Lesezeichen
‹ Alle Einträge

23. Juni 2022 – Ausgabe 26

 

Leserbriefe zu „Krachendes Ende“ von Hanno Rauterberg

 

Ja, geht’s noch? Antisemitische Tendenzen auf der „Documenta XV“? Melde sich doch bitte, wen das jetzt ernsthaft überrascht. Seit Bekanntgabe der kuratierenden Künstler*innengruppe musste uns allen doch klar sein, was da auf die Kunstwelt zukommen würde. Was sollen jetzt also all diese halbgaren Entschuldigungsfloskeln, diese krampfhaften Zurechtrückungen und schamhaften Halbverhüllungen? Bestand tatsächlich die Hoffnung, der Antisemitismus einzelner Künstler*innen würde in diesen teilweise 20 Jahre alten Wimmelbildern nicht auffallen? Und: Müssen erst Funktionstragende wie Roth und Steinmeier darauf aufmerksam machen? Ich spare mir dieses Jahr den Weg nach Kassel. Trotz des Neun-Euro-Tickets. – Michael Neuner

 

Aha Die Indonesische Künstler Gruppe sieht ihren Beitrag auf der Dokumenta in Kassel als Kultur spezifisch. 87% der Menschen in Indonesia sind Moslems. Die Juedische Religion ist offiziell nicht anerkannt. Und das berechtigt Hass nach Deutschland zu bringen?? Hass gegen unsere juedische n Mitbürger die wir vor 80 Jahren in riesigen Anlagen vergaßt haben??

Babies wurden von den deutschen SS von Schäferhunden bei lebendigem Leib zerfleischt Oder lebendig in Feuer geworfen Den Müttern vom Arm gerissen , in die Luft geworfen und mit dem Bajonett zerstückelt. Und Und Und Ist Deutschland wahnsinnig geworden? Wer macht den Mund auf??? Wo sind die Stimmen gegen den Hass? Wieso sind unsere hochgebildeten Frauen so feige? Und die Männer auch So entsetzlich feige?

PS: Ich habe eine Brief Kampagne angefangen und bitte Freunde und Verwandtschaft und Fremde Protest Briefe zu unterzeichnen. Wir alle können etwas tun Oder wir können einfach schweigen wie die Generation von 1930.

PPS: Die Künstler Gruppe aus Indonesien kann jetzt nicht plötzlich SüßHolz raspeln und glimpflich davon kommen Die Mitglieder der Gruppe wussten ganz genau über das hasserfüllte ‘Kunstwerk’ Bescheid Als Absolventin einer bekannten Kunsthochschule weiß ich, dass ein Künstler der seine Kunst schätzt, jeden Quadratzentimeter eines Bildes kennt In einer Gruppe werden ständig Ideen und Vorstellungen ausgetauscht. Der antisemitische Inhalt war bekannt und kalkuliert. Ich möchte , dass Forderungen gestellt werden ! zB Die Gruppe möchte bitte ihr Land Indonesien auffordern , dass zumindest die juedische Religion dort anerkannt wird.

PPPS: Ich fordere DIE ZEIT auf die Arbeit der Künstler der Dokumenta die ihre Anerkennung und ihr Geld nicht mit Rufmord verdienen ausführlich zu besprechen in der nächsten Ausgabe oder sobald wie möglich. Es interessiert mich. Bitte unter keinen Umständen der Rufmordgruppe mehr Aufmerksamkeit schenken und ihren Namen zu veröffentlichen. In der Kunst ist es sehr viel ertragreicher negative Kritik zu bekommen als ignoriert zu werden. Bitte nicht in diese Falle fallen. – Marianne Werner

 

Ich hätte mir eine ehrliche und menschenfreundliche Diskussion zur Dokumenta gewünscht. Aufgrund der Ereignisse in der Zwischenzeit und zu vieler hasserfüllter Reaktionen, stellt sich mir aber die folgende Frage: Sind wir schon wieder so weit? Anzeichen dafür gibt es bereits länger: Ein SPD-Mitglied und Rundfunkrat beim WDR forderte, dass man Jan Josef Liefers nicht mehr in ARD-Medien auftreten lassen sollte: Liefers Kunst entsprach nicht den politischen Vorstellungen dieses autoritären Zeitgenossen Sein Name ist bekannt aber bedeutungslos. Es traten auch Eiferer auf, die mit abwegiger politischer Begründung verhinderten, dass Schwanensee gespielt werden durfte und die forderten, dass Dostojewskis Werke aus den Bücherregalen zu entfernen seien.

Ihr Name ist bekannt aber bedeutungslos. Kunstferne Menschen brachten es fertig, dass ein Kunstwerk zuerst durch einen schwarzen Vorhang unsichtbar gemacht und dann vollständig entfernt wurde. Ihr Name ist bekannt aber bedeutungslos. Vor noch viel längerer Zeit hat man Kunst willkürlich und primitiv als entartet diskriminiert und entfernt. Namen und Charakter der handelnden Barbaren sind allgemein bekannt aber bis zur Unkenntlichkeit verdreckt. Diese Feinde der Wahrheit und Gegner der Freiheit verbrannten auch massenweise die Bücher ihnen verhasster Autoren. Wann werden auch wir es endgültig wieder zulassen und als „normal“ empfinden, dass Bürokraten uns ihren abartigen Wunsch nach Vernichtung von Kunst aufzwingen?

Die sog. „digitale Bücherverbrennung“ findet ja bereits täglich statt. Anmaßende Zensoren löschen hemmungslos im Netz und in der Kunst herum. Jede Gesellschaft erduldet den Grad der Bevormundung durch kunstferne Eiferer, die sie aufgrund ihres Charakters verdient. Dies dauert an bis zum Erreichen der totalen Ehr- und Würdelosigkeit der Gemeinschaft und bis zum Ersatz wahrer Kunst durch die devoten Ergüsse linientreuer B- und C-Künstler. Die ungeliebten echten Künstler werden dann emigrieren – wie es vielleicht auch die Dokumenta tun sollte.

Es gibt noch konsequent freie Länder, in denen Kunstpharisäer keine Stimme haben und in denen Juden willkommen sind. Beides ist gut und erstrebenswert. Ich hoffe, dass es uns allen gelingt, den Tunnel aus Blindheit und Hasslust rechtzeitig zu verlassen und unsere Zivilisation zu retten. Das erfordert ein erhebliches Maß an Bildung und Herzensbildung. Danke für Ihre Artikel. – Klaus Lachetta

 

Was für ein verstörender Kommentar zur „Antisemita 15“ (Sascha Lobo). Die Freiheit der Kunst schließt natürlich Quertreiber:innen jeder Art ein, aber sie endet bei hundertprozentigem, plumpen Judenhass. Insofern liest sich der Kommentar von Hanno Rauterberg als Antisemitismusakzeptanz par excellence und gehört nicht auf die Titelseite der ZEIT. – Dirk Büchsenschütz

 

Ich kritisiere auch Israels Siedlungspolitik und finde die Boykottbewegung BDS gut und berechtigt, wie viele Menschen, Christen wie Juden auf der ganzen Welt. Deshalb bin ich kein Antisemit. Wie sollen sich die Palästinenser denn noch wehren, sie tun es gewaltfrei (in Israel heißt das aber „gewaltfreier Terrorismus!“), sie wollen, dass die Besatzung beendet wird, sie erkennen das offizielle Staatsgebiet Israel an, im Gegensatz zu israelischen Politikern, die das ganze ursprüngliche Palästina – und mehr – haben wollen. Ich respektiere Juden, vor allem solche, die nicht die Politik des Staates Israel unterstützen (und davon gibt es mehr als genug!), sondern die nach Gerechtigkeit und Wahrheit streben.

Die Documenta-Gruppe hat keine israelischen Künstler eingeladen. Protestiert irgendjemand, wenn keine palästinensischen Künstler eingeladen werden?? Da sieht man doch, dass sich das Verhältnis der beiden Gruppen nie auf Augenhöhe abspielt. Der Riese Israel kann den Palästinensern alles diktieren, die deutschen Politiker schauen weg und geben volle Unterstützung für jeden staatlich genehmigten und militärisch durchgeführten Terror. Da könnte die „Deutsche Staatsräson“ einmal darauf eingehen. Schließlich sind die Palästinenser die Opfer der Opfer des 2. Weltkriegs. Deshalb haben wir auch eine Verantwortung ihnen gegenüber. – Gertrud Reber

 

Es wird wieder einmal mit zwei Maßstäben gemessen. In der österreichischen Tageszeitung, der Standard, vom 15/16. Juni, wird berichtet, dass ein zum Judentum konvertierter deutscher Staatsbürger, Herr Dietrich Düllmann, eine Klage eingebracht habe, dass die „Judensau“ von der Kirche zu Wittenberg entfernt werden sollte. Der Bundesgerichtshof habe diese Klage auf Entfernung des antisemitischen Bildes abgelehnt.

Laut Richter Stefan Seiters läge zwar ein in Stein gemeißelter Antisemitismus vor, es fehle aber an einer gegenwärtigen Rechtsverletzung. Aus dem Urteil wird weiters zitiert: „durch die Umwandlung des Schandmales in ein Mahnmaht wird im Rahmen der notwendigen Gesamtbetrachtung dem Relief der rechtsverletzende Aussagegehalt genommen“. In dieser Ausgabe findet sich auch eine Abbildung der „Judensau“, ein Halbrelief, das nach meinem Empfinden äußerst gehässig ist.

Im Fall des vom indonesischen Kollektives, Taring Padi, fühlte sich die israelische Botschaft in Berlin an „ Propaganda im Göringstil“ erinnert. Der Versuch, das Bild im Internet zu finden, gestaltete sich schwierig, da viele der Bilder offensichtlich nicht mehr geladen werden können. Auf den ladbaren Seiten waren Bilder zu sehen, die teilweise bereits mit schwarzen Bahnen abgedeckt waren, ich konnte die dämonisierenden antisemitischen Darstellungen nicht erkennen. Ich nehme an, dass diese bereits hinter den schwarzen Bahnen verschwunden waren. Betonen möchte ich, dass ich keinen Zweifel hege, dass dies tatsächlich antisemitische Darstellungen waren.

Dennoch finde ich es sehr befremdlich, dass das deutsche Bundesgericht entscheidet, eine antisemitische Darstellung deutscher Provenienz müsse nicht entfernt werden und begründet dies mit dem Hinweis auf die Geschichtlichkeit. Ein Kunstwerk indonesischer Provenienz, ebenfalls mit antisemitischen Darstellungen, wird jedoch entfernt ohne dass ein Gericht darüber entschieden hätte. Im Falle der „Judensau“ gab es keinen Kommentar des Bundespräsidenten, dass „ wer die Schoa nicht anerkennt, wer Israel kritisiert, aber von 6 Millionen ermordeten Juden schweigt, der dürfte nicht ernst genommen werden“. Einen vergleichbaren Kommentar zum Urteil des Bundesgerichtes zur „Judensau“ an der Kirche zu Wittenberg hat es offensichtlich nicht gegeben. – Bernhard Frischhut

 

Meine Frau und ich waren gestern auf der Documenta und zeigten uns über Teile davon enttäuscht, wiesen sie bestenfalls das Niveau einer gymnasialen Oberstufe auf. So gesehen ging der Anspruch jenseits tradierter Pfade einen unbefangenen Blick von uns eher unbekannten und unbeeinflussten Künstlern von der südlichen Erde zu erleben, nicht ganz auf.

Erregt hat mich aber wegen der Geringfügigkeit die Begrifflichkeit eines Antisemitismus-Skandals. Da wurde mal wieder politisch missbräuchlich mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Nachdem ich dem Bundespräsidenten seine Wankelmütigkeit vorgeworfen habe, die Freiheit der Kunst geringer als die Glaubensfreiheit einzuordnen, erhielt ich eine danksagende Antwort des Amtes mit dem Verweis auf seine Rede als Beleg für sein angemessenes Verhalten.

Ärgerlich, weil sehr missbräuchlich ist die jeweilige Spontanität des Zentralrates der Deutschen Juden bei derartigen Anlässen. Es widerspricht der Souveränität des jüdischen Volkes, Kritik an sich oder Kritik an anderen derart kleinkariert und völlig unverhältnismäßig zu äußern. Dass es dem Zentralrat dabei immer wieder gelingt, jenseits des richtigen und notwendigen Verweises auf die deutsche Geschichte den wegen ihrer bekannten fehlenden Souveränität deutschen Politiker eine prosemitische Überreaktion zu entlocken, unterhöhlt Kunstfreiheit. Das ist der wahre Skandal der Documenta. – Jürgen Dressler

 

Die Ausführungen des oben genannten Artikels leiten sich von der Ansicht ab, Kunst sei frei. Bei rationeller Betrachtung ist diese Ansicht nicht zu halten. Selbst unser Grundgesetz sieht die Freiheiten, die diesbezüglich vom Grundgesetz gem. Art.5, Abs.3 (Wissenschaft, Kunst und Lehre) garantiert und geschützt werden sollen, nicht in Zusammenhang mit einem (auch nicht definierten) Kunstbegriff sondern lediglich mit den betreffenden Tätigkeitsfeldern. In Wissenschaft und Lehre hat man dies verstanden und folgerichtig Inhalte und Prinzipien definiert (sh. Umberto Eco/ Beutelsbacher Konsens) um Alchemismus/Schamanismus/Indoktrination etc. zu vermeiden. Eine analoge Vorgehensweise für das Tätigkeitsfeld „Kunst“ steht noch aus.

Man kann unterstellen, dass 1. Kunst, wie auch Wissenschaft und Lehre feste Bestandteile unseres Kulturbegriffes sind. 2. Kultur auf gegenseitigem Vertrauen (d.h. Wahrheitsversprechen) basiert und damit auch verständliche, nachvollziehbare Kommunikationsformen bedingt. 3. die Fähigkeit zur Kommunikation sich auf Bildung (die Summe von Erfahrungen, Kenntnissen etc.) gründet, die im günstigen Falle über Kreativität zu neuen, tieferen, vermittelbaren Erkenntnissen im Rahmen des Kulturverständnisses (gemeinschaftsfördernd) führen. Kreativität, der Motor von Kunst stellt eine geistige Leistung dar, die – wie jede andere Leistung – grundsätzlich messbar ist (kardinal oder ordinal).

Eine ordinale, d.h. vergleichende Wertung kann Kriterien der Kunst im Sinne des Schöpfungsgedanken liefern, wenn a. eine tragfähige Idee vorliegt (Kreativitätsnachweis) b. eine angemessene handwerkliche Umsetzung der Idee erkennbar ist (Verständlichkeitsanforderung, Wahrheitsbezug) c. das Ergebnis (die Schöpfung) losgelöst vom Künstler, ohne umfangreiche Interpretation selbstständig bestehen kann. Aus meiner Sicht erfüllt das im Artikel genannte Gemälde keins der drei Kriterien. Einen detaillierten Nachvollzug bietet die Schrift „Ist Kunst noch Kunst?“ ISBN 978-3-89688-712-2. Frei sind nur die Gedanken. – R. Kaplan

 

Das Kunstwerk prangert gewalttätige ausländische Intervention an. Vermeidet man Antisemitismus, indem man die israelischen Einflüsse bewusst ausblendet oder sie als einzige nicht stereotypisch darstellt? Der orthodoxe Jude mit SS-Runen repräsentiert heuchlerische, opportunistische Akteure und ist, da die wenigsten Juden einen solchen Hut tragen, ganz offensichtlich nicht gegen die jüdische Religion oder deren Anhänger generell gerichtet. – Kathrin Imai

 

Antisemitismus bleibt Antisemitismus, egal, aus welchem Kulturkreis er kommt. Natürlich relativiert es den Antisemitismus nicht, wenn der Antisemit aus einem armen, ehemals vom Kolonialismus ausgebeuteten Land stammt, und macht ihn auch nicht annehmbarer. Ich finde es unangemessen, wenn die Gräuel des Kolonialismus in einem immer häufiger überbetonten Kontext mit dem Antisemitismus gebracht werden. Das empfinde ich auch in diesem Beitrag in der ZEIT so.

Für mich entsteht der Eindruck, dass Antisemitismus so begründbar gemacht wird und von dessen furchtbaren Folgen ablenkt. Da mag ich mich irren. Kolonialismus war verabscheuungswürdig, Postkolonialismus und Antisemitismus sind es heute noch und ich denke, dass man keinem seiner Opfer gerecht wird, wenn man die Grauen gegeneinander „aufwiegt“ oder „vergleicht“, gar zum Ursprung macht.

Ich denke, dass es Frank-Walter Steinmeier in seiner Eröffnungsrede auch darum ging und nicht in erster Linie um Belehrung in postkolonialer Haltung. Hanno Rauterberg irrt, wenn er Steinmeier unterstellt, dieser verlange von den Künstlern aller Welt, sich der deutschen Staatsräson unterzuordnen und damit die „kulturspezifischen“ Vorbehalte der Deutschen zu beherzigen. Kampf und Haltung gegen den Antisemitismus als „kulturspezifische“ Vorbehalte zu bezeichnen, ist schon ein starkes Stück und für mich schwer verdaulich. Gerade „die“ Deutschen haben durch die Nazi-Verbrechen und die Schoah Gründe genug, dem Antisemitismus in diesem Land entschieden entgegenzutreten, denn er lebt auch hier immer wieder auf.

Frank-Walter Steinmeier trennt in seiner Rede, was zu trennen ist und offenbar manchen nicht gelingen will. Antisemitismus ist nicht gleichbedeutend mit der Kritik an dem staatlichen Handeln Israels, oft geht er allerdings damit einher. Kritik an Israels Siedlungspolitik oder am Umgang mit der arabischen Bevölkerung zum Beispiel ist durchaus legitim, rechtfertigt aber niemals irgendeine Form von Antisemitismus. Es mag ja stimmen, dass die Kunstfreiheit auch „politisch-moralische Abstrusitäten“ mit einschließt. Aber Antisemitismus gehört für mich eindeutig nicht zur Kunstfreiheit, ich wollte mir auch keine Werke ansehen, die offen den Kolonialismus „verherrlichen“ oder unreflektiert wiedergeben.

Natürlich soll Kunst auch politisch sein, sie darf provozieren und kann aufrütteln. Dennoch ist auch hier der Grat zwischen „politisch-moralischen Abstrusitäten“ und der Diffamierung anderer und Schüren von Ressentiments schmal. Hanno Rauterberg sieht die alte Idee der Documenta einer alles und alle umfassenden Weltkunstschau als nicht gelungen an, weil sie sich einem kolonialen Denken verdanke, das nicht mehr in die Zeit passe.

Das sehe ich anders. Tiefe Verletzungen können nicht heilen, wenn ihnen immer wieder neue hinzugefügt werden. Erwartungen können nicht erfüllt werden, wenn die Bereitschaft zur Versöhnung fehlt und es an gegenseitigem Respekt mangelt. Der Eklat bei der Documenta kann so auch als Chance angesehen weden und nicht als Ende einer Idee. – Regina Stock

 

Der Vorwurf des Antisemitismus wird leider zunehmend inflationär verwendet, so dass die diesbezügliche Aufklärung mitunter bedenklich entwertet wird. Der ausgemachte Antisemitismus auf der Documenta 15 indes ist ein Skandal mit geradezu unverschämter Ansage. Ja gewiss, die Kunst ist frei. Frei dafür, um Fragen aufzuwerfen, um zum differenzierten Nachdenken anzuregen, um Antworten zu suchen und/oder zur Disposition zu stellen.

Wenn Kunst jedoch, wie nun öffentlichkeitswirksam, stereotyp wie infantil bis zum Erbrechen dargestellt, ausschließlich beleidigen, wüten und hassen will, erfüllt sie nicht nur keinen kulturellen Anspruch; es sind ohne Wenn und Aber strafrechtliche Konsequenzen zu prüfen. So frei sollten und müssen wir als aufgeklärte Gesellschaft sein. – Matthias Bartsch

 

Eine Kuratoren- Gemeinschaft aus Indonesien gestaltet die 15. Documenta in Kassel. Das ist grundsätzlich löblich. Künstlerinnen und Künstlern aus der sogenannten „Dritten Welt“ die Möglichkeit zu bieten ihre künstlerische Weltsicht für die „Erste Welt“ darzustellen. Aber diesem Neuanfang wohnt kein Zauber inne. Lassen sich die Geldgeber und die Politikerinnen wie Claudia Roth das Konzept und die angedachten Aktionen nicht vorab zeigen und erläutern?

Wohl leider nicht. Antisemitische Provokationen getarnt als Kapitalismuskritik ohne Bezug zur Realität in der Welt (Putins Ukraine-Krieg, Umerziehung von muslimischen Uiguren in China) ist nicht mit künstlerischer Freiheit zu rechtfertigen. Sicherlich muss Kunst auch immer darstellend, schreibend, redend und auch mit schockierenden Mitteln den Finger oder gar die ganze Hand in die Wunde legen.

Dann aber auch bei allen Missständen unabhängig von religiösen, rassistischen und anderen Weltanschaulichen Gesichtspunkten. Das vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier für diese Documenta geforderte gar beschworene Diktum als „Zukunftsort einer wirklichen Weltgemeinschaft der Kunst“ ist, mit Verlaub, Unsinn, da utopisch und angesichts des Weltgeschehens (Hungersnöte, Kriege und Flüchtlingsströme ungeahnten Ausmaßes) regelrecht zynisch und meilenweit am Thema vorbei. „Farbenblindheit ist selten; Kunstblindheit die Regel.“ (Arno Schmidt) – Felix Bicker

 

Kunst und Kultur eines Landes sind eng verbunden. Kann ich hier nicht erkennen. Beendet die Dokumenta sofort, und schickt die Aussteller nach Hause. Gebt Ihnen noch 1-2 Mio. Reisegeld . Damit sind sie für Jahre in Ihrem Land abge- sichert. Der Rest des Bugets geht in den Haushalt zurück. Personelle Konsequen- zen hier unabdingbar . Und Kassel hat 5 Jahre Zeit etwas Respektables aus- zuarbeiten. – M.Fetting

 


 

 

Leserbriefe zu „Expecto Patronum!“ von Marvin Ku

 

Im Dossier „Darf man Harry Potter noch mögen“ wird die Position der Kritiker von J.K. Rowling vollkommen undifferenziert dargestellt. Ich bin entsetzt, wie tief die Zeit gesunken ist und die Deutung der angeblichen Transphobie von Rowling für den Artikel einfach so übernimmt. Es gibt nicht nur eine Sicht auf das Thema, und zumindest das hätte in dem Dossier herausgearbeitet werden sollen. – Ute Külper

 

Ok. Verstehe ich das recht? Herr Ku, seit Jahrzehnten ein Fan von Harry Potter( habe ich nie gelesen und hatte auch nie das Bedürfnis danach) ,mag jetzt Harry Potter nicht mehr weil die weltberühmte Autorin Rowling etwas gesagt hat. Sie hat gesagt, dass Menschen die menstruieren, schwanger werden, stillen, Frauen sind. So Seit es Menschen gibt, heißen sie Frauen, femmes, women, senioras, etc.

Dann die Toiletten Frage für transgendered Frauen/Männer Hier ist es eigentlich kein Problem. Würde ich aber als Vater meine Kleine Tochter allein in eine Toilette schicken in die ein Mann geht? Nein Danke Frau Rowling Ich habe mehrere transgendered Bekannte und irgendwie ist es kein Problem. Freuen Sie dich doch einfach weiter am Harry Potter, Herr Ku. Es ist Ihnen gegönnt! – Marianne Werner

 

Mit permanentem Kopfschütteln habe ich den Bericht über Harry Potter, bzw. K. Rowling gelesen! Wie krank ist unsere Gesellschaft geworden! Jede Aussage, jedes Verhalten wird analysiert, interpretiert und wird man(n) oder Frau oder divers in eine Schublade gesteckt. Und dann gibt es kein Entkommen mehr. Rowling hat eine magische Welt erfunden, die auch ein erwachsenes Publikum erreichte. Ihr Erfolg ist einfach überwältigend.

Alle, die sich so aufregen, sollten in ihrer Bibliothek einen genauen Blick werfen: Gibt es da Werke von Michel Foucault? Jean-Paul Sartre? Peter Handke? Es würde hier zu weit führen, um über die Aussagen von diesen Schriftstellern und Philosophen zu berichten…

Rowling hat ein Kosmos der unbegrenzten Phantasie geschaffen, leider sind die Menschen derzeit derart eng in ihrem Denken, derart gehemmt in ihrer Phantasie, derart manipuliert vin dieser Cancel Culture, dass ich sie nur bedauern kann. Und K. Rowling schreibt auch ganz andere Bücher… aber leider ist sie bereits abgestempelt… – Nathalie Meinecke

 

Ein ganzes Dossier in Ihrem Tagespropheten für gefühliges, selbstbezogenes Geschwafel des Auroren – pardon: Autoren? Ich hatte nach der Überschrift einen Artikel erwartet, wie die Muggel-Industrie jedes noch so kleine Detail dieser zaubererhaften Geschichte in goldene Galeonen verwandelt. Stattdessen nur larifari-Kritik an der persönlichen Gendermeinung von Frau Rowling. Das Dossier kann mehr. Her mit dem Flohpulver und ab mit zukünftigen Artikeln dieser Art in den „Entdecken“-Teil. – Jan Jahn

 

Kunst ist ein Spiegel der Zeit und der Gesellschaft in der sie geschaffen wurde. Gott sei Dank, dass Samuel Clemens (alias Mark Twain) oder Margaret Mitchell nicht mehr leben. Sonst wurden sie gezwungen ihre Romanen, die für die Zeit in der sie geschrieben wurden unkritisch akzeptiert waren, zu verteidigen. Man sollte nicht die gegenwärtige politische und kulturelle Gegebenheiten auf die damalige Schaffungen projektzieren.

Das geht für die Kompositionen von russischen Meistern wie Tschaikowsky oder Rachmaninoff genauso wie für Literatur aus einer Zeit, die nicht mit unserer heutigen im Einklang ist. Dass Joanne Rowling über Ihre Aüßerungen bezüglich Transmenschen kritisiert wird und sogar Figuren in ihrem Roman plötzlich als antisemitisch interpretiert werden, spiegelt unsere gegenwärtige Hypersensitivität zu diesen Themen und stigmatisiert, zu Unrecht, den künstlerischen Wert ihres Werkes. – Dr. Diana Sims-Silbermann

 

Zwar bin ich ein paar wenige Jahre älter und war bei Erscheinen des ersten Bandes von Harry Potter fast erwachsen. Gelesen habe ich sie dennoch sehr gerne, direkt auf Englisch und habe es genossen. Mittlerweile bin ich Vater und habe in einer 18-monatigen Reise meinen beiden Söhnen (zehn und elf) alle sieben Bände vorgelesen, das Projekt ist vor wenigen Wochen erst zu Ende gegangen. Wir alle drei haben mitgefiebert, waren gebannt und mit mehr Lebenserfahrung habe ich ganz neue Seiten an dieser Buchserie entdeckt, die Freude war nie getrübt (abgesehen von einigen Schwächen der deutschen Übersetzung).

Das eigenartige melancholische Gefühl beim Beenden der allerletzten Seite ist vor allem auf meiner Seite zu verorten gewesen, da ich natürlich nicht mehr so unbeschwert auf die Welt schaue wie meine Jungs. Mir ist die Transphobiediskussion um Rowling bekannt gewesen, aber ich habe sie komplett ausgeblendet, da sie für mich nebensächlich ist, für mich stehen diese Bücher alleine. Aber ich kann ihr Unbehagen in einem ähnlichen Fall nachvollziehen, den ich mit mir selbst ausmachen musste. Als wütender Jugendlicher hat mich laute, harte Musik geprägt, bis heute berührt die Band Guns ’n Roses mich ganz weit im Inneren.

Damals habe ich die Texte kaum verstehen oder interpretieren können, mit zunehmenden Alter war mein Genuss getrübt als ich gemerkt habe wie bigott, homophob und rassistisch viele ihrer Texte sind. „One in a Million“ als eindeutiges Beispiel: „Immigrants and faggots, they make no sense to me They come to our country and think they’ll do as they please Like start some mini Iran, or spread some fucking disease They talk so many God damn ways, it’s all Greek to me.“ Für mich stellte sich die Frage, wie ich damit umgehen soll, selber habe ich einen „Migrationshintergrund“.

Aber für mein junges Ich war diese Musik so wichtig, dass ich es nicht einfach abstreifen kann, es ist nun mal ein Teil meines Wesens und ich weigere mich, das aufzugeben. Würde ich mir als Jugendlicher begegnen, ich glaube, wir könnten nicht miteinander klarkommen, aber dieser Jugendliche hat mich zu dem gemacht, der ich bin. Also werden die CDs nicht verbrannt, die MP3s werden nicht gelöscht, mein Geld hat die Band eh schon bekommen, es wäre eine reine Symbolhandlung. Die Lieder höre ich weiterhin und lächle dabei, ohne Reue. – Christian Faulhammer

 

Wir haben wichtigere Themen und Probleme, als das 25-jährige Jubiläum des Erscheinens von „Harry Potter“, dem DIE ZEIT drei Seiten des Dossiers widmet. Wie wäre es mit fundiert recherchierten und faktenbasierten Artikeln über die drohende Hungerkrise, das Säbelrasseln von Erdogan gegenüber seinem NATO-Partner Griechenland, die Machtverschiebung im pazifischen Raum, die Wege aus der Energie- und der Klimakrise, die zahlreichen aktuellen aber vergessenen Kriege, den Zustand unserer Schulen und der Bundeswehr oder die misslungene Integration der in den letzten Jahren nach Deutschland Geflüchteten. – Karl Spachmann

 

Es ist wieder so weit: Bücherverbrennungen haben in unserem Land eine gewisse Tradition, die eine laute Minderheit wiederbelebt. Missliebige Autoren sollen ausgeschlossen, dürfen niedergeschriehen werden. Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, solang sie der eigenen entspricht. Dies Alles geschieht natürlich im Sinne des „Guten“. – Dirk Hoppe

 

Ich habe in der Zeit Ausgabe den Artikel zu Harry Potter und J.K. Rowling gelesen. Zustimmend kann ich sagen, dass die politischen Einstellungen der Autorin in keiner Weise die Geschichte von Harry Potter und dessen Wirkung, die diese Geschichte auf einen hatte verändern sollte.

