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5. Januar 2022 – Ausgabe 2

 

Leserbriefe zu „Mit 1000 Euro um die Welt“ von Anna Mayr

 

Mutig. Ein mutiger Artikel! Gerade auch weil das durchschnittliche Leserspektrum der ZEIT mit einem Haushaltseinkommen von >4000€/ Monat nicht darauf angewiesen ist, trotzdem aber der bedürftige Nachwuchs während der Orientierungsphase durchaus davon profitieren könnte. Da wird es sicherlich jede Menge Kritik und Empörung geben! Auch ohne mich detailliert in das Thema „Grundeinkommen“ eingearbeitet zu haben ( zeitlich schwierig mit einem systemrelevantem full – time-job und deutlich weniger als 4000€/ Monat) lehne ich dieses Modell ab.

Oder bekomme ich dann auch auf mein Monatsgehalt zusätzlich 1000€ geschenkt? „Gefühlt“ werden wieder diejenigen profitieren, die es nicht nötig haben und die wirklich Bedürftigen werden leer ausgehen. Sollen sich weiterhin die reichen Spender und Empfänger gegenseitig finanzieren. Solidarität auf Augenhöhe! – M. Trampe

 

Die wüste Polemik, die Anna Mayr gegen die Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens vom Zaun gebrochen hat, trieft nur so von Unterstellungen, Vorurteilen und Diffamierungen. Die erste Unterstellung: Wer gegen das bedingungslose Grundeinkommen sei, von dem würden die Leute denken, „dass man auch Katzenbabys ertränken oder Obdachlose anzünden“ würde und der müsse „allermindestens ein bisschen dumm sein“ (das kann man für ZEIT-Leser ja schon mal grundsätzlich ausschließen, gell?). Nachdem die Autorin also rhetorisch geschickt klargestellt hat, dass sie als bekennende Gegnerin des bedingungslosen Grundeinkommens weder Katzenbabys ertränkt noch Obdachlose anzündet (was soll daran eigentlich so schlimm sein?) und erst recht nicht dumm ist, knöpft sie sich die Befürworter desselben vor.

Das sind einmal die Linken oder wahlweise die bürgerliche Boheme oder die „Bourgeois-Boheme Mittelschicht“ (Huch! Meint die etwa mich?), von denen nämlich die meisten „die Armen und ihre Belange von Grund auf abstoßend finden. Sie wollen das Grundeinkommen nicht für Hartz-IV-Empfängerinnen, sondern für ihre Künstlerfreunde“. Und weiter heißt es: „Diese Leute“ – gemeint sind, um im Jargon von Mayr zu bleiben, „die Petitionsunterzeichner und Weltverbesserinnen“ – „Diese Leute ekeln sich vor den armen Kindern, denn die stinken und sagen Schimpfworte.“ Du liebe ZEIT, Frau Mayr, wer hat Ihnen denn diesen Schwachsinn in die Feder diktiert?

Mal ganz egal, wie man selbst zum Grundeinkommens steht – ob man zu den Katzenbaby-Ertränkern und Obdachlosenanzündern gehört oder zu den Linken, die die Armen abstoßend finden und sich vor stinkenden Kindern ekeln -, eine sachliche Debatte um das Für und Wider hätte die Idee des Grundeinkommens auch in der ZEIT verdient. – Jürgen Lieser

 

Früher begann der Tag mit einer Schusswunde. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen haben wir auch noch das Geld dazu. – Reinhard Koine

 

Cui bono, Anna Mayr? Wem würde das bedingungslose Grundeinkommen nutzen? fragt Anna Mayr und sieht die Nutzniesser bei der „bürgerlichen Boheme“ und deren Selbstverwirklichungsträumen. Mit ihrer Polemik gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen positioniert sie sich gegen „all die Petitionsunterzeichner und Weltverbesserinnen, die den Arbeitslosen nur mehr Geld gönnen können, wenn sie es selbst auch bekommen“. Sie behauptet, dass „die meisten Linken die Armen und ihre Belange von Grund auf abstoßend finden“ und sie unterstellt, dass „der akademisch gebildete Teil der Gesellschaft“ Gerüchten und Falschbehauptungen aufsitzt und nur deswegen für ein bedingungsloses Grundeinkommen eintritt, „weil es bequemer ist, eine Petition zu unterschreiben, als sich mit den vielen kleinen Detailfragen der nervigen, ultrakomplizierten Sozialpolitik zu beschäftigen“.

Ich frage mich, wem nutzt eine solch billige Polemik in der ZEIT, in deren Archiv sich unter dem Stichwort „bedingungsloses Grundeinkommen“ immerhin 445 Suchergebnisse finden. Darunter auch differenzierte Darstellungen zur „Ideengeschichte des Bedingungslosen Grundeinkommens“ (Franz Schuh vom 24.9.2019), fundierte Klarstellungen, dass „Grundeinkommen nicht gleich Grundeinkommen ist“ und es verschiedene Modelle gibt (Viola Diem vom 2.11.2020), abwägende Bewertungen, dass „die richtigen Fragen aufgeworfen“ werden (Nadja Al-Khalaf vom 30.4.2018), dass „ein richtiges bedingungsloses Grundeinkommen mehr wäre als ein Krisengeld“ (Nina Monecke vom 4.4.2020) und sogar ein wissenschaftlich begründetes Plädoyer für „soziale Experimente“ von Marcel Fratzscher, seines Zeichens Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): „Die Politik sollte nicht länger Getriebene des Wandels sein und sich für die Idee eines Grundeinkommens öffnen.“ (26.2.2021)

Hinter all diese ZEIT-Beiträge fällt Anna Mayr zurück, wenn sie vorgeblich eine Lanze für die „Armen und Abgehängten“ bricht und die Diskussion um ein „menschenwürdiges soziales Sicherungssystem“ den „Träumen vom Grundeinkommen“ entgegensetzt. Und wenn sie schreibt, dass es in Deutschland bereits ein Grundeinkommen gibt, „es heisst nur Grundsicherung“, unterstützt sie nur die Begriffsverwirrung, die es um das bedingungslose Grundeinkommen sowieso schon gibt. Und das nützt nur denen, die ihre Vorurteile pflegen wollen und kein Interesse an einer sachgerechten Auseinandersetzung über eine gesellschaftsverändernde, nicht nur sozialpolitische Idee haben. – Dr. phil. Alfred Köth

 

Haben Sie vielen Dank für Ihren mutigen Artikel zum sogenannten bedingungslosen Grundeinkommen. – Ingo Maxeiner

 

Bravo, kann ich da nur sagen zu dem Artikel von Anna Mayr zum Grundeinkommen. Endlich lese ich auch in der bürgerlichen Presse, zu der ich die ZEIT rechne und die ja v.a. von denen gelesen wird, die Frau Mayr als bürgerliche Boheme bezeichnet, was im Moment noch die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen bedeutet. Dies ist ein Artikel, der allen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, vorgelegt werden sollte. Damit es endlich in die richtige Richtung geht: zum bedingten Grundeinkommen, das nur der/die bekommt, der/die die Hosen runterlässt und dazu einen Grund hat. Ja, das kann auch die Reform von Hartz4 sein und was sich daraus ableitet. Nochmals meinen Glückwunsch, der mit der einzigen Kritik verbunden ist: warum, so frage ich mich, ist dieser Beitrag im Feuilleton abgedruckt und nicht im Wirtschaftsteil? – Volker Wörnhör

 

Bitte beide Artikel bitte flott hintereinander lesen!! Ich oute mich vorab als Katzenbaby-Ertränker und Frauenfeind, denn weder politisch Festgelegte noch Feministinen werden jetzt weiterlesen, denn es ist unbequem seine eigene Meinung in Frage zu stellen. Gendern, also unsere Sprache ändern oder armen Menschen Geld geben sind sich sehr, sehr ähnlich. Weder Empathie oder Hilfen zur Lösung von unendlichem Leid stehen hier auf der Tagesordnung sondern nur Sprache, endlose Disskurse und und die Ausrede: ich tue doch etwas.

Genau das arbeitet Herr Kerami umfassend und sorgfältig heraus. Geld hilft einer Mutter in einer vermüllten Wohnung nicht, ihrem Kind eine bessere Zukunft zu schaffen, genau so wenig, wie die korrekte Ansprache von Leserinnen und Lesern dafür sorgt, dass Frauen gleich behandelt werden. Der Sack muss ins Wasser!! Wenn alle Menschen den Artikel von Herrn Kerami verstehen würden, Sprache in genau dieser Tiefe anwenden könnten, gäbe es keinerlei Gendern. Genauso wie Geld auf Dauer Armut nicht bekämpfen kann. Solange wie wir glauben, dass Armut nur der Mangel an Geld ist. – Klaus Hartmann

 

Ihren Beitrag finde ich sehr gelungen. Da wird m.E. viel vermischt, insbesondere Emotionen mit nebulösen sozialen Argumenten. Neben den üblichen Argumenten gegen das BGE gibt es einige Aspekte, die selten diskutiert werden.

Einige Überlegungen zum bedingungslosen Grundeinkommen: Das BGE soll in diesem Zusammenhang keine vorübergehende, sondern eine dauerhafte Versorgung durch den Staat sein. Dies bedeutet auch, dass keinerlei Lohn- und Einkommenssteuer darauf anfällt und keine Sozialabgaben fällig werden. Da ist zum einen die Unumkehrbarkeit, wenn dieser Weg einmal beschritten wäre. Wir wissen aus den Erfahrungen mit den Sozialversicherungen, dass auch kleine Entscheidungen über Jahrzehnte Auswirkungen haben. Wie wäre das erst bei einem so extremen Richtungswechsel in der Sozialpolitik?

Hier ist insbesondere die Tatsache zu bedenken, dass wir eine alternde Gesellschaft sind und sowieso ein großer Teil der Bevölkerung Transferzahlungen (Renten, Kindergeld, Wohngeld etc.) erhält. Die Aufgabe der Politik, im Sinne von Daseinsvorsorge zu handeln und zwar auch über die eigene Regierungszeit hinaus, wäre nicht einmal mehr ansatzweise ein Thema. Denn wenn die Auswirkungen erkennbar wären könnte möglicherweise nicht mehr korrigierend gehandelt werden.

Der Glaube an über viele Jahrzehnte währende politische Stabilität und Prosperität hat mehr mit Religion zu tun als mit der Realität. Wer Jahrzehnte Stabilität erlebt hat mag vielleicht vergessen haben dass Friede nicht unbedingt ein Kontinuum ist. Gerade in den letzten Jahren haben wir alle doch erfahren, dass sich von einem Tag auf den anderen alles ändern kann.

Ich erinnere nur an den Fall der Berliner Mauer, den arabischen Frühling, den Brexit, die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA sowie den Einzug der AfD in Parlamente. Ein BGE müsste im Grundgesetz verankert sein, was kaum möglich sein dürfte, denn es gäbe sicherlich Klagen dagegen und auch die nötige parlamentarische Mehrheit ist eher unwahrscheinlich. Oder es wäre halt ein Gesetz wie viele andere, das jederzeit geändert werden kann. Es könnte ja auch mal die AfD oder eine ähnlich radikale Partei regieren. Das sollte man nicht vergessen.

Die Empfänger des BGE wären vom guten Willen der politisch Agierenden abhängig. Wer wird Deutschland in 100 Jahren regieren, mit welchen Intentionen? Existiert dann Deutschland noch in den Gestaltungsräumen, die wir heute kennen: Grenzen, Grundgesetz, Schulpflicht, Gesundheitseinrichtungen etc.? Kann der monatliche Betrag mit einem Federstrich gekürzt oder abgeschafft werden? Was würde ein Rechtsanspruch nützen der nicht durchsetzbar ist?Hat eine Regierung überhaupt Interesse, „unnütze Esser“ zu alimentieren, wenn doch Roboter den größten Teil der Industriearbeit erledigen? Die gegenwärtigen Diskussionen um ein paar Euro monatlich mehr für Empfänger von Transferleistungen wie Hartz-lV stimmen nicht gerade optimistisch. Und für wen gilt das BGE überhaupt? Alter, Herkunft, Aufenthaltsdauer, Hautfarbe, Religion, Qualifikation oder eben gerade nicht? Was ist in einigen Jahrzehnten, wenn die Bevölkerung noch mehr gealtert sein wird und dringend neue Ideen und Arbeitskräfte benötigt werden?

Die Bevölkerung würde nicht nur noch weiter in Wohlhabende und Arme gespalten, die Machtverteilung wäre wahrscheinlich extrem. So gäbe es Menschen, die sich alles leisten können, z.B. die wunderbare Welt der neuen Mobilität, des vernetzten Lebens und der modernen Medizin mit persönlicher -Betreuung. Dies alles wird enorm viel Geld kosten und Datenberge produzieren. Wer hat darüber die Macht? Warum soll jemand, der sowieso nach Meinung der Mächtigen und Wohlhbenden nur ein Kostgänger ist, daran teilhaben? Die gegenwärtige Entwicklung in China zeigt auf, was man alles mit Daten machen kann. Und das ist erst der Anfang.

Welche psychologischen Folgen hat es, wenn alle von Akteuren zu Empfängern von Wohltaten werden? Wer will das überhaupt? Schon jetzt gibt es viel Freiberufler, die unter keinen Umständen abhängig beschäftigt sein wollen, oft unabhängig vom Einkommen. Was würde es bedeuten, wenn alle abhängig wären? Anforderungen, Leistung zu erbringen bedeuten ja nicht nur Druck und Stress sondern ganz besonders auch Stolz und Anerkennung, ein großes Gefühl persönlicher Befriedigung, wie jeder weiß der auch nur einmal auf eine Prüfung gelernt und diese mit Erfolg bestritten hat.

Ohne dieses Gefühl von Stolz und Anerkennung würde sich kaum jemand heutzutage anstrengen. Schließlich leben viele von uns in einer finanziellen Sicherheit, die in anderen Ländern und Zeiten unvorstellbar war und ist. Auch die Kinder wohlhabender Eltern legen sich ja selten auf die faule Haut, trotz zu erwartender Erbschaften. Ist das nicht ein Hinweis, dass es eben gerade nicht nur um Geld geht?

Eine Voraussetzung für das BGE ist Wohlstand, der auch in Deutschland abnehmen kann. Unsere Ahnung von Industrie 4.0 und Elektromobilität ist nur ein Vorbote künftiger Entwicklungen. Die Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Ländern würde möglicherweise stark abnehmen. Die gesellschaftliche Flexibilität würde reduziert. Anstelle von besserer Ausbildung ein Volk von Hobbymalern? Und wer studiert oder lebt dann – auch vorübergehend – in anderen Ländern Europas, ganz zu schweigen von Nicht-EU-Ländern? Ein kuscheliges Biedermeier-Deutschland, was für ein Graus!

Wer fährt dann mit den schicken neuen Fahrzeugen mit Elektroantrieb – die ja bekanntlich nicht ganz billig sein werden – bei einem Einkommen von 1000 oder 1500 Euro im Monat? Die Mieten in den Städten steigen. Ziehen die Leute dann nach Mecklenburg-Vorpommern, weil dort Platz ist und man günstig als Selbstversorger leben kann? In Thailand oder Goa kann man mit 1000 Euro monatlich bekanntlich auch ganz gut leben. Warum machen das nur wenige? Wer will das für Bezieher des BGW verhindern und wie? Welche Parteien werden nach so einer Transformation im Bundestag sitzen? Sinkt die Wahlbeteiligung auf 15 %?

Es gibt meines Erachtens nur einen Weg, extreme Unterschiede in einer Gesellschaft zu verhindern: Bildung. Sie verhindert Gutgläubigkeit, fördert Selbstbewusstsein und macht fit und flexibel für eine Zukunft, die ja immer unsicher war und ist. Das BGE ist ein hübsches Spielzeug eines saturierten Bürgertums und meines Erachtens alles andere als durchdacht. Erstaunlich, dass es dazu noch kein Spiel gibt. Wäre doch mal interessant, das BGE mit den Möglichkeiten eines Spiels durchzuspielen, statt „Siedler von Catan“ dann also „Siedler mit BGE“. – Bärbel Rott

 

Sie sagen, das Grundeinkommen würde nicht funktionieren. Gut. Sie sagen, es wäre besser, Hartz IV zu verbessern. Auch gut. Leider führen Sie für beide Behauptungen keine Argumente an. Das ist schade. Ich habe den Artikel nun mehrfach gelesen; ich denke auch, ich habe die Worte verstanden – aber den Sinn nicht. Leider regt der Text nur über die eine Frage zum Nachdenken an, warum Sie so große Ressentiments gegen andere Menschen hegen. Sie mögen es nicht, wenn jemand einen Diskurs übers Grundeinkommen pflegt. Sie mögen keine Linken.

Sie sind sicher, dass das Grundeinkommen nur von miesen Petitionsunterzeichnern und Weltverbesserinnen verlangt wird, weil die dann selbst mehr Geld bekämen und sowieso ihre Kinder auf keinen Fall mit armen Kindern spielen lassen würden. Und dann sind da noch die Bourgeois-Boheme-Mittelschicht, die richtig gut verdienenden Steuervermeider und die reiselustigen Lehrerkinder, alles ekelhafte Wesen, ganz zweifellos. Sie haben noch mehr Feinde zu bieten, aber da sie den Artikel geschrieben haben, wissen Sie das ja, ich zähle also nicht weiter auf.

Doch was ist neben einer dezidierten Beschimpfung eines recht großen Teils der Bevölkerung Ihr Punkt? Sie wissen, dass es Menschen gibt, die arm sind, und wünschen sich, dass es anders wäre. Sie nehmen es der Gesellschaft übel, dass sie nicht alle gleich schätzt, vor allem nicht, wenn sie kein Geld haben. Das ist anerkennenswert, nutzt als nicht eben bahnbrechende Erkenntnis allerdings noch weniger als der Ruf nach einem Grundeinkommen oder einer Verbesserung der Hartz-IV-Regelungen.

Sie sprechen davon, dass eine Petition bequemer sei als eine Auseinandersetzung mit den „vielen kleinen Detailfragen der nervigen, ultrakomplizierten Sozialpolitik“. Tja, und dann ist der Artikel zu Ende. Auch bequemer als sich mit den vielen kleinen Detailfragen etc…auseinanderzusetzen und sie den Leserinnen und Lesern zu erläutern. Manchmal tut es gut, den Frust so richtig rauszulassen, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Aber nur Ihnen als Senderin, nicht mir als Empfängerin. Ich hätte mir außer von Ihnen im Geiste des tiefen Gekränktseins formulierten Klischees interessanten Inhalt gewünscht. – Ellen Reim

 

Für den Hinweis auf das „bedingungslose Grundeinkommen“ (BGE) gebührt der Autorin Dank. Die Begründung ihrer Ablehnung scheint dagegen wenig überzeugend. Sich den Erhalt von Armut zu wünschen, um Aufmerksamkeit für die Armen zu erzeugen, mutet schon sehr „um die Ecke gedacht“ an. Vielmehr zeigt gerade die deutsche Geschichte, aber auch aktuelle Entwicklungen in den USA oder Aktivitäten der AfD im Osten, dass sich undemokratische Kräfte oder Diktatoren dieser aus der Not geboren willfährigen Klasse bedienen, sie mit Macht und Posten ausstatten, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen.

Ein BGE ist keine Erfindung einer grün-alternativen Bildungsbürgerschicht, sondern ein verheißungsvoller Entwurf zur Entbürokratisierung der Sozialsysteme bei gleichzeitiger Vermeidung von sozialer Not, insbesondere von Alleinerziehenden und Kindern. Der angesehene Wirtschaftswissenschaftler Th. Straubhaar konnte schon vor einem Jahrzehnt vorrechnen, dass die seinerzeitigen Sozialleistungen in der Summe einem monatlichen Einkommen von 1000€ pro Bundesbürger entsprachen, aber eben nicht dort ankamen. – Dr. Martin Schwager

 

Danke für Ihren Artikel zum bedingungslosen Grundeinkommen. Ergänzend eine Beobachtung. Solch ein Experiment gelingt nur, wenn man wirklich die ganze Bevölkerung einbezieht und das über mehrere Generationen. Venezuela hat dieses Experiment seit der Ölfunde bis Heute durchgeführt. Es hatte die Ressourcen, ohne die arbeitende Bevölkerung zu besteuern. Ich erlebte Venezuela 1972 bis 1975 touristisch als wohlhabendes Land mit einem höheren Lebensstandard als Deutschland. Ich abeitete dort in den 1980gern und 1990gern für gutes Geld und sah das Land den Bach hinuntergehen. Wie es heute dort aussieht erzählt das Fernsehen. Sagen sie nicht, Chaves und Maduro sind die Verbrecher. Es gibt viele Ursachen, aber das bedingunslose Grundeinkommen hat einen erheblichen Beitrag geleistet. Das Marxistische Paradies war mit ähnlichen Lobpreisungen gestartet und währte 70 Jahre. Es sollte uns eine Warnung sein. Bitte nicht noch so was. – Prof. Dr. Martin Wilmers

 

Anna Mayr behauptet, ein bedingungsloses Grundeinkommen käme vor allem den Selbstverwirklichungsträumen der bürgerlichen Boheme zugute: Kindern von Unternehmensberatern, die nach dem Abi durch Südamerika touren möchten. Das ließe sich leicht verhindern: Das grundsätzlich bedingungslos ausgezahlte Einkommen könnte – analog zum Coronakindergeld – zu hundert Prozent mit der Steuerpflicht verrechnet werden:

Bei angenommenen tausend Euro bedingungslosem Grundeinkommen, verblieben bei einer Person, die im Monat fünfhundert Euro Einkommensteuer zu zahlen hat, letztlich nur 500 Euro; bei einer Person, die monatlich tausend Euro Einkommensteuer zu zahlen hat, null Euro. Letztlich behalten könnten des Geld also tatsächlich die, die wirklich arm sind – allerdings könnten sie es – anders als bei HartzVI frei verwenden. Sie würden dadurch etwas von der Freiheit gewinnen, die jemand mit Geld ganz selbstverständlich hat.

Die Vorteile gegenüber allen Verbesserungen an HartzIV: Ich könnte mir eine der zahlreichen unter vierzigtausend Euro angebotenden Immobilien in den „schwachen“ Regionen Deutschlands leisten. Und vor allem: Ich könnte überhaupt erst Wohneigentum haben, ohne dass es mir sofort einkassiert würde. Ich könnte es wagen, eine berufliche Selbstständigkeit zu versuchen, ohne sofort davon leben zu müssen, und ohne dass sofort alles mit HartzIV verrechnet wird. Jeder Euro, den ich selbst erwirtschafte, würde mir bleiben und Motivation sein, ihn zu weiteren Euros auszubauen.

Ich könnte beruflich in Regionen arbeiten, in denen es mir sonst nicht möglich wäre. Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte helfen, Menschen wieder gleichmäßiger über das Land zu verteilen und sterbende Regionen beleben. Es könnte helfen, wahnwitzige Preisgefälle zwischen Regionen auszugleichen. Es könnte Menschen in Erwerbstätigkeit bringen ohne ein Ganz oder Garnicht. Es kann Menschen und Regionen gleichermaßen voran bringen. All das ist auch mit großen Korrekturen an HartzIV nicht erreichbar. Im Gegenteil: HartzIV hält Menschen und Regionen in den Verhältnissen fest, in denen sie sich befinden. – Michael Krauß

 

Ja, auf den ersten Blick erscheint es verwerflich, gegen das bedingungsloses Grundeinkommen zu sein. Sie argumentieren stringent. Es würde einen Rattenschwanz an Dingen nach sich ziehen, an denen sich genau diese neoliberalen Strukturen mehr als gütlich laben, ihre Vorteile weiter ausbauen und dadurch weiter festigen könnten. Echte Nächstenliebe ist leider nicht mit einer Gießkanne voller 1000 Euro für jeden von uns zu bekommen. Sie leisten großartige Arbeit, liebe Frau Mayr. Herzlichen Dank dafür! – Martina Eirich

 

Warum bezeichnet die Autorin es als „absurde Beispiele“ für den gesellschaftlichen Diskurs, wenn in der Linkspartei Weimar oder in der evangelischen Erwachsenenbildung Göttingen über das Grundeinkommen diskutiert wird? Woher kommt die Arroganz, diese Diskussionen derart abzuqualifizieren? Ich bin kein Freund eines bedarfsunabhängigen Grundeinkommens, aber hier gibt es ein verständliches Thema, über das es sich nachzudenken, zu diskutieren und zu streiten lohnt. Das sollte nicht nur im Feuilleton der Zeit oder in akademischen Zirkeln, sondern überall in der Gesellschaft stattfinden können, ohne von Medienschaffenden aus ihrer eigenen Machtposition heraus belächelt und in seiner Legitimität angezweifelt zu werden.

Ich bin promovierter Politikwissenschaftler, aber ich lasse meine Schüler*innen auch ergebnisoffen über das Grundeinkommen diskutieren, nicht nur, weil ich ihnen meine wie auch immer akademisch fundierte Meinung aus guten Gründen nicht aufzwingen darf, sondern weil diese Übung der Diskursfähigkeit einen Wert an sich darstellt, ob in meinem Klassenzimmer in Breisach am Rhein oder bei der evangelischen Erwachsenenbildung in Göttingen. – Dr. Patrick Thalacker

 

Als entschiedene Grundeinkommens-Befürworter sind wir vom Hamburger Netzwerk Grundeinkommen der Autorin Anna Mayr für ihren Beitrag zu aufrichtigem Dank verpflichtet, weckt sie damit doch, – wenn auch wohl eher ungewollt -, Neugier und erhöhte Aufmerksamkeit für ein Thema, das – wie ihr selber nicht entgangen zu sein scheint – ohnehin bereits in aller Munde ist. Mit der Auflistung von zahlreichen dem Thema gewidmeten Initiativen, Aktivitäten und Projekten motiviert sie zugleich geneigte Leser*innen dazu, sich intensiver mit der Materie zu befassen!

Bei genauerem Hinsehen wird freilich schnell klar, dass Frau Mayr im Grunde genau das Gegenteil erreichen möchte, will sie ihre Leser doch offensichtlich vor dem Grundeinkommen warnen. Jedenfalls versucht sie, die dahinterstehende Idee nach allen Regeln manipulatorischer Demagogie und rabulistischer Polemik zu verunglimpfen und lächerlich zu machen. Dafür ist ihr kein Vergleich zu abwegig, keine Übertreibung zu grotesk oder auch geschmacklos. Mit einem solchen Projekt, falls sie es überhaupt gezielt verfolgt und nicht einfach wild drauflos wettert, scheitert sie freilich kläglich!

Fragt sich doch, wen sie eigentlich mit diesem Pamphlet zu erreichen vermag: – Überzeugte Befürworter der Idee werden sich dadurch gewiss nicht beeindrucken lassen. –   Auch Menschen, die sich erst wenig oder noch gar nicht mit dem Thema befasst haben, dürften sich in der Regel eine sachlichere Informationsquelle wünschen und suchen. –       Selbst ernsthafte, eingefleischte Skeptiker und Kritiker, zumindest soweit sie noch rationalen Argumenten zugänglich sind, dürften sich fragen, ob solche polemischen Entgleisungen einer von ihnen gewollten kritischen Auseinandersetzung dienlich sind. Wer sich dagegen ehrliche und kritische Information zum Thema wünscht, ist herzlich eingeladen, u.a. z.B. unsere Website zu besuchen: www.grundeinkommen-hamburg.deOtto Lüdemann

 

Ihre Beiträge in der ZEIT schätze ich normalerweise sehr, aber mit Ihrer jüngsten Philippika gegen das bedingungslose Grundeinkommen als Partikularinteresse einer „Lifestyle-Linken“ (die ich übrigens für einen schädlichen Popanz halte) bin ich gar nicht einverstanden. Ich selber würde mich als undogmatischen Linken bezeichnen und habe auch einige eigene unschöne Erfahrungen mit „Hartz IV“. Und ich kann Ihnen versichern: Wir Linken finden nicht die Armen abstoßend, sondern die Armut – die Tatsache, dass es auf unserer Welt heutzutage immer noch Menschen gibt, die an Hunger und vermeidbaren Krankheiten leiden und sterben.

Deshalb setzte ich mich mit meinen sehr bescheidenen Mitteln auch für ein globales, existenzsicherndes Grundeinkommen ein, verstanden als einen ersten Schritt hin zu einer Welt, in der wir das jahrhundertelang vererbte und akkumulierte Unrecht überwinden und in der die Gesamtheit der Ländereien und Meere, der Bodenschätze und Industrieanlagen in allgemeines gesellschaftliches Eigentum übergehen und nicht mehr nur einigen oberen Zehntausend zur freien Verfügung stehen.

Dann würde sicherlich auch das alte, aus dem Zeitalter der Dampfmaschinen stammende Dogma von der Vollbeschäftigung überwunden, die ja doch heute nur noch aufrechterhalten werden kann durch die vielen Jobs in der „Dienstleistungsbranche“ mit ihrem fragwürdigen gesellschaftlichen Nutzen, von der Kehrseite der Medaille – hemmungsloser Konsum in der „Wegwerfgesellschaft“ – ganz zu schweigen.

Denn anders als Sie behaupten, hat sich durch Maschinisierung und Automatisation die Produktivität der Arbeit sehr wohl massiv erhöht (und der Anteil notwendiger Arbeit entsprechend verringert); ernährt eine Arbeitskraft in der Landwirtschaft heute nicht mehr drei oder vier, sondern hunderte andere Menschen; stehen am Fließband heute nicht mehr reihenweise Ausgebeutete, die für klägliche Löhne stupide Tätigkeiten verrichten, sondern hauptsächlich Maschinen.

Wie Sie ganz richtig schreiben, könnten wir das Geld anders (gerechter) verteilen, und notwendige Arbeit würde nicht liegenbleiben, weil Menschen generell sinnvoll tätig sein wollen. Und der „Traum vom Musizieren“ oder anderen Mußetaten, den sich alle (und eben nicht nur „ein paar Leute“, wieso auch?) Menschen erfüllen könnten, ist meiner Meinung nach allemal eine sehr viel schönere Vison als der gegenwärtige Alptraum eines nach heutigen, immer nur leicht modifizierten Regeln weiterlaufenden Kapitalismus mit seiner raubbautreibenden, gesellschaftlich zerstörerischen Dynamik. Vielleicht fehlt Ihnen (und Ihren „Künstlerfreunden“) da einfach ein wenig Zuversicht und Vertrauen in die menschlichen Fähigkeiten…? – Thomas Movtchaniouk

 

Der Artikel von Frau Mayr ist für mich nachvollziehbar- wenn Kinder und Mütter noch in das Thema der Grundversorgung einbezogen würden. Im Jahre 2022 bleibt immer noch die kostenlose Care-Arbeit mit daraus resultierender Alters- oder Scheidungsarmut an den Frauen/ Müttern hängen. Untragbare gesellschaftliche Verhältnisse. – Bibijana Münch

 

Wieder muss ich unbedingt einen Artikel kommentieren – diesmal im Ressort Feuilleton den Beitrag der von mir sehr geschätzten Autorin Anna Mayr zum Thema: Grundeinkommen! Die von ihr recherchierten Details sind mir mit den beschriebenen Vorteilen (wer davon profitiert) bzw Nachteilen (für die eigentliche sog. Zielgruppe) noch nie so klar vor Augen geführt worden. Sich mit den Fakten kritisch u unbestechlich vom ‚mainstream‘ auseinanderzusetzen ist der Journalismus, den wir dringend brauchen – Frau Mayr hat für diesen Artikel zu einem sensiblen u polarisierenden Thema meine Hochachtung! – Brigitte Kupfer-Dicks

 

Die Autorin demonstriert in dankenswerter Klarheit, dass die linksliberale Kopfgeburt eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle in der diskutierten Höhe schon durch leichtes Kratzen an der Oberfläche ad absurdum zu führen ist, eines Konzeptes, das für einige Millionen wirklich Bedürftiger nicht annähernd reichen, für einige Millionen der oberen Mittelschicht hingegen sinnlos verplemperte Milliarden bedeuten würde. Es ist das Konzept eines Milieus, das in allen Mitmenschen verhinderte Feingeister vermutet, die nur darauf warten, die gewonnenen Spielräume zur kreativen Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu nutzen.

Zu ergänzen wäre noch, dass es einen klar abgegrenzten Nationalstaat voraussetzt, also genau das, was besagte Kreise gerne zum Auslaufmodell erklären. Denn klar dürfte auch sein, dass der Ansturm von Migranten der Jahre 2015/16 nur ein leises Säuseln gewesen sein dürfte gegenüber dem, was uns erwartet, wenn sich erst in den letzten Winkeln Afrikas und Asiens herumgesprochen hätte, dass man in Deutschland auch ohne jede Arbeit ein Leben führen kann, von dem man bisher nicht mal zu träumen wagt. – Gebhard Boddin

 

Vielen Dank für ihren in jeder Hinsicht erhellenden und kritischen Artikel zum bedingungslosen Grundeinkommen. Ich muss gestehen: Auch ich war bislang Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle Bundesbürger verbunden mit dem Wunsch, dass dadurch insbesondere bedürftigen Familien und arbeitslosen Menschen das beschämende und entwürdigende Beantragungs- und Bewilligungsverfahren der ohnehin viel zu geringen Grundsicherung erspart bliebe.

Ihre kritischen Worte haben mir die Augen geöffnet. Das bedingungslose Grundeinkommen lindert, aber es hebt Ungerechtigkeiten durch die soziale Herkunft nicht auf, fördert weder Integration noch Inklusion, sondern zementiert diese noch dazu. Die gut Situierten bleiben unter sich, die Armen bleiben am Rand. Ihren Ansatz der Verbesserung des demütigenden Verfahrens der Grundsicherung teile ich voll umfänglich. Mehr Geld für jene Menschen, die es wirklich brauchen, und zwar bedingungslos. – Manfred Jürs

 

Der Artikel von Frau Mayr spaltet auf polemische Weise. Die vielgeschmähten „Weltverbesserer“ hingegen setzen auf Augenhöhe zwischen den Bürgern und gegenüber dem Staat. – Inga Hänsel-Nell

 

Mit Ihrem Artikel treffen Sie ins Schwarze. Die Reichen und Wohlhabenden verachten die Armen. Das bedingungslose Grundeinkommen hilft, sich der solidarischen Verantwortung zu entziehen. Es ist damit ein ausgesprochen neoliberales Konzept wenn zugleich alle anderen staatlichen Transferleistungen entfallen. Und zynisch. Denn eine Einzelperson hat dann wahrscheinlich weniger als unter Grundsicherungsbedingungen. – Rüdiger Weigel

 

Es ist schon immer wieder putzig, aber leider auch recht nah an unlustig, wenn sich Habitant/innen (und als Journalisten auch Profiteure/sen) des Bourgeois-Boheme-Milieus über ebendieses mokieren und dem Argumentationsgegenüber jeden ehrlichen Kern seiner gedanklichen und vielleicht auch realen Suche nach Lösungen für eine wesentliche Frage der sozialen Gesellschaftsgestaltung durch einen süffisanten Missbilligungseifer absprechen.

Neben anderem erscheint mir besonders instabil die Aussage, mit dem bedingungslosem Grundeinkommen solle die Armut nicht beseitigt sondern nur verdeckt werden. Die Notwendigkeit , deren Ursachen zu beheben, schließt doch nicht aus, einen womöglich (ich bin kein Verfechter des bG, wohl aber interessiert am Thema) besseren Weg als den/die bisherigen zumindest ernsthaft (!) in Erwägung zu ziehen und zu versuchen, die Ernsthaftigkeit der anderen Mitringer im Rahmen des eigenen Horizontes zumindest zuzulassen.

Und dem, der etwas ändern will, zu unterstellen, das täte er/sie nur aus Beschwichtigungsgründen ist ungefähr so dünneisig wie der Vorwurf an einen helfenden Menschen, das Hilfreiche täte er nur aus eskapistischen Gründen der Selbstabsolution und/oder Verdrängung des Igitt. So kommt man nicht weiter, da hebt sich jede ehrlich suchende Überlegung und Absicht in abstrakten Dunst auf.

Zumal die andere Position hier so reduziert und verlächerlicht wird, dass ihr natürlich leicht der Vorwurf der mangelnden Komplexität zu verpassen ist. Ist denn – als Beispiel – die im Vergleich zur Atomkraft ziemlich simpel funktionierende Windenergie deshalb abzulehnen, weil sie nicht einen so hohen technischen Komplexitätsgrad hat? Insgesamt ist es schade, mit diesem Artikel eine vertane Chance vor sich zu haben statt eines erfrischend-kritischen, erhellenden Beitrags mit sinnvollen, tragfähigen Vorschlägen zu diesem Thema. – Jürgen Sonneck

 

Eben las ich den großartigen Text von Anna Mayr (Feuilleton No.2) zum Grundeinkommen. Sehr genaue und treffende Analyse dieses Diskurses. Dies war eine besondere Freude, nachdem mich in letzter Zeit öfter Beiträge geärgert hatten, denen diese Schärfe des Blicks und der Analyse fehlte. – Frank Scholze

 

Danke für diese Perspektive auf das Thema. Es hat meine bisherige Überzeugung für ein bedingungsloses Grundauskommen in Frage gestellt. Nun kann ich differenzierter meine Meinung dazu bilden. – Volker Homann

 

Am Ende war ich fast schon erleichtert, dass die Autorin das Wort „polemisch“ selbst in den Mund bzw. Text genommen hatte. Was für eine einseitige Denke, jedem Befürworter, jeder Diskussion, jedem Überlegen in Richtung eines einseitigen Grundeinkommens zu unterstellen es würde von der Grundhaltung herrühren „echte“ arme Menschen im Bestfall ignorieren wollen und im Normalfall verabscheuen.

Hier wird es sich viel zu einfach gemacht- fühlt es sich mit einer solch polemischen Streitschrift vielleicht einfach besser an, nach dem Motto „Beitrag geleistet – next“, als konstruktive Vorschläge zu bringen, möchte man fragen? Und simplifizierend und vereinfachend zurückgefragt (was ja sehr gut in den Tonus des Textes passt) was ist mit Nicht-Akademiker-Kindern die sich dann vielleicht überhaupt erst der Wahl eines Studienfachs stellen könnten?

Den Kindern von einfachen Leuten die sonst das Auslandsjahr gar nicht hätten machen können? Was ist mit den Menschen die Berufung aufgeben weil es einfach nicht reicht und so in klassischer Berufe wechseln? Wenn schon zitiert, dann sollte das Künstlersterben wohl auch ernster genommen werden. Eine offenere Diskussion insgesamt zu dem Thema mit konstruktiver Kritik und Hinweisen zum Weiterdenken wäre schön gewesen. So – einfach schade. – M. Böck

 

Dass in der ZEIT das Lesen und das Vorlesen nicht erschwert wird durch Gender-Sternchen oder andere Zeichen mitten in Wörtern, finde ich gut. Damit man nicht immer umständlich feminine und maskuline generische Formen nebeneinander benutzen muss (Leserinnen und Leser), sollte man es machen wie Anna Mayer in ihrem Beitrag über das Grundeinkommen: sie wechselt ab und schreibt mal „Empfängerinnen“ und gleich darauf „Künstlerfreunde“ oder „der Intensivpfleger und die Physiotherapeutin“: beide Formen bezeichnen dann zwar ein grammatisches, aber nicht ein biologisches Geschlecht. Vielen Dank für diesen Usus. – Rolf Zähringer

 

Soso, eine bildungsbürgerliche Klasse will also das BGE einführen, um sich den Problemen der Klasse der Armen und Abgehängten nicht mehr stellen zu müssen. Deren Emanzipation hat vor allem über ihre Arbeit und Arbeitnehmerrechte zu erfolgen. Wie bitte? Moment mal: „Arbeit“ ist einem modernen Verständnis die Summe aus Lohn-, Care- und Gemeinwohlarbeit. Ein BGE nivellierte das Verhältnis dieser drei für alle, und führte damit zu einer nivellierteren, emanzipierteren Gesellschaft, zu der alle viel mehr Kapazität hätten, beizutragen. Es macht mich schon etwas betroffen, wenn ein Mensch unter 30 im Jahr 2022 offenbar immer noch die Ansicht vertritt, dass nur Lohn-(und am besten Vollzeit-?) Arbeit diese Bezeichnung verdient, und der Hauptfaktor gesellschaftlicher Integration ist.

Die ziemlich flachen Vermutungen über das Verhalten von Arbeitgebern, den Kündigungsschutz und so weiter im Falle eines BGE zeugen von wenig Kenntnis, wie das Arbeitsleben tariflich und gesetzlich geregelt und verhandelt ist. Hier liegt m.E. aber eher gar nicht das primäre Problem: an den Billigjobs der Armen gibt es nichts zu beschönigen. Ein BGE könnte ermöglichen, dass unangenehme und anstrengende Jobs gut bezahlt werden, weil niemand die Arbeit für 10 € Stundenlohn nachfragen würde, und dass niemand das in Vollzeit machen müßte. Außerdem hätte sicher kaum ein BGE-Befürworter etwas dagegen, wenn dafür die Grundsicherung (früher: „Hartz IV“, künftig „Bürgergeld“) von allen Bedingungen befreit und Miete und Lebensunterhalt zu einem Betrag kombiniert würden. Das wäre zwar kein BGE für alle (hätten Sie mal recherchiert, in welchen Sozialgesetzbüchern wir uns hier befinden, liebe Autorin), aber schon mal ein Schritt.

Schließlich: mit dem BGE würde auch endlich erreicht, dass nicht nur die Kinder von Unternehmensberatern ein Jahr Weltbürger:innenzeit nehmen könnten, um ihren Horizont zu erweitern, bevor sie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Wer das „Selbstverwirklichungsträume“ nennt, sagt mehr über sich selbst als über die jungen Reisenden. In einem Satz: der ganze Artikel und seine Unterstellungen, welche Bevölkerungsgruppe welche Einstellungen hat, muffeln (sorry!) nach Gewerkschafts-Sprech aus dem 20. Jahrhundert. Unsere Gesellschaft ist schon viel weiter. – Gregor Beck

 

Ich komme selbst aus einer armen Familie und kann die Entfremdung der Arbeiterklasse gegenüber dem gebildeten Establishment gut verstehen. Das bedingungslose Grundeinkommen sehe ich ebenfalls kritisch, wobei ich zugeben muss, mich noch nicht genau damit beschäftigt zu haben. Trotzdem halte ich den Artikel von Frau Mayr für sehr unbefriedigend. Unterm Strich handelt es sich hier nämlich um eine reine Polemik, gespickt mit nicht belegten Unterstellungen gegenüber der besser gestellten Mittelschicht. Es wirkt fast so, als hätte Frau Mayr sich selbst noch nicht mit dem Modell des bedingungslosen Grundeinkommens beschäftigt. Eine vertane Chance, und ein Bärendienst für die Arbeiterklasse. – Nadja Brachvogel

 

Was für ein herrlicher Artikel, ich kann der Autorin Anna Mayr nur zustimmen. Ich erlebe selber zu oft, dass Diskurse jeglicher Art abgekoppelt von den Bedürfnissen der Armen, Bedürftigen und Abseitigen geführt werden. Man könnte sogar sagen, sie sind oftmals ein Hobby derjenigen, die sich den Diskurs aufgrund der sozioökonomischen Privilegien leisten können. Beispielsweise die Karmatheorien der Anthroposophen, die Ideen zur Preisentwicklung bei Lebensmitteln von den GRÜNEN, Fantasien der Freiheit bei den Liberalen oder auch viele Artikel in der von mir sehr geschätzten ZEIT.

Die Frage nach der praktischen Umsetzung/Auswirkung in den Hochhausburgen der sozialen Brennpunkte wird selten gestellt. Wahrscheinlich: weil kaum ein Mitglied der bürgerlichen Boheme auch nur ansatzweise eine Ahnung davon hat, wie die Menschen in den sozialen Brennpunkten leben. Dazu müsste es nämlich erst einmal die Bereitschaft geben, sich wirklich auf diese Menschen einlassen zu wollen. Gelegenheiten dazu gäbe es in Hamburg viele. Ich glaube allerdings nicht, dass es wirklich ein bewusster Eigennutz ist.

Ich will nicht glauben, dass die bürgerliche Boheme wirklich die Dreistigkeit hat, eine Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich anzustreben und dieses von dem körperlich schuftenden und einen Mehrwert generierenden Milieu gegenfinanziert zu lassen. Sie müsste wissen, dass die „Reichen“ sich nicht an der Gegenfinanzierung beteiligen würde und der jeweilige Anteil der verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht mehr dem aus der Feudalzeit entspricht. – Tobias Langer

 

Wieder einmal ein ganz hervorragender Beitrag von Anny Mayr. Ich bin der gleichen Meinung wie die Autorin, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht den wirklich Bedürftigen helfen wird. Auch wenn es mühsam ist, führt einfach kein Weg daran vorbei, sich gezielt mit den tatsächlichen Ursachen von Armut auseinanderzusetzen um dann ggfs. ein entsprechendes Grundeinkommen für die „Armen und Abgehängten“ einzuführen. Können Sie mir bitte erklären, weshalb dieser Beitrag im Feuiletton gelandet ist, das habe ich nicht ganz verstanden? – Joachim Sturm

 

Ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) von 1500,-€ und nicht bloß 1000,-€ erlaubt erstmalig ein einfaches Leben ohne Existenzängste. Mit diesem BGE könnte ein bescheidenes Leben und an einem anderen Ort in der Welt, auch ein privilegiertes Leben geführt werden. Der plötzliche Verlust der bezahlten Arbeit würde uns nicht in Krisen und Ängste stürzen, die zwangsläufig ohne Gönner, durch unsere ewigen monatlichen Schulden, alleine für Wohnen, Nahrung und Energie, den Weg in die Armut ebnet. Durch die Digitalisierung, KI und Roboter werden zwangsläufig die alten Arbeitsplätze jetzt zu Millionen in allen Branchen und Bereiche mehr oder weniger, überall wegfallen. Es wird keine Alternative geben.

Selbst die Arbeitsplätze, die neu dazukommen, werden rar sein, da die Arbeit – in jeder Branche, durch die Digitalisierung ersetzt wird. Massenhafte Armut und Elend wird ohne bezahlte Arbeit (gesichertes Einkommen), in eine Diktatur führen. Womöglich wieder in den Faschismus. Ein BGE ist demzufolge nicht bloß eine Hilfe, sondern der Weg, der uns vor diesem Unheil bewahrt. Mit einem BGE würde der Mensch auch wirkliche Freiheit erfahren. Er müsste nicht bezahlte Bullshit-Arbeit („Zwangsarbeit“) nachgehen, die sich mit seinem Gewissen nicht vereinbaren lässt (Waffenherstellung). Echte Freiheit kann erst möglich werden, wenn wir die monatlichen Schulden, alleine um Leben zu können – also für Wohnen, Nahrung, Energie, kein Geld mehr ranschaffen müssen.

Wir Menschen wurden nicht geboren, um als lebendige Arbeits-Maschine zu funktionieren, wie ein Roboter. Wir sind Wesen der Natur, die die Fähigkeit bekommen haben zu denken, zu lernen, kreativ zu sein, um dadurch Ideen, Innovationen und Erfindungen zum Wohle der Menschheit und Natur zu erschaffen. Der Wohlstand und Fortschritt der Menschheit basiert auf das Denken! Arbeiten sollen Maschinen. Der Mensch soll denken, kreativ sein. Durch denken entsteht der Mehrwert in der Gesellschaft und für das Gemeinwohl. Nur durch das Denken kann der Mensch sich vom Übel befreien. Die Quelle und Wurzel für Wohlstand und Fortschritt wird zuerst durch das Denken möglich.

Erst mit Denken, können und wurden Maschinen und Werkzeuge gebaut, die ein Produkt erschaffen. Denken ist daher das göttliche, was wir Menschen als Geschenk erhalten haben. Arbeiten sollen Maschinen. Denken ist daher die schwerste Arbeit und wird demzufolge gemieden oder gern an Dritte übertragen. Mit einem Grundeinkommen würde Denken erstmalig richtig bezahlt. Mit einem BGE kann aus einer Möglichkeit Wirklichkeit werden, (z.B. eine Idee, Innovation oder Erfindung angehen und umsetzen). Wir hätten mit dem BGE die Zeit zum lesen, denken, zum nachdenken. Ergo, feststellen welche besonderen Fähigkeiten wir haben. Wie könnte sich unser Leben entwickeln. Was würden wir gerne tun und ausprobieren.

Welche Leidenschaft besitzen wir, die wir gerne als Berufung erleben möchten. Wir könnten mit einem BGE unsere Talente ohne Ängste und finanzielle Sorgen realisieren bzw. zumindest testen. Unsere ganze Schöpferkraft in uns, (die Jeder in sich trägt, jedoch meist verschüttet ist), grandios entfalten. Mit Bullshit-Arbeit werden wir oft erpresst. Es ist auch egal, ob wir mit legaler oder illegaler Arbeit Schulden bezahlen. Der Supermarkt fragt nicht danach. Fakt ist, Schulden machen Angst, den Menschen krank und oft sogar kriminell. Unser uraltes von Menschen erdachtes Schuld-Geldsystem ist die Wurzel. Ein BGE wäre ein erster Schritt in eine bessere Welt. Mit einem BGE könnte vor allem das ganze Potenzial der verschüttenden Schöpferkraft in jedem Menschen, mehr oder weniger, erblühen und der ganzen Gesellschaft zu Gute kommen. Es sollte ein angestrebtes Ziel und zumindest für die Kritiker ein Versuch Wert sein.

Erst mit dem Recht auf ein lebenswertes Leben, dass mit einem Grundeinkommen erfüllbar ist, wird auch die Verachtung der Arbeitslosen, der Hartz IV Empfänger, der Sozialhilfe-Bezieher aufhören. Auch das Schein-Argument und die bloße Behauptung, dann arbeitet niemand mehr, ist eine Fata Morgana, eine reine Behauptung, ohne erbrachten Beweis. Schon seit Jahrtausenden wird mit Angst der Mensch gesteuert. Angst blockiert alle Zugänge zu unseren höheren Wahrnehmungen. Viele versinken angesichts von Verlusten und Krisen in Angst und Depression. Mit der Vorbereitung auf ein Paradigmenwechsel, einen Evolutionssprung, müssen die alten Denkstrukturen verlassen werden. An ihrer Stelle wird sich dann neues Denken und Bewusstsein etablieren.

Mit einem BGE für alle Bürger, würden die Armen eine Lebenschance erhalten, ihr Leben selbst zu gestalten. Der Mensch kann selbst Verantwortung für sein Leben übernehmen, welchen Weg er gehen möchte, welche Hilfe hinzuzuziehen ist. Diejenigen, die einen Job haben bzw. weiterhin ihren Job nachgehen, sind dabei privilegiert. So würde man mit zusätzlichen 1500,-€ als bezahlte Pflegekraft oder freier Journalist eine kräftige Gehaltserhöhung haben. Die Gewerkschaften können dieses Angebot nie für ihre Arbeitnehmer erreichen. Gewerkschaften müssten nicht mit Arbeitgeber um ein höheres Gehalt kämpfen. Auch der großartige Kampf der Gewerkschaft seit Jahrhunderten, weniger arbeiten und mehr Geld, wird dann Realität. Sogar Personen, die in der „Hängematte“ liegen, ermöglichen mit einem BGE einen Mehrwert für die Gesellschaft.

Beim ausgeben des Geldes tragen sie dazu bei, dass die Arbeitsplätze der Putzfrau oder Taxifahrer und der Tante Emma-Laden erhalten bleiben. Die freie Entscheidung, erschafft wahre Freiheit und sichert auch die Demokratie. Die nächsten Generationen werden es uns danken. Wir hätten eine positive Geschichte geschrieben und nicht wie üblich gegeneinander aufgehetzt und bekämpft. Neid, eine Todsünde, könnte gestoppt werden. Der Millionär benötigt dieses Geld nicht und würde es bestimmt spenden – Gutes damit tun oder freiwillig verzichten. Immerhin ist es bloß eine Zahl im Computer und damit kein realer Wert. Siehe: https://www.youtube.com/watch?v=n7b8NWwBbiU ARD erklärt Geldschöpfung – W. Vedder

 

Volltreffer. Autsch. – Ingmar Wendland

 

Bei der Diskussion ums Grundeinkommen geht’s letztlich auch um die umfassendere Frage: «Was ist nötig, damit die Menschheit noch lange, gut fortbestehen kann?». Denn etwas in Richtung Grundeinkommen ist notwendig, um folgendes Problem zu lösen: Um die Natur zu schonen und den Klimawandel zu stoppen, muss weniger konsumiert werden. Dadurch und durch den technischen Fortschritt (Automatisierung) gehen Arbeitsplätze verloren. Nun ist aber bisher das Arbeits-Einkommen unerlässlich, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Um diese Abhängigkeit zu reduzieren, muss es einen teilweisen Ersatz für Arbeits-Einkommen geben. Etwas in Richtung Grundeinkommen könnte das sein. Nur müsste eine entsprechende Massnahme mit anderen notwendigen Massnahmen koordiniert werden.

Eine weitere Rechtfertigung für Leistungstransfer (wie Grundeinkommen) ist, dass der Fortschritt weltweit Entwicklungen in Richtung «The Winner takes it All» fördert. Diese Entwicklungen sind ein Grund für die weltweiten ökonomischen Gräben. Diese sind nicht einfach zu beseitigen. Denn die Industrieländer müssen auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig bleiben, um die Mittel zu erhalten für die lokale Versorgung. Welche Folge es hat, wenn dafür nicht genug Mittel vorhanden sind, sieht man in Ländern wie dem Libanon, Venezuela, Nordkorea, Kasachstan, Tunesien, Äthiopien, Sudan, Jemen, Afghanistan, usw.

Leistungstransfer in vielen Formen ist also nötig, angefangen bei den Überweisungen der Migranten bis zu Lebensmittellieferungen durch Hilfswerke. Solche globalen Massnahmen sind bezüglich Notwendigkeit und Rechtfertigung vergleichbar mit lokalen Massnahmen (wie Harz 4 oder Grundeinkommen). Die Mittel dafür müssen auch durch Einschränkungen der Industrieländer verfügbar gemacht werden. Besonders wichtig ist dabei jedoch, dass die demographischen Probleme der Empfänger gelöst werden-

Das Problem, das durch etwas Ähnliches wie Grundeinkommen gelöst werden muss, lässt sich an folgenden logisch zusammenhängenden Fakten zeigen: In der Schweiz werden pro Person und Jahr 60 Kleidungsstücke gekauft (kam kürzlich im Radio). Umgekehrt türmen sich an den Stränden afrikanischer Staaten Müllberge aus nicht verkäuflichen Altkleidern (kam kürzlich in einer TV-Sendung). Andererseits wurde durch zu hohen Wasserverbrauch für die Baumwoll-Produktion der Aral-See (einst 127 mal grösser als der Bodensee) weitgehend zur Salzwüste. Es ist dann auch wieder Baumwolle, die auf den genannten Müllbergen landet.

