paul geführt von Moritz Müller-Wirth und Jana Simon im ZEIT Magazin

 

Eine sehr sympathische, starke Persönlichkeit! Warum werde ich bloß das Gefühl nicht los, dass die beiden Interviewer:innen Frau Paul ein wenig hassen/herausfordern wollen? Oder zumindest ständig mit ihren bohrenden Nachfragen aus der Fassung bringen wollen? „Wirklich keine Belästigung am Set, sind Sie sich sicher? Und wenn Sie sich das noch mal überlegen? Haben Sie wirklich nichts vergessen? Ach kommen Sie, der Götz, der war ja bestimmt auch so einer! Egal, wie Sie das erlebt haben“. Dasselbe bei den Fragen zur glücklichen (sic! and why not?!) DDR-Kindheit usw. Es ist möglich, ein interessantes Material zu liefern, ohne penetrant zu sein, fragen Sie mal dazu die „Bild“ (wenn Sie mir den Scherz erlauben). – Polina Dekarz

 

Was für ein seltsames Interview mit Christiane Paul. Sie beschreibt einen ganz eindeutigen Machtmissbrauch eines deutschen Filmstars, der seine Macht dazu nutzte, um in einer intimen Szene seine Vorstellung gegenüber einer damals unbekannten 18Jährigen durchsetzen zu wollen. Christiane Paul wurde vor den Beschimpfungen und Abwertungen (!) des Stars nicht von ihrem Regisseur geschützt, obwohl dieser anderes zugesagt hatte. Lediglich flankiert von der Partnerin von Götz George, die „vermitteln wollte“ zwischen den zwei so ungleich mit Macht und Einfluss ausgestatteten Parteien.

Auch wenn Christiane Paul sich nebulös durchgesetzt hat („Halbschatten, verdeckt, ich weiß es nicht mehr so genau“) heißt das nicht, dass GG „ganz sicher kein Täter“ war – ein wirklich seltsames Fazit. Ebenso seltsam: Das ewig infrage gestellte „Gendern“, das nur an der Oberfläche kratze. Klar gibt es noch viel mehr zu tun – aber warum spricht das dagegen, endlich beide Teile der Bevölkerung anzusprechen? Es sagt ja auch keine*r, dass ein Tempolimit alle Klimaprobleme löse – aber es ist in dieser Hinsicht trotzdem ein sinnvolles Element. Ja, das patriarchale Verständnis der Welt steckt tief in den Köpfen – auch in denen von Frauen. Verständlich hingegen: auch in einer Diktatur können Menschen glückliche Kindheiten erleben, auch dort gibt es gute Aspekte des Lebens – für mich als Westdeutsche nicht schwer zu verstehen… – Almut Krämer

 

In der aktuellen ZEIT gibt es ein Interview mit der Schauspielerin Christiane Paul. Ein äußerst interessantes Inverview! Christiane Paul antwortet differenziert. Eine faszinierende Persönlichkeit. Weder kannte ich die Schauspielerinvorher, noch waren mir ihre Filme ein Begriff. Was allerdings enorm den Ton störte, war der letzte Kommentar bzw. die letzte Frage der Journalistin oder des Journalisten. Ein echter Fauxpas. Eigentlich eine Beleidigung.

Wie kommt ein Künstler, der sich öffnet und ehrlich antwortet, dazu, seine / ihre Antwort vom Journalisten als „nicht wahnsinnig sympathisch“ abstempeln zu lassen? Da fehlt es doch an fachlicher Kompetenz! Wie wahrscheinlich viele Berufstätige (in meinem Fall habe ich gar nichts mit Schauspielerei zu tun) konnte ich Frau Pauls Aussage, dass sie nach dem Erfolg eines großen Preises ein anderes Selbst- und Arbeitsbild bekam, durchaus nachvollziehen. Man bekommt durch die Bestätigung des Erfolges nach langen Mühe- und Entbehrungsjahren die Sicherheit, seine Sache weiter zu verfolgen. Das ist lebensverändernd.