Jedoch sollte man beim Kauf von Harry Potter Artikeln, oder beim Kino Besuch eines Filmes, daran denken, dass Frau Rowling mit ihrem Geld unter anderem Parteien unterstützt, die gegen Transmenschen und deren Rechte und Gleichberechtigung sind. Gerne kann weiterhin Harry Potter gelesen werden, aber beispielsweise beim Kauf für die Nichte oder den Neffen, könnte man vielleicht auf gebrauchte second hand Bücher zurück greifen, statt eine Frau zu finanzieren, die mit ihrem Geld transphobe und homophobe Parteien und Petitionen unterstützt. – Nina Noker

 

Den Artikel habe ich sehr gerne gelesen. Und tatsächlich kann ich mich genau erinnern wann, wo und in welcher Situation ich die erste Zeile eines Harry-Potter-Buches gelesen habe. Das gelingt mir selten bei anderen Büchern. Harry Potter ist etwas besonderes. Ich war 35 Jahre alt und beobachtete damals den ganzen Hype zunächst sehr distanziert und konnte mir nicht vorstellen, dass ich mich damit beschäftigen werde. Im Spiegel las ich einen Artikel darüber und ich fand es bekloppt. Dann war ich im Dezember 2000 bei einer befreundeten Nachbarin auf einer Party eingeladen. Dort lag Harry Potter Band 4 herum.

Ich nahm den Band suchte mir eine stille Ecke und fing an zu lesen. Ich habe das erste Kapitel gelesen, das wie eine kleine rätselhafte, sehr spannende Kurzgeschichte aufgebaut war. Ich war gepackt und wünschte mir alle vier Bände zu Weihnachten. Ich habe die vier Bücher in wenigen Tagen gelesen. Dann nochmal bevor ich den fünften Band anfing. Das erste Kapitel des fünften Bandes war damals in einer Obdachlosenzeitung, der BoDo, als Vorabdruck erschienen. J. K. Rowling hatte das erlaubt. Zugegeben, es ist das einzige Mal gewesen, dass ich eine BoDo gekauft habe. Die BoDo hat den Obdachlosen damals viel Geld gebracht. Ich halte J. K. Rowling bis heute für eine gute, soziale Person und eine gute Autorin.

Warum auch nicht? „Zieh an, was du möchtest. Nenn dich, wie auch immer du willst. (…) Aber Frauen aus ihren Jobs drängen, nur weil sie sagen, das biologische Geschlecht sei real?“ (J. K. Rowling) Was soll daran falsch sein? Es ist aus meiner Sicht ein Statement zu Toleranz und Gerechtigkeit. Die biologischen Geschlechter sind tatsächlich real. Die biologische Klasse Mammalia, zu denen der Mensch gehört, sind zweigeschlechtlich. Anders ausgedrückt sagt J. K. Rowling doch Folgendes:

Sei was Du sein möchtest, aber nutze Deine Stärken nicht, um andere zu benachteiligen. Menschen dürfen wegen der Äußerung von wissenschaftlichen Fakten nicht benachteiligt werden. Ich will das an einem plakativen Beispiel deutlich machen. Nehmen wir an, jeder Mensch könnte sich sein Geschlecht tatsächlich frei wählen. Nun beschließen die Klitschko-Brüder bei der Frauen-Box-Weltmeisterschaft teilzunehmen. Regina Halmich hätte keine Chance mehr. Es wären eben die biologischen Männer, die alles gewinnen. Biologische Frauen wären chancenlos. Niemand kann das Geschlecht frei wählen.

Das ist eine Tatsache. Oft wird mir gesagt: „Es gibt Männer, die wie Frauen fühlen und sie haben ein Recht darauf.“ Wenn ich aber frage, wie eine Frau fühlt, bekomme ich von niemandem(!) eine allgemeingültige Antwort. Wie fühlt eine typische Frau? Ich bin ein Mann, aber ich würde mir nie anmaßen für andere Männer zu sprechen und zu sagen wie ein typischer Mann fühlt. Wie fühlt ein typischer Mann? Kann man das tatsächlich an Kleidungsstereotypen festmachen. Aber es geht ja weiter: Wenn sich jemand ein gesundes Bein abnehmen lassen will (war vor kurzem ein Artikel in der ZEIT), weil er das Gefühl hat, dass es nicht zu ihm gehört, dann weigern sich die Ärzte ihn zu operieren.

Aber sich das Geschlechtsteil abnehmen zu lassen ist etwas anderes. Warum? „Transfrauen sind Frauen. Jede gegensätzliche Meinung löscht die Identität und Würde von Transmenschen aus.“ (Daniel Radcliffe) Dieses Statement dagegen ist voller Intoleranz und er spricht anderen das Recht auf eine gegensätzliche Meinung ab. Ich meine, Transfrauen sind eben keine Frauen. Meinetwegen glauben sie keine Männer zu sein, aber im anderen Geschlecht ankommen, das können sie auch nicht. Ich denke, das Frauen das Recht haben zu sagen, dass sie auf Toiletten unter sich bleiben wollen. Und das ist keine Diskriminierung oder Beleidigung.

Auch wenn ein Richter das anders sieht, was heißt das schon? In den USA demonstrieren gerade in diesen Tagen Frauen für ein Recht auf körperliche Selbstbestimmung und ein Recht auf Abtreibung. Ein Gericht hat die Rechte von Frauen um fünfzig Jahre zurück geworfen. Wenn die Gerichtsentscheidung gegen J. K. Rowling ein Beleg für ihren Irrtum ist, dann muss das auch für das andere Urteil gelten und die demonstrierenden Frauen sind alle im Unrecht. Die Frauen demonstrieren für ein Recht, das eine Transfrau nicht benötigt. Transfrauen sind eben keine Frauen. Anders als Daniel Radcliffe bin ich der Meinung, dass gegensätzliche Meinungen in sehr weiten Grenzen zugelassen werden müssen.

Die Identität und Würde von Transfrauen und -männern wird nicht ausgelöscht. Identität ist etwas, dass, wenn man es genau nimmt, gar nicht existiert. Würde hat ein Mensch, indem dieser frei leben kann. Es hat ein Mann das Recht eine Männertoilette zu benutzen ohne dumm angemacht zu werden, selbst wenn der Mann sich in – aus seiner Sicht typischer Frauenkleidung – präsentiert. Es hat eine Frau aber auch das Recht einen Mann auf die Herrentoilette zu schicken, wenn sie sich in seiner Gegenwart unwohl fühlt.

Das Thema ist hochkompliziert und vielschichtig, aber nicht nur deshalb sollte jeder Mensch ohne Angst und Repressionsdruck frei sprechen dürfen. Das sollte grundsätzlich so sein. Tolerant ist ein Mensch gerade dann, wenn dieser grundsätzlich auch die anderen Meinungen akzeptiert. Transfrauen und Transmänner haben das Recht akzeptiert zu werden, ohne dass sie sich rechtfertigen müssen. Frauen und Männer haben diese Rechte aber auch. Sie persönlich sollten meiner Meinung nach kein Problem mit J. K. Rowling haben.

Was sie heute mit und aus ihren Schöpfungen macht, ist ihre Sache und gut finden müssen Sie das wieder ja nicht. Jetzt haben Sie keinen Spaß mehr an Harry Potter, na und. Mir geht es so mit Star Trek. Ich habe eine lange Zeit alles gesehen, heute finde ich es langweilig. Man entwickelt sich eben weiter und verändert sich. Das geht fast acht Milliarden Identitäten auch so. – Christian Fahn

 

Ich habe die Kritik an Rowling zugegebenermaßen noch nie verstanden. Gerade, dass J.K.R. in ihren Büchern starke Klischees bedient kann weiter von der Realität nicht entfernt sein. Wer kennt sie denn nicht? Den schlanken Hagrid, den schwarzen Voldemort, den jüdischen Grindelwald, die immer männlichen Hauptcharaktere, die alles zum Guten wenden (Hermine, McGonagall etc. sind scheinbar nicht existent). Darüber hinaus hat sich Frau Rowling, wie auch schon im sehr guten Artikel eures Autoren Marvin Ku erwähnt, stets für Minderheiten eingesetzt. Die Kritik an ihr lässt sich für mich nur dadurch erklären, dass Menschen sich scheinbar über etwas aufregen wollen und es ihnen dabei egal ist, wie sinnlos selbiges ist.

P.S. Im Artikel gibt es eine minimale Ungenauigkeit: Dort steht, dass Johanne Rowling nach der Veröffentlichung des letzten Buches über Dumbledore sagte, er sei homosexuell. An sich ist das zwar richtig, der Kontext suggeriert jedoch, dass dies geschah, um den Shitstorm zu ,,beruhigen“. Tatsächlich war dies aber eine Fan Theorie, die schon lange vor besagtem Shitstorm von ihr bestätigt wurde. – Sylvan Slansky

 

Danke für Ihr Plädoyer, einen Klassiker n i c h t zu “modernisieren”! Ich habe “Harry Potter” nicht gelesen, bin also kein Fan von Joanne Rowling. Dennoch erzürnt mich schon die Frage “Darf man Harry Potter noch mögen?” Ich habe nichts gegen LSBTQ-Leute, aber wenn sie ihre Interessen zum Maßstab aller Dinge machen wollen, sollte man gar nicht erst hinhören (gilt auch für alle “politisch Korrekten”).

Was immer Autoren außerhalb der Buchdeckel sagen und tun, hat mit der Qualität ihrer Werke nichts zu tun. Gesualdo da Venosa brachte aus Eifersucht seine Frau um. Darf ich dehalb seine geniale Musik nicht lieben? Shakespeare war ein Propagandist des Hauses Tudor und machte aus Richard III. einen Schuft, der er nie war. Übler Rufmord! Und Shylock ist eine antisemitische Figur. – Darf man darum heute nicht mehr Hamlet spielen?

Ach Leute, bleibt doch auf dem Teppich! Was soll der Furor, der sich nun offenbar gegen J.R. richtet? Wenn Bücher gut sind, sind sie gut. Die darf man lesen und lieben. Wer zwischen Autor und Werk nicht unterscheiden kann, sollte das Lesen lassen. Ihnen dies zu schreiben, heißt gewiss Eulen nach Athen tragen. Es ist ein spontaner Ausbruch eines ständig wieder neu angefachten Ärgers. Von den Heiligen Drei Königen darf nun keiner mehr schwarz sein! Dabei war das am 6. Januar ja immer die begehrsteste Rolle… Bitte, lieber Herr Ku, stehen Sie weiterhin zu Ihren ureigenen Erfahrungen! – Thelma von Freymann

 


 

 

Leserbriefe zu „Sollen Ärzte beim Sterben helfen?“ Streit von Michael de Ridder und Kirsten Kappert-Gonther

 

Die Frage Sterbehilfe J/ N ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits würde „man“ (das Gesetz) diese als Mord „werten“. Darauf steht – nicht umsonst – lebenslange Haftstrafe! Anderseits muss man die (DANN für Patienten) aktuelle Situation berücksichtigen: Gibt es („therapeutische“) Fortschritte? Besteht (für den Patienten) eine reelle Chance der Linderung oder Heilung der Beschwerden (wegen welcher er eingeliefert wurde), bzw. die (bisherige) Lebensqualität aufrechtzuerhalten oder zu heben?

Vor allem sollte man sich selbst (selbstkritisch) fragen: Wenn ICH an ihrer/ seiner Stelle wäre, was würde ICH mir (an Umgang mit der Situation) von meinen Menschen (Eltern, Geschwister oder der DIREKTE Lebens-Partner) wünschen? Bei kompletter „Ausschöpfung“ aller erdenklichen Möglichkeiten (Therapien) und das Erreichen der Erkenntnis, dass ein Weiterleben (für den Patienten) mit mehr Qual als mit Qualität verbunden wäre, würde ich auch nicht gerne dahin vegetieren wollen ohne echte Teilhabe am Leben um mich („herum“).

Ich würde in einem solchen Fall (egal, wie schwer es mir fiele) ihn/ sie ziehen lassen und in liebevoller Erinnerung behalten! Dann würde ich es mit dem kolumbianischen Literaten Gabriel Garcia Marquez (1927 – 2014) halten: Weine nicht, weil es vorbei ist, sondern lächele, weil es so schön war! – Saskia Schneider

 

Was für eine Hybris. Politiker entscheiden darüber, wer sich vom Leben verabschieden darf und wer nicht. Jedem Haustier ermöglicht man einen würdigen Tod, wenn Leben nur noch Leiden ist. Der Mensch hingegen soll erst ein Prüfverfahren durchlaufen, bevor er erlöst wird – oder auch nicht. Durchgefallen muss es dann heißen.

Im Jahr 2020 haben sich in Deutschland nach den offiziellen Zahlen 9206 Menschen das Leben genommen, wobei die Dunkelziffer noch höher sein dürfte. Auf welche Weise haben sie das getan? Auf die sogenannte harte Art, also durch Aufhängen, Vergiften, Pulsadern aufschneiden, vor den Zug werfen, in den Gegenverkehr fahren, und so weiter. Was das für die Angehörigen und unbeteiligte Dritte (Zugführer, Rettungsdienste) bedeutet, kann sich ein jeder ausmalen.

Wäre den Politikern unser Leben wirklich und ehrlich wichtig, könnten sie mit einem simplen Tempolimit auf unseren Straßen viele Menschenleben retten. Aber da müsste man sich ja mit der mächtigen Autolobby anlegen. Mit schwerkranken Menschen hat man es da natürlich leichter.

P.S.: Auch hier sollte man sich die Frage Cui bono stellen. Nachvollziehbar ist, dass der Freitod eines Patienten von Ärzten im allgemeinen und von Frau Kappert-Gonther als Fachärztin für Psychiatrie im besonderen als Niederlage empfunden wird. Problematisch erscheint mir deshalb, dass sie als Abgeordnete wegen ihrer besonderen beruflichen Prägung das Gesetzgebungsverfahren an entscheidender Stelle mit gestaltet. Von Lobbyarbeit will ich aber nicht sprechen. – Wolfgang Felbinger

 

Rede- Gegenrede. Danke. Ohne dieses Prinzip geht es nicht in einer Demokratie. Hier ist die Sterbehilfe fest verankert und wird munter durchgeführt. Auch ohne Nachfrage wird das Angebot zur Sterbehilfe Menschen in der Palliativ Station schmackhaft gemacht. Eine sehr gute Betreuung von alten Menschen ist leider nicht so leicht zu erhalten. Wenn sich jemand dagegen entschieden gegen Sterbehilfe ausspricht, dann wird er auf manchen Palliative Stationen auch gut versorgt . Diese Erfahrung habe ich mit einer Freundin gemacht, die einen Monat lang in einem Palliativ Home war und nach 4 Wochen friedlich gestorben ist. – Marianne Werner

 

Sollen Ärzte beim Sterben helfen? Ja !!! (schwerbehinderter Schmerzpatient, 68 J.:) – Klaus Busch

 

Es ist schon erstaunlich, über wie wenig Sachkenntnis man in Sachen Suizidhilfe verfügen muss, um als Bundestagsabgeordnete, noch dazu Psychiaterin, einen Gesetzesentwurf dazu einzubringen. Da wird etwa alarmistisch von einem Anstieg der Suizidhilfe in der Schweiz gesprochen, wo doch ein kurzer Blick in die Sterbestatistik aufgezeigt hätte, dass es in 40 Jahren Freitodhilfe tatsächlich einen Anstieg gegeben hat, nämlich von 0,8 % auf 2,8 % aller jährlichen Sterbefälle.

Dann werden unter „Suizidalität“ undifferenziert die unterschiedlichsten Suizidfälle subsummiert; es wird z.B. nicht unterschieden zwischen dem Schwerstkranken, der sein unerträgliches Leiden verkürzen möchte, und dem Menschen, der, körperlich gesund, aus einer tragischen Lebenssituation oder aus einer psychischen Störung heraus sein Leben beenden will. Ohnehin stehen anscheinend alle Sterbewilligen unter dem Generalverdacht psychischer Erkrankung. E

s hätte der Fachfrau gut getan, sich in der Schweiz oder den Niederlanden gründlich umzusehen und die dortigen jahrzehntelangen Erfahrungen sorgfältig in die Gesetzesvorlage einzubeziehen. Positiv ist der Vorschlag eines Beratungsgesprächs zum Thema Palliativmedizin zu sehen, der in der Schweiz bei den einschlägigen Gesprächen mit Sterbewilligen zum Standard gehört. Zu befürchten ist bei einer Gesetzgebung, dass die grundliberale Haltung des Bundesverfassungsgerichts durch extrem bürokratische Vorgaben zurückbuchstabiert wird. Staatsgläubikeit statt Bürgerfreiheit ist zu befürchten. Eigenverantwortlich in den Tod gehen wird dann wohl weiterhin heissen „In die Schweiz reisen“. – WALTER FESENBECKH

 

Sollen Ärzte beim Sterben helfen? Diese elende Diskussion ohne klare Aussagen. Diese Gewackel zwischen JA und NEIN. Das wird dann immer JEIN. Ärtze sollen Helfen gut zu leben so lange es geht.Und wenn es aus ist,dann Schluss.Auch wenn ein Patient wünscht zu sterben ,sollen sie ihm helfen.Nach eingehender Befragung,warum und wieso. – Hans-Emil Schuster

 

„Denn wer kennt seine Patienten und seine Krankengeschichte, dessen Werte und Überzeugungen besser als sein Arzt? Er ist es doch, der ihn über Jahre begleitet und damit entscheiden kann, ob ein Sterbewille nachvollziehbar und stabil ist. So etwas vermag kein Psychiater zu leisten, der mit dem Patienten eine Stunde lang spricht.“ Für mich als alten Hausarzt die Kernbotschaft des Streitgesprächs! In die über Jahre gewachsene, oft von unerschütterlichem Vertrauen geprägte intime Beziehung zwischen Patient und seinem Hausarzt sollte sich kein Jurist, kein noch so wohlmeinender Gesetzestexter, Bürokrat oder Facharzt hineindrängeln!

Nur die beiden, Patient und Hausarzt, sollten miteinander ausfechten und dann entscheiden, wie und wann ein unerträglicher Leidensweg beendet wird! Gibt es eigentlich einen qualitativen Unterschied zwischen Tabletten nehmen oder aber Medikamente verweigern? Eine 90-jährige, lebenssatte Patientin, deren Faß chronischer Leiden und immer wieder aufflackernder akuter Erkrankungen aus dem unerschöpflichen Reservoir der Humanpathologie längst übergelaufen war, beschloß eines Tages bei klarem Verstand, im Bett zu bleiben, ihre Medikamente abzusetzen, nicht mehr zu essen und zu trinken.

Die im gleichen Haus wohnende Tochter und ihr Schwiegersohn und ich waren einverstanden, schweren Herzens zwar, denn sie war eine liebe, bescheidene Frau. Als sie Durst empfand, bot ihr das ambulante Pflegeteam subkutane Infusionen mit physiologischer Kochsalzlösung an, denen sie zustimmte. Nach wenigen Tagen schlief sie friedlich ein, so, wie sich das jeder Mensch, jeder Hausarzt jedem seiner Patienten wünscht!

Ich habe auch schon das Gegenteil erlebt: ein schon für jeden Außenstehenden sichtbar gezeichneter, todkranker Patient hing so sehr an seinem seidenen Lebensfädchen, daß er bis zum bitteren Ende auf seinen Medikamenten und Infusionen bestand. Auch das müssen Angehörige, Pflege-, evtl. Palliativteam und Hausarzt aushalten! Auch hier verzichten sie gerne auf wohlmeinende Ratschläge von außen! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Als selbst von diesem Thema Betroffene muss ich jetzt etwas dazu sagen, vor allem, weil mich die Haltung von Frau Kappert-Gonther so erbost. Ich bin nach 45 Jahren als Krankenschwester (überwiegend auf einer neurologischen Station mit Patienten auch aus anderen Fachrichtungen sowie einer palliativen Zusatzausbildung) nun Rentnerin und wurde von meiner Mutter beauftragt, ihren assistierten Suizid zu organisieren .

Da es zum Glück z.Zt. nur das Urteil des BVG gibt, war es komplikationslos möglich- niemand versuchte, das Procedere zu sabotieren, alle Beteiligten waren kooperativ, auch wenn die eine oder andere Person immer mal wieder versuchte, es meiner Mutter auszureden. So durfte sie selbstbestimmt in Anwesenheit der Familienmitglieder, die das begleiten wollten, ihrem Leben nach langem, schweren Leiden ein Ende setzen.

Deshalb macht mich die Attitüde all der Bundestagsabgeordneten, die alle verschieden schlechte Gesetzentwürfe eingebracht haben, so wütend. Es ist die selbe Haltung, die auch Frauen im Abtreibungsfall zu erniedrigenden Beratungen zwingen, die das Leiden mit ihren unsäglichen Fristen noch verlängern.

Was haben diese „Volksvertreter“ an dem BVG-Urteil denn nicht verstanden? Es geht um Selbstbestimmung, die keiner Rechtfertigung vor wem auch immer verlangt. Die Befindlichkeiten der verschiedenen Fachleute sind rein persönlich, die Fachkompetenz wird vorgeschoben um darüber hinwegzutäuschen, dass es keine guten Gründe gibt, mit so schlechten Gesetzen in das Selbstbestimmungsrecht einzugreifen.

Kein Arzt wird gezwungen, gegen seine persönlichen Überzeugungen Menschen die todbringenden Medikamente zu verschreiben ( viele schrecken auch nur wg.d. BTMG davor zurück). Kein Mensch wird genötigt, diesen Schritt zu gehen. Frau K.-G. spricht von einer „Pause“ für die unerträgliche Lebenssituation. Was für ein Quatsch! Die Menschen mit unerträglichen Lebenssituationen haben in der Regel keinerlei Hoffnung mehr auf Besserung, nach einer „Pause“- wie soll die aussehen-künstliches Koma?- ginge es ja weiter wie zuvor. Diese Menschen haben nur noch das Ende des Leidens im Ende des Lebens, und das will Fr.K.-G. ihnen verlängern.

Das jeder Suizidwunsch als eine zwangsbehandlungswürdige psychische Erkrankung gedeutet wird, ist eine Unverschämtheit. Auch psychisch Kranke haben gesunde Phasen, wenn sie sich in diesen überlegen, dass sie nach einem halben Leben Drehtürpsychiatrie, in der eine normale Lebensplanung nicht gelingen kann, Medikamentennebenwirkungen ,Stigmatisierungen und Rückschlägen (ja ,alles gesellschaftliche Probleme die wir so bald nicht bewältigen werden) ihren Leiden ein Ende zu setzen, so darf eine Psychiater:in das nicht als Versagen ihrer Fachkompetenz (gekränkte Eitelkeit?) verstehen sondern als persönliche und zu akzeptierende Entscheidung der PatientInnen.

Die Zahl der harten Suizide ginge nicht zurück, behauptet Fr.K.-G. Woher weiß sie das? Und wenn diese Zahl stagniert, dann doch wohl eher wg. der nach wie vor fehlenden Möglichkeiten , sanft, einfach und kostengünstig aus dem Leben zu gehen. Ich könnte ihnen noch viel mehr zu dem Thema schreiben, aber das sprengt ja jetzt schon den Rahmen eines Leserbriefes, deshalb ende ich jetzt. PS : alles, was Herr de Ridder bisher in der ZEIT geäußert hat, unterschreibe ich! – Marion Grünau

 

Ich arbeite seit neun Jahren hauptberuflich in einem Team der Spezialisierten Ambulanten Palliativ Versorgung (SAPV). In einem hohen Prozentsatz gelingt es uns Palliativ-Care-Teams und anderen Begleitern der Sterbenden und deren Zugehörigen, eine für diese Betroffenen akzeptable Situation mit ausreichender Lebensqualität zu schaffen. Dies ist möglich, wenn man das Gegenüber als Individuum und in seiner Selbstbestimmung ernst nimmt. Menschen leiden, haben Schmerzen, Atemnot, Ängste, aber auch Hoffnungen, manchmal auch auf einen baldigen Tod. Schwerkranke Menschen brauchen gute Zuhörer und keine Lehrmeister, brauchen Begleiter, die versuchen sich einem Leid anzunähern, verstehen werden wir es nie, bis es uns selbst trifft.

Das höchstrichterliche Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom März 2017, dass zum Zwecke der Selbsttötung in extremen Ausnahmefällen die Herausgabe eines Betäubungsmittels nicht verwehrt werden darf, wurde nie befolgt. Hunderte Anträge von Schwerstkranken und Sterbenden wurden nicht bearbeitet, aber in vielen Fällen immer wieder Befunde und Gutachten zur angeblichen Bearbeitung nachgefordert. So darf man mit den Betroffenen nicht umgehen, Stichwort Menschenwürde.

Freilich stand diesem Urteil der 2015 verabschiedete Paragraph 217 „das Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ diametral entgegen. Jetzt wird auf die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020 gewartet, in dem der Paragraph 217 als verfassungswidrig eingestuft wurde. Die Beihilfe zum Suizid soll endlich geregelt werden.

Leider argumentieren Politiker, wie das Streitgespräch in der Zeit Nr. 26 zeigt, nicht ausreichend informiert. So kommt es in den Beneluxstaaten nicht zu einer Zunahme der begleiteten Suizide (Tatherrschaft beim Patienten), sondern der Tötungen auf Verlangen (Tatherrschaft zum Beispiel beim Arzt). Die Sterbehilfekategorien werden immer noch durcheinander geworfen, was eine sachliche Diskussion erschwert. Der Gesetzgeber muss die Suizidbeihilfe bei Schwerstkranken und Sterbenden getrennt von gewünschter Selbsttötung aus anderen Motiven betrachten. Sterbewillige Palliativpatienten haben keine Zeit psychologische Gutachten und Gegengutachten abzuwarten.

Ein Beispiel könnte Oregon sein, wo die Suizidbeihilfe seit 1997 geregelt ist. Dort hat sich der vielbeschworene Dammbruch nicht ereignet, 0,2 % der Todesfälle sind begleitete Selbsttötungen, im Vergleich dazu waren 2019 über 4,2 % aller Todesfälle in den Niederlanden Tötungen auf Verlangen. Natürlich sollen Suizide bei Palliativpatienten Ausnahme und nicht Normalität sein, dafür setzen sich alle in diesem Bereich Tätigen ein. Die beste Suizidprävention bei Sterbenden ist eine gute Palliativversorgung und wir können froh sein, dass diese in Deutschland von alle Seiten unterstützt und gefördert wird.

Trotz aller Bemühungen mit hospizlicher, psychosozialer und spiritueller Unterstützung sowie guter Symptomkontrolle wird es Menschen geben, die ihre Leiden nicht mehr aushalten und wohlüberlegt einen begleiteten Suizid in Anspruch nehmen wollen, den sie als einen würdevollen Tod empfinden. Das müssen wir als letzten Akt der Selbstbestimmung akzeptieren und in diesem Sinne regeln. – Dr. Karlheinz von Jan

 

Der Sinn des Lebens muss im Erfüllen des folgenden Auftrags gesehen werden: Wir sind nur Gast auf diesem schönen Planeten und dürfen diesen Aufenthalt geniessen. Als Gegenleistung für dieses Privileg sind wir allerdings auch verpflichtet, diesen Planeten unseren Nachkommen unversehrt zu überlassen.

Ärztin Kirsten Kappert-Gonther sieht es als ihre «Aufgabe als Ärztin, Hilfen zum Leben zu geben, Leid zu lindern und Menschen in schwerster Not beizustehen.» Eine wichtige Aufgabe, vergleichbar mit der eines Reiseleiters? Nun ist das Leben nicht vollständig vergleichbar mit einem Urlaubsbesuch. Nach dessen Ende geht schliesslich das Leben weiter.

Ein Reiseleiter, der einem Urlauber hilft, einen für diesen unerträglichen Besuch an einem Urlaubsort abzubrechen, ist also nicht unbedingt vergleichbar mit einem Arzt, der einem Patienten in einer für diesen unerträglichen Situation hilft, diese zu beenden. Trotzdem, wir alle müssen uns damit abfinden, dass unser Besuch auf diesem Planeten begrenzt ist. Mehr noch, wir müssen akzeptieren, dass die Tragfähigkeit des Planeten begrenzt ist, und dass dafür gesorgt wird, dass die Zahl der Besucher begrenzt ist. So gesehen sind wir als Lebende privilegiert gegenüber den auf Grund der notwendigen Begrenzungs-Massnahmen Ungeborenen.

Die freie Entscheidung, den Besuch auf der Erde zu verkürzen, angesichts der einem als besser vorkommenden Alternative des Nichtmehrseins ist also auch aus dem genannten Grund zu akzeptieren. Auf mehreren Eisenbahnfahrten erlebte ich Verzögerungen wegen eines «Personen-Unfalls», auf einer Fahrt von Salzburg nach Basel gabs sogar zwei solche Vorfälle.