Eine Lösung wäre: man verzichtet in den Industrieländern auf unnötige Kleiderkäufe und finanziert stattdessen den Arbeitern der Baumwollproduktion etwas in Richtung Grundeinkommen. Mit einem Teil des Geldes könnte man auch Reisen an den wiedererstandenen Aral-See subventionieren. Das Beispiel ist konstruiert, aber es zeigt die prinzipiellen Zusammenhänge und nötigen Vorgangsweise. Weltweit gesehen lässt sich allerdings nicht vermeiden, zusätzlich Lösungen für das demographische Problem zu realisieren. Das gilt nicht nur für die oben erwähnten 9 Staaten. Denn das Problem der ökonomischen Gräben lässt sich nicht allein durch Leistungstransfer lösen. Es muss auch verhindert werden, dass etwas Ähnliches wie Grundeinkommen die demographische Eigenverantwortung reduziert.

Der Artikel von Anna Mayr hat teilweise klassenkämpferische Passagen. Teils zu Recht. Doch Gehaltsunterschiede sind bis zu einem gewissen Grad gerechtfertigt. Denn es gibt anspruchsvolle Aufgaben, die nicht auf mehrere Personen verteilt werden können. Dies gilt insbesondere auch für wissenschaftliche Aufgaben, etwa auch zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt. Ein Ausgleich für zeitweise hohe Arbeitsbelastung wäre die Reduktion der Lebensarbeitszeit und warum dann nicht mit 1000 € um die Welt? – Dr. Gernot Gwehenberger

 

Vielen Dank für dieses überfällige Statement. – Claudia Wagner

 

Es gibt gute Gründe, wütend zu sein über die Ungerechtigkeit unserer Gesellschaft: Eine Wirtschaftspolitik, die die Entstehung von absurdem Reichtum und extremer Armut fördert, eine Steuerpolitik, die diese Spaltung eher fördert, eine Bildungspolitik, die Ungleichheit bewahrt, eine Sozialpolitik, die Armut bestenfalls verwaltet und eine Öffentlichkeit, die Armut und Arbeitslosigkeit lediglich mit bedauerndem Schulterzucken zur Kenntnis nimmt. Aber gibt es keinen besseren Ausdruck für die Wut, als gegen die „Boheme-Bourgeoisie-Mittelschicht“ und all die „Linken“, „Petitionsunterzeichner“ und „Weltverbesserinnen“ zu polemisieren? Und was hat alles das, was die Autorin ins Feld führt, eigentlich mit dem Thema des bedingungslosen Grundeinkommens zu tun? Eine derart absurde Aneinanderreihung von beliebigen Vorurteilen unter ein selbstgewähltes Thema kennt man sonst lediglich von „Comedy“ á la Dieter Nuhr:

Weder besonders witzig noch besonders klug. Wie hat es ein solcher Artikel ins Feuilleton der ZEIT geschafft? In der Tat, die Diskussion variantenreich und treibt oft wilde Blüten. Und es gibt schon gar nicht ein durchgängiges Konzept zu Grundeinkommen, Bürgergeld, Negativsteuer oder welche Bezeichnungen noch verwendet werden. Ich weiß allerdings nicht, warum es „absurd“ sein soll, dass sich die Linkspartei in Weimar im Rahmen einer Zukunftswerkstatt oder die evangelische Erwachsenenbildung an einem Diskussionsabend mit dem Thema befasst – hätten die sich dazu lieber auch im Feuilleton äußern sollen?

Dabei geht es hier doch um ein äußerst diskussionswürdiges Thema, nämlich den Versuch, in Ergänzung zum Steuer- und Sozialsystem ein Instrument zu schaffen, das materielle Armut verhindert und ein wenig mehr Gerechtigkeit schafft. Unsere Verfassung gesteht jedem Bürger ein menschenwürdiges Leben zu und der Staat unternimmt einiges, um Armut und deren Folgen zu bekämpfen. Angefangen mit dem steuerfreien Existenzminimum im Steuerrecht über die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Grundsicherung, Kindergeld und Ausbildungsförderung bis hin zu massiven Zuschüssen des Staates zu Rente, Arbeitslosenversicherung und Krankenkassen besteht hier ein komplexes System, das eins jedoch nicht leistet: Armut zu verhindern.

Das ist vielmehr – und hier zeigt sich dann doch die marktliberale Ausrichtung dieses ganzen Systems – die Aufgabe jedes Einzelnen. Durch gute Bildung, Fleiß und vorausschauendes Wirtschaften ist es in die Hand des Individuums gelegt, sich selbst vor Armut zu schützen und ausschließlich diejenigen, die das nicht schaffen, dürfen Hilfe des Staates beantragen. Nur wer trotz der massiven sozialen Schere bei den Bildungs- und Aufstiegschancen, der Benachteiligung von Familien mit Kindern und Alleinerziehenden, der „Vererbbarkeit“ von Arbeitslosigkeit und Armut und der strukturellen Altersarmut (vor allem von Frauen) meint, dieses System funktioniere, braucht sich nicht mit Alternativen zu Hartz IV und Grundsicherung zu befassen.

Das bedingungslose Grundeinkommen ist keine unrealistische Utopie, sondern wäre (endlich einmal) eine politische Vision. Seine Einführung hätte ganz bestimmt weitreichende Folgen auf alle Bereiche staatlichen Handelns. Das Für und Wider muss breit und intensiv diskutiert werden: Welche Folgen hätte das für den Arbeitsmarkt und die Lohnentwicklung, welche Folgen für die Arbeits- und Armutsmigration? Sollen auch Kinder dieses Grundeinkommen in voller Höhe bekommen, sogar auch im Ausland? Welche Folgen hätte das für die subsidiären Grundsätze unseres Sozialsystems, die Eigenhilfe vor Staatshilfe stellen? Wie gehen wir dann, wenn das Grundeinkommen materielle Armut verhindert, mit sozialer Armut und Ausgrenzung um?

Und wollen wir diese Gelegenheit nicht auch nutzen, um neben der Armut auch das Problem des Reichtums anzugehen? Das Grundeinkommen müsste Schritt für Schritt im Laufe von mehreren Generationen umgesetzt werden, denn die heute neu Geborenen werden beispielsweise nur noch Vorsorge für eine Alterssicherung über die Grundsicherung hinaus leisten müssen. Und über diese Zeit (die Zeit eines ganzen Lebens) werden wir noch ein soziales Sicherungssystem brauchen, dass möglichst besser ist als das heutige und ein Steuersystem, das mehr Gerechtigkeit schafft. Daran muss selbstverständlich weitergearbeitet, sprich reformiert werden. Die Autorin hält offensichtlich ihre eigene Betroffenheit und blinde Polemik für ein überzeugendes Argument – wofür eigentlich?

Ich bin weder Lehrer noch Unternehmensberater, aber als „Linker“ werde ich von Anna Mayr direkt – naja – angesprochen. Ich kann versichern, dass ich mich in meinem bisherigen Leben vor mehr reichen Menschen als vor Armen geekelt habe. Ich gebe jedoch zu, dass ich nicht nur „sozial benachteiligten“, sondern allen Kindern gönne, nach der Schulzeit in die Welt zu reisen und andere Perspektiven kennen zu lernen. Und es täte unserem Gemeinwesen gut, wenn mehr Menschen als bisher sich unabhängig von materieller Not um soziale Belange kümmern oder Kunst und Kultur bereichern könnten. Dies könnte neben der Verhinderung von Armut ein kleiner, aber nicht unbedeutender Nebeneffekt eines Grundeinkommens sein. Ich hoffe, dass die ZEIT einmal die Gelegenheit findet, das ganze Thema ernsthaft und ohne Polemik zu beleuchten. – Uwe Sponnagel

 

Der Autorin Frau Anna Mayr hat sich vorbildlich mit deutlichen Worten und couragiert geäußert zu den mit der vermeintlich „edlen Idee“ verbundenen Problemen, angefangen von der Finanzierung bis hin zu den höchst unerwünschten Auswirkungen. Oberflächlichkeit in Bezug auf Finanzierung ist freilich ein „allgemeiner Brauch“: die Renten sollen stabil bleiben, aber selbstverständlich auch die Rentenbeiträge; Kranken- und Altenpfleger sollen besser entlohnt werden, aber ohne Anhebung der Kranken- und Pflegebeiträge, usw. usw.

Beliebt ist die Forderung, „die Reichen“ sollten alles bezahlen – so als ob sie irgendwo in Deutschland wie Dagobert Duck in ihren Geldspeichern badeten . . . Das Anlagevermögen könnte freiich verstaatlicht werden . . . Moment mal, hatten wir das in (Ost-)Deutschland nicht schon einmal? Frau Mayr trifft den Nagel auf den Kopf: es würde allein den „gehobenen Mittelstand“ treffen und den wirklich Bedürftigen nichts nutzen. – Friedrich Schweikert

 

In dem Artikel von Frau Mayr sind mehrere falsche oder diffamierende Aussagen: Schon in der Überschrift: „Wem würde das bedingungslose Grundeinkommen nutzen? Nicht den Armen und Abgehängten, sondern vor allem den Selbstverwirklichungsträumen der bürgerlichen Boheme. und dann: 1.dass in einer Welt mit Grundeinkommen viel Arbeit liegen bleiben würde, weil sich niemand fände, der sie erledigt. 2. dass die meisten Linken die Armen und ihre Belange von Grund auf abstoßend finden. 3. Sie wollen das Grundeinkommen nicht für Hartz-IV-Empfängerinnen, sonder für ihre Künstlerfreunde.

4. Sie wollen, dass ihre Söhne und Töchter nach dem Abitur ein Jahr nach Südamerika reisen können, ohne dass es Stress mit der Kindergeldkasse gibt. 5. Diese Leute ekeln sich vor den armen Kindern, denn die stinken und sagen Schimpfworte. 6. u.a.m. Meine Meinung: Ein bedingungsloses Grundeinkommen von mindestens € 1600.- pro Person und mindestens E 800.- pro Kind, wie es auch in der Schweiz, in Finnland und Kanada diskutiert wird. Damit würde die Ungerechtigkeit den kinderreichen Familien gegenüber beseitigt, welche über die Mehrwertsteuer dem Staat das Mehrfache von dem geben müssen, was sie als „milde Gabe“ vom Staat erhalten. Kindern wäre eine längere Ausbildungszeit geboten.

Nach Aussage der Frauenärzte würde die Zahl der Schwangerschaften deutlich zunehmen. Dies bedeutet auch: Weg von der Erwerbsarbeit (diese kann in vielen Bereichen besser von Automaten vollbracht werden), hin zu sozialen Tätigkeiten! Mobbing, Dysstress, Überforderung, permanente Verfügbarkeit, reaktive Depressionen, Burnout u.a.m. können vergessen werden. – Dr. E. Bonnet

 

Wie konnte es nur ein solches Sammelsurium an krudem Verschwörungsunsinn in die Zeit schaffen? – Claus Schüßler

 

…. dass die MEISTEN Linken die Armen und ihre Belange von Grund auf abstoßend finden…. usw. In den 50 Jahren meines Zeitabos habe ich keinen solchen dümmlich diskriminierenden, unausgegorenen Artikel gelesen. Man kann zu dem Thema durchaus geteilter Meinung sein, von „meiner“ ZEITung allerdings erwarte ich eine ernsthafte Auseinandersetzung und keinen plumpen Krawalljurnalismus. – G. Achour

 

Es freut mich, das Leserbriefjahr mit einen dicken Dank begonnen zu können. Der Artikel ist sehr gut und v.a. sehr nötig. Frau Mayr deckt auf, was in der allgemeinen Diskussion total untergeht, nämlich die Frage, ob die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens irgendjemand wirklich nützt.

Kritik an der Idee muss die Fragen aufgreifen: wer würde profitieren, ist es armutsfest, funktioniert es überhaupt, welche Umbauten am Sozialstaat wären nötig, schließlich gibt es längst soziale Sicherungssysteme.

Die soziale Sicherung könnte in Deutschland zielsicherer und weniger bürokratisch werden – dieser Kampf würde die viele Publizität eher rechtfertigen. Es wird immer etwas besseres gesucht, als schon vorhanden ist. Ein wichtiger Impuls, er setzt aber Sachkompetenz voraus, die bei den Protagonisten der Idee erkennbar fehlt.

Nach über 40 Jahren im Sozialbereich incl. einschlägiger Studien bin ich überzeugt, dass v.a. die Frage nach den emotionalen Gründen und Reaktionen zu wenig beleuchtet ist. Die Hartz IV-Debatte hat gezeigt, dass es überwiegend Menschen wieder in Arbeit drängt, dass aber auch viele mit „Stütze“ eher ins soziale Abseits geraten. Die eigene Leistung stabilisiert oft stärker als die wirtschaftlichen Ergebnisse. – Jürgen Kunze

 

Ein mutiger Bericht, der die Lebenswirklichkeit darstellt. Frau Anna Mayr zeigt auf, wo hin das führt und wer u.a. Nutznießer eines bedingungslosen Grundeinkommens wäre. Der Eigennutz zahlreicher Petitenten ist mit den Händen greifbar. Schon Karl Marx hat vor 150 Jahren erkannt, dass das kostenlose Studium in erster Linie der Bourgeoisie nutzt, und es deshalb abgelehnt. – Hubertus Fehring

 

Wenn Anna Mayr Gegner des bedingungslosen Grundeinkommens mit Ertränken von Katzenbabys und Obdachlose anzünden in Verbindung bringt, ist das schlicht geschmacklos. Aber sie kann ja noch daran arbeiten. Nun zum Artikel Ich schätze im Allgemeinen an Artikeln der ZEIT, dass sie zunächst einmal wertfrei die Positionen darstellt, bevor man an die kritische Auseinandersetzung geht. Nicht so Frau Mayr. Sie nimmt sofort als Gegenposition zu den Bedürfnissen von Armen und Abseitigen die Empfänger des Grundeinkommens, die aufgrund ihres normalen Einkommens nicht darauf angewiesen sind. Sie würden dieses Geld einsetzen um ihre verwöhnten Kindern noch mehr Luxus zukommen zu lassen.

Sie erwähnt zwar das Buch von Götz Werner: Einkommen für alle. Aber gelesen hat sie es vermutlich nicht. Damit ist ihr entgangen: das Grundeinkommen dient den Empfängern, dass sie ihre Ideen entwickeln können, ohne sich Sorgen um das tägliche Brot machen zu müssen. In dem Buch wird die Finanzierung über Konsumsteuern (Umsatzsteuer) statt der Einkommensteuern und Unternehmenssteuern beschrieben. Die Letzteren werden über die Preise weitergegeben. Hartz IV hat nur die Aufgabe, die Menschen möglichst schnell in die Erwerbsarbeit zu bringen, unter Umständen auch mit Zwang.

Wohlgemerkt: nicht eine Arbeit anzunehmen, für die sie qualifiziert sind. In der sie einen Sinn sehen. Die ihnen am Ende sogar Spaß macht. Sie sollen jede angebotene Arbeit annehmen. In letzter Konsequenz ist das Zwangsarbeit. Das ist nicht im Sinne des Grundgesetzes. Das Recht auf Freiheit beinhaltet sehr wesentlich das Recht, nein zu sagen. Die Freiheit, zur Erwerbsarbeit nein zu sagen, hat aber nur der, dessen Existenzminimum gesichert ist. – Axel Klette

 

ich wünsche Ihnen viel Gesundheit und vor allem weiter viel klugen, sachlichen und kritischen Journalismus ! Die Beiträge von Anna Mayr, Navid Kermani und Eva Menasse habe ich durch Zufall direkt hintereinander gelesen. Bei aller unterschiedlichen Thematik wird das gleiche Anliegen vertreten: Die Grundwerte einer Gesellschaft, die nur funktionieren kann, wenn sie sozial, tolerant und demokratisch ist. Dafür danke !

Diese Artikel wären wichtige Lektüre für die „bürgerliche Boheme“, die „Lifestyle-Linken“, Toleranzintolerante, die den akademischen Alltag mit der Neuschöpfung „geschlechtergerechter“ Worte verbringen, Ihre Ernährungsgewohnheiten und geschlechtliche Zuordnungen zum Inbegriff gesellschaftlichen Fortschritts machen und die Menschen, die Identitätspolitik als demokratiegefährdend ansehen, ganz schnell in die rechte Schmuddelecke schieben. – Michael Kluge

 

Ich weiß ja nicht, welche armen Menschen Anna Mayr kennt – ihr Artikel legt für mich die Vermutung nahe, dass sie gar keine kennt. Den armen Menschen in meinem Bekanntenkreis wären jedenfalls 1.000 Euro monatlich lieber wie eine ‚Debatte darüber, den Hartz IV-Begriff umzudeuten‘, was Frau Mayr für erstrebenswerter hält.

Der monatliche Tausender, dessen Bezug nicht von einer entwürdigenden Bedürftigkeitsprüfung abhängt (die übrigens auch für diejenigen eine Belastung ist, die sie durchführen) bedeutet erstens Anerkennung dessen, dass man als Mensch etwas wert ist, auch wenn einen die Wirtschaft gerade einmal nicht profitabel gebrauchen kann und sorgt zumindest ein Stück weit für finanzielle Unabhängigkeit, sodass man als armer Mensch nicht jeden Job zu all denen Konditionen annehmen muss, die den Arbeitgebern für die Profitabilität ihres Geschäft vorschweben.

‚Absurd‘ findet die Autorin den Diskurs über das bedingungslose Grundeinkommen, ohne ein Argument dafür zu nennen. Allein schon dass darüber diskutiert reicht für den Vorwurf der Absurdität aus. Dabei ist gerade das das zu lösende Problem: Wie finanziert und gestaltet man Maßnahmen, die dafür sorgen, dass viele arme Menschen zumindest aus den allergrößten Sorgen raus sind. Dazu äußert sich Frau Mayr im Artikel nicht. – Roland Brunner

 

Grundeinkommen, eine Zukunftssicherung. Frau Mayr hängt der alten Ideologie nach „Wer nicht arbeitet soll auch nicht essen“. Sie versteht nicht, dass die Freiheit des Menschen erst dann anfängt, wenn er aus dem Zwang entlassen wurde, eine – und sei sie noch so geisttötend – Arbeit annehmen zu müssen, um Leben zu können. Sie kann sich nicht vorstellen, dass Menschen überwiegend tätig sein wollen, jedoch mit Inhalten, an denen sie Interesse haben.

Und das können je nach Möglichkeit ganz unterschiedliche Tätigkeiten sein. Auch einfachste Arbeit wird dann übernommen, wenn sie angemessen bezahlt wird, da das Entgelt nicht auf das Grundeinkommen angerechnet wird. Auch das Thema Mindestlohn erübrigt sich dann. Mit dem Grundeinkommen entfällt auch der Großteil aller heute im Sozialsystem Beschäftigten, die ja keine wertschöpfende Arbeit leisten und in den Kontrollsystemen den Menschen schon dadurch entwürdigen, dass sie auf Betrug überprüfen. Dass die Gewerkschaften und Linken hier skeptisch sind, erklärt sich dadurch, dass ihr Hauptthema Lebenssicherung entfällt. Nicht die bürgerliche Boheme würde gestärkt sondern die Würde des Menschen bekommt endlich die Basis, die sie gewährleistet.

Dass wir in Zukunft weniger Arbeitsplätze bei gleichen oder höheren Volkseinkommen haben werden liegt an am Vordringen der KI, und diese ist nicht mit der Erfindung der Dampfmaschine vergleichbar. Sie automatisiert nicht nur Produktionsprozesse, sondern ersetzt nahezu alle Tätigkeiten (menschenbetreuende Sozialtätigkeiten ausgenommen). Das heißt, wir müssen ohnehin den Gesellschaftsprozess umstellen, da von Steuern auf Arbeit die Volkswirtschaft finanziell nicht mehr getragen werden kann. Die menschliche Arbeit wird ihre dominante Rolle im gesellschaftlichen Prozess verlieren. Und finanziert werden könnte das Grundeinkommen allein durch eine geringfügige Steuer auf Finanztransaktionen, die vor allem die daran verdienenden Fonds und kapitalstarke Firmen und Personen treffen und kaum die Mittelschicht. – Wolfgang Clausmeyer

 

Vielen herzlichen Dank für Ihren Artikel über das Grundeinkommen. Wenn ich an das Grundeinkommen denke, habe ich sofort Künster*innen und Aktivist*innen im Kopf, die so viele Sorgen weniger hätten, hätten sie einfach 1200 Euro im Monat auf dem Konto. Einfach so. Hinzu kommen die Menschen (ich könnte das Wort Menschen auch durch das Wort „Frauen“ ersetzen), die jahrelang unbezahlte Arbeit in Kindererziehung und Pflege von Angehörigen leisten. Ich selbst war 8 Jahre nicht im klassischen Sinne erwerbstätig, sondern habe beide Kinder bis zur Einschulung 24 Stunden am Tag zu Hause betreut und war nebenbei im Klimaaktivismus tätig. Ich hatte nie Urlaub und kein einziges freies Wochenende.

Ich habe 8 Jahre keine einzige Nacht durchgeschlafen, weil meine Tochter nachts alle 2 Stunden schreiend aufgewacht ist und mein Sohn unter einen schweren Neurodermitis litt, die uns die Nächte raubte. Als mein Mann einen Bandscheibenvorfall erlitt, habe ich ihn mitbetreut und mitgepflegt. Er konnte 6 Monate nicht aufstehen. Geld ist eine Art der Wertschätzung. Mein Mann hat Krankengeld bekommen, meine Kinder Kindergeld und ich – nichts. Nach zwei Jahren Elterngeld hat man bitte wieder im Job zu sein und wenn nicht, dann hat man irgendwas verkehrt gemacht. Ich habe nach 10 Jahren meine Ehe beendet, weil ich endlich wieder ein Mensch mit gleichen Rechten sein wollte. Im Nachgang durfte ich mir von meinem Mann beim Notar anhören, er habe mich 10 Jahre lang durchgefüttert.

Ich bin immer noch fassungslos über diese Worte. Für mich wäre es eine Anerkennung meiner Arbeit gewesen, wenn der Staat (und damit der gesellschaftliche Konsens) Kindererziehung, Pflegearbeit und Klimaaktivismus honorieren würde. Ich denke, die Debatte ist insgesamt zu kurz gefasst. Es ist richtig, dass Hartz 4 komplett entwürdigend ist und daran muss sich dringend etwas ändern. Gleichzeitig brauchen wir für all die Menschen, die ihr Leben für den Klimaschutz und/oder für ihre Kinder aufopfern, eine angemessene Bezahlung und gesellschaftliche Wertschätzung. Es kann nicht sein, dass Alleinerziehende immer noch die am stärksten von Armut betroffenste Gruppe sind. Und 88% der Alleinerziehenden in Deutschland sind Frauen. Kinder und Klimaschutz – das ist unsere Zukunft – wie gehen wir damit um?

Was ich verstörend finde, ist der verengte Blick auf den Mindestlohn und der Umgang mit Armut. Dabei müssen wir selbst hinterfragen: wie definieren wir „Armut“ und was heißt es „arm“ zu sein? Für mich klingt die Diskussion zu Mindestlöhnen meist wie um ein Wettlauf mit Konsum. Der Gedanke dahinter ist stets: höhere Mindestlöhne, steigender Konsum. Damit verdrängen wir die eigentlichen Probleme: Chancengleichheit, freier Zugang zu Bildung und Wohnungsnot. Höhere Mindestlöhne werden das nicht lösen. Was wir verdrängen, wenn wir an unsere planetaren Grenzen denken, sind keine steigenden Löhne, sondern massiv sinkende Löhne, sinkender Wohlstand und ein Ende des Konsumrausches.

Wir haben die ganze Debatte völlig auf den Kopf gestellt. Das reichste 1% dieser Erde ist für bis zu 70% der CO2 Emissionen verantwortlich. (https://eur06.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fkontrast.at%2Fco2-ausstoss-verursacher%2F&data=04%7C01%7Cleserbriefe%40zeit.de%7C0a320e0071464ebfb5a808d9d5b8bb31%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C0%7C0%7C637775811669128141%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C2000&sdata=74UfkwrnmlVz4Lhpw1xYNDlk4k3aoMZ2BtTqOUEgog4%3D&reserved=0)

Es ist also völlig egal, wie viel Salat wir essen, wie viel Fahrrad wir fahren und wie oft wir in den Urlaub fliegen, solange die oberen 10 Prozent so weitermachen wie bisher. DAS ist das Problem. Wir brauchen eine sehr einschneidende Reichtumsgrenze und eine Vermögenssteuer, damit stellen wir die Diskussion wieder vom Kopf auf die Füße. Da traut sich aber keiner ran an das Thema, weil wir dadurch das Framing der Leistungsgesellschaft zerstören, in der wir de facto schon lange nicht mehr leben: 4 von 5 Menschen haben ihr Vermögen durch ein Erbe erhalten.

https://eur06.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.sueddeutsche.de%2Fwirtschaft%2Fmarlene-engelhorn-erbe-oesterreich-tax-me-now-1.5494716&data=04%7C01%7Cleserbriefe%40zeit.de%7C0a320e0071464ebfb5a808d9d5b8bb31%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C0%7C0%7C637775811669128141%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C2000&sdata=EEQk2706fWn3JoYYu69SFBs4lVU%2BT9MfvNeoyuZy8As%3D&reserved=0Marianne Steinmeyer

 

Ich scheine in einer anderen Blase zu leben als die Autorin. Das bedingungslose Grundeinkommen war für mich schon mindestens so tot wie es der Dodo in 1000 Jahren sein wird. Zugegebenermaßen ist die Dudweiler Aktionswoche vollständig an mir vorbeigegangen… Auch abseits dieses speziellen Themas erstaunt mich Frau Mayr immer wieder. Sie neidet Lehrerfamilien und ihren Künstlerfreunden den Lebensstil der Boheme und fordert mehr Anstrengung, sich wirklich in die Armen hineinzudenken. So weit, so gut, nichts anderes hätte man erwartet. Ich würde Frau Mayrs Artikel inzwischen auch ohne die Nennung ihres Namens erkennen. Die gerade noch latente Aggression gegen die Mittelklasse, die selbsteingestandene, hilflose Polemik und die Abwesenheit dessen, was Frau Merkel die Fröhlichkeit im Herzen nannte, sind untrügliche Kennzeichen.

Dass sie aber die besonders Reichen mir-nichts-dir-nichts aus der Solidargemeinschaft entlässt, weil die es ja „immer schaffen, weniger Steuern zu zahlen, als sie müssen“, ist eine handfeste Überraschung. Ich musste es fast zweimal lesen. Wenn es sich hier irgendjemand zu leicht macht, dann nicht die der Autorin verhasste „Bourgeois-Boheme-Mittelschicht“, deren Einkommen zumindest zu einem Gutteil noch in einem annehmbaren Verhältnis zu ihrer Leistung steht, sondern die Autorin selbst. – Dr. Christian Voll

 

Die o.g. Artikel fand ich wieder faszinierend, originell, und vieles sprach mir sehr aus dem Herzen. So beleuchtet der erste ja mit sehr berechtigter sarkastischer Ironie die ganze Absurdität des gegenwärtigen Verhaltens der allermeisten Politiker und Menschen weltweit. Alle wissen ja oder könnten es bei ausreichendem Interesse wissen, was falsch läuft und welche Faktoren die drohende Katastrophe verursachen, ohne entsprechende und ausreichende Konsequenzen zu ziehen. Immer wieder ist irgendetwas anderes dringender oder wichtiger.

So bleibt wahrscheinlich nur die absurde Hoffnung, falls nicht die Menschheit — auch durch dieses Projekt — endlich ausreichend ins Nachdenken kommt, dass eine künftige Zivilisation, sei es aus Aliens oder auf der Erde neu entstanden, aus unseren Fehlern lernen kann, falls die denn lernfähiger sind als wir. Dieser Artikel hat mich inspiriert, zu einem ohnehin geplanten Gedicht noch einige Zeilen hinzu zu fügen (s. Anhang).

Auch der 2. Artikel sticht angenehm aus der üblichen Argumentation zum Thema hervor mit seiner Ironie, seinen ungewohnten Sichtweisen und Schlussfolgerungen. „Das Leben als Floskel“ ist originell und sympathisch, selbstironisch offen und letztlich ein Stück weise, philosophisch einsichtig mit der Quintessenz, dass wir letztlich nicht alle Risiken und Nachteile gleichzeitig vermeiden können und eine best mögliche Balance suchen müssen zwischen dem einen und dem anderen Übel oder Risiko, der einen oder anderen Übertreibungsgefahr. – Peter Selmke

 

Vielen Dank für Ihren Artikel zum bedingungslosen Grundeinkommen in der Ausgabe vom 05.01.2022. Ich freue mich, dass es dieses Thema jetzt sogar bis ins Feuilleton der ZEIT geschafft hat. Da ich mich schon seit vielen Jahren mit dem Thema beschäftige und mittlerweile auch unverrückbarer Verfechter dieses Konzepts bin interessieren mich natürlich auch gegenläufige Meinungen und Argumente.

Als regelmäßiger ZEIT-Leser habe ich schon einiges von Ihnen gelesen und Sie auch in Talkshows gesehen. Und auch wenn wir in der Einschätzung des BGE unterschiedliche Positionen vertreten, so haben wir doch in vielen gesellschafts- und sozialpolitischen Fragen große Schnittmengen. Sie bleiben eine von mir sehr geschätzte Journalistin und es wird jetzt im Folgenden nicht auf irgendeine Weise unfreundlich oder gar pampig.

Es gibt für das Projekt eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Modelle und das Ganze ist fraglos auf sehr vielen Ebenen ein ziemlich dickes Brett verschiedener hochkomplexer fiskalischer und gesellschaftlicher Vorgänge und Überlegungen. Auch die Frage, ob es nach Ausleuchtung aller Aspekte in seiner Endausgestaltung wirklich vollständig bedingungslos sein kann muss man mal dahingestellt sein lassen. Es geht mir wie vielen anderen, die dieses Thema seriös und auch realistisch betrachten eher darum, in Stufen einen Weg zu finden, der uns dorthin führen kann. Im Rahmen einer Revolution kann man so etwas nicht umsetzen. Und natürlich wäre mir das Ganze auch in einem EU-Kontext lieber als nationale Alleingänge.

Gewundert habe ich mich schon an einigen Stellen Ihres Artikels und an manchen war ich auch etwas irritiert. Vor allem, weil ich am Ende gar nicht wusste, worauf Sie nun eigentlich hinaus wollen. Eigentlich wollen Sie ja ein BGE – wie ich Ihnen mal keck unterstelle – aber es soll halt bloß „Menschenwürdiges soziales Sicherungssystem“ heissen. Das klingt sicher nicht fanzy und „bedingungsloses Grundeinkommen“ ist auch nicht recht viel besser. Wir Deutschen lieben eine sperrige Sprache. Das brauchen wir zum Glücklichsein. In den USA nennt man das Projekt „Freiheitsdividende“. Von Marketing verstehen die eben was!

Gehen wir es mal chronologisch durch. „Mit 1000 Euro um die Welt?“ Nein, nicht ganz. Der Betrag müsste schon im Mindestmaß etwas über dem Existenzminimum und auch über dem Hartz4 – Niveau liegen. Miete und Hartz4 – Satz in Addition liegen praktisch nie über 1200,- €. Deshalb ist das momentan auch der meistdiskutierte Betrag. Für Kinder gibt es nach Altersgruppen abgestufte Summen, aber das muss ja dann letztenendes ohnehin das politische Entscheidungsgremium festlegen.

Sie schreiben: „Das bedingungslose Grundeinkommen nutzt nicht den Armen und Abgehängten sondern vor allem den Selbstverwirklichungsträumen der bürgerlichen Boheme.“ Ich weiss nicht, welche Selbstverwirklichungsträume Sie haben, meine würden jedenfalls deutlich mehr als 1200 Euro im Monat kosten. Sie suggerieren mit der Aussage, dass da irgendwo in München-Schwabing oder Berlin-Charlottenburg reihenweise bürgerliche Bohemians in schicken Jugendstilwohnungen residieren und sich mit einem Grundeinkommen ein schönes Leben machen. Das ist nun wirklich ein bisschen schräg. 99 Prozent dieser Leute führen ein Leben, das sie niemals mit einem Grundeinkommen finanzieren könnten. Es heisst auch deshalb Grundeinkommen, weil es nur die Grundbedürfnisse eines Menschen anständig und auskömmlich abdecken soll. Für alles andere kann ein Sozialstaat egal in welcher Ausgestaltung nie tätig sein.

Ich glaube auch nicht, dass Sie Katzenbabys ertränken oder Obdachlose anzünden würden. Und nein, das BGE wäre mitnichten die Lösung aller sozialpolitischen Probleme. Es gibt bei hochkomplexen sozialpolitischen Fragen nie eine allumfassende Lösung. Mit wem sprechen Sie da nur? Selbstverständlich wird es auch mit einem BGE Menschen geben, die aufgrund besonderer Umstände, wie beispielsweise Erkrankung und Behinderung, Angehörigenpflege etc. einen erhöhten Aufwand haben und somit auch gesondert betrachtet werden müssen.

Auch werden nicht 1 Million Obdachlose innerhalb der ersten 4 Wochen in eine schicke Wohnung einziehen. Die Sozialpolitik und die Gewerkschaften stehen auch mit BGE in der Verpflichtung für faire Löhne und Arbeitsbedigungen zu kämpfen. Und den Sozialarbeitern wird die Arbeit auch nicht ausgehen. Richtig ist aber, dass die derzeit bestehende Arbeitslosen- und Rentenversicherung auf ein zumindest weitgehend aufkommensneutrales steuerfinanziertes System umgestellt wird und in Ihrer derzeitigen Form enden muss. Man kann ja diese Dinge nicht parallel zueinander laufen lassen.

In Gesprächen stelle ich häufig fest, dass die Informationen über das BGE bei sehr vielen noch äußerst lückenhaft sind. Da herrscht häufig die fast kindliche Vorstellung, dass wir jedes Jahr irgendwie 1 Billion Euro von den Bäumen runterschütteln und sie dann verteilen. Da müssen wir noch viel erklären, bis der oder die Letzte verstanden haben wird, dass es sich beim BGE nicht um ein zusätzliches sondern um ein grundsätzliches Einkommen handelt. Die allermeisten werden kein BGE bekommen. Und sie wollen auch gar keins, weil sie mit nur 1200 Euro drastisch von ihrem Lebensstandard runter müssten. Dafür bekommen alle 80 Millionen etwas anderes.

Die Gewissheit, wenn es doch mal hart auf hart kommt niemals als Bittsteller*in in in einer Behörde vorstellig werden zu müssen und das gesamte Leben vor wildfremden Menschen ausbreiten zu müssen. Nennen Sie mich gerne Idealist, aber wenn es sich dafür nicht lohnt zu kämpfen weiss ich nicht mehr wofür es sich lohnen sollte. Sie schreiben, all die Aktivisten sollten doch mal das Ziel verfolgen, Hartz4 zu verbessern. Abschaffung der Sanktionen, Sätze erhöhen und Formulierungen in Briefen weniger gruselig klingen lassen. Prima, dann hätten wir ja genau das bedingungslose Grundeinkommen. Sanktionen resultieren aus der Nichterfüllung von Bedingungen.

Ohne Sanktionen gibts logischerweise auch kein Bedingungen. Und Briefe schreibt dann auch keiner mehr. Was sollte da drin stehen? Wenn sie am Donnerstag nachmittag Zeit und Lust haben – schauen sie doch mal bei uns vorbei? Der Gründer der dm-Drogeriemarktkette Götz Werner hat Hartz4 mal als offenen Strafvollzug in gesellschaftlicher Isolation bezeichnet. Und auch wenn ich das Finanzierungskonzept von Herrn Werner nicht unterstütze so muss ich doch zugeben, besser hat noch niemand den Nagel auf den Kopf getroffen.

Allein dieser Begriff fühlt sich nicht wie von Ihnen beschrieben an wie ein Schimpfwort – er ist ein Schimpfwort. Und zwar das so ziemlich schlimmste seit dem 2. Weltkrieg. Alles was auch nur irgendwie negativ konnotiert ist wird damit in Zusammenhang gebracht. Stigmatisieriung, Engwürdigung, Schikane, Fremdbestimmung, Armut, Ausgrenzung, Druck, Monsterbürokratie, Resignation, Angst, Wut und Hass. 40 Prozent aller Klagen gegen Hartz4-Bescheide oder Sanktionen wird vor den Sozialgerichten stattgegeben! Ein seit 17 Jahren währender und vom BVerfG tolerierter Verfasssungsbruch. Artikel 1 Grundgesetz:

Die Würde des Menschen ist unanstastbar. Jetzt stieg der Hartz4 – Satz zum Jahreswechsel um 0,7 Prozent bei 5 Prozent Inflation. Ist das jetzt noch Charakterschwäche oder schon Menschenverachtung? Die Vorstellung, dass man etwas derart Verbranntes noch irgendwie reformieren kann ist wie die Vorstellung, man könnte ein unheilbar kranken Palliativpatienten gesund pflegen. Das wird nicht laufen. Hartz4 ist ja keine isolierte sozialpolitische Maßnahme, sondern ein Räderwerk, dass ebenso perfide wie präzise ineinandergreift und permanent dieses unheilige widerliche Gebräu aus den oben genannten Begriffen produziert.

Die Argumente gegen das BGE haben allesamt immer den gleichen Haken. Es gab nie ein BGE, deshalb kann es auch niemand bewerten. Es sind ausschließlich Mutmaßungen, rein subjektive Einschätzungen und massenhaft Konjunktive. Viele dieser Totschlagargumente sind mittlerweile so einfach zu widerlegen, dass es schon langweilig wird. Nichts hält einer ernsthaften Überprüfung stand, nichts ist empirisch belegt. Das ist bei Hartz4 nach 17 Jahren ganz anders: Da liegen alle Fakten auf dem Tisch und sie sind verheerend. Wir haben einen der größten Niedriglohnsektoren aller OECD-Staaten.

Wir haben des weiteren eine der schlechtesten sozialen Durchlässigkeiten und eine der am schnellsten auseinandergehenden Scheren in Sachen Einkommen und Vermögen sowie eine der niedrigsten Eigenheimquoten. Man kann es auch anders ausdrücken: Wir sind gerade auf dem Weg, die USA Europas zu werden. Und wenn wir dieses Werk vollendet haben – (die vollständig entsolidarisierte Gesellschaft) – dann viel Spaß. Das nächste was schon vor der Tür steht ist eine immer größer werdende Altersarmut. Das Problem ist vom Säugling bis zum Greis so bevölkerungsübergreifend und hochkomplex in Millionen Einzelfällen vor verschiedenen Hintergründen.

Das kriegen Sie mit kleinklein-Bürokratie nicht mehr eingefangen. Es bleibt also bei dem, was wir schon lange sagen: Es gibt viele Gründe gegen ein BGE zu sein, aber eben keinen einzigen guten. Oder wie die alten Indianer sagten: „Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab.“ Wir verteilen 900 Milliarden Euro jährlich an Sozialleistungen. Bei dem Betrag müsste man doch eigentlich meinen, dass kein einziger Mensch mehr arm sein dürfte. Genau das Gegenteil ist der Fall. Dann können doch die Mechanismen nicht mehr stimmen. Die Parteiführung der Linken träumt vom Sozialismus und noch mehr Verteilungsbürokratie während 80 Prozent der linken Wählerschaft und große Teile Parteibasis längst für das BGE sind.

Die SPD friemelt und fummelt, sie deichselt und drechselt und klöppelt sich seit Jahren zu Tode. Ergebnis: Ernüchternd. Es geht immer irgendwie in die richtige Richtung, bleibt am Ende aber ein halbgares zerfleddertes Irgendwas. Das ist nicht mehr zielführend. Als nächstes kommt dann das Bürgergeld. Jede substantielle Verbesserung, die damit einhergeht werden wir dankend annehmen. Da es aber im Kern auf dem alten System basiert kann ich erstmal nur schwer vorstellen, wie es ein Gamechanger werden soll. Dabei sind auch bei der SPD 60 Prozent der Wähler*innen und große Teile der Basis für das BGE.

Und die Grünen haben immer noch nicht begriffen, dass Hartz4-Empfänger nicht im Bio-Supermarkt einkaufen gehen und Menschen, die jeden Tag einen harten materiellen Überlebenskampf führen keinen Nerv dafür haben, sich ausgiebig mit dem Klimawandel zu beschäftigen. Und auch hier wieder das selbe: 60 Prozent der Wähler*innen und die gesamte Parteijugend sind für das BGE. Die Parteiführungen dieser drei Parteien leben in der ständigen Angst, Ihnen könnte mit einem BGE die Deutungshoheit über die sozialpolitischen Vorgänge im Land abhanden kommen. Dabei sind sie selbst dafür verantwortlich, dass wir in unserem Land überhaupt eine Diskussion darüber bekommen haben. Wenn alles prima funktionieren würde wäre das BGE auch heute noch das, was es vor 10 oder 20 Jahren war.

Das leise Sinnieren einiger Professoren und Philosophen. Die Politik hat es mit ihrem sozialpolitischen Versagen groß gemacht. Und dann kommt immer: Ja wer soll das denn bezahlen? Natürlich genau die, die jetzt auch die 900 Milliarden bezahlen, nur bitte etwas gerechter verteilt. Ohne eine moderate Steuererhöhung für Topverdiener und Groß- oder Größtvermögen wird es natürlich nicht gehen. Und auch einige himmelschreiende Fehlentwicklungen in Sachen Steuerungerechtigkeit sollte man korrigieren.

Wir brauchen natürlich weiter eine funktionierende Marktwirtschaft. Sie ist die einzige Wirtschaftsform, bei der wir genug erwirtschaften können, um überhaupt etwas verteilen zu können. Viele Linke haben offensichtlich auch ein Problem damit, wenn Tech-Milliarde, Konzern-CEO`s, Wirtschaftswissenschaftler oder Drogeriemarktketten-Inhaber das BGE propagieren. Mit diesem naturgegebenen Feind darf man sich schließlich nicht verbrüdern. Da sage ich immer, Mensch, werdet doch mal pragmatisch und strategisch.

Auch wenn ich diese Leute teils skeptisch sehe finde ich es ganz wunderbar, sie bei diesem Projekt an der Seite zu haben. Sie nehmen nämlich dem dauerdampfenden neufeudalen Kampfschiff BILD-Zeitung und der Begleitfregatte WELT so wunderbar den Wind aus den Segeln. Diese Leute schrecken zwar nur noch vor sehr wenig zurück und wittern unablässig unter jedem Kieselsteinchen den Kommunismus, aber diese ganzen Wirtschaftsgrößen in eine Verbindung mit dem Kommunismus zu bringen ist dann selbst denen zu irre.

Wir werden auch weiterhin Menschen in diesem Land haben, die von morgens bis abends „Freiheit“ schreien, damit aber nur die Freiheit der Superreichen meinen, immer reicher zu werden. Bei den Allerschwächsten gilt das nicht. Da muss kräftig getreten und schikaniert werden, damit beim Rest der Angstlevel möglichst hoch bleibt, bloß auch weiter gut zu parieren und nie dorthin abzurutschen. Das ist die über allem schwebende Grundidee. Und die bekämpfen wir, die wollen wir nicht mehr haben.

Sie führen aus, dass die meisten Linken Arme und ihre Belange abstoßend finden. Eine steile These wie ich finde. Ich bin auch ein Linker, aber ich habe Arme und ihre Belange nie abstoßend gefunden. Ich kann mich ja nun schlecht dafür entschuldigen, dass es mir organisatorisch leider nicht möglich, alle 16 Millionen armen oder armutsgefährdeten Menschen persönlich kennenzulernen. Diesen Menschen ist auch nicht dadurch geholfen, dass man ihnen ständig Solidarität bekundet. Das BGE bekämpft Armut. Das war, ist und bleibt immer die Hauptintension. Dass es ganz nebenbei Milionen auch Freiheit, Würde, Selbstbestimung und neuen Lebensmut zurückgibt macht es als Gesamtkonzept so charmant.

Wir wollen diesen Menschen wirklich etwas neues schaffen und nicht so tun, als würden wir mit unablässigem Betüteln wirklich substantiell was verändern. Die meisten ärmeren Menschen wollen gar kein 24/7 Betreuungsprogramm. Damit sollte man sich auf die konzentrieren, die wirklich in vielerlei Hinsicht in einer äußerst prekären Sitaution sind und auch ersichtlich um diese Unterstützung bitten und sie brauchen. Und ja mein Gott, in München wohnen Menschen im Herzogpark in Altbogenhausen in 8 Millionen Euro Penthäusern und andere wohnen im 18-Stöcker am Hasenbergl oder in Neuperlach.

Die werden sich natürlich auch mit BGE nicht eifrig vermischen sondern auch weiterhin unter sich bleiben. Und der Villenbesitzer in Dahlem wird auch weiterhin nicht jedes Wochenende 10 Großfamilien aus Hellersdorf zum Grillen auf sein Parkgrundstück einladen. Wofür soll denn dieses BGE eigentlich noch alles verantwortlich werden oder es regeln? Es gibt Dinge, die waren immer so und die werden immer so bleiben. Sie versuchen da eine Welt zu skizzieren, die es nunmal nicht geben wird. Solche Gedankenspiele lenken am Ende nur vom wirklich Wichtigen ab.

Beim Unternehmensberater-Sohn, der durch Südamerika reist und den vielen 55-jährigen, die gefeuert werden räumen Sie ein, dass dies Ihrerseits polemisch gesprochen ist. Das ehrt sie. Wenn der Unternehmensberater-Sohn kein eigenes Einkommen hat bekommt er Grundeinkommen, völlig richtig. Wenn sein Vater aber Topverdiener ist, zahlt er dieses mit seinen Steuern. So bleibt die Sache in diesem Falle sogar in der Familie. Und bei den 55-jährigen, die reihenweise gefeuert werden müsste man vorher das Kündigungsschutzgesetz abschaffen. Glauben Sie, dass eine Partei, die das in ihrem Programm fordert, bei Wahlen eine erforderliche Mehrheit dafür bekommt? Ich glaube es nicht. Ganz abgesehen davon werden es sich künftig aufgrund der Demografie und dem Fachkräftemangel nur sehr wenige Unternehmen leisten können, wohlverdiente langjährige Mitarbeiter mit Mitte 50 zu feuern. Die werden sie eher anflehen möglichst noch ganz lange zu bleiben.

Oft hört man im Zusammenhang mit dem BGE das Wort Utopie. Und da muss ich mittlerweile ehrlich sagen, dass ich nur noch eine ganz andere Utopie sehe. Es ist die Vorstellung, dass die neofeudale Umverteilungspolitik von unten nach oben einfach von Politik und Gesellschaft unkommentiert noch über Jahrzehnte so weiterläuft. Außerdem gibt es dieser Frage ganz sicher auch eine Vor- und eine Nach-Corona-Zeit. Diese Krise ist nicht nur eine Gesundheitskrise, in ihrem Windschatten baut sich leider auch eine gewaltige psychosoziale Krise auf. Und die wird nicht nur Negativentwicklungen verstärken sondern auch bei so manchem den Blick auf das Thema verändern.

Ihre Generation wird das BGE ganz locker noch erleben. Wir wissen, dass es unter den Millenials und jünger bereits klare Mehrheiten dafür gibt. Und es gibt fernab von allem Kleinklein etwas Übergerodnetes, dass mich in meiner Annahme bestärkt: Das 21. Jahrhundert ist weder von der Demografie, noch von der Arbeitswelt, noch von der Bevölkerungsstruktur noch von den Vorstellungen der Menschen wie sie überhaupt leben wollen für Sozialsysteme aus dem 20. Jahrhundert gebaut.

Und wenn dabei immer die gleich schlechten oder immer noch schlechtere Ergebnisse herauskommen fällt mir nur noch Albert Einstein ein, der einst sagte: „Wahnsinn ist es, immer das gleiche zu tun und dabei zu hoffen, es würden andere Ergebnisse herauskommen.“ Und ich füge an: Irgendwann hat noch jeder Wahnsinn sein Ende gefunden. Und so wird auch das BGE in welcher Form auch immer langfristig nicht zu stoppen sein. Vielleicht ist es sogar schon viel näher als viele heute noch denken.

Also warten wirs ab, es bleibt spannend. Ich hatte mir vorgenommen, 5 bis 8 Zeilen zu schreiben und merke gerade, dass dieses Vorhaben grandios gescheitert ist. Gott sei Dank bin ich kein Zeitungsjournalist. Bei mir wäre jede Ausgabe so dick wie die Brockhaus Enzyklopädie. Teilweise war ich ironisch, teilweise sarkastisch, teilweise polemisch und ausgedehntes Phrasenbingo fehlt bei mir auch nie. Dafür entschuldige ich mich und falls Sie überhaupt bis hierher gelesen haben bedanke ich mich natürlich auch herzlich dafür. Ich denke, Sie haben das Feuer und die Leidenschaft für Ihre Themen zu streiten und sind auf dem Weg zu einer großartigen Karriere als Journalistin/Autorin. Dazu wünsche ich Ihnen alles Gute und freue ich mich, auch weiterhin von Ihnen in der ZEIT lesen zu dürfen. – Ralph Schiller

 

Ihren Artikel (DIE ZEIT, Nr. 2/2022, 5. Januar 2022) schließen Sie mit: „ … und das ist das wirklich Erschreckende, weil es sich besser anfühlt, für eine Utopie zu argumentieren als für echte arme Leute“. Ich danke Ihnen sehr für diesen Verweis auf diese Art der Verworfenheit der Debatte um das Bedingungslose Grundeinkommen, wie sie von den Befürwortern immer wieder neu entfacht wird.

In aller Regel, leider auch in der ZEIT (DIE ZEIT Nr. 53/2021, 22. Dezember 2021), wird uns immer nur in Beispielen vorgeführt, welche angeblich fantastischen Möglichkeiten für den Einzelnen sich daraus eröffnen, was nichts anderes ist, als dass man sich wünscht, jeden Ego-Trip jedem zu ermöglichen, aber kaum findet sich bisher ein Wort dazu, was ein Bedingungsloses Grundeinkommen aus einer Gesellschaft und unseren Gemeinschaften macht. Sie zeigen endlich mal ganz richtig auf diese Bourgeois-Boheme-Mittelschicht, deren eher gesellschaftsspaltenden Interessen damit bedient werden. Nur das ist eben grade mal ein Aspekt einer zu erwartenden ganz grundsätzlichen Verwerfung.

Denn es ist schon scheinheilig zu nennen, wenn in dieser Debatte das Bedingungslose Grundeinkommen in die Nähe einer bedingungslosen Grundversorgung gerückt wird. Wenn ich das Menschenrecht auf eine Grundversorgung einfordere, ist es etwas ganz anderes als die Forderung nach einem Einkommen (einer nicht zwingend zweckgebundenen Geldleistung), mit der ich in unserer Gesellschaft als König Kunde üblicherweise jede Bedingung gegenüber der Gesellschaft durchsetzen kann. Welches Menschbild steht eigentlich hier dahinter, wenn ich als Individuum bedingungslos von der Gesellschaft fordere, mich in den Stand zu versetzen, an dieselbe Gesellschaft jede Bedingung (zugegebenermaßen nur im Wertumfang einer Grundversorgung) stellen zu können?

Ich bin dann nicht mehr inklusiver Teil dieser Gesellschaft, ich wurde ja rechtlich frei von jeder Bedingung gestellt. Es ist und bleibt für eine Gesellschaft konstitutiv, dass die Menschen einander Bedingungen zumuten, und mal ganz ehrlich gefragt, was ist daran eigentlich so schlecht? Die Bedingungen für „echte arme Leute“ sind in unserem Land sicher nicht richtig justiert, da ich stimme Ihnen zu, darum lohnt es sich zu argumentieren, aber nicht nur darum. Für mehr solche Artikel bedanke ich mich im Voraus. – Thomas Lindenkreuz

 

Ihr Artikel hat mir endlich gezeigt, woher mein vages Unbehagen bei der Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen und der Schwaermerei ueber die dadurch moegliche Selbstverwirklichung kommt. Die tatsaechlich wichtigen Fragen, wie wir die Armut und den damit verbundenen gesellschaftlichen Ausschluss wirksam bekamepfen koennen, werden voellig ausgeklammert, was dem Ganzes eine merkwuerdig traeumerische und abgehobene Qualitaet verleiht. Vielen Dank fuer diesen deutlichen Weckruf! – Sabine Moehler

 


 

 

Leserbriefe zu „Mann, Frau, völlig egal“ von Navid Kermani

 

Ich freue mich, dass Navid Kermani regelmäßig für die ZEIT schreiben wird – er ist für mich einer der feinsinnigsten und intelligentesten deutschen Intellektuellen. Ich würde mich freuen, wenn Sie ihm diese Überlegungen von mir auch ihm zukommen lassen können, auch wenn dieser Lesebrief leider sehr lang geworden ist. Ich finde Navid Kermanis Position nachvollziehbar, dass in der bisher versuchten Form die Formulierungen durchs Gendern umständlicher werden, so dass sie es schwer haben, sich vor allem im alltäglichen Sprachgebrauch und in literarischen Texten zu etablieren. Und häufig wird kritisiert, dass manche versuchen, Veränderungen diesbezüglich zu forcieren, obwohl in der Gesellschaft (noch) keine große Akzeptanz da ist. Im Hau-Ruck- Verfahren ist eine Veränderung nicht möglich, stimme dem zu.

Aber: Wie Kermani richtig beschreibt, geschieht die Veränderung von selbst – Hörerinnen reicht es nicht mehr, im generischen Maskulinum mitgemeint zu werden. Das ist mE dem Selbstbewusstsein der jungen Frauen zu verdanken, denen die Frauenbewegung und Emanzipation der Frau den Weg bereitet hat. Vielleicht gerade weil die Gleichberechtigung (zB gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, Frauen in Führungspositionen) noch nicht erreicht ist, möchten Frauen angesprochen und nicht mitgemeint werden. Vielleicht würde bei einer 100 %en Gleichberechtigung das generische Maskulinum wieder akzeptiert werden, aber ich glaube, eher nicht – meine kleinen Töchter sind es so gewohnt, dass sie angesprochen werden und nicht mitgemeint werden, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sie das generische Maskulinum irgendwann als natürlich ansehen können.

