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20. Oktober 2022 – Ausgabe 43

 

Leserbriefe zu „Krieg und Frieden“ von Volker Weidermann

 

Krieg und Frieden – Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geht an einen Autor, der die Russen hasst. Darf das sein? Leider ja! von Volker Weidermann NEIN! Dieser Schlussfolgerung kann und will ich nicht folgen. Diesen Juroren erst recht nicht. Dieses Buch muss „entsorgt“ werden – muss “entsorgt” werden wie dieser Krieg auch.. – Klaus D. Lubjuhn

 

Schön, wie Volker Weidermann deutlich macht, dass nun auch das Feuilleton Teil geworden ist einer medialen Mobilmachung gegen Russland. Denn natürlich geht es beim Friedenspreis des Deutschen Buchhandels nicht um die Persönlichkeit des Autors oder gar den Inhalt der von ihm geschriebenen Bücher. Es geht um den russischen Überfall auf die Ukraine! Weil es in der Ukraine so wenig Demokratie und Menschenrechte zu verteidigen gibt, ziehen die Redaktionsstrategen einfach unmittelbar gegen den ewigen Feind: Russland.

Die rote Gefahr ist erklärtes Ziel olivgrüner Außenpolitik. Die Waffenlieferungen moralisch zu legitimieren, kommt doch jeder Russen-Rassismus äußerst gelegen, noch dazu ein hochdekorierter – gewissermaßen als kulturelle Sanktion. Schließlich gilt es, Russland ein für alle Mal niederzuringen. Im Felde Seit‘ an Seit‘, in der ZEIT Seit‘ um Seit‘. – Und nein, der eigentliche Skandal ist, dass man dafür die kriegerische Zerstörung der Ukraine in Kauf nimmt. – Dr. Marc Dressler

 

„Der Skandal ist nicht der Dichter und nicht sein Buch. Der Skandal ist der russische Überfall auf die Ukraine und das tägliche Töten.“ Damit macht Herr Weidermann es sich recht leicht. Wo kämen wir hin, wenn diese Art der Argumentation salonfähig werden würde? Denn seien wir mal ehrlich. Was Serhij Zhadan da von sich gibt, ist im Ton nicht sehr redlich, ja zuweilen sogar menschenverachtend. Und besonders friedensfördernd ist es auch nicht.

Und jetzt sind wir also auch noch angehalten, ihn dafür mit Applaus zu beschenken? Für die Tatsache, dass er den russischen Menschen in seinen Werken verbal mit Dreck bewirft? Ah ja. Nun gut, ich schätze mal, dass sich Herr Zhadan auf der historisch „richtigen“ Seite befindet. Anders kann ich es mir beileibe nicht erklären. Ihm aus diesem Grund jetzt eine Art Freifahrtsschein auszustellen, und wohlwollend beide Augen zuzudrücken, während man ihn mit dem Friedenspreis auszeichnet, ist für mich der wahre Skandal. – Michael Ayten

 

Muss ich mich als Deutscher, als „Verbrecher“, als „Horde“, als „Unrat“ fühlen .. weil ich Deutscher bin und angesichts des deutschen Angriffskrieges gegen Russland – mit mehr als zwei Millionen Toten? Ich bin froh, dass es nach dem 2. Weltkrieg Menschen gab, die gegenüber uns Deutschen auf menschliche Verständigung setzten, trotz der barbarischen deutschen Angriffskriege gegen unsere Nachbarn. Herr Zhadan setzt jedoch auf pauschale Diffamierung eines ganzen Volkes, der Russen, und nennt sie „Schweine“; seine Rede ist Hass, und kein Kampf für Frieden. Keine Vergabe des „Friedenpreises“ könnte für Deutschland geschichtsvergessener sein. – Dr. Ralph Bürk

 

Früher nannte man das, was der ansonsten geschätzte Volker Weidermann auf die erste Seite setzte, einen Leitartikel. Was immer dies bedeuten mag, dieser Text ist ein Dokument der Verwirrung. Man mag Serhij Zhadan mit einschlägigen Auszeichnungen überhäufen, jedoch sollte man einen so genannten Friedenspreis davon ausnehmen. Gewiss, der Autor und sein Buch sind nicht der Skandal. Skandalös ist die Entscheidung jener, die den Preis vergeben. Im Übrigen ist auch der russische Überfall kein Skandal; er ist ein Verbrechen. – Heinz Abler

 

Keine Frage: Der Hass des ukrainischen Dichters Serhij Zhadan auf die Russen und seine ihnen jede Menschlichkeit absprechenden Worte sind nur allzu verständlich angesichts der rücksichtslosen Brutalität und Grausamkeit, in der Russland sein unschuldiges Nachbarland mit Tod und Zerstörung überzieht. Aber hat ein solcher Mann auch den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verdient? ZEIT-Autor Volker Weidermann bejaht diese Frage unter Berufung auf die mimetische Funktion von Literatur: Dichtung soll die Wirklichkeit darstellen, schonungslos, ohne idealistischen Überbau.

Es gibt aber auch eine entgegengesetzte, lange und klassische Auffassung der Funktion von Literatur: Der Dichter soll der hässlichen Welt ihre besseren Möglichkeiten vorhalten, Handlungsalternativen entwerfen, Utopien produzieren. Dafür stehen u.a. der von Weidermann anzitierte Hermann Hesse und sein französischer Freund Romain Rolland. Beide vertraten im Ersten Weltkrieg, als ihre Nationen sich erbarmungslos bekämpften, unbeirrt das „Vorhandensein einer übernationalen Menschheitsidee“ und Hesse schließt seinen berühmten Aufsatz „O Freunde, nicht diese Töne“ aus dem ersten Kriegsjahr mit den Worten: „Dass Liebe höher sei als Hass, Verständnis höher als Zorn, Friede edler als Krieg, das muss ja dieser unselige Weltkrieg uns tiefer einbrennen, als wir es je gefühlt“. An solchen wahrhaft preiswürdigen Dichtern fehlt es uns heute. – Dr. Günter Baumann

 

Nein – ausgerechnet den Friedenspreis hat dieses Buch nicht verdient! Auch wenn das erlebte Leid den Hass seines Autors nachvollziehbar macht; Frieden ist eine universale Idee, losgelöst vom Schicksal des einzelnen Menschen. Nur in dieser Abstraktion kann er sich über die blutige Konkretheit des Krieges erheben. Bücher, die Frieden dennoch begreifbar machen, verdienen diesen Preis. Russische Menschen als Tiere und Unrat zu bezeichnen ist hingegen Volksverhetzung. – Ingo Klamann

 

Wer Hass sät, wird Hass ernten. Dieser ZEIT-Leitartikel von Volker Weidermann ist für mich der Gipfel dessen, was kürzlich Richard David Precht und Harald Welzer mit ihrer Kritik an den Medien wohl auch gemeint haben. Serhij Zhadan verdient allen Respekt, vielleicht auch einen Literaturpreis, aber keinen Friedenspreis. Die aus meiner Sicht unreflektierte und einseitige Entscheidung dieser sicher sehr klugen Juroren des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zeigt deutlich, wie es um die Stimmung im Land bestellt ist:

Sie ist von kriegerischen Motiven bestimmt, aber nicht von einem Ringen um Frieden. Ich habe volles Verständnis für den Hass, den ein Mensch hat, wenn seine Familie, seine Verwandten und Freunde, oder auch sein Volk unter der Gewalt von Aggressoren leiden. Ich habe sogar Verständnis für mögliche Attentate auf Despoten. Es ist aber ein Unterschied, ob ein Attentäter in einem Prozess wegen Notwehr sogar freigesprochen oder gar als Held gefeiert wird, oder ob er mit einem Friedenspreis geehrt wird. – Wolfram Dorrmann

 

Oh, nein, verehrter Navid Kermani, nicht , weil „der Krieg“ inzwischen in Europa angekommen ist, darf der Friedenspreisträger so schreiben, nein, sondern, weil es sich um einen terroristischen Überfall auf ein autarkes Land handelt. (Siehe, horche auch bei den United Nations!) Mit Dank an V.Weidermann. – Roa Hachmann

 

Bei dem Wort “Friedenspreis” denke ich an die Auszeichnung von Menschen, die sich über einen längeren Zeitraum dem Einsatz für den Frieden in Krisenzeiten verschrieben haben. Diese Annahme scheint jedoch falsch zu sein. Persönlich kann ich die Wut von Serhij Zhadan auf die russischen Angreifer und den Wunsch nach Vergeltung (“Brennt in der Hölle”) gut nachempfinden. Als Preisträger beschädigt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels jedoch. Auch die Verleihung des Friedensnobelpreises erscheint nachträglich in einigen Fällen geradezu absurd.

So genehmigte Preisträger Barack Obama vielfach den Terror durch bewaffnete Drohnen. Der äthiopische Premier, Abiy Ahmed, führt Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Vielleicht wäre angesichts solcher Preisträger und der aktuellen Situation die ausdrückliche Nicht-Verleihung des Friedenspreises ein stärkeres, weil ehrliches Zeichen gewesen. – Prof. Dr. Claudia Reuter

 

Gewalt und Willkür erzeugen Gegenhass. Niemand weiß vorab, ob er gegen diesen uralten Reflex gefeit wäre. Auch deswegen verbietet sich eine besserwisserische Verurteilung derartiger Reaktionen. Die öffentliche Ehrung ist dagegen ein Fehler. Sie ist lediglich Ausdruck einer wütenden Hilflosigkeit und lässt uns einstimmen in einen trotzig-verderblichen Lobgesang auf die ewige Rache. Dieser Rachegesang mag einer Kriegspartei gebühren, die auf leidenschaftlich kämpfende Soldaten angewiesen ist. Deutschland dagegen braucht einen kühlen Kopf – auch der Ukraine zuliebe.

Ich bin froh, nicht eingeladen zu sein in die derart degradierten Welten des roten Marmors und der feinen Roben. Denn wäre ich es, so wollte ich weder hingehen noch fernbleiben. Beides wäre nun schlecht. Ein zynisches zufriedenes Lächeln auf Herrn Putins Lippen würde mich nicht wundern. Seine trockene manipulative Rhetorik kommt ohne „in der Hölle brennende Schweine“ aus. Unterm Strich geht der Punkt schon jetzt eindeutig an ihn. – Dr. Christian Voll

 

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geht an einen Autor, der die Russen hasst. Darf das sein? Ich meine leider nein. Es steht mir nicht zu den Hass und die auf Twitter und Facebook veröffentliche Ausdrucksweise von Serhij Zhadan zu verurteilen. Sehr gut möglich, dass ich genauso denken und reden würde, wäre ich Ukrainerin. Aber den Friedenspreis an ihn zu vergeben, finde ich problematisch. Der Krieg brutalisiert nicht nur die Täter, sondern leider auch die Opfer und deren Sprache. Alleine dadurch wird der Friedensgedanke eben genau nicht befördert. Im Gegenteil, eine solche Sprache schürt den Hass auf beiden Seiten.

Die Frage ist , ob Serhij Zhadan „nur“ deshalb den Preis bekommt, weil er Opfer des fürchterlichen russischen Angriffskrieges ist? Das wäre dann eine problematische politische Entscheidung, die mit dem Friedensgedanken wenig zu tun hat. (Bertolt Brecht aus „An die Nachgeborenen“) „……..Dabei wissen wir doch, auch der Hass gegen die Niedrigkeit verzerrt die Züge. Auch der Zorn über das Unrecht, macht die Stimme heiser. Ach wir, die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit, konnten selber nicht freundlich sein.

Ihr aber, wenn es so weit sein wird, dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist, gedenkt unsrer mit Nachsicht.“ Die Rede des Friedenspreisträgers, Navid Kermani, 2015 fand ich so beeindruckend, dass ich sie mir damals noch ein zweites Mal angehört habe. Die Frage, ob ein Friedenspreisträger zum Krieg aufrufen darf stellt er sehr vorsichtig und eingebunden in einen Kontext, der dem Friedensgedanke alle Ehre macht. “Ich rufe nicht zum Krieg auf“, sagte er nach seiner offenen Frage. – Petra Harink

 

Ein Skandal ist nicht nur die Verleihung des diesjährigen“Friedenspreises“an einen Autor, der sich offen menschenverachtender, rassistischer Sprache bedient und für den Krieg schreibt. Ebenso ein Skandal ist auch der Leitartikel von Volker Weidermann , der ganz am Schluss des Leitartikels eine unerklärliche Volte macht und sich für die Verleihung ausspricht. Es ist dem Autor Zhadan unbenommen, sich über seine Verwandlung zum faschistoiden Russenhasser zu erschrecken.

Das macht die Sache nicht besser. Und natürlich ist jeder Krieg und das Töten ein Skandal. Gegen Krieg zu schreiben , gegen das Töten und dem Gegner das Menschsein abzuerkennen, das muss vielmehr das humanistische Anliegen von Friedens- Literatur sein. Dafür stand bisher der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Leider nur bis zum Jahr 2022. – Hartmut Wegener

 

Der Artikel‘ Krieg und Frieden‘ von Volker Weidermann in der Ausgabe vom 20. Oktoberhat mich fassungslos gemacht. Im 1. Abschnitt prangert Weidermann Aussagen von Serhi Zhadan aus dem Buch‘ Himmel über Charkiw‘ an Zhadan bezeichnet ‚die Russen’dort als „Horde“, „Verbrecher“,„Tiere“, „Unrat“.Er schreibt:“ Brennt in der Hölle, ihr Schweine!“

Im folgenden bin ich mit Weidermann sehr einig: „Selbst wenn es hier nicht um unseren wichtigsten Preis im Namen des Friedens ginge, wäre das ungeheuerlich. Ist Literatur nicht für das Gegenteil dieser einseitigen, hasserfüllten Parteinahme erfunden worden? Ist das nicht die große Kunst: das Nicht- Zu- Verstehende verstehen? Den entmenschlichten Gegner erkennen und beschreiben? Ist es nicht einfach nur fatal in diesem grauenvollen, hasserfüllten Zeiten den Hass mit literarischen Mitteln noch zu verstärken?“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Nun macht sich aber Weidermann daran Verständnis für diese Äußerungen des Preisträgers des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels zu zu finden und zu kommunizieren. Der Text wird vollkommen inkohärent. Er widerspricht in seiner (unklaren) Intention dem ersten Teil vollständig.

Was bei der Documenta noch zu einer ‚Explosion‘ geführt hat, wird hier unter den Tisch gekehrt.Wenn es um Antisemitismus geht, stehen lobenswerter Weise in allen Medien die Zeichen der Zeit so, dass eine einhellige Verurteilung erfolgt.Ist das anders, wenn es gegen „die Russen“ geht, die wegen ihres Herrschers und ihrer Soldateska im Momentkeine positiven Assoziationen wecken? Oder gilt das Verdikt solcher Zeilen wie oben angegeben nicht allen Menschen, egal welcher Nationalität? Die Zeit ist immerhin das einzige Medium, in dem ich diesen Widerspruch lesen konnte.Ich hoffe aber sehr, dass dieses nicht das letzte Wort sein darf. – Elke Neukirch

 

Hiermit kündige ich mit sofortiger Wirkung mein Abo der ZEIT (gedruckt und digital). Der konkrete Anlass soll nicht verschwiegen werden: Auf der Titelseite der Ausgabe vom 20.10.2022, die ich erst heute lesen konnte, unterstützt in ungeheuerlicher Weise der Autor/Kommentator Volker Weidermann sowohl die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels als auch die Begründung und die Aussagen des Preisträgers (im 2. Absatz des Kommentars wörtlich zitiert) und begründet dies scheinheilig und absolut unhistorisch im vorletzten und letzten Absatz.

Ich wage zu sagen, dass ein deutscher/nicht-ukrainischer Autor, der diese Sätze geschrieben hätte, für Jahre aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden wäre; sprachlich und inhaltlich sind diese zitierten Aussagen nicht weniger faschistoid als Donald Trumps (nicht nur sprachliche) „Entgleisungen“. Es ist erstaunlich zu sehen, wie ein „Zeitenwendegeist“ mit Macht zur ideologischen Herrschaft strebt.

Mit diesem Kommentar hat sich die ZEIT in einem von mir seit Längerem besorgt beobachteten Prozess fest im moralischen Mainstream etabliert (auch im ZEITMagazin z.B. bei Harald Martenstein zu erkennen), die anderen, immer noch sorgfältig recherchierten Artikel verlieren so ungewollt ihre Glaubwürdigkeit. Ich werde mit dem gesparten Geld andere Organisationen unterstützen, die es weiterhin wagen, die Stimme gegen Rassismus, Neo-Faschismus und Hetze zu erheben. – Wilfried Schäfer

 

Die Rechtfertigung der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Serkij Zhadan durch Volker Weidermann ist ebenso verstörend wie die Verleihung des Preises selbst. Denn der verbrecherische Krieg Russlands gegen die Ukraine mit allen seinen Greueln und das Recht der Ukraine, sich dagegen zu verteidigen und die Untaten Russlands anzuklagen, sind das eine, deren literarische Verarbeitung aber entgegen der Auffassung von Herrn Weidermann etwas anderes.

Die von ihm aus dem jüngsten Buch von Zhadan zitierte Bezeichnung von Russen als „Tiere“, „Unrat“ oder „Schweine, die in der Hölle brennen sollen“, stellt beim besten Willen keine „Verwandlung in große Literatur“ dar ( so aber der Text in den Spätnachrichten des ZDF vom Sonntag) und erst recht nichts, was zur „ Verwirklichung des Friedensgedankens“ ( so das Statut für die Verleihung des Preises) beitragen könnte.