Solche zu Verhindern durch ärztliche Beihilfe ist in den meisten Fällen wohl nicht möglich. Allerdings ist folgende Vorstellung nicht abwegig: Problem-Situationen sind besser zu ertragen, wenn man die Gewissheit hat, bei noch unerträglicher Lage könne man den Besuch auf der Erde auf eine für die Gesellschaft akzeptable Art und Weise beenden. – Dr. Gernot Gwehenberger

 


 

 

Leserbriefe zu „Heißer Entzug“ von Petra Pinzler

 

Energie sparen ist wohl angesagt, und diese Ansage wird mit hohen Kosten Beworben. Eine durchaus interessante Variante ist, allen Verbrauchern eine MONATLICHE Abrechnung über Gas und Stromverbrauch zuzustellen. Erst Wenn wir zeitnah diesen Verbrauch an der Höhe der Rechnung erkennen, erst Dann werden wir versuchen beim Verbrauch zu sparen. All die tabellarischen Aufstellung bei der Jahresendabrechnung nutzen da recht wenig. Und noch eins. Windräder, Windräder ist das Gebot der Stunde. Sorry, aber ich denke dazu Gehören auch die „Strassen“ für den Strom der Windräder über diese wird Leider viel zu wenig geredet. Logisch ist jedoch, dass ohne solche Strassen der Strom nicht dahin kommt, wo er gebraucht wird. – Manfred Mengewein

 

Es war abzusehen. Putins Öllieferungen stoppten wir noch selbst. Beim Gas waren wir ängstlich, überließen ihm das Zepter. Nun wird der Hahn langsam geschlossen! Und der Staat soll‘s richten? Neu, wir haben es selbst in der Hand! Und es geht dabei nicht allein um Putin, sondern vor allem ums Klima! Jede und Jeder kann nämlich sparen – bei allem! Jede kWh, die wir sparen, muss nicht im Gas- bzw. Kohlekraftwerk oder im Atommeiler erzeugt werden! Weniger und langsamer fahren ist auch ein Thema.

Ich bin seit Monaten mit max. 90 km/h unterwegs, und zusammen mit meinem Teil-Homeoffice spare ich so ca. 60% (!) meines Spritverbrauchs. Tempolimits 90/60/30 oder 100/80/50 km/h tun nicht weh und sind aufgrund der jetzigen Lage fix umzusetzen. Auch Sonntagsfahrverbote lassen sich problemlos verordnen. Heizungen drosseln, kürzer duschen, Lebensmittel selbst anbauen, Temperaturen in Freibädern herunterfahren, Beleuchtungen herunterdimmen (Laternen, Werbung, Gebäude,…) – das sind nur einige Möglichkeiten. Seid kreativ und überlegt Euch Dinge, die ebenfalls funktionieren. Und vor allem: Sprecht darüber! Es wird schick sein, zu sparen!! Raserei und Verschwendung sind OUT. Viel zu lange lebten wir auf viel zu großem Fuß… – Achim Bothmann

 

Wenn Kohlekraftwerke über den geplanten Kohleausstieg hinaus betrieben werden, sollten deren Treibhausgas-Emissionen durch weltweite Kooperationen kompensiert werden, beispielsweise durch Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern bei der Überwindung der Brennholzkrise. Dieser fallen jährlich Millionen Bäume zum Opfer und es werden Treibhausgas-Emissionen in der Größenordnung der Gesamt-Emission Deutschlands erzeugt.

Die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern hat unschätzbare Vorteile für diese Länder durch Überwindung der extremen Armut, indem angepasste, nachhaltige Haushalts-Energietechnik finanziert wird. Ergänzend können diese Länder ihre eigenen Zusagen zur Emissionsreduzierung vorteilhaft einhalten. Durch Kooperation bei der Emissionsvermeidung kann auch berücksichtigt werden, dass (nach der vereinfachenden 80-zu-20-Pareto-Regel) das Vermeiden der letzten 20% der Emissionen 80% des Gesamtaufwands beanspruchen würde. Diese Chancen sollten nicht länger ignoriert oder missverstanden werden. – Dieter Seifert

 

Frau Pinzler spendiert 8 Zeilen, um den Weiterbetrieb der verbleibenden drei AKWs als vermeintlichen Unsinn wegzuwischen. Warum defekte AKWs in Frankreich ein Argument für die Stilllegung funktionierender AKWs sein soll, erschließt sich mir nicht. Und die Sicherheit läuft am 31.12.2022 schlagartig ab, von 100 auf 0. Das ist zutiefst ideologisch argumentiert. Hat mit technischen Realitäten nichts zu tun. Das Argument, es ginge ja nur um 6% des Strombedarfs, also nicht der Rede wert, gehört in dieselbe Kategorie.

Zum Vergleich: Ein sehr, sehr strenges Tempolimit (100 auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen), an das sich auch alle vollständig halten müssten, spart höchstens die Hälfte der Energie, die von den 3 AKW erzeugt werden könnte (ca. 18 versus 36 TWh). Dazu kommt, mit eingespartem Erdöl kann ich nicht direkt Gas ersetzen welches für industrielle Prozesse benötigt wird. Strom aus AKWs reduziert den Bedarf an Strom aus Gas (und Kohle) und kann direkt in die Industrie fliesen. Wetten, Frau Pinzler ist eine starke Befürworterin eines Tempolimits? Auch ich würde ein Tempolimit von 130 (120?) auf Autobahnen durchaus befürworten. Funktionierende AKWs in der jetzigen Situation aus ideologischen Gründen abzuschalten, halte ich dennoch für einen großen Fehler.

Noch ein anderer Punkt: Warum benötigt es einer Bauministerin, die zum Herunterziehen der Heizung aufruft? Sind wir im Kindergarten? Ein Volk voller Unmündiger, die bei jeder Unbill nach dem Staat ruft. Wenn die Preise durch die Decke gehen, weiß ich doch selbst, was zu tun ist. – Dietmar Baier

 

Einfach zurück zur Natur! Die Grünen werden bald „schwärzer“ sein, als die Kohle im Revier; der Umweltgedanke wird einfach ge- und verfeuert. Die Museums-Zechen im Ruhrgebiet könnten bald wieder reaktiviert werden; egal, denn die Umwelt geht schon länger zum „Flöten“. Glück auf ihr Kumpel und Kumpelinen, macht euch wieder langsam bereit, bald könnte es schneller als erlaubt, wieder abwärts in die tiefe „Grube“ gehen! – Klaus P. Jaworek

 

Frieden ist besser als Krieg. Die Ukraine und Russland sollten nun dazu gedrängt werden die Kampfhandlungen zu stoppen und einen Friedensvertrag oder zumindest einen Waffenstillstandsvertrag zu schließen. Der Preis des Krieges ist zu hoch, insbesondere an Menschenleben. Aber dieser Krieg ist auch extrem klimaschädlich und viel zu teuer. Maximalforderungen können dabei nicht erfüllt werden. Sollte ein vernünftiger Vertrag zustande kommen, wären auch wieder vernünftige wirtschaftliche Beziehungen zu Russland möglich. – Maria Gerl

 

Robert Habeck tut das, was er jetzt tun muss – und zwar in vorbildlicher Weise. Er sorgt vor und hat nicht umsonst den Gasnotstand ausgerufen. Seine Warnung, dass wir alle ärmer werden, muss ernst genommen werden. Putin sind alle Mittel recht in diesem Ukraine -Krieg und sein Gas wird er ja jetzt schon woanders spielend los. Ganz sicher bedeutet es für den Klimaschutz, für die Grünen als Regierungspartei und für Robert Habeck persönlich einen riesigen Rückschritt, die Kohlekraftwerke wieder anzuwerfen, wenn auch nur vorübergehend.

Der Wunsch nach klimaneutraler Energie ist nicht nur bei Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future groß, nur kommt der Strom eben nicht aus der Steckdose, er muss erzeugt werden und ohne zuverlässige Alternativen bedeutet das Abschalten konventioneller Kraftwerke, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Gerade in so einer brenzligen Krisensituation. Ich möchte mir das Geschrei in Deutschland nicht vorstellen, wenn im Winter die Heizungen kalt bleiben und die ersten Stromausfälle das Land lahmlegen.

Es sollte sich jetzt jeder klar machen, dass die eigene Komfortzone (sofern er sie hat) keine Selbstverständlichkeit mehr ist und umso wichtiger, dass das Thema Energiesparen endlich auf den Tisch kommt. Das ist eine Chance in dieser Krise und statt Häme braucht Robert Habeck jetzt Rückenstärkung. Für mich hat sein „Öko – Image“ keineswegs Kratzer bekommen, im Gegenteil, er zeigt sich als verantwortungsbewusster Wirtschaftsminister, von dem sich viele seiner Vorgänger eine Scheibe hätten abschneiden können. – Regina Stock

 

Es wird gemeinhin angenommen, daß das Verbrennen von Erdgas bei gleicher Energiemenge „nur“ ca. 60 Prozent des Treibhauseffekts bewirkt wie das Verbrennen von Kohle. Deshalb hat es die Bundesregierung bei der EU erreicht, daß die Verwendung von Erdgas zur Energieerzeugung für eine Übergangszeit als günstig für die Erreichung der EU-Klimaziele eingestuft wird. Bei der Verwendung von norwegischem Erdgas trifft dies auch in etwa zu, nicht jedoch bei der Verbrennung von russischem Erdgas.

Das hat folgende Gründe. Erdgas besteht überwiegend aus Methan und dieses ist ein viel schlimmeres Treibhausgas als Kohlendioxid. Über sehr lange Zeiträume wird Methan in der Atmosphäre zwar abgebaut, in einem Zeitraum von bis zu ca. 20 Jahren ist sein Treibhauseffekt allerdings etwa 85-mal so groß wie der von Kohlendioxid beim selben Energieäquivalent. Das bedeutet, daß bei der Arbeit mit Erdgas bereits kleine Gasverluste infolge von Lecks einen beträchtlichen Treibhauseffekt bewirken. Genau das ist bei russischem Erdgas der Fall, da es eben nicht unter denselben sorgfältigen Bedingungen gewonnen und transportiert wird wie etwa norwegisches Gas.

Bis das Gas aus Russland schließlich bei uns zur Verbrennung ansteht, haben wir es bereits mit Methan-Verlusten beim Erbohren des Produkts zu tun, und die tausende von Kilometer langen russischen Erdgasleitungen sind alles andere als 100 Prozent dicht. Das Gas kommt demnach bereits mit einem beträchtlichen „Treibhausrucksack“ zu uns. Die Verbrennung von Kohle ist deshalb wahrscheinlich nicht nur nicht schlechter, sondern möglicherweise sogar besser für das Klima als die Verbrennung von russischem Erdgas.

Minister Habeck braucht deswegen also kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn er empfiehlt, Strom wiieder durch Verbrennung von Kohle zu erzeugen, anstatt dafür russisches Erdgas zu verwenden. In Deutschland sollten wir uns von einer weiteren Illusion verabschieden. Akzeptieren wir doch bitte, daß es noch einen weiteren Grund gibt, kein russisches Erdgas zu kaufen. – Dr. Eberhard Leppin

 

Auch ohne Ukraine-Krieg wäre die Stromerzeugung aus Kernenergie (2021 über 60, 2022 absehbar rund 30 Mrd. kWh CO2-frei) bspw. jeweils zu einem Drittel durch Strom aus Kohle, Erdgas und Erneuerbaren zu ersetzen. Somit wäre rechnerisch der Primärenergieverbrauch gesunken (auf Grund der Mess-Konventionen ), jedoch die CO2-Emissionen zwischendurch ab 2022/23 deutlich gegenüber dem Wunsch¬¬pfad gestiegen. Diese unvermeidlichen Effekte waren jeder sachlich kompetenten Person in der Energieszene seit Jahren bekannt. Jetzt kann Herr Habeck immerhin derartig politisch Unangenehmes auf den Krieg schieben! Nur die Ahnungslosen von „FFF“ (welche nicht einmal das eigene Wuppertal-Gutachten von Oktober 2020 zur Kenntnis nehmen) sind noch erbost.

Frage an Frau Pinzler: Warum schaden 100 neue Kohlekraftwerke in Südostasien (mit absehbar 30 Jahren Betriebsdauer: 100·30 = 3000 Kohlejahre) dem Weltklima weniger als rund 5 – 7 vorübergehend etwa 5 Jahre länger laufende Kohleblöcke (6·5 ≈ 30 Kohlejahre; d.h. ein 100-facher Effekt) bei uns? Es ist völlig egal, wer die Kohle in den nächsten 30 Jahren verbrennt, es sei denn, dass in Deutschland verbrannte Kohle (deutsche Steinkohleförderung gibt es ja nicht mehr!) schlimmer ist als indische oder chinesische? – Prof. Emeritus Dr. Wolfgang Ströbele

 

So ganz nebenher. 1. Anton Hofreiter von den Grünen war es als erster, der die Kohlekraftwerke vorübergehend wieder laufen lassen will. Habeck als Minister beschließt es jetzt. 2. Wer über Wochen über Sanktionen und Boykotte gegen Rußland diskutiert, Kohle geht leicht, mit Öl verdient Putin das meiste Geld, Gas aber wird schwierig, das machen wir, wenn wir unabhängig sind, muß sich nicht wundern, daß Putin den Gashahn zudreht. – Jetzt brauchen wir dich noch, aber bald garnicht mehr.- „Die Rußen haben selbst im kalten Krieg immer ihre Verträge eingehalten.“ Jetzt tun sie es nicht mehr, warum?

3. Das Ölembargo. Rußland verkauft sein Öl jetzt u.a. zu günstigen Preisen an Indien. Dieses Öl landet zur Zeit zu überhöhten Preisen auf dem europäischen Energiemarkt, also auch zu uns. Solche Informationen erfährt man nicht in unseren Medien. Unsere Nachbarn, die Österreicher diskutieren in entsprechenden Fernsehsendungen wesentlich offener und informativer. 4. Putin kassiert für seine Kriegskasse, wie es bei uns so heißt , mehr Geld als je zuvor. 5. Wenn Sanktionen uns mehr Schaden als das sie etwas kurzfristig ändern, sollten wir es lassen.

Mittelfristig würde heißen, der Krieg geht noch über Jahre. Dann, unabhängig von dem unermesslichen Leid, liegt die Ukraine in Schutt und Asche. 6. Wenn alles teurer wird, brauche ich keine guten Ratschläge vom Staat und den Medien zum Sparen, die Industrie schon mal garnicht. Und das Einsparpotential ohne konkrete Zahlen als Gerede bringt auch nichts. – Walter Schroiff

 


 

 

Leserbriefe zu „Warum mögen Sie Olaf Scholz?“ von Anna Mayr

 

Die allermeisten Deutschen, so sehe ich es aus dem Ausland (nicht ohne Bewunderung), sind eben unaufgeregter und geduldiger als die Medien, haben gerade in diesen Zeiten vorrangigere Interessen als personalisierte Zuspitzungen oder gar Heilserwartungen. Und sie schätzen Deutschlands geopolitische Möglichkeiten vorsichtig, pragmatisch und realistisch ein. Wie eben die derzeitige Bundesregierung und ihre Vorgängerin. – Dr.Georg Schedereit

 

Die Autoren DER ZEIT wollen die Kontroverse. Sie wollen den Streit in der Ampel und es grenzt langsam an Lächerlichkeit, wie krampfhaft auch Olaf Scholz als Versager dargestellt werden soll. In der Printausgabe vom 23.6.22 gibt es einen Artikel von Anna Mayr: „Warum mögen Sie Olaf Scholz“. Es passt der Journalistin nicht, dass in einer wenige Tage alten Forsa-Umfrage 68 % der Befragten den wegen der Waffenlieferungen zögerlichen Scholz gar nicht zögerlich fanden. Daher geht sie mit ihrem Team rund um das ehemalige Elternhaus, wo Scholz seine Wurzeln hat und klingelt von Tür zu Tür, um die Leute, die Scholz noch aus früheren Jahren kennen, nach deren Meinung über Scholz zu befragen.

Endlich findet sie auch die, die Scholz noch nie gemocht haben. Eine Frau antwortete auf die Frage, was sie über Olaf Scholz denkt, wie folgt : „Größter Reinfall! Will der mit Wasserpistolen schießen lassen? Ich hasse den Kerl. Dem möchte ich eine Granate hinterherwerfen.“ Wie kann es sein, dass Hass und Hetze für eine Journalistin wichtiger sind, als die andersdenkende Mehrheitsmeinung.

Als Abonnentin der ZEIT gibt es für uns bald nur noch den Weg der Kündigung. Auch eine ganze Seite über die Brille von Friedrich Merz ist für mich als Leserin der ZEIT eine Provokation. Gibt es eine neue Elite bei der ZEIT, die ihre Leser:innen nicht mehr im Blick haben? Eine Demokratie lebt von der Meinungsvielfalt und der sachlichen Kritik. Diese scheint mehr und mehr abhanden zu kommen. – I. Rauner

 

Ich lese Die Zeit seit sehr langer Zeit und habe das Abonnement soeben verlängert. Allerdings könnte es diesmal endgültig das letzte Mal sein. Ich bin seit längerem unzufrieden mit den von Ihnen präsentierten Themen und deren Inhalten. In der aktuellen Ausgabe veröffentlichen Sie unter Politik „Warum mögen Sie Olaf Scholz?“ Im Ernst und auf Seite 3? Meiner Meinung nach passt der Inhalt in eine Satireshow. Ich habe mich geärgert, viele Buchstaben ohne Erkenntnisgewinn. Mir fehlen Einordnungen von Politik, Wirtschaft, Wissen und Kultur in Japan, Südafrika und/oder Südamerika etc. aber auch natürlich aus Deutschland in der ZEIT. Themen sind reichlich vorhanden, allein die vielen Gesichtspunkte zu Klima und Krieg.

Es ist zu bedauern, dass „die Gesellschaft“ angeblich guten Journalismus nicht mehr wertschätzt. Aber bei derartigen Texten überwiegt das Gefühl, Zeit verschwendet zu haben und möglicherweise geht es anderen Lesern ebenso. Eine gewünschte Wertschätzung ist von der Qualität des Journalismus abhängig. – Veronika Deckart

 

Unter dieser Überschrift mit dem Untertitel, der darauf verweist, dass 70% der Deutschen die Kritik der Medien an dem Handeln von Scholz nicht teilen, hätte ich statt einer Sammlung weitgehend gescheiterter Gesprächsversuche eine ernsthafte Analyse dieser Diskrepanz erwartet. Die pseudomoralische und ideologische Einseitigkeit der medialen Darstellung gehört doch bei solchen Umfragewerten auf den Prüfstand. Es sind eben nicht notwendig alle durchaus berechtigten Interessen der Ukraine auch unsere und insbesondere wird der Krieg nicht mit einem Sieg über Russland auf ganzer Linie enden.

Das wird nicht passieren und das muss verantwortliche Politik berücksichtigen. Am Ende muss eine Vereinbarung mit Russland stehen und aller Wahrscheinlichkeit nach bedeutet das eine Übereinkunft mit Putin. Ich gehöre auch zu den 68% und bin sehr froh über das „Herumeiern“ unseres Kanzlers. Dieses kann er naturgemäß nicht öffentlich erklären und davon abgesehen wäre es absolut nicht klug, in solchen Situationen genau zu sagen was man vorhat. Ich bin damit sehr zufrieden. – Frank Scholze

 

Olaf Scholz steht in einer Reihe der Tradition mit den beiden Reichskanzlern Theobald von Bethmann Hollweg und Heinrich Brüning. Alle drei sind biedere, einfache Leute. Sie schätzen solide, einfache Hausmannskost. Als Lebemänner gehen Sie alle drei nicht durch. Gemein ist ihnen auch, dass sie in Zeitenwenden am Ruder des deutschen Staates standen und stehen. Bethmann Hollweg wollte alles, nur keinen großen krieg. Jetzt wiedrholt sich scheinbar die Julikrise 1914.

Damals war das Attentat von Sarajewo, was Europa auf die Schlachtfelder rief, um ihren Blutzoll dort abzuliefern. Jetzt droht die russische Enkave um Kaliningrad herum, der Auslöser eines größeren Waffenganges zu werden. Heinrich Brüning, der noch nicht einmal die Königsberger Klopse des Bundeskanzlers Scholz angerührt hätte, wollte die Deutschen zum Kaisertum zurückführen. Dabei unterschätzte er Adolf H.

Nun also Olaf Scholz, er unterschätzt Putin nicht und erzählt der Öffentlichkeit bestimmt auch nicht, was ihm in der langen Zugfahrt aus Kiew nach Polen ihm Macron und Draghi so alles ins Ohr flüsterten. Gerüchten zufolge soll der Nachtzug einmal nicht fahrplanmäßig gestoppt haben und ein sich gern mit dem Spitznammen „Bolschewiki“ nennenden Fahrgast – kommend aus Moskau – stieg ein und wurde dann in den drei Salons der westlichen Staatschefs mehrfach vom Servicepersonal gesichtet. Nun denn, der Sommer 2022 in Europa wird heiß. Uranus hat noch manche Überraschungen parat. – Dr. Detlef Rilling

 

Ich bin seit mehr als drei Jahrzehnten „Zeit“ – Leser. Früher war ich häufiger frustriert, wenn ich es mal wieder innerhalb einer Woche nicht geschafft habe, die für mich interessanten Texte zu lesen. Heute bin ich frustriert, weil ich für diese Artikel, die einen Erkenntnisgewinn versprechen, nicht mehr als zwei oder drei Tage brauche. Und in dieser Woche bin ich auf Seite drei über Anne Mayrs Text mit dem Titel „Warum mögen Sie Olaf Scholz?“ gestolpert. Erste Erkenntnis: Olaf Scholz hat seine ersten Lebensjahre bis zum Grundschulalter in einem bürgerlichen Quartier in Hamburg – Rahlstedt verbracht.

Es gelingt der Autorin, durch eine atmosphärisch dichte Schilderung des Ambientes und die empathische Vorstellung der Menschen den Eindruck typisch deutscher Spießigkeit zu erzeugen. Jedenfalls lässt der Text vermuten, dass Frau Mayr sich wohl eher nicht freiwillig in eine solche Umgebung verlaufen hätte, wenn sie nicht durch unstillbare journalistische Neugier getrieben worden wäre. Der Erkenntniswert bleibt überschaubar. Zweite Erkenntnis: 68% der Deutschen sind mit Scholz` Politik der Waffenlieferungen zufrieden, 32% lehnen sie offenbar ab. Diese Erkenntnis war für mich weder neu noch bahnbrechend.

Dritte Erkenntnis: Die Stichproben in der früheren Heimat des Bundeskanzlers zeigen ein ähnliches Ergebnis, fallen in der Tendenz vielleicht etwas kritischer aus. Auch diese Erkenntnis fand ich wenig überraschend. Das war`s dann auch schon mit meinem Erkenntnisgewinn, aber vielleicht habe ich den Text in seiner Komplexität auch nicht vollkommen verstanden. Nun wende ich mich hoffnungsvoll und erwartungsfroh dem „Dossier“ zu, in dem der Autor Marvin Ku sich fragt, ob er noch Harry Potters „Fan“ sein will. Dabei stellt der Verfasser auf drei Seiten offenbar tiefgründige Überlegungen über die „Entfremdung“ von seinem „Kindheitshelden“ an. – Jan Andersen

 

Betreff: Mit der Ukraine-Politik des Bundeskanzlers sind fast 70 Prozent der Deutschen zufrieden – trotzdem wird sie in den Medien heftig kritisiert. Wie kommt das? Zur Ausgabe vom 23.06., Seite 3: Als passionierter Leser erlebe ich bei Ihrer Überschrift leichtes Fremdschämen – sollte die Frage nicht genau andersherum formuliert sein, siehe Betreff? – Marten Röbel

 

Ihr Artikel beginnt mit dem Untertiel „Mit der Ukraine-Politik des Bundeskanzlers sind trotz heftiger Kritik in den Medien fast 70 Prozent der Deutschen zufrieden.“ (Hervorhebung durch mich) Und Sie fügen die Frage an: „Wie kommt das?“ Tja, sehr geehrte Frau Mayr, die seltsam hohe Zufriedensheitsrate der Bevölkerung mit Scholz‘ Vorsichtspolitik kann man entweder so interpretieren, – dass die 70% der Leute halt wesentlich schlechter als die Medien informiert sind und dass sie deswegen die politische Brisanz des ganzen Konflikts völlig naiv und falsch einschätzen.

Obwohl die Medien ja seit Wochen in nahezu jeder Politsendung, in jeder talkshow, in diversen BILD und sonstigen Kommentaren die wahren und allein zielführenden Konfliktstrategien anpreisen und unters Volk bringen wollen, nämlich „Waffen, Waffen, Waffen“ und „Scholz – hau endlich drauf…“. Oder man könnte mit etwas weniger medialer Arroganz den Leuten ganz schön viel politisches Bewusstsein attestieren / zugestehen und selbst als medialer Alleswisser wie z.B. Herr Lanz sich klammheimlich mal fragen:

Ist meine / unsere provokative Arroganz wirklich gerechtfertigt oder spüren/wissen die 70% der (an sich) Unwissenden, dass der „Scholz – Weg“ für UNS und UNSER LAND (und darauf hat Scholz seinen Amtseid geschworen!) der Bessere ist weil er nicht bedenkenlos in die allgemeine Kriegshysterie hineinführt, wie es die Medien (und ein paar Politiker) fordern???

Letztere Einsicht wäre übrigens auch ein Zeichen von demokratischem Verständnis: Schließlich sollte Politik nicht durch mediale Allwissenheit und Arroganz determiniert sein, sondern primär durch den Willen des Volkes – in diesem Fall durch die 70 %… Last but not least zu Ihrem Artikel: Ein interessanter Ansatz, mal den „Leuten aufs Maul zu schauen“ – unterhaltsam zu lesen und für Leser und Schreiberin wohl auch eine interessante Erfahrung?!? – G. Klenk

 


 

 

Leserbriefe zu „»Ein körperliches und psychisches Wrack«“ von Annika Joeres

 

„(D)ass sie häufig belächelt und als Schwurbler beschimpft würden.“ Dies ist für mich immer noch der wichtigste Grund, dass ich die ZEIT abonniert habe. Sie sind sehr sachlich und vermeiden Beleidigungen. Weiter so. Es ist fatal, wenn Verdachtsfälle nicht erfasst werden. Es gibt kausale Zusammenhänge, die nur statistisch erkannt werden können. Siehe dazu auch den Artikel über Hitzetote, die nicht erfasst werden.

Meine Tochter hat nach der ersten Impfung ihre Periode nicht mehr bekommen. Die Ärztin sagte, dass es keinen ursächlichen Zusammenhang gibt. Ich habe meiner Tochter gesagt, dass die Ärztin das nicht sicher wissen kann. Meine Tochter hat den Verdacht dann selbst gemeldet. Wenn sich Ärzte grundsätzlich so verhalten, dann wäre das ein Problem. – Christian Fahn

 

Vielen Dank, dass Sie sich dieses bisher von der Politik tabuisierten Themas annehmen. Es ist erstaunlich, dass es in unserer freiheitlich-demokratischen Kultur über ein Jahr eines medizinischen „Experiments“ (Kanzler Scholz) bedarf, bis es überhaupt möglich ist, über Komplikationen eines solchen öffentlich zu sprechen, ohne dafür sanktioniert zu werden!

Kann es sein, dass es ein Fehler ist, Menschen als Schwurbler und Covidioten (Herr Klingbeil) zu stigmatisieren, die durchaus medizinisch berechtigte Sorgen gegen ein unzureichend getestetes Medikament haben, welches zur massenhaften Anwendung kommt? Das Narrativ der „komplikationsfreien Impfung“ des Herrn Lauterbach bröckelt, genauso wie viele politische Narrative, welche die Coronapolitik betreffen. – Dr. med. Martin Krivacek

 

Vielen Dank für den Bericht über Impfschäden der Corona-Impfung. Nach vielen unkritischen Berichten über Corona und die Politik der großen Koalition incl. der knapp verhinderten Impfpflicht nun endlich eine kritische Berichterstattung, wie es sich für eine liberale Zeitung schon zuvor gehört hätte. – Thomas Gaiser

 

Entschuldigung, aber so viel Dummheit macht mich wütend! Bei jeder Impfung wird einem gesagt, dass man 3 Tage keinen Sport machen und sich schonen sollte, weil der Körper seine ganze Kraft braucht um den Impfstoff zu verarbeiten, Antikörper zu bilden etc. „Schon am Tag nach der Spritze…“ 20 km Rad zu fahren oder Taekwondo (!!!) zu betreiben, halte ich für grob fahrlässig. Ich hätte mich am Tag nach der Spritze auch nicht auf einem Rad halten können, da ich mit leichtem Fieber zuhause im Bett lag, was eher normal ist. Vielleicht sollten die Studien miteinbeziehen, wie viele sich nicht an die ärztlichen Empfehlungen halten und sich allein deshalb Impfschäden zuziehen? – Hajnalka Kovac

 

Jeder, der in unmittelbarem Zusammenhang mit einer empfohlenen Impfung schwere Komplikationen oder eine anders nicht erklärbare Krankheit erleidet, muß angemessen entschädigt werden! Das gebietet die Fürsorgepflicht des Staates. Später, in einer ruhigen Stunde, sollte er dennoch einmal darüber nachdenken, ob eine vielleicht bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannte (genetische) Disposition diesen Impfschaden mitverursacht haben könnte? (Denn die Verträglichkeit und auch Wirksamkeit z. B. der Coronaimpfung ist ja um ein Vielfaches höher als der Schaden, den sie anrichten kann!)