Eine meiner Töcher las mir eine Aufgabe aus ihrem Lehrbuch vor. Dabei war ein Wort mit Binnen-I, zB PolitikerInnen. Ich war erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit sie beim Vorlesen einfach erweiterte und vorlas: Politiker und Politikerinnen. Wenn man sich die Entwicklung bis zum heutigen Tag ansieht, bestehen de facto eine Benachteiligung der Frauen in der Gesellschaft und eine Benachteiligung der Frauen in der Sprache. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen, auf welcher Ebene sich die Situation der Frauen schneller bessern wird- im realen Leben oder in der Sprache?

Wenn man bedenkt, welche Entwicklung die Frauenrechte gemacht haben – Wahlrecht für Frauen, Recht auf Arbeit, ohne dass der Ehemann zustimmen muss, Recht auf ein Studium, Vergewaltigung in der Ehe als Straftat usw – also wenn man bedenkt, wie lange und nachhaltig die Unterdrückung der Frauen im Patriarchat war und wie viel sich seitdem im Guten verändert hat – dann wird klar, dass sich verhältnismäßig auf der sprachlichen Ebene viel weniger verändert hat. Die sprachliche Entwicklung hinkt objektiv also ziemlich hinterher, und das ist der Grund, warum von manchen das Gendern als so wichtig und als notwendig empfunden wird, als eine Korrektur, die dringend anfällt.

Und ich finde, wir kommen in der Genderdebatte ein ganzes Stück vorwärts, wenn wir als erstes dieses Anliegen, auch die Sprache der neuen Realität einer selbstbewussten Frau anzupassen, als legitim akzeptieren. Also wenn wir als Gesellschaft ein Problembewusstsein entwickeln, dass diese Sprache, so wie sie jetzt ist, zB durch das generische Maskulinum der Frauen noch einiges zumutet, nachdem die Frau sich schon mit viel Kraftanstrengung ihren Platz, gegen große Widerstände, erkämpfen musste. Ich denke da an viele Einzelschicksale, an die erste Frau, die hart kämpfen musste, um zu studieren, an zahlreiche Künstlerinnen der früheren Jahrhunderte, die im männlich bestimmten Narrativ der Kunstgeschichte „vergessen“ wurden und immer noch fast unbekannt sind, an Komponistinnen der früheren Jahrhunderte, die einfach immer noch nicht gespielt werden.

Ich gebe nur noch ein aktuelles Beispiel: 2020 dirigierte zum ERSTEN Mal bei den Salzburger Festspielen eine Frau. Es handelt sich um Joana Mallwitz, eine Ausnahmedirigentin. Sie äußerte sich folgendermaßen dazu, dass es erstaunlich sei, was man als „erste Frau“ im Jahre 2020 noch tun könnte. Wer das alles bedenkt, versteht hoffentlich, warum das generische Maskulinum jemanden mit voller Wucht treffen kann und ein Sich-Zufriedengeben mit diesem Sachverhalt doch suboptimal ist bzw aus meiner Sicht nicht in Frage kommt. M.E. würde eine hohe Sensiblisierung in der Gesellschaft erzielt werden, wenn man sich zB einigen würde, in den Medien für einen Monat – vielleicht würde auch eine Woche reichen – einfach konsequent das generische Femininum verwenden würde – das wäre ein sehr fruchtbarer Perspektivenwechsel.

Also: ein Problembewusstsein schaffen wäre der erste Schritt. Das heißt noch nicht, dass die bisher gefundene Lösung des Genderns in der aktuellen Form zufriedenstellend ist. Vielleicht dauert es noch, bis eine innovative Lösung ausgearbeitet wird, die in der Gesellschaft akzeptiert wird, die die Sprache nicht überlastet, die geschmeidig genug ist. Aus meiner Sicht kann man aber mit dem Gendern schon durchaus „loslegen“, in Schreiben von Behörden zB, oder auch (natürlich ohne Zwang) an Universitäten – denn diese stehen hoffentlich für Fortschritt und Offenheit. Denn letztendlich wird beim Gendern auch verhandelt, wie offen eine Gesellschaft sein kann und sein will – dh wird zunächst die binäre Einteilung in Mann und Frau durch das Binnen-I verwendet oder auch das non-binäre Diverse, ausgedrückt durch das Gendersternchen, inkludiert und akzeptiert.

Darüber muss die Gesellschaft verhandeln- die heterogene Gesellschaft, die verschiedene Grade von Differenziertheit und Selbstreflexion aufweist, die unterschiedlich träge ist und unterschiedlich veränderungsfreudig. Das ist, womit wir leben müssen, und natürlich müssen wir erst eine Akzeptanz fürs Gendern schaffen, müssen wir die Menschen mitnehmen. Der „selbstverständlich Privilegierte, der seinen Status noch nicht reflektiert hat“ – besser bekannt als „alter weißer Mann“ – kann anfangen, seinen Status zu reflektieren und die Perspektive einer Nicht-Priviligierten zu verstehen – wenn er mag und wenn wir als Gesellschaft ihn dazu gewinnen.

Mehr Chancen haben wir, ihn zu erreichen, wenn wir ihm respektvoll begegnen, als wenn wir seine Unreflektiertheit in einem lustvoll-hämischen Shit-Storm auf Twitter zur Schau stellen/aufzeigen. Und falls der eine oder andere nicht erreicht werden kann, ist auch diese Tatsache zu akzeptieren. Jeder Mensch hat sein Recht auf Unreflektiertheit, und ein Gefühl der Überlegenheit gegenüber so einem Menschen macht leider den ganzen eigenen Fortschrittsgedanken zunichte. Mehr als eine Einladung zur Selbstreflexion kann, darf und soll mE nicht angestrebt werden.

Mein Fazit: eine zufriedenstellende Lösung ist noch nicht greifbar, aber „in Arbeit“, und wenn wir in bestimmten Bereichen mit dem Gendern anfangen und sich Menschen langsam daran gewöhnen, wird eine Entwicklung ausgelöst, die irgendwann eine Lösung hervorbringen wird, welche allgemeine Akzeptanz findet. Es handelt sich aber um einen Prozess, der Geduld und Arbeit erfordert. Ich stimme Navid Kermani in seiner Analyse in vielen Punkten zu – nur: da, wo er die Akte schließt, öffne ich sie. Jetzt zum Schluss noch ein ganz persönliches Anliegen, eine adäquate zeitgemäße Lösung für das Wort „das Mädchen“ zu finden. Obwohl grammatikalisch einwandfrei, weil durch die Endung „chen“ das Neutrum unausweichlich ist, stört es mich jedes Mal. Entweder interpretiere ich zu viel rein, oder ist etwas Wahres dran:

Für mich illustriert „das Mädchen“ den männlichen Blick des Patriarchats auf ein Objekt, auf ein heranwachsendes Wesen, dem noch keine Weiblichkeit zugesprochen wird. Für mich ist aber das heranwachsende weibliche Wesen von Anfang an ein Subjekt, das sich weiblich erlebt, und nicht erst dann als weiblich gilt, wenn es vom Mann als weibliches Objekt wahrgenommen wird. Also ich interpretiere es so, dass „das Mädchen“ die patriarchale Sichtweise der (heranwachsenden) Frau als Objekt zementiert. Ich hätte da auch einen Lösungsvorschlag, um aus dem „Mädchen“ ein weibliches Subjekt zu machen: man könnte eine grammatikalische Ausnahmeregelung erlauben und eine zeitlang beide Formen parallel zulassen, dh im Duden als korrekt verzeichnen: „die Mädchen“ und „das Mädchen“ – und dann abwarten, ob sich „die Mädchen“ im Sprachgebrauch durchsetzt oder nicht. Ein ergebnisoffenes Experiment, das ich sehr spannend fände. – C. Hegger

 

„Wir sind nicht eindeutig, niemand von uns, weder ethnisch noch kulturell, weder psychologisch noch geschlechtlich, …“ Besten Dank für diesen Artikel. Es gibt ja mittlerweile sogar Mitmenschen, die bestreiten, dass es die zwei biologischen Geschlechter überhaupt gibt. Anderseits zerteilen viele in ihrer Vorstellung die Gesellschaft in immer kleiner Subgruppen und wollen anschließend verkrampft und falsch wieder sprachlich vereinen, was vorher getrennt wurde. Manche wollen einem vorschreiben, wie man sie zu sehen hat. Es ist seltsam. Jeden Menschen als ein einzigartiges Individuum zu sehen, wird gerade durch das sprachliche Erzeugen und wieder Einbinden von Identitäten erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht.

Wenn man – wie ich – selten fernsieht, dann bemerkt man im Alltag die sprachlichen Veränderungen kaum. Man kann überspitzt sagen: „Niemand spricht so wie Journalisten im Fernsehen.“ Ähnlich einer religiösen Gruppe scheint sich hier eine Sprache herausgebildet zu haben, an der die Gruppe erkannt werden will und sich abgrenzen will. Möglicherweise auch bedingt durch bösartige, ungerechtfertigte, lautstarke Anfeindungen (zum Beispiel durch das furchtbare Schimpfwort „Lügenpresse“) versuchen Journalisten sich abzugrenzen von der „dummen“ Gesellschaft. Dies geschieht, so vermute ich, nicht mal bewusst. Wie gesagt, es ist seltsam. – Christian Fahn

 

Ein neues Jahr hat begonnen, und schon geht’s wieder los bzw. weiter mit den Beiträgen zum Gendern. Ich verstehe überhaupt nicht, warum sich so viele Menschen über das Gendern aufregen, mehr oder weniger heftig dagegen argumentieren, zum Teil mit hochdifferenzierten Argumenten, wissenschaftlich unterlegt usw. Dabei reicht es, einfach zu lesen, was die Sprachforscherin Luise Pusch u. a. schon in den 80er Jahren dazu geschrieben haben, damit ist alles gesagt. Was mich in diesem Zusammenhang wundert ist, dass sich kaum jemand über die fortschreitende Verwahrlosung unserer Sprache echauffiert.

Damit meine ich nicht die Anglizismen, die auch ein interessantes Thema sind, sondern das, was wir selbst aus unserer Sprache machen, ohne dass es jemandem aufzufallen scheint. Da werden Präpositionen falsch benutzt: froh sein „um“ etwas, statt „über“ etwas, informiert werden „von“ etwas, statt „über“ etwas (Kann ich wirklich von einem Sturm informiert werden? Hat der angerufen?), viele weitere Beispiele fallen mir da ein. Adjektive und Adverben werden durcheinander geworfen: „lang“ ist eine Adjektiv, also ist eine Hose lang, „lange“ ist ein Adverb, es dauert also etwas lange. Ähnlich verhält es sich mit „viel“ und“ viele“.

Den Unterschiede zwischen „much“ und „many“ haben wir im Englischunterricht eingebläut bekommen, in unserer Muttersprache kriegen wir das nicht hin. Und auch über die vielen unnötigen Wörter, die gehäuft in vielen Sätzen vorkommen, wie „sozusagen“ (Ich kanns nicht mehr hören!), „Ich würde mal sagen…“ (Ja, unter welcher Bedingung würden Sie es denn sagen?), „Ich möchte Sie ganz herzlich begrüßen.“ (Dann tun Sie es doch, wenn Sie es so gern möchten.) usw. Oder Doppelungen: „bereits schon“, „aber jedoch“, „soeben gerade“, eine Aneinanderreihung von Wörtern mit demselben Sinn, die Sätze und ganze Ansprachen unnötig verlängern.

Darüber regt sich niemand langatmig auf. Aber gleichzeitig wird es als umständlich und zu lang empfunden, beide Geschlechter (Ich reduziere es jetzt mal ganz bewusst auf zwei.) sprachlich zu erwähnen. Da passt doch was nicht. Die Aussprache lässt auch an vielen Stellen zu wünschen übrig: „Mecklenburg“ wird mit „e“ und „ck“ geschrieben, genau wie „meckern“ (das, was Ziegen tun). Warum wird „Mecklenburg“ dann von vielen so ausgesprochen, als würde es „Meeklenburg“ geschrieben? Was soll das? Übrigens stelle ich nicht nur im täglichen Gespräch, sondern auch bei VertreterInnen aller Medien diese Verwahrlosung unserer Sprache fest, und zwar zunehmend. Die „Zeit“ ist davon leider auch nicht ausgenommen.

Dabei ist doch die Sprache das wichtigste Werkzeug, das wichtigste Arbeitsmittel aller Medien, egal ob gedruckt oder gesprochen. Eigentlich überflüssig, zu erwähnen, dass ich die Liste der Beispiele fast beliebig verlängern und sogar diverse Kategorien bilden könnte. Vielleicht findet sich ja zumindest bei der „Zeit“ jemand, der oder die sich die Mühe macht, auf diese Dinge zu achten. Oder sogar einen Beitrag dazu zu schreiben. Würde mich freuen. – Marita Kruckewitt

 

Ich danke Herrn Kermani für diesen Aufsatz, besonders dafür, dass er das „üblich gewordene, semantisch jedoch falsche und dazu unschöne Partizip ‚Studierende‘ “ vermeidet. Ich hoffe zum Beispiel, dass verurteilte und inhaftierte Mörder keine Mordenden sind. Dafür verzichte ich gerne auf etwas Gendergerechtigkeit. – Ludger Hartmer

 

Großen Dank an den Verfasser für sein Plädoyer und seine tiefgründende Analyse dafür- es ist ein Hoffnungszeichen, dass die „Meinungsdiktatur“ (den Eindruck hat man ja heute meist) der Identitätspolitik, von der ja das Gendern nur ein Ausdrucksmittel ist, vielleicht doch nicht widerstandslos obsiegt… – Karl-Heinz Grau

 

Navid Kermani* jetzt über „Gendern“. Nachdem früher schon kluge Beiträge zu diesem Thema in der ZEIT zu lesen waren, auch solche, die eine breite Angriffsfläche boten, ist nun der Höhepunkt in dieser sporadischen Debatte erreicht, wie mir scheint. Niemand hat sich so klug und tief durchdacht hierzu geäußert wie jetzt Kermani. Seine religionswissenschaftliche und sprachtheoretisch-vergleichende Sicht hebt die Diskussion wieder auf ein höheres Niveau, sonst hätte er sich diesen Text auch sparen können. Er wusste was er tat. Nun möchte man gern „Ende der Debatte“ beantragen. Aber es wird immer noch so weiter gehen, in den seichteren Diskursfor(m)en, ganz zu schweigen von Verwaltungsgremien.

Ob er mit seiner Prognose richtig liegt, dass das generische Maskulinum im Deutschen „aussterben“ wird, bleibt allerdings abzuwarten, zumal das nicht für alle Domänen der Sprachverwendung gleichermaßen und gleichzeitig eintreten würde. Womit er aber unbedingt Recht hat, ist die abschließende Prognose, dass mit solcher Sprachreform bzw. Manipulation für die Stellung der Frauen in der Gesellschaft nichts zu erreichen ist. Ich rege an, das IDS bzw. die Duden-Redaktion zu einer Stellungnahme aufzufordern. *Erst stand hier „David Germania“. Selten so gelacht. Habe die Autokorrektur jetzt mal abgeschaltet, obwohl sie für lustige Missverständnisse doch manchmal ganz gut ist, als eine Art Witzgenerator. – Dr. Arndt Wigger

 

Als Leser der ZEIT bin ich über den Zustand der deutschen Sprache bestens informiert. In diesem Sinne sei auch Dank an Navid Kermani, der mit seinem Artikel bestens zu meinen Kenntnisstand beiträgt. Im Gegensatz zu ihm glaube jedoch nicht, dass sich das generische Maskulinum aus unserem Sprachgebrauch verabschieden wird. Herr Kermani hatte ja eingangs auf den Gattungsbegriff verwiesen (siehe Beispiel „Leser“). Und wenn ich am Sonntag Morgen beim Bäcker die Brötchen hole, interessiert doch niemanden die anatomische Beschaffenheit des Bäckers. Außerdem sei an das schon klassische Idiom erinnert: „Frauen sind die besseren Autofahrer“. Diesen Satz müsste man umständlich umschreiben, wollte man das generische Maskulinum eliminieren.

Im Falle des Genders bin ich auch wie Kerami der Meinung, dass sich die Sprache in der Alltagskommunikation per Dekret nicht ändern wird (wie etwa in Soziolekten). Hier ist eine ideologisch motivierte kleine Schicht unserer Gesellschaft am Werk (wie z.B. die Duden-Redaktion), die versucht, der Mehrheit ihre Art des Sprechens (man denke nur an den Glottisschlag) und Schreibens aufzuzwingen. – Hagen Treutmann

 

Mit diesem Artikel ist m.E. das Thema „Gendern“ erschöpfend behandelt. Es bleibt die Frage, wie sich die Menschinnen und Menschen in Zukunft sprachlich verhalten werden. – Karl H. Kirch

 

Zunächst einmal: ganz herzlichen Dank für Ihren Artikel! Ich habe wieder dazu gelernt und das mache ich gerne. Zwei Dinge sind mir dabei besonders wichtig: Schon im 7. Jahrhundert haben die arabischen Frauen erkannt, dass das generische Maskulinum nicht geschlechtsneutral ist und: Der Feminismus ist älter als gemeinhin vermutet.

Als Sozialwissenschaftlerin und politische engagierte Frau, Jahrgang 1962, habe ich mich schon früh mit der männlich dominierten Sprache auseinandergesetzt. Und so treffend, wie Sie die Sprache als ordnendes und notwendigerweise verkürzendes Mittel zur Kommunikation beschrieben haben, so haben Sie doch eine entscheidende Sache ausgelassen: Sprache ist immer auch ein Mittel der Macht. Sprache entsteht nicht zufällig, sie bildet gesellschaftliche Verhältnisse ab – und manifestiert sie. Es ist daher nicht ohne Grund, dass sich ein generisches Maskulinum entwickelt hat und kein generisches Femininum. Im Sprachbild von Direktoren, Politikern, Wissenschaftlern, Arbeitgebern und Ärzten sind nicht ohne Grund Frauen nicht vorhanden. Sie waren dort nicht erwünscht und in der Tat auch lange nicht oder kaum vorhanden. Das hat sich zum Glück verändert, wenn auch längst nicht ausreichend.

Wenn Sie von Ihrem persönlichen Gewinn durch den Feminismus erzählen, so ist es natürlich schön, Sie als Vater mit enger Bindung zu den Kindern zu sehen. Auch wenn ich natürlich nicht weiß, ob Sie – anders als das Gros Ihrer Geschlechtsgenossen – auch tatsächlich 50 Prozent der Elternzeit genutzt haben. Gleichzeitig ist das aber nur eine Forderung der Frauenbewegung (gewesen). Entscheidender und wichtiger ist die Forderung nach 50 Prozent Teilhabe an der Macht. Damit tun sich Männer gemeinhin etwas schwerer. Sie sind Literat und kann ich verstehen, dass die Gender-Diskussion und mit ihr der Versuch, Sprache geschlechtergerechter zu machen, in Ihren Augen oft den Effekt von Sprachverstümmelung hat.

Auch ich bin keine Freundin der Sprechpausen und Gendersternchen. Schon lange haben feministische Linguistikerinnen dafür eine einfache Lösung gefunden: das generische Femininum. Warum? Weil es ganz einfach immerhin zwei Geschlechter (Frau und Mann) miteinbezieht. Es wird selbstredend nicht den weiteren Kampf für Gleichberechtigung überflüssig machen, aber es erzeugt andere Bilder im Kopf. Wenn von einer Runde von Politikern die Rede ist, so entsteht eben bei mir schon lange das Bild einer reinen Männerrunde.

Da hilft es auch nicht, wenn Sie meinen, Sie benutzen das generische Maskulinum als geschlechtsneutral. Die Gesellschaft hat sich verändert und ich denke, ein Großteil hat mittlerweile ähnliche Bilder wie ich im Kopf. Wenn ich von einer Runde von Politikerinnen spreche, dann entsteht (noch!) sicherlich bei fast allen Menschen das Bild einer reinen Frauenrunde. Das finde ich gut – denn es sind immer noch zu wenig Frauen an der Macht und spätestens wenn diese Bezeichnung unter einem Bild von Habecks Kabinett steht, fällt dieses Ungleichgewicht umso mehr auf.

Was ist so schlimm daran, bewusst die Sprache zu verändern? Wir haben es in vielen Bereichen glücklicherweise getan. Sicher, als Kind ist mir der „Negerkönig“ bei Pippi Langstrumpf nicht negativ aufgefallen. Ich habe einfach Pippi Langstrumpf geliebt und liebe sie immer noch. Aber als ich sie meinen Enkelinnen vorlesen wollte, habe ich ganz schnell andere Begriffe eingesetzt. Es gibt eine Fülle von Beispielen, in denen Sprache bewusst auf politische und soziologische Veränderungen und Forderungen reagiert hat. Warum nur, tut sie sich an dieser Stelle so schwer damit? – Inès Schumann

 

Um es einmal auf den G-Punkt zu bringen (frei nach Heinz Erhardt): Genug! Gendern gefährdet Gesundheit gesamter garnicht gefragter Gesellschaft! Gnädiger Gott, gib gendergeilen Gutmenschen genügend Großhirngrips! Goethes Gruft grollt, Gretchen graust’s! Geschichte(n), Gedichte, Gesang, Geburtstagsglückwünsche, Grabreden grundsätzlich gänzlich genderfrei – Geheimrats geniale Gruftgedanken! Geliebte grüne GenossInnen, gewährt genderfreie Grammatik GartenzwergInnen, GrundschülerInnen, GymnasiastInnen – gleichsam genauso GeimpftInnen, GenesenInnen, GetestetInnen! Gutes Gefühl! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Mein Faazit aus den drei Artikeln, Man = ir (ich will mich nicht ausschließen) hat seine Eigenständigkeit an die (väter- müüterliche ) Politik abgegeben , weil einfach : die müssen wissen was Recth und Ordnung ist, werden dafür bezahlt usw… , deshalb ist es auch nicht des Nachsenkens wert was es tatsächlich bedeutet, die Einführnug des “ bedionungslosen Grundeinkommen“ weil man doch unbedingt ausgleichend Gutes tun will , und deshalb auch nicht hinterfragt wem eigentlich , weil s.o. die Politik doch dafür zuständig ist verlässlich Gutes für die Bürger zu tun.

Und weil das Gewissen so ein Stück wweit entlastet , hat man ja nun Zeit sich mit der Gleichstellung der GEschlechter zu befassen. Und engagiert sich für’s Gendern , was ja wiederum das tatsächliche Problem , nämlich allgemein wirkliche Gleichstellung auch nicht löst, sondern nur kaschiert. DER Mensch uond DIE Peron eigenverantwortlich , selbstbestimmt , um ein Miteinander bemüht, ist es eigentlich so viel schwerer? oder eine Gewissensfrage, auch dAS Gewissen gibt es ! – Geelke Braun

 

Die Aufgabe des generischen Maskulinums bei Bezeichnungen für Menschen hat noch eine weitere Auswirkung. Wenn mit den Bürgern eines Landes jetzt nur noch Männer gemeint sein sollen, schließt die Formulierung „Bürger und Bürgerinnen“ all jene explizit aus, die sich keiner der beiden Kategorien oder auch beiden zuordnen. Beim generischen Maskulinum könnten sich dagegen nicht nur Frauen, sondern auch diese Personen gemeint fühlen.

Allerdings bestreite ich nicht, dass es Gründe gibt, warum sie das oft nicht tun. An diesen Gründen wird die Abschaffung des generischen Maskulinum tatsächlich ganz gewiss nichts ändern. Über die generischen Bezeichnungen für andere Lebewesen hat sich meines Wissens noch niemand aufgeregt. Diese haben natürlich auch alle ein Genus (der Hund, der Käfer; die Katze, die Kakerlake; das Huhn, das Schwein). Handlungsbedarf? – Dr. Ulrike Claudi

 

Selten hat mir ein Artikel so sehr aus dem Herzen gesprochen wie dieser Essay von Navid Kermani. Er trifft den Nagel auf den Kopf und ist von erfrischender Tiefe. – Klaus Rindermann

 

Als Lübcke 1962 in Liberia besonders höflich sein wollte und eine Rede mit „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger!“ begann, hat er damit unwillentlich gezeigt, dass die spezielle Erwähnung bestimmter Gruppen den vorherigen gedanklichen Ausschluss voraussetzt. Offensichtlich dachte er, einige Menschen könnten mit „Damen und Herren“ nicht mitgemeint sein. Das ist das Problem mit dem Gendern: Man will Diskriminierung verhindern – und setzt sie dadurch erst in die Welt. – M. Neuser

 

Kermani formuliert die Worte, die ich noch gesucht habe und spricht mir mit dem Artikel aus dem Herzen: erst durch das Gendern werden die Angesprochenen überhaupt erst festgelegt auf eine Identität. Wer spricht schon vom männlichen und weiblichen Menschen? Ich selbst setze grundsätzlich immer voraus, dass alle Geschlechter inbegriffen sind, mit gemeint sind. Und wünsche mir das auch für unsere deutsche Alltagssprache. – Judith Jessen

 

Ganz herzlichen Dank für diesen wundervollen Text zu einem breit diskutierten Thema: Sachlich und gleichzeitig poetisch, fachlich und gleichzeitig persönlich. Und nach meinem Eindruck bringen Sie dermaßen viele Aspekte so genau auf den Punkt, dass mein Herz weit wird. Eine persönliche Anmerkung: Mir hat die Diskussion um das so genannte „Gendern“ wesentliche Erkenntnisse beschert, für die ich dankbar bin, auch wenn sie nicht schön waren. Ich habe mir daher angewöhnt zu „gendern“, auch in der mündlichen Sprache (und es auch immer wieder zu lassen, weil ich es sprachlich so entsetzlich finde).

Meinen Student!nnen erläutere ich zu Beginn meiner Veranstaltung (in der u. a. Inter- und Transsexualität sowie Homosexualität Themen sind; es geht um ethische Fragen in der Medizin) den Grund dafür: Ich möchte damit meinen Respekt für jeden Menschen jeglichen subjektiv empfundenen Geschlechts zum Ausdruck bringen. Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Chance besteht, das Leid dieser Menschen zu verringern, indem ihre Existenz selbstverständliche Anerkennung findet und außerdem die Gleichberechtigung aller Menschen voranschreitet.

Ich möchte durch mein Sprechen und Schreiben für die Thematik sensibilisieren, so wie ich selbst dadurch sensibilisiert wurde. Mein Welt- und Menschenbild ist daran gereift. Und gleichzeitig hoffe und glaube ich, dass es sich lediglich um eine Zeiterscheinung handelt und es nicht dauerhaft notwendig sein wird, durch holprige Sprache Aufmerksamkeit für bislang nicht ausreichend wahrgenommene Misstände in unserer Gesellschaft zu schaffen. Wenn diese Misstände im Wesentlichen beseitigt sein werden, werde ich wieder entspannt sprechen. Ich weise bei dieser Vorrede auch auf die Männer, die Person, … hin. – Dr. med. Sibylle Riffel

 

Ihr kunstvoller Essay zum Verschwinden des generischen Maskulinums ist mir, wie alle Texte, die ich bisher von Ihnen las, eine Offenbarung und ich möchte Ihnen dafür danken! Der Gestus der Gelassenheit und Freude am Leben, der Ihre Sprache trägt und Ihr Denken durchdringt, in Verbindung mit der höchst kunstvollen Gesamtstruktur ist von solcher Schönheit, dass er mir immer wieder beim Lesen die Tränen in die Augen treibt. Wie Sie es schaffen, ganze Bibliotheken in einzelnen Sätzen zusammen zu fassen, bewundere ich und erfreue mich daran, dass dies ohne jeden Belehrungsgestus möglich ist und zugleich ohne Glossar im Laufe des Gesamttextes erläutert wird (ich hatte zuvor keine Ahnung, was ein „generisches Maskulinum“ ist).

Der Beginn des dritten Absatzes nach der einleitenden Aufzählung aus dem Koran ist für mich ein solcher Satz: „Wir sind nicht eindeutig, niemand von uns, weder ethnisch noch kulturell, weder psychologisch noch geschlechtlich, und eine konsequente, ausschließliche Männlichkeit hat sich in der Weltgeschichte ebenso wie in der Geschichte der Religionen ein ums andere Mal als toxisch erwiesen.“ Die Klarheit und Stimmigkeit dieser Erkenntnis erfüllt mich mit zustimmender Freude und Trauer zugleich, denn ihre Verleugnung hat auch die Geschichte meiner Familie wesentlich geprägt und das habe ich erst kapiert, nachdem ich Jahrzehnte lang tastend umhergelesen (von „Exodus“ 1964 über Volker Elis Pilgrims und Klaus Theweleits Bücher…), Therapie gemacht und Anfragen beim Bundesarchiv gestellt habe, um die fehlenden Puzzel zur Geschichte der eigenen Familie zu finden. – Jan Blaß

 

Wie schön, dass Navid Kermani auf den Verlust hinweist, den die Meidung, ja der drohende Tod des generischen Maskulinums bedeuten: Der Verzicht auf eine geschlechtsneutrale Verwendung der Wörter fördere die „Sexualisierung der Sprache“. Dennoch verwendet Kermani aus Höflichkeit und Respekt etwa gegenüber seiner studentischen Leserschaft die Anrede mit der Doppelform „Liebe Studenten und Studentinnen“. Diese Sensibilität gegenüber der Ambivalenz eines forcierten Sprachwandels erwächst, wie Kermani zeigt, auch aus dem schreibenden Umgang mit dem Englischen und Persischen, zwei Sprachen ohne „grammatisches Geschlecht“.

Er entdeckt die Vorzüge, die die dort mögliche Uneindeutigkeit von Geschlechterzuschreibungen für das literarische Schreiben – und hinzufügen ist auch für die Erfahrungen des Lesers – haben kann, aber auch die Nuancierungen, die das Deutsche im Gegensatz zu diesen Sprachen erlaube. Ein wenig Mehr von diesem Mut zu Grautönen, zur Bilanzierung von Gewinn und Verlust und nicht zuletzt zu den pragmatischen Erfordernissen der Alltagssprache anstelle von rechthaberischer Polarisierung täte der Debatte insgesamt gut! – Prof. Dr. Gisela Zifonun

 

Das Gendern: hier mal ohne Polemik, klug durchdacht, voller Respekt und Wissen, differenziert und gekonnt präsentiert, alle wesentlichen Aspekte zu dem Thema erfasst! Genau das braucht es, wenn wir in dieser(Frauen- und Minderheiten)-Frage weiterkommen wollen, vielen Dank für diesen lesenswerten Artikel, Herr Kermani. – Ilse Kämmer

 

Vielen Dank für den informativen Artikel mit dem Hinweis, das die deutsche Sprache im Plural nur den weiblichen Artikel kennt (warum regt sich darüber niemand auf?). Ich fühle mich als Mann damit trotzdem schon immer angesprochen und hoffe, dass das auch zukünftig so bleiben wird. – Torsten Liermann

 

Chapeau! Wohl das beste Essay, das ich zum Thema „Gendersprech“ gelesen habe. Unaufgeregt und behutsam, aber klar in der Aussage hält Navid Kermani ein überzeugendes Plädoyer für die Beibehaltung des generischen Maskulinums. Die Einbeziehung interkultureller Aspekte, insbesondere des Islam und der iranischen Sprache, bereichern die Diskussion, indem sie – zumindest bei mir – den Horizont weitet. Nochmals, brillant! – Peter Brinkmann

 

Die Vorteile des generischen Maskulinums ließen sich durch einen simplen Geschlechtertausch erhalten. Damit meine ich nicht, dass wir zukünftig ein generisches Femininum verwenden sollen. Einfacher wäre es, für das grammatisch männliche Geschlecht zukünftig das Femininum und umgekehrt für das weibliche Geschlecht, das Maskulinum zu verwenden.

Das jetzige Maskulinum würde damit zukünftig für grammatisch feminine Personen- und Berufsbezeichnungen sowie verallgemeinernd für Personen verwendet, deren biologisches Geschlecht unbekannt oder im Plural gemischt ist. Umgekehrt würde das jetzige Femininum zukünftig geschlechtsspezifisch für die grammatisch männliche Form gelten.

Der Vorteil: Alle Gendersternchen und Unterstriche könnten verschwinden und die Verbindlichkeit der Grammatik bliebe erhalten (sofern sich der männliche Teil der Bevölkerung nicht plötzlich beklagt, er wäre in der Sprache nicht mehr sichtbar). Klingt kompliziert? Schwieriger als die konsequente Aussprache des Glottisschlages und komplexer als die zahllosen Empfehlungen zum Gendern dürfte es kaum sein. Frau, Mann, völlig egal! – Dr. Christian Weber

 

in vielen Punkten, vor allem in den für sein Anliegen wesentlichen, kann ich den feinsinnigen Überlegungen von Herrn Kermani zustimmen. Wenn er aber schreibt, dass niemand von uns geschlechtlich eindeutig sei und die menschliche Sexualität keine starre Dichotomie passt, so reiht er sich gutwillig ein in die wachsende Schar der Illusionisten. Die allermeisten Menschen sind geschlechtlich eindeutig, und die sehr seltenen Ausnahmen bestätigen allenfalls die Regel der geschlechtlichen Dichotomie. Ein Mann, der einen Mann liebt, bleibt ein Mann. Ein Mann, der sich als Frau fühlt, bleibt ebenfalls ein Mann, auch wenn er die Spuren seiner Herkunft mit medizinischer Hilfe verwischen kann. Liebe und Selbstgefühl sind unantastbare Rechte. Aber die Eindeutigkeit des biologischen Geschlechts wird nicht durch die Vielfalt der Orientierung und der gefühlten Identität relativiert.

Schon sehr lange träumt der Mensch davon, sich als etwas ganz besonderes vom Rest der Natur abzugrenzen. Der vermeintlich göttliche Auftrag, sich die Erde untertan zu machen, zeugt eindrucksvoll von dieser Hybris. Jahrhunderte der Aufklärung konnten die Menschen bislang nicht dazu bewegen, sich in die Reihe der Tiere einzugliedern und einzufüheln.. Noch immer befürchtet man eine damit verbundene Entwertung, obwohl das Leben als Tier ebenfalls recht schön und ziemlich entspannt sein kann, wie ich finde.

Doch die Religion ist in den sogenannten progressiven Gesellschaften auf dem Rückzug und wird zunehmend durch einen Kult ersetzt, der nun nicht mehr unsere Art, sondern das Individuum herauslösen soll aus den substanziellen Vorgaben unseres Seins. Verächtlich schauen wir auf unser somatisches Geschlecht und versuchen, die Leinen zu lösen, die uns an unsere Körperlichkeit binden. Und während wir an unserem Spiegelbild feilen, zerstören wir nebenbei die physischen Grundlagen unseres Seins. Ecce homo! – Dr. Christian Voll

 

Als langjähriger Abonnent möchte ich Ihnen einmal mitteilen: so lange ich in der Zeit so kluge Beiträge wie die von Eva Menasse und Navid Kermani in der Ausgabe der letzten Woche lesen darf, bin ich -im Unterschied zu G.Grass- bereit mehrere J. Joffe ( dessen Beiträge ignoriere ich seit er Steuerverkürzung im Privaten -Schwarzarbeit der Haushaltshilfe – als sozialadäquates Verhalten verteidigt hat ) zu ertragen. – U. Reyer

 

Herr Kermani zitiert den Duden: Der Mieter ist ein Mann, die Mieterin ist eine Frau. Wie will der Duden den Verein, die Gesellschaft, das Institut bezeichnen, der, die, das etwas mietet? – Christoph Zahrnt

 

Dass Sprache auch und gerade durch das funktioniert, was nicht gesagt wird, stimmt sicher. Aber leider halt besser für Männer als für alle anderen. Schade, dass zum widerholten Male der Betrauerung eines gefühlten Verlusts sehr viel Text samt auffälliger Illustration gewidmet wird. Dass dieser Text von einem Mann stammt, wundert natürlich nicht. Ich würde mich sehr freuen, wenn anderen Sichtweisen auch entsprechend Raum geboten würde. Es gibt sicher Autor*innen, vielleicht sogar junge, die sich über zwei Seiten Platz freuen würden, um ihre Gedanken zur gendergerechten Sprache darzulegen. Eventuell würde das die Gleichberechtigung ja einen Schritt voran bringen? – Claudia Wagner

 

……….die bedeutendste Autorin unter allen Schriftstellenden der deutschen Gegenwartsliteratur! So geht es auch: knapp, präzise und eindeutig. Eine entscheidende Frage wurde in dem insgesamt klugen Artikel von Navid Kermani nicht beantwortet: Warum ist das generische Maskulinum in der deutschen Sprache überhaupt entstanden? Frauen wurden im öffentlichen Leben nicht als eigenständige Wesen wahrgenommen. Schriftstellerinnen mussten unter Pseudonym schreiben um überhaupt veröffentlicht und gelesen zu werden.

Die aktuelle Diskussion um eine gendergerechte Sprache bringt Unruhe in den „selbstzufrieden in sich ruhenden Sprachsee!“ Die „Frauenwörter“ steigen wie lange im vulkanischen Seegrund gefangene Gasbläschen an die Oberfläche und schlagen Wellen. Dieser Wellengang beruhigt sich erst, wenn alle Wörter im Sprachsee ein neues Gleichgewicht gefunden haben. – Maria Damm-Klein

 

Dieser Essay ist ein wirklich gelungenes Beispiel dafür, dass manchmal auch unvereinbar erscheinende Problembereiche wie die Gleichberechtigung und das generische Maskulinum system-, bzw. ideologieübergreifend und gleichzeitig respektvoll, freundlich-höflich und so unaufgeregt diskutiert werden können. Die prinzipiell entspannte, friedliche und versöhnliche Diktion von Navid Kermani entwickelt bei der Lektüre eine Leichtigkeit in einem Dialog zwischen dem Westen und dem Islam, die in den letzten Jahren v.a. durch die Flüchtlingskrise und die z.T. exzessiven fundamentalistischen Aktionen auf der Strecke geblieben ist. Als öffnete Navid Kermani ein Fenster, aus der all die aufgestaute und aufgeheizte Stickluft entweichen kann. Man kann in diesem Kontext endlich einmal wieder aufatmen und wohlwollend zuhören. So ist ein Dialog möglich. – Gerd Schillmöller

 

Herzlichen Dank an die ZEIT! Endlich kommt ein Schriftsteller zu Wort, der mehr von Sprache und Kultur versteht als die Sprachkulturverächterinnen (es sind ja meistens Frauen), die in Behörden und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten die Sprachleitlinien verfassen, sich also das Recht nehmen, zu bestimmen, was sprachlich korrekt ist, dabei aber erkennen lassen, dass sie die deutsche Grammatik nicht wirklich verstanden haben. Leider spielt dabei immer nur ein Aspekt eine Rolle: Die Sprache soll geschlechtergerecht sein. Mit der Gerechtigkeit ist das so eine Sache; jeder versteht etwas anders darunter. Dass eine Sprache gerecht sein soll, das kann nur Humbug sein.

In einem Punkt widerspreche ich Herrn Kermani, denn ich kann nicht nachvollziehen, warum es immer so dargestellt wird, dass sich die höher gebildeten Schichten durch Gendern auszeichnen. Von höher gebildeten Menschen sollte man doch erwarten, dass sie willens und fähig sind, Ideologien kritisch zu hinterfragen. Früher war das mal ein Bildungsziel. Ich kann bei den Benutzern der Gendersprache nur das Bedürfnis erkennen, sich moralisch über die angeblich Unsensiblen zu erheben, was kein Kennzeichen von Herzensbildung ist.

Wer glauben will, dass mit Sternchen und einer Unzahl von „innen“ in deutschen Texten die Welt gerechter, besser und schöner wird, der darf das glauben und in der Gemeinschaft der Glaubensbrüder und -schwestern gendern. Niemand wird durch Gendern ein besserer Mensch und auch ein Text wird durch Gendern nicht besser und schöner. Kann man erwarten, dass die Menschen lernen, sich für Gleichberechtigung zu engagieren ohne das Kulturgut Sprache zu beschädigen? Man muss es.

Wenn sich Schriftsteller und alle anderen, die Texte verfassen, nicht mehr trauen, die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten der deutschen Sprache voll auszuschöpfen, bedeutet das nur Verlust; es wird keine Gewinner geben (auch keine weiblichen). Ein großes Hindernis auf dem Weg zur Gleichberechtigung sind die Geschlechterstereotypen, die immer noch in den Köpfen spuken (oft unbemerkt). Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Menschen die Ästhetik in Texten höher schätzen als die unschönen und seelenlosen Sprachverrenkungen einer angeblich geschlechtergerechten Sprache.

Herr Kermani befürchtet, dass das generische Maskulinum nicht mehr verstanden wird, weil es seltener benutzt wird. Es gibt da noch einen Hoffnungsschimmer. Die meisten Menschen lehnen die umständlichen Sprachveränderungen ab und verwenden sie im Privatbereich gar nicht. Sehr viele (auch Menschen mit hoher Bildung) sprechen im Alltag Mundart. Da gibt es keinen Sprachkrampf, aber einen reichen Wortschatz. Fast alle Kinder lernen heute in der Schule die englische Sprache. Beim Vergleich können sie feststellen, dass die ständigen Doppelnennungen keinen Vorteil haben und unökonomisch sind, z. B. „vegetarians“ und „Vegetarier“. Wenn das Geschlecht keine Rolle spielt, taugen die Vegetarierinnen lediglich zum Zungenbrechen.

Ich habe als Kind die deutsche Sprache gelernt ohne das Wort Maskulinum zu kennen. Als Frau habe ich mich nie als Opfer der deutschen Grammatik gefühlt. Vielleicht liegt es daran, dass sich die Männer in meinem sozialen Umfeld nicht für unsterblich gehalten haben, da es ja keine männliche Form für die Leiche gibt. Kann man hoffen, dass sich die aktivistischen Ungeister beruhigen, wenn der Begriff Maskulinum verschwindet? Die Männer dürfen natürlich bleiben. Der Sprachwandel in der Vergangenheit hat gezeigt, dass sich überfüssige Längen im Sprachgebrauch abschleifen. Sprachen neigen dazu, einfacher zu werden und nicht umständlicher. Es besteht also noch Hoffnung, dass die Minderheit der lautstarken Ideologen ihre Macht verliert. – Maria Christiany

 

Danke, Dr. Kermani. Ihr Artikel zeigt, dass man mit Worten eine gesellschaftliche Antagonie zwischen Gender- und / oder Gleichberechtigungsbefürwortern (ohne die Gruppe der teilweise physisch und psychischen Millitanz hier einzubeziehen) einerseits und den Bewahrern der (wie sie es zurecht herausheben) Nuanciertheit der deutschen Sprache auflösen kann. Die Gegenüberstellung von sozio-kulturellen Lebenswirklichkeiten mit den Regeln der deutschen Sprache, die Argumente für beide Seiten, das kluge, vermittelnde Abwägen.

Alles geschieht unter Bezugnahme auf die unterschiedlichen Interessenlagen der Befürworter und Befürworterinnen der beiden Seiten. Ich kann mich Ihrer Position nur anschließen. Es braucht keinen „Krieg der Worte“, nur ein wenig mehr Verständnis für die eine und für die andere Position; einen klugen und argumentativ gestalteten Zwischenweg. Danke, dass sie einen solchen prägnant aufgezeigt haben. – Christopher Pitzke

 

Sehr genossen habe ich den Diskurs des von mir sehr geschätzten Navid Kermani zum Umgang der deutschen Sprache und der darin gar nicht vorgesehenen Gendergerechtigkeit. Ich sehe ein, dass von sprachwissenschaftlicher und sprachthteoretischer Bertrachtungsweise unsere Zeit mit diesem Theam z.T. falsche Entwicklungen verursacht (Studierende) und nicht nur der schriftliche Sprachgebrauch unpraktischer wird. Die Differenzierung Herrn Kermanis in der schriftlichen Ansprache seiner Studentinnen macht den anstrengenderen, aber auch respektvollen Umgang deutlich. Meine Kosequenz ist das generische Femininum. Schön ist es, mir vorzustellen wie die männliche Welt sich selbstverständlich darin angesprochen sehen und fühlen kann – und damit wäre auch in der Poesie eine Uneindeutigkeit von Geschlechterzuschreibungen möglich! – Andrea Seegers

 

So sehr ich Sie und Ihr Werk schätze: Bullshit! Als Germanistin kann ich Ihrer Argumentation gegen das generische Maskulinum durchaus und mit Interesse folgen; jedoch als moderne Frau finde ich genau die Argumentation einfach nicht mehr zeitgemäß und ohne jegliches Einfühlungsvermögen für die Wahrnehmung der Nichtmänner in der heutigen Welt. Warum wollen Ihre Studentinnen wohl als Studentinnen explizit genannt werden und sich nicht in die Enge des „Studenten“ fügen? Eben. Selbst für Sie ist es ein „Akt ebenso selbstverständlicher wie auch schöner, das Leben bereichernder Höflichkeit“. Und mit diesem einen Satz machen Sie Ihre ganze gescheite Argumentation zunichte. – Polina Dekarz

 


 

 

Leserbriefe zu „Warum sind Sie besorgt, Juli Zeh?“ Gespräch mit Juli Zeh geführt von Jochen Bittner

 

Da hat uns Juli Zeh ganz schön den Marsch geblasen! Ihr Vorwurf: Wir sind Gegenwartssklaven, die vergnügungssüchtig in den Tag hineinleben und in dieser Haltung von der Politik und den Medien bestärkt werden. Zeh fordert stattdessen die Klugen und Weitsichtigen, die sie trotz allem unter uns vermutet, auf, die Probleme unserer Zeit mit Geduld und Augenmaß anzugehen. Leider sind Herrschaft der Weisen und Demokratie, wie letztere verstanden wird, nicht vereinbar.

Cäsarenkniff//Wenn an heil’ger Stätte/keine Mitternachtsmette;/Wenn nicht der schöne Abi-Ball/und kein ausgelass’ner Karneval;/Wenn im Verein weder Chorgesang/noch der Märsche strammer Klang;/Wenn es an Stränden leise,/wo man soff eimerweise;/Wenn sich Shopper in Einkaufsgassen/und in Stadien die Massen/ nicht mehr einfinden,/weil Behörden’s unterbinden;/Wenn lang man nach Erholung suchte,/und darum frühzeitig buchte,/dann aber kein Flieger ging,/weil alles an Corona hing,/dann ist selbst für die Geduldigen/Schluss. Sie suchen nach den Schuldigen.//

Die möchten wie die Cäsaren/sich des Volkes Gunst bewahren,/die Untertanen ablenken/mit geliehenen Geschenken./Doch selbst wenn jeder Deutsche wüsste,/dass er nicht mehr schuften müsste,/weil ihm der Staat auch ohne Not/Wohnung bezahlte und Brot,/würde es ihm nicht genügen:/Er ist süchtig nach Vergnügen./Darauf will mitnichten/der deutsche Untertan verzichten.//Hat man Corona nicht im Griff,/hilft auch kein Cäsarenkniff.. – Johannes Kettlack

 

Wir beklagen nur noch Wirkungen und verkehren diese in Ursachen. So verstricken wir uns immer tiefer in Wirkungsketten (Teufelskreise) und erleben eine Ohnmacht, die in Verstummen oder in einem vagen Hoffen mündet. Offenbar hat inzwischen die Verwertungslogik (Ökonomisierung) derart umfassend in unsere Welt durchdrungen, dass unsere Existenz nur noch als je individuelle Kundenbeziehungskiste erscheint. Selbst auch im weitgehend entpolitisierten Verhältnis zwischen Staat und Bürgern. Erst bei Störungen in dieser „Kundenbeziehung“ erwachen unsere Freiheits- und Lebensimpulse.

Diese äußern sich paradoxerweise oft in regressiven Affekten gegen unsere grundsätzlich vernunftbasierten, sozialen, liberalen und humanen Verhältnisse. Wo es eigentlich Diskurse und eine wachsende Mündigkeit geben müsste, verfestigen sich Infantilisierung und Unmündigkeit. Hinzu kommt erschwerend, dass von rechts dieses Unmündigkeitspotenzial gefördert und abgegriffen wird.

Was hilft: Abholen? Augenhöhe? Entlarven? Ausgrenzen (Spaltung!)? Beschwören (Zusammenhalt!)? Bestrafen? Ignorieren? Verlachen? – Wenn nicht nur mangelnde Einsichtsfähigkeit das Problem ist, sondern die für uns alle bedrohliche Verwertungslogik, dann müssen wir einen gemeinsamen Weg zu dieser Ursache finden. Dies ist angesichts der großen Transformationsthemen ohnehin erforderlich. Gemeinsamer Treffpunkt für den Start: Respekt. – Reinhard Koine

 

Vielen Dank an die kluge Frau Zeh für das – für mich erhellende – Gespräch mit Herrn Bittner. Und das in einer unaufgeregten, entideologisierten Sprache. Ich verwende ihre Worte: „Das war ein ruhiger, guter, wohlabgehangener Artikel“. Frau Zeh hat in allem Recht. Es ist nur sehr schade, dass sich solche Menschen, wie auch solche aus Ihrem publizistischen Umfeld zurücknehmen: Wenn all die Klugen nachgeben, übernehmen die Dummdreisten das Feld. – Klaus Prinz

 

Frau Zeh spricht mir aus der Seele. Vor allem ihr Vergleich des „jemanden auf Augenhöhe irgendwo abholen“ mit dem Papa, der in die Knie geht, um seine Kleine an der Kita in Empfang zu nehmen, ist köstlich und entlarvt bestens, dass es sich hierbei lediglich um leere Phrasen handelt. – HERBERT KORN

 

Eine bessere Analyse dessen, was vor allem in Sachen demokratischem Miteinander bei uns in Deutschland so alles schief läuft, habe ich bis jetzt noch nicht gelesen. Ganz außergewöhnlich: es werden Lösungsansätze ver- mittelt, die vernünftig und machbar sind. Wunderbar das Fazit von Frau Zeh: „Sobald wir die moralische Selbstverzwergung satt haben, braucht die Aufmerksamkeitsökonmie ein neues Geschäftsmodell.“ (Was für ein Satz – wow!) – Thomas Goebel

 

Was für eine einleuchtende Frage: „Ist mein Verhalten dem Funktionieren der Gemeinschaft zuträglich oder soll es in erster Linie …. meinem Ego dienen?“ Wenn wir alle sie vor jeder Meinungsäußerung – ob analog oder medial – prüfen würden, könnte sie nicht nur jeden Diskurs, vielleicht sogar die ganze Welt verbessern. – Barbara Rogge

 

Brillante Analyse der gegenwärtigen Situation, allerdings glaube ich, dass an den Shitstorms vor denen sich alle fürchten weniger „Stormer“ beteiligt sind als man annimmt. Trollgesteuert. Wie Frau Zeh vorschlägt, einfach mal ignorieren, löschen und, ich bitte um Verzeihung, deswegen nicht in die Hosen scheissen. – Willi Krebser

 

Ich wüßte nicht, warum man besorgt sein sollte über eine ohnehin „nicht fassbare Gruppe“ von Menschen, die mal so oder mal so in Erscheinung tritt, kein Demokratieverständnis hat oder sogar befindet, sich angesichts der Corona-Regeln „in einer Diktatur sich wähnend“. Diesen Leugnern und Verweigerern sollte man mal klar machen, wie es sich „in so einer Diktatur wirklich lebt“. Dabei ist „Das von gestern“ und alles, was so nach dem Mauerfall zum Verdruß geführt haben mochte, ziemlich marginal.

Wir sind im Jahr 2022 und vor uns stehen mächtige Aufgaben der Bewältigung an. Andererseits – es ist ganz banal – nämlich alles eine Sache der guten Erziehung, und die fängt zuhause an und nicht erst im Kindergarten oder in der Schule. Eine Sondersache kommt ganz sicher den Zugezogenen aus der ganzen Welt zu uns und ihr Verständnis vom Deutschen Staat. Teilweise geistert bei denen noch „eine gehörige Portion von Hitler-Bildern“ im Kopf herum.

Dabei sage ich denen immer wiederholend, wenn der dumme deutsche Kaiser Wilhelm II nicht den
Startschuß zum Weltkrieg I gegeben hätte, hätte sich auch „kein Hitler“ entwickeln können, am Ende eine „Rechnung“ mit über 80 Mio Toten ! Die sog. Gedruckten Medien, und das Internet (ggfls. das Fernsehen, der Rundfunk) geben andererseits auch mächtig Anlaß, sich aufzuregen, abgesehen von der Dringlichkeit, sich an natürlichen Personen zu rächen, ohne den Wahrheitsgehalt der Medien zu verifieren. – Rainer Rehfeldt

 

Krasser totaler Like-Storm für Juli Zeh und gegen ein neues Geschäftsmodell für die Aufmerksamkeitsökonomie. Das kann gerne auslaufen. Auch in den Medien! – Bettina Stein

 

Juli Zeh trifft genau den „löchrigen Zahn der Zeit“ in dem Gespräch mit Jochen Bittner. Ich bewundere ihre Sprachgewandtheit, das Denken der Bürger zu analysieren. Die Lektüre ist genau wie ihre Bücher eine Bereicherung und macht Hoffnung, dass die Erkenntnis durchdringt, dass wir alle aufeinander angewiesen sind und sich diese sog. Fast-Food-Moral irgendwann auslebt. – Monika F. Allerston

 

Nach nahezu 50(!) Jahren Zeit-Abo wollten wir dieses schon gelegentlich wegen Inhalten und diverser Artikel kündigen. Die beiden sehr starken Beiträge, das Interview von Juli Zeh und der Artikel von Christian Nürnberger haben uns (wieder einmal) bewogen, doch weiterhin Zeit Leser zu bleiben. Danke an beide – und die Zeit. – Hanne und Prof. Dr. Dr. h.c. Georg Mueller

 

Frau Zeh sagt im Interview: „Politiker ziehen sich aus Angst vor der öffentlichen Erregung aus der Verantwortung zurück“ und verlagern diese auf die Unternehmer. Wenn ich das in der heutigen Tagesschau schon wieder höre: „Wir treffen uns im Januar noch einmal“! Und dann? Entscheiden wir im März…daß wir uns im April dann nochmals treffen? Worauf warten die eigentlich!?? Frau Zeh weiterhin: „Genug gestritten liebe Bürger, hier ist die Impfpflicht, bitte schön!“. Ja eben, dann macht mal endlich! Im Ernst: Wofür haben wir die eigentlich gewählt??