Vielmehr handelt es sich um Begriffe, die dem „Wörterbuch des Unmenschen“ (Sternberger u.a.) zuzuordnen sind und schon einmal den Weg zur Vernichtung dieses „Ungeziefers“ ( in Müllverbrennungsanlagen oder Gasöfen?) geebnet haben. Das Entsetzen über diesen Krieg und die Parteinahme für die Ukraine haben die klare Sicht auf die Maßstäbe für gute Literatur und Beiträge zur „Verwirklichung des Friedens“ offenbar vollkommen vernebelt. – Dr. Michael Krenzler

 

„Such den Frieden und jage ihm nach!“ (Psalm 34,15). Dieser Satz steht schon sehr lange in dem Schaukasten der Kirche nebenan. Es stört mich etwas daran, denn er ergibt so keinen Sinn. Und gleichzeitig ist er Sinnbild für das Missverständnis in der Welt wenn es um Frieden geht. Sobald ich anfange zu jagen, ist der Frieden dahin. Ich kann ihn nicht jagen, ich kann ihn nicht fangen, ich kann ihn erleben. Und genauso glaube ich kann die Sprache des Friedens, wenn er auf den Krieg antwortet kein Hass sein.

Ich war sehr berührt und auch erschüttert von dem letzten Leitartikel „Krieg und Frieden“. Ich bin mir nicht einig darüber ob Herr Zhadan den Friedenspreis kriegen sollte und ich bin sehr dankbar, das nicht entscheiden zu müssen. Das was er schreibt hat mit Frieden, in seiner Textform, nicht viel zu tun. Im Gegenteil es kommt aus Verletzung, Wut, Trauma, Zerstörung und Hilflosigkeit und vielen anderen Gefühlen. Es verdient auf jeden Fall Beachtung und Mitgefühl auch Anteilnahme und Respekt.

Es berührt mich tief das ein Mensch bzw. tausenden Menschen weltweit dahin geraten dass sie sich selbst nicht wiedererkennen, weil sie plötzlich in einem Ausmaß hassen, dass ihnen vorher unbekannt war. Es berührt mich wie verzweifelt und immer schneller die Welt dem Frieden nachjagt und ihn so zwangsläufig verfehlt. Und es bewegt mich dazu endlich mit dem Schreiben zu beginnen. Frieden und Ungehorsam sind zwei große werte, die der Welt fehlen und in beiden habe ich Erfahrung. Auch wenn vielleicht nicht hier meine Plattform ist mich mitzuteilen, beginne ich zumindest endlich damit zu schrieben und so meinen Beitrag zum Frieden zu leisten. Also schon einmal vielen Dank für den Anstoß!

Es war schon immer eine Eigenart von mir, meist alle Seiten eines Konfliktes fühlen zu können. Und so möchte ich mein Mitgefühl aussprechen für die Menschen, die wie Serhij Zhadan ihre Heimat verloren haben, Gewalttaten miterleben, traumatisiert werden und getrieben von Hass und Wut sich selbst nicht mehr erkennen. Menschen die voller Verzweiflung und Ohnmacht sind. Ich fühle mit diesen Menschen und jeden Anteil den ich dazu beigetragen habe tut mir leid. Ich würde ihnen gerne sagen „Ich halte dich, ich halte deinen Schmerz aus. Er ist berechtigt!“ Es schmerzt sehr die Verbindung zu Frieden zu verlieren und noch mehr dass für viele Menschen nicht einfach „alles wieder gut“ wird. Ich fühle mit dir! Ich leide nicht mit, aber ich fühle.

Und gleichzeitig geht meine Mitgefühl auch an die Menschen, die Raketen abfeuern, die Städte und Landschaften zerstören und Menschen auf Befehlt töten, so lange bis sie sogar ohne Befehlt töten. Sie haben meine Mitgefühl, weil sie nicht die Kraft aufbringen können sich zu widersetzen, ungehorsam zu sein und für ihre Taten die Verantwortung zu übernehmen. Weil sie so weit weg von sich selbst sind, einen Befehl zu befolgen, der beinhaltet ander fühlende, liebensfähige Wesen zu töten, zu misshandeln, zu traumatisieren und auszulöschen. Vielleicht aus dem eigen Schmerz und Ungenügen heraus, vielleicht aus Gier.

Wer gierig ist dem fehlt etwas, sonst bräuchte er nicht noch mehr. Und so sehr im Mangeldenken zu sein, das tut mir leid. Ihr habt mein Mitgefühl. Ungehorsam bedeutet Verantwortung zu übernehmen, Frieden genauso! Es bedeutet Verantwortung zu übernehmen für dass, was ich in der Welt bewirke, wie ich spreche, welche Entscheidungen ich treffe, und auch wie ich spreche wenn niemand zuhört, wie ich über mich selber denke. Verantwortung zu übernehmen für die Person die ich bin, das ist Ungehorsam, das ist Frieden.

Wie friedvoll, wenn ich hinter dem stehen kann, was ich in die Welt sende. Also ja, vielleicht ist es gerechtfertigt Kriegsbotschaften einen Friedenspreis zu geben. Ich komme dennoch wieder auf den Punkt was mich daran stört. Texte voll Hass, verstärken den Hass in der Welt, wenn sie nicht ein gebettet sind, nicht gerahmt. Sie bestärken andere darin sich aus ihrem Hass heraus zu äußern und so erneut Hass zu vermehren.

Das wichtigste ist aber Wut und Hass sind immer ein Ruf nach Mitgefühl, Empathie und Selbstempathie. Es bedingungsloses Annehmen von dem was ist, von den Gefühlen die auftauchen, von dem Schmerz, das bringt uns zum Frieden. Vielleicht ist auch deswegen der Friedenspreis gerechtfertigt, auch wenn der Text nichts mit Frieden gemeinsam hat. Er bereitet aber den Weg dahin, bzw. kann ihn berieten wenn man die Verantwortung übernimmt für das was da im Innern in einem auftaucht, zum Beispiel beim lesen. – Madita Kretschmer

 

Hass ist die emotionale Basis für die Bereitschaft, Gewalt anzuwenden. Ausgedrückt in Sprache, drängt der Hass zur Tat. Im „Guten“ auch zur Gegenwehrt, zur Selbstverteidigung. Serhij Zhadan`s Worte sind klar, eindeutig und, gegenüber den Russen, hasserfüllt. Das ist seine Waffe im Krieg. Verständlich das er so schreibt. Lesenswert als Dokument für die Verrohungsdynamik von Krieg, dem sich die Betroffenen nur schwer entziehen können. Dies ist die Aufgabe der Beobachter, und ja, auch von Freunden, dem Hass, dem Vernichtungswillen zu wiederstehen, die Distanz zu wahren, welche den Blick für Frieden offen hält.

Serhij Zhadan sagt, „ohne Gerechtigkeit keinen Frieden“. Doch wieviel Rache steckt in seinem Gerechtigkeitsapell? Das müssen, dass können nur die Zuhörer herauszuhören, oder es erfragen. Krieger wollen töten, wollen vernichten. Sie wollen siegen. Nur weil „der Gute“ hasst, liegt im Hass nicht ein Schritt zum Frieden. Einen Friedenspreis für einen hassenden Kombattanten pervertiert das Anliegen. Lesen wir seine Werke, stehen wir ihm und seinem Land zur Seite, aber adeln wir nicht seinen Hass. – Jürgen Pilz

 

Wenn der Deutsche Buchhandel ein Zeichen der Solidarität setzen möchte, musste dafür nicht der Friedenspreis instrumentalisiert werden. Das unbestrittene Selbstverteidigungsrecht der Ukraine verdiente überdies ein glaubhafteres. Denn Weidermanns Rechtfertigung der Preisverleihung, die ich als bellizistische Schönfärberei empfinde, untermauert letztlich deren Widersprüchlichkeit. Und zudem erzeugt sie ein schales Gefühl der Fassungslosigkeit darüber, daß diese bedenkliche Argumentation in ihrer Redaktion leitartikelfähig ist. Der brutale, das Völkerrecht missachtende russische Angriffskrieg ist keine Pauschalrechtfertigung für das Herabsetzen eigener Prinzipien! – Thomas Au

 

Aufmerksam habe ich Ihren Artikel „ Krieg und Frieden“ in der ZEIT- Ausgabe vom 20.10.2022 gelesen. Sie versuchen darin, die hasserfüllten Worte des ukrainischen Schriftstellers Zhadan, der den diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen bekommen hat, zu erklären und zu rechtfertigen. Ich widerspreche, dass diese Art Literatur für den Frieden einstehen kann. Nein, sie polarisiert auch in der deutschen Leserschaft, erzeugt neuen Hass und bietet keinen Ausweg aus der Gewaltspirale. Und der Hass nährt sich von tiefen emotionalen Erschütterungen, die Menschen verstummen oder ihre Verzweiflung unreflektiert rausbrüllen lassen. Auch Serhij Zhadan hat Schreckliches erlebt.

Aber der Schriftsteller, ein Meister des Gedanken und des Wortes hat vor der Veröffentlichung die Entscheidung, Brücken des Menschlichen trotz aller ihn umgebenden Gewalt zu bauen oder sich dem Destruktiven anzuschließen. Wir Deutschen haben unsere guten und schmerzhaften Erfahrungen mit den „ Russen“ gemacht. Ich bin in einer Stadt im Osten Deutschlands geboren, die 1945 kampflos der Roten Armee übergeben wurde – Greifswald. Der damalige Stadtkommandant R. Petershagen hat ein Waffenstillstandsabkommen mit den Sowjets schließen können, das den Schutz der Zivilbevölkerung mit einschloss. Die „ Russen“ zogen in die deutschen Haushalte, in denen die Hakenkreuzfahnen eiligst versteckt wurden.

Die russische Kommandantur stellte damals unter schwere Strafe, sich an der Zivilbevölkerung zu vergehen und dieses Gebot wurde eingehalten. Dass es andere Beispiele der Rachenahme gab, ist mit bekannt und menschlich erklärbar, ähnlich wie die Wut eines Schriftstellers Zhadan heute. Aber heute, wo ein neuer schrecklicher Krieg tobt, dessen Folgen unabsehbar sind, sollten wir uns versöhnlicher Beispiele, die das Humane im Menschen ansprechen, erinnern und nicht einer Kriegsrhetorik den Hof machen. Hinzufügen möchte ich noch, dass ich Ihre Bücher über die deutschen Exilanten Anna Seghers, Stefan Zweig u.a. sehr schätze. – Dagmar Scherzer

 

Ich bin traurig über die Verleihung des Friedenspreises an diesen Autor und über diesen Artikel! „Hass kann Hass nicht vertreiben, das kann nur Liebe.“ (Dr. Martin Luther- King). – Bettina Bünemann

 

Einen Autor der in seinem Buch den Feind entmenschlicht und als „Tiere“ und „Unrat“ bezeichnet mit dem Friedenspreis auszuzeichnen ist grotesk. Die Entmenschlichung von Menschen bereitet verbal deren vermeindich gerechtfertigte Vernichtung und Ausrottung vor. Beispiele hierfür finden sich leider auch in der Deutschen Geschichte. Eine solche Sprache ist durch nichts zu entschuldigen oder zu rechtfertgen. – Gerold Scheuring

 

Haben Sie recht herzlichen Dank für Ihren Artikel „Krieg und Frieden“ vom 20.10.2022. Der Inhalt des Textes spricht mir aus dem Herzen. Bei der Vergabe des Friedenspreises an den Autor Serhij Zhadan handelt es sich nicht nur um einen Skandal, sondern auch um die Inkompetenz und Unverantwortlichkeit der Jury, die sich nicht nach künstlerisch-literarischen Kriterien richtet, sondern nach einer ungewissen politischen Moral (sic!). Mich wundert sehr, dass Hasspredigten des Autors auf Gegenliebe stoßen und bejubelt werden. Auch die früheren Werke des Schriftstellers sind für mich Darstellungen der „friedlichen Gewalt“, der „friedlichen Prostitution“ und der „friedlichen Kriminalität“.

Ich bin absolut dafür, dass man dem Autor Serhij Zhadan den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels aberkennt. Das Geld kann er sich gerne (für seine Munition) behalten. P.S. Ich bin absolut dagegen, dass man das Leiden der Menschen zu kommerziellen Zwecken nutzt/missbraucht, indem man es literarisch beschreibt oder künstlerisch fotografiert. Es ist ein klarer Verstoß gegen die Privatsphäre der Betroffenen. – Kiril Hać

 

Nein, das darf nicht sein! Ich stimme der Bestandsaufnahme des Artikels im ersten Abschnitt zu. Es ist ein Skandal, dass der Autor Serhij Zhadan für seine Hetze gegen die Russen den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält. Aber viel erschreckender finde ich, wenn Volker Weidemann diesen Skandal verteidigt, und das ohne jedes Argument. Die Beweggründe für die „Verwandlung“ des Autors durch Putins Krieg gegen die Ukraine kann ich nachvollziehen. Aber um sie geht es hier nicht. Indem ein Autor, der Hasstiraden hält, mit dem Friedenspreis geehrt wird, wird unsere Zivilisation pervertiert. „Brennt in der Hölle, ihr Schweine!“ – Das soll dem Frieden dienen? Ich hätte nicht gedacht, dass eine Redaktionskonferenz der ZEIT jemals so explizit auf der Titelseite unsere humanen Grundwerte verraten würde. – Peter Henn

 

Der diesjährige Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, Serhis Zadan, bezeichnet die Russen in seinem Buch „Himmel über Charkiw“ als „Verbrecher“, „Tiere“, Unrat“ und er schreibt“ Brennt in der Hölle, ihr Schweine.“ Es sind dies Worte des Zorns angesichts der täglich von Russland in der Ukraine verübten Verbrechen. Keinesfalls trägt der Autor mit diesem Text, den man als einen literarischen Beitrag zum Krieg bezeichnen muss, zum Frieden bei. Serhij Zadan lässt seinen Hassgefühlen freien Lauf und er hätte daher niemals den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten dürfen. Es befremdet mich, dass Volker Weidemann dem Autor Beifall zollt. – Helmut Krings

 


 

 

Leserbriefe zu „Machtwortgeklingel“ von Peter Dausend

 

Nachdem ich heute die Online-Ausgabe abgerufen habe, war natürlich die Head-Line meine erste Lektüre. Ich will es kurz machen: Solch einen Blödsinn habe ich von „meiner“ Zeitung nicht erwartet. Da streiten 2 profilneurotrisierte Minister um Peanuts. Der Kanzler hält sich so lange wie möglich zurück, wird aber durch Fakten gezwungen, zur Reason zu rufen? Das weiss die ZEIT dazu: Schwäche. Manchmal fasse ich es einfach nicht. Traurig. – Marlene Benders

 

Der (vorübergehend beigelegte) Koalitionskrach war völlig unnötig – dem ist gewiss zuzustimmen. Doch beiden „Streithähnen“ die Schuld für die verfahrene Situation gleichermaßen zuzuschreiben, wird der Sache nicht gerecht. Robert Habeck konnte inhaltlich nicht nachgeben, ihm waren durch den Parteitagsbeschluss die Hände gebunden. Im übrigen haben die Grünen unter dem Eindruck des Ukrainekrieges manch eherne Position preisgeben müssen, was auf die FDP nicht im gleichen Maße zutrifft. Christian Lindner hat ohne Not die für alle Beteiligten missliche Lage erst geschaffen – ihm ging es vor allem um Profilierung, und das bewusst auf Kosten insbesondere der Grünen. Den Koalitionspartnern gezielt schaden zu wollen, kann man umgekehrt Robert Habeck jedoch beim besten Willen nicht unterstellen. – Rüdiger Paul

 

Die von Scholz gewählte Richtlinienkompetenz muss mehr als Aporie verstanden werden, welche die Ampel ausgerechnet in den Zeiten größter Krisen in einen chaotischen Subjektivismus als Fanal der eigenen Inkompetenz verfallen lässt. – Jürgen Dressler

 

Der schöne Artikel von Peter Dausend inspirierte mich zu dieser kleinen Ampel-Betrachtung: Welche Ampelfarbe ist die wichtigste? – Rot, denn Rot sagt: Stopp, sonst kracht’s! Welche Ampelfarbe ist die zweitwichtigste? – Grün, denn Grün sagt: Auf geht’s! Und Gelb? Gelb sagt entweder: Achtung, gleich kommt Rot! oder Achtung, gleich kommt Grün! Hier bei uns in Neuss haben vor vielen Jahren weise Menschen das Gelb in der Ampel abgeschafft. – Kurt Eimers

 

Führungspersönlichkeit mit Vision gesucht … Machtwort allein ist zu wenig. Mit großem Interesse lese ich Meinungen zur Lage Deutschlands, verfolge die einschlägigen Talkshows und auch die Nachrichten sowie Analysen zur wirtschaftlichen Perspektive unseres Landes. Dabei ist mir aufgefallen, dass häufig Probleme und Schuldzuweisungen diskutiert werden, manchmal auch Lösungen aufgezeigt werden. Bisher habe ich aber noch nicht die Formulierung einer Vision gehört, mit der sich die Bürger dieses Landes identifizieren können, eine Vision, auf die alle zuarbeiten können.