Daß er ungeimpft irgendwann an Corona erkrankt wäre und dann (aufgrund seiner Disposition) weit schwerere Schäden erlitten hätte als nach der Impfung, etwa eine Sinusvenenthrombose mit viel gravierenderen Folgen; vom Tod ganz zu schweigen! Ich weiß, daß ich mich hier aufs Gebiet der Spekulation begebe; doch wenn wir nicht immer wieder über den Tellerrand der jeweiligen Wissenschaft hinaus denken, werden Forschung und Erkenntnis auf halbem Weg steckenbleiben! Nur, die nächste Pandemie steht schon irgendwo auf unserer Erde in den Startlöchern und scharrt ungeduldig mit den Hufen! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Der reißerische Titel und Inhalt dieses Beitrages hat sicher große Begeisterung bei allen Impfgegnern ausgelöst! Das jede medizinische Intervention potentielle Nebenwirkungen hat, ist ja nun lange bekannt, das gilt z. B. auch für eine einfache Kopfschmerztablette, an der man mit sehr viel Pech sogar versterben kann. Bekannt ist auch, dass bei den sportlichsten Männern und trotz vorheriger unauffälliger kardiologischer Untersuchung ein plötzlicher Herztod auftreten kann, ganz ohne Impfung.

Es gibt allerdings heute nur wenige medizinische Interventionen, deren Nebenwirkungen so gut untersucht sind, wie die gängigen Impfungen gegen Covid-19. Diese Studien fanden allerdings nicht in Deutschland (mit seinen der epidemiologischen Forschung wenig förderlichen Datenschutzvorgaben) statt, sondern z. B. in skandinavischen und angelsächsischen Ländern. So wurde im Juni dieses Jahrs in der medizinischen Fachzeitschrift Lancet eine große Studie aus den USA veröffentlicht, die das sehr geringe Risiko einer Herzmuskelentzündung nach COVID-19 RNA Impfungen dokumentiert.

Und aus einer auch im Juni im Lancet Infectious Diseases publizierten Studie geht hervor, dass bereits bis Dezember 2021 ca. 20 Millionen Todesfälle weltweit durch Corona-Impfungen verhindert wurden! Übrigens stuft die Weltgesundheitsorganisation Impfskepsis als eine der größten Gefahren für die globale Gesundheit im 21. Jahrhundert ein. Ich würde mir daher zukünftig eine deutlich ausgewogenere Berichterstattung zu diesem Thema wünschen. – Prof. Dr. med. Olaf Müller

 

Ich habe ein Nachfrage zur Wortwahl in diesem Artikel. Dass die ZEIT nicht gendert nehme ich seit langem frustriert hin und denke mir im angesprochenen Artikel all die Ärztinnen hinzu, wenn von Ärzten die Rede ist. So weit, so schlecht. Im weiteren Verlauf des Artikels lese ich folgende Passage: und konnte sich deshalb früher als andere impfen lassen, zusammen mit Kinder- gärtnerinnen, Lehrern und Krankenschwestern.

Habe ich jetzt etwas verpasst und liege ganz falsch? Erzieher:innen sind also wieder alles Frauen und heißen Kindergärtnerinnen und alle pflegenden Personen sind Kranken“Schwestern“? Nicht zu gendern ist eines und in Falschaussagen gesellschaftliche Vorurteile zu drucken ist etwas anderes. Wie gehen Sie mit solchen Formulierungen in ihrem Haus um, was ist ihre Vorgehensweise zur gendersensiblen Schreibweise? An welche Vorgaben haben sich Schreibende bei Ihnen zu halten? Ich freue mich, dazu etwas von Ihnen zu hören. – Dirk Wolf

 


 

 

Leserbriefe zu „Ist das schon die Kanzlerbrille?“ von Martin Machowecz

 

Die ZEIT widmet in ihrer neuen Ausgabe eine ganze Seite mit Fotos und eine zweite Seite mit Text der neuen Brille von Friedrich Merz. Was soll ich davon halten? Was ist wichtig an der Brille von Friedrich Merz? So wichtig, dass Mitarbeiter der ZEIT ins Sauerland gefahren sind, um den Optiker ausfindig zu machen, der Friedrich Merz die Brille verkauft hat. Warum muss ich wissen, wie der Optiker heißt und welche Brille er Friedrich Merz verkauft hat? Ich hoffe, dass der Artikel als Satire gemeint ist. Nur so ist er erträglich. – Dr. Wolfgang Hauger

 

Was ist denn in die ZEIT gefahren, dass sie zwei Seiten mit Quisquilien – Kanzlerbrillen und der Brille eines Politikers, der kein Kanzler ist – vergeudet? Oder steht ein Kanzlerwechsel bevor, weil Friedrich Merz das Brillenmodell 5583 in Farbe 90 trägt? Ein Verzicht auf die 2 Seiten hätte u.a. viel Papier eingespart. Ich habe mich über diesen Beitrag geärgert und überlege, ob ich die ZEIT bei solch überflüssigen Beiträgen noch weiterhin abonnieren werde. – Karl August Heib

 

Also, vor etlichen Jahren schon ging mir auf die Nerven, wie sehr der Wirklichkeit entrückt Journalisten durchs Leben gehen. Also empfahl ich meinen Redakteuren dringend, nicht jeden Tag den Weg von ihrer Eppendorfer 5 Zi-Wohnung zum Arbeitsplatz am Baumwall per Taxi zurückzulegen, sondern auch mal etwas völlig Verrücktes zu wagen: eine Anreise per Bus und Bahn. Und statt zu Poletto auch mal in eine Eckkneipe in Eimsbüttel, besser noch in Barmbek zu gehen. Sie würden, so mein Versprechen, reich beschenkt mit einem Gespür für „echte“ Themen, die „echte“ Menschen wirklich interessieren.

Ich kann Ihnen garantieren: Kein vernunftbegabter Mensch interessiert sich für Brillen auf Politiker-Nasen. Außer jene, die nach einer „Tagesschau“ zwar nicht sagen können, welche Informationen darin enthalten waren, sehr wohl aber, wie sie die Schlips-Farbe des Vorlesenden fanden. Meinen Ratschlag hat natürlich weder damals noch später nie ein Kollege befolgt. War ja klar. Und so schreiben sie also bis heute über die Notwenigkeit von Cancel Culture und Gender-Sprache — und glauben fest daran, irgendein Mensch würde sich auch für die neue Brille eines Politikers interessieren. Schlimm! – Jan Kolbaum

 

Ich habe mich sehr aufgeregt über den Artikel „Ist das schon die Kanzlerbrille“ in der Zeit No. 26. Mich interessiert überhaupt nicht, ob Herr Merz eine neue Brille hat. Was soll mir das vermitteln? Imagewechsel: Merz der Machertyp mit Durchblick? Die Brille macht den Kanzler? Gratis-Werbung für ein bestimmtes Brillenmodell damit Krethi und Plethi Merz spielen können? Eher mehr Schein als sein…

Gegen alles und jeden aus der Oppositionsposition heraus zu poltern ist einfach, ich vermisse Lösungen für drängende Probleme unserer Zeit. Weiterhin fühle ich mich als junge, moderne Frau weder vom Auftreten von Herr Merz als auch der CDU angesprochen. Chef und Partei hängen für mich irgendwo im Mittelalter fest, sind furchtbar altbacken und rückwärtsgewandt (a la Frauen hinter den Herd und Auferstehung des Mutterkreuzes), neue Brille hin oder her… – Dr. Susanne E. Hatlak

 

Wie kann man eine ganze Seite über die Brille von Friedrich Merz schreiben? Es wird leider immer schlimmer bei der Auswahl Ihrer Artikel! Völlig unwichtig! Wenn es so weitergeht,werde ich mein langjähriges Abo kündigen. Von Ihrer Zeitung erwarte ich gehaltvollere Artikel. – H. Lohmann-Marl

 

Dass über „die neue Brille von Friedrich Merz das ganze Land spricht“, ist irgendwie an mir vorbeigegangen – aber vielleicht bin ich als Einzelperson mit dem ganzen Land einfach etwas überfordert. Aber dass Ihr Autor dann auch noch eigens in das Sauerland fährt, um Merzens Optiker zu interviewen, ist an Dusseligkeit kaum zu überbieten: Gelten die Energiespartipps auf den vorherigen Seiten nicht im eigenen Haus?! – Dr. Elmar Philipp

 

Herr Merz trägt eine runde, dickbügelige blaue Brille auf seinem Nasenrücken. Die Brille hält sich zurück ,darf aber gesehen werden und will es auch! ‚Sie sitzt wunderbar hoch, mittig über den Augen, was für einen vorteilhaft breiten Nasenrücken spricht‘ . Die Brille ist nicht rund, sie ist auch nicht dickbügelig und sitzt auch nicht auf dem Nasenrücken, schon garnicht mittig über den Augen. Und wieso spricht das für einen breiten Nasenrücken ? Aber blau ist sie, das stimmt. Nun hat ja der Brillenträger Martin Machowecz bereits Helmut Kohl eine Hornbrille angedichtet und noch schlimmer anschließend eine legendäre ‚Pilotenbrille‘. Horn ist Horn und Pilot ist Joe Biden! – J. Lindner

 


 

 

Leserbriefe zu „»Wir müssen priorisieren. So ist die Lage«“. Gespräch mit Felicitas Thiel geführt von Jeannette Otto und Martin Spiewak

 

In Ihrem Artikel beschreiben Sie, wie schwierig die Situation ist an vielen Schulen. Mein Schuldienst begann 1971, damals konnte man nur verbeamtet werden, wenn man ein volles Deputat übernahm. Nur junge Mütter konnten ihr Deputat reduzieren. Mein Mann und ich hatten ein volles Deputat, obwohl unsere Tochter erst 2 Jahre alt war.

Und nein, damals war es nicht viel einfacher an deutschen Gymnasien, ich hatte keine Klasse unter 40 Schülern, außerdem war die Studentenrevolte sehr wohl auch in Schulen zu spüren. Ende der 70er Jahre wollten unsere Politiker keine Lehrer mehr einstellen, es sei denn, Deputate konnten an verschiedenen Schulen eingespart werden- so entstand die Möglichkeit, Unterrichtsverpflichtung beliebig zu reduzieren. Das brachte viel Unruhen in Lehrerkollegien, denn nicht alle konnten sich eine Reduzierung leisten.

Jetzt ist gerade diese individuelle Reduzierung das Problem. Der Staat könnte das Problem einfach lösen: indem er wieder nur Lehrer mit einem vollen Deputat verbeamtet. Allerdings werden sich nicht viele Abiturienten für das Lehramt entscheiden, wenn sie mitbekommen, wie unverschämt Referendare behandelt werden: im reichen Baden-Württemberg werden sie am Schuljahrsende entlassen, damit der Staat die Sommerferien nicht bezahlen muss. Anfang September dürfen sie dann wieder antreten…. Eine Sauerei! – Katharina Göggel

 

Ihren Artikel über den Lehrermangel an deutschen Schulen habe ich mit großem Interesse gelesen. Ich arbeite selbst als Grundschullehrerin in Sachsen an einer „Brennpunktschule“, unter ganz ähnlichen Bedingungen, wie sie im Bericht über die Comenius-Schule geschildert werden. Viele Missstände und ihre Ursachen sowie die Problemlösungsversuche beschreiben Sie sehr klar und zutreffend. Generationenwechsel im Lehrerzimmer, Überlastung der übrigen Lehrer, Stundenausfall, hoher Krankenstand, Kürzung von Stundentafeln, Quereinsteiger, …

Ein Aspekt fehlt mir allerdings. Eine der maßgeblichen Ursachen für den Lehrermangel liegt darin, dass nicht genügend Lehrer ausgebildet werden. Der Zugang zum Lehramtsstudium ist an vielen Unis immer noch durch einen N.c. beschränkt und auch Referendariatsplätze waren zumindest in Sachsen in den vergangenen Jahren Mangelware (siehe Anhang). Das heißt, dass Abiturienten mit einem guten Notendurchschnitt in der Vergangenheit teilweise abgelehnt wurden, während nun krampfhaft versucht wird, mit Seiteneinsteigern die Lücken zu füllen.

Lücken, die man selbst leicht schließen könnte, indem man mehr Studienplätze und Ausbildungsplätze schafft. Mir ist durchaus bewusst, dass Abiturienten, welche jetzt ins Studium gehen, die Lücken erst in einigen Jahren schließen können. Aber vielleicht wäre die aktuelle Situation auch ein Anlass, die gesamte Lehrerausbildung wieder einmal zu überdenken. Für mich wäre es schon eine Hilfe, wenn Studenten an 2 Tagen in der Woche in meiner Klasse mitarbeiten würden und ich auf diese Weise differenzierteren Unterricht anbieten könnte, als das aktuell der Fall ist.

Es würde auch helfen, wenn langfristig ein großzügiges Lehrerkontingent festgelegt würde, das nicht nur aus Schülerzahlen errechnet wird, und immer am unteren Limit festgesetzt wird, sondern dass in Zeiten geringerer Schülerzahlen einfach ausnahmsweise einmal mehr Lehrer zur Verfügung stehen könnten, um die Unterrichtsqualität durch Differenzierung, Individualisierung, AG´s, … zu verbessern.

Wenn man sieht, welche Gelder momentan beispielsweise für einen Tankrabatt oder für Rüstungsausgaben zur Verfügung stehen, sollte es doch möglich sein, die Ausgaben für Bildung anders in den Blick zu nehmen als dies momentan der Fall ist. Und dann könnten wir uns als Lehrkräfte vielleicht irgendwann wieder unseren eigentlichen Aufgaben widmen, die Sie in Ihrem Artikel so treffend benannt haben: Persönlichkeitsbildung, Menschwerdung, das Ermöglichen von Lebensträumen. – Monika Vetter

 

Von Herzen möchte ich mich bei Ihnen für die Lösungsvorschläge zur Behebung des Lehrermangels an deutschen Schulen bedanken. Unkenrufen zum Trotz, dieser sei insbesondere auf chronische Überlastung der Lehrpersonen, praxisferne Studiengänge und ein Schulsystem aus dem vorletzten Jahrhundert zurückzuführen, fordern Sie nun also eine Erschwerung der Teilzeitmodelle und eine Aufstockung der Klassengröße, wie weitsichtig!

Schwer verständlich, dass dies zur Attraktivitätssteigerung des Berufes und zu dessen besserer Vereinbarkeit mit dem Familienleben bisher missachtet wurde. Ich bin mir sicher, Kinder, Eltern und Lehrpersonal werden es Ihnen danken, wenn in Klassen künftig 35 Schülerinnen und Schüler – auf Sportunterricht verzichtend – in reger Anteilnahme den Ausführungen des Wirtschaftsinformatikers im Mathematikunterricht lauschen. Viel Erfolg für die Umsetzung Ihrer revolutionären Vorschläge wünscht – Jakob Warlich

 

Endlich mal echte Kompetenz bei der Beratung der Kultusminister: Frau Thiel fordert weniger Sport- und mehr Matheunterricht und größere Klassen. Am besten streicht man gleich auch alle musischen und künstlerischen Fächer und beschränkt sich auf Mathe- und Deutschvorlesungen vor 200 Kindern im Hörsaal von Frau Thiel. Da könnten wir sogar noch Lehrer entlassen und die überhöhten Beamtengehälter einsparen. – Frank Wehmeyer

 

Kein modernes Wirtschaftsunternehmen, das vor der Herausforderung steht seine Produktivkraft aufgrund von Fachkräftemangel zu erhalten, würde auf die Idee kommen die Schichten zu verlängern und das Arbeitspensum zu erhöhen. Wie weit weg vom schulischen Alltag muss man sein, um Vorschläge wie „Erhöhung der Klassengröße“ oder „die Teilzeitquote zu reduzieren“ zu denken.

Für das Gewinnen geeigneter Fachkräfte wissen Unternehmen längst, dass es mehr geben muss als einen sicheren Arbeitsplatz zu bieten. Und das Lehramt? In NRW ist schon der Weg dorthin ein Martyrium: Völlig überfüllte Curricula mit teils praxisfernen und für den zukünftigen Berufsweg wenig nachzuvollziehenden Inhalten, die angehende Lehrer*innen bereits in der ersten Ausbildungsphase ausbrennen. Man gewinnt oftmals den Eindruck, hier werden Lehrinhalte nur deswegen in die Studienpläne aufgenommen, damit sich Lehrstühle selbst legitimieren können. Weshalb sonst müssen zum Beispiel Studierende im Bereich Primarstufe Vorlesungen und Klausuren der höheren Mathematik absolvieren und bestehen?

Wer es dann bis ins Referendariat schafft, überwindet dann noch eine psychisch stark belastende Zeit, in der neben dem zeitlich umfassenden Einsatz im Schulalltag, dem Lernen für etliche Prüfungssituationen auch noch eine wissenschaftliche Abschlussarbeit geschrieben werden muss. Wofür auch immer. Auf der anderen Seite steht die Möglichkeit des Seiten- oder Quereinstiegs. Wer sich hier einmal die dazugehörigen Angebote auf den Internetplattformen des Landes ansieht (LOIS), fragt sich: Wo werden denn hier eigentlich die Tausenden Lehrer*innen gesucht?

Mal abgesehen von den Umsetzungsbedingungen, die für Menschen, die aus dem Erwerbsleben kommen, derart unattraktiv sind, dass sie auf dem Absatz kehrt machen. Frau Thiel bemerkt hier überdies, dass bei dieser Zielgruppe ein Qualifikationsproblem bestehe. Da möchte ich aus meinem eigenen Umfeld gerne folgende Erfahrung hinzufügen: Einer Lehramtsstudierenden ohne viel praktischer Erfahrung wurde bereits eine Klassenleitung in einer Schule der Sekundarschule angeboten. Ich bezweifle, dass eine Studierende ohne Erstes und Zweites Staatsexamen mehr Qualifikationen mitbringt als ein*e Seiten- oder Quereinsteiger*in.

Völlig absurd wird es, wenn man nun sieht, wie NRW versucht, die freien Primarstufenstellen zu besetzen, nämlich indem man gymnasiale Lehrkräfte bevorzugt für diese Schulform gewinnen möchte. Ich wage zu behaupten, dass eine Lehrkraft, die aus dem gymnasialen Lehrdienst kommt einige pädagogische Probleme mit sechsjährigen Grundschulkindern hätte. Da wäre mir so manche engagierte Erzieherin lieber. Und wofür das Ganze? Für einen Berufsalltag mit beinahe 100% Burn-Out-Garantie?

Ich empfehle allen Personen, die tragik-komödiantische Unterhaltung suchen, eine Auseinandersetzung mit den Bedingungen des Quer- und Seiteneinstiegs ins Lehramt NRW. Das Land indes könnte sich einmal umschauen, wie erfolgreiche Unternehmen ihre Fachkräfte rekrutieren und nachhaltig sichern. Dazu müsste das Bildungssystem aber anders priorisieren. So ist die Lage. – Tobias Zenker

 

5.700€ Einstiegsgehalt sind nicht die Lösung, wenn Lehrkräfte bei gleichbleibendem Stundendeputat immer mehr Aufgaben übernehmen müssen. Eine Verringerung der zu unterrichtenden Stunden ist notwendig, damit Lehrkräfte den heutigen Anforderungen gerecht werden können. Zusammen mit einem extrem fordernden Referendariat sind das die Gründe, die junge Menschen vom Lehrerberuf abhalten. Nicht das ohnehin gute Gehalt. – Valentin Pfalzgraf

 

Unfassbar, wie niemand der zitierten „Fachleute“ auch nur auf die Idee kommt, dass vielleicht das „System Schule“ wie es in Deutschland seit Jahrzehnten von LehrerInnen ertragen werden muss derart krankt, dass es alle (engagierten) Teilnehmer in Krankheit und Burnout treibt! Der Anspruch dem Lehrplan, dem jeweiligen Schulkonzept, dem Senat, den SuS, den fachlichen Anforderungen UND den eigenen Idealen gerecht zu werden, ist schlicht nicht leistbar. „Mehr Freiraum, weniger Verbote“ ist die einzige Zeile, die mir Hoffnung macht. – B. Sgodda

 


 

 

Leserbriefe zu „An einem heißen Tag im Juni zog Gabrielle Lebreton in einem Park ihr Oberteil aus. Dann kam die Polizei“ von Alard von Kittlitz

 

Alard von Kittlitz sieht in Gabrielle Lebreton, die 2021 in Berlin öffentlich ihr T-Shirt auszog und die Brust enthüllte, die „Ikone einer neuen Freiheitsbewegung“. Ihm ist offensichtlich nicht bekannt, dass es vor fünfzig Jahren bereits eine solche Freiheitsbewegung gegeben hat. Dazu möchte ich Folgendes anmerken:

1. In den Siebziger- und Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts waren Frauen ohne Oberteil in Freibädern und Parkanlagen die Regel und nicht die Ausnahme. Ich kann mich micht erinnern, dass Behörden in irgendeiner Form dagegen eingeschritten wären. Ich bezweifle auch, dass Frauen damit gegen eine „geschlechterbasierte Ungleichheit“ oder die „Gewalt des Patriarchats“ kämpfen wollten, wie es jetzt in Berlin angeblich der Fall ist. Von der sexuellen Befreiung versprach man sich viel eher eine Zunahme der allgemeinen Friedfertigkeit und Fiedensliebe.

2. Besonders interessant dürfte aber eine Antwort auf die Frage sein, warum sich das freizügige Verhalten in den nachfolgenden Jahrzehnten bis heute vollständig zurückgebildet hat; vor allem junge Frauen lehnen es ab. Ich vermute, dass der Generationenwechsel eine Rolle gespielt hat – die Töchter sind dem Vorbild ihrer Mütter nicht gefolgt.

3. Meines Wissens sind diese Entwicklungen, die als soziokulturelle Veränderungen größten Ausmaßes eingestuft werden können, nicht erforscht worden Was machen eigentlich die vielen Wissenschaftlerinnen an den fast einhundertfünfzig deutschen Genderprofessuren? Eine wissenschaftliche Grundlage wäre aber nicht schlecht, bevor man die Bajonette aufplanzt und in den geschlechterbasierten Nahkampf geht. Mein Fazit ist: Wenn die öffentliche Enthüllung der weiblichen Brust einen gesellschaftlichen Fortschritt bedeutet, dann waren wir vor einem halben Jahrhundert schon einmal sehr viel weiter. – Dr. Hans Peter Basler

 

Da muss die Gesellschaft wohl nachsitzen. Und mit Blick auf all die Männerplautzen, die mir seit 58 Jahren präsentiert werden, freue ich mich auf befreite sekundäre Geschlechtsmerkmale meiner Geschlechtsgenossinnen. – Annette Haagen

 

Zwischen meinen Wohnort und Berlin liegen 150km und mit dem RE könnte ich in einer guten Stunden diese Distanz überwinden. Aber es würde nichts nützen, ein Ankommen ist unmöglich, da dieses vom Autor beschriebene Berlin (für mich) auf einem anderen Planeten liegt.

Ein Kuturkampf, der sich am Willen festmacht gleiches Recht für beide Geschlechter zu verlangen. Das ist löblich, nur bin ich im Zweifel, ob die Gleichsetzung der männlichen und weiblichen Brust hier das geeignete „Kampfeld“ ist. Es werden in diesem Beitrag große „Keulen“ geschwungen. „wie anständig es eigentlich zugeht im Land des freiheitlich-gleichheitlichen Verfassungspatriotismus“ oder „wo das Patriarchat seine Macht ausübt“.

Das ist mir alles eine Nummer zu groß und auch die Auslegung des Berliner Landes-Antidiskriminierungsgesetzes vermag ich nicht nachzuvollziehen. Frau Lebreton hat (nicht nur in der ZEIT) viel mediale Aufmerksamkeit hergestellt , verfügt vermutlich auch über entsprechende finanzielle Mittel und ist offensichtlich eine Ikone für eine neue Frauenbewegung. Aber wie gesagt, es ist ein anderer Planet. – Marion Habekuß

 

Bei der deutschen Regulierungswut fehlt nur noch die Unterscheidung „Körbchengröße A und B“ erlaubt, „Körbchengröße C und D“ verboten. Was für ein Spaß für die Bademeister, die dann (er) messen sollen, ob noch „B“ oder doch schon „C“! – Ruth Schütz-Mitterhusen

 

Der zitierte § 183 StGB droht nur dem „Mann“ für exhibitionistische Handlungen eine Freiheitsstrafe (!) von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe an. Diese Form der gesetzlichen Diskriminierung erscheint dem Autor nicht einmal erläuterungsbedürftig. Was gäbe es für einen medialen Aufschrei, wenn die Vorschrift einseitig auf Frauen oder gar auf LGBT-Menschen abstellen würde! Derweil fordert die „Ikone einer neuen Freiheitsbewegung“ 10.000 EUR Kompensationsleistung für die rechtlich zweifelhafte Bitte des Ordnungsamts um Busenbedeckung. – Dr. Christopher Woitkewitsch

 

Ich hätte nicht gedacht, daß Berlin zur Hauptstadt der Prüderie aufsteigen möchte. Das wäre ein sehr aus der Zeit gefallener Titel, der mit dem angeblich weltoffenen Selbstverständnis wenig in Einklang stünde. Sechsjährigen Knaben und Mädchen ein Höschen beim Planschen vorzuschreiben ist albern. Auch bei den Erwachsenen ist Badebekleidung, insbesondere beim wirklichen Planschen, eher lästig und recht unnütz. Daß das natürliche „so sein, wie Menschen so sind“ anstößig sein kann, liegt sicher nicht an den Nackten, sondern an der Körperfremdheit der Prüden und ihrem verkorksten Verhältnis zu sich selbst.

Die äußere Anatomie des Menschen, egal welchen Geschlechts, sollte allen Altersstufen so weit vertraut sein, dß sie keine Verwunderung auslöst. Die Argumentation es handele sich um Gleichberechtigung, wenn Frauen „oben ohne“ gehen, finde ich sehr schwach. Nacktheit ist ein Zustand, der Gleichberechtigung nicht nötig hat, denn sie ist eine Form der Gleichheit. Völlig widersinnig ist die Interpretation „Freie Entfaltung der Persönlichkeit – auch von Menschen, die keine nackten Brüste sehen wollen“.

Diese Interpretation stellt „Entfaltung der Persönlichkeit“ auf den Kopf: Anderen etwas zu verbieten ist nicht entfaltend, sondern schrumpfend oder verkümmernd unter autoritären Bedingungen. Entfaltend kann sein, sich von zu engen, überkommenen Normen zu trennen und das eigene Gefühl der Freiheit auch durch Freiheit von Kleidern zu leben. Sich Kleidung zu entledigen kann an sehr heißen Tagen sicherlich sogar vernünftig sein. Diejenigen, die in ihrer Prüderie anderen das Nacktsein vergraulen wollen, sind diejenigen, die Entfaltung nötig haben. Aber nicht im Sinne anderen etwas verbieten zu dürfen, sondern in Selbsterfahrung ihren eigenen Leibern wieder näher zu kommen – sich und andere besser zu akzeptieren.

Das wäre für die Verhemmten wahrscheinlich ein großer Fortschritt. Übrigens ist StGB §183, nicht dadurch erfüllt, daß ein Mann nackt ist. Diese Rechtsvorschrift wird unter dem Titel „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ geführt und enthält den Tatbestand „durch eine exhibitionistische Handlung belästigt“. Das nackte Herumliegen am Strand oder das nackte Spazieren im Wald verstößt nicht gegen sexuelle Selbstbestimmung von zufällig anwesenden. Beim Zustand der Nacktheit fehlt es wohl auch an der aktiven Tat, die zu einer Belästigung gehört. Ich wünsche Berlin (und allen anderen Orten) mehr Freiheit und die dazugehörige Gelassenheit, auch im Umgang mit den Nackten – egal, ob die Leute selbst lieber bekleidet sind oder eben nicht! – Dipl.-Psych. Dr. E. Seibertz

 


 

 

Leserbriefe zu „Hallooo?!“ von Paul Middelhoff

 

Freunde der „Zeit“, vergessen sie Parteien. Menschen werden gewählt und nichts anderes. – Gunter Knauer

 

Wer da so laut HALLO schreit ist FDP Parteichef Lindner.Seine Partei stürzt in den Umfragen ab. Da macht Lindner Krawall, auch mit dem Risiko,die bestehende Ampelkoalition zu sprengen.Was für Krawall ist nich ganz klar.Hauptsache er bleibt nicht bei 3% stecken.Dem Parteilogo, FDP fast 3%.Besser 18%, die sich ein Vorgänger unter die Schuhsohlen klebte. Na dann schaun‘ wir mal ,wie sich das entwickelt. – Hans-Emil Schuster

 

Wenn die FDP sich als eine Partei der Eliten versteht, und der Verdacht drängt sich einem schon länger auf, ist es kein Wunder, wenn der Rest der Wähler, die sich nicht dazu zählen wollen / können, diese Partei immer weniger interessiert. Ihre frühere Bedeutung als liberale Partei hat sie schon lange verloren da sich der Begriff der Freiheit für sie nur noch auf ungeregelte Märkte und / oder die Privilegien von Minderheiten bezog. Auffällig das Buhlen der FDP um die vermeintlichen Anliegen von Autofahrern und der ihr verbundenen Automobilindustrie mit der Ablehnung von Tempolimits und das Aus für Verbrennungsmotoren für 2035 einzuschränken.

Eliten neigen zu korruptem Verhalten. Ein gutes Beispiel bietet die jüngere deutsche Geschichte mit den beiden Diktaturen Hitler-Deutschland und SED Regime der DDR. Das ist natürlich keine deutsche Spezialität, sondern ein universelles Problem aller Staaten. Wenn aber die FDP sich nur noch Eliten oder anderen privilegierte Gruppen andient verliert sie vollends den Charakter einer koalitionsfähigen Partei, die ja bei den heutigen Mehrheitsverhältnissen gezwungen ist, auch sozialen und ökologischen Anforderungen in ihrer Politik einen Stellenwert einzuräumen.