Wenn sich jemand vor Entscheidungen und Verantwortungsübernahme drückt, weil er „Schiß“ vor Reaktionen hat, muß man das fehlende Courage nennen. Wenn sich Politiker vor Entscheidungen drücken, weil sie um Ihre Beliebtheit und schlechte Umfrageergebnisse fürchten, kann man das nicht mehr „fehlende Courage“ nennen, sondern das ist einfach nur erbärmlich! Und das ist noch s e h r milde ausgedrückt. Wir haben die Leute, insbesondere im Hinblick auf diese Ausnahmesituation gewählt, damit sie klare und wirksame Regeln aufstellen und entsprechende Gesetze beschließen – und nicht kläglich herumeiern!

Was da jetzt passiert -im Hinblick auf „klare Kante“ und damit meine ich die allgemeine Impfpflicht, ist einfach feige und exakt das, was leider von einem „modernen Politiker “ zu erwarten ist – Herumlavieren aus Feigheit! Zeigt endlich mal, wozu ihr eigentlich da und gewählt worden seid und verabschiedet eine allgemeine Impfpflicht u n d härtere Strafen bei Verstößen. Und zwar sofort und nicht erst im März!! Die ständig beschworene „5.Welle“ wartet bestimmt nicht bis März! Und danke nochmals für die erhellenden Worte der Verfassungsrichterin Juli Zeh! – Frank Hiller

 

Vielen Dank für dieses abgeduckte Gespräch, dass mir zu mindestens 90% aus dem Herzen gesprochen hat und viele Nägel auf den Kopf trifft, sowohl seitens Herr Bittner wie auch seitens Frau Zeh. Zuerst der Artikel über die verschiedenen „Verdrossenheiten“. Man fragt sich, ob es am Ende nicht auch eine Art Realitäts-Verdrossenheit ist oder auch eine „Komplexitätsverdrossenheit“ oder eine Verdrossenheit, dass es den verantwortlichen immer noch nicht gelungen ist, die Quadratur des Kreises zu lösen oder die Gesellschaft zu waschen ohne irgendjemand nass zu machen. Bei einigen Stellen habe ich allerdings auch Fragezeichen gesehen. So bei dem Satz „ob wir eigentlich noch an „die“ Demokratie glauben“.

Es gibt ja unzählige Vorstellungen und mögliche Varianten von Demokratie, wovon die einen funktionaler oder realistischer und die anderen weniger sind. Die Worte „globale Erwärmung zur akzeptierten Ausrede für Naturkatastrophen“ scheint mir etwas missverständlich, denn es klingt, als sei die Erwärmung überhaupt nicht (mit) ursächlich; allerdings ist sie natürlich keine Ausrede für mangelhafte Anpassung an diese Erwärmung bzw. für Vorbeugungs- und Milderungs-Maßnahmen, solange dies bei weiterer Verschlechterung des Klimas noch möglich ist.

Bei der Forderung „einfach aufhören, … zu bashen, zu emotionalisieren, zu rivalisieren“ würde ich gern das Wort „NUR“ergänzen, denn ganz verzichtbar oder gar abschaffbar sind Emotionen und auch Rivalitäten auch in der Politik und den Medien nicht. Wissenschaftliche Untersuchungen haben auch gezeigt, dass Menschen ohne neuronale Verbindung zwischen Fakten bzw. Argumenten und Emotionen kaum noch Entscheidungen fällen können, selbst bei einfachsten Sachen.

Was natürlich fatal ist, sind die Einseitigkeiten und Übertreibungen der Sensationalisierungen, Skandalisierungen und Emotionalisierungen, das fehlende Gleichgewicht und Maß(halten). Ganz zu schweigen natürlich von Grenzüberschreitungen wie Lügen, Beledigungen, Einschüchterungen, Drohungen oder auch „nur“ Diffamierungen. Ähnlich sehe ich es bei der „moralischen Substanz“, die natürlich nicht allein vom Staat geschaffen werden kann, die aber auch von ihm zumindest ermöglicht und gefördert werden sollte und schon gar nicht behindert, erodiert oder entwertet werden sollte.

Der Wunsch, dass alle sich vor öffentlichen Äußerungen selbst fragen “ ist mein Verhalten dem Funktionieren der Gemeinschaft zuträglich oder soll es in erster Linie nur meiner Meinungsblase oder meinem Ego dienen?“ oder dass es uncool sein sollte, sich an einem Shitstorm zu beteiligen, (wenn Shitstorm unfaire und intolerante und nicht jegliche Kritik meint), wäre sicher sehr schön, dürfte aber ein zumindest noch sehr, sehr langer Weg sein.

Dies würde in eine Art neue „I have a Dream“-Rede passen, zu der auch Sätze gehören könnten wie “ . . . dass die Wähler nicht nur danach entscheiden, was/wer ihnen oder ihrer Gruppe gegenwärtig persönlich nützt, sondern auch den anderen und auch der Zukunft der Kinder und Enkel, sogar noch gar nicht geborener, dass die Menschen Nachrichten nicht nur lesen und weitergeben, weil sie sensationell oder aufwühlend sind, sondern, weil sie den inhalt und den Urheber überprüft und begründet vertraut haben, … dass die wohlhabenderen — Länder und Menschen — den ärmeren und schwächeren aus Selbstverständlichkeit helfen, auch nachhaltig zu leben und nicht um eine Ausrede zu haben, selbst wieder zerstörerisch zu handeln

… dass die Menschen nicht nur diskutieren, was die Regierungen besser machen und „liefern“ müssten, sondern auch wie sie denen bei der Erreichung des Guten oder besseren helfen können, Dass sie Gutes nicht nur fordern, sondern auch tun oder zumindest nicht entgegenwirken, dass sie bei ihren Forderungen sich vorher fragen, ob das nicht eine Quadratur des Kreises ist oder eine Art Forderung, sich oder etwas zu waschen ohne irgendjemand, besonders das eignene Kollektiv, nass zu machen“. – Peter Selmke

 

Wieder einmal hat die ZEIT bewiesen wieviel Meinungsvielfalt möglich ist. Ein so kluger, intelligenter und sicher vielen aus der Seele gesprochenes Gespräch mit Juli Zeh hat mir schon zum Frühstück Vergnügen gemacht. Die sozialen Medien mit ihren oft undifferenzierten Kommentaren, Hassmails verderben das Klima, zerstören, weil es so viele sind und lösen beim Leser nur unbewußte Wut. (Von nichts eine Ahnung, aber zu Allem eine Meinung). Ich danke Ihnen von der Zeit und den Journalisten, die recherchieren und uns aufklären. – Ute Timmerman

 

Juli Zehs Roman „Corpus delicti“ war einst ein leidenschaftliches Plädoyer gegen ein staatliches System, das seinen Bürger*innen vorschreibt, wie sie für ihre Gesundheit zu sorgen haben. Heute bescheinigt die Autorin Menschen, die sich als Individuum dem Staat gegenüberstellen, ein „infantiles Politikverständnis“ und behauptet allen Ernstes, „selbstbewusstes Entscheiden“ der Politik habe eine „entlastende und entspannende Wirkung“. Denn man müsse sich unter Eheleuten oder Freunden dann nicht mehr „ständig darüber entzweien, ob wir eine Impflicht brauchen“. In „Corpus delicti“ hieß es noch: „Ich entziehe einem Staat das Vertrauen, der besser weiß, was gut für mich ist, als ich selbst.“

Der Vorkämpferin gegen die Gesundheitsdiktatur wirft das System im Roman „ein Übermaß an geistiger Unabhängigkeit“ vor. Juli Zeh dagegen fordert im Interview von der Politik Ansagen wie: „Genug gestritten, liebe Bürger, hier ist die Impfpflicht.“ Damit redet sie einem autoritären Staat das Wort und begründet das ausgerechnet mit Helmut Kohls, der die Wiedervereinigung „auf Biegen und Brechen“ durchgesetzt habe.

Descartes‘ Satz „Ich denke, also bin ich“ stand einst am Beginn der Aufklärung. Damit brachte er gegen den Untertanenglauben den Zweifel des mündigen Bürgers in Stellung. Mit den heute nicht nur von Präsidenten ärztlicher Verbände dekretierten Denkverboten stirbt die Aufklärung. Längst verpönt ist Kants Satz: „Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen.“ – Klemens Bott

 

Wieder mal festgestellt, dass es vor rund 50 Jahren die richtige Entscheidung war, die ZEIT zu abonnieren. Jochen Bittner und Juli Zeh, viel mehr geht nicht. Von den sog. Sozialen Medien bekomme ich durch Hörensagen etwas mit. Ich frage mich dann, wer so viel Zeit hat, sich an Shitstorms zu beteiligen. Dann frage ich mich: wer ist das, der sich beteiligt? Geschlecht, Alter, Wohnort, Beruf, etc. Gibt es dazu Untersuchungen? Sind das die gleichen Menschen, die auch diese unsäglichen Talk-Shows sich ansehen? Oder die extrem Niveaulosen Quizsendungen? Oder sind das Menschen, die das Spiel „Empörpoly“ (ZEIT Nr. 1 vom 30.12.2020) nicht verstanden haben? Vielleicht sind meine Fragen nicht so wichtig. Vielleicht ist es besser, solche Menschen einfach zu ignorieren. – Hartmut van Meegen

 

Bei allen zutreffenden Argumenten von Frau Zeh – Einen Punkt als Ergänzung: Komplexe Erkenntnisse und fachliche Einsichten zu gewinnen, verlangt gründliche Arbeit. Wenn man zu dumm, zu faul oder schlicht zu bequem ist, kommt man mit oberflächlichem „Schönschwätz“ heute auch in der Politik oder „Blase“ schon weiter. Ähnliches gilt leider für Wikipedia, wo inzwischen auch politisch brisante Stichwortgruppen von bestenfalls halbgebildeten Menschen einer bestimmten Denke gekapert worden sind. Versuchen Sie einmal, einigen dort verbreiteten Unsinn zu korrigieren! – Prof. Emeritus Dr. Wolfgang Ströbele

 

„Könnt ihr das nicht einfach lassen? Hört doch einfach auf, zu bashen und zu emotionalisieren und zu rivalisieren!“ Diesen Worten von Juli Zeh ist inhaltlich nichts hinzu zu fügen. Mein Wunsch wäre, dass diese Zeilen in der ZEIT-Redaktion zur täglichen Pflichtlektüre werden. – Axel Felsch

 

Ich kann Frau Zeh nur zustimmen. Ich gehöre auch zu der „riesigen Menge von Menschen … die Nase voll von diesem ganzen Geplätscher und Geschrei“. Frau Zeh spricht hier auch repräsentativ für mich. – Matthias Preis

 

Ich bin sehr froh, dass Karl Lauterbach Gesundheitsminister ist. Nach dem Lesen des Interviews mit Juli Zeh denke ich, die ich ihre Bücher liebe, ob es Deutschland nicht guttäte, es hätte sie als Bundeskanzlerin. – Birgit Jennerjahn-Hakenes

 

Bravo und danke für dieses Gespräch. Juli Zeh vermag es wie wenige, die politischen Verhältnisse im Land zu durchschauen und sprachlich auf den Punkt zu bringen. Da hat jeder Satz Substanz und regt zur Reflexion an. – Ludwig Engstler-Barocco

 

Selten habe ich einem Zeitungsbeitrag so 100%ig zugestimmt, wie Ihrem Interview. Ja, wie ich haben viele Menschen (die ich kenne) die Nase voll von der permanenten Aufregungsberichtserstattung. Einfach mal die ‚Klappe halten‘ und sich auf wirklich relevante Themen konzentrieren, das wäre schön. Dies gilt für die meisten Menschen, ob in der Öffentlichkeit stehend oder/und twitternd. Ich teile Ihre Hoffnung, dass die Gesellschaft alsbald diesem Hype überdrüssig wird und Relavanz und Moral wieder Einzug halten in unseren kommunikativen Alltag. – Eberhard Goette

 

Zwei Punkte möchte ich besonders erwähnen. Wenn die Bürger heute Eine hohe Erwartungshaltung gegenüber dem Staat haben, dann haben Alle Regierungen nach 1945 sehr stark daran gearbeitet, dass sich eine Soche Haltung erst entwickelt. Und diese jetzige Regierung ist da keine Ausnahme. Zum anderen möchte ich doch mal sagen, dass das Wort Souverän nicht mehr so richtig in die Landschaft passt. Ich kann mir Nicht vorstellen, dass es heute immer noch diesen Souverän gibt, den Man sich mal darunter vorgestellt hat. – Manfred Mengewein

 

Vielleicht ließe sich das von Frau Zeh befürchtete Anwachsen der Demokratieverdrossenheit durch eine Definitionserweiterung aufhalten, indem Demokratie als Spielart von Monarchie verstanden wird. Dann gibt es eben nicht den exklusiv einen Souverän gibt, sondern alle können König oder Königin sein. Heißt, dass jeder Bürger die von Frau Zeh gestellte Frage: „Ist mein Verhalten dem Funktionieren der Gemeinschaft zuträglich …?“ mit Ja beantworten kann und das gleichzeitig als Grundlage seiner Selbständigkeit ansieht.

Damit hängt ein anderer in dem Interview verwendeter Begriff zusammen: die Gefühle. Da sollte mehr unterschieden werden, ob die auf eigenen Erfahrungen und Erkenntnissen beruhen, oder ob sie auf Übereinstimmungen mit Zugehörigkeit suggerierenden, also unkritisch übernommenen Mustern beruhen. Denn dann sind es verinnerlichte Konditionierungen. Wer daran arbeitet, sich von solchen nicht beherrschen zu lassen, wird auch nicht in das pauschale Lamento gegen „die da oben“ einstimmen. – Christoph Müller-Luckwald

 

Es war eine Freude Ihre Fragen und Aussagen in diesem Interview zu lesen. Frau Zeh ist endlich mal jemand, und anders war es nicht zu erwarten, eine Frau, die öffentlich intellektuell präsent und in hoher staatlicher Verantwortung steht, die sich der allgemeinen Aufgeregtheit und dem patriarchal moralisierenden Gelaber der heute Wichtigtuenden entzieht. Nicht nur, die sich dem auch bewusst entgegen stellt. Ich wünsche mir die Zeit bleibt auf diesem Pfad. Es ist überfällig die assoziale Unkultur der sog. „sozialen“ Medien dahin zu befördern, wo sie hingehören: in die Mülltonne der Geschichte. – H. Giller

 

Erfrischend klar, direkt und doch noch maßvoll sind – bei aller analytischer Kritik an einigen Unarten im öffentlichen und medialen Hick-Hack – die Äußerungen von Frau J. Zeh zur Art und Qualität öffentlicher Dispute. – Humor ist auch ein Weg und Mittel, nicht immer wieder auf enges Empörungs-Gehabe nur gleich oder ähnlich re-agieren zu müssen. – Jürgen Germann

 

Chapeau und bravo liebe Frau Zeh. Selten, oder bisher fast gar nicht, eine treffendere Gesellschaftsskizze gehört oder gelesen. Eine Gesellschaft wird durch ihre Kultur geprägt, nicht durch ihre Politik. Wir wünschen uns mehr Mut von allen Künstlern, die etwas zu sagen haben, Stellung zu beziehen. Warum nicht auch mal auf der ersten Seite. Her mit Helene Fischer und Harald Schmidt. Warum nicht eine kulturelle Politikberatung installieren. Denken ist Macht! P.s. Intrigen mal ausgenommen. P.p.s. Diese verflixte Dualität. – Felo Bernau

 

Danke Juli Zeh! Peinlich berührt habe ich meine Parteiabgeordnete im Netz nachgeschaut – nicht gegoogelt, geecosiat – und die Termine der nächsten Stadtratssitzungen telefonisch erfragt. Auch, ob ich dort teilnehmen kann. Und nun gibt es wahrhaftig die erste – sicher notwendige – Selbsthilfegruppe für Menschen, die Angehörige oder Freundinnen haben, die Coronaleugnerinnen sind. Ja, es ist eine kommunkativ sehr anstrengende Zeit.

Mir ist es wichtig im direkten Gespräch zu bleiben. Alle Medien sind diesbezüglich hinderlich. Vielleicht ist das eine Lehre im Nachhinein, in 20 Jahren mit dem Rückblick auf diese jetzige Zeitenwende. Jedenfalls haben wir mit unserer umfangreichen Postkarten- Weihnachtspost ein „fröhliches neues Jahr“ gewünscht, „denn Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ – Andrea Seegers

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Kirche ist links-grün? So soll sie sein!“ von Christian Nürnberger

 

Der Erwiderungstext Herrn Nürnbergers auf den Artikel Frau Bednarz‘ kann nicht unerwidert bleiben. Begriffe der modernen politischen Debatte lassen sich so oder so nicht einfach aus der Bibel herauslesen. Jesus hat nie eine „soziale Schieflage“ kritisiert und es wird auch nicht von einer „gerechten Verteilung von Milch und Honig“ gesprochen. „Das Leid der kleinen Leute“ wird eben nicht zum Thema. Der Samariter ist vor allem die Warnung vor frömmelndem Hochmut der jüdischen Elite.

Zum Thema wird die Freiheit des Willens der Kinder Gottes und ihre Gleichheit vor Gott. Zum Thema wird einerseits ein moralisch-religiöser Rigorismus für Gott aber andererseits auch das Verdammen eines moralischen Rigorismus angesichts der Fehlbarkeit der menschlichen Natur. Solidarität ist dieser menschlichen Natur nicht fremd, aber sie ist eben auch nicht selbstverständlich. Dem Kaiser soll gegeben werden was des Kaisers ist, Jesus fordert keinen Umsturz des Systems. Ziel des Christentums jeglicher Couleur ist das Reich Gottes. Das ist jedoch nicht von dieser Welt.

Parallel dazu gibt es in unserer entzauberten Welt offenbar ein wachsendes Verlangen nach Beschäftigung mit diesen jenseitigen Dingen. Das ist der Hintergrund für ein neues missionarisches Verständnis der Kirchen und wenn sie dabei Freiheit , Gleichheit und Solidarität vorleben will ich frohgemut dabei sein. Eine linke oder rechte, rote, grüne, gelbe oder schwarze Haltung ist dabei unbenommen. – Bernhard Busch

 

Der Beitrag kann nicht unwidersprochen bleiben. Der erwähnte „EKD-Bischof“, der erst spät mit Namen genannt wird, hat mit seiner fortlaufenden Politisierung der kirchlichen Botschaft der evang. Kirche keinen guten Dienst erwiesen. Mit mehreren unpassenden Äußerungen in der Pandemie ( „Herr lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen,…“) hat er sich keineswegs als guter theologischer „Kunsthandwerker“ erwiesen. Die Kirchenaustrittszahlen der letzten Jahre sind deshalb nicht geringer geworden, vielleicht haben sie sogar noch zugenommen, wegen des Herrn Bedford-Strohm.

Wenn die Kirche das Thema Armut und Reichtum in der Gesellschaft aufgreift, handelt sie gewiss biblisch. Aber sie selber ist Teil des Reichtums, müsste sich viel bescheidener machen, konsequent den Idealen Jesu nachfolgen. Der Triumphalismus, mit dem Pfarrer noch immer im Gottesdienst agieren, steht dem Armutsgebot Jesu und dessen Lebensmaximen entgegen.

Ja, Jesus und Paulus weisen auf die Ungerechtigkeit des politischen Systems ihrer Zeit hin, aber sie fordern zugleich, dem Kaiser das zu geben, was ihm gebührt und Gott, was Gott gebührt. Jesus spricht vom Reich Gottes, das nicht von dieser Welt sei. Die Kirche jedenfalls geht fehl, wenn sie meint, mit der Bergpredigt der Politik Ratschläge für ihr Handeln geben zu müssen, da dieses Programm primär für die Gemeinschaft der Gläubigen gedacht ist. In jedem Fall täte mehr Staatsferne der evang. Kirche gut. Abschließend verweise ich noch auf die Sündhaftigkeit der evang. Kirche selber, was den Missbrauchsskandal und seine schleppende Aufarbeitung angeht. – Stefan Kaisers

 

Herzlichen Dank für Ihren Beitrag zu dem oben genannten Thema. Als ich den Artikel von Frau Liane Bednarz las, war ich nicht nur ein wenig erbost, ich sah mich umgehend aufgefordert, darauf zu antworten. Die ersten Zeilen waren geschrieben – jedoch es blieb dabei. Ich habe nicht vollendet, was jetzt Herr Christian Nürnberger in viel eindrücklicher Weise getan hat: er hat eine Antwort verfasst und alles um ein Vielfaches besser dagegengehalten, so, wie ich es niemals hätte zustande bringen können.

Ich sehe ich mich aber in jeder Zeile dieses Beitrags bestätigt und in meiner Meinung gefestigt: So, wie Frau Bednarz das einfordert, wäre es mit den Kirchenaustritten in der Evangelischen Kirche noch viel verheerender und für den Glauben in Deutschland noch viel problematischer, als dies gegenwärtig (und wohl auch in der Zukunft) ohnehin der Fall ist.

Ich bin selbst Mitglied der Evangelischen Kirche und ein Christ, der in diesem Leben mehr Fragen als Antworten hat und so mit dem Glauben immer wieder in ein Loch fällt. Ich will glauben. Ja, aber nicht mehr so, wie es die Bibel vor 2000 Jahren gelehrt hat. Mein hochgeschätzter, konservativer Nachbar – er ist tiefgläubiger Pietist – fordert (in seinem ihm eigenen sanften Ton) „Man kann die christliche Botschaft nicht neu erfinden!“ Ich lege das anders aus als er: Ich brauche auf meine täglichen Zweifel Antworten im Hier und Heute. Was würde Jesus auf die drängenden Fragen des Alltags im Jahre 2022 sagen?

Ich gestehe, das ich mit den Gottesdiensten in unserer Gemeinde, wenig bis gar nichts mehr anfangen kann, wenn es abläuft wie im Konfirmandenunterricht. Wonach es mich drängt, sind Antworten für meinen Alltag, für das Miteinander und die Probleme unserer Gesellschaft zu erhalten. Der frühere EKD-Vorsitzende war da für mich immer ein großes Vorbild und ich ein interessierter Zuhörer seiner Auslegung des Christentums. So danke ich dem Publizisten, Autor und Theologen – aber auch der ZEIT – für diesen wunderbaren Artikel in ihrer letzten Ausgabe. Und danke, dass es DIE ZEIT gibt. – Peter Krämer

 

Der Autor wehrt sich mit Bibel-Zitaten und allgemeinen Hinweisen gegen den Vorwurf, seine Stellungnahme sei sozusagen die eines ´Gutmenschen`. Tatsächlich verschweigt er aber, dass er Bedford-Strohm und anderen Fundamentalisten nicht die Einsicht in konkrete Situationen in Süditalien, Griechenland, Malta, Spanien (usw.) zutrauen kann. Das Allgemeine (z.B. die Barmherzigkeit) muss von situativer Einsicht und damit konkretem Urteil bestimmt werden.

Wie man fundamentale Werte als Kompass nimmt und mit dem realen Leben verbindet, kann man in dem Buch „ Das Schattenprinzip „ von Ruediger Dahlke lesen. Allerdings sollte man prüfen, ob Bedford-Strohm beim Kauf eines Schiffes zur Rettung von Migranten nicht ungewollt in Kauf nimmt, dass weiter und vermehrt Menschen im Mittelmeer ertrinken. Oder meint er wirklich, im Nahen Osten, in Afghanistan und anderswo würden nicht Millionen Menschen nach Deutschland kommen wollen. – Klaus Strupkus

 

Herr Nürnberger, gerne kläre ich für Sie die „blöde Frage“ nach dem Kern des christlichen Glaubens, den Sie anscheinend noch nicht gefunden haben. Er lautet: „ Jesus ist der Christus“ an ihn glauben die Christen als den Sohn Gottes und Heiland der Welt. Alles andere ist Folge und die kann zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich bewertet werden. Für irdische Probleme gibt es immer Handlungsalternativen, für den christlichen Kern nicht. Der christliche Glaube ist also viel mehr als Diakonie, und dafür haben die christlichen Kirchen nicht mal ein Monopol. – Dr. Dieter Distler

 

„Ich kann es nicht mehr ertragen, einen Gottesdienst zu besuchen ,wo vorne im Altarraum eine Pastorin, unter Abspielen von Liedern Rolf Zuckowskis, mir den Klimawandel tanzt.“ (Harald Schmidt) Dieser spöttische Satz des alten Zynikers ist zwar rabenschwarz böse, trifft aber, wie alle gelungene Satire, den Punkt. Er beschreibt das Unbehagen, welches Liane Bednarz empfindet, und was Christian Nürnberger wiederum kritisiert. Natürlich hat der alt68ger Publizist insofern recht, daß das soziale Engagement und der Kampf für soziale Gerechtigkeit zur DNA des Christentum gehört. Aber es ist eben nicht sein Kern.

So absolut erforderlich dieses Engagement ist, erklärt er nicht wozu wir dafür überhaupt eine Religion brauchen. All dies tun sämtliche Menschenrechts-Gruppierungen in vorbildlicher Weise ja auch. Vom atheistischen „Humanistischen Weltbund“ über Greta bis hin zur kleinsten NGO. Was aber ist das Proprium, das Merkmal aller gesunden Religion? Es ist der Trost wider alle scheinbare Vergeblichkeit. Es ist die Hoffnung wider alle Hoffnungslosigkeit. Es ist jene transzendente Zusage , daß niemand verloren geht. Denn das weiß doch jederman/frau: Selbst bei größter Anstrengung fallen Unzählige durch das Raster. Was ist mit den Millionen die verhungert, getötet, ertrunken, erstickt sind? Die völlig unschuldig dahingerafft wurden?

Was sage ich einer Mutter (auch einer wohlhabenden) zum Trost, deren Kind als Leiche in Ihrem Schoß liegt? Wenn überhaupt kann Sie nur Eines trösten. „Sei gewiß, jeder Mensch hat eine Seele, einmalig und kostbarer als das ganze Universum-und Nichts, auch nicht der Tod kann diese Seele zerstören. Du wirst Dein Kind wiedersehen. …“ Diese österliche Perspektive ist, laut Paulus, das innerste Wesen aller gesunden Religiösität, und dies sollte der Kern religiöser Rede sein. Das hat Liane Bednarz gemeint- und Ihren Wunsch als „billige Jenseitsvertröstung“ zu schmähen ist nicht nur ungerecht, sondern widerspricht dem Kern der christlichen Osterbotschaft. – Willibert Pauels

 

Der Autor dieser Gegendarstellung gibt sich große Mühe, mit allen theologischen Verrenkungen den Irrweg der evangelischen Kirche (s. Zahl der Austritte) zu rechtfertigen. Soziale Ungerechtigkeiten müssen überwunden, wirklich Hilfsbedürftigen muss geholfen werden, die Welt muss gerechter muss humaner werden. Doch dafür kann man sich ganz einfach für Greenpeace engagieren oder den Linken zuletzt auch den Grünen beitreten. Dazu braucht man die Kirche nicht, die sich gemütlich der vom Staat eingetriebenen Beiträge bedienen kann, um damit ungefragt einseitige politische Ambitionen zu verfolgen. – Wolfgang Sommermeyer

 

Herr Nürnberger kritisiert die Forderung von Frau Bednarz ( ZEIT Nr.53/21 ) die evangelische Kirche möge sich gefälligst auf ihren Kern besinnen. Dem setzt der Autor In seinem Artikel entgegen, die Neigung die Kirche auf private Seelenheil festzunageln, sei ebenfalls politisch , nur halt politisch reaktionär. Damit schüttet der Autor des Artikels allerdings „ das Kind mit dem Bade aus.“

Selbstverständlich ist es eine Aufgabe der Kirchen, sich für die Schwachen und Verfolgten einzusetzen. Abe eine Kernaufgabe auch der evangelischen Kirche ist aus meiner Sicht „den Menschen im Leben und über das Leben hinaus eine geistige Heimat zu geben.“ Dies sollte nicht als „reaktionäre Seelentrösterei „. abgetan werden. Es ist auch nicht klug, wenn sich Verantwortliche der evangelischen Kirche , wie es der Autor rät, sparsam zu der Frage äußern würden : „Was nun mit dem Tod und dem was dann danach kommt ? „

Aus meiner Erfahrung wird in der Kirche Vorort der etwas angestaubt wirkende Wunsch nach einer Seelsorge vielfach verdrängt. Es fällt der evangelischen Amtskirche anscheinend besonders schwer Menschen mit ihren Ängsten, Wünschen und Sehnsüchten zu erreichen und eine geistige Heimat zu geben. Wieviel Kraft von der christlichen Botschaft ausgehen kann schrieb der Regisseur Christoph Schlingensief während seiner Krebserkrankung : Da erschien mir doch plötzlich aus dem Nichts der Satz : So sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund …….und meine Seele ist plötzlich geheilt . In der christlichen Botschaft liegt eine starke spirituelle Kraft .Diese Gilt es auch (wieder ) für die evangelische Kirche kraftvoller zu erschließen, So darf man sich auch mit wundern, dass immer mehr Menschen der Kirche den Rücken zukehren. – Michael Schöttle

 

Die evangelische Kirche bereitet seit langem unbeirrbar,zielgerichtet und fern jeder Einsicht und Warnungen ihren eigenen Weg in die Bedeutungslosigkeit vor.Aus ihrer fundamentalen religiösen Aufgabe der Seelsorge hat sie sich immer stärker entfernt,indem sie ungefragt und unaufgefordert politische Probleme von links nach linksaußen vertritt und dabei auch die letzten treuesten Anhänger vertreibt.Sie kümmert sich um jugendliche Migranten und Wirtschaftsflüchtlinge statt um unsere verschämten Armen:Renter,Arbeitslose und Obdachlose,die gerade jetzt Der tatkräftigen Hilfe und des Zuspruchs bedürfen Sie wird damit zu einer politischen Randpartei und unterlegt den Gesetzen des politischen Marktes.

Sie biedert sich in unwürdiger Weise der Katholischen Kirche unter dem nur von ihr angestrebten Ziel der Wiedervereinigung an.So duldet sie bei Pfarrern die Aufgabe des Lutherkragens während der Predigt und ist sich nicht zu schade,das Unfehlbarkeitsdogma der Päpste seit 1870 ebenso hinzunehmen wie das Wort von Benedikt XVI von der lediglich „ „kirchlichen Gemeinschaft „“.

Was in dieser Lage nur noch hilft: die Umkehr zurück zu den Wurzeln unseres Glaubens :Sola Fide, Sola Gratia,Sola Scriptura,zurück zu Luther und der Gründung unserer Kirche. .Unser Glaube und unser Kirchenverständnis verbinden sich nicht mit der Alltagspolitik, unser Staatsverständnis steht bei Joh ,Römer 13,V.1-4, Alles für die zu lesen,die noch zu einer kritischen Auseinandersetzung fähig und willens sind.Den Führungspersonen nach der Ära Bedford-Strom kann man nur zurufen : Videant Consules ne quid res publica detrimenti capiat -die Konsuln mögen darauf achten,daß der Staat keinen Schaden nimmt (Cicero) – Dr.Phil.wolfgang Miege

 

Ich stimme im Wesentlichen mit dem Artikel von Liane Bednarz überein. Obwohl ich politisch zu links-grün tendiere, gilt das nicht für die Bibel und den christlichen Glauben. Für mich ist die Auferstehungshoffnung die Basis und elementarer Bestandteil unseres christlichen Glaubens. Diese Hoffnung wird in dem Artikel von Herrn Nürnberger erst im letzten Abschnitt kurz behandelt mit dem Fazit: „Das meiste sind Mythen, geschrieben für antike Menschen, nicht für uns. Die alten Geschichten der Bibel sollen weiter erzählt, neu interpretiert und vor dem Vergessen bewahrt werden.“

Das ist sehr wenig Substanz, um Kirche zu leben und was die politischen Forderungen von Herrn Nürnberger angeht, so glaube ich, dass Christen bei aller Unvollkommenheit durchaus den Willen haben und die Berufung Ernst nehmen, die Schöpfung und die Menschen nach den Vorgaben Jesu zu behandeln. Ich halte es mit Hildegard Knef: „Ich will alles oder nichts!“ Ich will die gesamte christliche Botschaft inklusive Auferstehungshoffnung und picke mir nicht die mir genehmen tagespolitischen und gesellschaftspolitischen Themen heraus, um mir meinen eigenen Glauben zu basteln.

Ich möchte den Pfarrerinnen und Pfarrern Mut machen, wieder das gesamte Evangelium zu predigen, sonst hat Kirche in der jetzigen Form und Bedeutung keine Zukunft mehr. Wir haben zum Glück genügend Institutionen und Initiativen, die sich darum bemühen, die Welt zu retten, so dass die Kirche sich auf die Menschen konzentrieren kann. – Günter Erdelkamp

 

Die Gegenüberstellung „entweder fundamental christlich oder sozial engagiert“ ist schräg und wird ganz sicher nicht der Botschaft von Liane Bednarz gerecht, man möge sich wieder mehr auf den Kern des Christentums besinnen. Treffender ist die Feststellung Christian Nürnbergers, dass eh niemand sagen könne, was den Kern des Christentums ausmache. Das heißt im Grunde:

Unsere geistlich bildungsferne Gesellschaft hat eh kein Verhältnis zu diesem Kern, weshalb man getrost die Kirche zum Sprachrohr für politische Botschaften links-grüner Genese umfunktionieren kann. Einerseits ist dies ein kultureller GAU, andererseits mag darin auch etwas Gutes liegen. Denn wenn die Gesellschaft schon so weit von ihren geistlichen Wurzeln entfernt ist, kann eine weitgehend säkularisierte Kirche wenigstens noch ein Brückenglied zur geistlichen Welt des Christentums sein, für die im Hintergrund konservative Vertreter der Kirchen bereit stehen. – Kurt Schäfer

 

Um eines vorab klarzustellen: Ich bin auch der Meinung, dass es strukturelle und systemische Sünden gibt, zu denen die Kirche nicht schweigen sollte. Und die Tendenz, dass sich sog. Christen zu sehr aufs Politische verlegen, sehe ich mindestens so stark auch auf der rechten Seite des politischen Spektrums, wo man den christlichen Glauben schändlicherweise gern mit Nation in eins gesetzt hat; in Gestalt des Trumpismus und der AfD-Christen ist dieses Thema sehr aktuell.

In Christian Nürnbergers Replik auf Liane Bednarz bekunden sich aber m. E. die tieferen Ursachen dafür, warum sich viele Pfarrer heute lieber auf das Horizontale verlegen statt über das Vertikale zu predigen: Wer wie Nürnberger nicht mehr sagen kann, was den Kern der christlichen Botschaft ausmacht, und das, was die Bibel über die letzten Dinge zu sagen hat, für Mythen hält, muss sich entscheiden: entweder den Pfarrberuf und die lukrative A-13-Besoldung mitsamt den Pensionsansprüchen aufgeben oder sich aufs Politische verlegen und sich auf der Kanzel in Ersatzhandlungen ergehen.

Aufschlussreich fand ich einmal die Aussage eines befreundeten Pfarrers, dem selbst der Glaube abhandengekommen bzw. der nie zum rettenden Glauben durchgedrungen war, als er sagte, wie schwer ihm Beerdigungen fielen und wie sehr er sich am Grab jedes Wort abringen müsse. Mich wundert das nicht, denn dort kann man sich nicht auf „Brot-für-die-Welt“-Ersatzthemen verlegen, sondern die Hinterbliebenen erwarten, dass der Pfarrer wenigstens hier mit ihnen über letzte, ewige Dinge spricht und im besten Fall gar Trost spendet.

Ich Wünsche mir für Christian Nürnberger ebenso wie für seine verehrte Gattin, Frau Gerster, und die vielen Pfarrerinnen und Pfarrer, denen die bibelkritische, liberale Theologie den Boden unter den Füßen weggezogen und das Vertrauen in die Bibel als Wort Gottes genommen hat, dass sie (wieder oder erstmals) Vertrauen fassen können in die ewigen Heilswahrheiten, die uns Gott in seinem Wort mitteilen lässt, und dann zum rettenden Glauben an Jesus Christus durchdringen, der sie im Leben wie im Sterben tragen wird, sodass sie eines Tages auch „fröhlich zieh[n] hinüber, wie man nach der Heimat reist“ (Spitta). – Marcel Haldenwang

 

Vielen Dank für dieses gelungene Plädoyer. Sie haben in meinen Augen recht: Zwar ruft uns die Bibel nicht pauschal zum politischen Aktivismus auf, aber das Handeln von Christ*innen hat eben oft einen (privat-)politischen Charakter, besonders, wenn es, wie Sie vortrefflich formulieren, gegen die „strukturelle Sündhaftigkeit der Welt“ gerichtet ist. Den christlichen Glauben dagegen allein zur Privatsache erklären zu wollen und die Kirche quasi auf „Seelentrösterei“-Aufgaben zu reduzieren, ist wirklich kurios, so, als ob es sich dabei bloß um ein Hobby unter vielen handeln würde, nicht um eine Lebensdisposition.

Mich würde allerdings noch interessieren: Bezeichnen Sie sich selbst als Christ? Der Abschluss des Artikels hat mich nämlich irgendwie irritiert: Nach Ihrem flammenden Plädoyer für die manchmal „unbequeme“ Glaubenspraxis, reden Sie auf einmal von den „alten Geschichten“ der Bibel, die in Gemeinden weitererzählt werden sollen, quasi so als nette ideologische Zugabe in einer solidarischen Gemeinschaft, die aber größtenteils Mythen enthält. (?) Oder wollten Sie damit ausdrücken, dass der Glauben vor allem durch das gemeinsame Leben in den Kirchen und unter Christ*innen lebendig und real wird, anstatt in theologischen Spitzfindigkeiten von Predigten über Themen wie „Leben nach dem Tod“, zu denen uns die Bibel zwar schon wichtige, aber eben nicht alle Antworten gibt? – Julia Molina

 

Für Bednarz ist die christliche Kernbotschaft „Sünde, Tod, Erlösung“. Das ist in der Tat eine protestantische Tradition. Die Orientalistin A. Schimmel erinnert sich: “Mama kam aus dem strengsten ostfriesischen Luthertum und hatte acht Schuljahre lang täglich im Religionsunterricht gelernt: Gott drohet zu strafen alle, die diese Gebote übertreten. Jedes Vergnügen, mochte es noch so harmlos sein, war Sünde.“ „God was guilt“, schreibt Paul Auster über seine Kinderzeit. Sünde, Sünde, und nochmals Sünde!

Viele hat das abgestoßen und zum Glaubensverlust beigetragen. Jesus selbst aber stellte den liebenden Gottvater, aramäisch Abba, ins Zentrum seiner Verkündigung. Es scheint wohl so, wie Nürnberger andeutet, dass man gerne in alte Texte das hineinliest, was dem eigenen Naturell am besten entspricht. Dass die Kirche darüberhinaus heute eine weitere biblische Botschaft, nämlich die Schöpfung zu bewahren, besonders herausstellt, kann ja wohl nicht falsch sein. – Dr. Wolfgang Butzkamm

 

Politische bzw. ethisch-moralische, also diesseitsorientierte Predigten sind natürlich legitim. Nur brauchts für die bloße Diesseitsorientierung keine sich so letztlich selbst verzwergenden Kirchen. Denn Kirchen sind doch zuvorderst Orte des Glaubens, der „feste[n] Zuversicht dessen, was man hofft“ und des „Nichtzweifeln[s] an dem, was man nicht sieht“ (Hebr 11,1). Natürlich kann, darf, soll, ja muss Jesu Gebot der Nächstenliebe gelten, in die Tat umgesetzt und in Predigten getrost auch thematisiert werden. Doch darf darüber die andere Hälfte von Jesu Doppelgebot der Liebe nicht vergessen werden, schon gar nicht in Gottesdiensten: Die Gottesliebe!

Denn – und für diese Erkenntnis genügt schon der Blick in die ostdeutschen Bundesländer: Gott kann tatsächlich auch in Vergessenheit geraten. Ja, für weite Teile der ostdeutschen Diaspora gilt wohl inzwischen Karl Rahners Wort, dass die Menschen hier mittlerweile sogar vergessen haben, dass sie Gott vergessen haben. Umso wichtiger erscheint mir eine Rückbesinnung auf den Kern der christlichen (Hoffnungs-) Botschaft: Es gibt einen Gott, der die Liebe ist. Wir sind „kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur“. Gott ist bei und mit den Leidenden. Leid und Tod haben nie das letzte Wort. Es gibt ein Leben nach dem Tod. Mit dem Tod ist nicht alles aus. – Mathias Bethke

 

Auf einen schwarzen Klotz gehört ein rot-grüner Keil – dachte sich wohl DIE ZEIT-Redaktion, lud aber beide Kontrahenten leider nicht zu einem gemeinsamen Streitgespräch ein, so daß ich nun gezwungen bin, dem progressiven Kirchenvertreter einen zweiten Leserbrief zu schreiben! Für mich als evangelischen Laien sollte die Kirche wenigstens zwei Kernaufgaben erfüllen: sie soll das Evangelium, die Frohe Botschaft, verkünden, gern in zeit-, nicht aber in zeitgeist-gemäßer Form! Wie würde ihre heutige Kritik an den „Herren dieser Welt“, bei uns sind es Demokraten, in den Ohren von Jesus oder Bonhöffer klingen, deren Anklage gegen totalitäre Herrscher hohen Mut erforderte, den sie mit ihrem Leben bezahlten!

Zum anderen die stille, unspektakuläre Seelsorge für den Nächsten – von Ihnen etwas verächtlich „Seelentrösterei“ genannt – für das einsame, verzweifelte, kranke, sterbende Gemeindemitglied! Als Hausarzt habe ich PfarrerInnen erlebt, denen ich sogar diese Pflicht abnehmen „durfte“! Auch dem Vertriebenen, der Asylsuchenden soll sie, sollen wir eine vorübergehende Herberge geben, nicht aber eine dauerhafte einer Völkerwanderung! Hilfsbereitschaft und Barmherzigkeit ist auch in islamischen Staaten kein Fremdwort! Doch die meisten Asylsuchenden wollen ins vermeintlich Gelobte Land, so daß sie gern durchgewunken werden!

Auch die Rettung Schiffbrüchiger ist keine Aufgabe der evangelischen Kirche Deutschlands, sondern der EU! Sie macht sich sonst unfreiwillig zum Komplizen kriminelle Schleuser und nimmt gerade dadurch in Kauf, daß Menschen ertrinken! Haben Sie einmal darüber nachgedacht, was Sie mit Ihrer grenzenlosen Großherzigkeit unserer Gesellschaft, auch Ihren Gemeinden, zumuten? Obendrein gewähren Pfarrer Kirchenasyl, in einer Diktatur mutig, doch in einer Demokratie? Ich pack noch eins drauf: wie treten Sie Angehörigen eines Gemeindemitglieds gegenüber, das durch einen kriminellen- oder Terrorakt, verübt von einem Asylbewerber, getötet wurde? Beschwichtigen Sie dann erst einmal, damit man ja nicht Rechtspopulisten in die Hände spielt?

Ärgerlich, daß auch die Kirche immer wieder den Mund weit aufreißt, wo’s nicht weh tut, aber kleinlaut wird, wenn sie gegen einen starken Strom ankämpfen muß, was selten ohne Blessuren gelingt! Erfüllt von Ihrer Gegenwartsmoral, haben Sie je einen Blick auf deren Folgen für die Zukunft unseres Landes und der Kirche gerichtet? Die Mitglieder laufen in Scharen davon, allein wegen der Kirchensteuer und mangelnder Progressivität? Machen Sie doch mal eine Umfrage unter allen, die aus der Kirche ausgetreten sind! Es könnte geschehen, daß Sie sich wundern! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Ich bin mir bewusst, dass Sie diesen Leserbrief mit Rücksicht auf Christian Nürnberger nicht veröffentlichen werden/können. Aber vielleicht können Sie ihn an ihn weitergeben. Es geht um die Behauptung, „Maria habe ihr Kind in einem Stall geboren.“ Ähnlich und wiederholt auch der kath. Wiener Erzbischof Schönburg, Jesus sei in einem armseligen Stall geboren. Insider wissen, dass junge Theologen, die nach dem Examen einer Gemeinde zugeteilt werden, von ihrem Lehrpfarrer vorweg angewiesen werden: „Jetzt vergessen Sie gleich einmal alles, was Sie auf der Uni gehört haben: Hier machen wir Gemeindetheologie!“ Das ist aber nichts weiter als Überlieferung, die mit den Bibeltexten nur noch sehr wenig zu tun hat.

Eben darum haben sich die Vertreter der historisch-kritischen Exegese bemüht, Hintergründe dafür aufzudecken. Unsere weihnachtlichen Vorstellungen beruhen auf dem Lukas-Evangelium. Nur ist dort von einem Stall keine Rede, sondern von einer Krippe „IN der Herberge“, in der sich kein anderer Platz für das Kind fand. NIchts ist es demnach mit einer „Herbergssuche“! Aber wir lesen „Krippe“ und bauen flux einen Stall darüber. Das verrät, dass wir aus Texten nicht nur etwas heraus-, sondern auch etwas hineinlesen. Die antike Herberge glich doch nicht einer unserer Jugendherbergen mit mehreren Zimmer. Ein Raum mit Stroh auf dem Boden zum Schlafen für alle; eben nicht gerade für ein Baby geeignet.

Es gab im ganzen nahen Osten keinen Stall. Zwei Verse weiter in diesem Text wird die Tierhaltung aufgezeigt: „Es waren Hirten in der Gegend auf den Feldern die bewachten des Nachts ihre Herden.“ Außerdem ist der ganze Text ein Plagiat, von einem damals schon 600 Jahre alten persischen Mythos, nach dem u. a. der ägyptische Sonnengott RA eine persische Jungfrau schwängert u.s.w. Ich habe bei einer Rätselsendung der ARD verblüfft festgestellt, dass das alles durchaus ziemlich weit bekannt ist. Können sich unsere Theologen nicht endlich an die Wahrheit halten? Die täte doch der Verkündigung von der Menschwerdung Gottes keinen Abbruch. Kardinal König: „In jedem Menschen kann uns Gott begegnen.“ 1921 wurde das „Christkind“ auf Lampedusa geboren! – Christine Preyer

 

Meine volle Zustimmung zu der Aussage von Christian Nürnberger, dass die christlichen Kirchen sich in das Geschehen dieser Welt um der Gerechtigkeit und des Friedens willen einmischen müssen. Dennoch bleibt die Frage, wie es um die Kernaussagen des Christentums steht, die Liane Bednarz mit der Trias „Sünde – Tod – Erlösung“ umreißt. Für mich haben die großen christlichen Kirchen eine Chance, wenn sie sich von dogmatischen Lehrsätzen lösen und uns Menschen Hilfestellung geben, neu zu Gott zu finden.

Sie sollten Wege aufzeigen, die zum tragenden Urgrund alles Seins führen, den wir Gott nennen. Diese halt gebende, liebende Basis alles Lebens auf Erden kann auf verschiedenste Weise erfahren werden, z.B. über Stille, Meditation, Versenkung. Viele Wege sind gangbar, die zu einer Lebensbasis führen, auf der ich mich im Glück und Unglück gehalten weiß. Wege dazu aufzuzeigen, ist nach meinem Verständnis Aufgabe der Kirchen heute, auf das jeder Mensch das „Fünklein“ Gottes (Meister Eckhart) in sich spürt. – Thilo Liebscher

 

Hier, in gebotener Kürze, die Sicht eines Menschen, der am Sonntag im Gottesdienst vor der Gemeinde steht und predigt. Daneben gäbe es selbstverständlich noch den Aspekt der Teilnahme der Kirchen am öffentlichen Diskurs und Stellungnahmen der Kirche zu politischen Entscheidungen, die sind aber meine Ansicht nach zu trennen vom eigentlichen Gottesdienst. Hier meine Sicht speziell auf den Gottesdienst beschränkt.

Herr Nürnberger hat das Anliegen von Frau Bednarz und auch den Predigtauftrag der Kirche offensichtlich nicht ganz verstanden. Mit Paulus gesprochen predigt die Kirche Jesus Christus den Gekreuzigten; einem Teil der Menschen ein Ärgernis, einem anderen Teil eine Torheit, der Gemeinde der Gläubigen eine Kraft Gottes, die selig macht.

Der Kern der Predigt ist also zuerst Jesus, das ist so seit dem ersten Pfingsten. Diese Rede spricht immer von Gott und den Menschen, das entspricht dem Wesen Jesu. Diese Rede steht, wenn man so will, auf einem stabilen Dreibein, nämlich der Beziehung des Menschen zu Gott, zu den anderen Menschen und zu sich selbst. Die Rede über dieses Beziehungsgeflecht, reflektiert am Beispiel des Predigttextes, spricht selbstverständlich auch über Leben der Gemeinde im hier und jetzt. So verstehe ich konkret das Anliegen von Frau Bednarz.

Die Beispiele, die Herr Nürnberger bringt, sind nicht falsch, aber im Sinne des Auftrages nachrangig. Die sonntägliche Gemeinde, die Gottesdienst feiert, besteht aus Menschen unterschiedlicher politischer Meinungen, da mögen auch Genossen und grüne Parteifreunde darunter sein, aber nicht nur solche. Die Gemeinde ist darin eins, dass sie Gottes Wort hören und damit Gott die Ehre geben möchte. Wenn die Prediger ernsthaft über Jesus Christus predigen, dann sind sie zu jeder Zeit auf der Höhe der Zeit. So verstehe ich meinen Auftrag zur öffentlichen Wortverkündigung als Prädikant. – Peter Schröder

 

Nürnberger antwortet mit biblischen Geschichten. Er vergisst aber die zentralen Geschichten von Kreuz und Auferstehung. Sie engen nicht ein, sondern weiten alle Anerkennungs- und Befreiungserfahrungen aus Not und Elend. Weil Nürnberger diese Geschichten auslässt (warum eigentlich?), kann er zu den Klagen, Fragen und Begriffen von Frau Bednarz nicht vordringen. Ja, die Bibel enthält Geschichten, keine Lehre, keine Idee. Deshalb muss die Bibel vermündlicht werden, damit ihre Geschichten vielfältige neue Anerkennungs- und Befreiungserfahrungen werden können. Sie ist keine jüdisch-christliche Utopie, kein Mythenbuch von und für antike Menschen, aber eine Realität im Glauben.

Ich wähle links-grün, aber bitte keine links-grüne Kirche (damals keine nationalsozialistische)! Eine Orthopraxie wie eine Orthodoxie hält keine Kirche am Leben. Also müssen auch die Begriffe wie Sünde, Tod, Erlösung ins Leben gezogen werden. Das Bekenntnis Israels „Gott hat sein Volk aus Ägyptenland befreit“, wird christlich zum Bekenntnis „Gott hat Jesus von den Toten auferweckt“. Das nimmt die Angst vor der Zukunft, vor dem Tod.

Und eröffnet ein Leben aus dem unablässigen, gnädigen Zuspruch Gottes an den fehlbaren Menschen. So sind wir hineingenommen in den Überfluss der Gnade (dafür oder dagegen können wir nichts tun), aber umso mehr für diejenigen in Not und Elend. Kirche kommt aus dem wirkenden Wort. Sie soll bei diesem Wort bleiben und es nicht zur abschließenden Tat werden lassen. – Wolfgang Heitmann

 

In Bibelfestigkeit mag ich es mit Sachpublizisten, die hier an prominenter Stelle auch Werbung in eigener Sache [„…zuletzt erschienen…“] machen, nicht aufzunehmen. Aber steht da nicht auch im „Buch der Bücher „: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, „Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist“ und Weiteres in dieser Richtung? Jesus hält sich doch, wo es um das Große Ganze geht immer bewußt zurück, ja sogar vor Pontius Pilatus völlig bedeckt: „Du sagst es!“. Ich kenne mich da nicht so aus, aber würden nicht einschlägige woke Kreise das Statement „Die Kirche ist links-grün? So soll sie sein!“ als Aneignung geißeln?

Es geht Frau Bednarz doch exakt um diesen einen, kleinen Unterschied: Alles was Herr Nürnberger unter Hinweis auf die Bibel für zu tun angezeigt hält, geht auch ohne Kirche. Das können die weihnachts- und sylvesteransprechenden Zivilprediger aller Couleur auch. Dafür brauche ich (und wohl auch Frau Bednarz!) keinen Priester oder Geistlichen. Der Mangel liegt im Fehlen des Transzendenzbezugs in unseren Kirchen. Steigen wir mal ein in „Laudato si“. Einzig dieser ist, mit seiner bedingungslosen Zukunftszugewandtheit in der Lage zu schaffen, worauf unser GG und der Sozialstaat fußt.

Der Hl. Martin muss erst mal einen Mantel haben, ehe er diesen teilen und damit funktionslos machen kann. Denn dieses „Stückchen“ Stoff ist eher ein Teppich, der Reiter und Pferd vor den Unbilden des Wetters schützt. Es ist absurd: hätte er doch den Mantel ganz gegeben, wäre zumindest dieser erhalten geblieben. Man kann mit guter Moral eben auch von der Substanz kommen, Herr Nürnberger. Und wenden Sie jetzt bitte nicht ein: der war ja so reich, das hat er sich schon leisten können. Vielleicht, das ist jetzt Interpretation, Mutmaßung, Spekulation, schon, aber es bleibt dabei: Substanzzerstörung ist nicht nachhaltig und damit auch nicht original-grün (konservierend-erhaltend-aufbewahrend-sparend), sondern eben links-grün: anmaßend, Anderen die eigenen Moralvorstellungen aufnötigend (Neuhochdeutsch, im besten Fall: nudging).

Da war doch der prototypische Barmherzige Samariter schon klüger: er schont die Substanz nimmt das Geld in die Hand und begleicht den Wechsel dann beim nächsten Herbergsbesuch. Auch links: Wer wird unsere Wechsel einlösen? Frau „von der kannst mir mal was Leyen“ oder Frau Lagarde? Oder warten wir auf Frau Holle, die die Goldstücke (der EZB wird es grausen) regnen läßt? Also bitte: „Ach Uschi mach kein Quatsch“ (Stefan Sulke – mal streamen, weil ja auch noch Fasching ist). Beim Bibellesen darf man sich die Geschichten schon mal richtig „auf der Zunge zergehen“ lassen und sich die Dinge auch konkret vorstellen: „Maria hat [zwar] das Bessere gewählt“, sagt Jesus, aber ohne Martha geht es eben auch nicht. Aber wollte ich predigen? Nein, ich meine nur so! – Walter Neumeister

 

Wie soll sich die Kirche zum politischen Farbenspektrum verhalten? Es ist eine Streitfrage, denn dabei geht es um mehrere Zielkonflikte auf unterschiedlichen Ebenen. Einen erstens Zielkonflikt gibt’s bezüglich des Zeitrahmens bei folgenden zwei Zielen. Erstes Ziel (eher rot): möglichst gutes Leben für alle Menschen. Zweites Ziel (eher grün): möglichst gutes langes Fortbestehen der Menschheit. Der Konflikt ergibt sich daraus, dass fürs Erreichen des zweiten Ziels Grenzen zu setzen sind, was aber gleichzeitig dem ersten Ziel im Wege steht.