J.F.Kennedy hat am 25. Mai 1962 für die Amerikaner in seiner berühmten Rede „We choose to go to the Moon“ eine Vision formuliert und gleichzeitig beschrieben, was diese Vision bedeutet. „We choose to go to the moon in this decade and do the other things not because they are easy, but because they are hard. Because that goal will serve to organize and measure the best of our energies and skills, because that challenge is one that we’re willing to accept. One we are unwilling to postpone…..“

Einen solchen Geist vermisse ich in Deutschland! Gerade in der jetzigen politischen Lage mit dem unsäglichen Krieg in der Ukraine wäre ein solcher Geist für Deutschland unendlich wichtig. (Kennedy hat seine Vision auf dem Höhepunkt des kalten Kriegs formuliert.)Wo ist die Führungspersönlichkeit in Deutschland die z.B. als Vision formuliert: „Wir haben entschieden Deutschland energieautark zu machen und das ökonomisch sowie ökologisch“?

Eine Vision, die in meiner Sichtweise viele Dimensionen anspricht und den deutschen Erfindergeist auf der Basis eines bisher nicht gekannten Energiebewusstseins herausfordert: o Autark in Energieerzeugung, o Autark in der Energiespeicherung, o Autark im Energietransport. Wo ist die Führungspersönlichkeit die z.B. mit einer solchen Vision eine positive Perspektive (wirtschaftliche Prosperität & Klimaschutz) für unser Land zeichnet? Man stelle sich nur einmal vor, Deutschland wäre energieautark (unter Berücksichtigung aller ökonomischen und ökologischen Kriterien) und könnte sein gewonnenes Wissen exportieren.

Wo ist die Führungspersönlichkeit, die mit einer solchen positiven Perspektive aufzeichnet, was möglich wäre, anstatt zu thematisieren warum etwas unmöglich / schwierig ist bzw. sich im Klein-Klein oder Schuldzuweisungen zu verlieren. Natürlich müssen auch die kurz- und mittelfristigen Probleme im Sinne der sozialen Marktwirtschaft bearbeitet und gelöst werden, notfalls auch mit einem Machtwort. Aber, …. wo bleibt die Perspektive, die Vision?

„Wir haben den Mond als Ziel gewählt, nicht weil es leicht zu erreichen ist, sondern gerade, weil es schwierig ist“ formulierte J.F. Kennedy. Wie wäre es, wenn Deutschland sich z.B. mit der ökonomischen und ökologischen Energieautarkie einer vergleichbaren Herausforderung stellen würde und Bürger darin einen den positiven Aspekt für sich erkennen könnten. Ein Ruck könnte durch das Land gehen.

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ schrieb Antoine de Saint-Exupéry. Wenn ich jünger wäre, würde ich mich noch einmal aufmachen und in die Politik gehen und versuchen für Deutschland eine Vision zu definieren hinter der sich die Bürger versammeln und alle ihren positiven Beitrag leisten können. Mit Machtworten allein gewinnt man keine Nation. Hoffentlich findet sich doch noch in Deutschland eine Führungspersönlichkeit mit Vision. Hoffentlich bald….wird dringend benötig. PS: (Ökonomische und ökologische) Energieautarkie ist nur ein Beispiel für eine solche Vision. Vielleicht gibt es stärkere Bilder. – H. Krug

 

Es war einmal eine Kanzlerin in Deutschland die in Ihrer Amtszeit nach außen hin zu ihren Koalitionspartnern kein Machtwort gesprochen oder ihre Richtlinienkompetenz in Schreiben dargelegt hat. Ihre Art zu führen war offensichtlich nicht die Schlechteste. In Erinnerung wird ihr Satz: „Das schaffen wir “ bleiben. Anders beim neuen Kanzler seine Sätze vom Wumms und Doppel-Wumms sind noch ausbaufähig. Scholz der seine Richtlinienkompetenz durch ein Schreiben an zwei seiner Minister zum Ausdruck gebracht hat gibt damit ein wichtiges Instrument seiner Kanzlerschaft für eine vergleichsweise einfache Lösung aus der Hand.

Zwei Monate vorher gab er noch frohgemut zum Besten, dass er das Instrument habe aber kein Schreiben an Minister schreiben wolle. Das erinnert an Lummerland und den Scheinriesen Herr Tur Tur. Herr Scholz erscheint bedrohlich je weiter er entfernt ist. Er wird immer kleiner je näher er kommt. Das ist nicht nur keine Führung, sondern der Ausdruck von politischer Hilflosigkeit. Was fragt sich das schon sehr verwirrte Volk machen die Ampelpartner in den wöchentlichen Kabinettssitzungen? Hier wäre der Ort und die Zeit Probleme und verschiedene Ansichten anzusprechen um zu entsprechenden Lösungen zu kommen.

Warum lädt der Kanzler die Herren Habeck und Lindner, die „Scheinzwerge“ nicht zu einem Gespräch bei Kakao und Kuchen ein, denn ganz so wie in einem Kindergarten kommt einem das Gehabe des Grünen -und FDP-Ministers vor. Hier hat Herr Dausend völlig Recht. Diese nunmehr angeordnete Lösung im Streit um die Laufzeit von zwei oder drei AKW hätte wahrscheinlich ein aufgewecktes Kind zum Ende der Kindergartenzeit und mit Sicherheit in der dritten und/oder vierten Klasse mit seinen Mitkindern erkannt. Denn anders als in der Politischen Landschaft lernen die Kindergarten -und Schulkinder miteinander friedlich und normal umzugehen und nicht bei kleinsten Problemen die „beleidigte Leberwurst“ zu spielen.

Ausgeübte Macht in der Briefform des Olaf Scholz hinterlässt immer eine Partei die sich benachteiligt fühlt. Das führt zwangsläufig zu immer weniger Kompromissbereitschaft. Aber die vorliegende Dreiparteienkoalition lebt vornehmlich von Geben und Nehmen auch über das Parteigeplänkel hinweg. Die „Verzwergung“ der „Alphatiere“ Habeck und Lindner hat dieses fragile Gleichgewicht ins Wanken gebracht. Im Übrigen gilt nur beim Skat: „Wer schreibt, der bleibt.“ – Felix Bicker

 

Olaf Scholz wollte nie einen Brief schreiben? Und was, wenn wenn ihn zwei seiner Minister ganz doll darum bitten? Einer, der mit „windigen Manövern“ verzweifelt die „liberale Handschrift“ der Koalition zu unterstreichen versucht (s. Leitartikel der Zeit in letzten Ausgabe). Und ein anderer, dem die möglichen Auswirkungen eines vollständig auf die normative Kraft des Pragmatischen ausgerichtet Handelns als Regierungspartei auf die eigene Basis mit ihren Gründungsmythen sicher schlaflose Nächte bereitet (Waffenlieferungen vs. Pazifismus; Infrastrukturausbau vs. Naturschutz; Energiesicherheit vs. Ausstieg aus Atomkraft, Kohle- und Gasverstromung; Atomdeals vs. feministischer Außenpolitik).

Natürlich ist man da angesichts der Angst ob der eigenen Profillosigkeit respektive der Schizophrenie des eigenen Denkens und Handelns gern bereit, sich bis zur letzten Sekunde öffentlichkeitsmaximierend für seine „Ideale“, seinen „Markenkern“ bei wirklich wichtigen, weltbewegenden Themen hoffnungslos zu verforkeln (googeln sie das Wort einmal. Lohnt sich. Ist etwas lustig aber auch etwas traurig). „Du Christian, du hast ja recht mit der Energiesicherheit, aber…“ „Ach Robert, ich versteh dich ja mit deiner Basis, aber…“ „Weisst du was Christian, lassen wir Olaf doch einen Brief schreiben“ „Spitze Robert, dann können wir endlich nach Hause gehen“. – Jörg Kemna

 

Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers ist eine ihm ausdrücklich übertragene Möglichkeit, eben die Richtung der Regierungsarbeit zu bestimmen, falls er dieses für nötig hält.Dass der Bundeskanzler diese Richtlinienkompetemz eigentlich nicht benutzen möchte, wenn es sich vermeiden lässt, macht in meinen Augen Sinn, weil das keine ständige Option sein sollte. Auch aus demokratischem Verständnis heraus, wäre eine dauernd verwendete Richtlinienkompetenz nicht wirklich wünschenswert. Die Richtung, die Olaf Scholz jetzt vorgegeben hat, mag auch einem Viertklässler eingefallen sein können. Es ist ja auch nicht grundsätzlich falsch, wenn bei zwei uneinigen Positionen (Grüne und FDP) die offensichtlich naheliegende Lösung genommen (oder auch vorgegeben) wird.

Es ist kein Ausdruck von Macht oder Stärke, wenn eine ganz andere Richtung festgelegt würde, nur weil sie anders ist. Sehen Sie das anders? Das Olaf Scholz dieses Machtwort nicht sprechen wollte, ist offensichtlich. Und das ist, wie oben bereits erwähnt, auch gut so. Insofern verwendet der Kanzler seine Richtlinienkompetenz nie gerne, aber daraus eine fehlende Macht oder Richtung abzuleiten, halte ich für dreist. Auch Ihre Feststellung, dass dieses Machtwort potentielle Sprengkraft entwickln könnte, weil die uneinigen Streiter vielleicht nicht einverstanden sind, ist keine wirklich berauschende Erkenntnis.

Ich kenne keine einzige Situation (auch nicht außerhalb der Politik), wo ein Machtwort kein Konfliktpotential entfalten könnte, weil sich Protagonisten zu wenig repräsentiert fühlen. Ich mag es ganz offen ansprechen. Wir mögen die ZEIT, weil sie weiter denkt, weil sie Dinge besser durchleuchtet und Hintergründe besser erklärt. Dieses Niveau, unreflektiert über den Bundeskanzler oder die Regierungskoalition zu schimpfen, erwarte ich von einer BILD Zeitung oder anderen Tageszeitungen, denen eine Schlagzeile wichtiger, als eine ausgereifte Berichterstattung ist. Von der ZEIT hätte ich mir einen unaufgeregteren Text gewünscht, weil die Sache eigentlich gar nicht wirklich zum Aufreger taugt.

Die Grünen und die FDP konnten sich in der Angelegenheit Atomkraftwerke nicht einigen, was wenig überrascht, weil die Positionen hier tatsächlich sehr gegensätzlich sind. Jedes Nachgeben hätte dem jeweiligen Minister massiven Vertrauensverlust in den eigenen Reihen gebracht, was der Koalition auch nicht geholfen hätte. Mit der Entscheidung des Bundeskanzlers ist einerseits der aktuelle Streit beendet, und dazu noch können beide Minister einen Teilerfolg für sich verbuchen, ohne dabei nachgegeben zu haben. Und genau für so eine Situation ist dem Bundeskanzler diese Richtlinienkompetenz übertragen worden. – Andreas Böhm

 

Ich halte dieses ganze „Machtwortgeklüngel“ für ein abgekartetes Spiel zwischen den drei Herren, auf dass alle drei glimpflich aus der Sache rauskommen können. Habeck und Lindner, weil sie nicht aus ihrem ideologischen Quark rauskamen und Scholz, weil er, ob seiner Führungsschwäche, das Ganze hat zulange laufen lassen. – Till Borchert

 

Wie konnte es dieser Text auf die Titelseite schaffen!? Schon die Überschrift zeigt die Richtung an. Und die führt schnurgerade in unterstes Schülerunterstufendeutschniveau, um im Stil des Autors zu bleiben. Der Autor hat sich erkennbar nicht mehr unter Kontrolle und lässt auf diesem, der „Die Zeit“ unwürdigen Niveau, seine ganze männlich gestrickte (oder besser geschweißte, das klingt männlicher) Aversion gegen die drei Akteure der aktuellen Regierung raus. Er weiß und schreibt auch mit äußerst anmaßender Sicherheit – woher hat er die nur – wie die Herren Scholz, Habeck und Lindner ticken.

Zu dem eigentlichen Problem findet die Leserin/der Leser fast gar nichts, worum geht es bei diesem Machtwort schnell noch? Energiekrise, nein, es geht um Raser, die – ach Gottchen – aus ihrer Maximalposition (meint Dausend damit die Poolposition?) möglicherweise die Ampel des Kanzlers zertrümmern. Und der wird dann ohnmächtig, weil einer der rasenden Streithähne mit Triumphalismus reagiert.

So geht das weiter, wobei die politische Starköchin Merkel noch wegen ihrer „Basta-Unterdrückungs-Küche“ gelobt wird und als Vorbild dient. Stellt sich die Frage, wer die Suppe in jahrelangen missglückten Versuchsreihen versalzen hat. Versteht niemand? Ha, dann muss eben mal geschurigelt werden, natürlich auf Augenhöhe, aber auf jeden Fall höher als die von Peter Dausend. Der fühlt sich sicher dadurch nicht persönlich angegriffen, besitzt außerdem eine große Abprallkompetenz.

So markiert er mit diesem Text den Dicken, was mindesten bei mir gar nicht gut ankommt, denn sich mit solch unfähigen Texten aufblasen zu wollen, das grenzt doch sehr an einer schülerhaften Bockigkeit, begleitet von einer erkennbar tief verwurzelten Eitelkeit. Peter Dausen hat sich als schreibender wortklingelnder Zwerg geoutet, doch das sollte nicht auf Seite eins eines so hochwertigen Mediums veröffentlicht werden. – Franz Habel

 

Zutreffend, geistreich und sprachlich brillant. Eine schonungslose Beschreibung des traurigen Schauspiels und seiner Hauptdarsteller. – Sven Herfurth

 

Das aktuelle Machtwort des Kanzlers darf gewiss als „Inszenierung von Politik“ (wobei allein diese Aussage freilich nichts anderes als ein Pleonasmus ist) betrachtet werden. Den Atomstreit derart zu beenden war, unabhängig von fachlichen Hintergründen, machttaktisch opportun und gesamtgesellschaftlich absehbar populär. Überdies ist es, wie es der werte Peter Dausend prägnant tituliert hat, ein für einen Scheinriesen im K(r)ampf mit zwei Zwergen höchst seltenes Momentum – zumal regierungsseits in diesen krisenverhafteten Zeiten. Bleibt angesichts der allenthalben hohen wirtschaftlichen Belastungen für Privathaushalten wie für Unternehmen sehr zu hoffen, dass diese Entscheidung auch sachlich und nachhaltig die richtige war. – Matthias Bartsch

 


 

 

Leserbriefe zu „Das Gesetz der Spaltung“ von Kerstin Kohlenberg

 

Zu o.g. artikel meine anmerkung betr. s. 14/ spalte 3: ein bajonett schießt nicht – es ist die auf einen gewehrlauf aufgesetzte klinge… – anja molendijk

 

Eine Verfassung soll die Organisation eines Gemeinwesens festschreiben. Dabei muß sie auf wesentliche Punkte beschränkt werden, damit man sie nicht alle paar Wochen neu schreiben muß. Genau darum ging es den Verfassern der amerikanischen Verfassung. Es sollten grundlegende Regelungen zusammengefasst werden. In dem die Republikaner aus der Verfassung einen sakralen Fetisch machen, wird jeder Versuch der Interpretation zum Sakrileg. Für sie ist die Verfassung nicht mehr das Symbol der Demokratie, sondern nur noch eine Monstranz die sie zum bloßen Machterhalt vor sich her tragen. – Olaf Goldschmidt

 

Vielen Dank für die interessant geschriebene Darstellung! Der Satz „Wichtiger als die Frage, wie die Verfassung damals hätte geschrieben werden müssen, ist die Frage, wie man sie heute lesen muss.“ beunruhigt mich dann aber doch. Umdeutungen von Gesetzen bedeuten immer eine Machtverlagerung vom Gesetzgeber auf den Richter. Ist dies bei der Auslegung des einfachen Gesetzes, insbesondere in Staaten mit demokratisch legitimiertem Gesetzgeber, schon ärgerlich genug, höhlt es bei Verfassungen geradezu deren Sinn aus, der darin besteht, dass gewisse Grundwerte und Organisationsprinzipien nicht ohne Weiteres mit einfacher Mehrheit geändert werden können. Und unveränderlich ist auch die US-Verfassung nicht, sogar die Einberufung eines neuen Verfassungskonvents ermöglicht sie.

„Wir denken die Rechtsbegriffe um. … Wir sind auf der Seite der kommenden Dinge.“ So schrieb Carl Schmitt, als den Nationalsozialisten die Anpassung der Rechtswirklichkeit an ihre Ideologie im Wege der Gesetzgebung nicht schnell genug ging. Einer Demokratie steht eine solche Sichtweise jedoch schlecht zu Gesicht. Das westliche Demokratiemodells hat in den vergangenen Jahren schon viel von seiner weltweiten Ausstrahlung verloren. Es würde den liberalen Verfassungsstaat sicherlich attraktiver erscheinen lassen, wenn wir zunächst selbst unsere Verfassungen ernst nähmen. Das Ende des Artikels macht dann doch Hoffnung, dass auch in den USA eine Aufhebung der derzeitigen Blockadesituation auf verfassungsrechtlichem Weg möglich ist. – Christian Schäfer

 

Vielen Dank für diese Informationen; dann bleibt dem derzeitigen Präsidenten vermutlich nur die Drohung seines Vorgängers Roosevelt, den Supreme Court mit Demokraten „aufzublasen“, um die USA als demokratischen RECHTS-Staat zu erhalten. Kann er das rechtlich nach den Mid-Terms überhaupt noch? – Eberhard Blaum

 

Der Artikel zeigt, wenn auch etwas umständlich, die Probleme, die die USA mit ihrem Föderalismus seit langen haben. Die Wahlkreismanipulation zugunsten der jeweiligen Mehrheit in einem Bundesstaat hat es Gottseidank noch nicht über den Großen Teich geschafft. Allerdings ist der Autorin ein sachlicher Fehler unterlaufen:Verfassungsänderungen in den USA bedürfen einer Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern im Kongress und der Zustimmung durch drei Viertel aller Bundesstaaten , nicht einer Dreiviertelmehrheit in jedem Bundesstaat. (Artikel V der US Verfassung) – Thomas Gathmann

 

Im Kopf des Artikels bezeichnen Sie die amerikanische Verfassung als älteste niedergeschriebene Verfassung der Welt. Meines Erachtens sind sowohl die Verfassung von San Marino (1600) als auch die von Korsika (1755) wesentlich älter und existieren ebenfalls in Schriftform. – Joachim Herder

 

In der Ausgabe der Zeit vom vergangenen Donnerstag finden sich zwei Fehler. Der eine ist eher zum Schmunzeln, der andere eher fatal. In Ihrem Beirag über die Balkanroute, „Ich habe den Tod gesehen“ sprechen Sie vom „Landkreis Burgenland“ in Österreich. Als in Österreich lebender Deutscher bin ich immer wieder überrascht, wie ungenau deutsche Medien über Österreich – und umgekehrt – berichten. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass es die Gebietseinheit „Landkreis“ in Österreich nicht gibt. Das Pendant dazu wäre der Bezirk (dieser ist, wie in D die Landkreise, am amtlichen Kennzeichen von Autos zu erkennen). Das Burgenland ist aber eines der neun Bundesländer – hier stimmt die Bezeichnung mit der in Deutschland überein.