Im Moment sieht es nicht danach aus als ob das Führungspersonal der FDP das unter Lindner begriffen hat da sie immer noch verbissen in den Grenzen einer Klientel-Partei denkt und handelt. Die Bedeutung der Grünen für SPD oder CDU/CSU dagegen wird weiterwachsen und die FDP ganz im politischen Schatten verschwinden lassen. Es wird wahrscheinlich nicht mehr lange dauern bis sich die Verhältnisse zugunsten der Grünen total umkehren, was dazu führen wird, dass die FDP wie ein Komet abstürzt und verglüht. – Klaus Reisdorf

 

Zum Zustand und Auftreten der FDP in der Ampelkoalition fällt mir nur ein: „Besser nicht regieren, als schlecht regieren“. Die FDP täte gut daran, sich nicht länger als Oppositionspartei in der Regierung zu verstehen, sondern im besten liberalen Sinne konstruktive Regierungspolitik zu leisten. Stattdessen stellt sie sich quer, düpiert wahlweise die SPD oder die GRÜNEN und kommt damit beim Wahlvolk nicht gut an: siehe verlorene Landtagswahlen in NRW, Schleswig-Holstein und Saarland. Selbst Agnes Strack-Zimmermann, die doch so engagiert und vehement für die Unterstützung der Ukraine wirbt, koste es was es wolle, bringt der FDP kein Umfragehoch.

Lindners „kontrolliertes Toben“ führt die FDP an den Abgrund. Sollte die FDP an ihrer queren Regierungspolitik festhalten, wird die Ampel es nur unter Selbstverleugnung bis zur nächsten Bundestagswahl schaffen. Die Verlierer werden die SPD und die FDP sein, die nächste Regierung wird dann GRÜN-Schwarz oder Schwarz-Grün sein. – Helga Tillmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Vor den Augen der Welt“ von Claas Oberstadt und Tobias Timm

 

Antisemitismus, Rassismus, Abwertung von Menschen, Beleidigungen – ist keine Erfindung der Neuzeit oder des Internets oder der doucmenta15. Ein kurzer oder langer Blick in die Geschichte der Menschheit genügt, um zu sehen, dass wir uns schon länger mit diesem Problem rumschlagen. Kluge Menschen schreiben in Deutschland gerade kluge Sachen, was man bei der Documenta hätte sehen, sagen und tun können. Was wo wie und warum hätte anders sein sollen und wer wem wann eine Erklärung hätte geben sollen.

Aber: Das Problem sitzt tiefer, nämlich dass Rassismus und Antisemitismus kein Thema nur für rechte Gruppen sind, sondern der linke Aktivismus auch davon durchzogen ist. Versteckter und unauffälliger getarnt. In vielen linken Gruppierungen, egal wo auf der Welt, egal wie künstlerisch oder politisch aktivistisch motiviert, sind die Codes zur Kapitalismuskritik oft mit antisemitischen Bildern verwoben. Nicht der globale Süden und seine Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit ist das Problem, sondern das unreflektierte, auch in linken Kreisen tolerierte Bild, Antisemitismus wird durch Kapitalismuskritik gerechtfertigt.

Aber ist die Entscheidung, dass das „Judensau-Relief“ als Mahnmal (wofür eigentlich genau?) an der Wittenberger Lutherkirche zu belassen, nicht auch eine Verlängerung dieser Codes und wird nicht dadurch weiter ein Bild „der Juden“ zementiert, dass abwertend und diffamierend ist? Könnte das Erbe der Kolonialmacht, nicht nur die Eisenbahn und Bürokratie sein, sondern auch der Antisemitismus sein, der dankbar angenommen wird, denn endlich gibt eine sehr kurze und in der westlichen Welt akzeptierte Erklärung, wer eigentlich Schuld ist an der ungerechten Umverteilung des Geldes.

Wie kann eine positive Kommunikation mit den verschiedenen Ländern dieser Welt gelingen, wie kann ein wirklicher Austausch im Karl Jasperschen oder Ernst Blochschen Sinne funktionieren? Wie kann historischer Kontext über Kulturgrenzen hinweg transportiert werden, wenn es im gleichen Sprachraum wie dem deutschen schon nicht gelingt? Aber wäre all das nicht die Aufgabe der documenta, einen Hallraum für Positionen zu sein, die Kunst vor allem als ästhetische Befassung begreift und nicht reduziert auf eine aktivistische Auseinandersetzung.

Denn der Kunstbegriff ist außerhalb Deutschlands anders definiert, nämlich viel stärker mit rezepientenorientiertem Denken und damit gesicherter Finanzierung verbunden als ein mit öffentlichem Geld geförderte Kunstszene. Ist es dann nicht naheliegend, dass dann einfache, tradierte Codes verwendet werden? Darin liegt die Aufgabe der KuratorInnen:

Künstlerische Arbeiten zu finden und auszustellen, die sich Mühe geben in der Kommunikation mit den unterschiedlichen Kulturen, mutig sind in der Ästhetik und neue Wege für den Austausch zu finden – ohne diffamierend, beleidigend oder abwertend zu sein. Bei aller Aufregung und Wut, das Problem liegt tiefer und sehr nah, nämlich hier bei uns in Deutschland. – Dinesh Kumari Chenchanna

 

Es ist ein Schaden für all die inspirierende Kunst auf der Documenta 2022, schreibt DIE ZEIT. Sehr richtig Und warum? Weil diejenigen die dafür verantwortlich sind, dass das sogenannte ‘ Kunstwerk ‘ mit einem kleinen, aber international sichtbaren und Entsetzen bringenden, hasserfüllten Element nach Deutschland geholt haben. ( ist eigentlich bekannt, dass das Judentum in Indonesien nicht als Religion anerkannt ist?) Ich schäme mich vor meinen Freunden hier. Zum ersten Mal in vielen Jahren. Das Schand Werk muss sofort Deutschland verlassen.

Ich hoffe, dass die Indonesische Gruppe totgeschwiegen wird und die anderen Künstler viel Beifall bekommen. Ich hoffe, dass die Geschäftsführerin der Dokumenta entlassen wird. Dann müssten alle die mitverantwortlich sind Essays und Gedanken abgeben zu Rudolf Vrba’s Buch: Ich kann nicht vergeben. Das hat jetzt nichts mit Moral zu tun sondern damit , sich an die Greuel der SS zu erinnern: Juedische Babies lebendig ins Feuer geworfen oder von deutschen Schäfer Hunden zerfleischt. Und Und Antisemitismus nimmt überall auf der Welt zu Mit großer Besorgnis beobachte ich diese Entwicklung in Deutschland in den letzten 20 Jahren.

Wo bleibt eine Kultur die der Feigheit und Dummheit auch bei vielen unserer jungen Professionellen entgegen tritt? Wie können wir elegant unseren Zorn ausdrücken? Geht leider nicht. Soviele waren plötzlich Charlie Hebdo als eine Figur die Moslems heilig ist verhöhnt wurde. ( Ja, der Terror folgte auf den Fuß und der nächste Terroranschlag in Europa ist schon geplant) Wie gehen wir um mit der Schande dieser Dokumenta?

Hoffentlich bleibt DIE ZEIT am Ball Mein erster Dokumenta Besuch ca 1972, ein Ausflug mit dem Gymnasium, hat mich so erstaunt und bewegt, erbost und angeregt, dass ich bis heute für diesen Besuch dankbar bin Das ist es was Kunst bewirken soll Genau wie Deutschland nie mehr die Erinnerungen an die Nazi Zeit los wird, so wird die Dokumenta nie mehr die Erinnerung an diese Schande los. – Marianne Werner

 

Vielen Dank dafür, dass Sie das Corpus Delicti vollständig präsentierten und erläuterten. Das unterscheidet Sie von vielen Medien, die sich vornehmlich auf die skandalträchtigen Stellen und Interpretationen fokussierten. Fraglos ist es unangemessen, ein solches Wandbild in Deutschland unkommentiert an einem derart prominenten Ort zu präsentieren. Allerdings empfinde ich die Art und Weise, wie dieser Vorfall in der ZEIT und anderen Medien kommentiert wird, ebenso unangemessen, ja geradezu empörend.

Sieht eigentlich niemand, dass dieses Bild nicht gegen Juden, sondern für Indonesier geschaffen wurde? Dass es um Traumata und um die Befreiungsgeschichte eines Volkes geht, das jahrhundertelang von Europäern unterdrückt und ausgebeutet wurde? Ist es wirklich angemessen, ein Bild zu entfernen, weil Details mit den Traumata unserer Geschichte kollidieren?

Wie demütigend muss es für das indonesische Volk sein, wenn das einzige, was an einem solchen Wandbild erwähnenswert erscheint, ein Schrecksymbol des Gastlandes ist? Welchen Sinn hat eine global orientierte Documenta überhaupt, wenn alles nur im Licht unserer Geschichte interpretiert wird? Hängt das Bild wieder auf und stellt es in den richtigen Kontext! – Jürgen Schwab

 

Von Oberflächlichkeit und Zensur: Die von Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Bundespräsident Steinmeier geforderte und durchgesetzte Zensur an dem Banner „People’s Justice“ des Kollektivs Taring Padi ist ein einzigartiger und dramatischer Vorfall politischer Einflussnahme in der Geschichte der documenta. Doch die Einflussnahme geht noch weiter. Roth schlägt eine tiefgreifende Überarbeitung der Strukturen der documenta gGmbH vor, die die zukünftige Einbindung des Bundes und vom Zentralrat der Juden vorzuschlagende Experten vorsieht, was Hessens Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) unterstützt.

Die deutsche Bundesregierung und Vertreter einer Glaubensgemeinschaft als Genehmigungsinstanz für die vermeintlich bedeutendste internationale Ausstellung von Gegenwartskunst? Die Freiheit der Kunst wird unter Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes geschützt und stellt damit ein Grundrecht dar. Das beißt sich und wäre allenfalls durch einen wasserdicht nachgewiesenen Akt extremer antisemitischer Hetze vielleicht einmalig zu rechtfertigen. Aber ist er das? Und dauerhaft bei allen zukünftigen documenta Ausstellungen?

Als Rechtfertigung tauchen in der Diskussion Positionen auf die von (a) genereller antisemitischer Grundeinstellung des Kollektivs Taring Padi über (b) Ursprung des Banners im israelisch-palästinensischen Konflikt, bis hin – ganz selten – zu (c) einer tiefergehenden Ursachenforschung in der Verquickung von Israel in der Diktatur. In der Tat, Indonesien erlebte unter der 31-jährigen blutigen Militärdiktatur von General Suharto einen der schlimmsten Genozide des 20. Jahrhunderts gegen die Kommunistische Partei Indonesiens und andere linksgerichtete Organisationen, und dies mit Unterstützung der Vereinigten Staaten und anderer westlicher Mächte.

Den Massentötungen betrafen über 1 Million Menschen. Unter anderem wurde Suharto auch von israelische Militäroffizieren bezüglich des Transfers von militärischem Gerät und Informationen über kommunistische Untergrundgruppen unterstützt. So kaufte das indonesische Militär bei Israel Military Industries Radargeräte für den präzisen Artilleriebeschuss. Offiziere und Soldaten der indonesischen Armee wurden in Israel in Landüberwachung und verdeckten Operationen ausgebildet. Zudem lieferte Israel 35 Kampfflugzeuge des Typs Douglas A-4 Skyhawk.

Es ist zumindest eine Sichtweise, dass Taring Padi diese Unterstützung des Genozids durch internationale Geheimdienste und israelische Militärindustrielle in ihrem 20 Jahre alten Banner anklagt, und zwar (a) durch Visualisierung von Geheimdiensten und deren Spezialeinheiten mit Helm und Schweinsgesicht und (b) Darstellung von Militärindustriellen, u.a. eines israelischen. Wie erfolgte nun die Analyse dieses Bildes? In der Presse finden sich fast ausnahmslos (a) die Abbildung eines Mosad-Soldats und (b) eines Industriellen mit blutunterlaufenen Augen, Zigarre und Melone, die mit SS-Runen versehen ist, und der durch seine Schläfenlocken (Pejot) als Jude bzw. Israeli dargestellt ist.

Schaut man sich aber das gesamte Bild an, lässt sich aus der Darstellung des Soldaten kein israelischer und schon gar kein jüdischer Fokus ableiten. Insgesamt sind auf dem Bild 12 solcher Soldaten abgebildet, von denen mindestens vier auf ihren Helmen deutlich gekennzeichnet sind KGB (Russland), MI5 (Großbritannien), Mossad (Israel), ASIS (Australien).

Es besteht also keinesfalls eine Fixierung auf Israel und die unvorteilhafte Darstellung als Schweine entspricht der Bildsprache von Taring Padi auf jedem anderen ihrer Banner für unterdrückende Soldaten, Militärpolizei und Kapitalisten. Ein Bezug zur Judensau, wie zum Beispiel dem an der Wittenberger Kirche befindlichen und vom Bundesgerichtshof genehmigten Relief, besteht ganz offensichtlich nicht. Der Industrielle ist durch seine Zigarre und Melone als Industrieller, bzw. in der Wortwahl von Taring Padi als Kapitalist dargestellt; die Schläfenlocken definieren ihn als Juden damit israelischen Industriellen, wie diejenigen, die in die Waffenverkäufe an den Militärdiktator Suharto federführend involviert waren.

Die eigentlichen Auslöser und der staatlich angeordneten Zensur durch Claudia Roth sind die SS-Runen und die blutunterlaufenen Augen. Hier stellt sich die Frage der künstlerischen Freiheit, ob die schizophrene Beteiligung eines Juden (symbolhaft für den Staat Israel und israelische Kapitalisten) an einem Genozid in Anbetracht des selbst erlittenen Genozids unter Hitler-Deutschland darstellenswert ist oder im Sinne einer Aufarbeitung und der erlittenen Massenmorde in Indonesien zumindest toleriert werden muss. Und die blutroten Augen? Sie tauchen auf Fotos des Banners im Internet zumindest nicht konsistent auf.

Kräftiges Rot ist in der Nähe des Kapitalisten vor allem im Gesicht des Horrorclowns (links) und im Barrett des Soldaten (unten) zu sehen, nicht aber in den Augen. Auch tauchen im Internet verschiedene Versionen auf, mit einheitlich rosa oder rosa gepunktetem Hintergrund auf. Ferner ist symbolhaft, dass auf der documenta 14 ebenfalls vor dem Fridericianum des „Parthenon of Books“ der argentinischen Künstlerin Marta Minujin die weltweite Zensur von Büchern anprangerte. Nun wurde an selber Stelle ein Bild der documenta zensiert.

Es hätte an dieser Stelle und im Sinne des lumbung-Konzepts der documenta ein Ort für Transparenz (vielleicht auch harter Diskussion) und wünschenswerter Regeneration zwischen Taring Padi und Juden werden können. Übrigens niemand hat im Zusammenhang mit der Zensur mit Taring Padi gesprochen; auf keinem anderen der gefühlt fast 100 Exponate des Taring Padi-Kollektivs ist auch nur ein Hauch von Antisemitismus zu spüren.

Ich hoffe, dass nach wortlosem Schwarz-Weiß-Denken doch noch Dialog und eine tiefergehende Beschäftigung mit den Wurzeln des Banners „People’s Justice“ einsetzt als der Gruppe nur primitiven Antisemitismus zu unterstellen. Andernfalls könnte es die letzte documenta gewesen sein, die den Namen verdient. – Prof. Dr. med. Harald Schmidt

 


 

 

Leserbriefe zu „Dausend Prozent“ von Peter Dausend

 

Dass fast zwei Drittel der deutschen Beamten dafür sind, dass Frauen sich künftig im Schwimmbädern „oben ohne“ aufhalten dürfen, beweist wieder einmal, dass dieser weithin unterschätzte Berufsstand sich weniger durch das ihm gehässiger Weise angenagelte Brett vor dem Kopf als durch den naturverbundenen offenen Blick auf das Holz vor der Hütte auszeichnet. – Ludwig Engstler-Barocco

 

Ein weiterer Aspekt dürfte die Frage sein, inwieweit dies Druck auf Entblößung ausübt auf alle Frauen, die sich vielleicht nicht komplett ohne ohne zeigen möchten. Z. B. Frauen mittleren Alters wie mich, die sehr gerne schwimmen gehen. Oder jüngere Frauen, die sich noch nicht so wohl in ihrem Körper fühlen.

Viele Männer sind jetzt schon überfordert mit dem, was sie alles zu sehen bekommen. Das wird nicht besser durch nackte Brüste. Ihre Sicht ist – nicht überraschend – sehr männlich geprägt. Nicht schlimm, aber nur die eine Seite der Medaille. Was soll‘s, mehr Respekt im Schwimmbad (und anderswo) wäre von Nöten. Nicht nur aber auch bei Fragen der Bekleidung. Lese (und höre jetzt auch) Ihre Meinung immer gern. – Constanze Kraus

 

Nanu – ist das Gedächtnis der Menschen so kurz oder bin ich (Jahrgang 1954) schon so alt? „Oben ohne“ war in vielen Freibädern Deutschlands schon einmal erlaubt – vor rund 40 Jahren. Denn damals folgten Bäderverwaltungen der Groß- und Universitätsstädte (z. B. Marburg) problemslos (!) dem, was im Zuge der Emanzipation nicht wenige Damen meiner Generation dort ebenso selbstverständlich vollzogen wie an den Meeres/Badeseestränden (und dem Münchener Isarufer). Der „SPIEGEL“ (Ausgabe Nr. 30 v. 24. 7. 1978) gab dieser Zeiterscheinung den Titel „Der befreite Busen“ und sogar die Redaktion des „ZEITMAGAZINS“ erlaubte (z.B. Ausgaben Nr. 50/1980, 14/1986 und 38/1986) heutzutage unvorstellbare Ttelbilder mit „freien“ Damen.

Jedoch: die Minderheit der Mutigen wurde nach und nach wieder „brav“ und die Töchter gingen in Opposition zur Freizügigkeit ihrer Mütter, so dass die besagten Erlaubnisse schlichtweg in Vergessenheit gerieten. Und dies wird auch jetzt spätestens im Herbst wieder passieren: die Badeordnungen werden nun ausschließlich „aus Prinzip“ geändert und laut Umfragen denkt die überwältigende Mehrheit der zeitgenössischen jungen Damen überhaupt nicht daran, von der erteilten Erlaubnis selbst Gebrauch zu machen. Immerhin ist das in heutigen harten Zeiten nun ein harmloses, wenngleich theoretisches Pressethema. – Friedrich Schweikert

 


 

 

Leserbriefe zum Thema „UKRAINE“

 

Haben wirklich alle Medienschaffenden ihre Archive zugesperrt und die Schlüssel weggeworfen? Bei der Berichterstattung über die Ukraine Krise könnte man diesen Eindruck bekommen. Unsere zu 95% westlich orientierten Medien haben 2014 darüber berichtet, wie durch einen Putsch der damals demokratisch gewählte Präsident der Ukraine entmachtet wurde. Unsere Medien haben berichtet, wie ein rechtsnationaler Mob im Parlament ähnliche Verwüstungen anrichtete, wie Trumps schlimme Unterstützer im vergangenen Jahr. Auch in den Westmedien war zu lesen, dass die USA sich diesen Putsch 5 Milliarden Dollar kosten ließ. Verbunden mit dieser illegalen Machtübernahme war neben einer ganzen Reihe anderer diskriminierender Aktionen gegen die russischen Minderheiten im Osten der Ukraine ein Verbot der russischen Sprache in den russischstämmigen Ostgebieten der Ukraine.

Unsere westlichen Medien berichteten 2014 darüber, dass über 2000 Bürgermeister und Kommunalpolitiker der beiden Ostprovinzen sich von dieser ukrainischen Zentralregierung lossagten und ihr Unabhängigkeit erklärten. Was war die Folge? Unsere westlichen Medien haben berichtet, dass die ukrainische Regierung Truppen in diese abtrünnigen Gebiete (in anderem Zusammenhang betrachteten wir solche Bewegungen gerne als Unabhängigkeitsbewegung in) sandte und einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung im Osten vom Zaun brach, der über 14.000 Ukrainer in diesen Gebieten das Leben kostete und ganze Landstriche zerbombte.

Ist das heute alles vergessen? Der Krieg der ukrainischen Regierung gegen das eigene Volk dauert nun über 8 Jahre. Es gab zwei so genannte Minsk-Abkommen. Verhandelt von Frankreich Deutschland Russland und der Ukraine. Die von der Ukraine zugesagte Teilautonomie der Provinzen wurde trotz Unterschrift der Ukraine auf diesen Verträgen niemals angegangen.

Im Gegenteil: sämtliche staatlichen Leistungen wurden eingestellt. Es gab keine Bezahlungen für Staatsangestellte, es gab keine Krankenversicherung, es gab keine Finanzierung von Schulen, es gab kein Geld für Rentner. Man könnte diese Liste beliebig fortsetzen. Das alles haben uns unsere westlich orientierten Medien in den Jahren seit 2014 immer wieder einmal berichtet. Heute will davon anscheinend keiner mehr etwas wissen. Russland hat die beiden abtrünnigen Provinzen übrigens bisher nicht als Staaten anerkannt sondern pocht weiterhin auf eine Autonomie und eine Neutralität diese Provinzen.

Zur endgültigen Verschärfung der Situation trug das Ansinnen der Ukraine bei, der NATO beitreten zu wollen. Hierzu gab es von Seiten der NATO immer nur ausweichende Erklärungen. Noch im Oktober 2021 berichteten unsere Medien darüber, dass der ukrainischer Präsident die restlichen 11 Oppositionsparteien verbieten ließ und sämtliche Nachrichtenmedien auf ein Staats Informationssystem verpflichtete. Ist das ein Staat, der unsere demokratischen Grundwerte repräsentiert, ein Staat, der unter 185 Staaten weltweit auf der Korruptionsskale unter den letzten 15 platziert ist?? Ist das die Demokratie, die wir mit unseren Geldern und vielleicht sogar bald mit unseren Soldaten verteidigen sollen?

Liebe vielbeschworene freie Presse, wachen Sie auf und beginnen Sie wieder objektiv und ausgewogen über diese schlimme Situation zu berichten. Es ist völlig verantwortungslos in jeder zweiten Zeile nach mehr Waffen zu rufen und den Stellvertreterkrieg Amerikas gegen Russland anzuheizen. Jeder, der nach einem möglichen Ziel und Ende des Krieges fragt, wird diffamiert und verächtlich gemacht. Treiben Sie uns bitte nicht weiter in einen möglichen nuklearen Krieg mit dieser, von unehrlicher Moral nur so triefenden Kriegsrhetorik. Sie können sich nicht wirklich darüber wundern, dass der Ruf der Presse in weiten Kreisen der Öffentlichkeit immer mehr leidet. – Heinz-Peter Lehmann

 

Mit der heutigen Ausgabe der Zeit habe ich abgewartet, ob damit meine Zeit als Leser nach fast 50jähriger Treue beendet sein wird. Für mich war es in den letzten Wochen unerträglich, dass „meine Zeit“ seit Beginn des unsäglichen Krieges ihr Bild völlig verändert hat. Plötzlich stellten sich die meisten Autoren auf die Seite der Kriegstreiber und forderten Waffen jeden Kalibers. Egal zu welchem Preis. „Sei‘s drum“ auch dann , wenn der Krieg zu uns überschwappt. Plötzlich wissen die Autoren, dass alles an der vergangenen Ostpolitik falsch war. Sorry, wie gesagt, seit fast 50 Jahren habe ich in der Zeit wenig oder gar keine Kritik an der Ostpolitik mit dem Ziel Wandel durch Handel von Schmidt, Kohl, Schröder und Merkel gehört.

Niemand sprach davon, dass die Ukraine selbstverständlich zur EU und zur Nato gehöre. Wefing, Ulrich, Lau, Meyer u.a., behaupten auch in Talk-Shows, dass dieser Angriffskrieg so wie er kam, zu erwarten war und verteufeln ganz besonders die SPD. So eine unverschämte Heuchelei. Erleichtert kann ich in der heutigen Ausgabe feststellen, dass die Kriegshetze etwas abgeebbt ist. Liegt es daran, dass einige Autoren über ihre Ansicht zum Krieg nachgedacht haben oder einfach daran, dass die „Kriegstreiber“ momentan im Urlaub sind? – Rudolf Mayländer

 

Die symbolischen deutschen Waffenlieferungen mit der Ankündigung, die Ukraine müsse keinen Diktatfrieden akzeptieren, sind an Zynismus kaum zu überbieten. Ein paar Haubitzen für’s Wahlvolk, GENAU wissend, dass diese an der Vernichtung der Ukraine NICHTS ändern. Und nach Vernichtung der Ukraine?? … Na klar: Endlich FRIEDEN! Frieden schaffen ohne Waffen. Es funktioniert. Erleichterung, Freude und Stolz werden einkehren unter Deutschlands Friedensengeln. Und (Grabes-) Ruhe in der Ukraine. Endlich FRIEDEN. – Andreas Schlotmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Wie schlimm wird es?“ von Lisa Nienhaus

 

Der Artikel von Lisa Nienhaus lässt einen Aspekt außen vor, nämlich den Aspekt, daß russisches Gas durch einheimisches ersetzt werden kann, wenn der politische Wille besteht. Unter Niedersachsen sollen riesige Gasvorkommen vorhanden sein, die nur abgebaut werden müssen. M. E. ist die Bundesregierung angesichts der bestehenden Krisenlage hierzu verpflichtet, um für Kriegslagen vorzubeugen.

Denn im Falle eines Krieges mit Russland wird uns dieses nicht mehr beliefern. Die schon jetzt durch Russland vorgenommenen Einschränkungen der Liefermengen sind hierfür schon ein deutlicher Hinweis. Im Kriegsfalle wird Russland versuchen uns von Lieferungen durch andere Länder abzuschneiden, indem Tanker und Pipelines angegriffen werden. Davor schützt nur die Ausbeutung einheimischer Rohstoffe, wie dem Gas unter Niedersachsen. Dies muss jetzt angegangen werden. Dann erübrigen sich auch die Debatten unter den Volkswirten. – Christoph Meißner

 

Die Frage, wie sich ein Gasembargo gegen Russland auf die deutsche Wirtschaft auswirkt, beschäftigt derzeit Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft gleichermaßen. In ihrem Beitrag weist Lisa Nienhaus zu Recht auf die grosse Spannbreite der abgegebenen Prognosen hin, die dazu früh von verschiedenen Seiten erstellt und sehr laut der Öffentlichkeit verkündet wurden. Tatsächlich wird es auch in den Wirtschaftswissenschaften immer üblicher, gerade in Krisenzeiten rasch Prognosen zu wichtigen Fragen zu erstellen und diese möglichst laut einem breiten Publikum kund zu tun.

Knapp fünf Wochen nach Ausbruch des Ukraine-Krieges bereits eine Prognose über den Umfang einer möglichen Rezession abzugeben, die ein kompletter Importstopp von Gas aus Russland für die deutsche Wirtschaft bedeutet, ist bestenfalls mutig, tatsächlich aber vorschnell und wenig seriös, da zur Erstellung sowohl ein geeignetes Modell mit relevanten Details als auch belastbare Zahlen jüngeren Datums fehlten. Dies untermauern die eifrigen Nachbesserungen, die seither stattfinden. Der Beitrag lässt die entscheidende Rolle der Medien bei diesem wichtigen Informationsprozess ausser acht.

Gehört es nicht auch zur Wahrheit, dass viele Medienvertreter gern mit Marktschreiern reden und Ihnen zur nötigen Öffentlichkeit verhelfen, ohne die Belastbarkeit der (viel zu früh) verkündeten Inhalte hinreichend zu überprüfen? Fakt ist, dass manche Wissenschaftler ganz bewusst nicht nur nach bestem Wissen und Gewissen informieren, sondern mit ihren Nachrichten auch politische Ziele verfolgen und dazu auch bereit sind, nicht nur ihre eigene Glaubwürdigkeit, sondern die einer ganzen Profession aufs Spiel zu setzen.

Sie hätten mit ihrer sehr offensiven und in Teilen fragwürdigen Vorgehensweise kaum Erfolg, wenn es nicht genügend Medienvertreter gäbe, die ihnen dazu bereitwillig die Bühne liefern. Belastbare Prognosen zu erstellen erfordert Zeit, aber sie existieren inzwischen. Die Medien haben die Aufgabe, danach Ausschau zu halten statt mitzuhelfen, vorschnell propagierte Zahlen unters Volk zu bringen und damit zur Desinformation beizutragen. – Prof. Monika Merz

 

Der Artikel von Lisa Nienhaus erinnert mich an eine Episode mit ähnlicher Fragestellung. Sie ist vielleicht ein einfaches Beispiel für ein komplexes Problem unserer Gesellschaft. Vor 35 Jahren starteten Greenpeace und andere Umweltorganisationen eine Kampagne gegen die Chlorchemie. Eines ihrer Argumente lautete: Die Hersteller wüssten nicht einmal, wohin ihr Chlor gehe und in welchen Produkten es auftauchte. Der Vorwurf war nicht trivial.

Man konnte zwar in groben Zügen den Weg des Chlors in die Produkte skizzieren, aber der Ariadne-Faden durch das Labyrinth der Prozesse und Stoffe fehlte. Für die BASF bestand die Lösung, die Wege des Chlors im Detail zu verfolgen, darin, in einer Modellkalkulation aller Produkte des Werkes Ludwigshafen den Chlorpreis um den Faktor 10 zu erhöhen. Mit ein paar Kunstgriffen konnten wir dann die Chlor-Relevanz für etliche Tausend der über Zehntausend Produkte detailliert darstellen. Diese Darstellungsmethode wurde verallgemeinert und war ein kleiner Sachbeitrag zur anstehenden Diskussion.