Daneben gibt es einen Konflikt zwischen den folgenden zwei Zielen «Bewahren der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit» und «Einebnen des Wohlstands-Grabens». Die ehemalige UdSSR ist an diesem Zielkonflikt gescheitert. Eigenverantwortung lohnte sich dort nicht. Eine ähnliche Ursache haben auch die ökonomischen und demographischen Probleme vieler Entwicklungsländer. Letztlich ist auch der aktuelle Ukraine Konflikt teilweise auf eine extreme Variante dieses Zielkonflikts zurückzuführen: Die Politik Stalins (Ziel: die Versorgung in Russland sicherzustellen) brachte Millionen Ukrainern den Hungertod. In diesem Fall gilt: Nötig ist Schuldanerkennung. Nicht hilfreich sind Schuldzuweisungen an die lebende Generation.

Letztlich geht es auch um den ungelöste Zielkonflikt innerhalb der Menschenrechte, zwischen den Rechten auf Lebensgrundlagen (wozu auch indirekt das Beitragen zu hohen Geburtenraten gehört) und dem Menschenrecht auf Eigentum, das dazu veranlassen sollte, die Natur des eigenen Landes und das soziale Netz nicht zu überlasten.

Tiefere Ursachen dieser Zielkonflikte liegen in der Geschichte der Menschheit, die eine entscheidend andere Wendung genommen hat als die Geschichte anderer Spezies. Zum Beispiel, die Schildkröten gab’s vor den Sauriern und gibt’s bis heute. Sie hatten keine Zielkonflikte, weil sie die naturgegebenen Wachstumsgrenzen einhalten mussten. Auch bei den Menschen waren diese Grenzen lange Zeit intakt und wirksam. Nun aber muss sich der Mensch selbst Grenzen setzten, nachdem dank Technik die Grenzen der Natur überwunden wurden. Das Problem dabei ist, dass die Menschheit nicht vor einem abrupten Abgrund steht (noch nicht) sondern, dass es eher einen gleitenden Übergang gibt und es daher Schwierigkeiten gibt, zu entscheiden, wo genau diese Grenzen gesetzt werden müssen. Um das zu bestimmen ist eine Autorität nötig, etwa die Wissenschaft.

Die Frage wurde lange Zeit verdeckt durch die Leistungsfähigkeit der Technik und auch durch das Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes. Aber Gott gab das Problem und auch den Verstand, dieses zu lösen. Seiner Barmherzigkeit entspricht, dass er wohl eher ein langes gutes Fortbestehen wünscht als ein Strohfeuer an Befriedigungen (betrifft Ökonomie und Demographie) durch Ressourcen-Plündern, charakterisierbar mit «Tragik der Allmend».

Jesus war Revolutionär, etwa indem er die Gleichheit aller Menschen predigte. Das langfristige Fortbestehen der Menschheit war damals kein bedrohtes Ziel. Und die Ursachen für die heutigen demographischen und ökonomischen Gräben gab’s noch nicht. Im Vordergrund stand die Vorstellung von einem durch unbeeinflussbare Naturgewalten bewirktem nahem Welten-Ende. Nächstenliebe war auch verbunden mit der Sicht auf eigenes Wohlergehen im Jenseins. Jesus war da in seinen Predigten Realist. Aktuelle Aufgabe aller Religionen müsste sein, zu helfen, den Zielkonflikt zwischen links und grün zu lösen. Etwa nach folgender Überlegung: «Wir sind nur Gast auf diesem schönen Planeten und als Gegenleistung für dieses Privileg verpflichtet, diesen Planeten unseren Nachkommen unversehrt zu überlassen». – Dr. Gernot Gwehenberger

 

Der Verfasser schreibt: „Und was ist mit dem Tod und dem, was danach kommt? Darüber wissen wir nicht viel“. Wenn das stimmt, dann können wir Teile unseres Glaubensbekenntnisses streichen zum Beispiel die Aussage über die Auferstehung der Toten, das ewige Leben und das Gleichnis vom Weltgericht. Doch gerade an diesem Gleichnis will der Verfasser festhalten, weil die Menschen im Gericht nach ihrer Haltung gegenüber den vielfältig Armen beurteilt werden.

Die Vollendung der Welt, der neue Himmel und die neue Erde,wo es keine Tränen – Eric Clapton sagt: No tears in Heaven – mehr geben wird, ist ohne die Auferweckung Jesu an Ostern undenkbar. Das eine bedingt das andere und umgekehrt. Diese Gewissheit und Zuversicht setzt Kräfte frei für das Engagement im Jetzt. Christlicher Glaube, der nur dem Diesseits verhaftet bleibt, ist öde und langweilig. – Bernhard Würfel

 

Das muss man ihm lassen: Er ist ein Bibelkenner par Excellence. Mit Bibelzitaten aus dem Alten und Neuen Testament beindruckt und brilliert er. Doch leider verkennt Christian Nürnberger die frohe Botschaft, eine der Kernaussagen der Bibel: Hoffnung, ja Gewissheit! Gewissheit, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. [Denn, so Nürnberger: „Und was nun mit dem Tod und dem was danach kommt? Wissen wir nicht viel.“] Bis dahin, dass er zum Schluss kommt: „Das meiste, was die Bibel erzählt sind Mythen. Geschrieben von antiken Menschen für antike Menschen, nicht für uns.“ Ein Schlag ins Gesicht für alle „Kirchgänger“.

Christen hören sich demnach Sonntag für Sonntag Predigten aus einem „Märchenbuch“ an. Aber politisch dürfen (sollen) die Worte von der Kanzel sein. Am besten „links-grün“! Gott sei Dank gibt es in unserer Kirche viele Gläubige, Theologinnen und Theologen, die trauerden Menschen persönlich aber auch mit den Worten des Sehers Johannes Trost spenden: „und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein;“ (Offenbarung 21,4)

Nur eines der vierundvierzig Bibelworte des Neuen Testamentes, die uns verheißen, dass wer an den Sohn Gottes glaubt „Ewiges Leben“ hat. Ein Leben nach dem irdischen Tod. Gewissheit was nach dem Tod kommt! Und Gott sei Dank gibt es in unserer Kirche noch Predigerinnen und Prediger, für die die Bibel kein Buch voller „Sagen“ ist, sondern ein inspiriertes Wort Gottes. Gruß an Herrn Nürnberger: Hervorragender Bibelkenner zu sein und den „Kern der Bibel“ zu erkennen muss sich nicht ausschließen.Oder? – Walter Beck

 

Kirche muss größer sein als linksgrün. Zu den Artikeln von Frau Bednarz und Herr Nürnberger in der Zeit 53/ 21 und 2/ 22 möchte ich mich äußern. Zunächst einmal finde ich es gut, dass Kirche und ihr Standort im gesellschaftlichen Gefüge ein Thema sind. Auch möchte ich festhalten, dass ich mich als mündige Christin in meiner evangelischen Kirche zu Hause fühlen und oft Pfarrer/innen erlebe, die meines Erachtens gut predigen.

In der Frage nach dem Kern des christlichen Glaubens stimme ich Herrn Nürnberger insoweit zu, dass sich durch die ganze Bibel die Parteinahme für die Armen und Schwachen zieht. Ich möchte ihm aber energisch widersprechen, wenn er die sparsamen Äußerungen zum Tod und dem Danach lobt. Paulus schreibt in 1. Korinther 15 Vers 13 folgende: „Gibt es aber keine Auferstehung der Toten,so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.“

Ich denke, ohne die Auferstehungshoffnung hätte das Christentum keinen Bestand gehabt. Ohne diese Hoffnung würden wir nicht nach 2000 Jahren noch von Jesus reden und predigen. Das heißt für mich nicht, in ein „ frömmelndes Wohlfühl- Geschwätz“ zu verfallen. Sondern die feste Hoffnung, auch im Tod in Gott aufgehoben und geborgen zu sein, kann im Leben Kräfte freisetzen für eine bessere Welt, für die sich Kirche einsetzen soll, aber nicht, dem sie ihr Fundament vergisst oder schamhaft verschweigt.

Gott ist größer als unser politischen Vorlieben und Richtungen. Ob ein Schiff zur Seenotrettung oder die zahlreichen Projekte von „Brot für die Welt“ von unseren Spenden und Kirchensteuer- Mitteln finanziert werden, ich denke, darüber darf man streiten. Und wer befürchtet, das ein eigenes Schiff zur zur Seenotrettung möglicherweise falsche Hoffnungen bei verzweifelten Menschen weckt und falsche Anreize schafft, der gehört nicht in die rechte Ecke gestellt. Ich denke, Kirche muss größer sein als linksgrün. – Erika Schlegel

 

Ihr Artikel enthält einige Irrtümer. Ich grüsse sie freundliche mit 1.Korinther 15 – Lothar Henke

 

Herrn Nürnberger sei herzlichst gedankt für die kompetente Erwiderung auf Liane Bednarz, sie spricht mir in jeder Hinsicht aus dem Herzen! Kirche muss links-grün sein, mit Rückbindung (religio) natürlich und sie muss sich auf ihre Art einmischen. Ein Bezug auf unsere gegenwärtige Situation in dieser Welt oder auch auf eine individuelle Situation und deren Verbindung zu entsprechenden biblischen Texten macht eine Predigtbotschaft doch höchst aktuell. „Bewahrung der Schöpfung“ mag für Frau Bednarz ein abgelutschtes Schlagwort sein, aber es ist leider hochaktuell und sollte zumindest für alle Christen ein Auftrag sein! Nur schade, dass es so wenige Prediger in der evangelischen Kirche gibt, die Theologie und Politik, auch eine gewisse gesunde, berührende Frömmigkeit gekonnt unter einen Hut bringen können. – Almut Teichert-Hailperin

 


 

 

Leserbriefe zu „IN DER VERANTWORTUNG“ von Raoul Löbbert und Georg Löwisch

 

Sie haben kürzlich einen Bericht über den ehemaligen Papst Benedikt XVI verfasst, als dieser noch Chef der katholischen Glaubenskongregation war. Auch in dieser Eigenschaft hat er vertuscht und durch UNterlassen Missbrauch gefördert. Ich habe bis 1970 das katholische Internat der Redemptoristen in Bonn (CoJoBo) besucht. Dort hat ein Pater, Willibald Segeroth, über viele Jahre geschätzte 60 Internatsschüler mehr oder weniger regelmäßig sexuell missbraucht. Die Missbrauchshandlungen waren unterschiedlich ausgeprägt, wie auf der Homepage des Vereins geschildert. Einige der Schüler dienten dem Pater nahezu täglich als Lustknaben, mit anderen Mitschülern hat er „lediglich“ einseitig oder gemeinschaftlich mehrfach onaniert.

Nach seiner zwangsweisen Entfernung aus der klösterlichen Erziehungstätigkeit wurde Pater Segeroth nach Aachen versetzt. Dort hat er bis zu seinem Tod 1986 als Latein-und Religionslehrer weitergearbeitet und nach den Informationen, welche dem Verein der Missbrauchsopfer am Collegium Josephinum zugetragen wurden, hat er sich auch dort in ähnlicher Weise weiterhin betätigt. Kardinal Ratzinger hatte von diesen Übergriffen positive Kenntnis. Dies hat mir der Vorsitzende des Vereins der Missbrauchsopfer vor einiger Zeit glaubhaft versichert. Denn einer dieser Mitschüler, der bei der einizig zuständigen Glaubenskongregation den Antrag gestellt hat, von seinem Gelübde als Priester und Pater entbunden zu werden, hat ihm das Schreiben mit der Unterschrift von Ratzinger gezeigt.

Nach meinen Informationen haben sich noch mindestens zwei ehemalige Mitschüler, die ins Kloster gegangen sind, laisieren lassen und damit Ratzinger mit diesen Tatsachen und Täternamen konfrontiert. Der Übeltäter konnte sein Unwesen unbehelligt bis 1986 weitertreiben. Die FAZ berichtete am 07.11.2020, Papst Benedikt XVI habe 291000 $ von Kardinal McKarrick angenommen, vernutlich als Schweigegeld wg. dessen sexueller Eskapaden. PS.: Vorsitzender des Vereins ist Herr Winfried Ponsens, zu erreichen über die Homepage des Vereins. – Ulrich Sanktjohanser

 

Gerade habe ich über Ihren Artikel im BR Radio gehört. Es ist leider noch schlimmer. Nachdem Peter Hullermann von Essen schon vorbelastet nach München kam trat er als Kaplan in Sankt-Johannes-Evangelist am Lerchenauer See an. Dort wurde er nach ein paar Jahren dann auch angezeigt und verurteilt. Also spätestens dann muss die Erzdiözese Freising Bescheid gewusst haben. Leider wurde Hullermann dann aber noch eine Karriere als Pfarrer in Garching angeboten.

Uns in der Pfarrei wurde das verschwiegen und erzählt H. würde im Innendienst ohne Kontakt zu Jugendlichen eingesetzt sein. Nach Missbrauchsfällen auch in Garching gründete sich die Initiative Sauerteig über die ich dann letztes Jahr in einem Artikel der SZ las. Ich wandte mich an diese Initiative, die aus allen Wolken fiel als ich von meinen Teil zu Peter Hullermann erzählte. https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/kirche-sexueller-missbrauch-100.html – Dorothea Wirth

 

Interessant könnte es im Rahmen der aktuellen Diskussion auch sein, die Hintergründe der Versetzung des inzwischen verstorbenen Prof. Gerhard Müller aus dem Direktorat des katholischen Bibelwerks in eine kleine Pfarrei in Trier zu hinterfragen, was mir 2010 bis 2012 leider nicht möglich war – auch, weil die Akten des Bibelwerks sehr unvollständig sind… Auf jeden Fall scheint sicher, dass es die von Prof. Müller damals für den Wechsel vorgegebene „Rotationsregel“ nie gegeben hat. Ein israelischer Student, der von Übergriffen des Professors betroffen war, hatte sich damals an eine nicht bekannte „offizielle Stelle“ gewendet, bevor er nach Israel geflüchtet ist, wo er später unter nicht geklärten Umständen erschossen wurde.

Die damaligen Bischöfe von Stuttgart-Rottenburg und Trier müssen aber einbezogen und darüber informiert gewesen sein. Nicht unwahrscheinlich ist es, dass Prof. Ratzinger, der das Vorwort zur Habilitation von Prof. Müller geschrieben hatte, im Hintergrund die Fäden gezogen hat, um Prof. Müller eine Stelle zu verschaffen, an der seine geschätzte Bibelarbeit weiter betreiben kann. Die – scheinbar mutige – Entlassung des Priesters aus dem Priesterstand könnte auch ein „Baunernopfer“ gewesen sein, um den „Fall“ abzuschließen und eine Vertiefung in diese Richtung zu vermeiden… – Benedikt Maria Trappen

 

Man sollte nicht übersehen, dass diese Triebtäter, die hier „verhandelt“ werden, sich von Anfang an unter den Schutz der „heiligen Kirche“ gestellt gefühlt haben dürften bzw. bewusst vor der Welt dorthin „geflüchtet“ sind. Denn da haben sie (auch heute noch?) nichts Ernsthaftes zu befürchten, wenn ihnen „mal der Gaul durchgeht“. Wozu gibt es denn ein „kanonisches“ Recht, das sich deutlich von der weltlichen Justiz abhebt? Werden für dieses Privileg die Kirchensteuern eingesammelt? Wird in den Priesterseminaren über diese Thematik offen gesprochen? – Gérard Carau

 

Der seit Jahrzehnten gegebenenfalls seit Jahrhunderten bestehende sexuelle Missbrauch in den „christlichen“ Kirchen und seine Verharmlosung und Vertuschung ist furchtbar – so ist der sexuelle Missbrauch, die Vergewaltigung, von Kindern in der katholischen Kirche ein Verstoß gegen das Zölibat -, unverständlich ist, dass staatliche Ermittlungen dieser Verbrechen nicht stattfinden, sondern es bei kircheninternen Ermittlungen bleibt.

Unerträglich finde ich die Selbstgefälligkeit und Selbstgerechtigkeit in der Kirchenhierarchie, was aber Konsequenzen bei den Kirchenaustritten hat. Unakzeptabel wäre es zum Beispiel, wenn man der Mafia übertragen würde, die in dieser kriminellen Vereinigung begangenen Verbrechen selbst zu ermitteln und zu ahnden. Eine sehr gute weitere Darstellung der Verharmlosung und Vertuschung bringt das Buch „Nur die Wahrheit rettet“ von Doris Weisungen und Christoph Röhl. – Ferdinand Georgen

 

Vier komplette Seiten widmet die aktuelle ZEIT mit Christ&Welt wieder einmal der katholischen Kirche und dem Thema Missbrauch. Zum gefühlt 25. Mal… Ja, hier ist Unrecht geschehen. Ja, hier wurden Straftaten begangen und es wurde auch vertuscht. Die katholische Kirche ist hier nicht besser, als alle anderen Menschen und Organisationen, denen so etwas vorgeworfen wird. Aber in dem Zeitraum, um den es in der katholische Kirche geht, gab und gibt es Kindesmissbrauch in unvorstellbarem Ausmaß in unserem Land.

Die Fälle gehen in die Millionen. Das habe ich Ihrem Autor Raimund Löbbert schon 2020 geschrieben. Das rechtfertigt nichts und das entschuldigt nichts. Aber es hilft den betroffenen Kindern nicht, vor dem tatsächlichen Geschehen die Augen zu verschließen und sich immer nur auf die Vergangenheit und die katholische Kirche zu konzentrieren. Auch die Leugnung der Wirklichkeit ist ein Unrecht. Steht hier eine engagierte Zeitung nicht auch in der Verantwortung? – Wilfried Geyer

 

Mein Gott Mein Gott warum hast du die Deutsche Katholische Kirche verlassen? Kirchenrecht vor weltlichem, zivilen Recht? Ist das angesichts der vielen mittlerweile bekannt gewordenen Verfehlungen noch angemessen und zeitgemäß? Der vielfältige Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in Kirchen, kirchlichen Einrichtungen von Mädchen und doch vor allem von Jungen, ist nunmehr seit Jahrzehnten bis zu den höchsten Kirchengremien bekannt. Es wird vom Vatikan bis zu den Diözesen und den Bistümern weiterhin vertuscht und es wird nur zugegeben was die Spatzen oder die „Friedenstauben“ bereits von den Dächern pfeifen.

Beredte Beispiele sind in Köln der augenblicklich in Sabbat-Monaten befindliche Kardinal Woelki und der den Papst Franziskus um seine Entlassung in den Ruhestand ersuchte Kardinal Marx (was der Papst abgelehnt hat). Das ist wahrlich die Übernahme von Verantwortung und die Handlung der „Guten Hirten“ die um die verirrten Lämmer ihrer Herde sorgen tragen. Dabei interessiert sie offensichtlich nur die priesterlichen Täter und weit weniger die Opfer, die in und an ihrer Seele leiden. Man könnte fast vergessen, dass alle Priester, Bischöfe und Kardinäle (die im Übrigen in Deutschland alle auskömmlich vom Staat alimentiert werden) eigentlich die Bibel und vornehmlich das Neue Testament kennen müssten.

Allein die Bergpredigt und die 10 Gebote sollten ausreichen um einen moralischen und theologischen Kompass zu haben den entsprechenden Exzessen, wie die des ehemaligen Priester H., zu umgehenden und sofortigen Sanktionen zu veranlassen. Stattdessen Versetzungen, neue Straftaten, wieder Versetzungen. Dazu ein kirchliches Verwaltungshandeln von der Glaubenskongregation in Rom und Kirchengerichten in Deutschland, wo einem das „Königlich Bayrische Amtsgericht“ und die Posse des „Dorf-Richter Adam“ vorkommen wie der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag.

Es ist zutiefst beschämend das viele, sehr viele die Verantwortung trugen und tragen heutzutage mitteilen lassen von nichts gewusst zu haben. Hierzu das 8. Gebot: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“. Nach dem Motto: Eine schwarze Krähe hackt der anderen schwarzen Krähe kein Auge aus. Sprich: Hauptsache der „Heilige Schein“ bleibt nach außen gewahrt und die „Schäfchen“ meckern nicht zu sehr.

Es ist traurig, passt aber ins Bild, dass der in den einstweiligen Ruhestand versetzte Priester-Täter vom Bistum Essen eine medizinische und psychologische „Rundumversorgung“ mit einem Ruhegehalt bekommt. Wie kümmert sich das Bistum Essen um die bekannten Missbrauchsopfer? Mit ähnlicher Versorgung und tätiger Reue sowie angemessener medizinischer und psychologischer Hilfe? Da wundert sich die „Amtskirche“, dass die Kirchenaustritte immer mehr werden? Blasphemisch: Jesus würde sich in seinem Grab umdrehen, wenn er nicht auferstanden wäre. – Felix Bicker

 

Waffen segnen,mit der Politik klüngeln und Tiere essen,aber Bücher über Jesus schreiben. Was würde Jesus dazu sagen?Diese Kirchen verstellen den Blick auf Gott! – Peter Schmidhammer

 

Die Anmerkungen zu dem genannten Artikel mögen banal und selbstverständlich sein. Trotzdem ist es notwendig, immer wieder auf den genannten Zusammenhang hinzuweisen. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass mir in fünf Jahren als Messdiener nie auch nur eine Andeutung von Missbrauch begegnet ist. Ich kann also ohne emotionale Beteiligung schreiben.

Das Problem hat zwei Ebenen: Da ist einmal die individuelle, die menschliche. Dabei ist zu bedenken: Pädophilie ist ein nicht heilbares Leiden. Es ist nur möglich, die Betroffenen zu unterstützen, ihre Neigung zu beherrschen. Dass das nicht zu hundert Prozent möglich ist, ist tragisch genug – für beide Beteiligte, den Täter und das Opfer. Die eine „Partei“ ist ihr Leben lang traumatisiert, die andere geht ins Gefängnis und ist ebenfalls für den Rest des Lebens gezeich-net.

Die zweite Ebene ist die institutionelle. Die zuständigen Instanzen leiden im Idealfall nicht unter dieser Neigung und haben die Möglichkeit, rational, bürokratisch und personen¬unabhängig zu handeln. Wenn sie das nicht tun, sondern den Missbrauch vertuschen, die notwendigen Sanktionen nicht verhängen, stattdessen sogar den weiteren Missbrauch ermöglichen, so stellt sich sofort die Frage: Warum tun die so han¬delnden Personen das? Mehrere Erklärungen bieten sich an:

1. Sie fühlen mit den Tätern, da sie ähnliche Neigungen in sich verspüren und fürchten, selbst einmal in Bedrängnis zu kommen. 2.Sie sind Mitglieder einer Institution, die sehr wohl informiert ist über dieses kriminelle Tun und scheuen sich einzuschreiten. Jede von ihnen getroffene Maßnahme würde unter Umständen auf sie selbst zurückfallen. 3.    Der sexuelle Missbrauch ist ein Phänomen, das die Geschichte der Kirche durchgängig begleitet, und auf diese Weise sich den Anschein von etwas Normalem verschafft hat – auch wenn die so genannten „Laien“ niemals etwas davon erfahren haben. Außer den Betroffenen natürlich und ihren Angehörigen, die es allerdings mit einsichtigen Gründen vorzogen zu schweigen!

2. Ein solches „Umfeld“ war natürlich einladend für jeden potentiellen Täter: Bot das „kanoni¬sche Recht“ doch die Möglichkeit, sich der weltlichen Justiz zu entziehen, und das gepaart mit dem Verständnis der Institution. Die Konsequenzen dieser Zustände sind überhaupt nicht abzuschätzen. – Hans Contier

 

Der Fall des Priesters H. ist skandalös, seine kircheninterne Handhabung unfaßbar fahrlässig und verstößt gegen Regeln des kirchlichen Rechts. Die juristische Behandlung in einem riesigen Organismus wie der Erzdiözese München und Freising mit damals über 1500 Priestern oblag allerdings nicht zuerst dem „Chef“, sondern -zumal für einen Externen wie H.- der juristischen Abteilung und dem Generalvikar. Jedoch ist der Vorgang auch mit der Brille der 1980er Jahre zu betrachten. Vor nunmehr vierzig Jahren war alles, was kirchenintern mit Sexualität zu tun hatte extrem schambehaftet, sodaß Fälle dieser Art rund um den Erdkreis „diskret“ erledigt wurden, zum großen Schaden unzähliger Opfer. Das ist nicht wieder gut zu machen.

Natürlich ist der Diözesanbischof de jure letztlich für alles verantwortlich, was unter ihm geschieht, aber einen hochverdienten, greisen Kirchenmann wie den emeritierten Papst in dieser Art mit Schmutz zu übergießen, ist nicht anständig und populistisch. Offensichtlich haben der damalige Generalvikar und der damalige Offizial als Vorsitzender des zuständigen Kirchengerichts ihre Aufgaben sträflich unerledigt gelassen; nicht Kardinal Ratzinger. – Dr. Michael Rohe

 

Ein weiteres Mal ein Bericht zur katholischen Kirche und ihrer Krisenbewältigung, der dem Leser einen Schauer über den Rücken jagt. Ein weiteres Mal windelweiche Erklärungen der darin Genannten, die dem einzigen Ziel dienen, sich reinzuwaschen und aus der Schusslinie zu nehmen. Ein weiteres Mal der Ruf nach Reformen. Warum geschieht nichts? Weil man nicht die Frösche fragt, wenn man den Sumpf trockenlegen will.

Der hehre zweitausendjährige Anspruch, dem Menschen moralischer Kompass und Mittler zu Gott zu sein, ist zumindest seit den Erschütterungen durch die Missbrauchsfälle unwiderruflich verloren. Welche Daseinsberechtigung hat die Institution Kirche noch? Lapidar könnte man festhalten, Reiche kommen und gehen. Aber leider ist es nicht so einfach. Aus sich heraus mit dem zur Verfügung stehenden „Personal“ ist eine Neuaufstellung wohl kaum möglich. Die im Laufe ihrer Existenz gewachsenen Strukturen, die arrogante Selbseinschätzung und -bewertung, die Unfähigkeit, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und nicht sich selbst, stehen den dringlich erforderlichen Änderungen im Wege.

Ich erinnere an die Rede Benedikts XIV. 2011 vor dem Bundestag und seine Metapher des „hörenden Herzens“, das er jedem Politiker wünschte, damit er Gut und Böse unterscheiden könne. Ich frage mich, wo waren die hörenden Herzen der Kirche, als das Grauen und die Not der missbrauchten Kinder zum Himmel schrie? – Yvonne Schaal

 

Natürlich findet Missbrauch auch außerhalb der Kirche statt. Hier geht es um eine Institution, die sich selbst für einen moralischen Kompass hält. Sie will Orientierung geben in einer säkularisierten Welt. Sie sieht sich als Mittlerin zwischen Gott und Mensch. Das Priester zu Missbrauchstätern werden kam man nicht der gesamten Kirche anlasten. Sehr wohl aber, wenn Täter von ihren bischöflichen Vorgesetzten systematisch gedeckt, versetzt und vor allem im Amt belassen wurden. Das Grundgesetz ist gibt unsere Gesellschaft den Ordnungsrahmen. Für die katholische Kirche ist dies die Bibel. Ich zitiere mal aus diesem Grundgesetz 1. Timotheus 3:1-7:“

Das Wort ist gewiss: Wenn jemand nach einem Aufseherdienst trachtet, so begehrt er ein schönes Werk. 2 Der Aufseher nun muss untadelig sein, Mann einer Frau, nüchtern, besonnen, anständig, gastfrei, lehrfähig, 3 kein Trinker, kein Schläger, sondern milde, nicht streitsüchtig, nicht geldliebend, 4 der dem eigenen Haus gut vorsteht und die Kinder mit aller Ehrbarkeit in Unterordnung hält 5 – wenn aber jemand dem eigenen Haus nicht vorzustehen weiß, wie wird er für die Gemeinde Gottes sorgen? –, 6 nicht ein Neubekehrter, damit er nicht, aufgebläht, dem Gericht des Teufels verfällt. 7 Er muss aber auch ein gutes Zeugnis haben von denen, die draußen sind, damit er nicht in übles Gerede und in den Fallstrick des Teufels gerät.

Das jemand, der Kinder missbraucht, nicht in Frage kommt, eine Gemeinde als Priester zu leiten, sollte unmissverständlich klar sein, wenn man ernst nimmt was Paulus hier schrieb. Wenn Bischöfe jemand im Amt lassen, der solche Verbrechen verübt, verstoßen Sie gegen Ihre eigene „Rechtsordnung“. In Wirklichkeit haben Sie keinen Respekt vor dem Gott, den Sie zu vertreten behaupten. Personen im Amt zu lassen, die sich, auch gerade nach christlichen Werten, schwerster Verfehlungen schuldig gemacht haben ist durch nichts zu rechtfertigen. Die katholische Kirche ist eben kein Schwimmverein, Schule, Pfadfinder Club oder ähnliches. Sie nennt sich die heilige Kirche. Ihr Oberhaupt Stellvertreter Gottes.

Nach katholischem Verständnis ist Sie Gemeinschaft der Heiligen. Daher kann man nicht relativieren Missbrauch komme auch woanders vor. Die entscheidende Frage ist, wie geht man als Kirche mit den Tätern um? Jedes Mitglied dieser Kirche hilft durch seine Kirchensteuer mit, die Strukturen zu erhalten, die zu dieser organisierten Verantwortungslosigkeit geführt haben. Ja die Kirche engagiert sich karitativ. Aber dafür investiert Sie nur einen marginalen Teil Ihrer Einnahmen. Gerade die deutsche katholische Kirche strotzt vor Geld. Eine Kirche die durch Ihr Handeln immer wieder beweist, dass Sie eher eine Institution zum Schutz von Verbrechern ist kann nicht für sich in Anspruch nehmen christliche Werte in der Gesellschaft hochzuhalten. Schon gar kein Recht hat Sie ein Beichtsakrament zu beanspruchen.

Diese Institution will Sündern Ihre Sünden vergeben? Zitat aus der Bergpredigt. Matthäus 7:5 Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach kannst du sehen und den Splitter aus deines Bruders Auge ziehen. Vielleicht hat diese Kirche auch deshalb so vehement darum gekämpft die Bibel nicht den Laien zugänglich zu machen. Man kann Sie so wunderbar mit den eigenen Waffen schlagen. Jesus sagte am Ende der Bergpredigt: Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen! Inwendig aber sind sie reißende Wölfe.

16 An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Liest man etwa von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen? 17 So bringt jeder gute Baum gute Früchte, aber der faule Baum bringt schlechte Früchte. 18 Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen, noch ⟨kann⟩ ein fauler Baum gute Früchte bringen. 19 Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. 20 Deshalb, an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. 21 Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr!, wird in das Reich[2] der Himmel hineinkommen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist. 22 Viele werden an jenem Tage zu mir sagen: Herr, Herr!

Haben wir nicht durch deinen Namen geweissagt und durch deinen Namen Dämonen ausgetrieben und durch deinen Namen viele Wunderwerke[3] getan? 23 Und dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch niemals gekannt. Weicht von mir, ihr Übeltäter! (Matthäus 7:15-23) Was würde er wohl über diese Kirche heute sagen? Jeder sollte gut überlegen, ob er diese Kirche weiter durch seine Mitgliedschaft (auch materiell) unterstützt. – Markus Louven

 

Oh mein Gott, welche Schande. Was Jesus dazu sagen würde? Scheinbar hat sein weltlicher Hirte und Vertreter die Kommunikation zu ihm verloren? Oder warum verschanzt er sich hinter seiner Unkenntnis? Die Rubrik passt für den Artikel gut. Mein Glaube: Existiert an den unabhängigen Journalismus. Mein Zweifel: Ob das Krebsgeschwür im System der Kirche jemals heilbar ist? Am Fall H. zeigt sich wieder exemplarisch, dem Täter wird mehr geholfen als dem Opfer. Wer zahlt diesen enormen Aufwand an Therapiekosten? Verantwortung tragen geht wirklich anders. Bleiben Sie bitte am Thema dran. – juergen ernst

 

Ihr Artikel „In der Verantwortung“ in der „ZEIT“ vom 05.01.2022 liest sich wie ein Kriminalroman. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Investigativ-Journalismus. Ihre Veröffentlichung zum jetzigen Zeitpunkt ist aber verwunderlich und hat etwas von einem „Geschmäckle“. Warum haben Sie nicht die Veröffentlichung des Untersuchungsergebnisses der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl abgewartet? Vielleicht hätte sich das eine oder andere Fragezeichen in Ihrem Bericht erübrigt. – Hans Lapp

 

Hier ist auch der Staat in der Verantwortung, und er versagt! Ein Kirchengericht kann, anders als staatliche Gerichte, keine Haftstrafen verhängen, und bis 7.12.2021 (!) galt der sexuelle Missbrauch an Kindern nur als „Verstoß gegen den Zölibat“. Kirchliche Täter können auch jetzt noch im Höchstfall aus dem Klerikerstand entlassen werden, bleiben also weiterhin in der Lage, Kinder zu missbrauchen. Und die zuständigen staatlichen Stellen lassen das zu!

Aus dem Wissen, dass sich die Opfer oftmals erst nach langer Zeit offenbaren können und die kirchlichen „Würdenträger“ das Wissen um die Verbrechen -wenn überhaupt- nur zögerlich herausgeben, muss die Verjährungsfrist aufgehoben und die Täter den staatlichen Gerichten zugeführt werden, deren bisherige Urteile (s. Lügde und Bergisch-Gladbach) dafür Sorge trugen, dass Täter zu langen Haftstafen mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt wurden und damit weiterer Kontakt zu Kindern verhindert werden kann. Kirchliche „Vergebung der Sünden“ darf für solche Verbrechen an Kindern nicht hingenommen werden! – Udo Bauer

 

Als Mitglied diese „Ladens“ , der „Heiligen Katholischen Kirche“ hat mich Ihr „Recherche“-Artikel in zweifacher Weise schmerzlich berührt: Einerseits ist die Vielzahl der Missbrauchsverbrechen, insbesondere auch von Klerikern, nahezu unerträglich, und bei der Aufarbeitung läuft so manches schief. Andererseits erscheint der Artikel wie ein Kochtopf: Man werfe alle geeigneten und ungeeigneten Zutaten hinein, rühre um und das Ergebnis ist ungenießbar. In dieser Weise werden Fakten, Fragen, Zitate, Jahreszahlen aus mehreren Jahrzehnten, Unterstellungen und gern missverstandene Begriffe aus dem kirchlichen Sprachgebrauch zusammengerührt. Herauskommen soll offenbar, dass wichtige Persönlichkeiten dieses „Ladens“ die Hosen herunter lassen.

Die „Heilige Katholische Kirche“ ist kein „Laden“ von Heiligen sondern seit Anbeginn eine Gemeinschaft von Sündern, Suchenden, Irrenden und Hoffenden. Jedes Fehlverhalten in einer Gemeinschaft oder Gesellschaft ist inakzeptabel und muss sanktioniert werden. Dass dies nicht immer richtig und gut – nicht nur in diesem „Laden“ – gelingt, hängt mit der menschlichen Natur und den menschlichen Schwächen zusammen. Zitat Jesu: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein! Umfang, Aufmachung und Aussagen des Artikels werden m. E. der „Zeit“ nicht gerecht. Schade! Bei einem andren Blatt mit großen Lettern hätte ich das gar nicht erst gelesen. Natürlich respektiere ich die Pressefreiheit! – Arnold Grolmus

 

Ich möchte Ihnen zu diesem hervorragendem Artikel gratulieren, den ich mit großem Interesse gelesen habe. Was mich jedoch irritiert bzw. verstört hat, war, als ich ich den Artikel auf der Zeit Online App weitergelesen habe, die eingeblendete Werbung. Mir ist bewusst, dass Redaktion und Anzeigenabteilung inhaltlich getrennt sind. Aber in so einem Artikel Werbung für Viagra und Dessous zu platzieren, ist zutiefst befremdlich. – Johannes Meissner

 

Hieße das Spiel nicht „Medien gegen Katholische Kirche“, sondern „AfD gegen demokratische Grundordnung“, würde man bei gleichem Duktus und Framing nicht von kritischem Journalismus, sondern von Hassrede sprechen. – Kurt Schäfer

 


 

 

Leserbriefe zu „Im Ernst?“ von Charlotte Parnack

 

Sie schreiben in der neuesten Ausgabe der Zeit, dass sie sich mehr von dem Staat geförderter Gleichberechtigung im Bereich der Aufteilung von Elterngeld zwischen Partnern wünschen. Ihr Aufruf hat uns sehr gewundert, da die Gleichberechtigung bereits in dem Elterngeldsystem sehr anschaulich anwesend ist. Es ist zu Recht den Eltern überlassen ob sie die verfügbare Monate 7 + 7 aufteilen möchten oder vielleicht wenn Ihnen ihre flexiblen Arbeitsverhältnisse es anders erlauben zum Beispiel auch zwei für die Mutter und zwölf oder sogar 24 (Elterngeld Plus) für den Vater, was gerade unser Fall ist. Wir würden es sehr ungerecht finden wenn uns der Staat bevormunden würde, wie wir uns unsere Elternzeit aufzuteilen haben.

Die partnerschaftliche Gleichberechtigung hat zum Glück!! nicht immer mit gerechten Verteilung von Zahlen zu tun, sondern damit wie sich die Lebenspartner auf gesunder Weise verständigen. Wenn eine Partnerschaft ohne staatliche Intervention nicht gleichberechtigt sein kann, dann müsste vielleicht zuerst die Partnerschaft neu überlegt werden? – dr. phil. Ammalia Podlaszewska und Gall Podlaszewski

 

Um Schluss steht im Kommentar,vom Elterngeld profitieren die Bezieher höherer Gehälter am stärkste .Ist das gerecht? Alles was man mit diesen Vätergeld erreichen will wird nicht praktiziert. Väter bleiben zu Hause ,1 Monate und dann wieder mal 1 Monat,bis der Hausbau fertig ist oder man fährt mit Baby in den Urlaub. Danach ist die Mutter zu Hause bis das Kind so knapp 2 Jahre ist und dann arbeitet sie wieder ein paar Stunden oder Teilzeit.

Ich sehe viele junge Familien und auch Mütter könnten auf Grund der Betreuung gut ganztags arbeiten,tun sie aber nicht und Väter die zu Hause sind ausserhalb dieser bezahlten Zeit ,gibt es schlichtweg nicht. Einfach jedes Familien Modell leben lassen u d nicht durch finanzielle Vorgaben ein bestimmtes erzwingen.Elterngeld die ersten 3 Jahre ,nach dem Einkommen gestaffelt für alle Familien und wer danach Voll oder Teilzeit arbeitet den Eltern überlassen,jede Familie ist doch anders aufgestellt. Und es ist immer noch so,dass Mütter 3 Jahre ein Recht haben auf ihren Arbeitsplatz. Erzieherinnen müssen sobald sie schwanger sind zu Hause bleiben,da kann auch nicht der Vater dies übernehmen,Mutter ist eben Mutter. – Ingrid Müller

 

Solange man für die korrekte Beantragung des Elterngeldes einen akademischen Abschluss benötigt, wird sich denke ich nicht viel ändern. Nur jeder vierte Vater nimmt auch nur die zwei Monate – ob zwei, drei oder sieben die Mindestzahl sind, ändert daran wenn überhaupt nur etwas in die falsche Richtung. Der Antrag ist so kompliziert, dass viele vermutlich die einfachste Variante, d.h. zwölf bzw. 24 Monate für die Frau, nehmen.

Ich befinde mich gerade in der Elternzeit mit unserem zweiten Kind mit der klassischen 12-2-Aufteilung, trotz ansonsten sehr gleichberechtigter Aufgabenteilung. Alles andere hätten wir uns schlicht nicht leisten können. Wenn das Elterngeld nach Haushaltseinkommen berechnet wird, entfällt nicht nur dieses Hindernis, sondern auch die komplizierten Rechenspiele.

Die Vätermonate werden von vielen Familien nur für einen größeren Urlaub genutzt, währenddessen sich weiterhin die Mutter primär um das Kind kümmert. Der Vater übernimmt selbst in dieser Zeit selten die alleinige Verantwortung. Deswegen würde ich es verpflichtend machen, mindestens einen der Vätermonate den Vater alleine nehmen zu lassen. – Johanna Steinkamp

 

Die nahezu groteske Behauptung, dass die Bezieher von höheren Gehältern am stärksten vom (niedrig gedeckelten!) Elterngeld profitieren, illustriert exemplarisch die aus meiner Sicht wirre Argumentation der Autorin. Argumente der Gegenseite werden immer nur deswegen genannt, um behaupten zu können, sie widerlegen zu können, ohne dass dies tatsächlich geschieht. Frau Parnack scheint nicht an das mündige Paar zu glauben. Doch die Mündigkeit ist die Grundfeste einer Demokratie. Die Gleichberechtigung, die Frau Parnack fordert, ist bereits realisiert. Jedes Paar kann frei wählen, wer in Eternzeit geht.

Die Freiheit, die mit dieser gerechten Lösung verbunden ist, andernorts auch Eigenverantwortlichkeit genannt, würde die Autorin dagegen gerne abschaffen. Der Staat führt den Einzelnen und das Paar an der engen Hand durch´s Leben? Das ist höchstens dann geboten, wenn die Ausübung der Freiheit anderen zum Nachteil gereicht. Wie ein Paar sich die Elternteil aufteilt, kann der Restbevölkerung aber herzlich egal sein. Wer nicht zu viele Windeln wechseln will oder wer Angst hat vor dunklen Tagen auf dem Kinderzimmerboden, der sollte – so er denn überhaupt Kinder will – im Vorfeld mit seinem Partner über diese Dinge reden. Dann wird sich vielleicht noch rechtzeitig klären, ob man zusammen passt oder nicht. – Dr. Christian Voll

 

Das Elterngeld kompensiert den Verdienstausfall der Mutter für die Zeit, in der das Kind ganz auf sie angewiesen ist. Deshalb auch die sozialpolitische etwas problematische Anpassung an ihr früheres Einkommen. Zum Schluss darf dann auch noch mal der Vater für 2 Monate ganz für das Kind da sein. Dass in diesen 2 Monaten nicht mehr die Muttermilch aber immer noch das volle Geld fließt, sollte uns nicht so sehr kümmern wie der Umstand, dass danach das Geld wegbleibt, obwohl es den meisten Müttern nicht gelingt, Kinderbetreuung und volle Berufstätigkeit zu vereinbaren. Und das Kindergeld gerade mal 1/3 der Kosten eines Kindes deckt. – Dr. Jürgen Schröder

 

Ja ich gebe Ihnen Recht, das Elterngeld ist so nicht mehr zeitgemäß, war es allerdings auch nie. Schon seit Anbeginn fand ich es extrem irritierend, dass die beiden „Vätermonate“ – de facto waren sie es zumeist – letztendlich genau bei denen, die sich das leisten können und die am meisten von der Elterngeldhöhe profitieren, nämlich den besser Verdienenden, zu einem staatlich geförderten Urlaubsgeld wurden. Die Väter-Bonusmonate eignen sich hervorragend, endlich einmal risikolos aus der Tretmühle auszubrechen und einen langen Urlaub zu machen. So nett das ist, es dient aber nicht der Sache!

Sinn einer auf beide Elternschultern verteilten Elternzeit wäre aber in meinen Augen, dass vor allem Väter den Alltag jenseits ihrer Berufstätigkeit mit Kleinkind(ern) leben und dies nicht wieder zu 85% Sache der Frauen ist. Im Übrigen zu deren ewigem Nachteil, denn die Wenigsten arbeiten hinterher in Vollzeit und erarbeiten eine Rente, die jenseits des Almosenbezugs ist.

Zudem stört mich bei der Berechnung des Elterngeldes ganz erheblich, dass es auf das Nettoeinkommen abgestellt wird. Da es noch immer das unsägliche Ehegattensplitting nebst Steuerklassen 3 und 5 gibt, ist der Erschleichung des Höchstsatzes durch einen rechtzeitigen Steuerklassenwechsel der Partner Tür und Tor geöffnet. Völlig legal und kostenneutral: bei der Einkommensteuererklärung fließen zu viel gezahlte Steuern desjenigen, der mehr verdient und sich eine Weile mit Steuerklasse 5 „begnügen“ mußte, wieder zurück in die Taschen.

Würde die Zahlung des Elterngeldes an die jeweils 50%ige Beteiligung beider Elternteile gekoppelt, könnte man den Bürokratieaufwand deutlich reduzieren, wenn man die Bemessungsgrundlage schlichtweg fallen ließe und ein einheitliches Elterngeld auszahlen würde. Davon würden insbesondere diejenigen profitieren, die wenig verdienen und für die das Elterngeld derzeit nicht einmal die Kosten für Windeln und Anderes deckt.

Aber das war ja zum Zeitpunkt der Einführung des Elterngeldes so nicht gedacht. Vielmehr sollten die gut ausgebildeten Frauen zum Kinderkriegen animiert werden, weil hier eine soziologisch-demografische Lücke klaffte. Leider haben meine Geschlechtsgenossinnen oft viel zu spät erkannt, dass die Teilzeit- und Rentenfalle erbarmungslos zuschnappt – das Elterngeld ist nur ein temporäres Schmerzensgeld. Und heute gilt: eine reiche Heirat ist auch keine Lösung mehr, wenn es am Ende darum geht, im Alter ordentlich versorgt zu sein. Außer frau ist vif genug, für einen anständigen Ehevertrag zu sorgen. – Juliane Duvigneau

 

Der Hinweis Charlotte Parnacks, dass das Ehegattensplitting schon lange und massiv kritisiert werde, geht offensichtlich davon aus, dass diese Kritik berechtigt sei. Die Tatsache, dass das Splitting bei unterschiedlich hohen Einkommen der Ehepartner im Vergleich zur Individualbesteuerung zu einer Steuerersparnis führt, verführt zu dem ersten Missverständnis, dass es sich bei dem sich ergebenden Splittingvorteil um einen Steuervorteil oder gar um eine Subventionierung hoher Einkommensbezieher handle. Eine zweite verfehlte Kritik – insbesondere merkwürdigerweise von Ökonomen – unterstellt, dass Frauen sich durch das Splitting dazu verleiten lassen, nicht oder geringfügig erwerbstätig zu sein.

In Wirklichkeit ist das Ehegattensplitting erstens ein steuersystematisches Instrument, dass die steuerliche Gleichbehandlung von Partnern einer Ehe mit Ledigen sicherstellen soll und sie tatsächlich auch sicherstellt. Denn die grundgesetzlich geforderte steuerliche Gleichbehandlung (Art. 3, I) gemäß dem Leistungssfähigkeitsprinzip wird durch das Opferfähigkeitsprinzip konkretisiert. Die steuerliche Belastung soll für jeden Steuerbürger mit gleichem Einkommen zu einem gleich hohen Verbrauchsverzicht führen. Da im Fall von zwei verdienenden Ehepartnern nicht das individuelle Erwerbseinkommen die Finanzierungsquelle für den Verbrauch jedes Partners darstellt, sondern die Hälfte des Haushaltseinkommens, darf für jeden Partner auch nur die Hälfte des Haushalts-einkommens der Steuer unterworfen werden.

Finanzwissenschaftler sprechen davon, dass deshalb statt der Indivudualbesteuerung die Globalbesteuerung notwendig sei. Dadurch wird erreicht, dass jeder Partner mit dem ihm zuzurechnenden Einkommensteil genauso hoch besteuert wird wie Ledige mit gleichem Einkommen. Würde das Ehegattensplitting nicht angewendet, würde sich für das Ehepaar In Höhe des Splittingeffekts eine vergleichsweise höhere Besteuerung ergeben. Der Splittingeffekt zeigt deshalb im Fall des Verzichts auf das Splitting den Grad der steuerlichen Diskriminierung der Ehepartner gegenüber Ledigen an. Das Ehegattensplitting ist als steueersystematisches Instrument auch kein familienpolitisches Instrument.

Der von manchen Ökonomen behauptete Fehlanreiz zur geringeren Beschäftigung beruht auf einer falschen Verhaltensannahme der Frauen. Diese Ökonomen gehen in ihren Simulationen der Erwerbstätigkeit gemäß traditioneller ökonomischer Logik davon aus, dass das geringere Nettoeinkommen des Geringerverdienenden – bewirkt durch die Wirkung der höheren Steuerprogression – zu einem geringeren Arbeitsangebot führe. Dass diese Unterstellung falsch ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass Frauen – wenn sie ihr individuelles Nettoeinkommen maximieren möchten – das durch den Antrag auf getrennt Besteuerung erreichen könnten, einen solchen Antrag aber in der Regel nicht stellen.

Im Übrigen wäre eine solche beantragte Individualbesteuerung ökonomisch auch unsinnig, weil das Haushaltseinkommens in Höhe des Splittingeffekts niedriger und damit auch zu Lasten der Frauen ausfiele. Empirisch ist im Übrigen nachgewiesen, dass der Grad der Erwerbstätigkeit der Frauen entscheidend von der Geburt von Kindern abhängt.

Das Ehegattensplitting bewirkt aber mit dem Effekt des niedrigeren Nettoeinkommens des Geringerverdienenden dann ein Problem, wenn Sozialleistungen beantragt werden müssen, deren Bemessung sich am Nettoeinkommen orientiert. Die Sozialleistung würde dann niedriger ausfallen als eigentlich notwendig. Diese Benachteiligung kann aber dadurch vermieden werden, dass die Besteuerung in der Steuerklass 4 mit Faktor beantragt wird, bei der die steuersparenden Progressionswirkungen auf die beiden Individualeinkommen verteilt werden. – Dr. Ernst Niemeier

 

Sie beklagen eine zunehmende Geschlechterungerechtigkeit am Arbeitsmarkt. Schaue ich mir den unbereinigten Gender Pay Gap bei Destatis an, dann werden da für Deutschland im Jahr 2006 noch 23 % ausgewiesen, im Jahr 2020 dagegen nur noch 18 %. Der Gender Pay Gap hat sich seit 2006 also um etwa ein Viertel verkleinert. Das passt nicht zu der von Ihnen behaupteten zunehmenden Geschlechterungerechtigkeit. Berücksichtigt man, dass etwa 2/3 dieses Gender Pay Gap auf unterschiedliche Arbeitszeiten zurückzuführen (höherer Teilzeitanteil bei Frauen), kann man auch von einem Gender Work Gap sprechen:

Frauen sind in einem geringerem Umfang erwerbstätig als Männer. Werden hier nun Frauen systematisch an der Erwerbsarbeit gehindert (was ein Verstoß gegen Artikel 3 GG wäre) oder nehmen Frauen einfach ihr in Artikel 2 GG verbrieftes Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit wahr und entscheiden sich für eine Work-Life-Balance mit weniger Erwerbsarbeit? Im ersteren Fall müsste der Staat korrigierend eingreifen, im zweiten Fall wäre es ihm untersagt. Daher ist auch ihre Annahme, dass die im Artikel 3 GG verbriefte Gleichberechtigung von Mann und Frau erst dann verwirklicht ist, wenn die Erziehungsarbeit zu gleichen Teilen auf Mann und Frau verteilt ist, falsch. Im Sinne von Artikel 2 GG muss die Entscheidung über die Aufteilung immer bei den Paaren liegen und der Staat hat da keine Präferenzen vorzugeben. Das Weltbild, nach dem ein Mensch in Deutschland leben möchte, sei es feministisch, römisch-katholisch oder sonstwas , darf er sich frei wählen.

Und nun machen wir es noch ein wenig komplexer: Destatis hat den Gender Pay Gap auch getrennt nach Westdeutschland (mit Berlin) und Ostdeutschland (ohne Berlin) ausgewiesen. 2006 waren es 24 % (West) und 6 % (Ost), 2020 dann 20 % (West) und 6 % (Ost). Der Gender Pay Gap ist also in erster Linie ein westdeutsches Problem – trotz identischer gesetzlicher Rahmenbedingungen in Ost und West. In Ostdeutschland liegt er mit 6 % in einer Größenordnung, die sich durch die unterschiedlichen Präferenzen bei der Berufswahl erklären lässt (männlich dominierte Berufe werden oft besser bezahlt als weiblich dominierte, was möglicherweise auch auf einen unterschiedlichen gewerkschaftlichen Organisationsgrad zurückzuführen ist, durch den sich Lohnerhöhungen in einem Fall besser und im anderen schlechter durchsetzen lassen).

Außerdem fällt auf: Durch die Einführung des Elterngeldes ist der Gender Pay Gap in Ostdeutschland überhaupt nicht beeinflusst worden. Dies vor Augen stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang das Elterngeld den in Westdeutschland beobachteten Rückgang des Gender Pay Gap begünstigt hat. Oder ist es einfach ein anderer Zeitgeist der 15 Jahre nach 2006 nun in die Kinderphase hereinwachsenden jungen Leute, der diese Entwicklung verursacht hat? – Ulrich Wenkemann

 

Erstaunlicherweise kommt in diesem Artikel zur Elternzeit das Kind, für die sie ja einmal geschaffen wurde, gar nicht vor. Wie wäre es, wenn man die Elternzeit bei ihrer Renovierung einmal vom Kind aus denken würde? Experten sagen, Kinder sollten erst fremdbetreut werden, wenn sie sicher gebunden sind; das sind sie selten mit 12-14 Monaten. Zumeist kann man die Bindungsfähigkeit nicht nachholen. So werden viele der Krippenkinder ein Leben lang mit diesem Problem zu tun haben. Also: 1. Elternzeit mindestens für 2 Jahre, anteilig für Vater und Mutter, denn viele Väter möchten heute gern mehr Zeit für ihre Kinder haben.