Zwar sind die österreicischen Bundesländer – wie die ganze Republik – deutlich kleiner als die deutschen, ich sehe aber nicht, wieso man sie deshalb zu Landkreisen herabstufen müsste – und ich kann Ihnen verraten, die österreichische Bevölkerung und in diesem speziellen Fall v.a. die des Burgenlands schätzt das gar nicht. Aber, unter dem Strich ist das eher zum Schmunzeln, in der Sache ist nichts falsch, nur die Bezeichnung stimmt nicht.

Im Dossier über die US Verfassung ist das anders. Dort wird behauptet, um die US Verfassung zu ergänzen brauche es „im Kongress … eine Zweidrittelmehrheit, und noch dazu in jedem einzelnen Bundesstaat eine Dreiviertelmehrheit“. Dies ist nun eindeutlig unzutreffend. Nach Artikel V der US Verfassung braucht es dazu eine Zweidrittelmehrheit im Kongress und die Ratifizierung durch die Legislativen von Dreivierteln der Bundesstaaten. Das ist deutlich etwas anderes als in jedem Staat eine Dreiviertelmehrheit, das ist eine absolute Mehrheit in Dreiviertel der Staaten. Da dieses Dossier sich ausdrücklich mit der US Verfassung befasste, finde ich es schon schwach, dass dort ein solcher Fehler zu stehen kommt. Das entspricht nicht dem Niveau der Zeit, das ich als Abonnent gewohnt bin. – Dr. Nikolaus Wandinger

 

Vielen Dank für Ihren sehr gelungenen Artikel über die US-Verfassung (die in der Illustration so arg zerrissen aussieht). Ich möchte dazu nur eine kleine Anmerkung machen: Wie Sie sicherlich wissen, deutete sich die Spaltung bereits in der Diskussion um die Unabhängigkeitserklärung an. Denn damals gab es schon eine Fraktion, die nicht unbedingt einen radikalen Schnitt wollte, sondern bereits mit der Absetzung des unbeliebten britischen Königs zufrieden gewesen wäre. Das bedeutet, dass zu diesem Zeitpunkt für eine Übernahme revolutionärer Freiheiten keine Mehrheiten für die Neugründung in Frage kam.

Das heißt. dass sich für die späteren Diskussionen über eine Verfassung „einige faulen Kompromisse“ bzw. „Unschärfen“ in den Texten ankündigten, die bis heute Anlass für kontroverse Auslegungen bieten. 2005 ist zum Thema Unabhängigkeit und Neubeginn das Buch von Harvey J. Kaye. THOMAS PAINE AND THE PROMISE OF AMERICA (Hill & Wang) erschienen, das diese Thematik akribisch genau beschreibt, u.a. mit vielen Texten aus den zeitgenössischen Medien. Nochmals Danke für das sehr informative Dossier. – Prof. em. H. Bus

 

Danke! ENDLICH meine ich das mit dem Gerrymandering verstanden zu haben!!! Dafür tun sich nun weitere Fragen auf. So die, mit welcher Gesetzesbestimmung im Rücken Roosevelt den Supreme Court hätte vergrößern können? Und warum er meinen konnte, daß er dann außerdem auch alle seine Wunschkandidaten durchkriegt?!? Auch warum es notwendig war, die fehlende Pflicht zur Unterbringung von Soldaten im eigenen Haus während Friedenszeiten explizit zu kodifizieren. Vorher gab es diese Pflicht, oder wie?

Die angeführte Begründung verstehe ich jedenfalls nicht. Drittens las ich an gewöhnlich gut unterrichteten Stellen, daß ein neuer Verfassungszusatz von 3/4 der Bundesstaaten ratifiziert werde muß. Nicht von allen, mit jeweils Dreiviertelmehrheit. Vgl. Amendments proposed by Congress or convention become valid only when ratified by the legislatures of, or conventions in, three-fourths of the states (i.e., 38 of 50 states).

https://eur06.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.ncsl.org%2Fresearch%2Fabout-state-legislatures%2Famending-the-u-s-constitution.aspx&data=05%7C01%7Cleserbriefe%40zeit.de%7Cb8542a15697740ad6c5108dab6586ba6%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C1%7C0%7C638022788135585885%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C3000%7C%7C%7C&sdata=gTwzfZRo9CUcbwA%2BcxegSJ4KwcjHQK77aVS4p3jxxPE%3D&reserved=0 Immerhin: Daß es keine US- Bundesgesetzgebung iS Strafrecht gibt meine ich nun verstanden zu haben. So daß u.a. Rassentrennung und Geburtenkontrolle nicht zentral geregelt werden können.

Während bei uns § 218 und Konsorten im StGB geregelt sind, also Bundesrecht, muß in den USA – wenn eine Straftat US-weit eine solche sein soll (oder eben nicht) – der Supreme Court ran und eben dies aus der Verfassung rauslesen, richtig? Gottseidank läßt uns der Artikel am Ende aufatmen mit einem hoffnungsfroh stimmenden Ausblick. Auf ein mögliches Ende des Gerrymandering. Und eine von der Mehrheit der einschlägig tätigen Juristen befürwortete grundsätzliche Verfassungsreform. Bin gespannt auf den nächsten Bericht! – Erna Apfelbacher

 

Bei aller Unvollkommenheit hat die amerikanische Verfassung einen grossen Vorteil: ihre Kürze. Auch die Menschenrechte von 1798 und das deutsche Grundgesetz von 1949 zeichnen sich durch ihre Kürze aus. Jeder ist in der Lage sie zu lesen und kann sich eine Meinung bilden. Neue Gesetze sind nicht nur viele hundert Seiten lang, sondern auch so geschrieben, dass selbst Juristen sie nicht mehr verstehen. Ob sie wirklich besser sind, bezweifle ich. – Peter Pielmeier

 


 

 

Leserbriefe zu „Im toten Winkel“ von Anant Agarwala und Martin Spiewak

 

Schon als Stadtentwicklungsdezernent der Stadt Duisburg habe ich unter der nationalen Borniertheit und deutschen Verzwergung gelitten, von Migranten annektierte Lebensräume unter den Zugzwang „einer Verdeutschung“ zu setzen. Zum eigenen Schutz und Wahrung der eigenen Identität haben auch deutsche Migranten überall auf der Welt Germantowns und damit dort vielfältige soziale und kulturelle Räume als Erfolgsmodell einer interkulturellen, gesellschaftlich-räumlichen Neuordnung geschaffen. Gerade die großen Metropolen rühmen sich ihrer Vielzahl und Vielfalt an identifizierbaren Nationalitäten.

Warum dieses Erfolgsmodell auch als Werbung für eine aufgeschlossen Gesellschaft in Deutschland nicht gelten soll, verschließt sich mir. Stadtquartiere mit eigener Kultur, eigener Architektur und auch eigener Sprache werden gerade im Ruhrgebiet Beiträge für eine Internationalisierung der Region leisten, statt die Unbedeutsamkeit der Region durch ein kleinkariertes Umdeutschen Ihrer Zuwanderer weiter zu pflegen. – Jürgen Dressler

 

Der aufrüttelnde Befund: Flächendeckende Bildungsarmut in großen Teilen des Ruhrgebietes. Dennoch ist der Bericht aus dem toten Winkel ermutigend. Wegen Lehrkräften, die vor Ort Lösungen für die konkrete Lebensrealität der Menschen in der Region finden. Lösungen für Fragen, die in der Bildungspolitik des Landes weitgehend ungesehen bleiben. „Wie müssen wir uns verändern, damit wir zu unseren Kindern passen?“

Ein beeindruckender Perspektivwechsel, der auch als bildungspolitische Kapitulation missverstanden werden kann. Und doch ist es offenbar die richtige Frage, um in einer verwahrlosten Welt einen erfolgreichen Ansatz für die professionelle pädagogische Arbeit zu finden. Jenseits aller Ideologie. Das zeigt auch die beispielhafte Schulpolitik in Hamburg. Sehr mutig, sich ernsthaft der Wirklichkeit zu stellen. Ein Vorbild auch für die vermeintlich heilen Welten, in denen sich die innere Verwahrlosung ausbreitet. – Reinhard Koine

 

Im Artikel „Im toten Winkel“ in der ZEIT Nr. 43 vom 20. Oktober 2022, Rubrik Wissen, Seite 29/30, schreiben Sie auf Seite 30, 1. Spalte unten: „Laut „Bildungsbericht Ruhr“ hat sich die Armut in den vom Bergbau geprägten Vierteln verschärft, gerade in Dortmund, Duisburg, Essen, Bochum und Gelsenkirchen.“ Auch wenn dies ein Zitat ist, habe ich dazu folgende Anmerkung: Die Stadtteile im Ruhrgebiet mögen sich bezüglich verschiedener Aspekte deutlich voneinander unterscheiden. Was allen Stadtteilen der genannten Städte gemeinsam ist, ist ihre Prägung duch den Bergbau. Anschaulich deutlich wurde das im Kulturhauptstadtjahr 2010.

Die gelben Ballons als Zeichen für ehemalige Schachtanlagen waren flächendeckend im Ruhrgebiet zu sehen. Ob „Zeche Eimerweise“ oder moderne Schachtanlage, der Einfluss des früheren Bergbaus ist an jeder Ecke der genannten Ruhrgebietsstädte präsent. Als Unterscheidungsmerkmal zwischen reichen und armen oder bevorzugten und benachteiligten Stadtteilen ist die Prägung durch den Bergbau denkbar ungeeignet. Sie ist überall vorhanden. – Stefan Riesner

 

Danke für diesen Artikel und für alle anderen Artikel zur Bildungsmisere in Deutschland. Sie haben oft so gute Vorschläge, warum hört keiner auf Sie und die genannten Experten. Bitte bleiben Sie und ihre Kolleginnen weiter am Ball. – Marlies Wenzel

 

Mit großem Interesse und ebenso großer Fassungslosigkeit, habe ich Ihren sehr informativen Bericht „Im toten Winkel“ gelesen. Natürlich kennen (fast) alle Kommunalpolitiker In NRW und dem Ruhrgebiet die beschriebenen Probleme. Alle Versuche, die Thematik auf der kommunal- und parteipolitischen Tagesordnung zu halten, bis eine Besserung messbar ist, versanden regelmäßig im Wust der Tagespolitik.

Ich hoffe, dass Ihr Artikel besonders im Ruhrparlament gelesen wird. Dass es so etwas gibt, wissen die wenigsten Bürger in NRW. Auf der Internetseite des Regionalverbandes Ruhr RVR heißt es: „Das Ruhrparlament ist die einzig demokratisch legitimierte und verlässliche regionale Klammer der Metropole Ruhr“. Ich werde Ihren aufrüttelnden Artikel nutzen, um wiederholt für mehr Chancengleichheit im Bildungsbereich und für annähernd gleiche Lebensverhältnisse in ganz NRW, zu werben. Eine Idee wäre, dass Schulfördervereine untereinander Patenschaften bilden. Nur so wäre gewährleistet, dass die Eltern z. B. einer Grundschule in Münster, von den Problemen, z. B. an der Nordmarktschule in Dortmund, aus erster Hand erfahren. – Dirk Hartwich

 

Als ich Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts in Heidelberg Sonderpädagogik mit dem Schwerpunkt Lernbehindertenpädagogik studierte, war das Buch „Die Erziehung der sozio-kulturell benachteiligten Schüler von Ernst Beegemann Pflichtlektüre. In diesem Buch, das 1970 erschien, wurden im Kapitel „Die sozio-kulturellen Faktoren der Hilfsschulebedürftigkeit“ all die bildungshemmenden Faktoren aufgezeigt, die auch im jetzigen ZEIT-Artikel geschildert werden.

Schon damals gab es in vielen deutschen Städten – auch in Heidelberg – Straßen und Stadtteile, in denen Kinder unter den geschilderten Lebensumständen aufwuchsen und bei der Einschulung so große kognitive sowie emotionale Defizite aufwiesen, dass ein Grundschulversagen vorprogrammiert war. Offenbar hat sich in unserem Land bis heute in dieser Hinsicht nicht viel geändert. – Lothar Schmitt

 

Gelegentlich fällt es mir mit meiner geringen Rente nicht leicht, die 6,2O Euro aufzubringen, um das Zentralorgan des hanseatischen Liberalismus lesen zu können. Umso mehr freue ich mich, wenn es exakt den Eindruck zu (be)- schreiben vermag, den ich vor kurzem empfunden habe! Ende August war ich auf 9 Euro-Ticket – Basis in Dortmund, um in Second-Hand-Läden nach Schallplatten, evtl. Büchern zu schauen. Dazu ging ich in die Nordstadt (Do. Süden kann jeder!)

Zufälligerweise war es ein Dienstag, an dem auf dem erwähnten Nordmarkt ein solcher stattfand. Den Eindruck, den ich dort gewonnen habe, kann man nur mit eigenen Augen verarbeiten : Fotos oder mündliche Darlegung sind nicht authentisch genug! Icb hatte das Gefühl, dass min. 8O % der Besucher NIcht-Dortmunder seien. Die Läden umher hätten der Firmierung nach auch in Afghanistan, Eritrea, Somalia sowie Ländern Afrikas geöffnet sein können; da waren die türkischen MItbürger noch in der” mittteleuropäischen” Minderheit!! Das Strassenbild dazu lassen wir besser unerwähnt… Also – Ihr Bericht hat meinen Eindruck wieder ins Gedächtnis gerufen und bestätigt! – Uwe Büssing

 

Im Artikel wird ausgeführt dass Verbesserungen wie in Hamburg im ärmeren Nordrhein-Westfalen kaum möglich wären. Tatsächlich? Ich verstehe überhaupt nicht wieso die Autoren des sonst sehr gelungenen Artikels das einfach akzeptieren. Steht nicht im Grundgesetz dass die Lebensverhältnisse in ganz Deutschland gleichwertig sein sollen? – Martin Lewit

 

Man kann die Beurteilung der Bildungsmisere als „Lapalie“ betrachten, seit nunmehr fast 20 Jahren quält uns dieses Phänomen des Bildungsrückstandes in Deutschland – Ursache: Der massive Bevölkerungszuzug von überall her und damit grundsätzlich unfaßbar viel Bildungsrückstand und politisches bzw. administratives Versagen. Wo waren denn Sprachprogramme für Neuankömmlinge exzessiv angeordnet? Geht nicht, kann man nicht machen ? Mitnichten, aber doch !

Wer hat denn ab 1982 (danach kamen die „Deutschen aus dem Osten“), ab 1990, ab 1998, ab 2005 dieses Deutschland regiert? Wer war denn für den Mindeststandard in u.a. Schulen zuständig – Kohl, Kohl, Kohl, Kohl – Schröder, Schröder – Merkel, Merkel, Merkel, Merkel !! Die haben den schlechten Zustand, wenn man das so dramatisieren muß (in Umbruchzeiten) , der Schulen und Sonstiges zu verantworten gehabt; Entschuldigung ? I wo !

Wäre nicht Unsummen von Geldern in Wahnsinnsprojekte geflossen, in dunkle Kanäle verschwunden oder sonst irgendwie verpraßt, könnten seit 2005 überall genug PCs stehen, die Schulen perfekt „restauriert“ , wären ab 2005 oder früher überall schon die Glasfaserkabel vorhanden usw. und vieles mehr. Insofern muß man den Regierungen damals Grobfahrlässiges Handeln vorwerfen und insofern haben reiche Leute wie z.B. Kühne (gestern im Fernsehen im NDR) recht, wenn sie feststellen, Politiker können nicht mit Geld umgehen !? – Rainer Rehfeldt

 


 

 

Leserbriefe zu „So viel Mut“ von Navid Kermani

 

Wenn unsere Außenministerin es ernst meinte mit ihrer angeblich „feministischen“ Außenpolitik, dann könnte sie ein öffentliches starkes Zeichen setzen und sich aus Protest gegen das Mullah-Terrorregime und aus Solidarität mit den unterdrückten iranischen Frauen ihre Haare abschneiden. Stattdessen nichts als Leisetreterei. Und man erzähle mir nicht, dass man auf diplomatischem Wege mehr (oder überhaupt irgendetwas) bei solchen (und anderen ähnlichen) Verbrechern erreiche.