Das Gasembargo betrifft eine um Zehnerpotenzen größere Produktwelt. Und die elektronischen Möglichkeiten der heutigen Modelle sind unvergleichlich viel mächtiger. Aber es geht nicht nur ums Technische und Ökonomische. Soziale, ökologische, rechtliche und politische Wechselwirkungen spielen eine gewaltige Rolle. Das wird in den Medien zu Recht andiskutiert, und ich bewundere Scholz und Habeck wegen des Augenmaßes ihres Vorgehens. Das alberne Gezänk der Star-Ökonomen ist dazu ein starker Kontrast.

Hier zeigt sich die Parallele zu einem für die nahe Zukunft noch bedeutenderem Problem. Wir streben eine Wasserstoffökonomie an, die Kohle, Öl und Erdgas da ersetzen soll, wo Strom das nicht kann. Wir wissen, dass dieser neue Weg gigantische Mengen an Strom und eine riesige Infrastruktur braucht – eine enorme technische Herausforderung; von den Konsequenzen für Umwelt und Gesellschaft ganz zu schweigen. Eine Business-as-Usual-Umstellung, fossil-zu-Wasserstoff, wäre nur für den wohlhabenden Teil der Gesellschaft erschwinglich und mangels Ressourcen auch nur verfügbar. Genau dieses Kernproblem geht aber in der vorherrschenden Kakophonie der „Fachleute“ weitgehend unter.

Die Behandlung des Gasembargos durch die Forschungsinstitute ist wegen der zahlreichen Parallelen vielleicht ein geeignetes Studienobjekt, um Stärken und Schwächen unseres wissenschaftsbasierten Kompasses für eine nachhaltige Zukunft zu erkennen. Da unser Hochrisiko-Geschäftsmodell derzeit eher das Bild einer Scheuklappenökonomie bietet, sollte das nicht dazu veranlassen, unser Wissensmanagement in diesem Bereich zu überdenken? – Hermann Pütter

 


 

 

Leserbriefe zu „Wenn Hitze tötet“ von Kai Biermann et al.

 

Einen solch unwissenschaftlichen Artikel habe ich in der Zeit selten gelesen. Den Sommer in Deutschland als größte Naturkatastrophe zu bezeichnen wo jedes Jahr Millionen von Touristen nach Spaniern, Italien, Griechenland oder die Türkei reisen. Alle Hochkulturen sind in ehr wärmeren Gebieten entstanden, Griechen, Römer,Perser,Araber……! Im Kern ist der Artikel aktivistischer Haltungsjournalismus. – Peter Knappmann

 

Der Artikel ‚Wenn Hitze tötet‘ (DIE ZEIT v. 23.6.22, 2. Seite) atmet eine verstörende Meinungsmache seiner Autorinnen und Autoren. Große Hitze belastet den Organismus. Dies ist eine Binsenweisheit, und jeder umsichtige erwachsene Mensch weiß, dass und wie er seine Belastung bei großer Hitze mindern oder vermeiden kann. Es ist allerdings richtig, dass Hitzewellen häufiger werden und länger dauern. Die Maßnahmen zum eigenen Schutz sind leider öfter und verstärkt zu beachten. Ausschließen kann aber auch ich bei meinem Alter den Tod bei großer Hitze natürlich nicht.

Kein Wort wird jedoch über diese Eigenverantwortung verloren. Vielmehr wird der Schutz der Bevölkerung vor Hitzebelastung als staatliche Aufgabe postuliert und mit einem Unterton der Empörung Ländern und Kommunen eine alarmierende Ignoranz und Untätigkeit vorgeworfen.

Wie sage und schreibe 5 Autorinnen und Autoren angesichts eines Krieges in der Ukraine, einer galoppierenden Inflation einer drohenden Energiekrise und einer nach wie vor schwierigen Corona Lage den Hitzetod allen Ernstes zum zentralen Problem staatlichen >Handelns hochstilisieren, zeugt von einem verstörenden Tunnelblick und Unfähigkeit, eigene Erkenntnisse zu hinterfragen, zu relativieren und in ein Gesamtbild einzuordnen. – Dr. Christian Fischer-Dieskau

 

Aus rechten Kreisen wird gern der Vorwurf der „Lügenpresse“ laut, wenn von den etablierten Zeitungen oder Sendern die Rede ist. Ich halte diese Vorwürfe für diffamierend. Warum? Weil ich ein weitaus größeres Vertrauen in ARD, ZDF, SZ, in meine Regionalzeitung aus der Funke Mediengruppe und eben auch in die ZEIT habe. Freilich, ich finde dort überall Schlampigkeiten oder verstellende Ungenauigkeiten. Das bezeichne ich nicht als Lügen, wenn es auch sehr ärgerlich ist.

Trotzdem sehe ich mein Vertrauen häufig, so auch durch die folgende Fälle, gestört bis erschüttert. Ich halte die Grundaussagen in den Artikeln Wenn Hitze tötet (Wappnung der Behörden gegen Hitzetage) und Ein körperliches und psychische Wrack (Erfassung von Nebenwirkungen) in der ZEIT Nr. 26 vom 23. Juni 2022 durchaus für sehr wichtig!

Trotzdem, was soll ich glauben? „Offiziell stirbt niemand an Hitze“ und, etwas später im Text, „In den Sommern 2015 und 2018 starben bis zu 2000 Menschen mehr an Hitze als im ganzen Jahr im Straßenverkehr“ (Berechnungen des RKI – inoffiziell?). Das widerspricht sich zweifellos. Da trifft etwas nicht zu und geht sehr in Richtung Lüge.

Nebenbei die außerordentlichen Schlampigkeiten, dass Menschen sehr wohl an einem Hitzschlag sterben können (schlecht recherchiert?), dass dem Leser die Zahl der Verkehrstoten (um damit die Zahl der Hitzetoten erst zu berechnen) verschwiegen wird, auch von welchem „ganzen Jahr“ die Rede ist, und dass dem Leser suggeriert wird, dass Verkehrsopfer für die Behörden Gesichter und Namen hätten.

„In einer Parkanlage … – ohne Schatten“. Es mag eine Kleinigkeit sein. Ein Park ohne Schatten – um 18.30 Uhr? Auch hier trifft etwas nicht zu und geht sehr in Richtung Lüge. Der Artikel auf Seite 10 beginnt mit „Zum ersten Mal seit Jahren nahm Andreas Franz ein Arzneimittel zu sich, als er sich am 19.Juli 2021 mit dem Covid-19-Impfstoff von BioNTech impfen ließ“. Anschließend wird geschildert, wie durchtrainiert und ścheinbar gesund Andreas Franz ist. Später im Artikel heißt es „Auch Andreas Franz schluckt insgesamt“, ups, „zehn Medikamente“. Wieder kann etwas nicht zutreffen und geht sehr in Richtung Lüge.

Wie kann ich Ihren Journalisten noch trauen, wenn sich schlechter Journalismus mir bereits durch aufmerksames Lesen offenbart? Ich fürchte, es gibt etliche Artikel, die nur deswegen besser erscheinen, weil man sich beim, pardon, Lügen nicht erwischen lässt. In den beiden Artikeln hätte geschicktes Weglassen gereicht und mein E-Mail wäre nicht geschrieben worden. Ich fürchte, ich sehe nur die Spitze eines Eisberges. Wie kann ich einem Menschen mit eingangs geschilderter Gesinnung noch entgegen treten?

Wie sehen Ihre Journalisten auf ihre ZEIT? Bild-Zeitung für Akademiker? Kommt ja nicht so drauf an, Hauptsache auch wir haben etwas zum empören, wem fällt schon was auf, ein bisschen frisieren wird man ja wohl noch dürfen, muss ja nicht gleich wie beim Relotius laufen. Für Ihre Geduld, die Sie für meine Darlegungen hatten, danke ich Ihnen, und würde mich über eine Stellungnahme freuen. – Thomas Schneider

 


 

 

Leserbriefe zu „VERLASST UNS NICHT!“ von Sebastian Kempkens et al.

 

In zwei größeren Artikeln beschäftigen Sie sich mit der Frage, warum den Unternehmen für „niedere Dienste“ (ich selbst identifiziere mich nicht mit dieser Kategorisierung) die Arbeitskräfte abhanden kommen. Das ist übrigens nicht nur in Deutschland der Fall, Ihre Artikel passen 1:1 auch auf Österreich, wo ich lebe.

Und selbst in Kroatien, von wo früher nicht wenige Arbeitskräfte (saisonal) nach Österreich kamen, werden im dort boomenden Tourismus händeringend Arbeitskräfte gesucht, weil nicht einmal mehr ausreichend Leute etwa aus Bosnien-Herzegowina zu kriegen sind. Also, kein deutsches Phänomen. In Ihren Artikeln werden von den betroffenen Unternehmen und auch von Ihren Redakteur:innen von der Pandemie bis hin zur schlechten Bezahlung viele richtige Argumente für die immer kritischer werdende Situation angeführt. Nur drei nicht:

1. So funktioniert eben der Markt im kapitalistischen (ich meine das gar nicht böse) System. Wenn das (Arbeitsplatz-)Angebot (nicht oder nicht mehr) stimmt, dann gibt es eben seitens der gewünschten Arbeitskräfte keine Nachfrage. Und nun haben wir es eben mit einem Arbeitnehmer-Markt zu tun. DAS ist die Wende. Und, verboten?

2. Bei einer seit langem sinkenden Geburtenrate gehen unvergleichlich mehr junge Menschen in weiterführende Schulen und studieren (was auch immer…) als früher. Ist ja ok, aber: Mit welchem Recht erwartet sich z. B. ein Abiturient aus wohlhabendem Elternhaus, dass auf den Airports dieser Welt ein etwa Gleichaltriger seine Koffer bei sengender Hitze in ein Flugzeug wuchtet und das für einen Stundenlohn den eben dieser Fluggast lässig für einen doofen Cocktail ausgibt. Nur damit er später, nach den Ferien, angeben kann wo er überall gewesen ist und was er dort um einen Spottpreis konsumieren konnte.

3. Viele angenehme Dinge, an die wir uns in den letzten Jahrzehnten gewöhnt haben, sind kein „Naturrecht“. Dazu gehört zuvorderst das Fliegen. Wenn Fahrkarten für mittlere Bahnstrecken teurer sind als Flüge nach „Malle“ (nur damit dort [noch] mehr gesoffen werden kann), dann ist das pervers. Aber auch viele „Events“ waren bisher nur durch die Ausbeutung „niederer Dienstleister“ möglich. Kein Verlust, wenn es künftig weniger „Events“ gibt. Die Liste der Dinge, auf die man in Zukunft verzichten wird müssen, wächst von Tag zu Tag.

Die Menschen, die bisher in diesen (oft fragwürdigen) Branchen gearbeitet haben, werden nämlich ganz woanders dringend gebraucht. Da geht es tatsächlich um Bereiche wo der Begriff „Naturrecht“ eher zutrifft: In der Kranken- und Altenpflege, in sozialen Einrichtungen, für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Dienstleistungsstrukturen wie Wasser, Elektrizität, Entsorgung, und ja, Eisenbahn und und und. Die genannten Einrichtungen brauchen auch ganz dringend Leute.

Und die sind wichtiger als der Steward, der dem Abiturienten seinen Prosecco servieren soll. Punkt. Wie dekadent unsere Gesellschaft geworden ist, zeigt auch Ihr Artikel auf Seite 70/Reise, wo Sie halbseitig über Cocktails in römischen Bars berichten. Hätten Sie nicht Leser:innen, die sich im geschilderten Ambiente solche Drinks leisten können (und goutieren), käme so ein Schmonzes nicht ins Blatt. – Erich Holfeld

 

Die Frage kommt zu spät, wie im Artikel deutlich wird ist genau das schon passiert. Wundern tun sich nur die Leute, die sich über die Arbeit derjenigen die jetzt fehlen keinerlei Gedanken gemacht haben. Die Situation jetzt zeigt, es gibt nicht besonders viele überflüssige Jobs. Leider gibt es viele die nicht fair bezahlt werden. Das günstige Ferienflüge auf Kosten der damit Beschäftigten realisiert werden, wird vielen erst klar, seitdem das günstige Personal coronabedingt bessere Jobs gesucht und gefunden hat.

Alle Airlines und Flughafenbetreiber sollten mal nachrechnen, ob der jetzt mangels Personal entfallene Umsatz / Gewinn in Relation zu den eingesparten Beträgen beim Personal steht. Jeder Ferienflieger sollte sich mal vorstellen, wie es ist, wenn man mit dem Geld der dort Beschäftigten auskommen müßte (da ist dann wahrscheinlich auch der billigste Urlaubsflug über dem Budget). Was nützt fair gehandelter Kaffee aus Südamerika, etc. wenn im Umkehrschluß unfaire Gehälter im eigenen Land akzeptiert werden.

Da wird in Hildesheim ein kommunaler Busbetrieb privatisiert, Folge 30 % weniger Lohn für die Arbeitnehmer (wird für 10 Jahre teilweise ausgeglichen). Die Kommune spart, der Geschäftsführer bekommt dafür ordentlich Provision (für die ersparte Lohnsumme), aus den auskömmlichen Gehältern der Beschäftigten werden in Zukunft im Rentenalter „Aufstocker“ zu Lasten der Allgemeinheit. Politik die das zulässt ist einfach zum Kotzen.

Jetzt wollen die Flughäfen mit ausländischen Mitarbeitern (Türkei, etc.) ihr Funktionspersonal in der Flugabfertigung (Gepäck, etc.) verstärken. Gleichzeitig wird veröffentlicht, dass die Überprüfung für Mitarbeiter im Sicherheitsdient ca. 3 Monate dauert. Das fällt einem schwer zu glauben, liegt das an der Flaschenpost, berittenem Boten, welche Behörde kann denn in so einem Fall so langsam arbeiten? – Heinrich Behre

 

Ich bin Anhänger der Wochenzeiting „Die Zeit“ und lese die Zeit mit großem Vergnügen ! Sie haben mit der Titelgeschichte der Ausgabe No.26 ein in vielen Bereich unseres täglichen Lebens drängendes Problem aufgegriffen und dargestellt. Was ich vermisst habe, ist die Auswirkung des Fachkräftemangels auf das Gesundheitswesen.

Meine Frau und ich, wir betreiben eine allgemeinärztliche und fachärztliche Praxis im Zentrum Münchens. Seit mehr als 5 Jahren sind in unserer Praxis 2 MFA Stellen unbesetzt. Seit 11/2 Jahren ist eine Stelle in der gastroenterologisch-endoskopischen Funktion unbesetzt. Aufgrund des Personalmangels können keine Telefonate mehr zeitgerecht angenommen werden. Vorkurzem konnten binnen 90 Minuten nahezu 100 Telefonat nicht befriedigend beantwortet werden. Ich biete inzwischen meinen Patienten mein Praxishandy als Kontaktstelle für Terminvereinbarungen an.

Als gastroenterologischer Schwerpunktarzt stehen mir zwei Eingriffsräume zur Verfügung, von denen ich aber aufgrund der Personalsituation nur einen Raum betreiben kann. Damit ist meine Leistungsangebot um 50% reduziert. Bei einer zweifachen Coronainfektion meiner Endoskopieassistenz fielen über mehrere Wochen die Endoskopien aus. Mittlerweise werden in München Wartezeiten von 3-4 Monate für eine endoskopische Untersuchung aufgerufen. Wegen einer dringend notwendigen Operation fällt erneut meine Endoskopieassistenz aus, und wieder müssen Endoskopieuntersuchungen abgesagt werden. Damit wachsen die Wartezeiten weiter.

Die offenen MFA Stellen in München erreichen inzwischen die Zahl von 700, Jobsuchende gibt es etwa 100. Eine Weiterbildung von MFA zur gastroenterologisch-endoskopischen Fachkraft der Bayerischen Landesärztekammer wird seit 2 Jahren nicht mehr angeboten und derzeit nicht weitergeführt. Auf diese Weise fehlt neben erfahrenen Bewerberinnen auch der Fachkräftenachwuchs.

Wir haben in mehreren Brandbriefen an die Führung der Bayer Landesärztekammer, die für die MFA Ausbildung zuständig ist, und an die Leitung des Bayerischen Gesundheits- und Pflegeministerium bereits von mehreren Jahren die Mangelsituation beschrieben, und Politik und Standesorganisation zum Handeln aufgerufen. Es ist nichts geschehen. Beim Deutschen Ärztetag im Mai d.J. in Bremen wurde das erste Mal über das Thema diskutiert, und der Eindruck erweckt das Problem bestünde erst jetzt.

Da wie Sie richtig die Situation beschreiben, hat Corona einen hohen Anteil am Personalmangel. Im Gesundheitswesen ist insbesondere durch eine Überlastung des Fachpersonals und die mangelnde Wertschätzung und Anerkennung für die hervorragende Leistung eine Frustration und Demotivation entstanden, die zu einem Verlassen des Berufs für viele Betroffene geführt hat.

In der ambulanten Versorgung sind mehr als 80% der Coronakranken aufopfernd betreut worden, und noch anschließend in den Impfkampagnen mit Impfungen versorgt worden. Die Unwissenheit der Bevölkerung über die Leistungen und Anforderungen des Fachpersonals im Gesundheitswesen trägt entscheidend zur fehlenden Wertschätzung und Anerkennung unseres Fachpersonals bei. Hier gilt es dringend durch Informationen über die Tätigkeiten und Leistungen des medizinischen Fachpersonals Abhilfe zu schaffen.

Sie als angesehenes Wochenmedium können zur Beseitigung dieses Informationsdefizit substantielle Beiträge leisten. Ich würde Sie dringend um die Unterstützung unserer Bemühungen bitten, da bei weiterem Bestehen des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen, Wartezeiten noch länger werden und damit Menschen eine dringend-notwendige ärztliche Leistung nicht erhalten, und in letzter Konsequenz daran versterben werden. – Dr. Berndt Birkner

 


 

 

Leserbriefe zu „Gute Frage. Sollen wir ein gesellschaftliches Pflichtjahr einführen?“ von Hanna Grabbe

 

Frau Grabbe konstatiert zu Unrecht, dass die Generation 65+ unsolidarisch, weil es sie nicht mehr beträfe, ein Pflichtjahr wie von Herrn Steinmeier vorgeschlagen befürwortet. Ganz im Gegenteil: Alle Männer dieser Generation haben ihren Dienst für die Allgemeinheit im Wehr-oder Zivildienst schon geleistet, die Frauen dieser Generation mit der Familienarbeit desgleichen. Die Zustimmung dieser Generation erwächst nicht aus Unsolidarität, sondern aus Überzeugung mit eigener Erfahrung. – Jessica Degen-Heuer

 

Eine Einführung eines sozialen Pflichtjahres ist völlig überflüssig, wenn man die Wehrpflicht und den dazu passenden Ersatzdienst wieder einführen würde. Natürlich wird die Mehrheit derer die es betrifft dagegen sein, was keine Überrraschung ist. Die Verkleinerung des Bundestages scheitert an den gleichen Gründen. Wenn Schweine darüber abstimmen dürfen, von wem und wann sie geschlachtet werden, wäre Schweinefleisch Mangelware.

Die Aussetzung der Wehrpflicht war ein nicht zu entschuldigender Fehler, dem Mainstream von Gutmenschen und hoffnungslosen Friedensphantasten geschuldet. Die Früchte ernten wir jetzt in Form von rechtsextremen Auswüchsen / Vorfällen in der Bundeswehr als Zeit- und Berufssoldatenarmee. Um genau das zu verhindern haben sich die Gründer der Bundesrepublik Deutschland für eine Wehrpflichtarmee entschieden. Der Bürger in Uniform war das beste und kostengünstigste Instrument den „Staat im Staat“ zu kontrollieren und zu verhindern.

Da muß erst ein adeliger Verteidigungsminister im Amt sein, um allen Glauben zu machen, daß das nicht mehr notwendig ist. Die Bundeswehr wurde in dem Zuge kaputt gespart, um jetzt mit einem 100 Mrd. Euro Programm wieder verteidigungsfähig gemacht werden zu müssen. Da hoffen wir mal, dass der mögliche Feind genug Geduld hat mit Angriffen zu warten, bis das Programm gegriffen hat. Da hat unsere politische Vertretung total versagt. Die Finnen zeigen wie man es deutlich besser machen kann.

15 Monate Wehrpflicht sollten das Minimum sein, wenn man ernsthaft mit der Sache umgehen will. Ich habe selbst als Zeitsoldat gedient und die Wehrpflicht von 15 und von 12 Monaten erlebt. Der Generation „Smartphone“ könnte diese Form von „Call of duty“ mal völlig neue Eindrücke der Wirklichkeit vermitteln. Ukrainische Jugendliche und junge Erwachsene haben den Unterschied schon schmerzlich erfahren müssen. Da wäre eine Umfrage wer gegen die Wehrpflicht ist sicher interessant im Vergleich zu hier. – Heinrich Behre

 


 

 

Leserbriefe zu „»Fahren Sie langsam«“. Gespräch mit Fatih Birol geführt von Ingo Malcher

 

Ich nehme Ihren Artikel “ Fahren Sie langsam“ ( ZEIT 26, 23. Juni 2022) zum Anlass, um einen Ärger loszuwerden, der mir schon lange auf der Seele liegt. „Das muss die Regierung entscheiden“ , sagt Herr Birol sinngemäß wiederholt. Gemeint ist ja wohl, dass es die FDP ist, die von der Sinnhaftigkeit mancher Entscheidungen überzeugt werden muss. Warum diese in der Regierung kleinste Partei die Macht hat, notwendige und von Experten empfohlene Entscheidungen ständig zu blockieren, verstehe ich nicht. „Die FDP muss ihr eigenes Profil stärker herausarbeiten“, hat Parteichef Lindner als Leitlinie vorgegeben, nachdem die FDP in den jüngsten Landtagswahlen schlecht abgeschnitten hat.

Ich habe vor Jahren bei einer Landtagswahl der FDP mein Votum gegeben, weil ich der Ansicht war, eine so wichtige Stimme dürfe im Konzert der Parteien nicht untergehen. Inzwischen könnte ich diese Partei nicht mehr wählen, denn ich nehme ihre Politik nur noch als Quertreiberei, Zänkerei und als ideologisch begründete Verhinderung sinnvoller Entscheidungen wahr. Vielleicht sollte Herr Lindner einmal überlegen, ob die FDP nicht deswegen schlecht abgeschnitten hat, weil sie ihr „Eigenes Profil“ nicht genug gezeigt hat; sondern gerade umgekehrt deswegen, weil sie ständig versucht, das, was sie unter ihrem „eigenen Profil“ versteht, unbedingt zeigen und durchdrücken zu wollen.

Vielleicht kommt diese Politik ja nicht nur bei mir als unappetitliches Hickhack und als Zänkerei an. Wünschen würde ich mir eine Politik, die offen genug ist, sinnvolle Entscheidungen zu unterstützen, auch wenn diese nicht dem traditionellen Profil der Partei entsprechen. Gerade hat sich Herr Lindner meine Hochachtung erworben, als er fähig war, die ideologische Leitlinie seiner Partei, auf keinen Fall Schulden zu machen, zu durchbrechen, die Kröte zu schlucken und die Entscheidung treffen, die für unsere Republik im Augenblick nötig ist, nämlich Schulden aufzunehmen, um die Probleme zu lösen, die da sind und die ohne zusätzliches Geld nicht zu lösen sind.. – Ursel Heinz

 

<<Fahren Sie langsam<< Diesen Rat gibt der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA) Fatih Birol den Europäern,um unabhängig vom russischen Gas zu werden. Und autofreie Sonntage.Der Mann hat keine Ahnung von Europa.Denn er schlägt auch vor Atomkraft und Flüssiggas.Kohle hat er vergessen.Aber Atomkraft.Die soll es bringen.Kein weiterer Kommentar. Dann doch lieber Versorgung vom Gassmann im Kreml. – Hans-Emil Schuster

 


 

 

Leserbriefe zu „Von Autokraten lernen“ von Jan-Werner Müller

 

Ich weiß nicht, ob Ihnen das Werk von Hannah Arendt bekannt ist. Darin finden sich eindeutige und für politische Analysen höchst effiziente Definitionen der Autokratie, der Diktatur und des totalitären Staates. Ich bin überrascht, dass Sie in Ihrem Artikel höchst unterschiedliche Nationen, mit sehr unterschiedlichen Regierungsformen in den großen Topf der „Autokratien“ werfen. Durch diese unkorrekte Etikettierung entstehen unzutreffende Analysen der aktuellen politischen Lage und falsche Handlungsableitungen.

Dieser Kardinalfehler hat in weiten Teilen der deutschen Presse und in der Politik (so zeigte sich die Bundesaußenministerin öffentlich empört, nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, denn Herr Putin habe sie „belogen“) zu eklatanten Fehleinschätzungen nicht nur im Ukraine-Konflikt, sondern z.B. auch bei der Unterdrückung der Hongkonger Demokratiebewegung durch China geführt. Russland unter W. Putin ist seit Jahren eine lupenreine Diktatur. Dieser Diktator kündigt Ziele und Vorgehen an. Der Einmarsch in die Ukraine war mit einer hohen Wahrscheinlichkeit vorhersehbar, inklusive der Zeitpunkt (nach den olympischen Spielen im Land des verbündeten Chinas).

Auch Erdogan ist ein Diktator, die Türkei längst zu einer Diktatur geworden. Fatalerweise ist dieses Land immer noch Nato-Mitglied, was bereits in der Vergangenheiten zu enormen Konflikten geführt hat und weiterhin führen wird. Ich denke hierbei an das Zweckbündnis zwischen Russland und der Türkei zur Verhinderung des offiziellen Nato-Beitritts der Schweden und Finnen. China ist ein totalitärer Staat. D.h. auch hier wird dezidiert angekündigt, womit die übrige Welt zu rechnen hat, inklusive einer absehbaren Annexion in Taiwan.

Die übrigen von Ihnen genannten europäischen Länder mögen als Autokratien gelten, denen ein maximaler nationaler Nutzen vor dem Wohlergehen der Europäischen Union steht. Leider versäumen es die wichtigsten EU-Länder (wie die übrigen Nato-Mitglieder in Bezug auf die Türkei) entsprechende Sanktionen bis hin zum Ausschluss aus der europäischen Wertegemeinschaft durchzuführen. Die fatalen Folgen waren, sind und werden zu beobachten sein. – Dr. med. Th. Lukowski

 

Sehr lesenswerter Artikel, aber die Aussage: “Dass man in den USA Luxusimmobilien mit Bargeld kaufen kann, ohne jegliche Prüfung, ob es sich vielleicht um dirty money handelt”… ist bestenfalls halbwahr, da die entsprechenden Millionenbetraege in bar (!) sehr wohl den Banken / Behörden gemeldet werden muessen, die diese Informationen an staatliche Aufsichtsbehörden weitergeben muessen. Das gleiche gilt fuer teure Auto- und Juwelenkaeufe, ab US$ 10.000 . – H. Peter Krebs

 


 

 

Leserbriefe zu „Sind wir durch?“ von Mariam Lau

 

Das hoffen wir doch alle, und es sieht doch eig. sehr danach aus. Somit werden wir im Herbst weniger ein medizinisches, wohl aber ein politisches Problem bekommen. 90.000 Neuinfektionen pro Tag. Warum ist das so interessant? Wichtig sind die derzeit 810 Patienten auf der Intensiv. Warum wissen wir das? Weil wir heute dauernd unsere Nasen mit den Stäbchen putzen, anstatt mit dem Taschentuch, so wie wir es früher gemacht haben.

Da hatten wir sicherlich die gleichen „Zahlen“, aber wir wussten das einfach nicht. Niemand kam auf die verrückte Idee, die Bevölkerung dauernd auf Adeno- oder Rhinoviren zu testen. Wie oft musste man in der Zeitung über prominente Personen lesen, die verstorben sind, dass sie an einer Lungenentzündung gestorben sind! Auch im Sommer! Es hat niemanden aufgeregt.

Die neuen Omikronvarianten machen was Ansteckungshäufigkeit und -intensität anbelangt, keinen Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften. Der Ruf nach einer 4. Impfung erschließt sich mir daher überhaupt nicht. Im Herbst wird es wieder ums Rechthaben und um Posten und Karrieren gehen. Das sollte uns Sorgen bereiten, denn das bedeutet nichts Gutes für unsere Grundrechte und unseren Rechtsstaat! – Dr. med. Martin Krivacek

 

Einen Schleimhautübertragungsschutz baut man laut Herrn Drosten also auf, indem „man sich auf der Basis eines guten Impfschutzes mehrmals ansteckt“. Die Regierung arbeitet an Maßnahmen um Infektionen zu vermeiden, z.B. mit Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und dergleichen. Und warum? Weil die Ungeimpften vor den Folgen ihres eigenen Willens geschützt werden sollen. Ich könnte behaupten, ich hätte zwei Jahre lang Solidarität geübt und mich an alle Auflagen gehalten.