So gäbe man ihnen auch ein Argument gegenüber ihrem Arbeitgeber an die Hand. 2. Elternzeit darf die Karriere nicht beeinflussen, weder für Vater noch für Mutter – es muss in unserer Gesellschaft die Regel werden, dass Eltern kleiner Kinder Elternzeit nehmen oder Teilzeit arbeiten! Schon lange gibt es eine Studie, dass Familienfreundliche Unternehmen, in denen fast alle TZ arbeiten, eine um 17% höhere Produktivität – in allen wirtschaftsrelevanten Bereichen – haben als konventionelle… 3. So sollte „Familienfreundliches Unternehmen“ eine Marke werden, vielleicht sogar steuerlich begünstigt. 4. Das Geld, das in häufig nicht kindgerechte Krippen gesteckt wird, sollte Eltern als Renteneinzahlung zur Verfügung stehen:

Neben wunderschönen Erlebnissen bedeutet Elternzeit oder Teilzeitarbeit für junge Eltern einen großen finanziellen Verzicht insbesondere für die Renteneinzahlungen. Das kann sich unsere Gesellschaft nicht leisten. 5. Jeder sollte seine Lebensarbeitszeit selbst bestimmen können, so wird wahrscheinlich insgesamt der Wirtschaft keine Arbeitszeit verloren gehen. 5. Wenn dann noch für junge Eltern in Elternzeit oder TZ-Arbeit preiswerte, familiengerechte Wohnungen zur Verfügung stehen, würde Deutschland einen Schritt in die Zukunft gemacht haben, denn „man erkennt die Zukunftsfähigkeit eines Landes daran, was es für seine Kinder tut.“ – Dr. Ursula Augener

 

Die paritätische Aufteilung der Elternzeit ist überfällig. Darin stimme ich völlig überein. Nicht benannt wurde in diesem Zusammenhang deren Wichtigkeit für die Beziehungsstruktur innerhalb der Familie. Väter sollen auch die Möglichkeit haben, eine intensivere „Alltagsbeziehung“ zu ihren Kleinkindern aufzubauen, in der sie allein verantwortlich sind für ihre Kinder, ohne den Schulterblick der Mütter. Diese können lernen, vertrauensvoll loszulassen im Sinne, sie, die Väter, werden das schon packen, anders vielleicht, aber als eine Bereicherung für das eigene Kind. Das garantiert mittelfristig eine für alle Beteiligten zufriedenere Familie.

Insbesondere darf Kindern, gerade auch Kleinkindern, der väterliche Aspekt in ihrer Beziehung zu den Eltern nicht vorenthalten werden, er ist für die Entwicklung enorm wichtig wie auch das kindliche Erleben für Väter wichtig ist. Daraus resultieren dauerhaft stärkere Verbindungen. Es gibt Untersuchungen von Wassilios Fthenakis über die Korrelation von Scheidungen und unbefriedigenden Rollenzuweisungen nach der Geburt eines Kindes. Hoffen wir auf das Beste, möge unsere Regierung mutig sein! – Ruth Wernicke

 

Gut gewählter Titel. Sie meinen doch wohl nicht im Ernst, sich in die familiäre Aufteilung der Erziehungsarbeit einmischen zu dürfen?! Wie kommen Sie darauf, für Ihre diesbezügliche Vorstellung staatliche pekuniäre Sanktionen einzufordern zu können? Warum nicht das Kindergeld halbieren, falls die Hausaufgabenbetreuung ungleich aufteilt ist? Bei den bestehenden Problemen der Menscheit frage ich mich im Übrigen, wie so ein Thema auf Seite 1 kommen kann. – Axel Kümmel

 

Der Staat – so Charlotte Parnack – soll das Elterngeld nur den guten Ehen zukommen lassen; das sind solche, in denen Berufs-, Care-, Erziehungs- und Hausarbeit fifty-fifty verteilt werden. Paare, die sich dieser Norm nicht unterwerfen und die sich die Freiheit herausnehmen, ihr Familienleben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, sind offensichtlich schlechter und weniger förderungswert. Ähnliches soll auch fürs Ehegattensplitting gelten.

Nun soll der Staat zwar Gleichberrechtigung, also gleiche Rechte von Mann und Frau durchsetzen, aber das erhebt ihn nicht zum Schöpfer oder Hüter einer Ehemoral. Welche Rechte die Gleichberechtigten jeweils in Anspruch nehmen und wie sie die Pflichten und Arbeiten innerhalb von Ehe und Familie aufteilen, ist Sache der Eheleute. Der Staat hat sich da rauszuhalten, auch mit der Beurteilung von Förderungswürdigkeiten. Alles andere wäre übergriffig – und totalitär. – Günther Hoffmann

 

Wenn Besserverdienende nur eine „Alibi-Babypause“ machen finde ich das auch nicht richtig, aber es handelt sich um rationales, wirtschaftlich vernünftiges Handeln, das von den Gesetzen und der Gesellschaft nahegelegt wird. Wenn der besserverdienende Elternteil zu Hause bleibt, verzichtet die Familie nämlich gleich dreifach auf Geld: 1. Differenz des Einkommens zum Elterngeld (Obergrenze 1800 €, ElterngeldPlus 0bergrenze 900 €). Probieren Sie mal den Elterngeld-Rechner im Internet! 2. Vergebene Karriere-Chancen mit ihren finanziellen Auswirkungen. 3. Altersversorgung. Für jeden Monat Elternzeit erhöhen sich Rente oder Ruhebezüge z.Zt. um € 2,85 (West). Das ist für alle gleich, völlig unabhängig von dem Einkommen, auf das tatsächlich verzichtet wurde. Warum sollen ausgerechnet Familien mit Kindern Geld wegwerfen? – Peter Schulze

 

Im Ernst: Männer kümmern sich nur zwei Monate um Ihre Kinder? Das wäre mir neu. Ich bin Vater zweier Söhne und kümmere mich super gerne um meine Kinder. Auch nach diesen zwei Monaten (bei mir 4 Monate wegen ElterngeldPlus) wickel ich sie mit Stoffwindeln, bringe sie ins Bett, lese Ihnen vor, spiele mit Ihnen gehe mit Ihnen einkaufen etc. Viele Väter tun dies ebenfalls manche mehr manche weniger. Laut Statistik beziehen 72% der Männer nur die zwei Monate Elterngeld.

Aus meiner Sicht tun sie das nicht weil sie ihre Frau unterjochen, denn, dass so unterstellen sie es den Müttern, wären diese wohl nicht emanzipiert genug ihren Männern den Druck aufzubauen früher Elternzeit und Elterngeld zu beziehen, sondern weil sie es so wollen. Das ist nicht nur die Erfahrung mit meiner Frau sondern auch die aus Gesprächen mit anderen Müttern aus Kinderkursen und befreundeten Müttern.

Meiner Frau war es eine Last ständig von anderen Verwandten, Bekannten, Freunden und mir gefragt zu werden: Wann Sie denn wieder arbeiten geht. Das baute einen negativen Druck bei Ihr auf der erstmal wieder rausgenommen werden musste. Sie gewichten keine Argumente, setzen Unordentlichkeit des Mannes mit dem Stillen gleich. Männer können nicht stillen. Das können sie nicht einfach ignorieren. Beide Söhne wurden mindestens 12 Monate gestillt. Das ist übrigens nach heutigem Erkenntnisstand das beste was Frau tun kann! Das wollen und handhaben viele Frauen so. Wieso wollen sie ihnen das wegnehmen?

Der derzeitige Zustand lässt den Paaren die Freiheit die sie brauchen. Sie wollen Ihr Weltbild auf alle drücken und sehen halt einfach nicht die Realität. Denn zur Zeit ist auch kein Elternteil verpflichtet zu gleichen Teilen Elterngeld zu beanspruchen. Viel besser wäre es wenn man innerhalb von den drei Jahren Elternzeit das Elterngeld der 14 Monate aufteilen könnte. – Stephan Bacher

 

Wie wäre es im Zuge der Gleichberechtigung, den Gedanken des Ehegatten-Splittings weiterzuspinnen und auf das Elterngeld zu übertragen? Während das Ehegatten-Splitting zu Recht oftmals kritisiert wird, käme ein Elterngeld-Splitting der Gleichstellung geradezu entgegen. Wenn Paare die Möglichkeit hätten, bei der Berechnung des Elterngelds ihre Einkommen zu addieren und dann durch zwei zu teilen, glaube ich, würden noch viel mehr Väter eine längere Elternzeit genießen können. Eine Anmerkung sei erlaubt: Als Vater, der morgens ganz früh aufsteht und an den Schreibtisch geht, um am Nachmittag Zeit fürs Kinderturnen, Schwimmkurs und andere Spielaktivitäten zu haben, kenne ich die Windelgröße meiner kleinen Tochter sehr wohl – trotz voller Stelle. – Mirco Borgmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Ein deutscher Held und Räuber“ von Moritz Aisslinger

 

Das Positive natürlich vorweg: Herr Aisslinger hat einen hervorragenden Artikel verfaßt, der den Werdegang des Herrn Schliemann, seine Entdeckungen und seine hochbegabte, aber manische und „vatergeschädigte“ Persönlichkeit eindrücklich beschreibt, packend bis zur letzten Zeile. Wäre da nur nicht die Überschrift. Aufgrund einer früheren Zuschrift weiß ich, dass diese nicht vom Autor, sondern von der Redaktion bestimmt wird. Nicht immer zum Besten des Artikels, hier schon mal gar nicht. Gewiss: Herr Schliemann hat den Vertrag mit der Regierung des osmanischen Reichs gebrochen.

Und anderenfalls? Gab es damals in diesem Reich irgendein Museum, das die gefundenen Pretiosen angemessen verwahrt und ausgestellt hätte? Das osmanische Reich sah sich seinerzeit garantiert nicht in der Nachfolge des antiken Griechentums. Und die moderne Türkei – hm, was ist jüngst aus der „Hagia Sophia“ geworden? Bei aller Sympathie für Herrn Aslan: der „Schatz des Priamos“ ist ein gesamteuropäisches Erbe und daher beispielsweise in Rußland, Deutschland oder Frankreich ebenso gut aufgehoben wie in dem gegenwärtigen Staat des Fundorts.

Am ehesten noch in Griechenland – der Artikel legt doch nahe, dass sich Heinrich Schliemann selbst weit eher als „Wahl-Grieche“ (oder vielleicht „Wahl-Franzose“) sah, denn als „deutscher Held“. Sorry: die von der Redaktion gewählte Überschrift ist nichts weiter als reißerisch, huldigt dem modischen Pharisäer(=Frömmler)tum – in den Vordergrund wird gerückt, dass der böse Deutsche die armen Türken beraubte! – und tut der Leistung des Herrn Aislinger bitter Unrecht. Schade. – Friedrich Schweikert

 

Meine Schwiegermutter Cäcilia Evers, geb. Pape, war eine Cousine Heinrich Schliemanns. Ich selbst, Jahrgang 1938, floh in der „Operation Gomorrha“ aus Hamburg an der Hand meiner Mutter nach Fehmarn, wo ich die Familie meines späteren Ehemannes kennenlernen sollte – und mir ihre mecklenburgischen Geschichten anhörte. In meinen Augen ist und bleibt Schliemann ein Held, weil er die Zeichen seiner Zeit erkannte und seinem Stern folgte – wie passend für jemanden, dessen Lebensdaten – wie es Cäcilia Pape immer wieder betonte – „unter dem richtigen Stern, nämlich dem Stern von Betlehem, standen“: Am Dreikönigstag geboren, am Stephanusfest vollendet: Ein Weihnachtsleben! Wie die Sterndeuter aus dem Orient folgte Schliemann seinem Stern (gen Osten) und ließ sich nicht beirren; was für ein Vorbild. – Barbara Klann-Evers

 

Danke für den Artikel. Ich habe viel über Schliemann gelernt. Eines möchte ich korrigieren: Die Bibel sagt nicht, wie alt die Erde ist. Fundamentalisten und sog Kreatonisten halten den ( es gibt zwei Berichte, was oft unterschlagen wird) Schöpfungsbericht für einen wörtlich zu nehmenden Bericht. Sie zählen die im 1. Buch Mose vorkommenden Zahlen zusammen, das genannte Alter der Menschen etc. und kommen dann auf die ca. 6000 Jahre, ca. 4000 Jahre vor Christus. Dabei gibt es auch bei den Kreatonisten verschiedene Strömungen. Ich halte mich an den Satz: Nehmen Sie die Bibel wörtlich, oder nehmen Sie sie ernst? – Harald Frey

 

Toll, wie Sie wieder einmal dem Leser -hier gleich auf der Titelseite!- pauschale Verurteilungen völlig abgehoben aus dem Kontext der jeweiligen Zeitumstände entgegen schleudern! An derartigen journalistischen Rundumschlägen habe ich kein Interesse! DIE ZEIT habe ich daraufhin im Zeitungsständer stecken lassen! – Hans Hardenberg

 

Jetzt trifft die zeitgemäße Zeit-Kritik auch den großen Heinrich Schliemann,was zu erwarten war, nach all den Demontagen(von Schopenhauer bis Kant).Unsere Zeit-Geist -Genossen können ihnen aber nie das Wasser reichen! – Peter Schmidhammer

 

Ich habe alle Artikel zum Titelthema gelesen – sehr gut und vielen Dank! Zur Person Schliemann: Was sagt uns seine Lebensgeschichte? Kinder werden zu einem erheblichen Teil durch ihr Elternhaus geprägt und damit auch für spätere Verhaltensweisen. Ebenso der Spott in der Kindheit gegen ihn, den er ein Leben lang nicht vergessen hat. Vielleicht ist damit sein schier unglaublicher Antrieb zu erklären. Mir wurde es fast „schwindelig“ beim Lesen. Ich möchte H. Stoll aus dem Buch „H. Schliemann, Abenteuer meines Lebens“, Seite 24 zitieren: „Einen Menschen des 19. Jahrhunderts mit den Erkenntnissen des 20. (21.) Jahrhunderts zu messen ist nicht nur unrichtig, sondern zuweilen sogar lächerlich“. – Klaus Prinz

 

Hier geht es um Heinrich Schliemann,dem Entdecker von Troja,oder was er dafür hielt.Er hat drauflos gegraben und in die Tasche gesteckt,was da zu finden war.Oder geklaut.Dann heiratete auch eine Griechin.Das fanden die Griechen nicht lustig.Et klaut auch noch unsere Frauen.Auch allesmögliche andere wurde abgeräumt und nach Deutschland verschleppt.Eine Sache hatte Heinrich vergessen.Den Nachen des Charon.Die kleine Barkasse musste es doch auch geben.Das wäre was gewesen,Schliemann in Charons Nachen auf der Spree. – Hans-Emil Schuster

 

Unter der Wirtschafts-Rubrik vom 30.12.2021 veröffentlichen Sie den Unternehmer Dr. Ansay, der dubiose Corona-Tests per Internet anbietet und vertreibt. Es ist für mich vollkommen unverständlich, dass Sie Herrn Dr.Ansay als Unternehmer ausloben. Das verunglimpft die Unternehmer. Bei Licht betrachtet werden gegen Geld falsche Zeugnisse erstellt. Das nenne ich Betrug und Hintertreibung der öffentlichen Ordnung.

Sollten solche Beiträge nicht besser unter der Rubrik „Verbrechen“ veröffentlicht werden? Zu Ihrem Titel vom 05.01.2022: Vom Entdecker zum Plünderer: Es erschreckt mich geradezu, wie Sie einen verdienten Entdecker aus der damaligen Zeit herausreißen können und ihn reduzieren auf einen Plünderer. Diese Art der Aufmachung spiegelt einen Zeitgeist wider, den ich mir von Ihrer Redaktion anders dargestellt wünsche und mich sehr negativ überrascht hat. Beide Artikel sind in dieser Aufmachung und Verfassung aus meiner Sicht ein Verfehlung. – Dieter Handrich

 

Den o.g. Artikel habe ich mit sehr großem Interesse gelesen – auch als langjähriges (früheres) Mitglied der „Freunde von Troja“. Die „Freunde von Troja“ unterstützen die Arbeitem Aktivitäten des entsprechenden Instituts an der Uni Tübingen, und damit auch Herrn Rüstem Aslan. Sie haben für mich sowohl die Ausgrabungsgeschichte von Troja (oft auch Troia geschrieben) als auch die Person Heinrich Schliemann sehr gut dargestellt. Danke für dieses umfangreiche Dossier.

Da ich jedoch nicht alle Aussagen zur Person Heinrich Schliemann teile, würde ich gern den Chefarchäologen, Herrn Rüstem Aslan, folgendes fragen: : Seine Zitate (in Ihrem Artikel): – „Der Ort wurde allerdings bereits vor 5000 Jahren besiedelt.“ – „Er zerstörte seinen Sehnsuchtsort.“ – „Mit diesem Graben hat Schliemann das Herz von Toja herausgerissen.“ sind durchaus wirkungsvoll formuliert.

Doch sollte aus archäologischer Sicht folgendes nicht ausser Acht gelassen werden: – ohne diesen sog. „Schliemann-Graben“ *) wäre man nach den heute üblichen Vorgehensweisen der Archäologie sehr wahrscheinlich nie in diese unterste Ebene des Hügels von Hissarlik vorgestossen und hätte also die lange Besiedlungsdauer (5000 Jahre) nicht entdeckt ….. (wie mir der leider viel zu früh versorbene damalige Ausgrabungsleiter, Herr Professor Dr. Manfred O. Korfmann bei einer Führung durch die Ausgrabung sagte…) – Herr Aslan im Begleitbuch zur Troja-Ausstellung im Jahr 2001 im Artikel „“Ein Traum und seine Auswirkungen – Troia und die Anfänge der Archäologie“ (gemeinsam mit Diane Thumm) auf Seite 326 geschrieben hat „Obwohl sich … herauskristallisierte, dass die von ihm entdeckte Siedlung nicht die homerische sein konnte, hat er die Archäologie mit der Aufdeckung dieser frühbronzezeitlichen Stadt um einen großen Schritt vorangebracht.“ und weiter auf Seite 327 „Nach seinem „Gewaltschnitt am Anfang begann er stratigraphisch zu graben – damals bei weitem noch keine etablierte Grabungsart.“

Er also durchaus Wertschätzung für Heinrisch Schliemann formuliert hatte. – Der leider viel zu früh verstorbene seinerzeitige Grabungsleiter, Herr Prof. Dr. Manfred O. Korfmann, hat im o.g. Begeleitbuch auf Seite 19 geschrieben „Er war ein Pionier meines Faches – der Ur- und Frühgeschichtlichen der Archäologie. Ihm verdanken wir viel, mehr als viele heute wahrhaben wollen …“ – und was versteht Herr Aslan unter „Herz von Troja“ ? Troja besteht aus vielen, über die Jahrtausende aufgebauten und wieder zerstörten oder verfallenen Siedlungsschichten, bei denen nach heutigem Wissensstand dann das „homerische Troja der Siedlungsschicht „Troia VI und/oder VIIa“ zugerechnet wird – doch welche dieser vielen Siedlungsschichten meint Herr Aslam nun mit „Herz“?

Falls er die Schicht(en) Troia VI / VIIa – also das „homerische Troja“ meint, dann darf dabei jedoch nicht übersehen werden, daß bereits im 3. Jahrhundert v.Chr. der Hügel von Hissarlik zu einem wesentlichen Teil abgetragen wurde um eine Fläche zu schaffen für einen Tempelneubau (Schicht „Troia VIII“) – und dabei bereits wesentliche Schichten unwiderbringlich verloren gegangen sind – vielleicht auch das „Herz von Troja“. Wie es im „Führer durch Troia“ nachzulesen ist: „Spätestens beim Tempelbau wurden die zentralen und hochgelegenen Gebäude der Schichten Tross VII und Troka VI planiert“ (Ausgrabungsführer „Führer durch Troia“, verfasst von der Grabungsleitung ISBN 975-807-043-6).

Wir dürfen – aus meiner Sicht – daher nicht nur mit unserer heutigen Brille (wer sagt uns denn, daß diese die absolute Wahrheit sichtbar macht) auf die Dinge sehen UND sollten bei allen Fehlern, die Heinrich Schliemann hatte und gemacht hat, seine einzigartige Leistung – gerade in Troja – nicht übersehen. Ohne ihn wüssten wir heute nicht so viel über den Hügel von Hissarlik, über Troja. Ohne ihn und seine Leistungen hätte es sehr wahrscheinlich die Ausgrabungen in Troja durch die Universität Tübingen nicht gegeben.

Und Herr Aslan war ja Mitglied in diesem Ausgrabungsteam, im „Troja-Projekt des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Eberhard-Karls-Universität Tübingen“ Die Ausgrabungen in Troia sind so komplex, das es ohne die gute Vermittlungen der Siedlungsschichten , die sich über die Jahrtausende ergeben haben, nicht darstellbar ist. Und ob es jemals in diesen 3500 Jahren der Besiedlung ein „Herz von Troja“ gegebn hat, das bezweifle ich. – Steffen Lasch

 

Ich lese sie stets mit größten Behagen und erkenne oft genug, dies ist ein Stück meine Zeitung und mach mein Leben noch schöner. Aber was sollen diese schlimmen tendenziösen Zeilen.Unglaublich! Ich versuch’s mal sachlich. Schweres Unterfangen. Herr Aisslinger hätte titeln müssen“ Ossi Heinrich Schliemann log, betrog, und trickste- „ und in Petersburg, wenn verwunder‘s , ließ er sich bereits mit den düsteren Vorfahren Wladimir Putins auf makabere Finanzgeschäfte ein.

Ach ja und der liebe Wilhelm Furtwängler, seine musikalischen Aufwartungen zu den Hitlergeburtstagen , die muß man ihm ja nicht ewig übel nehmen. Nein, HerrAissinger muß sich nicht schämen, passt schon alles in diese Welt . Die Gräben zwischen Hamburg West und Mecklenburg-Ost sind noch lange nicht tief genug. Noch schlimmer geht immer. – Hartwig PRADEL

 

Ich frage mich, wieso sich manche Leute dermaßen für die Restitution griechischen oder babylonischen etc. Kulturguts, das rein gar nichts mit türkischer bzw. osmanischer Kultur zu tun hat, gerade an die Türkei ereifern; die einzige „Verbindung“ besteht darin, dass die Türken 1453 gleich ganz Kleinasien und mehr mit all seinen diversen „nicht-türkischen“ Kunstschätzen – je nach Sichtweise – erobert, geraubt oder sich unter den Nagel gerissen haben … – Bert Kronthaler

 


 

 

Leserbriefe zu „Reden und rüsten“ von Matthias Naß

 

Bei Europas Sicherheitsbelangen ist der nationale Denkrahmen weitaus ausgeprägter als die territoriale Begrenzung. Eine Überwindung dieses Denkrahmens muss daher sich zuvor durch eine von der EU-Kommission initiierte institutionalisierte Befassung mit dem Gesamtpaket der auf die territoriale Begrenztheit bezogenen Vorannahmen befassen.

Eine konsequente Auseinandersetzung mit dem nationalen Denkrahmens kann dazu führen, binnen-nationale, auch neuere nationalistische Perspektiven im Kontext europäischer und globaler Wirkungsfolgen präziser zu analysieren und politisch als Erkenntnis, dass ein gemeinsames Europa nicht aus einem nationalen Rahmen und nationaler Binnensicht denkbar ist, zu manifestieren. Gerade hinsichtlich der Sicherheitsbelange des Kontinents, aber auch unter analytischer Einbeziehung von Belangen von Drittstaaten mit Einfluss auf europäische Sicherheitsbelangen ist dieses absolut vorrangig, geradezu zwingend. – Jürgen Dressler

 

Woher wollen Sie wissen, dass President von Russland Wladimir Putin die Auflösung der UdSSR als Erniederung empfand und „diese Schmach nie verwunden hat“? Er selbst schreibt doch in seinem Artikel in der ZEIT N°26 vom 24.06.2021 ganz anderes: „Wir hofften, dass das Ende des Kalten Krieges einen Sieg für ganz Europa bedeuten würde…“ Und darüber träumte auch Michail Gorbatschow – sieh zur Erinnerung ein Appel von Ihm an die Welt mit Franz Alt: Kommt endlich zur Vernunft – Nie wieder Krieg! (Soll ich wirklich auch das zitieren?)

Wie konnte man nach all dem die Doppelstrategie der Nato aus dem Kalten Krieg als erprobten Rezept empfehlen? Denken Sie wirklich, dass die 30 Jahre nach 1991 ein Siegeszug des Westens, der Nato war? Die Diktatoren werden nicht geboren, sie werden gemacht – in Anspielung an ein berühmtes Zitat. Der minimale „Fortschritt“ der relikten Doppelstrategie Nato hätte ich erwartet: Reden und Abrüsten. Schade, sehr schade für DIE ZEIT. – Dr. Leonid Bussler

 

Gerade von den für Außenpolitik Verantwortlichen der Bundesrepublik Deutschland wäre in Hinblick auf ihre Haltung gegenüber Russland zu erwarten, dass man sich der Fakten und der Äußerungen von Bundesaußenminister Genscher entsinnt. Fakt ist ja, dass die NATO seit 1990 dem russischen Bären mit 14 neuen Mitgliedern immer dichter an den Pelz gerückt ist; vier weitere Länder, darunter Georgien und eben die Ukraine, dürfen hoffen. All das war 1990 keineswegs so vereinbart: In einem in der ARD am 8.9.2014 ausgestrahlten Interview erinnerte der seinerzeitige Außenminister Genscher, was er Russland im Rahmen der Wiedervereinigung Deutschlands am 2.2.1990 zugesichert hatte – gemeinsam mit US-Außenminister Baker:

„In Washington machte der amerikanische Außenminister weitreichende Zusagen und wir waren uns einig, dass nicht die Absicht besteht, das NATO-Verteidigungsgebiet nach Osten ausdehnen zu wollen“ (Nachzuhören auf www.youtube.com/watch?v=F2iOAtNlleg u.a.). Völlig korrekt meinte Genscher daher später, auf diese Zusage angesprochen: „Wir haben Russland betrogen.“ Und völlig legitim kann Russland nun nach 30 Jahren an die früheren Zusagen erinnern. – Dr. Elisabeth Heresch

 

Woher wissen Sie, dass sich bei Herrn Putin ohnmächtiger Zorn aufgestaut hat? Ich sehe keinen Grund dafür und würde mich hüten, die Gefühle des russischen Diktators, Imperialisten und vielfachen Mörders Wladimir Putin ergründen zu wollen. Meines Erachtens initiiert oder nutzt Herr Putin ohne jeden ohnmächtigen Zorn ganz bewusst immer wieder Krisen und Kriege, um mit außenpolitischen Erfolgen – konkret:

Eroberungen und sonstigen Machtgewinnen – innenpolitisch zu glänzen und von der nicht so glänzenden wirtschaftlichen Entwicklung in Russland abzulenken. Aber das ist auch nur eine Einschätzung, kein Wissen. Ihr Appell zum Reden ist trotzdem richtig: Solange die Nato nicht willens und nicht fähig ist, der Ukraine wirksam militärisch beizustehen, bleibt als Option nur Verhandeln unter Androhen von weiteren Wirtschaftssanktionen übrig. – Dr. Ulrich Willmes

 

Frieden durch Vertrauen statt Rüstung. Der Konflikt im Osten Europas hat sich gefährlich zugespitzt. Leider ist es so, dass der Westen nichts Wesentliches zur Deeskalation bis jetzt beigetragen hat. Vertrauen ist eine wichtige Voraussetzung für Frieden. Dies wurde leichtfertig verspielt: Bei der deutschen Wiedervereinigung wurde mit Russland vereinbart, dass es keine NATO-Osterweiterung geben wird und es zu keiner Stationierung von NATO-Truppen an der Grenze zu Russland kommen wird. Diese Vereinbarung wurde im Laufe der Jahre schlichtweg ignoriert.

Dass Russland jetzt auf Sicherheitsgarantien pocht, ist verständlich – insbesondere nach dem eklatanten Bruch der ursprünglichen Vereinbarung durch den Westen, die Voraussetzung für die Wiedervereinigung gewesen ist. Leider wird dieser Aspekt im genannten Artikel mit keinem Wort erwähnt. Das ist der ZEIT mit ihrem Anspruch der Ausgewogenheit nicht angemessen und letztlich bläst man in das Horn derjenigen, die Sicherheit durch Rüstung und Drohung erreichen wollen. Wir müssen im Denken und in der internationalen Politik endlich weiter kommen und sollten nicht auf „Konfliktprävention sowohl durch Abschreckung als auch durch Diplomatie“ setzen (Zitat W. Ischinger, Münchener Sicherheitskonferenz im o.g. Artikel).

Bei der wie im Artikel erwähnten „gefährlichsten Sicherheitskrise in Europa“ braucht es in allerersten Linie vertrauensbildende Maßnahmen statt Rüstung und Drohungen. Wann denkt man endlich um (auch in der ZEIT-Redaktion!). Mit immer mehr Rüstung wird das Risiko eines Krieges auch immer größer. Dies sollte gegenüber Russland bei allen berechtigen Vorbehalten wie Krim-Besetzung, Missachtung der Menschenrechte, Unterstützung autokratischer Willkür-Despoten, … berücksichtigt werden. – Dieter Stöckle

 

Gerade habe ich noch einmal nachgelesen, was Wladimir Putin am 25. September 2001 in einer bemerkenswerten Phase der deutschen Beziehungen zu Russland und in einer bemerkenswerten Rede im Deutschen Bundestag gesagt hat. Da hatte das Land, das durch den 2. Weltkrieg über 25 Mio. Tote zu beklagen hatte, das nach langem kalten Krieg die Wiedervereinigung zugelassen hatte, das in der Folge vielen Versprechungen, u.a. zur Nato-Osterweiterung geglaubt hatte und vielfach enttäuscht wurde, das von Europa bis heute nie als Partner auf Augenhöhe angesehen, geschweige denn als natürlicher Teil Europas als mögliche große Bereicherung betrachtet wurde, trotzdem die Hand ausgestreckt, um genau das zu erreichen: Zusammenarbeit, Frieden, Stabilität und wirtschaftliche Perspektiven.

Seitdem haben sich die Enttäuschungen weiter gehäuft, die Nato steht an den russischen Grenzen, Sanktionen im Zuge doppelbödiger Politik (andere dürfen erobern, was sie wollen, wenn sie wirtschaftlich stark oder strategisch wichtig genug sind). Das Russland (unter großem Druck durch die Natoerweiterungen und die amerikanische Flotte im Süden) die Krim annektiert, ist nicht akzeptabel, aber verständlich. Was hätten in vergleichbarer Lage die USA wohl angestellt?

Nun ist der kalte Krieg wieder da, die Waffenarsenale voller und gefährlicher denn je. Das soll also erfolgreiche deutsche und europäische Sicherheits- und Friedenspolitik gewesen sein? Es fehlt zunächst an Selbstkritik und Reflektion. Deutschland und Europa haben Fehler gemacht und Chancen verpasst. Die USA freuts: sie liefern gerne Waffen in die Ukraine, Fotos (glaubhafte diesmal?) zur Panikmache in die Welt und Schutzangebote überall dahin, wo ihre geostrategischen Machtgelüste es lohnend machen.

Die USA, das ist übrigens die gewalttätigste Nation seit 100 Jahren auf diesem Globus und derzeit eine der unsichersten der westlichen Demokratien, auf den Seiten 2 und 3 derselben Zeitausgabe nachzulesen. Selbst die düsteren Aussichten dort, die unfassbaren Gefahren, die von der Entwicklung (kommt Trump ernsthaft zurück?) ausgehen und die ungeheuren Ressourcen, die wir in Europa in das Thema „Angst vor Russland“ investieren, all das scheint nicht zu reichen für ein wirkliches Umdenken und Zurückbesinnen auf die Chancen der 90er Jahre.

Es braucht bitte wieder Visionäre und dann sehr mutige Politiker, die sich so verrückte Dinge wie Russland als Teil Europas, Russland als Mitglied der EU und – warum eigentlich nicht? – Russland als Sicherheits- und Nato-Partner vorstellen können und sich dann auf den Weg machen. Das wäre europäisches Interesse. Wie viele der derzeitigen Probleme hätten wir nicht mehr, wie viele Ressourcen würden frei für notwendige Entwicklungen für unsere Zukunft?

Den USA gefällt das sicher nicht, deshalb tun sie Vieles, um genau das zu verhindern. Wir sollen sie weiter brauchen müssen und ihre Soldaten und Bomben hier im Land begrüßen. Unsere Angst vor Russland und vor Selbständigkeit und europäischer Selbstverantwortung ist ein gutes Geschäft. Selbst wenn dort ein durchgeknallter Egomane den Finger auf den roten Knöpfen hält – wir wollen es wohl nicht anders. Europa endlich auf Augenhöhe mit den „Großen“ wird aber nur anders gehen. Zu verrückt? Wer hätte 1980 eine deutsche Wiedervereinigung nicht für völlig verrückt gehalten. – Jürgen Eulenpesch

 

Der anhaltende Vertrauensverlust in Politik und Medien wurde durch Umfragen über die einseitige Berichterstattung schon am Anfang der Ukrainekrise deutlich (belegt durch U.Krüger). Es hat sich nichts geändert, ob ARD (Dok.10.01.2020 23 Uhr 35min) oder o.g. Artikel. Putin intervenierte 2008 in Georgien nicht aus Schmach, sondern weil der kriminelle US-Doktorand und Ex-Präsident Saakaschwili seine von den USA hochgerüstet Armee völkerrechtswidrig Südossetien angreifen ließ. Diese Tatsache wurde von nicht russlandfreundlichen europäischen Gremien bestätigt, wird aber bei vielen Politikern und Leitmedien ignoriert. Die völkerrechtswidrige Annektion der Krim sollte einem künftigen NATO-Stützpunkt zuvorkommen .

Verluste an Menschenleben durch die Krimoperation sind nicht bekannt, sicherlich begründet in der hohen Zustimmung bei der betroffenen Bevölkerung, auch ohne Referendum. Die völkerrechtswidrige Besetzung anderer Gebiete durch befreundete Staaten wird nicht mit Sanktionen geahndet, aus schuldhaften Gewissen, das wir gegenüber Russland offensichtlich nicht haben müssen. Das nennt man dann wohl wertebasierte Außenpolitik. Die Bezeichnung „moralbasiert“ wurde von einer Grünenpolitikerin in einer talkshow abgelehnt. Ähnlich wie die Doppelmoral kennt der „Wert“ mehrere Bedeutungen, nennen wir doch unsere Politik ehrlicherweise „kapitalwertbasiert“. Die Ostukrainer, im deutschen Einheitssprech „prorussisch“ genannt (manche Leitmedien lassen schon das „pro“ weg), haben sich nicht einfach von Kiew „losgesagt“.

Sie waren mit dem ihnen Nachteile bringenden Umsturz nicht einverstanden und sollten durch unverhältnismäßige Gewalt u.a. von bewaffneten Rechtsextremisten auf Linie gebracht werden. Es ist naiv, Putin zu unterstellen, er wüsste nicht, dass die Ukraine längst im westlichen Lager angekommen ist . Wozu waren wohl die 5 Milliarden $ der US-Ostexpertin Nuland vor 2015 und die Milliarden Dollar Militärhilfe danach? Ursache und Kern der jetzigen Situation ist der Wortbruch der USA, die 1990 vor der Weltöffentlichkeit zusagten , die NATO nicht nach Osten zu erweitern ( die Aufnahmen von Genscher und Baker existieren noch). Die Zusage hat durch konkludentes Verhalten der USA bis 1996 gehalten und und niemand hat sie in Frage gestellt. Anträge der nun „selbstbestimmenden freien osteuropäischen Staaten“ zum NATO-Beitritt hätte man guten Gewissens mit salvatorischen Argumenten beantworten können (möglicherweise wären sie bei einer Gorbatschow offerierten NATO-Osterweiterung gar nicht so frei geworden).

Scheinbar kennt der überproportional mit Anwälten besetzte Bundestag die Rechtsbegriffe konkludent und salvatorisch nicht. Es wurde aber von den Osteuropäern nicht angefragt, sondern von den USA 1997 aus geopolitischen Gründen ( bei Russland nennt man das jetzt „Einflusssphären“) angeboten, sicherlich mit Zuckerbrot und Peitsche (wie später in Montenegro gegen den Mehrheitswillen). Dem ging die Wahl des Oligarchenfreundes Jelzin 1996 voraus, der aussichtlos zurücklag und US-Präsident Carter persönlich um Hilfe bat. Carter ließ hunderte Wahlkampfprofis einfliegen und tatsächlich gewann Jelzin wider Erwarten.

Mit am Tisch saßen die Angehörigen der Organisationen, die 2003 Husseins Waffen „entdeckten“ mit den bekannten Folgen und Merkels handy abhörten. Der Zustand des russischen Staates unter dem Alkoholiker Jelzin war nun bis ins Detail bekannt und wurde ausgenutzt . Laut Sicherheitsberater Brzezinski sollte die USA als letzte Weltmacht den eurasischen Kontinent unter ihrer Kontrolle halten und andere Weltmachtbestrebungen verhindern. Durch seine „Afghanistanfalle“ für die UdSSR (Waffen an die Mudschahedin und Nötigung zum Eingreifen), als noch afghanische Mädchen ohne Kopftuch in die Schule gingen , galt er selbst in den USA als einer der Verursacher der Entwicklung des islamistischen Terrors. Natürlich war er für die NATO-Erweiterung (ohne Ukraine).

Die Osterweiterung war auch in den USA heftig umstritten, selbst ehemalige Verteidigungsminister und CIA-Direktoren waren dagegen. Der Historiker,Diplomat und Marshallplanentwickler F.Kennan nannte die Clinton-Entscheidung 1997 als verhängnisvollsten Fehler der US-Politik nach dem Kalten Krieg. Was sollen dann erst die betroffenen Russen denken? Auch die Aussage im o.g. Artikel über den NATO-Beschluss 2014 für Verteidigung 2% des BIP auszugeben ist falsch und dient nur der Schuldzuweisung an Putin. Dieses Ziel wurde bereits 2002 ausgeben und galt als Aufnahmebedingung für weitere osteuropäische Staaten (nebenbei: alles Nettoempfänger der EU, insoweit ist die BRD finanziell indirekt beteiligt an deren Militärausgaben).

Die Erweiterung begünstigte u.a., dass durch den verharmlosend als „Fehler“bezeichneten verbrecherischen Angriffskrieg im Irak Europa von US-Präsident Busch in „altes“ und „neues“ Europa separiert wurde ,so ganz ohne „Spalter“ Putin. Makabrer „Kollateralschaden“: das christliche Polen war immer gegen Flüchtlingsaufnahme und kämpft nun gegen den Flüchtlingsstrom, zu dessen Ursachen es durch dieTeilnahme am Irakkrieg mit Folgen in der Syrienproblematik beigetragen hat.

Die vielen militärischen Handlungen des Westens verschleiert man durch den rhetorischen Trick, indem kriegerische Auseiandersetzungen beispielsweise im Nahen Osten durch einzene Mitgliedsstaaten sachlich falsch nicht in Verbindung mit der Dachorganisation NATO bringt, aber laut Stoltenberg der Fall Nawalny den Weltfrieden (!) gefährdet. In Kenntnis der Geschichte und Zusammenhänge ist es verständlich, dass Putin nach dem Beifall für ihn 2001 im Bundestag zornig wurde und sein moralisch gerechtfertigtes Ziel, die Heilung des westlichen Wortbruchs, nicht als anmaßend bewertet werden kann. – Dieter Beuschel

 

Wenn beide Parteien ihre n Chrutschow Standpunkt – was uns ist ist klar- über das was Euch ist müssen wir uns unterhalten- nicht zurücknehmen wird es keine Einigung geben.In der Kubakrise war Chrutschow klüger – er gab nach. Kennedy wäre bereit gewesen einen Atomkrieg zu riskieren. Oder haben die Amerikaner einfach mehr High Noon-Erfahrung.Sie müssen aufpassen nicht in einen 2-Frontenkrieg zu geraten. Käme es in Europa zu einer Auseinandersetzung mit Rußland würde China diese Gelegenheit sofort nutzen und Taiwan kassieren. Und Europa – Deutschland wären das Schlachtfeld.

Kommt es im Atlantik zum Konflickt China – USA würde Putin die Gelegenheit nutzen um seinen Landzugang zur Insel Krim über Ostukraine-Donezbecken zementieren. Putin oder jede andere russsiche Regierung können niemals zulassen,daß die Insel Krim oder der Landzugang über die Ostukraine in die Hände der Nato fallen.Die sogenannte Anexion der Insel Krim durch Rußland ist völkerechtlich ebenso umstritten wie die Schenkung von Chrutschow an die Ukraine. Die USA haben mit China ihren Meister bei ihrem Weltimperalismes gefunden. Der Chinesische Präsident hat jetzt die Vision die Welt dem Sozialismus unterzuordnen. 2 Missionare.

-Es gibt keinen göttlichen Auftrag für die USA – die Welt mit Demokratie und Freiheit zu segnen. Der verstorbene Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat einmal gesagt-wenn jemand zu mir käme um Freiheit und Demokratie anzugreifen würde ich mit den Fäusten auf den Tisch schlagen-aber ich wer den Teufel tuen und einem Land wie China einen Rat zu geben wie es regieren soll. Wie können wir in Deutschland mit nicht einmal 85 Millionen Einwohner verstehen wie man einem Land wie China mit 1,4 Milliarden und mehr als 100 verschiedenen Ethnien beurteilen wie man führen soll. ! Deutschland und Europa müssen erwachsen werden und ihre totale Abhängigkeit von den USA überprüfen.Wir brauchen Einigkeit mit Rußland – dem größten Land der Erde-Fläche- und ebenso vielen Ethnien. Putin ist nicht als Deutschlandfeind geboren .

Mit seiner Rede im Deutschen Bundestag 2001 hat er Deutschland die Hand ausgestreckt und eine wirtschaftlich und politische Zusammenarbeit angeboten. aber die Konservativen in Deutschland mir der christich abendländischenKultur – Orignalton Stoiber- wollten sich nicht mit den Kommunisten verbinden. Was durchaus im Interesse der USA war. Diese Zurückweisung und die Ausweitung der Nato bis an die Grenzen Rußland konnte Putin nicht schlucken und muß es immer wieder gegenüber den Generälen und alten Kriegsveteranen rechtfertigen.Schließlich haben Europa – Napoleon – Kaiser Wilhelm und Adolf Hitler Rußland 3 x überfallen.

Leider operiert er seit einiger Zeit mit dem was er gelernt hat -Geheimdienst – KGB – Methoden.Wir sollten ihn nicht als Feind haben. Das Hauptquartier der Nato in Brüssel- es hat übe eine Milliarde gekostet- tausende Mitarbeiter arbeiten dort und hochdekoriert Generäle der 30 Mitgliedsstaaten gehen ein und aus. Aber bei einem europäischen Grenzkonflikt muß der große Onkel aus Amerika kommen. – Horst Tiator

 

Den Zerfall der Sowjetunion und die Auflösung des Warschauer Pakts empfand Präsident Putin als „Schmach und Erniedrigung“;sie waren, wie Matthias Nass schreibt, Ursache für seine heutige Politik und für seinen „ohnmächtigen Zorn“. Hinzuzufügen wäre ja wohl : Auch die Mehrheit der Russen sieht in den Ereignissen von 1991 eine Niederlage und Demütigung. Truppenaufmarsch und Vertragsentwürfe – als Forderungen präsentiert – haben nun immerhin zu Gesprächen auf mehreren Ebenen geführt. Putin fordert: Keine Nato – Erweiterung nach Osten!

Einen Verzicht auf die Aufnahme der Ukraine in die Nato – ebenso von Belarus, von manchen vielleicht nach einem Umsturz erhofft – sähe ich als dringend geboten. Musste Russland nicht die Ausdehnung der Nato auf die Warschauer-Pakt-Staaten seit 1999 als Drohung empfinden, so wie der Westen sich vor 1991 durch die sowjetische Machtausdehnung bis zur Lübecker Bucht, zur Rhön , zum Böhmerwald .bedroht fühlte ? Zudem hat Putin sich doch offenbar mit der bisherigen Ausdehnung der Nato abgefunden. Die weiteren Vertragse

ntwürfe wecken bei uns Älteren Erinnerungen an die Kubakrise im Oktober 1962. Wie würden wohl die USA reagieren, gäbe es ein militärisches Bündnis mittelamerikanischer Staaten mit einer nicht-amerikanischen Großmacht, das etwa in Mexiko oder Kuba militärische Einrichtungen – sogar für Atomwaffen – stationierte? Für Europa schlägt Matthias Nass „reden und rüsten“ vor. Aber Europa fällt es schwer, im Verhältnis zu Russland mit einer Stimme zu sprechen. Und Aufrüstung? Abschreckung durch gegenseitigen Rüstungswettlauf würde – ebenso wie der Klimawandel, ginge er so weiter wie bisher – zu einer Katastrophe für die Menschheit führen. Nach dem Oktober 1962 kam es durch kluge politische Entscheidungen zu beiderseitigem Raketenabbau und Schritten zu Abrüstungsverträgen. Eine Politik der De- Eskalation, Entspannung und Abrüstung muss Ziel und Forderung Europas an beide Seiten sein. – Klaus Grupe

 


 

 

Leserbriefe zu „Ampel erstmals unter Strom“ von Petra Pinzler

 

Lassen wir mal das fragwürdige Politgekungel (Wahlhilfe Scholz für Macron) beiseite: Die EU- Taxonomie zur Kernkraft ist ein ehrliches Bekenntnis für eine sichere Grundlastversorgung mit elektrischem Strom bei gleichzeitiger Vermeidung von CO2- Emissionen. Jetzt rächt es sich, dass die Grünen jahrzehntelang die gewaltigen Energielücken unterschätzt haben, die durch die Abschaltung von Atommeilern und Kohlekraftwerken entstehen werden. Gebetsmühlenartig beteuern sie, dass ein „massiver Ausbau von Windkraft und Fotovoltaik“ diese Lücken schließen werden.

Dies wird leider nicht funktionieren! Windkraft und Fotovoltaik sind nämlich höchst unzuverlässige Energielieferanten; in windstillen und sonnenarmen Wetterabschnitten liegt deren Energieausbeute of im einstelligen Prozentbereich, bezogen auf die installierte Nennleistung (Quelle: Fraunhofer Institut). Ein „massiver Ausbau“ wird daran nichts ändern, denn wenn 100 Windräder ihren Dienst mangels Wind verweigern, dann gilt das auch für 500 Windräder in der Region. Gleiches gilt für die Fotovoltaik. Somit ist das Patentrezept zur Kompensierung der Energiedefizite mittels massiven Ausbaus der alternativen Energieformen ein grüner Selbstbetrug.

Die Idee, in Überschussphasen Strom zu speichern ist sowohl aus technischer wie auch aus ökonomischer Sicht nur in kleinen, regionalen Bereichen zu realisieren, nicht jedoch für den gesamtdeutschen Bedarf. Um die Grundversorgung für Industrie und Privathaushalte in Deutschland sicherzustellen, haben sich die Energieversorger verpflichtet, im Fall von sich abzeichnenden Engpässen alte Kohlekraftwerke wieder anzufahren. Ist das die Rettung des Weltklimas? Die Kernkraft ist und bleibt somit unverzichtbar als Teil einer sicheren Grundlastversorgung bei gleichzeitiger Vermeidung von CO2- Emissionen.

Die EU- Länder und auch die allergrößten CO2- Sünder (China, USA, Indien) haben dies erkannt und investieren kräftig in moderne Kernkraftwerke. Für die Entsorgung des Atommülls gibt es übrigens auch interessante Konzepte. Dies allerdings nicht mehr auf kleinkarierter nationaler Basis sondern global als konzertierte Aktion. Schließlich ist ja die Rettung des Weltklimas auch eine globale Angelegenheit. – Dipl. Ing. Michael Deil 

 

Die fatale Entscheidung der EU-Kommission, die Kernenergie als „grün“ einzustufen, spiegelt die dramatische Sackgasse Frankreichs. Die Grande Nation steht mit ihrem atomaren Maximalprogramm weltweit einzigartig da und koppelt dies mit dem landestypischen Nationalstolz. Das nukleare Alleinstellungsmerkmal ohne Zukunft angesichts des maroden Zustands vieler Atommeiler und der gänzlich ungeklärten Endlagerung ließ das Land den rechtzeitigen Umstieg auf regenerative Energien verpassen, trotz reichlich Wind und Sonne. Und da ist noch die wichtige Rolle militärischer Nutzung für das nationale Lieblingsprojekt Force de Frappe. – Dass vor allem osteuropäische, postsowjetische Länder mit dem französischen Vorbild liebäugeln, ist mehr als traurig. – Ludger Gaillard

 

Atomkraft als Widergänger. Obwohl schon mehrfach totgesagt, feiert die Atomkraft derzeit eine fröhliche Wiederauferstehung wie schon einmal. Das kommt nicht von ungefähr. Die frühere Kanzlerin ist weg, die FDP in der Regierung und die CDU in der Opposition, die EU ist schwach und von der Atomlobby dominiert. Die Front der EU-Atombefürworter steht fest und wird von Frankreichs Macron angeführt. Da wittern viele Profiteure Morgenwind. Bei dieser Klientel, die neuerdings noch durch die Windkraftgegner unterstützt wird, war der Ausstieg immer ein No-Go.

Erstaunlich ist nur, dass dieser Wandel so schnell und so massiv kommt. Er scheint auf lange Bank vorbereitet worden zu sein. Vieles deutet auf eine konzertierte Aktion hin. Wie sonst wäre es zu erklären, dass wenige Tage vor der EU-Verlautbarung zur Grüneinstufung der Atomkraft – ein Greenwashing-Skandal allererster Ordnung – Wirtschaftsverbände vor einem Zusammenbruch der Energieversorgung durch den Ausstieg warnen. Auch die Rechtsextremen sorgen mit „Blackout-Warnungen“ für Panikmache.

Die Generationen übergreifenden Nachteile der Atomkraft wurden oft diskutiert und die Nachhaltigkeit des Atomstroms definitiv ausgeschlossen. Eine sichere Endlagerung des Atommülls liegt nach vielen Jahrzehnten der Debatte in weiter Ferne. Sehr aufschlussreich war auch, dass sich die Atomgewinnler finanziell fein vom Acker gemacht und die Unkosten dem Steuerzahler ins Körbchen gelegt haben. Auch kümmern sie sich nicht um ihre strahlenden Hinterlassenschaften, sondern „schenken“ sie großzügig dem Staat und der Gesellschaft, die selber schauen sollen, wie sie damit klarkommen. Was die EU anficht, Erdgas zum nachhaltigen Energieträger zu adeln, bleibt deren Geheimnis. Seit wann ist die Verbrennung fossiler Energien nachhaltig? Hat da etwa ein Herr aus dem Kremel die Feder geführt? – Conrad Fink

 

Dieser Artikel trug zur Meinungsbildung bei. Klar, informativ und pointiert formuliert, brachte er mich zu einem mir vollkommen unbekannten Thema auf Stand. Und das Ganze ohne moralisierende Hinweise, was zu meinen sei. Einige Ihrer Kollegen und Kolleginnen können sich eine Scheibe abschneiden. – Ingo Klamann

 

Deutlicher können Berlin und Brüssel das Vertrauen in ihre Klimapolitik kaum verspielen. Das ‚Grün labeln‘ von Atomkraft und Gas untergräbt die Glaubwürdigkeit in die Taxonomie. Es kommt einer Leugnung des Klimawandels gleich. Die Bundesregierung kann diese Pläne noch stoppen. Sie kann im EU – Ministerrat gegen den Vorschlag der EU – Komission stimmen. Sie kann wenn nötig auch dagegen klagen. Die Konsequenzen für den Klimaschutz wären es alle mal wert. – Friedrich Brachmann

 

Stellen wir uns vor, die gesamten Menschen auf diesem Planeten würde JETZT einfach verschwinden und die Natur bliebe sich selbst überlassen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen hoher Temperaturen, eines hohen CO2-Gehalts in der Atmosphäre und überall dort, wo ausreichend Wasser zur Verfügung steht, würde die Vegetation explodieren, sich der Relikte der Menschheit ermächtigen und diese langfristig abbauen. In einigen hundert Jahren wäre dieser Planet grüner als wir es uns heute vorzustellen wagen, denn CO2 wird durch pflanzliche Fotosynthese recycelt.

Einiges würde sich jedoch in ferner Zeit kaum oder zum Schlechteren verändern. Im Bergwerk Asse werden vermehrt Fässer durch Korrosion ihren Inhalt abgegeben haben und das Grundwasser belasten. In Tschernobyl und Fukushima wird die radioaktive Strahlung nicht signifikant gesunken sein. Im Südosten Deutschlands werden Pilze und Wildschweine noch immer erhöhte Strahlungswerte haben, obwohl deren Ursache über 2000 km im Osten lag. Vor den Ruinen deutscher Kernkraftwerke werden die Castoren den Angriffen der Pflanzen vermutlich noch trotzen, da ein Endlager heute weltweit nicht existiert.

Der erste Reaktor (München Garching) nahm seinen Betrieb im Oktober 1957 auf. Seit dieser Zeit, also seit über 60 Jahren, gibt es keinen vernünftigen Plan, was mit hochradioaktiven Abfällen geschehen soll. Eine Technologie wurde etabliert, ohne dass sie zu Ende gedacht wurde. Probleme und Unfälle dieser Technologie wurden (Innenminister Zimmermann 29.04.1986) und werden verharmlost.

Keine Form der Energiegewinnung wird auch in vielen Jahrhunderten und Jahrtausenden so deutliche und gefährliche Spuren hinterlassen haben wie die Nutzung der Atomenergie. Klimaschutz „um jeden Preis“ droht in eine gefährliche Sackgasse zu führen. „Atomkraft“ und „Nachhaltigkeit“ ist eine zynische Paarung im ursprünglichen Sinne des Wortes Nachhaltigkeit (=längere Zeit anhaltende Wirkung). – Thomas Wartusch

 

Über Ihren Artikel habe ich mich sehr gefreut; klar verständlich und alle Zusammenhänge aufgezeigt, danke! Ich gehöre zu der Generation (1942, die schon früh gegen Atomkraft auf die Straße gegangen ist. Nun bin ich wieder sehr besorgt und frage mich, was kann ich tun? Seit vielen Jahren verfolge ich die Forschungen zur Kalten Fusion, worin ich eine sinnvolle Brückentechnologie vermute.

Vor Kurzem habe ich auf YouTube ein Interview mit Professor Michael Vogt mit Willi Meinders gesehen und gehört und es schien mir als ob endlich die richtige Methode gefunden wurde. Dazu gibt es ein gut verständliches Buch: Kalte Kernreaktion: Die sicherste und billigste Energie steht bereit. ISBN 9783991076988. Von Herzen bitte ich Sie das zu überprüfen und dann eventuell dafür stark zu machen und wieder einen so guten Artikel zu schreiben. – Ute Redl

 

„Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.“ (Albert Schweitzer, 1875-1965, deutsch-franzöischer Arzt, Philosoph, Theologe & Pazifist) Wer weiß, wann das dieser sogenannte „Urwaldarzt“ jemals gesagt hat! Jetzt sind wir jedenfalls mittendrin in der Pandemie, die Sache mit dem Klima ist ungeklärter denn je, aber was solls. Frankreich setzt voll auf die Atomkraft und andere Länder stimmen voll mit ein beim „Song of Joy“ der Atomkraftlobby.