Früher konnte man tatsächlich bei den Grünen anrufen (in meinem Falle bei der Hildesheimer Landtagsabgeordneten Litfin, die mich bei einer Podiumsdiskussion an meiner Schule sehr beeindruckt hatte) und es wurde immerhin noch abgehoben. Das hieß aber noch lange nicht, dass die Partei damals dazu aufgefordert hätte, für den durch den Putsch sogar tödlich bedrohten Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow zu demonstrieren. Meine erste große Enttäuschung mit der Partei, aber Frau Litfin bleibt für immer in guter Erinnerung … – Thomas Manthey

 

Mit seiner harschen, polemisch zugspitzten Kritik am (angeblichen) Desinteresse der deutschen Öffentlichkeit im Allgemeinen und einiger (grüner) Politiker im Besonderen provoziert der ansonsten von mir hoch geschätzte David Kermani Widerspruch: Es ist nachvollziehbar, dass sich Kermani in Anbetracht seiner vielfältigen persönlichen Beziehungen zum Iran ganz besonders betroffen zeigt, wenn das Mullah-Regime in Teheran den derzeitigen Aufstand brutal niederprügelt.

Er sollte jedoch bedenken, dass es für den Bürger hierzulande beinahe täglich Anlass zu ähnlicher Betroffenheit gibt, wenn – um nur einige Beispiele zu nennen – über die menschliche Katastrophe im Jemen, die Verfolgung der Uiguren in China, das Elend in der Provinz Tigray/Äthiopien oder die aktuelle Polizeigewalt gegen protestierende Jugendliche in Chile berichtet wird. Müssen wir Alle deshalb nur noch in Sack und Asche gehen, unsere Zeit nur noch demonstrierend auf den Straßen verbringen, sollen wir in permanente Depression verfallen, und darf ein Parteivor¬sitzender nun nicht mehr den täglichen stress auch mal auf einer Party vergessen?

Die Kritik Kermanis an Außenministerin Annalena Baerbock bedenkt im Übrigen nicht, dass eine inter¬ventionistische Menschenrechtspolitik auch kontraproduktiv wirken kann, u. a. wenn sie die Entstehung des Gefühls von „ownership“ an der angestrebten Veränderung in breiten Schichten der Gesellschaft eher hemmt als fördert. Wenn revolutionäre Verände¬rungen nicht von außen (mit)gestaltet werden, sondern vollumfänglich eigenen Vorstellungen entsprechen und aus eigener Kraft und unter Opfern errungen werden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie von Dauer sind. Die Französische Revolution mit ihren Ideen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit war ohne menschenrechtliche Interventionen eines fremden Staates siegreich – und vermutlich nur deshalb! – Dr. Wolfgang Fischer

 

Wieder ist es passiert. In irgendeiner Region der Welt passiert irgendetwas und irgendein mit dieser Region in irgendeiner Weise Verbundener oder ein aus Verbundenen bestehender in Deutschland gegründeter Verband / Verein oder eine (Hilfs-)Organisation, die die ganz großen moralischen oder humanitären Ziele der Weltgemeinschaft auf der Fahne stehen hat, oder irgendjemand, der sich aus irgendeinem Grund berufen fühlt, wird so sicher wie das Amen in der Kirche (oder heutzutage sicherer, der Ruf des Muezzin zum Gebet) aktiv und wirft „dem Westen“ und insbesondere Deutschland, seinen Institutionen, handelnden Personen oder der Gesamtbevölkerung wahlweise oder im Gesamtpaket mangelnde Solidarität, Wegschauen, mangelnde Empathie, mangelnde Hilfsbereitschaft, die Unterstützung der falschen Konfliktpartei, das Ausbleiben von organisatorischer, humanitärer, politischer oder finanzieller Unterstützung, moralische Verwerflichkeit oder was sonst noch so in der Schublade steckt vor.

Jetzt also – zum wievielten Male in den letzten 50 Jahren eigentlich – der Iran, das Mullah-Regime und sein Terror, der Protest und die Repressalien und in diesem Fall Herr Kermani mit seinem Artikel. Und sicher werden wieder Institutionen und Personen über das hingehaltene Stöckchen springen und ihren Kotau machen. Frau Baerbock wird etwas staatstragendes absondern und Herr Nouripur wird das Büßerhemd überstreifen und in Sack und Asche gehen.

Und nächste Woche kommt dann das nächste Ereignis aus dem Sudan/ Südsudan oder Somalia oder dem Jemen oder Quatar oder Tibet oder Nepal oder Bangladesh oder Kolumbien oder Brasilien oder, oder, oder – und wieder wird irgendjemand die Keule schwingen und dann noch Imperialismus, Kolonialismus, Nazismus oder mangelnde Wokeness in die Keule mit einbinden. Mich – Entschuldigung – kotzt das alles nur noch an – aber ich bin ja auch ein deutscher, alter weißer Mann mitten aus der Baby-Boomer-Phase und habe sowieso jedes Lebensrecht verloren und sollte mich selbst von diesem Erdenrund entfernen. – Detlev Luley

 

Im Fernsehen, in den Tagesszeitungen sehe und lese ich den mutigen Aufstand der iranischen Frauen für ihre Rechte und mehr Freiheit und den Widerstand gegen das Tragen von einem Kopftuch. Andererseits sehe ich dann musischen Frauen, die hier alle Freiheitsrechte haben, sich mit einem Kopftuch freiwillig verkleiden und damit öffentlich bekunden, dass sie unfrei sind und sich freiwillig einem islamischen Brauch und der islamischen Kleiderordnung unterwerfen. Ich empfinde das sehr irritierend und denke, diese Frauen müssten sich schämen, dass sie sich derartig unsolidarisch gegenüber den Frauen im Iran verhalten. Gibt es keine Solidarität unter muslimischen Frauen? Die müssten doch an vorderter Front aus Solidarität mit den Frauen im Iran sein. – Horst Zeck

 

Ich kann der ZEIT nur gratulieren, dass mit dem Artikel von Kermani endlich mal eine klare Stellungnahme zu den schlimmen Verbrechen, die laufend in Iran geschehen, in unseren Medien veröffentlicht wird. Herr Kermani bemängelt, dass es in Deutschland zu wenig öffentliche Kritik zu diesen Geschehnissen gibt. Da hat der grundsätzlich sicher Recht, aber ich möchte auf ein Gegenbeispiel hinweisen:

vor kurzem wurde in der Nähe von Bonn eine Ausstellung iranischer und deutscher Künstler eröffnet, bei der ich eine Rede gehalten habe („Der Iran Konflikt – Ursachen, aktuelle Lage und Perspektiven“); ich habe als Diplomat in Teheran und viele Reisen/Vorträge meine eigenen Eindrücke in Iran gewonnen.

Bei der Veranstaltung wurde von allen Beteiligten Empörung/Wut sowie Abscheu über die Verbrechen der Sicherheitskäfte dieses Regimes – das übrigens mit westlicher Unterstützung an die Macht gebracht wurde – als auch großer Frust über die Unfähigkeit unserer Politik, im Rahmen einer zu Ende gedachten Iran-Politk konkrete Maßnahmen zur Unterstützung zu ergreifen, deutlich zum Ausdruck gebracht.

Die ergriffenen Sanktionsmaßnahmen sind eine fast lächerliche Reaktion: trotz immer weiter ausgedehnter Sanktionsmaßnahmen ist dieses Regime jetzt seit 43 Jahren an der Macht; was muss eigentlich noch passieren, bis die westliche Politik begreift, dass Sanktionen allein keine Problemlösung sind, das Leid der Bevölkerung in Iran zu beenden. – Volker Schlegel

 

Navid Kermani hat völlig Recht: genauso wie wir die Freiheit der Ukraine nicht unserem Komfort opfern dürfen, auch wenn es ungemütlich werden sollte, müssen wir unsere Werte auch gegenüber dem Iran und anderen Ländern verteidigen, und harte Sanktionen gegen das Regime verhängen – und nicht nur gegen die Sittenpolizei (lächerlich!). Es geht um unsere Grundwerte Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, für die Millionen vor allem junge Frauen und Männer dort unter Einsatz ihres Lebens auf die Straße gehen. Hier ist unsere Solidarität als Wertegemeinschaft gefordert. Und wir müssen uns so schnell wie möglich von den ganzen Autokraten unabhängig machen, um nicht länger erpressbar zu sein. – Joachim Konrad

 

DANKE an Navid Kermani! Für seine klaren Worte, so bitter , so wahr! Fehlt es unserer PolitikerInnenklasse an Intellekt, an Menschlichkeit? Welche Legitimation haben sie überhaupt (außer der durch Wahlen zustande gekommenen) an der Spitze einer demokratischen Regierung zu stehen? Wann, wenn nicht jetzt, müssten sie einstehen für unsere universalen Menschenrechte, ohne wenn und aber: entschieden und glaubhaft handeln statt nur zu reden!

Sind sie zu müde, gleichgültig, überfordert, zu feige, schlimmstenfalls zu bequem, ihr Mandat diesbezüglich ernst zu nehmen? Es sollte uns nicht wundern, wenn Politiker des Couleurs Putin für unser demokratisches System nur verächtlichen Spott übrighat; die Antwort auf meine Fragen offenbart systemimmanente Schwächen und Lebenslügen. – Berta Walter-Hamza

 

Vorab: Die Welt schaut auf den Iran. Bislang habe ihre Beiträge in der Zeit regelmäßig mit großen Interesse gelesen und konnte Ihren Gedanken weitestgehend folgen. Auch Ihre kritischen Bemerkungen hinsichtlich fehlender Hilfe und Leistungen kann ich nachvollziehen. Die Entwicklungen und die die derzeitige Situation im Iran ist tätsächlich furchtbar und ich verstehe Ihre Frustration, aber mit Ihrem Artikel „So viel Mut“ schießen Sie deutlich über das erträgliche Maß an Kritik hinaus.

Die Gedanken vieler Deutscher Mitbürger sind auch bei den leidenden und Kämpfenden Menschen im Iran. Sie werden Unterstützung erhalten. Ich nehme unsere Politiker*Innen eigentlich nicht in Schutz, kann aber bei den derzeitigen globalen Krisen verstehen, dass bisweilen auch von den politisch Verantwortlichen nicht sofort von Ihrer Seite wünschenswerte und adäquate Hilfe geleistet werden kann. Die Zukunft wird zeigen, dass sich Bürger und Politiker aus Deutschland solidarisch verhalten und Hilfe für die geschundenen Menschen geleistet werden wird. – Dr. Jörg Dieckmann

 

Betroffen las ich den Artikel von dem bisher von mir sehr geschätzten Navid Kermani, bis das Lesen langsamer, der Verdacht der Unschärfe stärker wurde. Das Wort „Helden“ – Ich sehe es in Stein gemeißelt auf unsern Gedenksteinen für die Soldaten der Weltkriege – und wie wir uns bemühten es loszuwerden… und jetzt wird es wieder salon/ ZEITfähig? Mein Unbehagen wird im letzten Abschnitt des Artikels zum Widerspruch: das ZDF wäre Staatsfernsehen ?? hab ich da richtig gelesen?

Die Meinung über Omid Nouripur gründet sich worauf? Hören Sie seine Rede auf der BDK der Grünen! Herr Kermani entschuldigen Sie sich! So klar und überzeugend die Darstellung der Menschenrechtsverletzungen im Iran durch Herrn Kermani ist, so schwach und populistisch ist seine Position gegenüber Politikern und Journalistinnen. Damit könnte er montags auf Demos im Osten punkten… bei den Zeitleser/innen nicht! – Beate Schwarz

 


 

 

Leserbriefe zu „»Unsterblichkeit bedeutet: Man muss im Leben keine Prioritäten mehr setzen«“ von Mark Schieritz

 

Das war jetzt aber lustig! Ein Mann schreibt über einen anderen Mann allerlei, kommentiert ihn, ordnet ein und dann schließlich zum Schluss: „Irgendwann ist er dran mit der Care-Arbeit, wenn die Kinder da sind. Er habe da so seine Vorstellungen: Bücher schreiben, vielleicht promovieren, jagen, fischen, imkern.“ Holla, ja exakt so läuft Care-Arbeit – jagen (Kinder im Rucksack), fischen (still in der Natur rumstehen und warten, Kinder lieben das), promovieren (hört man ja immer wieder, wie fluffig das als betreuende*r Mutter/Vater gemacht ist).

Dieser letzte kleine Absatz also, in dem Lindners Vorstellungen ausnahmsweise gänzlich unkommentiert stehenbleiben, zeigt auf komprimierte Weise, wie verblüffend ahnunglos ein Minister und ein Journalist sein können, wenn es um Erziehungsarbeit geht. Bisschen tragisch. (Autorin, Journalistin, damals mit kleinem Kind, nebenbei Tiefseetaucherin, Bärenfängerin, Ballonfahrerin, das Kind hat sich derweil zuhause prima allein beschäftigt:) – Sylvia Heinlein

 

Fettes Selbstbewusstsein, das sich bis zur Selbstgefälligkeit steigert – Narzissus pur eben – so nehme ich Christian Lindner wahr. Dass er etwas kann, kein notorischer Blender ist, bleibt dennoch unbestritten. Mag sein, dass er im Kreise seiner Fachkollegen auf internationaler Ebene eine gute Figur abgibt, doch das Bekenntnis zu einer restriktiven Finanzpolitik wirkt momentan wie aus der Zeit gefallen und findet gerade nicht den Beifall der allermeisten Regierungen.

Erstaunt haben mich die Aussagen über die Stabilität und Zukunft der Ampel-Koalition, beklagt Lindner doch stets öffentlich, wie sehr er an und in diesem Bündnis leide. Gerade er und seine Parteikollegen sind es doch, die entscheidend zur mäßigen Performance der Regierung beitragen und eine Fortführung über die gegenwärige Legislaturperiode hinaus mangels Wählerzusspruch eher als unwahr- scheinlich erscheinen lassen. – Rüdiger Paul

 

Herr Lindner macht mich immer wieder sprachlos. Wenn die Kinder da sind, will er also Care-Arbeit machen, sprich „jagen, fischen, imkern“. Aha. Ich wünsche ihm und seiner Frau viele froheq und gesunde Kinder. Und Herrn Lindner wünsche ich dann viel Spaß, wenn er feststellt, dass Care-Arbeit eher sowas ist wie „Nächte durchmachen, Blockflöte üben, mit Teenagern über Handynutzung diskutieren“. – Verena Schönleber

 

Es gibt Denkweisen, die man sonst nur in Kabarettprogrammen zu hören bekommt. Wenn es nur nicht so traurig wäre. So jemand ist Bundesminister! :-(( Möge seine Frau Zwillinge bekommen und arbeiten, während er unter Babygebrüll Windeln wechselt, kocht, einkauft, putzt, sich um die Großeltern kümmert.

Ach, nee, das macht bei Herrn Lindner ja sicher Personal. Leben in einer anderen Welt… Aber dann bitte nicht als Regierungsmitglied tätig sein, vereidigt auf Arbeiten zum Wohl aller Deutschen (was logisch eine auch nur annähernde Kenntnis ihrer Lebenswirklichkeit und entsprechenden Respekt beinhaltet). Unfassbar. Rücktritt. Jetzt. – Susanne Walter

 

Christian Lindner möchte gerne seinen Teil der Care-Arbeit übernehmen, wenn die Kinder da sind. Das ehrt ihn. Seine Vorstellung von Care-Arbeit, die er mit sehr vielen seiner Geschlechtsgenossen teilt, ist allerdings entlarvend. Care-Arbeit heißt für ihn: “Bücher schreiben, promovieren, jagen, fischen usw.” Da wird er wohl aus allen Wolken fallen, wenn seine Franca ihm erklärt, was Care-Arbeit eigentlich ist:

Kinder anziehen, waschen, bespaßen, einkaufen, kochen, füttern, putzen, bügeln, Spieldates arrangieren, Streit schlichten, Rotznasen putzen, Spielzeug reparieren, wenig schlafen usw. Ob er dann immer noch seinen Teil der Care-Arbeit leisten will? Zum Glück gibt es ja Frauen, die diese Art von Care-Arbeit dann gegen geringes Entgelt und steuerlich absetzbar erledigen können. Dann ist die FDP/Männer-Welt wieder heil. – Prof. Dr. Claudia Reuter

 

Als vierfache Mutter, dreifache Großmutter und leitende Oberärztin einer Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie bin ich entsetzt über die Darstellung von Care- Arbeit als Selbstverwirklichungstrip wie Herr Lindner sie in „Zeit vorgelesen“ propagieren darf. Natürlich kennen wir alle die Väter, die den Sohnemann oder das Prinzesschen schnell unangeschnallt im Porsche zur Kita bringen ( „Wissen Sie, er mag das einfach nicht“) und wer möchte schon die Quality Zeit vorm Golfen mit kleinlicher Erziehungsarbeit belasten? Aber das ist nicht die Wirklichkeit junger Familien, die oft keinen Betreuungsplatz finden, sich von einem Gehalt keine Wohnung leisten können etc. Mein Fazit: Herr, lass Hirn regnen, zumindest bei potentiellen Wählern. – Inka Aspacher

 

Ein interessanter Artikel über Christian Lindner, der gern ein Held sein mag. Ich sympathisiere mit ihm, da ich auch Held:innen mag.Was mich nur sehr irritiert, dass unter Care-Arbeit Bücher schreiben, jagen, fischen und imkern verstanden wird. Als Mutter von Töchtern und Enkeln, hatte ich bisher ein anderes Verständnis von Care-Arbeit. – Agathe Anspach

 

Im Artikel: „ Unsterblichkeit bedeutet: Man muss im Leben keine Prioritäten mehr setzen“ über Christian Lindner möchte ich den letzten Absatz hervorheben. Hier heißt es: Linder hat eine Vereinbarung mit seiner Frau,… . Irgendwann ist er dran mit Care-Arbeit, wenn die Kinder da sind. Er habe schon Vorstellungen: Bücher schreiben, vielleicht promovieren, jagen, fischen, imkern. … Meine Hochachtung, Herr Lindner, während meiner Care- Arbeitszeit mit meinen Kindern muss ich wohl etwas falsch gemacht haben. Ich hatte irgendwie keine Zeit für „Bücher schreiben, promovieren, jagen, fischen, imkern. …“ – Barbara Mittelholz

 


 

 

Leserbriefe zu „German angst“ von Maxim Biller

 

Da ist Maxim Biller wirklich ein wunderbares Portrait des verehrten „Welt“-Journalisten Robin Alexander gelungen! Schon während Corona und erst recht angesichts des grassierenden Hippie-Pazifismus’ nach dem 24.2. verdanke ich Alexanders Urteilskraft viel! Wie souverän er unlängst bei Lanz Welzer und Precht zerlegt hat, war legendär! Mögen er und auch Herr Biller die Kraft aufbringen, mit dem Rauchen aufzuhören, damit wir noch lange von den Begabungen beider profitieren können! – Marcel Haldenwang

 

Herr Biller hat wieder mal eine Kolumne geschrieben, die an intellektuellem Niveau kaum zu überbieten ist: >DIE Deutschen sind ein Angsthasenvolk, >Es gibt nichts, was DIE Deutschen nicht in eine orgiastische Massenpanik versetzt, >Er bedauert, dass es keine SS-Männer aus Stahl oder Ludendorff-Typen mehr gibt, >Robin Alexander ist ein mutiger Mann, denn er wuchs im rauen Ruhrgebiet aus und ging (welche Heldentat!) zum Studieren in den noch raueren Osten, >DIE Deutschen waren schon immer feige….usw. Doch genug des Biller-Unsinns (wenn es wenigstens unter Satire veröffentlicht worden wäre, dann könnte man es noch hinnehmen, aber er meint es ja wirklich ernst).