Stimmt nicht. Ich war zu alt, um allem gelassen entgegen zu sehen und zu jung um schon impfberechtigt zu sein. Ich habe lange Selbstschutz betreiben müssen. Und nun soll ich die Vervollkommnung meines Impfschutzes torpedieren, indem ich jeder Infektion aus dem Weg gehe? Dabei ist doch klar, dass ich die Begegnung mit dem Virus nur hinauszögern kann, aber nicht verhindern. Dann bitte jetzt, denn nächstes Jahr bin ich noch ein Jahr älter und mein Impfschutz auch. – Hans List

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Erschöpften“ von Peter Dausend

 

Mir tun die heutigen Politiker auch leid, aber ein wenig Schuld sind schon selbst. Sie spielen eine Problemlösungskompetenz vor, die gar nicht möglich ist. Ein aktuelles Beispiel: jeder weiß, dass die Energie in Zukunft nie mehr so billig sein kann wie gestern, aber alle tun so, als könnte der Staat dies ändern oder zumindest „abfedern“ für die, die es nötig haben, also für alle. – Peter Pielmeier

 

Vielen Dank für den o.g. Artikel, der ein gutes Schlaglicht auf eine wichtige Problematik wirft, die unsere demokratischen Politiker mit anderen Menschen und Berufen teilen, von denen sie vielfach aber wohl besonders betroffen sind: Zustände von Erschöpfung, BurnOut, Depression und Ängsten.

Angesichts der groß Teils ursächlichen Myriaden von Beschimpfungen, Beleidigungen und sogar Drohungen gegen Politiker wie auch Aktivisten ohne Amt oder Macht, meist in den a-sozialen Medien u. z.T. resultierend aus quasi Zauberei erfordernden oder widersprüchlichen Erwartungen und deren oft egozentrischen oder gruppenegoistischen Priorisierung ist es fast unerträglich, wie wenig die Opfer von Polizei, Justiz u. z.T. anderen politischen Kräften und Medien geschützt werden oder werden können angesichts des Mangels an personellen und sonstigen Ressourcen und z. T. Befugnissen.

Dies besonders, da es ja nicht nur hoch bezahlte, sondern genauso ehrenamtliche aktive trifft. Ich denke, es wäre einen weiteren Artikel wert, sich Gedanken über Änderungen und Vorbeugungs-Strategien dieses Missstands und mehr Schutz der betroffenen zu machen: Dazu gehören wohl unter anderem folgende Möglichkeiten, die zu betrachten oder erwägen wären:

1. Mehr Bildung, bereits in der Schule, aber auch für Erwachsene, mit Aufklärungen über die Aufgaben, Probleme, Möglichkeiten, aber auch eben Unmöglichkeiten und Dilemmata der Amtsträger und sonstigen Einfluss-Personen. Dabei sollte auch die Fähigkeit und Bereitschaft gefördert werden, sich neben den eigenen (oder gruppen-eigenen) Interessen und Rechten auch über die ggf. in Konkurrenz stehenden Interessen, Rechte und Belastbarkeiten anderer bewusst und (selbst-)kritikfähig zu werden. Dazu natürlich die nötige minimale Toleranz

2. Bessere personelle und materielle Ausstattung und Befugnisse von Pollzei und Justiz, um den betroffenen mehr als mit Beileidsbekundungen zu helfen. 3. Aufdeckung und wo möglich auch Bekämpfung von systematischen und organisierten Desinformations-Kampagnen, sei es durch Kriminelle oder Feinde der Demokratie, nicht zuletzt diktatorische übergriffige Geheimdienste.

3. Seitens der betroffenen Politiker selbst vielleicht auch eine Art „Flucht nach vorn“: Aufhören, in Aussicht zu stellen, als könne oder gar müsse man alles für alle erreichen und das noch ohne zusätzliche Kosten für die Bürger, sondern mehr entwaffnende Ehrlichkeit, dass man eben nicht alle Wünsche gleichzeitig erfüllen oder „zaubern“ könne und „Wunder etwas länger“ dauern angesichts der massiven mehrfachen Krisen und deren Vorbeugungs-Vernachlässigung in der Vergangenheit und der oft miteinander unvereinbaren Wünsche von den verschiedenen Seiten 5. Unterstützung der bisherigen, Punkte seitens der Medien, womit Sie und Ihre Kollegen ja schon gute Anfänge gemacht haben. – Dr. Peter Selmke

 


 

 

Leserbriefe zu „»Wer gut ist, wird vernichtet«“. Gespräch mit Viktor Martinowitsch geführt von Peter Kümmel

 

Viktor Martinowitsch macht in seinem Artikel deutlich klar, was wir von Putin zu erwarten haben. Sein Drang nach Rache bezieht sich auf damals erlittene Demütigungen, den Zerfall der Sowjetunion. In den russischen Medien hört man jetzt :“Ein Nuklearkrieg wird nicht das Ende der Welt bedeuten. Nuklearkrieg ist eine plausible Möglichkeit – man muss nur den Erstschlag ausführen“. Es klingt glaubhaft, wenn Putin Litauen angreift, die Nato nicht reagieren werden. Angst als oberste Waffe !

Beim russisch-ukrainischen Krieg geht es um die Zukunft Europas. Umso unverständlicher, dass die Türkei als Mitglied der Nato dem Beitritt von Finnland und Schweden verweigern will ! Der Nato Gipfel am 29. Juni in Madrid droht zu scheitern ! Finnland und Schweden wären dann ohne Schutz vor Russland. Erdogans Willkür und Berechnung bedroht damit auch die anderen Ostblockstaaten. Eine gefährliche Situation – wie geschaffen für Putin ! – H. Justin

 

Als ob es hierzulande nicht BMW-Fahrer gäbe, die im „Arschloch-Benehmen“ regelwidrig die Spur wechseln wie es ihnen passt. Wer gut ist, wird auch hier mitunter vernichtet. Und wurde es schon zur Zeit der schneidigen Schmidt-Demokratie. Nämlich ich als Architekt, der einen bundesweiten Wettbewerb gewann, den Auftrag erhielt und wieder aufgeben musste, Weil der Bauherr, die Bundesrepublik Deutschland, versuchte, mich zu vernichten. Durch einen Staatssekretär, der mir einmal brüllend verkündete, meinen preisgekrönten Entwurf derart abändern zu wollen, dass ich ihn nicht wiedererkennen würde.

Mir angedroht im Jahr 1976 im Städtebauministerium Bonn. Das hat der mit mir aber nicht gemacht, ich kündigte vorher. Worauf das ausstehende Honorar nicht und nie mehr bezahlt wurde, mein Entwurf ohne meine Zustimmung von einem anderen Büro ausgeführt wurde. Nie mehr habe ich mich davon erholt, aber ich wurde nachhaltig vernichtet. Schon oft beklagt, immer totgeschwiegen. Nuklearwaffen hat der Westen auch. Mehr als Russland. In der Schule musste man früher auch schon mal auf dem Boden den Atomschlag üben.

Und als Nachkriegskind fürchtete ich mich, wenn die Leute im Ort immer „mit dem Russ´“ drohten. Hatte man was verbockt, hieß es: „wart bloß, der Russ´ kommt“. Jetzt geht das schon wieder los. Als ob der Westen nicht Hundertausende von Toten auf dem Gewissen hätte. Nord-Korea, Vietnam, Kambodscha, Irak, Afghanistan. Und nicht als erste und einzige Großmacht Atombomben abgeworfen hätte. – Axel Spellenberg

 


 

 

Leserbrief zu „Die Klage“ von Evelyn Finger und Holger Stark

 

Es ist der ZEIT hoch anzurechnen, dass sie sich so engagiert und nachhaltig zum Anwalt der weitgehend allein gelassenen Opfer widerwärtigster und verabscheuungswürdigster Verbrechen macht, die seelenmordende Priester an unschuldigen, ihrer Obhut anvertrauten Kindern begehen. Die Täter und die solchen Untaten Vorschub leistenden oder sie nicht unterbindenden Vorgesetzten müssen mit allen Mitteln strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. – Ludwig Engstler-Barocco

 


 

 

Leserbrief zu „Schulterschluss war gestern“ von Simone Brunner und Olivia Kortas

 

War gestern. Wie überzeugend, ist Ihr Foto von Wolodymir Arjew? Digital an einer Ausschusssitzung teilnehmen, an einem Tisch sitzend, auf dem zwei volle Pasta Teller stehen? Ich finde das befremdlich. – Heidi Lewis

 


 

 

Leserbrief zu „Der Zeitgeist gefällt sich in seiner Weltoffenheit“ von Natan Sznaider

 

Seit Jahrzehnten setze ich mich aktiv dafür ein, dass Schicksale jüdischer Menschen in Deutschland nicht in Vergessenheit geraten und die Verbrechen der NS-Diktatur im gesellschaftlichen Bewusstsein bleiben. Entsprechend bleibt der Anspruch wichtig: Jüdische Menschen müssen in Israel sicher und selbst bestimmt leben können. Dennoch habe ich Fragen an den Text von Nathan Sznaider: Der Autor beschreibt Israel als ethnischen Staat, der nicht auf politischer Gleichheit zwischen arabischen und jüdischen Staatsbürgern beruhe und spricht von tiefgreifender Ungleichheit in den besetzten Gebieten. Dabei scheint Sznaider „Gleichheit“ als Phänomen eines modernistischen Zeitgeistes aufzufassen:

„..Gleichheit als oberstes Gesetz, Gleichheit als Prinzip und auch Gleichheit als Leidenschaft, die eigentlich nie befriedigt werden kann.“ Kann man die jahrzehntelangen schweren Verletzungen des Völkerrechtes und elementarer Menschenrechte in den besetzten Gebieten wirklich mit dem harmlosen Begriff „Ungleichheit“ umschreiben?

Lässt sich der Anspruch unseres Grundgesetzes nach der Unantastbarkeit der Würde aller Menschen als Zeitgeist einer fortschrittlichen Welt klein reden? Die Probleme in Israel sind komplex und vielschichtig, einfache Lösungen sind nicht in Sicht. Dennoch erscheint mir die Beschreibung Sznaiders unterkomplex. – Klaus Knoche

 


 

 

Leserbrief zu „Leicht zerbrechlich“ von Carolin Rückl

 

Man erfährt,das bayrische Tetrau lebt von der Glasindustrie-und die braucht russisches Gas. Wieso muss es unbedingt Russisches Gas sein? Der Gasmann im Kreml ist nicht so envogue zur Zeit,aber andere Versorger liefern auch Gas.Was soll die Aufregung? – Hans-Emil Schuster

 


 

 

Leserbrief zu „Er stahl nicht nur die Herzen“ von Jens Balzer

 

Eine Hollywood Schmonzette erzählt von Elvis Presley,dem King of Rock’Roll. Presley bewunderte wie die schwarzen Mitbürger Amerikas mit Blues und Gospel lebten. Und er soll das kopiert haben.Der Titel des Artikels „Er stahl nicht nur die Herzen“ lässt eine Verbindung zu Diebstahl zu. Schluss mit Un diesem Unfug.Wichtiger ist doch,dass Elvis,von der US Army rekrutiert,es bis zum Sargent schaffte. Und bei der US Army wird nichts verschenkt,auch wenn man Presley heisst. – Hans-Emil Schuster

 


 

 

Leserbrief zu „Nato: Dürfen die Schweden und Finnen rein?“ von Michael Thumann

 

Das Verhalten des türkischen Präsidenten muss als bündnisschädigend gewertet werden; es ist klar gegen die Interessen der NATO-Bündnispartner gerichtet und dient sogar den Interessen des Aggressors Putin. Bündnisschädigendes Verhalten eines Mitglieds muss sanktioniert werden können ?! Reaktion in 3 Stufen : 1. Öffentliche Stellungnahme der NATO (-Mitglieder) : Zweifel an der Verlässlichkeit / Bündnistreue des Partners Türkei (s.o. und der Kauf russischer Militärtechnik in der Vergangenheit) mit den möglichen Konsequenzen : 2. Aussetzen des Stimmrechts. 3. Ausschluss aus der NATO. Eine solche Reaktion hätte auch einen entsprechenden innenpolitischen Effekt für den türkischen Präsidenten. – Ellen Salman

 


 

 

Leserbrief zu „Bedrohliche Szenarien“ von Mark Schieritz

 

Stehen die beiden Zitate nicht im Widerspruch zu einander? „Die Verzinsung bereits ausgegebener und an der Börse gehandelter italienischer Staatsanleihen ist von einem Prozent im vergangenen Dezember auf zuletzt knapp vier Prozent gestiegen.“ „Es fallen also nur auf die neu ausgegebenen Anleihen höhere Zinsen an – und die machen nur einen kleinen Teil der Gesamtverschuldung aus.“ Nur den 2. Satz verstehe ich; denn bei den alten dürfte es ja wohl keine Zinsgleitklausel geben. Bitte um Aufklärung. Danke. – Heinz-Dieter Busch

 


 

 

Leserbrief zu „Jetzt mal im Ernst“ von Anna-Kathrin Nezik

 

In der Zeit vom 23.06.2022 ist ein Artikel von Ann-Kathrin Nezik erschienen: Jetzt mal im Ernst. Thema: Urheberrecht im Filmbereich. Streit zwischen Anika Decker und Til Schweiger / Verleih. Viele Befindlichkeiten, wenig Fakten. Vor allem, das entscheidende Thema fehlt: § 36 UrhG § 36 UrhG wird als „Bestsellerparagraph“ bezeichnet. Er gewährleistet dem Urheber gegenüber dem Inhaber der Nutzungsrechte einen Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung in der Folgezeit. Dies ist überwiegend dann gegeben, wenn Pauschalvergütungen vereinbart worden sind, das Werk sich aber als ein Bestseller entpuppt hat.

Was ich mich frage, warum wird das nicht erwähnt? Unwissenheit? Google nicht gefragt? Mangelnde Recherche? Eitelkeiten? Ich hatte selber mit dem Thema zu tun, weil ich das Buch zum Film ‚Jenseits der Stille‘ geschrieben habe, gegen eine Pauschalvergütung von DM 10.000.- in 4 Wochen, und das sich wohl sehr gut verkauft hat, ich da aber nicht energisch genug nachgehakt habe. Mit etwas Recherche läßt sich relativ einfach herausfinden, was die vermutlichen Erlöse waren, und, Mathematik läßt grüßen, auch der proportionale Anspruch des Drehbuchautors läßt sich so ziemlich schnell ermitteln.

Wenn der Film 4.2 Mio gekostet hat, und das Drehbuch 50 k, dann sind das etwas mehr als 1%. Wenn der Film 70 Mio erlöst hat, wären das, bei einer niedrigen Beteiligung von 1% 700.000 EUR. Warum wird nicht viel mehr Fakten gesprochen, als über weinende Frauen? Und zudem noch von einer Frau geschrieben. – arno meyer zu küingdorf

 


 

 

Leserbrief zu „ABSTURZ“ von Heike Buchter

 

Im oben genannten Artikel in der aktuellen Zeit wird der Werbespruch: „Fortune favors the brave“ übersetzt mit „Dem Tüchtigen hilft das Glück.“. Wortwörtlich mag es so übersetzbar sein, aber in dem Gesamtkontext und allgemein als Sprichwort ist damit doch was erheblich anderes gemeint. Eher in etwa: „Erfolg haben die Mutigen/, die die Risiko eingehen.“ Darauf wollte ich die Redaktion einmal aufmerksam machen und hoffe, dass ich das auf den richtigen Weg gemacht habe. – Lennart Moenikes

 


 

 

Leserbrief zu „ZEITSPRUNG. Beuys’ Bäume“

 

Das waren halt noch „harmlose“ Zeiten, als da ein Joseph Beuys nach Kassel zur documenta auszog, um eine „handvoll“ Eichenbäumchen zu pflanzen. Damals, wir schreiben gerade das Jahr 1982, da gab es auch sehr große Bedenken, was wohl am Bäumepflanzen überhaupt Kunst sein soll! Damals, da war die Welt irgendwie sehr kleinkariert, heutzutage, da gibt man sich eher großspurig großkariert, ist jedoch verklempter denn je, und wittert deshalb bei jeder Kunstaktion sofort eine Groß-Diskriminierung dahinter.

Die Freiheit der Kunst hat längst ihre Freiheit aufgegeben und geopfert, aber nur um des Friedenswillen, denn ein staatlich angeordnetes Anecken, das wäre wahrlich nicht im Sinne des Erfinders der Kunst und auch ziemlich deplaziert. Wir sollten nach über zwei Jahren Pandemie, mit dem weitermachen, was wir bis zur Perfektion durchexerziert haben, nämlich einfach nur das Pandemiespiel nach allen Regeln der Pandemiekunst weiterspielen, dann wären wir auf der ganz sicheren Seite. – Klaus P. Jaworek

 


 

 

Leserbrief zu „Große Ferien“ von Pia Bublies (Illustration) und Josefa Raschendorfer (Recherche) in ZEIT leo, die Seite für Kinder

 

Im Kopf des Schaubildes wird der Begriff Große Ferien in bekannten Weltsprachen und auch – sehr richtig, Ukrainisch – gedruckt. Aber die Sprache eines anderen großen, auch europäischen Staates mit 147 Mio Einwohnern, davon ca. 20% Kinder/Jugendliche bis 18 Jahre, ist nicht dabei. Soll man die Menschen in Russland durch Sprachtentzug dafür bestrafen, dass sie einen Kriegsverbrecher als Präsidenten leider nicht verhindern können ? – Hartmut Wagener

 


 

 

Leserbrief zu „Arbeitskampf um Menschenleben“ von Hanna Grabbe

 

Eine Wunde „entzündet sich“ immer. Einzige Ausnahme: Der Patient ist tot. Sie meinen sicher die Infektion, die eine ohnehin bestehende Entzündung verschlimmert. Aber im Ressort Wissen der Zeit erwarte ich nicht die Ausdrucksweise, die unter Laien durchaus üblich ist, sondern eine korrekte Darstellung. – Dr. Peter Scheibl

 


 

 

Leserbrief zu „Auf seinem Tisch lag ein Stock“ von Paul J. Hildebrandt

 

Ich weiß fast nicht mehr, was ich zum Inhalt dieses Artikels noch sagen soll. Abstoßend, widerlich, unfassbar! Und damit meine ich nicht nur das Verhalten dieses „Professors“, sondern auch das der Universität Göttingen und ihrer Verantwortlichen. Wie kann es bitte sein, dass jemand offiziell Verurteiltes weiter Beamtengehalt einstreicht? Wie kann es sein, dass ein Mann mit so einem strafbaren Verhalten durchkommt, ohne ernsthafte Konsequenzen zu erhalten, während seine Opfer aus Angst das Land verlassen wollen? Das macht mich wirklich fassungslos, als Frau und als Bürgerin dieses Landes.

Aber das Allerschlimmste sind in meinen Augen nicht die Taten dieses Widerlings, sondern die empathielos-egoistische Nicht-Reaktion von Universitätsleitung und Co. Wie alle nur wieder darauf bedacht sind, sich vermeintlich gesichtswahrend aus der Affäre zu ziehen, a la Pilatus „Ich wasche meine Hände in Unschuld“. Vorneherum wird freundlich getan, die Uni schmückt und preist sich selbst als „Exzellenz-Universität“, doch Menschlichkeit gibt es in diesem Betrieb scheinbar nicht.

Sobald etwas die perfekte Fassade anrührt, dreht sich jede/r weg, anstatt den Opfern Beistand und Unterstützung zu leisten. Das Schweigen der Verantwortlichen bis zum heutigen Tage dröhnt lauter als jedes Wort, das hätte gesagt werden können. Ein schockierend, wie ekelhaftes Verhalten. An solch einer Universität sollte wirklich niemand mehr studieren oder arbeiten wollen. – Julia Molina

 


 

 

Leserbrief zu „Organisiert wie ein Kinderladen“ von Thomas E. Schmidt

 

Die Documenta muss aus jedem, insbesondere politischen Blickwinkel problematisch erscheinen und auch problematisch sein, will sie eine weitere Berechtigung begründen. Denn sowohl die aktuelle Diskussion oder die Rechtmäßigkeit von Argumenten bewegen sich eindeutig innerhalb der Kunstfreiheit. Man kann sich zwar, wie Schmidt es versucht, mit der eigenartigen, weil positionsfreie Beschreibung von Sachverhalte bescheiden zeigen. Doch dieser Versuch von „Neutralität“ gerät wegen seiner Subjektivität erst recht zu einer zweifelhaften Gewichtung von antisemitischen Klischees.

Der Beitrag versagt als philosophisch-soziologisches Feuilleton, weil es lediglich ein Problem bewertet, das sich hierzulande und in diesen Tage in bekannter Manier gesellschaftlich kristallisiert. Die verhohlene Forderung nach stärkerer politischer Einflussnahme im Sinne der unglücklich handelnden Staatsministerin Roth belegt die völlige Unverhältnismäßigkeit der Aufregung. – Jürgen Dressler

 


 

 

Leserbrief zu „Sorry, Deniz“ von Maxim Biller

 

Von G. (nicht K.) Marx stammt der Satz: “ Ich würde nie Mitglied eines Clubs werden, der bereit wäre, mich als Mitglied zu akzeptieren.“ Ich liebe die Marx-Brothers. Zugegebenermaßen ist das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen, betrifft es doch die Reaktion von Groucho Marx auf das Aufnahmeangebot eines Golfclubs, der ihn auf Grund seiner jüdischen Abstammung zuerst abgelehnt hatte. Aber es ist mir zu Ihren Zeilen spontan eingefallen. Und Ihre Artikel (ob in der „SZ“ oder in „Die Zeit“) heben sich vom intellektuellen Einheitsbrei sehr wohltuend ab. – Dr. med. Th. Lukowski

 


 

 

Leserbrief zu „Wiedervereinigung – jetzt!“ von Iris Radisch

 

Mit Interesse, aber auch mit einiger Verwunderung habe ich Ihren Artikel Wiedervereinigung Jetzt! in der jüngsten Nummer der ZEIT gelesen. Ich bin literarische Übersetzerin aus dem Englischen, gehöre seit 22 Jahren dem PEN-Zentrums Deutschland an und war von 2006 bis 2013 Mitglied seines Präsidiums, zuletzt über zwei Amtszeiten als Vizepräsidentin und Beauftragte für Writers in Exile.

An der Jahrestagung in Gotha habe ich physisch, nicht virtuell, teilgenommen und kann mich nicht erinnern, Sie dort unter den akkreditierten Journalisten gesehen zu haben. Dennoch verfügen Sie offenbar über Informationen bezüglich der Spaltung des PEN. Aus welchen Quellen, das verraten Sie uns nicht, wer jedoch mit der Materie vertraut ist, dem springt sofort ins Auge, dass Sie für Ihren Artikel kaum eigene Recherchen angestellt haben dürften, sondern Dinge weiterverbreiten, die Sie vom Hörensagen wissen.

Julia Franck etwa, die daheim am Bildschirm zusah, nannte die Versammlung „ein Höllenspektakel“, vermutlich, weil sie wie die meisten anderen Online-Teilnehmer und wie übrigens auch viele Leute im Saal, in dem in der Tat chaotischen und wahrlich nicht schönen Anfang der Tagung bereits einen brachialen Versuch sah, den Präsidenten Deniz Yücel zu stürzen, noch ehe er auch nur die Chance hatte, die Mitglieder zu begrüßen und die Tagung offiziell zu eröffnen.

Fakt ist jedoch, dass das Präsidium es versäumt hatte, die Einladung nach Gotha fristgerecht und an alle Mitglieder gleichzeitig zu versenden. Das betraf vornehmlich, aber nicht nur, einige unserer hochbetagten, nicht digital vernetzten Kollegen. Auch die Antragsfrist war vom Präsidium nicht eingehalten worden, was insbesondere für den von um die 70 namhaften Autorinnen und Autoren unterzeichneten Antrag des Beisitzers Konstantin Küspert galt, die Versammlung möge dem Präsidium gleich zu Anfang der Tagung das Vertrauen aussprechen. Man mag es lächerlich und vereinsmeierisch finden, solche Formalien zu beanstanden, aber wie jeder Verein, so hat auch der PEN eine – übrigens von der Mitgliederversammlung demokratisch beschlossene – Satzung, gegen die im Fall der Gothaer Tagung gleich mehrfach verstoßen wurde.

(Selbst die Entscheidung, die Tagung hybrid durchzuführen, war nicht satzungsgerecht, wurde aber auch von der oppositionellen Gruppe, der ich angehöre und die den Antrag auf Abwahl des Präsidiums fristgerecht gestellt hatte, nicht beanstandet, weil auch wir wollten, dass möglichst vielen Mitgliedern die Möglichkeit gegeben wird, über die weiteren Geschicke unseres Vereins zu entscheiden. Hätte indes auch nur ein Einziger diese Versäumnisse vor das Vereinsgericht gebracht und hätte dieses dann – was sehr ernsthaft zu befürchten war – die ganze Tagung für ungültig erklärt, wären womöglich hohe Schadensersatzforderungen an den Verein gestellt worden, etwa für Reise- und Übernachtungskosten von über 100 angereisten Mitgliedern. So etwas kann freilich in einem dezentralen Verein nur schwer in Voraus kommuniziert werden.

Zwei unserer Mitglieder, die Autoren und zugleich Juristen sind, haben sich vorab bei einem Vereinsrechtler kundig gemacht, der ihnen dringend geraten hat, die genannten Mängel gleich zu Anfang der Tagung, noch vor der Feststellung der Beschlussfähigkeit, formal zu rügen. Das taten sie, und es wurde von nicht allen im Saal und vermutlich von fast niemandem, der online zusah, verstanden und heizte so die ohnehin brodelnde Unruhe im Saal weiter an. Man muss wissen, dass der PEN durch die Ereignisse der knapp sieben Monate währenden Präsidentschaft Deniz Yücels und seiner Mitstreiterr zu diesem Zeitpunkt bereits tief gespalten war.

Anlass für den Antrag auf Abwahl des Präsidenten, des Schatzmeisters und des Vizepräsidenten für Writers in Prison, dem auch ich mich aus Sorge um den deutschen PEN angeschlossen habe, war einzig und allein diese von den Genannten betriebene Spaltung. Mit Yücels „kriegsmutigem“ Auftreten auf der Lit.Cologne, das die fünf Altpräsidenten zu Recht als Verstoß gegen die Charta des Internationalen PEN beanstandeten, hatte das nicht das Mindeste zu tun.

Ihre daraus folgende Aufforderung, Yücel möge zurücktreten, war in meinen Augen unklug, rein formal aber korrekt, denn diese Charta, die conditio sine qua non für die Aufnahme in den PEN, verpflichtet jedes Mitglied, »mit äußerster Kraft für […] das Ideal einer […] in Frieden lebenden Menschheit zu wirken.« Dennoch wäre es klüger gewesen, ein freundschaftliches Gespräch mit Yücel zu suchen und ihm das Problematische seines Auftritts klarzumachen.

Ihre Vermutung, dass „intellektuelle Kriegstreiberei den PEN-Mitgliedern erlaubt sei, geht also (siehe Charta) fehl. Privat darf freilich jeder denken und auch sagen, was er will, nur eben nicht, wenn er im Namen des PEN spricht. Der PEN steht ein für Meinungsfreiheit und für die Freiheit des Wortes, „auch des dummen Wortes“, wie Deniz Yücel in seiner Antrittsrede in Frankfurt fast schon prophetisch sagte. Privat darf auch ein PEN-Präsident alles denken und sagen, was hierzulande von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Aber wenn die Couch, auf der er sitzt, auf dem Podium eines Literaturfestivals steht und er ein Namensschild mit dem Logo des PEN-Zentrums Deutschland vor sich hat, dann ist das, was er sagt, halt nicht privat.

Der von ebenfalls um die 70 Mitgliedern unterzeichnete Abwahlantrag gegen Yücel war also nicht identisch mit der Rücktrittsforderung der Altpräsidenten, sondern hatte gänzlich andere Gründe. Kurz nach der Lit.Cologne war eine interne Email-Korrespondenz von sieben Präsidiumsmitgliedern geleakt worden, aus der hervorging, dass diese sieben mit durchaus unlauteren Mitteln (man nennt das Mobbing) daran arbeiteten, den Geschäftsführenden Generalsekretär und die Vizepräsidentin und Writers-in-Exile-Beauftragte zum Ausscheiden aus dem Präsidium zu drängen. Zwei Beisitzerinnen, Simone Trieder und Svenja Leiber, traten aus dem Präsidium zurück, weil sie bei so einer schmutzigen Aktion nicht mitmachen wollten.

Der Beauftragte für den Freundeskreis, der ebenfalls dem Präsidium angehörte, wurde rüde von einer Zoom-Konferenz ausgeschlossen und seines Amtes enthoben. Der Justitiar, der viele Jahre pro bono für den PEN gearbeitet hatte und das Präsidium auf eklatante Rechtsfehler bei der Beauftragung der Kanzlei Christian Schertz mit der Versendung von Abmahnungen an zwei Mitglieder aufmerksam machte, wurde in einer Zoom-Sitzung niedergebrüllt und ebenfalls „entamtet“.

(Diese Abmahnungen, jeweils aus wenigen Sätzen auf dem Kopfbogen der Kanzlei bestehend, sollten zwei Kollegen einschüchtern, die sich erlaubt hatten, den Führungsstil des Präsidenten öffentlich zu kritisieren. Dem PEN wurden dafür jeweils 1.400 € in Rechnung gestellt. Das Justiziariat wurde der Hamburger Kanzlei Unverzagt übertragen.

Zugleich war der Umgang von Präsident, Schatzmeister und Vizepräsident für Writers-in-Exil mit den teilweise langjährigen und sehr bewährten, durchweg aber außerordentlich engagierten und leistungsbereiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstelle unter aller Würde. Mobbing der übelsten Sorte auch ihnen gegenüber, sodass sich Krankmeldungen und Nervenzusammenbrüche häuften. Die Rede war von 500 mails des Schatzmeisters an das Büro in einer sehr kurzen Zeitspanne, immer mit der Aufforderung zu umgehender Erledigung. Ein Mobbing-Tagebuch, dass die Kolleginnen führten, als sie sich keinen anderen Rat mehr wussten, liegt vor und kann auch von den Medien eingesehen werden.