Sündhaft teuer ist sie zwar, diese Art der Energiegewinnung, und die Entsorgung bleibt weiterhin völlig ungeklärt; aber wenn die Mehrheit der EU-Staaten dafür sind, dann kann diese Art der Energieerzeugung doch kein so großes Teufelswerk sein. Wenn man sich das lange genug schönredet, dann muss es doch schön sein, was denn auch sonst! Die Ampel ist erstmals unter Strom, besser gesagt unter Atomstrom, und ein Dagegensein nützt nicht viel, weil die Minderheit überstimmt ist. Alles klar, alles gut, gute Nacht und schlaft alle gut und lange weiter so, Augen zu, Ohren zu und der Mehrheit nach dem Munde reden, dann passt das schon! „Bei allem, was man tut, das Ende zu bedenken, das ist Nachhaltigkeit.“ (Eric Schweitzer, *1965, deutscher Unternehmer) – Klaus P. Jaworek

 

Die Diskussion um die Taxonomie von Kernenergie und Erdgas im Rahmen des EU-Green Deals zwingt uns, aufzuwachen aus Corona-bedingter Klimaschutz-Tatenlosigkeit. Wenn wir schon kein Endlager „in unserem Garten“ dulden und unseren Kindern die fortgesetzte Verbrennung von Kohle und Erdgas nicht zumuten dürfen (erster Anhang), dann müssen wir uns eben selber kümmern um die Versorgung der vielen Elektrogeräte zu Hause, am Arbeitsplatz und der Elektro-Verkehrsmittel. Es bleibt nichts anderes übrig, als dass wir uns selber darum kümmern, dass „in unserem Garten“ dann eben Windkraftwerke mit Speichertechnologie gebaut werden oder dass eine Solaranlage aufs Dach kommt.

Für ein abzuschaltendes Großkraftwerk braucht es rund ein- bis zweitausend Windkraftwerke oder ca. 3 Millionen kleine Solardachanlagen (zweiter Anhang). Laut Koalitionsvertrag werden dafür gerade mal 2 % unserer Landfläche benötigt, aber eben auch vor unserer Haustür! Pro Quadratkilometer unbebaute Fläche müssen es dann schon ein paar Windkraftwerke samt Speichertechnologie sein, um deren Errichtung wir uns, um unserer Kinder Willen, selber zu kümmern haben! Wir werden uns daran gewöhnen, genauso wie sich viele Menschen in Ostdeutschland und in Norddeutschland gewöhnt haben oder in Portugal und Spanien. Auch die Vögel werden sich daran gewöhnen, die sind ja nicht dumm! Vögel werden sich daran gewöhnen, genauso wie wir Menschen uns an die vielen Straßen und Bahnlinien mit gefährlich schnellen Verkehrsmittel gewöhnt haben.

Tagesaktuelle Messwerte aus dem weltweiten Klimaforschungsapparat lassen keinen Zweifel daran: Die vor 35 Jahren mit dem ersten Großcomputer durchgeführte Klima-Vorausberechnung des aktuellen Physiknobelpreisträgers Klaus Hasselmann haben sich als richtig erwiesen: Wenn wir unsere Kinder vor der „Klimakatastrophe“ –wie die Wissenschaftler damals nannten – verschonen wollen – können nur Techniken helfen, die schnell und bezahlbar in Gigafabrikation herstellbar sind, sowie preisgünstig exportiert und leicht aufgestellt werden können ((*),(**),(***): Super-Wärmeschutzfenster, Super-Dämmteile für Böden, Wände und Dächer, Wärmerückgewinnungs-Ventilatoren, Höchsteffizienz-Elektrogeräte, Wärmepumpen, Sonnenkollektoren, Solarzellen, Windkraftwerke, Elektrolyse-Geräte und vor allem auch CO2-Absauganlagen; kostenneutral bezahlt mit dem Geld, das wir die nächsten 40 Jahre hätten ausgegeben für Strom aus Kohle, Erdgas oder Kernenergie sowie für Heizöl, Erdgas, Benzin, Diesel, Flugbenzin und Schiffsdiesel.

Je schneller dies jede und jeder von uns persönlich in Angriff nimmt und zeigt, dass man damit gut leben kann, sinken durch Massenanfertigung die Preise, desto schneller werden andere, ebenfalls um ihre Kinder Besorgte, in aller Welt unserem Beispiel folgen, desto größer die Chance, unsere Kinder und Enkel tatsächlich vor der Klimakatastrophe zu verschonen, wovor die Physiker um Nobelpreisträger Klaus Hasselmann schon seit 35 Jahren warnen(*)!

Im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland (*),(**),(***) Dipl.phys., OStR Hermann Veeser Sternecker Straße 14 70563 Stuttgart Tel.: 0711-734189 Email: heveeser@t-online.de (*) DEUTSCHE METEOROLOGISCHE GESELLSCHSFT, DEUTSCHE PHYSIKALISCHE GESELLSCHAFT: WARNUNG VOR DROHENDEN WELTWEITEN KLIMAÄNDERUNGEN DURCH DEN MENSCHEN Bad Honnef, Juni1987 · 17 seitiger Aufruf an die Öffentlichkeit verfasst von den Physikern um den Physik-Nobelpreisträger 2021 Klaus Hasselmann, unmittelbar nachdem er mit dem weltweit ersten, von der Bundesrepublik Deutschland finanzierten Klima- Großrechenzentrum (**) anhand in Stein gemeißelter Naturgesetze, sowohl erdgeschichtlich als auch menschheitsgeschichtlich Dramatischstes offenbarte:

Die Erde befindet sich auf dem Weg in eine Heißzeit, 50 mal schneller als der Übergang von letzter Eiszeit zur jetztigen Warmzeit, der vor 8000 Jahren endete, so dass die Menschheit mit Ackerbau sesshaft werden konnte mit Hausbau, Schrift, Algebra, Vorratshaltung und Staatenbildung · So wie der Nobelpreisträger Robert Koch den Aufbau eines weltweiten Forschungsapparates zur Bewältigung und Beendigung einer Pandemie auslöste, löste der Physik-Nobelpreisträger von 2021, Klaus Hasselmann, den Aufbau eines weltumspannenden Forschungsapparates aus, der im Auftrag der Staatengemeinschaft unsere Kinder vor einer unsichtbar sich anbahnenden endlosen Menschheitskatastrophe bewahren soll: (**) Schlussbericht der Enquete-Kommission „(Vorsorge zum) Schutz der Erdatmosphäre“ des Deutschen Bundestages (Hrsg.): „Mehr Zukunft für die Erde- Nachhaltige Energiepolitik für dauerhaften Klimaschutz“.

Sonderausgabe des Deutschen Bundestages. Amtliche Drucksache 12/8600 sowie Economica Verlag 1995 ISBN 3-87081-464-0. · 1540 seitige Zusammenfassung von 650 zitierten wissenschaftlichen Einzelstudien/Quellen, die jeweils ihrerseits auf vielen vorangegangenen wissenschaftlichen Studien fußen, mit vielen Tausend beteiligten WissenschaftlerInnen, ForscherInnen, ProfessorInnen, InstitutsleiterInnen, Experten, designierten Fachleuten verschiedenster Sachgebiete, in sieben jähriger Arbeit zusammengetragen von 39 Kommissionsmitgliedern aus allen Parteien. ·

Umfassendster Krisenstab aller Zeiten: Geburtsdokument des Zwei-Grad-Zieles zur sicheren Vermeidung einer Verselbständigung der globalen Erwärmung und von Klimakippelementen, vor allem des Golfstromstopps, die für die Menschheit eine endlose Spirale apokalyptischer Katastrophen zur Folge hätten. Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (Hrsg.): „Schutz der Erdatmosphäre – eine Herausforderung an die Bildung“. · 126-seitiger Ergebnisbericht zur Umsetzung der Empfehlungen der Bundestags-Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ aus 32 zitierten (Bildungs-) Studien. Economica 1990, ISBN 3-926831-94-4 ·

Realisiert und aktualisiert im – zur umgehendst in Kraft zu setzen – vorliegenden Bundesrahmen Schule fürs Leben/www.klimatrifftschule.de, der vor etwa 3 Jahren, auf Drängen aller Fraktionen des Stuttgarter Gemeinderates, von den Stuttgarter Bundestags-Abgeordneten Kaufmann (CDU), Vogt (SPD), Özdemir (Grüne) und Gastel (Grüne) bei der Bundesregierung zur allgemeinen Inkraftsetzung eingereicht wurde, weil hier die räumlich nahegelegenen, weltweit federführenden Klimaschutz-Forschungsinstitute – mit Milliarden Euro/Dollar Steuergeldern der Staatengemeinschaft finanziert, ihre Ergebnisse erstmals allgemeinverständlich der Öffentlichkeit präsentierten (**), (***) Bielefelder Universitäts-Institut für Pädagogik/Hartmut von Hentig: Bildung, Hanser 1996, ISBN 3-446-18751-0; … ·

Bildung ist die Summe der persönlich gemachten praktischen Erfahrungen. Aufgabe von Schule ist demnach nicht das lexikalische Aneinanderreihen von Faktenwissen sondern möglichst viel praktische Erfahrung zu vermitteln über all die Dinge, die im künftigen Leben für mündige BürgerInnen wichtig sind: Max Planck Institut für Meteorologie Hamburg (Nobelpreis Physik 2021), … Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, … Frankfurter Universitäts-Institut für Klimatologie, … Fraunhofer- Institut für Bauphysik Stuttgart et al, … DFVLR/DLR-Abteilung Energiesysteme und Wärmetechnik Stuttgart et al. … Zentrum für Sonnenenergie-und Wasserstoff-Forschung Stuttgart et al. … Uni Stuttgart: Effizienz optimierte Windkraftwerke; Materialoptimierter, filigraner Turmbau und Brückenbau …

Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen: Mehrere Gutachten und Sondergutachten Monitoring-Rat Energie der Bundesregierung Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie/Misereor/BUND: „Zukunftsfähiges Deutschland –Ein Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung“ 1995 Forschungsstätte der evangelischen Studiengemeinschaft. Heidelberg Erste Klimakonferenz der Jugend in Potsdam: Generationenvertrag. Ohne Erfolg an alle Kultusministerien verteilt durch den alternativen Nobelpreisträger Hermann Scheer Bundesvorstand des Verbandes naturwissenschaftlich/mathematisch/technischer Lehrkräfte MNU: Zwei-Grad-Ziel – wir können es noch schaffen! 27-seitiger bundesweiter Appell an alle Bildungseinrichtungen, bisher ebenfalls erfolglos (***)

Der infolge der UN-Klimakonvention von Rio den Janeiro 1992 verfassungsgemäß staatlich beauftragte Rechercheur und Wissenschafts-Pädagoge ist Dipl. Phys. und OStR und war von1981−2013 Lehrer und Umweltbeauftragter an einer, in Kooperation mit Stadtverwaltung, Landesumweltministerium und der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST)Heidelberg nach dem europäischen EMAS-Verfahren zertifizierten Schule, die vom Kultusministerium zur Transferschule für Klimaschutz-Erziehung ernannt wurde, weil hier die räumlich nahegelegenen, weltweit federführenden Klimaschutz-Forschungsinstitute ihre Ergebnisse erstmals allgemeinverständlich der Öffentlichkeit präsentierten (**).

Er wurde zusammengenommen rund zwei Jahre vom Unterricht befreit, um in Zusammenarbeit mit Energiewissenschaftlern, Umweltberatern und NGOs (**)die Klimarahmenkonvention, die Berichte der Bundestags-Enquete-Kommission »(Vorsorge zum) Schutz der Erdatmosphäre«, der Nachfolgeinstitution WBGU und des Weltklimarates IPCC für die Lehrerfortbildung und zur Erstellung von Lehrer-Handreichungen allgemeinverständlich pädagogisch aufzubereiten (Landesinstitut für Erziehung und Unterricht, Oberschulamt, Schulleitung, Bundes-Verband naturwissenschaftlicher Lehrkräfte MNU, Philologenverband PhV, Gewerkschaft Erziehung und Wissen GEW,…).

Für pädagogische Vermittlung von Klimaschutz erhielten von ihm betreute Schülergruppen bzw. seine Schule über 40 Auszeichnungen bei jugend forscht und bei Wettbewerben auf städtischer, Landes-, Bundes- und EU-Ebene (EMAS-Zertifikat), darunter den höchsten Preis beim erstmals durchgeführten Bundesumweltwettbewerb „Vom Wissen zum Handeln“, die Auszeichnung der Deutschen UNESCO-Kommission „Projekt der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung“ sowie vom Bundesverband der Energiewirtschaft, vom BUND, von den Raiffeisenbanken, der Allianzstiftung und der Deutschen Umweltstiftung · Die aktuellsten Messwerte aus inzwischen mehreren Tausend Forschungsstellen, verteilt auf alle Länder der Erde, des CO2-Atmosphäreninhaltes, der Meerestemperaturen, der Sonnenaktivität und der daraus resultierenden Lufttemperaturen (siehe erster Anhang) erfordern ein nochmal sehr viel rascheres gemeinschaftliches Gegensteuern, als bisher geplant. ·

Trotz aller Bemühungen, die Treibhausgasemissionen zu senken und trotz Corona-Lock down, trieben großflächige Waldbrände 2020 und 2021 die jährlichen Gesamtemissionen von etwa 40 Milliarden Tonnen im Jahr 2019 auf ca. 50- 60 Milliarden Tonnen in die Höhe! · Die dadurch erheblich gesteigert zu erwartenden Extrem-Hitzewellen und Extremregengüsse können nun doch innerhalb kurzer Zeit, unter anderem mit dem Golfstromstopp, die Erde in einen Zustand kippen, den die Menschheit in ihrer Geschichte noch nicht erlebt hat. Die Theorie, dass ein neuzeitlicher Golfstromstopp sich im Gegensatz zu den prähistorischen Stopps, über einen längeren Zeitraum hinziehen würde, ist durch die unerwartet in die Höhe geschnellten großflächigen Waldbrände nahe Permafrostgebieten in Kanada und Sibirien nicht mehr zu halten. Auch die neuesten Messergebnisse aus den 150 Messgeräten im Nordatlantik sind laut MPI Hamburg und PIK Potsdam in höchstem Maße Besorgnis erregend! ·

Die Anpassungsfähigkeit aller seit Ende der letzten Eiszeit gewachsenen menschlichen und natürlichen Lebensgemeinschaften würden definitiv gesprengt (siehe zweiter Anhang). · Vergleichbar mit der Vorausberechnung von Sonnenfinsternissen, haben die Physiker und Meteorologen um den Physik-Nobelpreisträger 2021 schon vor knapp dreißig Jahren mit den ersten Großrechnern vorausberechnet, dass mit dem Eintreffen dieser Megakatastrophe ab einer globalen Erwärmung von etwa 2 Grad zu rechnen wäre (siehe zweiter Anhang). · Die Modellrechnungen aus inzwischen mehr als 30 Klimarechenzentren verteilt über viele Länder zeigen, dass unsere Kinder erst dann aus der existentiellen Gefahrenzone befreit sein werden, wenn die Heizkraft der Atmosphäre von derzeit schon selbständig überbordenden 420ppm gemeinschaftlich so schnell irgend möglich auf unter 350ppm gesenkt werden. ·

Mit dem Klimarahmenübereinkommen von Rio de Janeiro 1992 und den jüngst noch einmal bekräftigten Beschlüssen von Paris 2015 sollen unsere Kinder und alle, die uns im Alter einmal pflegen sollen, vor dieser endlosen Megakatastrophe geschützt werden. · Ein gewaltiger, weltweit kooperierender Klimaschutzforschungsapparat, weltweit tausende fachwissenschaftliche ForscherInnen, haben auftragsgemäß alle dazu notwendigen Maßnahmen zur breiten Anwendung durch die gesamte Bevölkerung bereitgestellt, darüber hinaus werden alle freisetzbaren und alle integrierbaren Arbeitskräfte und alles vorhandene Know how dringend benötigt, in preisgünstigster Gigafabrikation CO2-Absaugstationen herzustellen, diese am besten in internationalen joint ventures entlang nicht mehr benötigter Erdgasleitungen aufzustellen und das abgesaugte CO2 an geeigneten Orten zu entsorgen, z.B. in von Norwegen angebotenen alten Erdgaslagerstätten (über Nordstream 2 !!!). ·

Von jeder und jedem Einzelnen werden schnellstmöglich Gewohnheitsveränderungen in allen Lebensbereichen verlangt. Für unsere Kinder sind wir auch bereit, buchstäblich alles zu tun, all das, was uns, aus unserer ganz persönlichen praktischen Erfahrung heraus notwendig erscheint ! · Der einzige Weg, auf dem – in der gebotenen Eile – der gesamten Bevölkerung die notwendige persönliche praktische Erfahrung der großen Fülle klima-wissenschaftlicher Erkenntnisse vermittelt werden kann, sind die Schulen, Deren fundamentaler Auftrag ist es laut Schulgesetz auch, Schülerinnen und Schüler parteiunabhängig in die Lage zu versetzen, die eigene Zukunft erfüllend gestalten zu können. – Hermann Veeser

 


 

 

Leserbriefe zu „Wollen wir reden, Uli Hoeneß?“ von Andreas Bernard

 

Wenn nicht der FC Bayern oder die Kirche Hoeneß selig spricht dann ist es wohl DIE ZEIT mit ihrem Bericht. Der Berichterstatter ist Hoeneß wie so viele andere auf den Leim gegangen. Die Abteilung Attacke, die Hoeneß so liebt ist in einem weinerlich senilen Bericht vollständig untergegangen. Hoeneß hat mit seinen Attacken aber auch sehr viel verbrannte Erde hinterlassen und dies entspricht wohl mehr seinem tatsächlichen Charakter. Einzig sein Talent als Schauspieler ist unbestritten und die Sellbstverherrlichung setzt er gekonnt in Pose.

Daß er als Steuersünder den Staat erheblich betrogen, das Gericht dieses Verschulden nicht vollständig aufgeklärt und bestraft hat ist wohl nur der bayrischen Lebensart geschuldet. Seine ausgezeichnete Vernetzung -Abhängigkeit- in Politik und Wirtschaft hat ihn davor bewahrt, die volle Strafe abzusitzen und selbst Seehofer hat sich darum bemüht. Eine Hand wäscht die andere. Dieser Artikel gehört wohl eher auf den Misthaufen als in DIE ZEIT. – Gernold Wassmer

 

Als Abonnent der Zeit wundert man sich ja über manche Artikel für die Papier und Druckerfarbe vergeudet wird. Aber das ist Meinungsvielfalt. Das man jedoch einem Heuchler und Großkotz wie U. Hoeneß soviel Platz einräumt , ist schon ein starkes Stück. Hier gibt man diesem Typ auch noch Gelegenheit sich darzustellen. Da hätte es bestimmt Interessanteres gegeben! – Wolfgang Orlowski

 

„Geld macht mich unabhängig und gibt mir die Möglichkeit anderen zu helfen.“ (Uli Hoeneß, *1952, deutscher Fußballer & Metzger) Uli Hoeneß ist auch ein verurteilter Steuerhinterzieher mit Knasterfahrung im Luxusbau, und mit einem unerschütterlichen Hang über anders denkende Menschen gnadenlos herzufallen und diese auch zu diskriminieren. Eine sogenannte „gute Kinderstube“ mag er vielleicht genossen haben, doch ist ihm davon leider nicht mehr viel bis gar nichts mehr anzumerken. Heute wird dieser Metzgersohn aus Ulm, Unternehmer, Fußballprofi und Ex-Bayern-München-Präsident 70 Jahre alt. – Klaus P. Jaworek

 

Schade, es wurde eine gute Chance vertan mal im Ansatz kritsche Fragen an Uli Hoeneß zu stellen. Wie er als Millionär überhaupt auf die Idee kam Steuern in diesem Ausmaß zu hinterziehen? Wie er sich trotzdem immer als großer Wohltäter und Moralapostel in der Öffentlichkeit insziniert hat. Stattdessen wird Herrn Hoeneß ein Plattform gegeben um sich als guten Menschen zu inszinieren. Der natürlich auch im Gefängniss andere Häflinge beraten hat, einem mittellosem Olivenöl kaufte. Das christliche teilen der Hostie mit dem Capo der Russen der ihm natürlich Schutz gerantiert. Mir kamen fast die Tränen. Ich finde es dem Niveau von Die Zeit abträglich, wenn der Journalist Andreas Bernand nicht mal im Ansatz kritisch hinterfragt.

Uli Hoeneß schwärmt fast davon Karten- und Tischtennisrrunden und alle fnden ihn „total normal“ Hier wäre einzuharken gewseen von Autor, statt dessen schreibt dieser von „Charisma, sein Managertalent und seinem Vergnügen an wohltaten. Ich finde es unerträglich zu lesen. Hat Herrn Bernard nicht eine Spur kritsische Disatnd? Schade, ich lese Die Zeit schon seit über 35 Jahren und stelle immer öfter fest, das hier der Boulvard Einzug erhältet. – Stephan Klinger

 

Bedauerlich, daß sich eine seriöse Zeitung wie „Die Zeit“ auf das Niveau der Boulevardpresse begibt, indem sie ein Interview mit dem rechtskräftig verurteilten Steuerhinterzieher H. veröffentlicht; ich empfehle in diesem Zusammenhang die Lektüre des Buches „Stadt, Land, Überfluss“ des Bestsellerautoren Jörg Schindler, welcher u.a.darin beklagt, wie das wirkliche Fußballgeschäft betrieben wird . – Dr. Erich Hahner

 


 

 

Leserbriefe zu „»Auch der Mangel an Freiheit macht krank«“. Gespräch mit Marco Buschmann geführt von Paul Middelhoff und Heinrich Wefing

 

Der moderne rote Designersessel fasst einen entspannt zurückgelehnten Justizminister, Schulterpartie und Kopf ragen frei heraus. Seine Füße, der Boden und der Unterbau des Sessels sind nicht sichtbar. Ein getragener Minister, der sich im klassischen Anzug seiner Wertebasis und seiner Standpunkte sicher ist. Marco Buschmann ist angekommen. Er hat sein Ziel erreicht. Er sitzt so aufgeräumt und selbstgewiss, wie er im Interview antwortet.

Während sein Körper mit überkreuzten Beinen und Händen völlig in sich ruht, wendet er sein Gesicht mit einer leichten Drehung, einem dezent freundlichen Blick und mit festem Lächeln dem Betrachter halb zu. Er schaut so kontrolliert, wie er im Interview antwortet. Kein Schwanken, auch wenn er gefragt wird, wie er zu Corona steht. Nähe entsteht in der puristischen Inszenierung vor homogenem Sichtbeton nicht. Der Sessel gibt Halt, das Bild nicht: Würde er aufstehen, wäre er auch schon ganz raus. – Reinhard Koine

 

Mit Interesse habe ich das Interview mit Herrn Justizminister Buschmann gelesen. Die Milieuschilderung von Menschen, die immer Opfer ihrer Umstände sind, fand ich gut auf den Punkt gebracht. Das Thema der individuellen Freiheit hat Herr Buschmann in vielen Facetten betont – von Verantwortung kein Wort. Das stimmt mich schon nachdnklich. – Reimar Schappach

 

Der Justizminister hält offensichtlich am Zweifel an den Opfergeschichten der Milieutheorie fest, die er in seiner Teenagerzeit hegte. Er glaubt die “Geschichten über Menschen als Opfer ihrer Umstände“ mit seiner eigenen Biographie widerlegt zu haben. Der aktuelle Wissenstand sieht anders aus. Wie sonst kommt seine Partei auf www.fdp.de (22.09.21) zu dem Vorsatz, dass „Aufstiegsversprechen wieder mit Leben zu füllen […] Denn der Lebensweg von Kindern darf nicht mehr länger durch die Herkunft bestimmt werden“.

Neben einer verbesserten Bildungsgerechtigkeit sind auch Bildungsinhalte zu ergänzen, um die erforderliche Fähigkeit zur Freiheit zu gewährleisten. Die Bewältigung der gegenwärtigen Probleme fördert hier erhebliche Defizite zu Tage, die sich in einem Ungleichgewicht des Verständnisses von Recht auf bzw. Pflicht zur Freiheit zeigen. Das führt leicht zur Verwechselung von Egoismus und Solidarität und gefährdet die Verknüpfung des Begriffes Freiheit an das Individuum. In unserer Gesellschaft gibt es keinen krankmachenden Mangel an Freiheit sondern Defizite in der Einordnung und Bewältigung von Ausnahmesituationen wie der Pandemie. Die Nachhaltigkeits-Transformation wird nicht weniger herausfordernd. – Peter Vollmer

 

Ich glaube,dass Herr Buschmann,wenn er von FREIHEIT spricht,eher PRIVILEGIEN seiner Klientel meint. Genau..mildere Massnahmen in der Pandemi.Diese Klientel stirbt nicht an dem Virus. Ich hoffe,dass SPD und Grüne diese Partei einhegen.Denn „anpassungsfähig“ist die FDP.Zeigt sich ja schon beim Finanzminister. – URSULA KÜRPICK

 

Mir ist schon längst die „Lust“ vergangen, noch mehr über „Omikron“ und die Folgeviren zu erfahren!

Wozu überhaupt noch? Karl Lauterbauch will die Impfpflicht, will auch die Impf-Serie nach dem „Booster-Schuss“ nicht Knall auf Fall auslaufen lassen. Wo, wie und wann soll diese Pandemie je enden? Ich frage mich daher schon seit längerer Zeit, ob die Politik überhaupt ganz ernsthaft ein Pandemie-Ende will? Diese „Freiheit“, die wir bisher als Freiheit wahrgenommen haben, die gibt es nicht mehr, und die wird es auch nicht mehr geben! – Riggi Schwarz

 


 

 

Leserbriefe zu „Die rote Linie“ von Eva Menasse

 

Es ist klug und richtig, was Sie so wohlformuliert sagen. Eine Klarstellung und eine Ergänzung scheinen mir aber wichtig zu sein: Die Attacke auf das Bild Ihrer Freundin war kein künstlerischer Akt und lässt sich mit dem Argument der Freiheit der Kunst nicht verteidigen. Ergänzen möchte ich, dass alle Handlungen, also auch künstlerische Handlungen, Einstellungen zum Ausdruck bringen können, die verwerflich sind. Auch Künstler können solche Einstellungen haben und sie sind dafür genauso zu kritisieren wie jeder und jede andere auch. Sind ihre Werke Ausdruck ihrer verwerflichen Einstellungen, dann liefern sie sich damit der berechtigten Kritik aus. – Johannes Brandl

 

Ich vermute mal kein Kalkül dahinter, aber dass auf EINER Doppelseite dies zusammentrifft, das muss man dann mindestens als ungewollte Ironie verstehen! Da hält Frau Menasse ein leidenschaftliches, fast schon verzweifelt wirkendes Plädoyer für die Kunstfreiheit, und gleich gegenüber demonstriert der Rezensent des neuen Romans von Frau Yanagihara genau das links Angesprochene! Denn sein durchaus negatives Gesamturteil über das Buch gründet sich ja offenbar vor allem auf dem dystopischen Weiterentwickeln von Tendenzen, die viele Zeitgenossen jetzt schon wahrnehmen. Ist das zu „gefährlich“?

Da man hier die „falschen Ansichten bedient“? Diese Vokabeln benutzt er zwar nicht, aber in genau diese Richtung geht seine Kritik. So weit sollte „Kunst“ also offensichtlich nicht gehen (dürfen)! Der Künstler hat also scheinbar eine gesellschaftliche Verantwortung – zumal „in einer schwierigen Zeit“ (= Zitat!) – , die seiner Kunst durchaus Schranken setzen sollte! Zwar droht hier natürlich keineswegs ein Verbot, wie es etwa die „cancel culture“ fordern würde (und häufig praktiziert hat).

Aber die Argumentation des Rezensenten liest sich, angesichts des genau gegenüber Ausgeführten, geradezu „schaurig“! Würde er Juli Zehs Roman „Corpus Delicti“, jene vor ca. 12 Jahren verfasste Dystopie einer „Gesundheitsdiktatur“, dann konsequenterweise ebenso kritisch sehen? Oder hat oder hätte er das damals? Es gruselt einen wirklich bei der Lektüre dieser beiden Artikel! – Karl-Heinz Grau

 

„Denke nicht an das Erschaffen von Kunst, sondern mach es einfach. Lasse alle anderen entscheiden, ob es gut oder schlecht ist, ob sie es lieben oder hassen. Während sie sich darüber entscheiden, erschaffe noch mehr Kunst.“ (Andy Warhol, 1928-1987, US-amerikanischer Künstler, Filmemacher & Verleger) Wer entscheidet überhaupt, ob die Kunst eines Jonathan Meese oder eines Joseph Beuys, gute oder schlechte Kunst ist. Das sind wir die Menschen, wer denn sonst! Andy Warhol hat es mit seinem oben erwähnten Zitat auf den Punkt gebracht.

Ein Künstler tut und macht, was er tun und machen muss, und irgendjemand kann das ganze Kunst nennen oder auch es auch bleiben lassen. Es als Mist, Quark, Blödsinn,… bezeichnen, auch das hat mit der Freiheit zu tun, die in Zeiten dieser Pandemie für mich, mehr als sehr gefährdet erscheint. Wir selbst sind ein Künstler-Team und wir betreiben in 91183 Abenberg bei Roth (Bayern/Mittelfranken) unser „KM15“ (KunstMarkt15), eine Galerie in der wir „Kunst, die aus der Realität kommt!“, zeigen. Ab dem 6.2.2022 (bis 6.3.2022) zeigen wir dort unsere Konzeptausstellung „Im Fettnapf – Joseph B. & andere Ikonen“, in dem es um den Begriff der Ikone geht! „Jedes Kind ist ein Künstler. Das Problem ist, Künstler zu bleiben, wenn man erwachsen wird.“ (Pablo Picasso, 1881-1973, spanischer Maler, Grafiker & Bildhauer) – Klaus P. Jaworek

 

Ich ziehe den Hut vor Frau Menasse. Ihr beherztes Plädoyer für die Kunstfreiheit scheint bitter nötig. In heutiger Zeit gehört großer Mut dazu, inkriminierende Wörter auch nur zu schreiben, und richtig, egal in welchem Kontext. Ganz besonders, wenn eine bekannte Persönlichkeit wie Eva Menasse es wagt und dies wird ihr wahrscheinlich einen gewaltigen Shitstorm bescheren.

Natürlich dürfen Menschen (auch) durch Sprache nicht diskriminiert und ausgegrenzt werden, das sollte in jeder Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit sein. Verstehe ich Frau Menasse aber richtig, geht es ihr darum, Sprache weiterhin als künstlerisches Mittel frei einzusetzen. Dazu gehören dann auch böse Wörter und hier ist eine differenzierte Betrachtungsweise unabdingbar. Das scheint die selbsternannten Wächter über die „Political Correctness“ nicht zu interessieren und sie versuchen, durch eine Zensur aktiv in das Kunst-Geschehen einzugreifen. Es gelingt ihnen zusehends und verständlicherweise wehrt sich Frau Menasse dagegen.

Selbst bin ich keine Künstlerin, genieße aber Kunst, lese viel. Das heißt nicht, dass mir alles gefällt und ich unkritisch bin. Aber: Kunst darf provozieren. Und: Ich bin schon erwachsen und benötige keinen Vormund. Auch für mich ist in einer liberalen und demokratischen Gesellschaft die Kunstfreiheit essentiell. Ich möchte nicht irgendwann vor geschwärzten Buchseiten sitzen, vor leeren Galerien stehen und mir fade und durchzensierte Theaterstücke ansehen. Sterbenslangweilig und trostlos wäre das. – Regina Stock

 

Da hatte Eva Menasse wohl ein gewaltiges Trauma zu verarbeiten, das Trauma, dass in einer Pandemie die Kunst nur als sehr nachrangig gewertet wird und dies vielleicht ein Indikator für den Stellenwert der hohen Kunst in unserer Gesellschaft überhaupt sein könnte. Frau Menasse drückt sich erst mal davor, die Frage, was ist Kunst und wer ist KünstlerIn, zu beantworten. Einerseits ist sie etwas Überzeitliches, was die Jahrhunderte überdauert, andererseits etwas Aktuelles. Ja was denn nun? Lässt sich erst nach Jahrhunderten feststellen was Kunst war? Anscheinend nicht. Und so entgleist die Passage zur Kunstfreiheit auch der schlechten, misslungenen und banalen Kunst völlig:

Wenn ein Nazi immer schon gemalt hat, darf er auch rassistische Bilder malen; wenn ein Schriftsteller oder eine Schriftstellerin schon was Passables veröffentlicht hat, hat er oder sie den Anspruch darauf, mit seinen Texten in der politischen Öffentlichkeit ernst genommen zu werden, auch wenn es sich offensichtlich um Unsinn handelt. Und wenn eine Künstlerin und ein Künstler einsehen, dass bei ihrer Kunstaktion was schief gelaufen ist, ist es stalinistische Selbstkritik. Mir ist noch nicht zu Ohren gekommen, dass eine Person, die dieser stalinistischen Selbstkritik anheim gefallen ist, anschließend in Lager verbracht oder gar umgebracht wurde. Also Vorsicht mit den Worten, die man benutzt. Sie sind keineswegs nur Buchstabenfolgen, genauso wenig wie geprochene Wörter nur Luftbewegungen sind, und können so aufhetzen, dass anschließend Millionen von Menschen zu Tode kommen.

Und dann der Schluss: Eine Gesellschaft, die sich von ihren Künstlern zunehmend gestört und belästigt fühlt, ist geradezu ein Muster einer demokratischen Gesellschaft, denn, so Menasse, Kunst besänftigt nicht, verbindet keine Wunden, sie reißt sie lieber wieder auf. Etwas mehr Nachdenken und Erkennen der Widersprüche in der Argumentation hätten dem Artikel gut getan, so kann man ihn nicht ernst nehmen, auch wenn der Autorin schon Besseres gelungen ist. – Udo Kroschewski

 


 

 

Leserbriefe zu „»ES IST SCHWER, ÜBER EINSAMKEIT ZU SPRECHEN«“. Gespräch mit Diana Kinnert und Daniel Schreiber geführt von Stephan Lebert und Ursula März

 

Entschuldigung, ich kann es nicht anders ausdrücken: Was für ein abgehobenes Geschwafel! Denn sie wissen nicht, wovon sie reden. Es ist so einfach: Einsamkeit heißt allein sein – unfreiwillig, ungewollt und ohne Aussicht, diesen Zustand in absehbarer Zeit zu ändern. Egal, ob im Alter von 8, 18 oder 80 – sie ist ein schmerzhaft empfundener Mangelzustand. Da ist keiner, der spricht, nicht einmal die Person, die man hätte sein können.

Kein Wunder, dass jemand, der einsam ist und mit dem Kinnert und Schreiber hätten reden wollten, im Gespräch diesem Thema ausweicht. Wäre es doch, als wenn ein satter Mensch mit einem Hungernden über die richtige Garzeit der Pasta sprechen wollte. Einsamkeit ist nicht retrospektiv. Sie ist präsent und gefräßig. Aber offensichtlich: Lonelyness sells…… – Ingrid Schwabe

 

Diana Kinnert spricht von Diskriminierung, nicht von Einsamkeit, auch wenn sie daraus entstehen kann. So blockiert sie Daniel Schreiber, über Einsamkeit weiter auszuführen. Schade, damit kreist das Interview allenfalls um die vermeintlich ansteckende Gefahr. Es war wohl tatsächlich zu schwer, darüber wirklich zu sprechen. Einsam ist man, wenn kein anderer wenigstens einmal am Tag um einen weiß, was man macht, wo man ist, wer man ist. Das kann einem allein oder unter Menschen passieren und der aktuelle Status in sozialen Medien zählt nicht als Anker.

Hiernach kommt es darauf an, was das mit einem macht. Spaltet es sich bzw. man es ab, wie Schreiber erkannt hat, womit einen die Einsamkeit aber nicht verlässt, oder führt es einen an die Grenzen seines Lebens, seines Menschseins. An diesen Grenzen hätte ein Gespräch über Einsamkeit geführt werden sollen. Denn Einsamkeit ist in erster Linie eine im Menschen enthaltene, keine soziale Ungerechtigkeit. – Torsten Weyers

 

Frau Kinnert und Herrn Schreiber als ausgewiesene Einsamkeitsexperten zu bezeichnen, weil sie beide ein Buch über ihre eigenen Einsamkeitserfahrungen geschrieben haben, ist rührend. Beide kommen in diesem Interview einer das Wesen von Einsamkeit treffenden Beschreibung nicht einmal nahe. Sie finden die richtigen Worte nicht, da sie, Herr Schreiber noch mehr als Frau Kinnert, viel zu nah bei sich bleiben. Das zeigt besonders die Behauptung, dass wir Einsamkeit immer als so traumatisch empfinden, dass wir die Erinnerung daran grundsätzlich abspalten. Ich bin Expertin für meine eigenen Einsamkeitserfahrungen und kann sagen, dass ich mich an viele einsame Momente von meiner Kindheit bis heute erinnere, die ich schon in den selbigen genau als das empfunden habe, was sie waren.

Diese Gefühle begleiten mich schon mein ganzes Leben. Was traumatisierend ist, ist Ausgrenzung, besonders, wenn sie zu Einsamkeit führt. Einsamkeit ist aber beileibe nicht immer eine Folge von Ausgrenzung. Ausgegrenzt werden übrigens oft Menschen, die irgendwie anders sind, was nicht gleichbedeutend damit ist, dass sie Teil einer definierten Minderheit sind. Diesen feinen Unterschied vermisse ich bei Herrn Schreiber besonders. Er befindet sich damit aber in guter Gesellschaft. Alle, die Identitätspolitik betreiben, tun dies auf der Grundlage eines sehr plakativen Begriffs von Minderheit.

Wenn wir Identitätspolitik bis ins Unendliche denken, werden wir feststellen, dass wir alle Teil einer aus nur einer Person bestehenden Minderheit sind. Wenn wir uns dann nur im Kreise dieser Minderheit aufgehoben fühlen würden, wären wir wirklich sehr einsam. Im Umkehrschluss werden wir Einsamkeit aber auch nicht für alle Zeiten ausradieren können, denn es wird uns niemals gelingen, paradiesische Einigkeit zu erlangen. Das Streben danach kann uns aber eine Richtschnur sein. Rufen wir (Teilzeit-)Einsamen allen anderen zu: Ihr seid nicht allein! – Kristine Risløv

 

Frau Kinnert und Herrn Schreiber möchte ich nach der Lektüre ihrer Statements den Tipp geben, weniger die Aufmerksamkeit ihrer Umgebung erheischen zu wollen. Stattdessen vielleicht ein kleines Ehrenamt etwa im sozialen Bereich anzunehmen und sich so Zugang zu all den großen und kleinen Erlebnissen des täglichen Lebens zu verschaffen. Ich verspreche beiden, dass das ihre Einsamkeit schon bald verschwinden lässt. – Karl Strecker

 

Thema verfeht. Die Überschrift machte neugierig und interessierte mich – doch dann beim Lesen – Enttäuschung. Hatte ich den Artikel nicht verstanden? Ein zweites Mal gelesen… Mein Eindruck: her geht es vorwiegend um Selbstdarstellung. Mit mehr Sachlichkeit und etwas differenzierter hätte man einiges aus dem Thema rausholen können! Und es ist sicherlich ein gesellschaftliches Phänomen über das es sich zu schreiben lohnt! Schade. – M. Trampe

 


 

 

Leserbriefe zu „Waren Sie ein fauler Schüler, Günther Jauch? »Ich war einfach banaler Durchschnitt«“. Gespräch mit Günther Jauch geführt von Christoph Amend

 

Vielen Dank dafür, dass endlich mal schonungslos aufge- zeigt wird, was es an hanebüchenem Unsinn im weiten Umfeld von Bildung und Erziehung in Deutschland zu beklagen gibt. Vor allem die Vorstellung, alle müssten Abitur machen, ist abwegig und in vielerlei Hinsicht problematisch. Allen für Alles die Note „eins“ zu geben, führt ad absurdum – das Stichwort Frustrationstoleranz ist in diesem Kontext sicherlich ein Schlüsselbegriff. Bleibt nur zu hoffen, die entsprechenden Entscheidungs- träger ziehen daraus die richtigen Konsequenzen! – Thomas Goebel

 

Die letzte Frage an Günther Jauch, wird die akademische Ausbildung in Deutschland überbewertet! Ja das würde ich auch sagen! Wir haben in Deutschland ein großartiges duales Bildungssystem gehabt! Seit vielen Jahren beobachte ich das die Industrie dringend Jungen und Mädchen in die Ausbildung nehmen würden, die kein Abitur gemacht haben. Eine Realschule als auch einen Hauptschulabschluss ist doch auch eine gute Voraussetzung um einen Lehrabschluss zu bekommen. Während dessen warten viele mit einem mittleren Abiturabschluss irgendwo in der Warteschlange um an einen geeigneten Studiengang oder Ausbildungsplatz zubekommen. Handwerk hat goldenen Boden und vielleicht heute mehr noch als vor Jahren! Ein ehemaliger Schulhausmeister an einem Gymnasium in Neuss! – Klaus Grützmacher

 

Als Kind und auch noch als junger Erwachsener, da hab ich mir das heitere Beruferaten „Was bin ich?“ mit Robert Lembke (1913-1989) sogar sehr gerne angeschaut. Robert Lembke hatte erst sein Hündchen „Struppi“, danach den „Jacky“ mit im Fernsehstudio dabei; seine Rateshow lief von 1955-1989. Herr Lembke war immer ein schlagfertiger und sehr witziger Journalist und Fernsehmoderator. „Liebe ist eine tolle Krankheit, da müssen immer gleich zwei ins Bett“. (Robert Lembke) Auch das Quiz „Hätten´s Sie gewußt?“ mit Heinz Maegerlein (1911-1998), das hab ich mir als Kind, sehr gerne am Samstag Nachmittag angeguckt.

Heinz Maegerlein war ebenfalls ein Journalist und auch Fernsehmoderator; sein Quiz lief von 1958 bis 1969; auch er hatte einen gewissen Humor. „Tausende standen an den Hängen und Pisten!“ (Heinz Maegerlein) Kurz zu Günther Jauch (*1956) und seiner Quizshow „Wer wird Millionär?“, die ich nur nur vom Hörensagen kenne. Ich habe mich für „Das Quiz“ am 28.12.2021 mit Frank Plasberg „breitschlagen lassen“, wo dieser Günther Jauch mitspielte und am Ende gar noch gewonnen hatte. Von derartigen Quiz-Sendungen habe ich bis auf weiteres meine Nase gestrichen voll, das war mir wieder einmal eine heilsame Lehre! Günther Jauch ist auch ein Journalist, Entertainer und Produzent mit eigenem Weinberg. „Bildung lässt sich nicht downloaden.“ (Günther Jauch) – Klaus P. Jaworek

 

„Daumen hoch“. Ich habe die Sendungen immer gemieden, war nie ein „Günther Jauch Fan“. Das Interview allerdings macht ihn sehr sympathisch, und ich teile seine beschriebenen Einstellungen und Meinung bzgl. Bildung und Erziehung uneingeschränkt – auch ohne eigenes Abitur! – M. Trampe

 


 

 

Leserbriefe zu „Nach dem Sturm“ von Samiha Shafy

 

In dem Artikel über die Urteile gegen die Täter beim Sturm auf das US-Kapitol heißt es mit Berufung auf Analysen von CNN, die „bislang härteste Haftstrafe war jeweils dreieinhalb Jahre.“ Mehrere deutsche Medien hingegen berichten anderen Zahlen. In F.A.Z. vom 5. Januar hieß es z.B., dass gegen den „Büffelmann“ Jacob Chansley eine Haftstrafe von 41 Monaten verhängt worden sei. Laut ARD war die höchste Strafe bislang sogar 63 Monate Bisher härtestes Urteil : Fünf Jahre Haft für Kapitol-Angreifer | tagesschau.de. Lässt sich dieser Widerspruch aufklären? – Andreas Phieler

 

Der Sturm auf das Kapitol in Washington, auf den Herzpunkt der amerikanischen Demokratie also, den Samiha Shafy so eindrucksvoll beschreibt, lässt mich gleichwohl mehr noch an Deutschland denken. Wir alle, vom „ersten bis zum letzten Mann im Staate“, die wir uns zu diesem Land, zu diesem Rechtsstaat, zu dieser Demokratie, zugehörig fühlen (wollen), die wir dieses Land bei Lichte betrachtet zu schätzen, zu loben und zu kritisieren haben, die wir um den Segen von Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit, Bürger- und Menschenrechte ebenso wissen (sollten) wie um unsere Pflichten, wir sollten das, was in den USA an jenem (leider) historischen 06.01.2021 geschehen, was gesellschaftspolitisch dort mit einem durchaus langen „Anlauf“ eskaliert ist, sehr ernsthaft rekapitulieren und reflektieren.

Und dann sollten wir uns (nochmals) hinterfragen, wo wir stehen; wo wir uns als einzelne (ob etwa als verantwortungsbewusster Politiker, medialer Beobachter und/oder betroffener Bürger) und als Gesellschaft befinden. Für die Anwendung und Verteidigung unserer Grundwerte sollten uns allen die entsprechenden Mittel stets nah und klar sein: Rechtliche Verbindlichkeit, Gleichberechtigung und umfassende Teilhabe, ganzheitliche Aufklärung und Bildung, ausgewogene Kritikführung und Verständigung. So banal es klingt, nicht nur für die Wahrung einer Demokratie gilt eben: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.“ – Matthias Bartsch

 

In dem ansonsten informativen Artikel von Samha Shafy findet sich folgende Passage: „Der Kapitolsturm kostete fünf Menschen das Leben. Eine 35-jährige Trump-Anhängerin wurde von einem Polizisten erschossen, als sie versuchte, in den Plenarsaal des Repräsentantenhauses einzubrechen. Drei weitere Angreifer starben im Gedränge. Ein 42-jähriger Polizist erlag einen Tag später seinen Verletzungen.“ Diese Formulierung suggeriert, dass der 42-jährige Polizist Brian Sicknick an Verletzungen gestorben ist, die ihm der Mob beim Sturm auf das Capitol zugefügt hat.

Nach Recherchen der BBC (siehe https://www.bbc.com/news/world-us-canada-56810371.amp) starb Sicknick am Tag nach den Krawallen an zwei Schlaganfällen. Es gibt keinen Hinweis auf einen unmittelbaren Zusammenhang zu den Krawallen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie diesen Sachverhalt korrigieren könnten. Es gibt genügend Argumente, um das unverantwortliche Verhalten von Donald Trump zu verurteilen. Man muss dazu nicht die Tatsachen verfälschen. – Dr. Jan Dieckmann

 

Zum Thema „Nach dem Sturm“ ist mir eine Zitat der Deutschen Kriegsgräberfürsorge in die Hände gefallen, das eigentlich alles zusammenfasst, was wir als Demokraten tun müssen: „Um Frieden dauerhaft zu sichern, reicht es nicht, ihn zu beschwören. Wir müssen aus der Geschichte lernen, wie ein Krieg entsteht, was ihm vorausgeht. Es ist die Aushöhlung von Demokratie und Menschenrechten, die Verächtlichmachung anderer, das Ersetzen des Diskurses durch die „Ànsage“ und die nationale Abschottung gegen vermeintliche Feinde. All dem müssen wir entgegentreten, immer und überall!“ – Jens Jacobsen-Bremer

 


 

 

Leserbriefe zu „Im falschen Viertel“ von Arnfrid Schenk

 

Sie beginnen damit, wie idyllisch die Lehrerin Felle in Mjölnerparken lebt – alles prima !? Nur die Regierung versteht nichts??? Unwahrscheinlich ! – „Kann Integration so gelingen?“ (Notfalls Zwangsumsiedlung) – warten wir‘s doch mal ab! Über Ghettobildung ganz sicher nicht – scheint mir ! Sehen Sie sich mal Malmö – früher eine friedliche schwedische Stadt – an ! – Dr.R.Patschan

 

Nach meiner Meinung sind wir in ähnlicher Richtung unterwegs. Falsch ist das Konzept sozialer Wohnungsbau. Statt den Investor zu unterstützen sollte der Mieter unterstützt werden – dann gibt es keinen Sozialen Wohnungsbau und damit auch keine Gruppierung. Auch ich bedauere, dass die Integration anderer Kulturen überwiegend nicht funktioniert. Ob man sie mit dem dänischen Konzept erzwingen kann, möchte i9ch bezweifeln. Man sucht die Nähe von Gleichen, in solcher Umgebung fühlt man sich wohl. Und auch eine spezifische Infrastruktur (z.B. beim Einzelhandel) ist eher zu erreichen, wenn Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen zusammen wohnen! Wir sollten nicht vergessen, dass wir die Arbeitskräfte brauchen u8nd das bedeutet, dass wir erreichen müssen, dass sich alle bei uns wohlfühlen. – Johannes Barth

 

Zur Erläuterung:“Dänemarks Regierung fürchtet Pararallelgesellschaften.Deshalb soll die Bevölkerungsstruktur in sozialen Brennpunkten neu gemischt werden-auch durch Zwangsumsiedlung.Kann Integration so gelingen? “ Na toll, wer soll hier umgesiedelt werden? Ausländer und Dänen? Und auch mit Zwang.Was sind das für Töne? Aus unserem Nachbarland. Zwang? – Hans-Emil Schuster

 

«Dänemarks Regierung fürchtet Parallelgesellschaften. Deshalb soll die Bevölkerungsstruktur in sozialen Brennpunkten neu gemischt werden – auch durch Zwangsumsiedlungen.» Eine Sammelklage gegen diese Massnahmen beruft sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention. Somit stellt sich eine grundsätzliche Frage, die über die Situation in Dänemark weit hinausgeht. Es ist die Frage: wieweit ist ein solches Vorgehen mit den Menschenrechten vereinbar? Was ist die Rechtfertigung? Gibt es nicht auch bessere Alternativen? Es geht hier nicht darum Partei zu ergreifen, vor allem nicht im konkreten Fall. Es geht darum zu fragen, wie Argumente für Lösungen gefunden werden können, die im langfristigen Interesse aller liegen.

In Dänemark müssen mindestens 3 von 5 Kriterien erfüllt sein, dafür dass ein Wohnbezirk als «Ghetto» gilt, auf den dann die geplanten Massnahmen angewandt werden können. Zu diesen Kriterien gehören: über 40 Prozent Arbeitslosigkeit der Erwachsenen oder eine Kriminalitätsrate mindestens dreimal so hoch wie der Landesdurchschnitt. «Und ein entscheidendes Kriterium: 30 Prozent der Bewohner stammen aus «nichtwestlichen Ländern».».

Aus diesen Angaben lässt sich vermuten, dass das Vorhaben zwei Gründe hat: Der erste Grund ist, befürchtet wird ein Geburten-Wachstum in den «Ghettos» über dem Landesdurchschnitt. Verbunden mit der Herkunft aus «nichtwestlichen Ländern» könne das das zu wachsenden Parallelgesellschaften führen. Der zweite Grund: Daraus könnte ein unkontrollierbares Wachstum an Kosten entstehen, die durch Arbeitslosigkeit und Kriminalität verursacht werden.

Die Gewichtung des finanziellen Aspekts wird vermutlich als berechtigt angesehen, aus Überlegungen, die die fernere Zukunft betreffen. Welche Folge es hat, wenn nicht genug Mittel vorhanden sind für den Lebensunterhalt der Einwohner, sieht man in Ländern wie Afghanistan, Äthiopien, Jemen, Kasachstan, Libanon, Nordkorea, Sudan, Tunesien Venezuela, usw. Aus dieser Sichtweise könnte man auch angeben, das Vorhaben sei durch das bedrohte Menschenrecht auf Eigentum gedeckt. Es gelte also darum einen Widerspruch zu lösen zwischen den Menschenrechten auf Lebensunterhalt und dem Recht auf Eigentum

Die angestrebte Problem-Lösung soll dadurch entstehen, dass der Einfluss der anderen Wohnumgebung die befürchtete Entwicklung aufhält. Aber gibt es nicht auch bessere Lösungen? Von einem Lösungsansatz wird unter der Titelzeile «Es gibt auch Fortschritte» berichtet. Aus dem «dänischen Integrationsbarometer» gehe hervor: «54 Prozent der Frauen zwischen 20 und 24 Jahren, die von nichtwestlichen Einwanderern abstammen, sind an einer Hochschule eingeschrieben. Der Anteil ist damit grösser als bei Frauen gleichen Alters dänischer Herkunft (45 Prozent).» Bei den Männern gäbe es einen etwas kleineren Unterschied in derselben Richtung.

Interessant wären entsprechende Zahlen, die sich nur auf die Ghettos beziehen. Dies deswegen, weil es eher die Unterprivilegierten sind, die zu hohen Geburtenraten beitragen. Interessant wäre aber auch, wie die durch Bildung privilegierten nichtwestlichen Einwanderer das Problem und dessen Lösungsmöglichkeiten sehen, unter Berücksichtigung des genannten Zielkonflikts und der Entwicklungen in den genannten Ländern (von Afghanistan bis Venezuela). – Dr. Gernot Gwehenberger

 


 

 

Leserbriefe zu „Weltschmerz ist noch keine Kunst“ von Ronja von Rönne

 

Vielen Dank für Ihren Text! Ich habe ihn heute Abend in einer Phase gelesen, die mich alljährlich – immer wieder unerwartet und doch bang befürchtet, fast wehrlos, immer wieder erschreckend und mit allem versehen, was Sie beschreiben – in diesen dunkelsten Tagen um den Jahreswechsel erwischt. Immer wenn ich schon denke „Ich hab es geschafft, ich bin drüber!“, rammt sie mich rücklings ins Kreuz und wirft mich hin.

Ich bin kein Schreibender, aber auch in meinem Job trifft mich dieses Diffuse mit voller Wucht und erzeugt Panik. Mein Job besteht darin, für Menschen erfüllende Begegnungen zu schaffen. In diesen Zeiten, in denen ein anderer Autor in der ZEIT nach meinem Empfinden zynisch vom Entstehen „neuer Begegnungsformen“ euphemisierte, habe ich ohnedies meinen Kampf um einen Fitzel Zuversicht. Und dazu dann das Taumeln im Diffusen… Jedenfalls: Ihre Gedanken haben mir geholfen. Da versteht jemand, da weiß jemand. DANKE! …und danke an die Redaktion der ZEIT für das Öffentlichmachen dieser „Scheißkrankheit“, wie Frau von Rönne sie zu Recht nennt!. – Konrad Dorenkamp

 

Herzlichen Dank für Ihren Artikel, der mich wütend macht – hurra, ein Gefühl! Die Pianistin Hélene Grimaud soll gesagt haben: „Es geht nicht darum, den Zuschauern zu sagen, was sie fühlen sollen, es geht darum, eine Welt zu schaffen, die es ihnen ermöglicht, Gefühle zu erleben.“ Die Gefühle zu erkennen, sich und seine innere Welt für andere erreichbar und sichtbar zu machen, Impulse und Anstöße zu geben, Wiedererkennen, Freude oder Wut hervorzurufen, das ist für mich Kunst. Den Mut zu haben, seine Gefühle darzustellen, sich verletzlich zu machen, aber auch die Möglichkeit wahrzunehmen, sich zu entwickeln, etwaige Wunden anzuschauen und damit umgehen zu lernen, ein Stückchen zu heilen.