Das Bildzeitungsniveau ist nun deutlich unterboten und das AFD-Niveau der Allgemeinplätze ist fast erreicht – meinen Glückwunsch. Für mich geht leider eine 37-jährige wöchentliche Beziehung zu Ende, denn frei nach Erich Kästner (auch einer dieser feigen Nicht-SS Männer): Man muss den Kakao durch den man/frau gezogen wird, nicht auch noch selbst bezahlen. Jetzt bleibt einem alten Mann nur noch einmal im Monat die Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft und eine Schachzeitschrift zu Lesen – das Leben wird immer härter. – Rolf Hammann

 

Herr Biller, wir kennen Sie schon lange als jemand, der gerne zuspitzt und provoziert.Ihre Kolumne aber, in der aktuellen wieder mal bleiernen Zeit mit dem Fazit, Deutschland sei halt ein Land der ewigen Untertanen ist schlichtweg unverschämt, entbehrt jeglicher ,auch historischer Grundlage. Wo waren Sie denn in den 60er und 70er Jahren, als Deutschlands jüngere Generation zusammen mit vielen Kulturschaffenden und Politikern die Väter- und Tätergeneration mit ihren vielfältigen , offenen Protesten herausforderte ,die Terrorakte der RAF das Land an den Rand des Abgrunds führten? Das dazuhin in der Hochzeit des kalten Krieges mit wachsenden Waffenarsenalen in Ost und West.

Es brauchte Willy Brandt und sein „mehr Demokratie wagen“ um diese Wut der Jüngeren umzuleiten in eine Energie, die sich der Toleranz und Friedensarbeit verschrieb und zwar auf allen gesellschaftspolitischen Ebenen. Dieser Ansatz ist auch in der Rückschau nicht falsch, sondern hat Deutschland zu dem gemacht, was es ist: ein Land, das um seine Geschichte weiß und sich deshalb in der Welt offen und gesprächsbereit zeigen möchte, aller Brüche zum Trotz, so als Zivilgesellschaft tagtäglich an allen möglichen Baustellen ackert, um zu helfen, zu lindern, zu verbessern. Ich schlage Ihnen vor, sich uns anzuschließen und der ohnmächtigen Apathie und dem Zynismus, der Rechthaberei und des sich Zurücklehnens abzuschwören ,stattdessen aktive Friedensarbeit aufzunehmen. Fangen Sie doch gleich in Berlin damit an. – Dagmar Hahn

 

Viele tausend Herzen, an Maxim + Robin, – verliebt in Christopher Robin + Ferkel, dankbar für Churchill – Ellen El Malki

 

Es war äußerst interessant, solch einen intimen & authentischen Einblick in die Lebenswelt des Robin Alexander zu erhalten, so ganz abseits der Kamera, wie er so lebt und tickt. Dazu geschmückt mit Berliner Kulisse. Vielen Dank dafür Herr Biller. Auch wenn ich etwas traurig wurde, nämlich der Tatsache gewahr, dass der Beitrag nun zu Ende gelesen war. – Michael Ayten

 

GERMAN ANGST ? Es ist schon erstaunlich, dass Maxim Biller die Argumentationshilfe von Robin Alexander so unreflektiert umsetzt. Beide blamieren sich durch Gedankenphantasien unterlegt mit Mohnkuchen. ‚Russland hat den 2. Weltkrieg gewonnen‘? ‚Ausländer, Gluten,…..‘ ? ‚orgiastische Massenpanik‘ ? …..man liest es und kennt ja auch die bewusste Verleumdung von beiden Schreibern. Nur peinlich. Zum Glück im Feuilleton mit dem besseren Titel „Unter den Linden“ Hat einer etwas gegen einen zurückhaltenden, nachdenklichen Scholz? – Detlef Geisendörfer

 


 

 

Leserbriefe zu „»HOFFNUNG IST HARTE ARBEIT«“. Gespräch mit Luisa Neubauer und Dagmar Reemtsma geführt von Elisabeth von Thadden

 

Die schön erzählte Geschichte vom Versagen und der Schuld Anderer gehört seit jeher zu unternehmerischen Geschäftsmodellen, dies gilt auch für die Umwelt- und Klimabewegungen. Ich möchte mal etwas vom Lack des im Interview ausgebreiteten Narrativs edler, wohltätiger Ritterschaft abkratzen.

Nach Angaben der WHO sterben etwa 7 Millionen Menschen jährlich an den Folgen des Tabakkonsums. Es erscheint mir etwas bigott, wenn Personen, die zutiefst in der Tabakindustrie verwurzelt sind, mit Fingern auf das Geschäftsmodell ‚fossile Energien‘ anderer Unternehmen zu zeigen, um die eigene prophetisch-weltbeglückende Rolle hervorzuheben. Um es unmissverständlich zu formulieren: Kaum ein Wirtschaftszweig bezieht seine Erträge zielgerichteter aus der physischen Abhängigkeit der Menschen von einem gesundheitsschädlichen Produkt, und kaum ein Wirtschaftszweig, auch nicht die fossile Energiewirtschaft, hat sich so lange durch strategischen Lobbyismus und durch systematisches, zynisches Belügen der Öffentlichkeit gegen seit langem belegte Tatsachen gewehrt.

Die Tabakindustrie betrieb und betreibt ein nachweislich zerstörerisches Geschäftsmodell: Zerstörerisch für die menschliche Gesundheit durch sein Suchtpotential, und zerstörerisch für die Umwelt durch Nikotinreste in den Gewässern. Wenn man, wie Frau Reemtsma, und somit indirekt wohl auch Frau Neubauer, seinen bürgerlichen Wohlstand und die damit geschenkte Urteils- und Handlungsfreiheit mit diesem Geschäftsmodell erwerben und sichern konnte, dann sollte man m.E. den Mund weniger voll nehmen, was die Konstatierung des Versagens Anderer und die wohlgefällige Selbstbespiegelung anbetrifft. Gerade weil die Familie Reemtsma in der Nachkriegszeit viel Anerkennenswertes geleistet hat, hätte man zur Wahrnahme von sozialer und Umweltverantwortung auch in der eigenen unternehmerischen Tätigkeit ruhig ein paar Worte sagen können (oder erfragen sollen). – Dr. Matthias Wagner

 

Frau Neubauer, eine junge überschätzte Person aus begüterten Verhältnissen, die das Arbeitsleben nur vom Hörensagen kennt und sich der publikumswirksamen Agitation verschrieben hat. Sie will uns also die Welt erklären. Wie glaubwürdig ist das? Unverständlich, dafür ein mehrspaltiges Forum zu schaffen. Es ist doch keine nachrichtenarme Zeit. – Christoph Schönberger

 

Wie Sie wissen handelt es sich dabei um ein Interview anlässlich der Veröffentlichung eines Buches von Frau Neubauer und Frau Reemtsma. Dass mit jedem groß aufgemachten Autoren-Interview anlässlich der Veröffentlichung eines neuen Buches eine leichte Werbewirkung einher geht, ist völlig selbstverständlich und ja auch Sinn der Sache, um interessierte Leser auf das Buch aufmerksam zu machen. Trotzdem würde man sich als Leser wünschen, dass im Rahmen eines solchen Interviews auch kritische Fragen gestellt werden und die Darstellung der Protagonisten nicht zu idealisierend und heroisch daher kommt. Nichts davon findet man in dem Interview Ihrer Kollegin Elisabeth von Tadden. Der Beitrag ist distanzlos und in weiten Teilen kitschig, die gestellten Fragen sind unkreativ, unkritisch und erwartbar – und das Setting bestätigt jedes Klischee, das am rechten Rand von den medial angeblich protegierten und gesellschaftlich privilegierten „Klimaschützern“ kolportiert wird.

Es beginnt mit einer rührseligen Szene: eine 26-jährige Enkelin hilft ihrer Großmutter vorbildhaft beim Absteigen vom Fahrrad, „in den nun folgenden Stunden [wird sie] immer wieder über die Hand ihrer Großmutter, 89, streichen und Wasser in deren Glas nachgießen.“ Wir sind beeindruckt. Es folgen Passagen, deren Sinn dem poetologisch ungeschulten Leser wohl für immer verborgen bleiben muss und deren Semantik wir ganz offensichtlich der nachträglichen Redaktion durch Frau von Thadden zu verdanken haben: „In den Jahren der Berufstätigkeit und in der Kinderphase stellt sich das alltägliche Leben quer zur Welt, es legt sich wie ein Rauschen über das Offensichtliche, und was in der Welt dringend ist, wird oft nicht wahrgenommen.

Meine Großmutter und ich sind mit unserem Generationensprung ungeplant aus dieser Dynamik ausgebrochen und haben uns gemeinsam der Welt zugewendet“. Keine Ahnung, was damit gemeint ist, klingt aber irgendwie toll. Dass Sätze mit dieser pastoralen Tiefe im lockeren Gespräch mit der 26-jährigen und rhetorisch bekanntlich fulminanten Luisa Neubauer öfter fallen müssen, kann aber natürlich durchaus sein. Auf diesen pastoralen Erguss folgt dann zwangsläufig mit eiskalter, journalistischer Härte die Frage Frau von Taddens: „Ist da auch etwas Weibliches in Ihrer Generationen-Allianz?“. Die Antwort: dass es da jedenfalls eine „feministische Energie“ gibt. Alles klar.

Es wäre aber auch – ernsthaft – nicht so, dass man Frau Neubauer und ihrer Großmutter keine kritischen Fragen hätte stellen können. Auf die ziemlich merkwürdige Aussage, dass der Mensch nicht das Problem der Klimakrise sei, die „vor allem fossil gemacht“ sei, folgt – nichts. Stellen wir uns für einen Moment einen Wehrmachtsangehörigen vor, der uns weismachen wollte, das Massaker von Babyn Jar sei nicht in erster Linie menschengemacht, sondern „vor allem waffengemacht“. Ich vermute, Frau von Tadden würde da vielleicht nachhaken.

Auf der anderen Seite war ja die Finanzkrise auch nicht menschengemacht, sondern börsengemacht, man muss da natürlich schon unterscheiden. Hinter dieser eigenwilligen Antwort von Frau Neubauer steckt natürlich das grüne (wählerfreundliche) Narrativ, wir Menschen und Bürger hätten alles richtig gemacht, uns seien beim sommerlichen Mallorca-Flug schließlich die Hände gebunden und Verantwortung trage nur eine ominöse Lobby von Werbeleuten, Fluggesellschaften und Kapitalisten, die mit der Gesellschaft und vor allem den Menschen selbst gar nichts zu tun hätten. Wie auch immer: eine Frage hätte man da schon stellen können.

Stattdessen beschäftigt sich Frau von Thadden mit der drängenden Frage, wie sich Frau Reemtsma als von der Verarmung und insbesondere dem Klimawandel bedrohte deutsche Rentnerin „vor Verzweiflung schützt“. Wir erfahren, dass Frau Reemtsma beim Spaziergang Gott sei Dank und immer noch die Wirksamkeit der Schönheit erkennen kann – „wenn nicht gerade wieder jemand seinen Laubbläser anwirft…“. Damit sind wir dann mit Frau von Thadden endgültig in der spießbürgerlichen Welt des Hamburger Elbvororts angekommen, in der bemitleidenswerte Rentner von Laubbläsern und Schoko-Weihnachtsmännern im Herbst traumatisiert, von der Politik allein gelassen und auf sich allein gestellt den Härten des Klimawandels ausgesetzt werden.

Ich hätte jedenfalls erwartet, dass das jemandem auffällt und Frau von Thadden vielleicht angehalten wird, etwas Distanz zu ihren Interviewpartnern zu halten. Wie gesagt: das Interview bestätigt jedes Klischee – und das sollte man doch eigentlich vermeiden. Jetzt belästige ich Sie nicht weiter mit meiner Meinung zu irgendwelchen Interviews. Ansonsten ist die ZEIT nämlich eine tolle Zeitschrift! – Dr. Martin Würfel

 

Wieso ist es eigentlich so urwichtig, dass die menschliche Spezies unbedingt und um jeden Preis überleben muss? Seien wir mal ehrlich, wenn der Planet -richtig der!, ich sage ganz bewusst nicht unser, denn wer sind wir schon, dass wir uns das Recht rausnehmen, die Erde als Eigentum zu bezeichnen- frei wäre von Menschen, dann würde er gesunden. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage, dass dieser Umstand die effektivste Art einer Genesung hervorbringen würde. Die Umwelt könnte sich endlich von den Wunden, die ihr vom homo oeconomicus zugefügt wurden, erholen. Ebenso Ausrottung und Artensterben.

Klima retten! Klima retten! In Wahrheit geht’s um unser eigenes, nacktes Überleben. Gerade deswegen gehen doch so viele junge Menschen auf die Straßen. Es ist vielmehr unser Selbsterhaltungstrieb als die empathische und hehre Sorge um brasilianische Regenwälder, die Menschen auf die Straßen zieht. Wir waren schon immer maßlos und gefräßig. Beuten sogar die eigene Spezies aus, um unsere billigen Bedürfnisse zu stillen.

Letztendlich haben wir es nicht besser verdient, wenn all der Weltenzorn uns hinfort fegen wird. Nun gut, wollen wir mal sehen, was uns die Zukunft bringt. Vielleicht existiert ja tatsächlich noch so etwas wie ein Funken von Hoffnung für uns alle. SpaceX-Chef Elon Musk glaubt, dass ein dritter Weltkrieg unausweichlich ist. Für ihn ist es ein Wettlauf gegen die Zeit. Wird er es rechtzeitig schaffen, den Mars vorher noch zu besiedeln und eine neue Existenzgrundlage für die Menschheit schaffen? Oder steht uns bereits ein unheilvolles Schicksal bevor? Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Menschheitsgeschichte entwickeln wird. – Michael Ayten

 

Bevor DIE ZEIT ihre Reihe „Familieninterviews“ fortsetzt: Ich bevorzuge statt eines Interviews mit einem POP-Star Mitte 20 und dessen Großvater eher ein Sachinterview in der Sparte WISSEN zu drei Fragen an Frau Neubauer (bzgl. Wasserstoff, Blackout-Risiko und Zerstörung von CO2-Senken): 1.  Wie kommt Deutschland in den nächsten 15 Jahren an rund 20 Millionen Tonnen gespeicherten Wasserstoffs (= 667 Mrd. kWh H2), dessen Herstellung via Elektrolyse allein über 1.100 Mrd. „grüner“ Strom benötigt? Diese Größenordnung findet sich im Gutachten für „FFF“ von Oktober 2020 des grünen Wuppertal-Instituts. Insgesamt wären über 2.000 Mrd. kWh EE-Strom jährlich zu erzeugen.