Zudem war Deniz Yücel wochenlang nicht zu erreichen. Erst hinterher erfuhr man von ihm selbst und öffentlich in Gotha, dass er eine depressive Phase hatte. Während seiner Abwesenheit waren jedoch wichtige Entscheidungen zu treffen, Förderungsanträge zu stellen und vor allem die Gemeinnützigkeit des PEN zu sichern, die vom Finanzamt infrage gestellt worden war. Wieder genesen, moserte Yücel in einem Presseinterview, ihn nerve die „Bratwursthaftigkeit und das Kolonialherrengehabe“ im PEN.

Dass jemand, der sich nur ein paar Wochen zuvor zum Präsidenten ebendieses PEN hatte wählen lassen, so über den eigenen Verein herzieht, ist in meinen Augen – gelinde gesagt – ungehörig. Wobei unter Bratwursthaftigkeit wohl nicht nur ein geplanter Grillabend einer lokalen Gruppe von Kollegen fiel, sondern auch die Initiative des Generalsekretärs, Mitgliedern, die während der Pandemie kaum Publikationsmöglichkeiten hatten, unter dem Titel „Plätzchen für Literatur“ auf der Website des Vereins die Möglichkeit einzuräumen, ihre Gedichte und kurzen Prosatexte vorzustellen.

Das Kolonialherrengehabe bestand demnach zum einen darin, dass ein Kollege, die sich als Betreuer um einen unserer Writers in Exile kümmerte, diesen seinen „Schützling“ genannt hatte. was paternalistisch sei. Zum anderen fand Präsident Yücel die Unterbringung eines soeben aus Belarus geflüchteten jungen Autors in der Kleinstadt Kamen unzumutbar und erklärte, er werde mal mit der Deutsche Wohnen reden, um dem jungen Mann und seiner Partnerin in Berlin eine seinem Rang als Schriftsteller angemessene Wohnung zu beschaffen.

Das berichtete Yücel selbst auf der Generaltagung in Gotha. Wenn man geflüchtete Autoren mit ihren Familien in durchaus schön gelegenen und sinnreich eingerichteten Wohnungen, auch in kleineren Städten, unterbringen kann, vorausgesetzt, dass es in diesen Städten die entsprechende Infrastruktur gibt und Menschen, die sich um ihre Bedürfnisse kümmern, dann reicht das dem PEN dafür vom BKM zur Verfügung gestellte Geld natürlich für mehr Stipendiaten, als wenn man sie nur in Berlin, München und Frankfurt logieren lassen will.

Außerdem gehört zu dem wirklich großartigen Programm Writers-in-Exile, dass der PEN mit Mitteln des Bundes seit nunmehr 23 Jahren unterhält, dass man den Stipendiaten Auftrittsmöglichkeiten verschafft und vor allem, dass man ihre Texte übersetzen und veröffentlichen lässt. All das tut der PEN derzeit für 12 geflüchtete Autoren, teilweise mit ihren Familien. Er rettet damit Leben und sorgt dafür, dass diese verfolgten Schriftsteller ihre Identität als Schriftsteller, als öffentliche Personen, auch in der fremden Heimat des Exils behalten.

Erst allmählich wurde mir – und nicht nur mir allein – klar, dass das PEN-Zentrum Deutschland es mit einem veritablen und schließlich auch erfolgreichen Putschversuch zu tun hatte. Das Präsidium, das wir im Oktober 2021 in Frankfurt arglos – und viele von uns sogar freudig – gewählt hatten, war zum großen Teil vorab rekrutiert worden mit dem Ziel, den Verein ganz und gar zu übernehmen. Darum auch der rüde, durchaus unkultivierte Umgang mit den festangestellten Mitarbeitern der Geschäftsstelle.

Das Ziel war, diese nach und nach zur Kündigung zu bewegen und das Büro mit eigenen Leuten zu besetzen. Ein Anfang war bereits gemacht worden, indem man als Pressesprecher einen engen Freund von Yücels Schwester einstellte, der übrigens nach nur drei Monaten, am Tag nach der Gothaer Jahrestagung, seinerseits kündigte. Und zu einem der zwei satzungsgemäß vorgesehenen Kassenprüfer wurde ein Kollege bestellt, der, wie unterdessen zu erfahren war, der Großvater der Töchter des Schatzmeisters Joachim Helfer war.

Selbstverständlich ging es – wie wohl immer in solchen Fällen – um Geld und um die Macht. Ich möchte hier nicht ins Detail gehen, bin aber sicher, dass unser Interimspräsidium mit dem Präsidenten Josef Haslinger, der Generalsekretärin Claudia Guderian und vor allem der Vizepräsidentin und Beauftragten für Writers in Exile, Astrid Vehstedt, gern für etwaige Nachfragen zur Verfügung stehen.

Ja, Sie haben recht, es ist absurd, dass wir nun zwei PENs in Deutschland haben, die beide genau das gleiche wollen, wobei es in unserem Land sogar drei PENs gibt. Das dritte ist der etwas über 80 Mitglieder starke Exil-P.E.N., der aus dem PEN deutschsprachiger Autorinnen und Autoren im Ausland hervorgegangen ist, die während des Nationalsozialismus verfolgt waren und ins Exil gehen mussten. Wie ich höre, hat das Board von „PEN Berlin“ mittlerweile den Exil-P.E.N. eingeladen, mit ihm zu fusionieren, was dort aber wohl keinen Beifall fand. Und nebenbei: Vorerst ist der „PEN Berlin“ noch gar nicht berechtigt, den Markennamen PEN zu tragen. Ob ihm das gestattet wird, darüber hat das Board des Internationalen PEN zu befinden, das zu gegebener Zeit nach klaren Kriterien entscheiden wird.

Sie sehen, Ihre und auch Bernhard Schlinks Forderung nach sofortiger Wiedervereinigung ist fast noch absurder als die Gründung des „PEN Berlin“, dessen Board sich darin gefällt, dem PEN-Zentrum Deutschland neuerdings „PEN Darmstadt“ zu nennen, um ihn so in den Ruch der Provinzialität zu bringen. Das ist perfide, zumal wenn man bedenkt, dass in Darmstadt auch die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung sowie der Deutsche Literaturfonds ihren Sitz haben und Darmstadt als „Stadt der Wissenschaft“, der Literatur und auch der Neuen Musik ein wichtiges Zentrum des deutschen Geisteslebens ist.

Differenzen gibt es in jedem Verein. Auch mit dem Phänomen der Überalterung sind viele Vereine konfrontiert. Die Ämter werden häufig eher von älteren Mitgliedern wahrgenommen, weil sich die jüngeren ungern dafür zur Verfügung stellen. Sie haben an ihrer Karriere zu arbeiten. Die Aufgabe eines Präsidenten ist es, integrierend zu wirken und für Verjüngung zu sorgen. Seit vielen Jahren ist es im PEN-Zentrum Deutschland guter Brauch, dass die älteren Mitglieder gezielt jüngere Autoren ansprechen und deren Zuwahl betreiben. Ich selbst war in den 22 Jahren meiner Mitgliedschaft Zuwahlbürgin für mindestens 15 jüngere Kolleginnen und Kollegen.

Josef Haslinger und Regula Venske, die Vorgänger von Deniz Yücel im Präsidentenamt, haben in ihren Amtszeiten massiv für einen Zustrom jüngerer Mitglieder gesorgt. Nur leider sind diese Bemühungen oft ohne Folgen für den PEN geblieben, weil die neuen, jüngeren Mitglieder es vorzogen, ihre Zuwahl als schmückenden Schnörkel an ihrer Vita zu betrachten, sich aber weder auf den Jahrestagungen noch sonst in irgendeiner Weise einbrachten. Das trifft auf nahezu alle zu, die jetzt ihre Mitgliedschaft im „PEN Berlin“ bekanntgemacht haben, ohne indes aus dem PEN-Zentrum Deutschland auszutreten.

Ein Präsident, gleich welcher Vereinigung, sollte daran arbeiten, Differenzen zu klären, und sollte insgesamt integrierend wirken. Yücel und sein Präsidium haben dezidiert das Gegenteil getan, nicht zufällig, nicht blindlings, sondern aus wohlverstandenem Eigeninteresse. Deshalb wurde in Gotha ihre Abwahl gefordert.

Die Folge war zunächst eine tagelange Logorrhoe von Deniz Yücel, der gar nicht wieder aufhören konnte, den PEN öffentlich zu schmähen, zu verleumden, zu verunglimpfen und nach seinem Rück- und Austritt gar einem Kollegen, der es gewagt hatte, ihn öffentlich zu kritisieren, ein Glas Wein ins Gesicht zu schütten und ihm das leere Glas vor die Füße zu werfen, und kurz darauf die Gründung eines eigenen Vereins.

Das Feuilleton hat diese Kontroverse ausgeschlachtet und dabei alles vergessen, was der PEN speziell während der Präsidentschaften von Josef Haslinger und Regula Venske als Teil des gesellschaftlichen Diskurses von Geist und Politik an wirklich Beachtlichem geleistet hat, worüber ja seinerzeit auch gern berichtet wurde. Aber das, was seit der Gothaer Jahrestagung in den Medien passiert ist, kann ich nur einseitig und weitgehend höchst unfair, ja unanständig nennen.

Gejohle und Häme gab es nicht während der Gothaer Tagung, was sich dort Luft machte, waren Empörung, Fassungslosigkeit, bittere Enttäuschung und gerechter Zorn. Die Häme fand in den Medien statt. Und so ist das, was wir seit Gotha in der diesen Terminus kaum verdienenden »Berichterstattung« über die Gothaer Jahrestagung des PEN-Zentrums Deutschland erleben, in meinen Augen weniger eine Krise des deutschen PEN als vielmehr eine Krise des deutschen Feuilletons. – Christa Schuenke

 


 

 

Leserbrief zu „Bedingt abflugbereit“ von Stefanie Flamm

 

Noch einmal in die Sonne und dann im Winter frieren? Oder lieber die Herstellung von Ziegeln und Dämmmaterial für den Wohnungsbau stoppen? Oder den Bau von Windrädern und Photovoltaik-Anlagen drosseln? Oder, oder. Wenn wir nicht noch großes Glück haben, dann werden in wenigen Monaten die jetzigen Probleme an den Flughäfen als Bagatellen erscheinen. – Adolf Ronnenberg

 


 

 

Leserbriefe zu „»Ich will eine normale Frau sein. Einfach so«“ von Rudi Novotny im ZEIT Magazin

 

Gestern habe ich diese Reportage mit großem Interesse gelesen. Die Reportage beginnt damit, dass Eliah mit Barbies spielt und sich mit Kleider anziehen mag. Nur wegen dieser Äußerlichkeiten soll er wissen, dass er ein Mädchen ist. Niemand fragt sich, ob er vielleicht homosexuell sein und als solcher aufwachsen könnte. Nicht der Journalist, nicht die Mutter und nicht die Ärzte. Hier zeigt sich, wie rückschrittlich sexistisch und auch homophob der Zeitgeist des Transgenderismus eigentlich ist.

Auch die Annahme, dass Kinder fertig auf die Welt kommen sollen, widerspricht die gesamte Forschung über die Entwicklungspyschologie des Menschen, insbesondere im Kinders- und Jugendalter. Man hat Ella zu keinem Moment ihres Lebens die Möglichkeit gegeben, ein Leben als Mann zu leben, und man opfert stattdessen seine Gesundheit. Denn es gibt keine Langzeitstudien über die Folgen der Einnahme von exogenen Hormonen in so jungen Jahren und über so viele Jahre.

Und schließlich zieht Ella Männer an, die eigentlich keine Männer lieben. Das wird gegen Ende ihrer Pubertät deutlich, als sie ihr wahres Geschlecht verheimlichen muss. Es kann sein, dass sie im Laufe ihres Lebens einen Mann findet, der sie so akzeptiert, wie sie ist. Aber eigentlich wollen die meisten heterosexuelle Männer irgendwann eigene, leibliche Kinder haben. Ich hoffe sehr, dass Ella ein glückliches und erfülltes Leben hat und dass sie ihre Entscheidung in so jungen Jahren nicht bitter bereuen muss. – Montserrat Varela

 

Obwohl es in unserem Land seit Jahren große Probleme gibt, die nicht angegangen werden, journalistisch nicht mal Erwähnung finden, widmen Sie in der neuesten Ausgabe des ‚Zeit-Magazin‘ 32 von 64 Seiten, einschl. Titelblatt, einem jungen Mann , namens Eliah, der mit seinem Spiegelbild nicht mehr einverstanden ist und lieber eine Frau wäre oder in einem Jahr ein Hamster, oder in drei Jahren ein Nilpferd.

Wenn dem so ist, dann ist es dessen Privatangelegenheit. Es gibt so etwas wie Diskretion! Sie teilen ja auch dem Leser nicht mit, wie oft Sie in der Woche duschen oder die Toilette besuchen. Und das ist auch gut so. Die ‚ZEIT’ ist auch nicht Boulevard, sondern hat einen journalistischen Anspruch. Dem sollten Sie gerecht werden, was Sie teilweise ja auch tun. Denn dafür haben Sie mal -vielleicht – studiert. Ich werde mir in Zukunft sehr genau ansehen, welche Themenauswahl Sie anbieten, bevor ich mich zum Kauf entschließe. – Rolf Poppe

 

Ich lese am Abend nach Zustellung immer als Erstes das ZEIT Magazin, quasi als Einschlafroutine. Am meisten freue ich mich auf Prüfers Töchter am Ende (hauptsächlich auf Juli, die finde ich am Lustigsten). Als ich dann das Cover sah, dachte ich: Hey, super, Billie Eilish! Als ich den Inhalt sah, dachte ich: Boah ey, nicht schon wieder dieses Modethema, jeder macht sich jetzt mit diesem Trend wichtig! Nun auch noch die ZEIT und dann gleich das ganze Heft!!

Ich habe dann trotzdem, der Routine geschuldet, mal angefangen zu lesen ……..und konnte nicht aufhören. Ich bin mit jedem Wort tiefer in die Geschichte eingetaucht habe mit gelitten, mitgelacht, war bis zum Schluß fasziniert, tief berührt und bin es noch. Wunderbare Geschichte. Tolles Mädchen. Grossartige Mutter. Jetzt sehe ich das Thema mit anderen Augen und würde mir wünschen, daß jeder die Gelegenheit hätte, seinen Blickwinkel darauf so verändern zu können.

Eigentlich hat Ellas Entscheidung alles, was eine gute Coming of Age/Road Movie Story haben muß: Eine durchweg tragende Story, eine liebenswerte, starke, mutige, berührende und authentische Protagonistin, total interessante und echte Co-Charaktere, Spannung, Tragik, Komik (aus eigener Erfahrung mit Pubertierenden – in meinem Fall zwei Mädchen-: Wenn man nicht zu direkt betroffen ist, s i n d die komisch), klar gezeichnete, kontinuierliche Story, die den Leser/Zuschauer gefesselt hält und ein hoffnungsvoller, offener Schluß. Steilvorlage für ein Buch und vielleicht mehr. Ich habe schon Movies dieses Genres gesehen, die haben mich nicht so beeindruckt wie Ellas Geschichte. Mit dem richtigen Einfühlungsvermögen wäre das ein Knaller, wenn ich mal so sagen darf…

Jetzt geht Ellas neuer Lebensabschnitt so richtig los, alle(s) Liebe, Gute, Glück und Erfolg dafür, für alle Beteiligten! Alles weitere wird sich geben, da habe ich bei den Löwenfrauen Ella und Sibylle nicht den geringsten Zweifel. Übrigens: Mit 19 war ich gerade, schon wieder einmal (in der 12. Klasses), sitzengeblieben und hatte keinen Dunst, wo ich mal landen würde. Ist trotzdem, alles in allem, nicht mal schlecht gelaufen. Also keine Sorge, Deinen Weg findest Du schon, lass Dir ruhig Zeit. Wäre interessant in 5 oder 10 Jahren ein Update zu bekommen. Auf „Ella 2.0“ wär ich wirklich gespannt. – Frank Hiller

 

Obige Reportage ist lobenswert was die Sprache angeht, weil die Gratwanderung von Authentizität, ehrlicher Berichterstattung und Wahrung psychologischem Feingefühls insgesamt doch gelungen ist. Ihr Anspruch mehr Verständnis für Betroffene wie Information eben für jene unter der journalistischen Hut zu bekommen ist nachvollziehbar.

Hingegen die Fotostrecke ist geschmäcklerisch und nährt bei mir den Verdacht, dass Sie zu leichtfertig der mittlerweil üblichen Performerei auf den Leim gehen und damit der vermaledeiten Selbstoptimierung Nahrung liefern. Medial gehört es auf TV-Ebene ja bereits zum guten Ton dem Narzismus zu frönen…Frage: musste das sein? Für Ella bleibt nur zu hoffen, dass ihr begleitdende Unterstützung widerfährt um die Kurve in banale Alltäglichkeit nicht zu verpassen. – Peter Schrader

 

Vielen Dank für die wunderbare Reportage „Sieben Jahre mit Ella“ im Zeit-Magazin. Ich bin tief beeindruckt davon, wie lange dafür recherchiert wurde und wie sehr Ella und ihre Mutter sowie ihre Freundinnen die Zeit-Reporter an sich herangelassen haben.

Am meisten hat mich aber der vorurteilsfreie und trotzdem kritische Zugang zum Thema Transgender gefreut. Die Reportage hat mich ein Stück weit wieder mit der Zeit versöhnt, nachdem mein Vertrauen durch den völlig unnötigen Nachdruck einiger Passagen des transfeindlichen Buchs von Alice Schwarzer verloren gegangen war. Macht weiter so! – Johannes Beck

 

Die Dokumentation von Rudi Novotny im aktuellen ZEIT-Magazin hat mich sehr traurig gemacht. Ein 12jähriger beschließt, „wie eine normale Frau leben“ zu wollen. Was er (oder später sie) darunter versteht, wird im Artikel nach und nach klar: aufgespritzte Lippen, dicke Brüste, großer Hintern, „den Männern was bieten“ und Louis Vuitton Taschen (echte, bitte). Was ist da schief gelaufen? Noch dazu, da dieses Frauenbild dazu führt, dass ein zumindest physisch gesundes Kind schwere Eingriffe an seinem Körper vornehmen lässt.

Und ein Ende ist nicht in Sicht – es gibt immer etwas zu operieren. Ist das ernsthaft als Lebensinhalt zu feiern („schon mit 12 geoutet“)? Ich habe Freunde, die körperlich Frauen sind und als Männer leben, und Männer, die ihre weibliche Seite voll ausleben. Eltern von drei Kindern, von denen ein Sohn gern Kleider zur Schule trägt. Alles tolle Menschen, die großartiges leisten. Es ist spannend und inspirierend, wie die kulturellen Geschlechterrollen sich hierzulande (zumindest in den Städten) beginnen zu verändern. Ella zementiert eine völlig überholte Geschlechterrolle.

Ich empfinde tiefes Mitleid für sie. Auch mit der Mutter, die es zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht hat, das krude Frauenbild ihres Sohnes / ihrer Tochter zu unterstützen. Mit 13, 14 Jahren kommt normalerweise ein Entwicklungsschritt, an dem Kinder feststellen, dass sie Teil einer Gesellschaft sind, dass sie etwas tun können, für andere.

Da entdecken sie, dass sie etwas bewirken können, sie werden politisch aktiv, demonstrieren, oder engagieren sich für die Umwelt, für Gerechtigkeit, für Soziales. Ob mit Schniedel oder Schneckle ist dabei völlig nebensächlich. Bei Ella scheint das nicht stattgefunden zu haben, bei ihr dreht sich alles nach wie vor nur um ihren eigenen Körper. Aber Leben ist Tun, nicht Sein! Hat das der armen Ella denn noch niemand gesagt? – C. Peters

 

Ein sehr berührender und spannender Beitrag über dieses hochaktuelle Thema. Ein Fehler: auf Seite 52 Das Wort Katheder ist eine veraltete Bezeichnung für das Pult eines Schul- oder Hochschullehrers. Richtig wäre hier: Katheter als Röhrchen, auch Sonde, mit der Hohlorgane wie Blase, Magen, Darm entleert werden können. In einem solch emotionalen Artikel ist es schade, wenn ein solcher Fehler vorkommt! – Erika Heine

 

Ich finde es mutig von Ihnen, jungen Menschen wie Ella Maria Kaufmann ein so bedeutendes Forum zu bieten. Sie schreiben, Ella möchte einfach nur eine ganz normale Frau sein. Aber das wird sie natürlich nie sein. Sie hat ein drittes Geschlecht gewählt, sie ist eine Transfrau. Ich wünsche ihr viel Glück auf ihrem Weg. – Sylvia Dickgießer

 

In jedem Individuum spiegelt sich die soziale Wirklichkeit wider. Darum ist diese Reportage über „Eliah/Ella“ für jeden von Bedeutung, nicht nur für die direkt Betroffenen oder die, die meinen, direkt betroffen zu sein. Direkt betroffen sind wir alle als sexuelle Wesen, von Geburt an, oder genauer vom Zeitpunkt der Empfängnis an? Transgender. „Eliah hat eine Sendung über Menschen gesehen, die im falschen Körper geboren sind.“ „sind!“ Definitiv, nicht sein könnten oder vielleicht. Was für ein skurriler und fragwürdiger Satz!? Was für ein mechanistisches Denken? Gibt es ein Ich außerhalb des Körpers? Wo und wie sollte es sein?

Ein Ich, das sich eines Tages entscheidet, in einen Körper einzutreten, wie man in einen Zug einsteigt, von dem man nicht weiß, woher er kommt und wohin er fährt. Wann und wie sollte das passieren? Bei der Empfängnis, während der Schwangerschaft, bei der Geburt, bei der Taufe oder Namensgebung? Ein irgendwie zeitloses frei schwebendes Wesen trifft auf ein Körperhaus, um sich dort einzuquartieren. Und nach dem Tod schwebt es dann wieder hinaus, um sich eine neue Behausung zu suchen. Schon sehr eigenartig.

Und wenn nun der menschliche Körper zuerst zur Welt kommt, und danach das Ich entsteht, als Fiktion, etwa über das Spiegelstadium: das Ich als „imaginäre Repräsentanz des Subjektes“, wie Lacan sagt? Und wenn dieses imaginäre Ich nicht einverstanden ist mit einem Vorgang, der letztlich nie zur Wahl stand, stehen konnte, dann baut es sich dieses Haus einfach um. In unserer Zeit, in der alles erklär- und machbar ist, kein Problem. Unterstützt nicht unsere Kultur, in der alles zur Verfügung steht und entscheidbar erscheint, dieses Denken?

Widerstand zwecklos, wenn etwas nicht passt, wird es passend gemacht, auch mit Gewalt. Wenn das global geschieht, Klima etwa oder Ukraine, warum sollte es der/dem Einzelnen verwehrt sein? Subjekt heißt: unterworfen. Unterwerfung passt nicht ins System, kommt also nicht in Frage. Zu kompliziert? Wir machen es dann einfacher. Die Justiz gibt die identitären existentiellen und damit auch sexuellen Fragestellungen einfach an das Individuum zurück.

„Wenn Dir etwas nicht passt an Deiner Existenz, Deiner Identität, dann reklamiere es, und wir machen es so, wie Du es möchtest.“ Die Schilderung der operativen Murkserei an Eliahs/Ellas Körper in dieser Reportage ist schon einigermaßen erschütternd. – Gerd Schillmöller

 

Mit Neugier habe ich Ihren Artikel im ZEITmagazin zur Transition von Ella gelesen. Zugegeben war ich zu Anfang skeptisch – die Texte von Alice Schwarzer, die die ZEIT in den letzten Wochen veröffentlich hat und die Plattform, die dieser Frau dadurch gegeben wurde, haben meinen Eindruck der ZEIT-Redaktion deutlich geschmälert. In puncto Trans*geschlechtlichkeit ist die ZEIT nämlich scheinbar nicht sonderlich gut informiert, sonst würden Sie häufiger auch mal tatsächliche wissenschaftliche Erkenntnisse publizieren und nicht nur Beiträge, die durch ihre Stimmungsmache die Situation für trans* Menschen potentiell verschlimmern.

Entsprechend war ich auf wenig Gutes eingestellt, als ich den Artikel zu lesen begann. Und in der Tat gibt es ein paar Punkte zu bemängeln: Äußerst kritisch zu sehen ist z.B. die Formulierung, dass sich Ella entschieden hat, eine Frau zu werden. Sie hat sich entschieden sich zu outen, sie hat sich auch für eine Transition entschieden, aber sich hat sich nicht einfach so eines Tages gedacht: „Ich hab keine Lust, ein Junge zu sein, das ändere ich jetzt.“ Ein bisschen mehr das Aufzeigen beider Seiten z.B. als es um den gescheiterten Gesetzesentwurf ging, hätte ich mir auch gewünscht. Ohne Zweifel ist ein kritischer Blick wichtig – aber momentan überwiegt in den Medien eben eher der Tenor „Trans* ist Trend“ und auch hier muss dann eine Gegenposition zu Wort kommen.

Trotzdem wurden auch viele wichtige Aspekte angesprochen – die fehlende Akzeptanz von Familienmitgliedern, Probleme in der Schule bzgl. Toiletten und Umkleiden, der aufwendige und teure Weg einer Vornamens- und Personenstandsänderung und zum Glück und vor allem auch die Expertise von Achim Wüsthoff und Bernd Meyenburg – so viele unfassbar wichtige Zitate!

In Anbetracht dessen wundert es mich ehrlich gesagt sehr, dass in den vergangenen Wochen Alice Schwarzer ihre Gedanken in der ZEIT veröffentlichen durfte, müsste doch eigentlich klar sein, wie herausfordernd eine Transition ist und mit wie vielen Hürden trans* Personen konfrontiert sind. Alice Schwarzer ist eine dieser Hürden. Ich wünsche mir daher an dieser Stelle, für die Zukunft gründlich zu überdenken, ob diese Frau noch einmal so prominent zu Wort kommen sollte oder ob es nicht besser wäre, wissenschaftliche Erkenntnisse einzubeziehen. Denn Alice Schwarzer hat meines Wissens nach keine Expertise zum Thema, sie hat nur eine Meinung. Wenn das reicht, um in der ZEIT so groß „gefeatured“ zu werden, möchte ich auch gerne mal etwas dazu schreiben.

Übrigens passt zu diesem Thema auch die vor ein paar Tagen initiierte Petition/Initiative transmedienwatch, die fordert, dass die Berichterstattung über Trans*geschlechtlichkeit sensiblere Formulierungen nutzt und vor allem deutlich reflektierter und ausgewogener ist – sprich der aktuelle Stand der Wissenschaft sollte mit einbezogen und dargestellt werden. Die ZEIT wird im Rahmen der Petition wiederholt als Negativbeispiel angeführt, es wäre also sicherlich angemessen, sich mit den Forderungen zu beschäftigen und diese zu Herzen zu nehmen. Sie finden sie hier: https://innn.it/transmedienwatch (Die Forderungen sind auch mit Wissenschaft untermauert, schon alleine dafür lohnt es sich.) – Charlie Brodersen

 


 

 

Leserbriefe zu „Über eine Odyssee mit dem Zug, die Absage eines Rolling-Stones-Konzerts und deren klaglose Erduldung“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

 

Auch auf die Gefahr hin, dass diverse Bahn-Chefs Ihnen möglicherweise Ähnliches schreiben: Von Freiburg nach Amsterdam nimmt man sinnvoller Weise zunächst den ICE bis Hannover und steigt dann in den IC nach Amsterdam Centraal. Auch auf dieser Strecke wird, spätestens ab Hengelo, während der fröhlich-dreisprachigen Zugdurchsage aus der deutschen „medizinischen Mund-Nase-Bedeckung“ das niederländische „mondkapje“.

Und, bitte noch kurz allgemein: Zwar habe ich seit ein paar Monaten mehr Zeit für Die Zeit, aber wenn die dann – groß, dick und schwer – auf dem Tisch liegt, ist es doch eine Menge Holz. Zum Glück gibt es, als wöchentliche Einstiegsdroge, Ihre Kolumne im Magazin, die lese ich immer zuerst. Und zwar mit dem größten Vergnügen. – Adrian Bothe

 

Im Zeit-Magazin beschreibt Herr Martenstein die (frustrane) Reise zum Rolling Stones-Konzert in Amsterdam, es wurde kurzfristig abgesagt. Gerne wäre ich in meiner Jugend (den End-1960er Jahren) zu den Open air-Konzerten der weltberühmten Rock-Bands gefahren. Ich bin es damals nicht, weil die (gefühlt) jedes Mal abgesagt wurden oder im Regen ersoffen sind. Dass das heute auch noch so ist, sehe ich als Bestätigung meiner damaligen Zurückhaltung. Vielen Dank, Herr Martenstein ! – Michael Borris

 

Ja, so kann das gehen, auch wenn die „Heilige Corona“ nichts dafür kann, aber diese Corona-Maßnahmen der unheiligen Pandemieverwaltung dazwischenfunken, und einem damit jeglichen Spaß an der Freud´ nehmen. Jetzt hat es auch noch den Oberstone Mick Jagger erwischt, der sicherlich auch mehrfach geimpft ist, was nur für die tolle Qualität des Impfstoffs spricht.

Vielleicht hat sich unser Liebling-Mick auch nur eine herzhafte Erkältung oder gar einen grippalen Infekt eingefangen, denn in Zeiten von Corona kann sich der Mensch auf gar nichts mehr verlassen, was er wirklich hat. Alles Grippe, Corona, Erkältung oder „Sonstetwas“, aber ganz Genaues weiß man irgendwie nicht mehr so genau, eher nur noch sehr ungenau! – Klaus P. Jaworek