Somit ist Weltschmerz noch keine Kunst, aber Kunst kann Ausdruck von Gefühltem und eine Chance der Genesung sein. Sie schreiben: „Was man normalerweise nicht tut: ein Buch schreiben, Kunst schaffen.“ Ich widerspreche. Und krame im eigenen Erfahrungskästchen: Seit meiner Kindheit litt ich an Depressionen. So war es eben, damals. Wie auch heute, siehe Daniel Schreiber auf Seite 61 dieser Ausgabe, als er über die Einsamkeit schreibt und wie er, wenn er bei einem anderen dieses Gefühl spürt, das Bedürfnis hat, dem Gespräch auszuweichen. Ein Tabu – Thema, nichts Neues. Genau so war es in meinem Umkreis. Meine Überlebensstrategie: Flucht.

Ich flüchtete und flüchtete: in Bücher und in Geschichten, in die Natur, nach dem Abitur ins Ausland, in oberflächliche Beziehungen, in Versuche, meine Intelligenz zu beweisen, Instrumente zu erlernen, usw. Das Flüchten nahm kein Ende. Bis eine Angststörung des Weges kam, mich mit konkreten Suizidgedanken überfiel und in eine psychiatrische Tagesklinik brachte. Dort saß ich, fluchtlos, irgendwann auch angekommen. Und begann zu schreiben.

„Willkommen auf der roten Couch“, so der Titel des Buches, das ich schrieb und das auch veröffentlicht wurde. Mein Kanal, mich auszudrücken, nach 40 Jahren des Kampfes, der Not und der Einsamkeit. Auch guten Zeiten, let’s be fair. Vor der Veröffentlichung plagten mich oft Zweifel: ich mit einer ängstlich vermeidenden Persönlichkeitsstruktur, die Kritik kaum aushielt, die ein scharfer Blick umwarf, warum sollte gerade ich mich anderen aussetzen? Mein Mann – damals noch – sagte: „Wenn dein Buch einem Menschen hilft, dann hat es seinen Zweck erfüllt.“ (Danke Dermot) Mein Buch hat Menschen geholfen und tut es noch immer.

Und es hat mir geholfen, ich hatte seit der Veröffentlichung und meinem Outing keine depressive Phase mehr. Ich blieb dran, therapierte, unternahm keine weiteren Fluchtversuche und ging durch die offenen Türen, zu den Menschen, die geblieben waren, die mich mich selbst sein ließen. Meine Art, das Diffuse zu zähmen: Selbsterkenntnis, Aussitzen, Hilfe suchen, mitteilen, fühlen. Mich sichtbar machen. Mich meines Wertes bewusst sein. Ein Teil der Gemeinschaft sein. Und einzigartiger Mensch. – Constanze Reutemann

 

Das „Diffuse“ statt Depression, weil das „so klinisch, so endgültig klingt“? Dann wäre „Weltschmerz“ doch eher persönlicher und ehrlicher? Im Grunde aber muss oder sollte man die „Depression“ aus dem organmedizinischen, klinisch-diagnostischen und v.a. pharmazeutischen ICD-10-Umfeld mit Vokabeln wie Synapsen, Transmitterdefiziten, Hirnaktivierungen bis hin zu elektrischen Hirndurchflutungen (EKT) befreien und ganz anders erzählen. Vor einigen Wochen zitierte Claudia Roth in einem der immer sehr spannenden ZEIT-Interviews Leonard Cohen: „There is a crack in everything, tat’s how the light gets in…. The crack: Bruch, Riss. In jedem Ding ist ein Riss, ein Bruch, sozusagen von Haus aus! Stimmt das nicht?!

Und leidet nicht der Mensch (das animal triste) unter eben diesem Riss, diesem Bruch? Genau genommen ist das so nicht richtig, weil es die Sprache ist, die den Dingen einen Namen gibt und sie so erst zum Sein bringt. Die Sprache ist das Haus des Seins, sagt Heidegger. Ohne Sprache gibt es eigentlich kein Ding. Insofern können wir über die Dinge an sich nichts sagen, weil sie ohne Sprache ja keinen Namen hätten. Der Riss, der Bruch ist zwischen den namenlosen Dingen und den Worten. Das ist ein Widerspruch in sich selbst, klar, weil das „Ding“ ja auch schon ein Name ist, aber wie soll man denn sonst diese vorsprachlichen Dinge bezeichnen? Da zeigt sich schon die elementare Not des sprechenden Menschen! Diese Kluft ist unüberbrückbar.

Damit ist jegliches Wissen, jede Erkenntnis des Menschen von der Welt immer nur vorläufig, immer nur ein Versuch, verbunden mit dem Risiko des Irrtums, bzw. der Täuschung. Ist das alles nicht Grund genug, zu verzweifeln, zumindest depressiv zu werden? Andererseits ist über die Sprache sozusagen ein -wenn auch fragwürdiger- Zugang zur Welt möglich geworden. Die Sprache schuf unsere Welt, ermöglichte Wissen und damit auch Macht über diese Welt, indem sie einen verändernden Umgang mit ihr entwickelte. Und sie schuf auch die Täuschung, die Illusion, sich der Welt total zu bemächtigen.

Die Sprache schafft Macht und ermöglicht gleichzeitig ihren Missbrauch, indem sie scheinbar eine totale Beherrschung der Dinge anbietet. Die Sprache kann verführen, und der Mensch lässt sich in seinem narzisstischen Streben nach Vollkommenheit auch gerne verführen und täuschen. Das lässt sich immer wieder im Kleinen und Großen höchst eindrücklich beobachten. Diese Gefahr erfordert vom Menschen einen vorsichtigen und kritischen Umgang mit der Sprache. All das ist im Prinzip jedem bekannt, zumindest bietet der Alltag ständig Gelegenheiten an, diesem „crack“ zu begegnen. Wenn allerdings die Sprache einerseits missbraucht und damit höchst gefährlich werden kann, so ermöglicht sie andererseits auch ein Bewusstwerden dieser Gefahr und damit ihre Vermeidung. Und da ist der Mensch mit einem Paradox konfrontiert, einerseits kann und muss er Gebrauch von der Sprache machen, andererseits darf er sie nicht beherrschen, sich ihrer nicht bemächtigen wollen.

Er muss sich ihr unterwerfen (als Subjekt), sich von ihr leiten lassen. Auch das ist bekannt, zumindest jedem ernsthaften Schriftsteller, jedem Dichter und Poeten (Poiesis/Erschaffung), der versucht, sich über die Unüberbrückbarkeit des Risses zwischen den Dingen und Worten mit Hilfe der Sprache hinwegzusetzen, um einen immer nur vorläufigen Zugang zu sich und der Welt zu finden und (v.a!) diesen Zugang zu kommunizieren. Sprechen und Schreiben entwickelt sich also aus einer urmenschlichen Not heraus, zum Sein zu kommen. Und der existentiellen Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit, in die er über den Zugang zur Sprachen geraten ist, mit dem Schreiben über diese elementare Not ihr etwas entgegenzusetzen.

Insofern ist der Weg zur erfolgreichen Literatur nicht automatisch über die Erfahrung der Depression gegeben, aber ohne eine leidende Begegnung mit diesem Riss, dieser Lücke zwischen der Welt und der Sprache wäre sie prinzipiell überhaupt nicht möglich. Natürlich kommt da etwas hinzu: einmal die Stärke dieses Leidens und das Maß der Bewusstwerdung und zum anderen Mühe, Anstrengung, einfach Arbeit, um die nötigen und passenden Worte zu finden. Es reicht nicht, die Spule in den Brunnen fallen zu lassen, hinterherzuspringen und ohne Empathie an dem Backofen und dem Apfelbaum vorbeizugehen und nachlässig Frau Holles Betten auszuschütteln, um dann im Tor Gold über sich regnen zu lassen.

So gesehen hat das „Diffuse“ kein Eigenleben, es schaut einen nicht an und ist nicht in Rhetorik geübt, es ist auch nicht der „schwarze Hund“, der einen anspringt, den man am liebsten rausschmeißen möchte. Es ist kein Objekt, zu dem wir es gern machen würden, um es dann besser händeln zu können. Es ist Teil von uns selbst, das am liebsten der Chef, der Meister wäre, der wir aber nie sind und werden. Es wartet eher auf unser Wort, mit dem wir es zu fassen versuchen, und mit dem wir es beschreiben und anderen mitteilen können. Denn wir sind nicht allein mit diesem „crack“, den Leonard Cohen schon besungen und damit über den Hinweis, dass so Licht in die Dinge kommen kann, vielleicht ein wenig erträglicher gemacht hat. – Gerd Schillmöller

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Waffen der anderen“ von Hauke Friederichs

 

Ohne die Beteiligung aller Staaten wird es nicht zu einer Ächtung autonomer Kampfroboter kommen. Dafür ist der Vorteil den sie für den Anwender bieten einfach zu groß. Solange diese Waffen produziert werden, werden sie verkauft und eingesetzt. Da stellt sich die Frage, wie es zu beurteilen ist, wenn die Bundeswehr gegen Gegner die mit solche Waffen ausgerüstet sind, kämpfen müsste. Ich glaube, dass das die Politik unseren Soldaten nicht zumuten darf. Deutschland sollte weiter für die Ächtung kämpfen und gleichzeitig diese Waffen in den USA oder Israel kaufen – auf keinen Fall selbst produzieren – und den Einsatz streng regelmentieren. – Rüdiger Weigel

 

Soso, die langsame und stetige Auslöschung der Menschheit reicht uns also noch nicht. Sie sollte also besser mit Hyperschall kommen. Sind das die besagten Innovationen, die wir so dringend brauchen? Für sie ist der Markt schon greifbar und Deutschland lässt ihn sich mal wieder entgehen. Stimmt nicht! Auf dem Markt „Global Extinction“ sind wir schon bestens vertreten. Danke auch für die nüchterne Berichterstattung zu diesem Thema. Es hätte aber nicht geschadet, dem darin schlummernden Wahnsinn ein paar Worte zu schenken. – Rainer von Hesse

 

Ich gehe davon aus, daß als Produzent ISRAEL für den Waffen-Roboter Rex MK II richtig ist. Dann ist im Bildtext „…Test der russischen Hyperschallwaffe…“ falsch . – Hartmut Wagener

 


 

 

Leserbriefe zu „Anständig Geld verdienen“. Gespräch mit Marc Schachtel geführt von Sebastian Kempkens und Marc Widmann

 

Nach Lektüre dieses Interviews empfand ich sehr großes Mitleid mit der heutigen jungen Generation bzw. all jenen, die auf der Suche nach einer Partnerin oder einem Partner sind und dazu eine dating Plattform in Anspruch nehmen. Und mir fiel spontan Brechts „Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Planens ein“, wo es heißt: Ja, renn nur nach dem Glück, doch renne nicht zu sehr, denn alle rennen nach dem Glück, das Glück rennt hinterher. Denn für dieses Leben ist der Mensch nicht anspruchslos genug. Drum ist all sein Streben nur ein Selbstbetrug. – Björn Luley

 

Hier spricht der Marketingprofi. Alles ist genauso gewollt und wenn es nicht klappt, liegts an der Gesellschaft. Wenn zwei sich treffen, aber nur einer es ernst meint, wird das Folgeverhalten für Parship-Chef Marc Schachtel pathologisch, sogar den Namen für die „Krankheit“ hat die Branche parat. Ob „Benching“ oder „Ghosting“, die weltweit wachsende Zahl der Singles scheint zu einem ernsten Problem zu werden, ein „gesamtgesellschaftliches Phänomen“ so Schachtel, dessen sich – na, dem Himmel sei Dank – Parship mit Umfragen, Diskussionsrunden (mit wem eigenttlich) und – natürlich – Marktforschung zielführend einzubringen gedenkt.

Als Heilsbringer sozusagen. Da lernen Nutzer in Zukunft, in ganzen Sätzen zu kommunizieren um „den Denkprozess in Gang zu bringen“, aber bloss nicht, wenn sie gerade „auf dem Klo sitzen“. Ganz schön mutig von Parship, das findet jedenfalls Schachtel selbst, der der Gesellschaft attestiert, das Kennenlernen verlernt zu haben und es zugleich nachvollziehbar beängstigend findet, wenn seine Kundschaft sich als „datingmüde“ bezeichnet und „eine Pause herbeisehnt“.

Das nenne man übrigens „swipe fatique“ weiß Marc Schachtel, der doch extra die täglichen neuen Kontakte auf 60 beschränkt hat. Wenn es also die wachsende Singlepopulation die Lust auf Parship und andere verliert, reguliert sich die offensichtlich beunruhigende Entwicklung vielleicht wieder selbst. Beim Kennelernen an der Supermarktkasse oder beim Spaziergang rund um den See. – Carola Schiller

 

Hat Herr Schachtel eigentlich kapiert,dass er sich da in eine Art Satire hineinredete? Geruchsmatching,Avatare,DNA-Abgleiche – wohin gehen wir? – Rolf Ellersiek

 


 

 

Leserbriefe zu „Ausgepresst“ von Marcus Rohwetter

 

Wenn man wissen will ob der Handel genug bezahlt oder die Hersteller zu viel verlangen, dann schaut man sich die Ertragsverhältnisse der jeweiligen Branchen an. Im übrigen könnte ein tatsächlich durchgesetzter und realisierter höherer Mindestlohn, helfen, dass mehr Geld für Lebensmittel bezahlt werden kann. Bei der Frage, wer das mehr dann abgreift, die Erzeuger oder die Shareholder des Handels, ist man ganz schnell wieder beim ursprünglichen Thema. – Willi Krebser

 

Zu besagtem Artikel möchte ich ein paar Bemerkungen machen. Auf welcher Ebeen sollte denn die Mehrwersteuer bei Obst und Gemüse abgeschafft werden? Bei der Mehrwertsteuer verhält es sich so,dass nur der Letzverbraucher die auch bezahlen muss. In der Produktionskette wird nur der Betrag zwischen Steuer auf Zukäufe – Vorsteuer – und erhobene Mehrwertsteuer beim Weiterverkauf an das Finanzamt angeführt.Für den Landwirt galt, ich nehme an es gilt immer noch, dass er die Mehrwertsteuer behalten darf.Nun hieße die Abschaffung,dass der Landwirt zwar für seine Vorprodukte wie Maschinen,Dünger,Pflanzenschutz,etc. Steuern bezahlen muss,dafür aber keinen Ausgleich über die selbst erzielte Mehrwertsteuer mehr bekommt. Liege ich richtig,dann bedeutete dies für die Bauern ein Einkommensverlust. – Stefan Müller

 

Zumindest eine Branche hat eine Lösung für das geschilderte Problem gefunden: der deutsche Weinbau. In den letzten Jahrzehnten wurde der Wein immer besser und auch teurer. Trotzdem kaufen die Konsumenten immer mehr, weil sie finden, einen realen Gegenwert zu bekommen. Während die Weinbauregionen Pfalz und Rheinhessen früher eher ärmlich waren, fährt man heute durch prächtige Dörfer mit schönen Weinstuben und zufriedenen Winzern. Über das Wetter jammern sie natürlich immer noch :-) – Peter Pielmeier

 


 

 

Leserbriefe zur Infografik „Drahtseilakt“ von Dirk Asendorpf (Recherche) und Cyprian Lothringer (Infografik)

 

Sie schreiben, dass Menschen in Seilbahnen weniger oft getötet werden, wie bei den „viel häufigeren Unfällen im Zug- oder Straßenverkehr“. Wie bitte? Sie erwähnen trotz anderer Alphabet-Reihenfolge den Zug ausdrücklich vor dem Auto? Sie glauben also, dass es mehr getötete Menschen im Zug gibt als im Auto? Da hat der ADAC und alle anderen Auto-Lobbyverbände bei Ihnen ja hervorragende Arbeit geleistet, dass nun auch die ZEIT diesen Quatsch verbreitet – den sowieso fast jede/r Autofahrer:in glaubt.

Die Tötungswahrscheinlichkeit pro Milliarde Kilometer und Reisende liegt beispielsweise in der EU bei 0,09 für Zugreisende, jedoch im Auto bei 2,72! Quelle zB hier: https://www.allianz-pro-schiene.de/themen/sicherheit/unfallrisiko-im-vergleich/ Und noch eine Anmerkung, zu Ihren seltsamen Vergleichen: Wie Sie selber schreiben, gibt es die meisten Seilbahnen in der EU, der obige Vergleich ist also stimmig. Hinzu sind Autos und Züge etwa gleich schnell. Aber unterschiedlich schnelle Verkehrsarten müssen unterschiedlich betrachtet werden. Denn entscheidend sind für eine vergleichende Unfallstatistik nicht die zurückgelegten Kilometer, sondern die Zeit, die in dem Verkehrsmittel verbracht wird.

Es ist klar, wenn ich als Fußgänger eine Strecke von 1000 km zurücklege und dafür mich den Gefahren des Verkehrs rund 33 Tage länger aussetze als mit Auto oder Zug, dass ich auch mindestens 33 mal so sehr gefährdet bin. Das ist der nächste Lobbytrick, der zB von der Luftfahrt gerne verwendet wird, gegenüber ihrer Unfallbilanz und der von Auto und Zug. Außerdem muss auch zwischen Tötung und Verletzung unterschieden werden und nicht Unfälle ohne sie zu gradieren betrachtet werden (das verwischen Sie hier leider auch).

Ihre hinterlegten Links zu ihrer Grafik sind wie meist mangelhaft. Alle hinterlegten Links erlauben auch bei etwas längerer Suche keinen Fund zu Ihren verwendeten Zahlen. Hinzu sind auch solche dabei, die von Seilbahnherstellern und Seilbahn-Lobbyverbänden stammen. Das nennen Sie Qualitätsjournalismus? Mittlerweile macht jeder ernsthafte Influencer bei den Sozialen Medien eine bessere Arbeit. Aber dafür sind Ihre Grafiken schön bunt. Vielleicht sollten Sie sich umtiteln zu die BUNTE? – Achim Michael Hasenberg

 

Überlassen wir dieses Thema lieber den Eidgenossen.Die haben mehr Erfahrung damit. Was ist,wenn der Kasten mal stehen bleibt in luftiger Höhe? Und jemand müsste mal auf dieToilette. – Hans-Emil Schuster

 

Wieder habe ich mich über Ihre Erläuterungen -diesmal zu Seilbahnen- sehr gefreut. Bei unserer Reise durch Armenien 2016 wurde uns auch eine Fahrt mit der Bahn bei/in Tatev zuteil. Es ist beeindruckend, über das Tal zu schweben. – Hartmut Heßler

 


 

 

Leserbriefe zu „»Allein mit ökologischen Methoden werden wir es nicht schaffen«“. Gespräch mit Saori Dubourg geführt von Christiane Grefe und Petra Pinzler

 

Mit ökologischen Methoden werden wir es nicht schaffen – was denn bitte schön nicht? Dass Konzerne wie BASF & Co. Ihre Machtstellung auf dem Chemiemarkt behalten und ausbauen können? Da stimme ich freilich zu, und damit niemand auf die Idee kommt, etwas anderes zu denken, werden hier auch gleich die passenden wenngleich absurden Argumente mitgeliefert: Dass nämlich die Folgen des Klimawandels (u. a. Verlust an fruchtbarem Ackerboden), der durch die Agrokonzerne maßgeblich mit befeuert wurde, nur die Methoden genau derselben Konzerne aufgefangen werden können. Donnerwetter: Wer hätte das gedacht?

Und dieselben Konzerne stehen auch gleich wieder helfend zur Seite, wenn der Fleischkonsum in der dritten Welt gesteigert werden muss, um dadurch soziale Gerechtigkeit zu simulieren. Man hilft ja gerne: Halleluja! – Sind das nun schon die „innovativen Ideen“, die seit Jahren vor allem durch die FDP unter ihrem Vorsitzenden Christian Lindner herbeigeredet werden, um zu suggerieren, wir könnten dir Zerstörung unserer Lebensgrundlagen verhindern, ohne an unserem Verhalten auch nur einen Handschlag zu ändern? Da hätte ich gleich noch einen Vorschlag für ein weiteres Interview mit einem Vertreter der Autoindustrie:

„Mit elektrischen Methoden werden wir es nicht schaffen – wie wir an dem Verbrennungsmotor festhalten müssen um das Klima zu retten und den sozialen Weltfrieden zu garantieren.“ Letzteres lässt sich nämlich nur erreichen, wenn wir jedem Erdenbürger den Erwerb eines KFZ ermöglichen – Kinder mit eingerechnet, damit die Kleinen sich nicht diskriminiert fühlen und Unruhen provoziert werden. – Ich freu mich schon drauf. – Professor Dr. Joachim Burgheim

 

Als Landwirt frage ich mich immer wieder, wie Politik, Industrie, Wissenschaft, Medien und auch die NGO´s den Begriff klimaneutrale Landwirtschaft definieren. Mit meiner Arbeit kann ich, und da spielt es keine Rolle ob ich konventionell oder ökologisch wirtschafte, auf natürliche Weise klimaschädliches CO₂ dauerhaft im Boden speichern (Humus) oder vorübergehend in den Nahrungsmittel- oder Energiekreislauf einbringen. Ich trage zwar so zur Milderung des Klimawandels bei, benötige und verbrauche dafür aber auch kohlenstoffhaltige Ressourcen (wie z.B. Diesel ,Reifen, Folien, .), sodass ich mir beim besten Willen keine ausgeglichene Klimabilanz für meinen Betrieb vorstellen kann.

Um den Klimaschutz ernst zu nehmen, müsste beispielsweise der Kohlenstoffanteil einer jeden verbrauchten Ressource, die als Rohöl aus der Erde gepumpt wird, mittels der Photosynthese wieder in die Erde gebracht werden. Das Thünen-Institut für Agrarklimaschutz hat die Kompensationsleistungen von Hecken untersucht und kann somit die Fläche mit neu anzupflanzenden Hecken für jeden Betrieb errechnen, um die so angestrebte Klimaneutralität zu erreichen. Aber wird solch ein Lösungsvorschlag von der landwirtschaftlichen Praxis angenommen und wieviel landwirtschaftliche Nutzfläche wird dafür verbraucht? Als Bodenbewirtschafter habe ich direkten Einfluss auf die Kompensation von Klimagasen. Alle anderen Berufs- und Personengruppen können ihre Klimaschutzziele nur mit Klimaschutzzertifikaten erreichen. – Wolfgang Behrendt

 


 

 

Leserbriefe zur Infografik „Bleibt der Welthandel offen?“ von Jelka Lerche (Infografik) und Thomas Fischermann (Text)

 

Der bisherige Welthandel funktionierte nur so lange die grossen und starken daran verdienen. Früher Kapitalismus, danach Turbokapitalismus. Schwächelt einer, weil die Eliten zu fett, die wertschaffenden zu arm geworden sind und das grundsätzlich angelegte System nicht mehr wettbewerbsfähig ist, dann kommen Leute in Mode die ein kaputtes System wieder „Great again“ machen wollen. Da man dabei nicht im Sinn hat das eigene, nicht mehr wettbewerbsfähige System zu verbessern sondern es ohne Änderungen möglichst gewinnbringend weiter zu betreiben, bleibt keine andere Möglichkeit als andere zu protektionieren. Löst das einer aus fühlen sich die andern erst einmal gezwungen nachziehen. Besser wäre es das System komplett zu überdenken und neu zu gestalten, aber davon sind wir wohl noch Äonen entfernt. – Willi Krebser

 

Dass die WTO Fischereifangmengen verhandelt ist natürlich quatsch. Seit Doha laufen dort allerdings Verhandlungen zum Abbau von Fischereisubventionen, welche bekannter Weise signifikant zur Überfischung beitragen. Die Fanggrenzen innerhalb der EU werden im Ministerrat verhandelt (wobei dem wissenschaftliche Rat leider viel zu oft nicht gefolgt wird). – Markus Knigge

 

Der Beitrag ist aus sehr typisch deutscher (Exportweltmeister-) Sicht geschrieben – Akzent: ‚Wäre es nicht schön, wenn alles so geblieben wäre, wie in den 1990er Jahren‘. Was der Autor komplett übersehen hat ist (a), dass die Hochzeit, wenn nicht gar die Epoche des Neoliberalismus und der Hyperglobalisierung, bei der der WTO eine zentrale Rolle zukam, vorüber ist; (b) dass die internationalen politischen Spannungen zugenommen haben und Wirtschaftssanktionen und -restriktionen eine große Rolle spielen;

(c) dass die WTO viele staatliche Maßnahmen zur Internalisierung von Umwelt- und Sozialkosten als Handelshemmnisse einstuft, was nationale Nachhaltigkeitsstrategien verkompliziert; (d) dass die Deterritorialisierung von internationalen Lieferketten als Kontrollverlust von weiten Teilen der Bevölkerung wahrgenommen wird und eine Renaissance des Nationalismus erzeugt (Brexit ist nur ein Beispiel); (e) dass sich unter der WTO Ägide China nicht nach westlichen Liberalisierungsdogmen ‚einnorden‘ ließ; (f) dass die Reform des Regelwerks des Weltagrarhandels, der für die meisten Entwicklungsländer sehr wichtig ist, faktisch kaum Fortschritte gemacht hat; und schließlich (g) dass die Länder des globalen Südens, die eigentlich im Zentrum der Doha-Runde der WTO stehen sollten, von den Verhandlungen nicht profitierten und sich die Gruppe der Entwicklungsländer sehr heterogen entwickelt hat, mit stark divergierenden Interessen (insbesondere was die Schwergewichte, wie Brasilien und Indien betrifft).

Mit anderen Worten, das Geflecht von WTO Abkommen und ihre Prämisse der Marktöffnung und Handelsliberalisierung ‚komme was wolle‘ ist schlicht aus der Zeit gefallen. Nostalgie hilft da wenig. Die Dynamik hat und wird sich weiterhin zu Allianzen unter den ‚Willigen‘ und ihrer Entwicklungsinteressen verlagern. Die WTO wird wohl nicht als Organisation verschwinden, aber sie wird inhaltlich und politisch nur ein Schatten ihrer Vergangenheit werden. Zudem gibt es im Rahmen der UN die Welthandelskonferenz (UNCTAD), die, maßgeblich von Entwicklungsländern ins Leben gerufen, schon im Name ihr anderes Herangehen an die Problematik unterstreicht: Handel für Entwicklung. – Dr. habil. Ulrich Hoffmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Nach Deutschland? Nein danke!“ von Jonas Seufert

 

Vielen Dank für obigen Artikel. Ich würde gerne dazu beitragen, dass Herr Tschatschanidze seine Schulden abzahlen kann. Ist Ihnen bekannt, an welche Stelle man etwas einzahlen kann, das Herr Tschatschanidze dann auch bekommt ? – Rita Hager

 

Dieser Artikel hat mich berührt. Meine Großmutter war Georgierin und so spürt unsere Familie oft eine Nähe zu diesem Land, das wir allerdings bisher nicht bereist haben. Wir würden Herrn Tschatschanidze gern die ihm unterschlagenen 2500 Euro zukommen lassen. Können Sie dies für uns übernehmen, wenn wir Ihnen den Betrag überweisen? – Inga & Jochen W. Braun

 


 

 

Leserbriefe zur Statistik „Können Sie sich vorstellen, auf ein eigenes Auto zu verzichten?“

 

in der Statistik auf Seite 36 in Ihrer Ausgabe 2 gehen Sie von falschen Zahlen aus. Sie schreiben, es gebe knapp 60 Millionen Autos in Deutschland. Tatsächlich sind es aber knapp 60 Million Kraftfahrzeuge. Das ist ein Unterschied. Die mehr als 10 Millionen Lkw, Krafträder und was noch unter den Begriff Kraftfahrzeug fällt, haben Sie mit in den Topf geworfen. Merke: Nicht alle Kraftfahrzeuge sind Autos (oder Personenwagen). Davon gibt es rund 48 Millionen. Immer noch viele, aber längst nicht so viele, wie Sie schreiben. – Frank Janssen

 

Die Zurückhaltung der meisten Menschen, ihr Auto aufzugeben, dürfte im hohen „Optionswert“ des flexibel nutzbaren Autos für alle Bewohner außerhalb von Ballungszentren begründet sein. Wichtige berufliche Termine in einem 180 Kilometer entfernten anderen Ort (schlechte Bahnverbindung, Streik der Lokführer etc.), Schiurlaubsreise mit Familie und Gepäck in einen entlegenen Alpenort ohne Bahnanschluss , Einkaufsbedarf und Krankenbesuche etc. gehen sonst für viele schlecht bzw. sehr aufwändig. Ich bin neugierig, wie das mit einem (Batterie-)E-Auto mit ca. 350 Kilometer Reichweite im Winter funktioniert! Vielleicht wäre das Wasserstoff-Brennstoffzellen-E-Auto doch besser? – Prof. Emeritus Dr. Wolfgang Ströbele

 


 

 

Leserbriefe zu „Kein Aktionismus!“ von Harro Albrecht

 

Änderung der Quarantänezeiten. Mit Blick auf die sogenannte kritische Infrastruktur (…und sowieso die Nerven aller Eltern…) muss endlich eine Regelung gefunden werden wie asymptomatische, negativ getestete (nicht selbst erkrankte!) Kinder, die aktuell noch immer in Kontaktquarantäne müssen, in diesem Fall betreut werden sollen. Es muss dringend geprüft werden, ob nicht Geboosterte (Freunde, Großeltern…) bei der Betreuung zu Hause unterstützen dürfen.

Bisher sind Kontakte zu haushaltsfremden Personen nicht gestattet und formal drohen hohe Bußgelder, die Eltern werden kriminalisiert und stecken nach 2 Jahren noch immer in der Zwickmühle. Versuchten sie lange es alleine zu wuppen um Andere nicht zu gefährden, was oft auf Kosten der Kinder geschah, haben sich die Möglichkeiten seit den Impfungen doch sehr geändert und es sollte eine Nutzen-Risiko Abwägung erfolgen, die neben der Arbeitsfähigkeit der Eltern die Kinder in den Blick nimmt. – Dr.med. Imke Decius

 

Der Artikel von Herrn Albrecht spricht ein relevantes Thema an. Es ist sicher sinnvoll, eine durchdachte Entscheidung bzgl. der Quarantäne zu treffen. Das Fazit am Ende jedoch, “ Zeit also.. Daten … zu sammeln,“ wirft für mich die Frage auf, auf welchem Stern der Autor lebt. Das konsequente Nicht-Sammeln von Daten ist doch der aus meiner größte Skandal der deutschen Koronapolitik. Hier würde mich wirklich interessieren, warum weder die Resortforschung (RKI und PEI) noch universtäre Gruppen hier aktiv geworden sind. Nach Herrn Streeck, der leider nur von allen Seiten (auch von den Medien) Prügel bezogen hat, hat sich da keiner mehr vorgetraut. – Frank Scholze

 


 

 

Leserbriefe zu „Dausend Prozent“ von Peter Dausend

 

Der nächste Kolumnist zeigt sein wahres Gesicht. Nach Harald Martenstein, den man wöchentlich mit seinen Jammertiraden über Gendern und POC ertragen muss, weil ihm sonst die Kreativität für neue Ideen fehlt, hat sich nun Peter Dausend überraschend, aber dafür umso schmerzhafter als lustiger Chauvi/Macho entpuppt. Peter Dausend hatte ich als witzigen, sprachlich begabten, unglaublich unterhaltsamen, mitfühlenden Journalist erlebt (ich erinnere mich u.a. auch an den Beitrag zu seiner Herkunft). Die Kolumnen interessant gestaltet, immer mit dem gewissen Etwas. Und Respektvoll. Immer mit Respekt. So schien es mir jedenfalls. Over and out. Sein Artikel über die Inflationsbekämpfungsmaßnahme „Sparen“ ist für mich als weibliche Leserin dermaßen persönlich verletzend und ein Schlag ins Gesicht, dass ich das erst gar nicht fassen konnte. Wir sind keine Weiber, die man konsumieren kann!!!

Wie widerlich das skizzierte Bild hier ist, wie ekelhaft der Witz dahinter, wie hinterhältig der Gedanke, Frauen so wahrzunehmen, das kann ich nur schwer verarbeiten. Hat Herr Dausend nicht auch Töchter? „Birds“, die man beim „lustigen“ um die „Ecke ziehen in Belfast“ kaufen und gebrauchen kann? In eine Reihe stellen mit Alkohol und Autos. Benutzen und drüber lachen. Damit angeben. Wo ist der Witz, wenn Mädchen immer als Objekt gesehen werden und sich das in tausendfachem Leid tagtäglich auf der Straße, in den Häusern, in Unternehmen ausdrückt. Gewalt gegen Frauen, Unterdrückung von Frauen, Missbrauch von Frauen. Ich habe 3 Töchter. Mir reicht es!!!

„Birds better.“ Hahahaha. Ich muss würgen. Immer und immer wieder sind diese kleinen Beiträge ein Zeichen von alltäglicher Diskriminierung und Verachtung von Frauen und Mädchen. Durch Männer, die mediale Reichweite und Macht haben. Ich bin entsetzt, erwarte eine Erklärung für diesen furchtbaren Aussetzer und eine Entschuldigung. Eine schriftliche. Wie können Sie so etwas als Zeitungsredaktion zulassen? Warum hat niemand ein Veto eingelegt? Teilen Sie in der Redaktion diese Art von menschenverachtenden „Humor“ etwa? – Nele Schreiber

 

Recht hat er, der wie immer brillant formulierende Herr Dausend: sparsam zu leben, muss man sich leisten können. Im übrigen finde ich die Frage, ob die Deutschen 2022 sparsamer leben wollen als 2021 eine unverschämte Zumutung für alle diejenigen, die eh schon am oder unter dem Existenzminimum leben. Die müssen natürlich zähneknirschend mit „Nein“ antworten – und sitzen damit mit denjenigen in einem Boot, die ihr Geld fröhlich weiterhin verprassen. – Ludwig Engstler-Barocco

 


 

 

Leserbriefe zu „Das Leben als Floskel“ von Anna Mayr

 

Ich möchte Ihnen nur versichern, dass mit Ihnen alles in Ordnung ist. All das, was Sie aufzählen und dann für sich mit einem; ,, nicht so schlimm“ bewerten, ist tatsächlich nicht schlimm. In Ihrem Alter ist, bis auf schwere Erkrankungen, der Tod eines lieben Menschen oder auch Tieres, tatsächlich nichts wirklich schlimm. Doch in Ihrem Alter sind solch gravierenden Schicksalsschläge nun mal eher selten.

Im Nachhinein staune ich, was ich in Ihrem Alter schlimm fand, um nun, im höheren Alter ( ich bin jetzt 58) zu bemerken, das das alles Bagatellen waren. Mittlerweile habe ich es geschafft, nur im Moment zu leben, denn die ,,Einschläge“, welche mich im letzten Jahrzehnt trafen, waren und sind so heftig, dass ich das gestern und morgen ausblende. Diese Einschläge erleben aber auch die meisten der Menschen in meinem Alter. Die ersten Freunde sind gestorben, die Eltern auch oder müssen mit vollm Einsatz gepflegt werden. Die eigenen Krankheiten werden lebensbedrohlich, der erste Krebs ist besiegt, die ersten Bypässe gelegt. Das Arbeitsleben geht dem Ende entgegen und das Ehrenamt wird zur Mitte des Lebens.

Den Verstand raubt mir die Gewissheit, dass unsere sterbenden Wälder und Arten (ich engagiere mich im hiesigen Park/Landschaftsverein, beim NABU und beim Wolfsmoonitoring) nur der Beginn eines verheerenden Klimawandels sind. Das raubt mir den Schlaf. Das bringt mich um den Verstand. Aber zum Glück scheint auch das noch nicht Ihre Sorge zu sein, denn das könnten Sie nicht mit einem ,,nicht so schlimm“ abwerten. Eine übergekochte Suppe, ein weggegossene Tasse, eine kotzende Katze oder ein abgesagter Termin sind nicht schlimm, nicht einmal ein verlorenes Portemonnai. Schön für Sie, dass Sie das einsehen. – Heike westermann

 

Das beste und unterhaltsamste des Tages! Sozusagen. Danke! – Mirko Strick

 


 

 

Leserbrief zu „Damals in Hamburg“ von Maxim Biller

 

Die Formulierung: „wir hatten kaum Geld, als wir in eine Sechszimmerwohnung in einem großen, majestätischen Jugendstilhaus mitten in Hamburg-Harvestehude einzogen“, ist nicht mehr nur kokett. Sie zeugt von einer ungeheuren Arroganz. Eine Sechszimmerwohnung war auch 1972 eine Sechszimmerwohnung, und Harvestehude war immer schon ein großbürgerliches Villenviertel. In Wirklichkeit geht es Ihnen doch um die Aussage : das war für uns der am niedrigsten vorstellbare Standard. Nachricht ist angekommen. – Albrecht Sohst

 


 

 

Leserbrief zu „Kommt die Welle noch?“ von Harro Albrecht

 

Omikron ist zwar „hochinfektiös“, spielt aber in der gleichen Liga wie zum Beispiel die Influenza, so der Virologe und Epidemiologe Dr. Klaus Stöhr (*1959) heute (5.1.2022) im Münchner Merkur, im Gespräch mit Sebastian Horsch. Dr. Stöhr hat 15 Jahre für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gearbeitet, und ist seit 2018 als freier Berater tätig. Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hingegen malt mit dem Omikronvirus lieber den „Teufel an die Wand“ und verbreitet erneut nur eine totale Panikstimmung.

Wie sagte er kürzlich in BILD-TV, dass es ihm keinerlei Spaß bereite, ständig diese Kontaktbeschränkungen zu erlassen. Irgendwie verschlägt es mir die Sprache und es beschleicht mich da ein komisches, ein sehr mulmiges Gefühl. Was sagte da Dr. Stöhr im obengenannten Interview im Merkur weiter über Markus Söder: „Wer Bekämpfungsalternativen vom Tisch fegte mit der Position, dass jegliche Erkrankungen oder gar Todesfälle durch Infektionen in einer Pandemie moralisch nicht hinnehmbar seien, lebte schon immer in einem anderen Universum.“ – Riggi Schwarz

 


 

 

Leserbrief zu „Corona-Hilfen“ von Jens Tönnesmann

 

Sehr schön, dass ich es aus der ZEIT erfahre: Ich bin ja bestens versorgt worden, über die Krise getragen von einem freundlichen Staat, der schon 2020 Not lindernd eingriff. Damals gab ich in einem Imagefilm auf meiner Website auch die grundsätzliche Bereitschaft zur Rückzahlung der Hilfen im Falle der Übersubventionioerung bekannt. Und alles schien danach gut zu gehen: Aufträge und Ankäufe folgten auf den ersten Lockdown -Schock und ließen das Geschäftsjahr gut ausgehen. Nur setzte sich der Trend bekanntermaßen, durch die Pandemie für mich wie für viele andere Solo-Selbstständige nicht fort. Und nun die Rückzahlung. Die Berechnungshilfe sparte, ganz schlau eingefädelt, den mageren April aus (Berechnung 3 Monate ab Antragsstellung), strafte mich als Zu-Spät-Gekommene und rechnete den Juli ein. Ich konnte dann schon wieder eine Rechnung für den Juni stellen.

Haben Sie unter Solo-Selbstständigen und kleinen UnternehmerInnen wirklich nachgefragt? Vermutlich nein, dennoch wissen Sie ganz genau, dass es wenige echte Corona Härtefälle gab. Ich könnte Ihnen erzählen von Begleitumständen: Der Gefahr, auf Baustellen mit vielen Leuten zu arbeiten und die Toilette teilen zu müssen. Der Wegfall von Auftraggebern, deren Mitarbeiter mit meiner Haltung zu Corona nicht einverstanden sind und mich als „nicht teamfähig“ ausschließen.

Genau das sind nur ein paar Haken und Ösen, über welche die Corona-Fallsrtricke gespannt sind. Und die sehen für jeden Kleinunternehmer etwas anders aus. Die Rückzahlung, fällig entweder in oder kurz nach der Krise, wird Leute scharenweise zum Job-Center treiben. Das ist zu allem Übel auch ein volkswirtschaftliche Schaden. Die Behauptung, es gäbe wenige echte Corona-Härtefälle ist zynisch und insofern rufschädigend, da dies von der uns umgebenden Gesellschaft Gutsituierter als Diskussionsgrundlage benutzt wird, um uns Selbstmitleid und unternehmerische Schwäche ganz pauschal zu unterstellen.

Und nun Aufgaben: Restaurieren Sie einen Innenraum einer Kirche, eine Barockskulptur oder ein Bild. Tragen Sie Verputz und Farbe auf – aber alles ganz virtuell. Helfen Sie der Inhaberin eines kleinen Berliner Modelabels beim Verpacken der Ware, die sie übers Internet, amazon zum Trotz, verkauft hat. Doch damit ist die Unternehmerin viel zu schnell selber fertig. Obwohl sie sehr viel, auch die Coronahilfe, ins Digitale investiert hat. – Simone Schulz

 


 

 

Leserbrief zu „»Ich bin nicht furchtlos«“ von Anna-Kathrin Nezik

 

Wieder ein guter Beitrag zu einem ungewöhnichen Thema, der eine persönliche Erinnerung weckte: Vor wenigen Jahren besuchte ich in Saigon u.a. das „Kriegsmuseum“. Eine Schautafel dort war den westlichen Kriegsreportern gewidmet. Ergebnis: früher oder später bissen sie „in action“ alle ins Gras. Diese Herren hatten hoffentlich keine kleinen Kinder. – Friedrich Schweikert

 


 

 

Leserbriefe zu „Über Machtverhältnisse vor der Restauranttür und die deutsche Freundlichkeit im internationalen Vergleich“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

 

Kennt Herr Martenstein das schöne Sprichwort „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“? Er schildert (oder doch eher erfindet?) einige Beispiele, die belegen sollen, dass Menschen, die Einlasskontrollen im Rahmen der Bekämpfung der Corona Pandemie durchführen (müssen!), meistens unfreundlich seien und Ihre „Macht“ genießen. Das ist diametral entgegengesetzt zu meinen Erfahrungen mit fast ausnahmslos freundlichen KontrolleurInnen. Müssen alte Männer so verbiestert werden wie Herr Martenstein? An die ZEIT meine Bitte: Es ist an der Zeit, die Kolumne von Herrn Martenstein endlich einzustellen. – Dr. Werner Wierich

 

Als ich den Artikel Ihres Journalisten H. Martenstein gelesen habe stieg in mir dir Wut hoch. Nein, ich persönlich kontrolliere nicht an diversen Zugängen den Impfstatus und die ID der Besucher/ Gäste etc. aber habe ich für diese Dienstleister sehr viel mehr Verständnis als für die (wenigen aber sehr Zeitaufwendigen) nörgelnden, beleidigenden, aggressiven auch bedrohenden, schimpfenden Besucher/ Gäste zu denen ich auch Herrn Martenstein zählen möchte. Im Zuge einer Recherche zu diesem Artikel hätte er sich doch ein paar Stunden Zeit nehmen sollen und selbst einmal kontrollieren können, dann wüsste er was dies bedeutet und wie immens Anstrengend und auch belastend diese Tätigkeit ist (vor allem in Deutschland wo alles immer ausdiskutiert werden muss).

Viele kontrollieren nebenher, müssen andere Gäste im Blick haben, aufmerksam UND freundlich sein. Sicherlich ist dies in anderen Länder, vor allem im Urlaub wo jeder sehr viel mehr Zeit und vor allem Anstand mitbringt, besser. Da aber wird sich auch Herr Martenstein, schon aus der Befürchtung heraus einfach abgewiesen zu werden, sehr viel freundlicher verhalten. Ich persönlich halte es wie in dem Sprichwort „…wie man in den Wald hineinruft…“ Ich möchte mich bei allen diesen Menschen bedanken, die jeden Tag all‘ die verschiedenen Auflagen der Politik umsetzen müssen damit wir ein „freies“ Leben genießen können. – Markus Schleu

 

Ich beglückwünsche „Die Zeit“ zu einem solchen Kolumnisten! Er paßt so gar nicht in ein links-intellektuelles Weltbild, das von ihr auszugehen scheint. Er ist im eigentlichen Sinn „unkonventionell“. Seine Vita allein beweist das: zunächst ein linker, ja kommunistisch beeindruckter Student mit allerlei kruden ideologieträchtigen Ansichten, heute ein menschenfreundlicher Skeptiker, der repräsentative Demokratie, soziale Marktwirtschaft und vor allem die Menschenrechte akzeptiert, ja verteidigt.

Er greift Banales wie Absurdes auf und schlägt daraus kabarettistische, intelligente Funken. Das macht er also nicht verkniffen, sondern ficht mit einer eleganten Klinge. Natürlich spricht er mir in vielem aus dem Herzen, läßt mein Herz und Hirn Purzelbäume schlagen. Manchmal aber bin ich nicht mit ihm einverstanden. Das liegt jedoch in der Natur der Sache oder besser seiner Person: Er provoziert, fordert heraus, verstört. Gut so!!! – Wolfgang Philipps

 

Das ist wiedermal eine Glosse, wie die Faust aufs Auge ! Als mein Vater (Einzelhandelskaufmann) 1948 aus der russischen Kriegsgefangenschaft kam,fing er bei der Hamburger Straßenbahn als Schaffner an um seine Familie zu ernähren. Als 10 Jähriger war ich ein bischen maulfaul- Also ermahnte er mich. Ich verkaufe täglich mehrere hundert Fahrscheine und sage immer bitte und danke,das kostet nichts. Daran habe ich mich bis heute gehalten und ein wenig führe ich es darauf zurück , dass ich 30 Jahre lang als Betriebsrat in einer Brauerei immer wieder gewählt wurde. – Uwe R. Westphal

 


 

 

Leserbriefe zu „Meine ganz persönlichen Stars (14) »ASHLEY AND PALOMA«, 2018“ von Cass Bird im ZEIT Magazin

 

Ich halte es nicht aus. Ich bin offen für alle Richtungen/Meinungen. Aber die Arschbacken auf Seite 6 will ich nicht hinnehmen. Sie stehen so sehr im Widerspruch zu ihrem bisherigen hehren Anspruch der „Friedrichbilder“. Wenn ich mich an den Bildern von Cass Bird erfreuen möchte, weiss ich, wo ich sie finden werde, aber ich will sie auf keinem Fall im Zeitmagazin sehen! – Gisela Schütte

 

Das Magazin gibt mir seit Wochen ein Rätsel auf : Welche Intention steht hinter der Veröffentlichung der Photos von Cass Bird : Eine lesbische Photografin bringt bevorzugt Bilder vom weiblichen Mittelabschnitt und anderen eher intimen Zonen. Ist es Kunst, sich auf wenige Objekte zu beschränken, ist es die Weltsicht der Lesben,die es zu verstehen gilt, ist das nicht Sexismus ???, muss der dümmliche,biedere Bürger provoziert werden, ist es der leichte Kitzel für den Hochkultivierten ? Ich würde auf diese Seite gerne verzichten, zumal wenn ich mir vorstelle, was Sie aus diesem Sektor noch alles zur Schau stellen könnten. Noch sind nicht alle Tabus gebrochen!!! Ein Humanist : – P.Grinzinger

 

Cass Birds Foto einfach nur vulgär – gute Freundinnen und „Curve“ hin oder her. ZEIT-gemäß? Das gleiche Motiv dagegen künstlerisch und ästhetisch von Juergen Teller aus dem Jahr 1995. – Dr. Elke Hack

 

Dass die ZEIT immer weiter ins “Unterhaltsame” (Interviews mit Privatpersonen oder mit irgendwelchen “Prominenten” in “Entdecken” und im “Dossier”), ins Seichte (vor allem im “Feuilleton, das auch schon mal anspruchsvoller war) und ins Geschmacklose abrutscht, haben wir dank Dauer-Bombardierung ja inzwischen mitbekommen. Dass uns jetzt aber beinahe ganzseitig zwei dralle, nackte weibliche Ärsche (ich entschuldige mich für die Wortwahl, aber mir fällt keine zutreffendere Bezeichnung ein) vorgesetzt bekommen, ist an Vulgarität kaum zu überbieten. Abgesehen von der Absurdität eines nackten Arsches unter einer gefütterten Windjacke. Soll das vielleicht artistisch oder witzig sein?

Man könnte ein neues Schönheitsideal (nicht dünn, nicht weiss, nicht jung) vielleicht auch mit interessanten Gesichtern und anderen, ausdrucksvolleren Körperteilen verbreiten. Und warum müssen es unbedingt “Models” sein und nicht normale Menschen? Weiter so und ich werde mir nicht mehr di Mühe machen, ins Zentrum von Rom zu fahren, um mir die ZEIT zu holen. – Prof. Michaela Böhmig

 

Nicht nur ich (69 Jahre) war sprachlos, als ich das Foto von Cass Bird S. 8 sah, sondern auch meine Tochter (37 Jahre) und weitere Familienmitglieder, die ich um einen Kommentar bat. Ich versuche meine Sprachlosigkeit dennoch zu überwinden: bodenlos – sexistisch – für ein Magazin mit dem Anspruch auf Niveau (den haben Sie doch, oder?) total daneben! Schlechter als playboy o.ä.! Es ist eine gute Idee, „curve models“ zu fotografieren, aber es ist entwürdigend, sie auf ihren Po in „sexy“ Aufmachung zu reduzieren! – Maria Räder

 


 

 

Leserbriefe zu „»Willkommen im Paradies«“ von Anna Kemper im ZEIT Magazin

 

Mit großer Wertschätzung für Herrn Eduardo und seiner Willkommenspraxis im Impfzentrum möchte ich Ihnen danken für diesen Artikel, weil er einen Menschen mit viel Einfühlungsvermögen in die Sorgen der Mitmenschen ganz „normal“ vorstellt. Wir brauchen in unserer Gesellschaft gerade in dieser Zeit diese aufmunternden Artikel.

Mir ist allerdings aufgefallen, dass Sie im Text einige Male (ich habe es nicht gezählt) von „Berliner Republik“ schreiben. Meines Wissens leben wir in der Bundesrepublik Deutschland, einer parlamentarischen Demokratie. Bitte sind Sie so freundlich und recherchieren noch einmal – gerne können Sie mir antworten – ob der Begriff „Berliner Republik“ eher in die Weimarer Zeit unserer Demokratiebemühungen gehört. Ich bin sehr dankbar für die parlamentarische Demokratie, danke allen Menschen, die sich in unserer Gesellschaft als dialogfähige, informierte, entscheidungsmündige Mitmenschen im politischen Prozess einbringen und handeln. – Ursula Broermann

 

Als ich genau diesen Satz bei meiner Erstimpfung im Mai letzten Jahres hörte, wäre ich fast wieder umgedreht. Er bringt die Überhöhung auf den Punkt, die dem Impfen zuteil wird. Nach dieser Denkweise bringt uns die Impfung Gott ein Stück näher. Es sind die Guten, die ins Paradies kommen (durch die Impfung). Ich finde das sehr unwissenschaftlich, anmaßend und gefährlich. Daher dann auch die große Enttäuschung, als sich die überirdischen Erwartungen nicht erfüllten und man merkte, dass sich auch Geimpfte anstecken können. Aus der Enttäuschung entsteht Wut, die zum Beispiel gegen Ungeimpfte gerichtet wird.

Was ist der Beitrag Ihres Artikels dazu? Ein völlig unreflektiertes Schwelgen in Begriffen wie Held, Engel, Mut und Paradies. Was soll das? Interessant wäre doch gewesen zu erfahren: Was bringt Menschen dazu, ein Impfzentrum mit himmlischer Glückseligkeit gleichzusetzen? Was macht das mit Menschen, die mit Zweifeln zum Impfzentrum gekommen sind? Was macht diese Haltung mit unseren Erwartungen an die Impfung und was passiert, wenn sich das erhoffte Paradies nicht einstellt?

Auch noch ärgerlich: Im Impfzentrum waren so unglaublich viele menschliche Wegweiser angestellt, dass sie sich schon fast auf die Füße traten. Wo sind die ganzen zusätzlichen Helfer an den Schulen, an denen unglaublich viel Aufwand für die Pandemiebekämpfung geleistet werden muss – vom inzwischen täglichen Testen über die Dokumentation bis zum Auffangen von Lernrückständen? Was für ein Impfzentrum total in Ordnung ist (super Service, tolle Stimmung!), ist für Schulen undenkbar (Helfer kosten Geld). Darüber habe ich bisher nicht einen einzigen Artikel gelesen. Es scheint niemandem aufzufallen. Aber Herr Eduardo fällt auf mit seiner Verheißung. Impfen als Religionsersatz. – Imke Winestock

 


 

 

Leserbrief zu „»Seine Ruhe hatte etwas Beschützendes«“ von Barbara Achermann im ZEIT Magazin

 

Vor kurzem erhielt ich hier in der Schweiz auf Umwegen Ihren äusserst lesenswerten Artikel über Remo Largo, den viele junge Schweizer Eltern, aber auch Grosseltern vermissen. Vergebens suchte ich im Artikel eine Spur von Largos zweiter Ehefrau/Partnerin. Das Largo-Haus gleicht ja – zur Zeit des Interviews – einem Geisterhaus. Ich meine, es wohnte da doch noch Largos zweite Partnerin. Können Sie mir Aufschluss geben zu meiner Frage? Wenn nein, so sind diese Zeilen einfach ein Kompliment für Ihre frische Herangehensweise an eine Person, die viel bewirkt hat in der Wahrnehmung der Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen. Eine kurze Antwort würde ich jedoch so oder so schätzen. Besten Dank. – Annemarie Oetiker

 


 

 

Leserbrief zum Wochenmarkt „EINE SUPPE FÜR DIE SELBSTACHTUNG“ von Elisabeth Raether im ZEIT Magazin

 

Ganz und gar nichts spricht gegen Wärmflaschen im ICE. Meine hat mir schon manches Mal das Leben gerettet – sowohl dienstlich, als auch privat. Es ist nur eine Wärmflasche, keine Jogginghose. Trauen Sie sich! – Manuela Boehden