2. Wie übersteht Deutschland die Übergangsphase in eine „grüne Zukunft“ angesichts volatiler Stromerzeugung aus Wind und Photovoltaik ohne stunden- oder gar tagelangen großflächigen Blackout? 3.Wie lässt sich in den kommenden 45 Jahren die absehbare Vervierfachung der Weltbevölkerung von unter 2,5 Mrd. bei meiner Geburt 1948 auf um 10 Mrd. Menschen mitsamt der weiteren Zerstörung von Regen- und Savannenwald für Ackerbau, Rinder- und Ziegenherden usw. verhindern? Nicht nur die laufenden Emissionen zählen, sondern auch deren Wiederverarbeitung in sogenannten „Senken“, d.h. funktionierenden Ökosystemen: Was, wenn diese bald zu weiteren 40 % „weg sind“? DAS ließe sich auf einer Seite der ZEIT hinbekommen, da Frau Neubauer dies alles dank „FFF“ weiß. – Prof. emer. Dr. Wolfgang Ströbele

 


 

 

Leserbriefe zu „»Ich habe den Tod gesehen«“ von Paul Middelhoff

 

Danke, liebe ZEIT, dass Sie die Kritikpunkte aus dem neuen Buch von Precht/ Welzer gleich wunderbar deutlich in Ihrer Überschrift illustrieren und bestätigen. Von den zu uns kommenden MIGRANTEN versuchen es so gut wie alle mit einem Asylantrag, der in drei Viertel der Fälle (nach oft jahrelanger Prüfung) abgelehnt wird, weil diese Menschen eben offensichtlich nicht an Leib und Leben bedroht waren. Im Untertitel zu sagen, dass in diesem Jahr bereits 1,2 Millionen Menschen bei uns „Schutz gesucht“ haben, zeigt- ja, was eigentlich? Dass Sie Ihre Leser für dumm verkaufen bzw für dumm halten. Das ist „Meinungsjournalismus“ in Reinform. Toll! – Karl-Heinz Grau

 

Geschichte wiederholt sich doch: Die Völkerwanderung war auch eine Flucht, ebenso die Auswanderung aus Deutschland nach Amerika im 19. Jahrhundert und viele andere Massen-Menschenbewegungen rund um den Globus. Sie sind nicht aufzuhalten, denn Menschen drängen dahin, wo es ihnen besser zu gehen scheint. Dabei kommt es zu Konflikten, wenn Fremde ins eigene Territorium eindringen.

Dass Deutschland Zuwanderung schon immer gut tat, haben inzwischen die meisten eingesehen. Doch die Aufnahmebereitschaft kann nicht unerschöpflich sein. Darum sollten wir möglichst vielen Menschen ermöglichen, in ihrer Heimat zu bleiben. Früher nannte man das Entwicklungshilfe. Heute investiert man lieber in massive Aufrüstung oder einen Raketen-Abwehrschirm.Wir sollten acht geben, dass dabei unsere Gesellschaft nicht auseinander bricht. – Werner Bohn

 

Moralisch oder unmoralisch? Wenn unsere Regierung weiterhin die fortdauernde Völkerwanderung aus Asien und Afrika mit unseren dafür untauglichen und verstaubten Asylgesetzen zu steuern versucht, wenn sie es nicht schafft, daß die asiatischen und afrikanischen Länder gemeinsam endlich die Verantwortung für die Flüchtlinge, ihre Staatsbürger, übernehmen, wenn sie die Sozialausgaben an die europäische Spitzenposition anhebt, was sich rasch weltweit herumspricht, wenn sie nur auf den Ruf der Wirtschaft nach immer mehr Arbeitskräften, egal woher sie kommen, hört, nicht aber auf die Mehrheit ihrer Wähler, die den mitteleuropäischen Charakter, das Gesicht, die Lebensart ihrer Heimat bewahren wollen, wenn sie sich immer nur lückenhaft an die Verpflichtungen ihres Amtseids erinnert – dann werden wir deutschen Wahlbürger eines schönen Tages in einem mitteleuropäischen Kleinasien/Kleinafrika aufwachen als Fremde in unserer Heimat! Kaum vorstellbar, daß die friedlichen ostdeutschen Revolutionäre sich ihre gesamtdeutsche Zukunft so vorgestellt haben! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Auf Seite 4 im Titelthema wird geschildert, wie über die Balkanroute wieder Menschen nach Deutschland drängen, und wenn sie es geschafft haben, auch mit allergrösster Wahrscheinlichkeit auch dort bleiben werden. Arbeiten dürfen sie nicht, sie fehlen dem Arbeitsmarkt und fördern stattdessen Schwarzarbeit und Clans. Auf auf Seite 23 im Artikel «Formulare statt Pflege» schildern sie dann folgendes: diejenigen, die den offiziellen Weg beschreiten, um Deutschland zu helfen, eines der drängendsten Probleme zu lösen, nämlich die Pflege, die dürfen wegen eines angeblich fehlenden lächerlichen Formulars nicht einreisen.

Und die Politik erzählt jeden Tag das wiederkehrende Märchen vom Einwandererland Deutschland. «Refugees welcome», aber dringend benötigte Fachkräfte mögen bitte woanders hin gehen, solange Formular A-234415 nicht mit den notwendigen 13 Unterschriften versehen in 15-facher Ausfertigung vorgelegt wird. Wenigstens scheinen die Beamten ihr Formularwesen zu beherrschen. – Andi Pfaff

 


 

 

Leserbriefe zu „Wer darf überleben?“ Streit von Tatjana Hörnle und Tonio Walter

 

Schämen Sie sich, Herr Walter, auch nur zu erwägen, Ärzte könnten in Triagesituationen einen Zufallsgenerator anwerfen um über Leben und Tod zu entscheiden. Das wäre vollkommen absurd, unmenschlich und unerträglich. – Dr. Ingrid Seipelt

 

Schon der Titel stimmt nicht: Ärzte entscheiden nicht, wer überleben darf. Wir kämpfen auf den Intensivstationen ums Überleben von Schwerstkranken. Die Schwere der Krankheit und die verfügbaren medizinischen Mittel begrenzen dann deren Leben. Hingegen scheinen Juristen über das Überleben entscheiden zu wollen. (1) Die Ex-post-Triage widerspricht dem ärztlichen Ethos. Sie wird von Ärzten nicht umgesetzt werden, solange der schon Behandelte eine Überlebenschance hat.

(2) Wenn jemand im Sterben liegt, und das muss zunächst einmal ärztlich festgestellt werden, wird heute niemand mehr intensivmedizinisch, sondern palliativ behandelt, auch auf Intensivstationen. (3) Der Zufallsgenerator darf nie über den Zugang zur Intensivtherapie entscheiden, weil er auch Menschen mit schlechten Überlebenschancen blindlinks zuteilen würde. Die nehmen dann tatsächlich den anderen mit guten Chancen den Behandlungsplatz weg. In dieser Situation zu würfeln ist für mich einfach zynisch. – M. Schmidt

 

„Gegenüber einem Todgeweihten gibt es keine Rettungspflicht mehr.“ Zustimmung , doch das Leben ist vielfältiger. Exemplarisch die Koinzidenz einer Triage und einer Schiffshavarie , bei der es zu wenig Rettungsinseln gibt. Priorisiert werden Frauen mit Kindern, nicht jedoch, weil sie die Schwächsten sind, denn auch die „Starken“ hätten nur eine geringe Überlebenschance , sondern weil sie für die Zukunft und den Fortbestand des Gemeinwesens essentiell sind . Genau diese Ambivalenz stellt sich im Falle einer Triage. Also muss unter Opportunitätsgesichtspunkten zurückstehen, wen eine widrigere Prognose erreicht. Vor allem für Behinderte eine bittere Lektion, aber in einer Schicksalsgemeinschaft zwangsläufig. Und die meisten würden vermutlich sogar zustimmen. – Christoph Schönberger

 

Triage > Sortierung, welch ein nüchterner Begriff für eine Entscheidung, in der Quintessenz, über Leben und Tod. Nur genau das sollte sie sein eine realistische, so gut wie möglich, faktenbasierte Entscheidung. Aus meiner Sicht muss diese Entscheidung immer, auch im Nachhinein, vom Ärzteteam eine Intensivstation, gerade in Not- und Überlastungslagen, überprüft werden dürfen und sogar müssen. Dies sage ich auch vor dem Hintergrund meines Lebensalters von über 60 Jahren, sicherlich wissend, dass ich damit in gewisser Hinsicht bereits zu einer „bewertungstechnisch gesehen“ gefährdeten Gruppe gehöre.

Dennoch, jeder Notarzt muss im Einsatzgeschehen bei einer großen Not- oder Unglückslage bereits eine Triage nach bestem Wissen und Gewissen vor Ort durchführen, oft unter Zeitdruck und mit Informationen über den Gesamtzustand eines Patienten die meist nicht umfassend sind. Er macht dies, hier bin ich mir sicher, mit allem nötigen Respekt vor jedem einzelnen leben. Dies und genau dies erwarte ich auch vom Team einer Intensivstation mit in der Regel wesentlich mehr Informationen zum Gesamtzustand eines Patienten. Der Gesetzgeber sollte hier nicht normativ in die Möglichkeiten und Kompetenzen der Ärzte eingreifen. Kein Entscheidungsträger wird eine, auch nur ansatzweise, „leichtfertige“ Entscheidung in dieser Situation treffen.

Vertrauen ist das was unser Gemeinwesen, unser Land, in einer Not- Überlastungs- Pandemie- Bedrohungslage, oder wie auch immer wir nennen was uns überfordert, braucht. Denn eins ist aus meiner Sicht auch sicher, wir können uns nicht gegen alles und jede Notlage zu 100% absichern. Selbst bei unserer immer wieder zitierten ökonomischen stärke. Diese Stärke verführt uns leicht zu Diskussionen, auf einem so hohen Anspruchsniveau, das unser Blick auf essenzielle Bedürfnisse wie sie gerade im östlichen teil Europas wieder Realität werden getrübt wird. – Heinrich Jopen

 


 

 

Leserbriefe zu „Nicht mehr Weltmeister“ von Mariam Lau

 

Das Burgenland als Landkreis zu benennen zeugt von einem hohen Grad an Nichtwissen, hoffentlich aber von keiner (deutschen) Überheblichkeit. Das Burgenland ist eines von neun österreichischen Bundesländern. Sie gehen aber noch weiter, wie in einer Privatfernseh-sogenannten-Dokumentation, bezeichnen Sie den Landespolizeikommandanten als obersten Polizisten des Landkreises Burgenland. Ich frage mich, wieweit der Rest ihrer Geschichte stimmt. Den Artikel lege ich nach diesem Fauxpas weg. – Thomas Resch

 

In o.g. Artikel wird bezüglich der Flüchtlingsströme 2015 bzw. der aktuellen Balkanroute die Frage gestellt. ob wir das noch mal schaffen… Dazu ein klares Nein! In gleicher Ausgabe ist zu lesen, dass in einer Schule in NRW von 420 Schülern 416 davon einen Migrationshintergrund haben und im Schnitt nur zwei gut Deutsch sprechen – ja toll! Seit 2015 sieht es doch so aus, dass Tag für Tag Flüchtlinge in unser Land kommen. Manche bekommen ihren Aufenthaltstitel und manche klagen sich durch alle Instanzen und tauchen letztlich ab in die Illegalität. Das wird geduldet und so soll es weiter gehen? Auch hier ein klares Nein!

Wir sollten uns mal ehrlich machen: Ab sofort ein Stopp der Balkanroute und unser Land in Ordnung bringen! Unsere Regierung hat im Moment arg viel zu arbeiten, darum könnte doch die Opposition, ausgenommen die Linken sowie die AfD, unseren Bundestag wieder auf Normalgröße reduzieren (damit man sich dort nicht im Wege steht) und ein Einwanderungsgesetz erarbeiten. Die dafür benötigten Regeln würden uns erlauben selbst zu entscheiden, WER WANN zu uns kommen darf. ZU meiner Person: mein Weltbild ist in der Mitte der schweigenden Mehrheit verortet und ich favorisiere noch immer einen demokratischen Staat. – Gerd Hübner

 

In dem meiner Meinung nach insgesamt gelungenen Artikel hätte vielleicht auf das Problem der Wertvorstellungen der Flüchtlinge und Asylbewerber*innen noch etwas deutlicher hingewiesen werden können, auch wenn Anis Amri und die Kölner Silvesternacht erwähnt werden. Konkret: Ich bin schwul und möchte – wohl verständlicherweise – im Prinzip nicht, dass noch mehr Schwulenhasser*innen ins Land kommen, als es hier ohnehin immer noch gibt. Deshalb habe ich u. a. hinsichtlich der Aufnahme islamisch sozialisierter – in geringerem Maße z. B. auch hinsichtlich christlich-orthodox sozialisierter – Flüchtlinge zunächst einmal ein eher ungutes Gefühl – ausgenommen natürlich Flüchtlinge, die gerade wegen der Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung geflohen sind.

Das Problem der Wertvorstellungen scheint mir sogar viel gravierender zu sein als die finanziellen Probleme, denn die meisten Flüchtlinge/Asylbewerber*innen finden irgendwann Arbeit und zahlen dann Steuern und Sozialabgaben. Die patriarchalischen Wertvorstellungen dagegen verschwinden in der Regel bei Weitem nicht so schnell wie die finanzielle Not und werden häufig sogar an die Kinder und Kindeskinder weitergegeben. – Dr. Ulrich Willmes

 


 

 

Leserbriefe zu „Wird es schwieriger als 2015?“ Streit von Josef Niedermaier und Barbara Schwendner

 

Vor fast 30 Jahren hat die über Grenzen hinweg bekannte Punkband, DIE TOTEN HOSEN mit ihrem LIED“WILLKOMMEN IN DEUTSCHLAND“auf die Migrations. – und Flüchtlingspolitik reagiert. Auslöser für das Lied waren die Seinerzeitigen Vorkommnisse in Rostock, Mölln und Solingen. Vor einigen Tagen hat im Osten unseres Landes wieder eine Unterkunft für Flüchtlinge gebrannt.

Das zaghafte Herangehen zur Lösung dieser Thematik lebt von gegenseitigen politischen Vorwürfen, die sich auch in unserer Gesellschaft widerspiegeln, und nicht dazu beitragen einen Konsenz für eine zur Zeit desolate Migrationspolitik zu finden.Wir haben erst ab dem Jahr 2015 nichts gelernt, sondern schon weit vorher.“ARMES DEUTSCHLAND“. – WERNER BETTMANN

 

Wohnraummangel, Lehrermangel, Mangel an Fachkräften in Pflege, Kitas, öffentlichen Verwaltungen, die Liste könnte man fortsetzen. Die Folgen davon sind überteuerte Wohnungen, Unterrichtsausfälle, Bildungskrise, überforderte Lehrer und Erzieher, Pfleger am Limit, überbelastete Verwaltungsbehörden und so weiter. Probleme, die es auch schon vor 2015 in Deutschland gab, eine nachhaltige Abhilfe wurde nicht geschaffen. 2015 hat der Zuzug von mehr als einer Millionen Geflüchteter diese Probleme noch offensichtlicher gemacht, der Zuzug von Geflüchteten aus der Ukraine verschärft die Situation weiter.

Ja, es wird schwieriger als 2015, zumal die damalige Situation mit der heutigen nicht wirklich vergleichbar ist. Da ist auch die von Frau Schwendner in den Ring geworfene Zahl von 3,7 % Geflüchteter an der (Gesamt-) Bevölkerung in Deutschland nicht mehr aussagekräftig. Eine Zahl aus der Mogelpackung, denn die Infrastruktur und die Kapazitäten für ihre Aufnahme sind nicht ausreichend vorhanden bzw. noch knapper geworden. Die Geldzahlungen des Bundes an die Gemeinden und Städte sind bei dem neuen Flüchtlingszuzug unumgänglich, sie zaubern aber keine Wohnungen und Lehrer aus dem Hut.

Außerdem ist es durchaus fragwürdig, dass Flüchtlinge aus der Ukraine gar nicht erst ins Asylverfahren kommen und gleich in den Bezug von Hartz IV. Geflüchtete Menschen aus Syrien müssen sich wie Geflüchtete zweiter Klasse fühlen, denn für ihr Leid ist Putin ganz erheblich mitverantwortlich. Ich möchte keine Zweiklassengesellschaft durch die Hintertür.

Frau Schwendner fürchtet zu Recht aufkommenden Sozialneid, übrigens ein sehr hässliches Wort für mein Empfinden. Es geht hier aber nicht um ein paar belegte Turnhallen und es geht auch nicht um ehrenamtliche Helferinnen und Helfer von 2015, die sich seinerzeit ausgepowert haben und jetzt erschöpft sind ( nach der Devise selbst Schuld?). Es geht um Gleichbehandlung, denn Sozialneid entsteht auch durch Ungleichbehandlung und Ungerechtigkeiten. Frau Schwendner ignoriert das oder will es einfach nicht wahrhaben. Jedenfalls wird sie niemanden aus der Bevölkerung mit dieser Haltung mitnehmen, schon gar nicht, wenn sie in Hinblick auf 2015 auch noch meint, niemand sei hier übermäßig belastet. Ich frage mich, in welcher Wunschwelt Frau Schwendner eigentlich lebt.

Den Ukraine Krieg haben weder die Ukrainer selbst noch die Menschen in Deutschland gewollt, das Leid der Ukrainer ist groß. Und die Hilfsbereitschaft ist auch in Deutschland längst nicht verloschen. Der Ukraine-Krieg hat eine Energiekrise und eine heftige Inflation ausgelöst, anders als es im Jahr 2015 der Fall war. Wir haben es hier nicht mit einem fiesen Sozialneid zu tun, sondern teils mit existenziellen Sorgen und Nöten vieler Menschen in diesem Land. Die Debatte über die steigenden Preise, insbesondere der Energiepreise, wird sehr emotional geführt. Das ist menschlich, mit irgendwelchen Floskeln wird wohl kaum jemanden die berechtigten Sorgen genommen.