Frau Paul sagte dazu „Man ist plötzlich ein Gewinner.“ Die Journalistin nennt das selbstgerecht und dümmlich „nicht wahnsinnig sympathisch.“ Leider entschuldigt sich Frau Paul und antwortet darauf mit „Nicht böse sein!“ Besser wäre es gewesen, die Interviewer nach dieser plumpen Anbiederung, die anscheinend auf dem Irrglauben beruht, dass solche Wertungen passend sind, hochkant aus dem Interview Zimmer zu werfen. „Wahnsinnig unsympathisch“ – fürwahr. Aber von den ZEIT Reportern. – Harald Zöhrer

 

In der DDR darf man sich nicht wohl gefühlt haben; Kinder sind als Doppelbelastung zu sehen; eine selbstbewusste Frau schaut nur nicht genau genug hin; und wer Götz George nicht für einen Grabscher oder Schlimmeres hält, darf in einem Interview mit jedem Tratsch beworfen werden bis sie sich selbst der Naivität zeigt. Jana und Moritz, warum interviewt ihr Euch nicht einfach gegenseitig? – Ingo Klamann

 


 

 

Leserbrief zu „Corona- Biedermeier“ von Jörg Burger im ZEIT Magazin

 

Bei meiner Lektüre des Artikels „Corona-Biedermeier“ scheint mir die Idee der Abschottung zwar poetisch, aber falsch. Wurde einmal hinterfragt, ob es nicht einen viel einfacheren Grund gibt? Ich selbst habe mir im Frühjahr Plissees bestellt, weil die Sonne länger als im Winter schien, home-Office in die Verlängerung ging und somit Arbeit zu Hause am Monitor (und mit angeschaltetem Video) zunehmend schwierig wurde. Gerade ihr Beispiel des arbeitenden Familienvaters spricht auch für diese Hypothese. Die Nachfrage an Webcams dürfte ebenfalls massiv nach oben gegangen sein. Und auch am Schluss ihres Artikels mit der Nennung der Hot-Spots spricht das für meine Hypothese.

Bei hohen Inzidenzen wurde Home-Office zur Pflicht und eben immer mehr waren gezwungen zu Hause in der Küche gegen das Sonnenlicht zu arbeiten. Das wäre fast poetischer als der Bidermeier. Nach dem Motto: endlich wird da gearbeitet, wo es hell und schön ist. Insofern halte ich die Gesellschaftskritik, dass man sich abschotten will und vielleicht sogar Corona-Regel-Missachtungen der weitläufige Grund sind, für irreführend. Vielleicht liege ich auch mit meiner Hypothese falsch, aber gute Recherche hatte ich bisher der Zeit überlassen. Freue mich, wenn das klargestellt werden könnte. – Patrick Fiebeler

 


 

 

Leserbrief zu „An langen Nachmittagen“ von Franziska Herrmann im ZEIT Magazin

 

Man kann Klischees auch übertreiben ! Die irischen Kinder in dieser Fotostrecke wurden wohl extra gezwungen mismutige Gesichter zu zeigen und extra in vermüllte Ecken gestellt ! Ja geht es noch krasser? Oder will Frau Herrmann schon einmal vorarbeiten für eine Spendenaktion? – Alois Lienhard

 


 

 

Leserbrief zu „Prüfers Töchter“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

 

In seiner Kolumne vom 23.9.21 war Herr Prüfer bei der Beschreibung des Verhaltens seiner Tochter Lotta bezüglich seiner Kleidung um ein Verb verlegen. „gibt es denn ein Wort dafür?“ fragte er sich. Ja, das gibt es, es lautet „aberkannt“. Das jedenfalls bekam ich von meiner Tochter zu hören, wenn sie mit einem meiner Pullover vor mir stand. Das Kleidungsstück wurde mir „aberkannt“. Die Formulierung beschreibt auch ganz gut die Gefühle auf beiden Seiten, finde ich. – Friederike Althoff