All diese Probleme sind bei den meisten Menschen in Deutschland längst angekommen, sind Teil Ihres täglichen Lebens geworden. Nein, Frau Schwendner, eine Panik wird nicht dadurch geschürt, wenn Probleme angesprochen werden und mit Verlaub gesagt, wer fühlt sich nicht verschaukelt wenn er/sie so ein Statement hört oder liest. Auch jene Probleme, die durch den großen Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland entstehen, müssen offen angesprochen und Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Nur so kann man die Bevölkerung mitnehmen. Verschwiegene Probleme werden nicht kleiner, sie werden größer, am Ende verlieren die Menschen das Vertrauen in das Gemeinwesen und man wird niemanden mehr gerecht, auch den Geflüchteten nicht. – Regina Stock

 

Man kann das Interview auch als Diskussion sehen, darüber wie ein Zielkonflikt zu bewältigen ist, der sich aus dem Widerspruch zwischen einzelnen Menschenrechten ergibt. Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) vertritt eher das Menschrecht auf Eigentum. Familienberaterin Barbara Schwendner (Grüne) vertritt eher die Menschenrechte auf Lebensunterhalt, also etwa auch das Asylrecht oder das Menschenrecht, die Grösse seiner Familie bestimmen zu können, auch ohne Rücksicht auf die verfügbaren Ressourcen.

Als 1948 die Menschenrechte formuliert wurden, gab’s ca. 2 Milliarden Menschen. Heute sind’s 8 Milliarden. Im Ablauf der entsprechenden Entwicklung wurde absehbar, dass der genannte Zielkonflikt immer sichtbarer wird. Was den Co2 Ausstoss betrifft gab’s eine ähnliche Entwicklung, die heute auf den Strassen sichtbar ist. Das Resultat beider Entwicklungen ist: Kopfzahl und Konsum sind so stark angewachsen, dass die diesbezüglichen Aufnahme-Kapazitäten der Erde überschritten werden.

Auf den ersten Blick sieht es so aus als wären die Rechte auf Lebensunterhalt in jedem Fall wichtiger als das Recht auf Eigentum und die daraus ableitbaren Rechte und Begrenzungen. Nun ist es aber so, dass die Menschheits-Probleme entstanden sind durch eine Entwicklung, die man mit dem Schlagwort «Tragik der Allmend» charakterisieren kann. Zur Allmend gehört die Aufnahmekapazität der Erde für Co2 aber auch die Aufnahmekapazität für die Anzahl der Menschen. Und das Mittel gegen die Problematik «Tragik der Allmend» ist die zielführende Anwendung des Rechts auf Eigentum, als Mittel die Eigenverantwortung für die eigenen vorhandenen Ressourcen herauszufordern.

Die tieferen Ursachen der Massen-Immigration von 2015 sind zu hohe Geburtenraten. Diese führten zu Jugendarbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Überweidung, Reduzieren von Urwäldern, Konflikten etwa um Land-Nutzung (Viehzucht, Landwirtschaft, Bergbau) und damit zu politischen Konflikten. Es ist daher auch schwierig, zwischen Fluchtgründen auf den Gebieten von Politik (Asylrecht) und Wirtschaft zu unterscheiden. Denn wirtschaftliche Probleme führen zu politischer Instabilität.

Es ist auch schwierig, zu unterscheiden, ab welchem Punkt das Recht auf Eigentum durch das Wahrnehmen der Rechte auf Lebensunterhalt so stark tangiert wird, dass Grenzen für die Migration immer enger gezogen werden müssen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Interview eine gewisse Ratlosigkeit hinterlässt. Dies gilt insbesonders auch beim Nachdenken über die zukünftige Entwicklung. Notwendig wäre, dass der genannte Zielkonflikt diskutiert wird und Lösungen im Interesse eines gemeinsamen höheren Ziels gesucht werden. Dieses Ziel ist das langfristige gute Fortbestehen der Menschheit.

Es gilt zu agieren und nicht nur zu reagieren. Dabei müssen auch aktuelle und historische Erfahrungen berücksichtigt werden. Aktuelle Erfahrung ist, dass das Zukunfts-Problem lösbar wäre, wenn weltweit die tiefen Geburtenraten des Nordens eingehalten werden könnten. Etwa Südkorea hat eine Geburtenrate um 1. Das bewirkt das Halbieren der Kopfzahl pro Generation. Hingegen, typische Länder des Südens etwa Nigeria oder Kamerun verdreifachen ihre Kopfzahl pro Generation. Dies mit entsprechenden ökologischen Folgen, die die Ressourcen zusätzlich verringern. Die Länder des Nordens, vor allem die Zielländer der Migration müssen von den Urspungsländern Eigenverantwortung auch im Bereich der Demographie einfordern.

Es gilt zwar auch: Eigentum verpflichtet. Doch die Bevölkerung der Zielländer hat ein Recht darauf, dass Grenzen sichtbar sind, für die Inanspruchnahme ihres Eigentums. Das Mittel der Wahl muss Hilfe vor Ort sein, verbunden mit der Forderung nach Eigenverantwortung. Selbstverständlich ist es auch nötig, den Öko-Fussabdruck zu senken. Dies erfordert eine Reduktion von Konsum und Produktion, was durch nachhaltigen Ersatz kompensiert werden muss, der nicht zur Erhöhung der Geburtenrate beiträgt. – Dr. Gernot Gwehenberger

 


 

 

Leserbriefe zu „Was guckst du!“ von Jan Schweitzer

 

Als langjaehrige Leserin der Zeit bin ich meist sehr Ueberzeugt von Analysen, Einordnungen und Darstellungen von besonders wissenschaftlichen Sachlagen von Ihnen. In dem aktuellen Artikel bezueglich der Darmkrebsvorsorge (https://www.zeit.de/2022/43/darmspielgelung-krebsvorsorge-frueherkennung-studie) ist aber meiner Meinung nach die Studie nicht in allen Teilen richtig eingeordnet oder zumindest richtig dargestellt worden. Besonders in diesem Absatz sehe ich fuer viele Leser*innen ein potentielles Problem mit der Interpretation: „Jetzt, nach zehn Jahren, zogen die Autoren eine erste Bilanz – und die fiel ernüchternd aus:

Mit der Einladung zur Koloskopie konnte man das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, nur um 18 Prozent senken. Die meisten Experten hatten mit einem deutlich größeren Effekt gerechnet, manche gingen davon aus, dass die Vorsorge die Gefahr um 90 Prozent reduzieren könne.“ Nun stimmen alle Aussagen in diesem Absatz and sich, aber Meinung nach ist der Zusammenhang in dem sie gesetzt werden nicht korrekt. Ja, in der Studie senkt eine Einladung zur Koloskopie das Risiko an Darmkrebs zu Erkrankung um 18 Prozent. Allerdings kann man hierauf basierend keinerlei Aussage treffen, in die weit eine wirklich stattfindende Vorsorge die Gefahr senkt. Wie an anderer Stelle im Artikel richtig bemerkt wird, gehen nur 42% der Eingeladenden zur Vorsorge – viele der nicht eingeladenen Gruppe zur Vorsorge gehen wird gar nicht erst angegeben (auch im Paper nicht).

Diese Zahl also mit den 90% zu Vergleichen ist nicht ganz richtig, weil die beiden Aussagen zwei sehr verschiedene sind. Waehrend die Studie untersucht, in wie weit es hilft Leute einzuladen, beziehen sich die 90% darauf, in wie weit es hilft eine Vorsorge wahrzunehmen. Die Studie trifft an sich keinerlei Aussage, in wie weit es hilft wirklich zur Vorsorge zu nehmen – obwohl dies mit den erhobenen Daten eigentlich moeglich sein sollte, vlt wird es also ein zweites Paper zu dieser Frage geben? Ich wollte dieses gerne Anmerken, weil es fuer einige Leute die diesen Artikel lesen vlt eine relevanten Implikation hat und einige vlt zu dem Entschluss kommen koennten, dass eine Darmkrebsvorsorge gar nicht so viel bringt und dies mit den aktuellen Daten und dieser Studie ein Trugschluss sein koennte. Vielen Danke fuer all ihre Arbeit! – Luise Nagel

 

In ihrem Artikel betonen sie, dass sich die Darmspiegelung von anderen Früherkennungsuntersuchungen abhebt, weil sie auch eine echte Vorsorgeuntersuchung sei. Es wird berichtet, dass bei der Koloskopie Polypen entdeckt werden können, welche sich mit hoher Wahrscheinlichkeit später zu Darmkrebs entwickeln können. Mit diesem Wissen erwarte ich eine Aussage dazu, in wie vielen Prozent der Fälle, während der Untersuchungen, Polypen gefunden wurden. Dies müsste ein starkes Indiz für das Risiko an Darmkrebs zu erkranken sein. Das könnte das bisherige, ernüchternde Ergebnis (der kurzen Zeit) der Studie relativieren. Jedoch sind diese Angaben im Artikel nicht vorhanden. Wobei ich mir schwer vorstellen kann, dass dieser Befund in der Studie nicht erhoben wurde. – Bernd Battes

 

Ich wundere mich über den Artikel. Dass die Darmspiegelung keine Erkrankung verhindert, ist wohlbekannt. Zumindest in den meisten Fällen handelt es sich dabei in der Intention um eine Früherkennung -denn was früh erkannt wird, hat eine deutlich bessere Prognose. Eine Vorsorge muss jeder selbst leisten durch gesunden Lebensstil. Auch die Prozentzahl sind irreführend: bei der Häufigkeit der Erkrankung sind auch 0,3 % eben 3 von 1000 Menschen, für die die Untersuchung einen entscheidenden Unterschied in der Prognose bedeuten kann.

Selbst wenn man es nur wirtschaftlich sieht: ein Mensch, der geheilt werden kann und wieder zur Arbeit geht ist volkswirtschaftlich deutlich billiger als jemand, der Erwerbsminderungsrente erhält und zunehmend teurere Therapien braucht. Und ganz fatal das Zitat zur Früherkennung bei Brustkrebs: seit dem Mammographie-Screening hat sich die Anzahl der frühen Stadien deutlich vergrößert im Vergleich zu fortgeschrittenen Stadien.

Damit hat sich für die betroffenen Frauen auch die Prognose verbessert und es können u.U. aufwändige und nebenwirkungsreiche Therapien vermieden werden. Leider nehmen immer noch zu wenige Frauen an der Vorsorge teil. Insofern hoffe ich sehr, dass durch den Artikel nicht allzu viele Menschen verunsichert werden und sich den zwar zeitaufwändigen aber sinnvollen Prozeduren stellen. – Dr. Jolanda Daniuk

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Stimme der Natur“ von Fritz Habekuß

 

Heroische Geschichten zu erzählen ist in unseren postheroischen Zeiten problematisch. Viel zu komplex unsere Well, viel zu ambivalent die vermeintlichen Helden / Heldinnen. Im Falle von Rachel Carson geht der Autor im Rahmen der Serie „Sternstunden der Menschheit“ den Weg der Dekonstruktion des heroischen Narrativs und begibt sich auf die ernüchternde Spurensuche. Nur um am Ende der Furie des Verschwindens doch etwas Bleibendes abzuringen, dass nämlich Carson mit ihrem ökologischen Denken unseren Blick auf die Welt verändert habe. Das Bedürfnis nach orientierenden Narrativen und Mythen ist in unserer kaum noch zu rettenden Welt wohl sehr groß. – Reinhard Koine

 

Fritz Habekuss erzählt im Buch WISSEN auf einer ganzen Seite im Plauderton eine „Heldinnengeschichte“ über Rachel Carson. Im letzten Absatz kommt er endlich auf den Punkt: „Silent Spring beruht auf einem Kerngedanken, der schlicht klingt: Wenn die Menschheit die Natur vergiftet, wird die Natur für den Menschen giftig. Das ist ökologisches Denken. Damit hat Carson unseren Blick auf die Welt verändert.“ Ist das eine so neue Erkenntnis, dass DIE ZEIT dafür eine ganze Seite Schwafelei opfern muss? Hat sich das Leserinteresse so verändert?

Denn DIE ZEIT veröffentlichte im Buch ZEITLÄUFTE (Nr. 22 vom 24. Mai 2007) zum 100. Geburtstag von Rachel Carson einen sehr sachlichen und fundierten Bericht zum selben Thema. Charlotte Kerner verschwieg nicht einmal, dass Der stumme Frühling als Taschenbuch bei C.H.Beck für 12,90 EUR erhältlich ist (heute: 12,99 EUR ebenda!). Der stumme Frühling, Grenzen des Wachstums des Club of Romeund Global 2000 sind die Vorreiter des ökologischen Denkens schlechthin und existieren seit 1964 im deutschen Sprachraum. Was nützt es der Natur und dem Menschen, wenn sich der „Blick auf die Welt verändert“ und entsprechendes verantwortungsvolles Handeln weitgehend unterbleibt, weil Wirtschaftswachstum Vorrang hat? – Hans Jürgen Hahn

 


 

 

Leserbriefe zur Infografik „Gefährliches Spiel“ von Pia Bublies (Infografik) und Jan Schweitzer (Recherche)

 

In der Infografik No 695 steht „In der Abwehr lebt es sich […] am gefährlichsten, dicht gefolgt vom Mittelfeld“. Diese Aussage ist falsch. Anhand der beigefügten Grafik sieht man, dass die Zahl der verletzten Stürmer nur geringfügig kleiner ist als die Zahl der verletzten Verteidiger und Mittelfeldspieler. Da heutzutage allerdings in der Regel deutlich mehr Verteidiger und Mittelfeldspieler als Stürmer auf dem Platz stehen, ergibt sich aus der Grafik, dass Stürmer auf dem Platz das höchste Verletzungsrisiko haben – beim Vergleich von Wahrscheinlichkeiten muss man die Größe der Grundgesamtheiten berücksichtigen. – Jörg Eisfeld

 

Tolle Grafik – so etwas macht bestimmt viel Arbeit. Das will ich auf diesem Wege nicht verhehlen und anerkennend erwähnen! Trotzdem habe ich Verständnisprobleme und weiß vor allem nicht, was mir diese Grafik genau zeigen will!? Geht die Folge denn noch weiter? Werden wir demnächst erfahren, wie oft es in der Formel 1 bei welchem Piloten einen Plattfuß gab oder wieviele Zündkerzen während des Rennens an den einzelnen Boliden ausgewechselt werden mussten? Bekommen wir vielleicht bildlich dargestellt, wie häufig es bei der rhythmischen Sportgymnastik vorkam, dass eine Keule an die Decke knallte oder ein Gymnastikband riss? Das sind doch die wirklichen Fragen, die die Welt bewegen ;-) – Achim Bothmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Womit keiner rechnet. Eigentlich soll es nun richtig losgehen mit dem Ausbau von Wind- und Solarenergie. Die Förderung steht bereit, aber nur wenige wollen sie haben. Wie kann das sein?“ von Marc Widmann

 

Die Leistungs-Angabe „1.320 MW“ sagt gar nichts aus: 1. Ein Kernkraftwerk mit 7.750 Volllaststunden Stunden erzeugt jährlich 10,23 Milliarden kWh. Eine Onshore-Windanlage mit 1.725 Volllaststunden erzeugt nur 20 % dieser Strommenge; eine Offshore-Anlage auf sehr gutem Standort hingegen 4,75 Mrd. kWh (≈ 46 %).

2. Auch wenn letzteres 46 % der jährlichen Stromerzeugung des AKWs entsprechen, so schwankt die Verfügbarkeit auch der Offshore-Anlagen beträchtlich: An 48 Stunden Ende September 2022 (vom 27. Sept. 18:00 Uhr – 29. Sept. 18:00 Uhr) waren durchschnittlich nur 3,6 % der Leistung (Minimum über eine Stunde: 0,3 % der installierten Leistung) verfügbar. Wer auch nur gedanklich nahelegt, 1 GW Wind könnte 1 GW Kernenergie annähernd und gleich zuverlässig ersetzen, der hat schlicht keine Ahnung von Elektrizitätswirtschaft. – Prof. emer. Dr. Wolfgang Ströbele

 

Der weitere Ausbau von erneuerbaren Energien darf und sollte erst erfolgen, wenn auch für die Weiterleitung der erzeugten Energie gesorgt ist. In den Kreisen Paderborn und Höxter stehen fast 1000 Windräder – der größte Windpark Deutschlands südlich von Nord- und Ostsee. Davon stehen 30 bis 50 Prozent still, weil es nicht ausreichende Überlandleitungen – 380 KV – gibt. Trotzdem wird der nicht erzeugte Phantomstrom genauso bezahlt wie der Erzeugte. – Ute-Charlot Bergmann

 


 

 

Leserbriefe zu „»Ein Mensch mit einer Waffe hat eine völligandere Sicht auf die Welt. Diese Erfahrung ist leicht zu haben, aber schwer wieder loszuwerden.« SERHIJ ZHADAN“. Ein Briefwechsel von Reginald Dwayne Betts und Serhij Zhadan. Aus dem Englischen von Michael Adrian

 

Sehr geehrter Mr Reginald Dwayne Betts, lassen Sie mich ehrlich sein. Die Zerstreutheit, mit der Sie diesen Text verfasst haben, springt einen fast an. Der Brief, in dem Sie uns an Ihrer Melancholie und Ihrem ganzen Weltenschmerz teilhaben lassen, war mir eine fürchterliche Leseerfahrung.

Mit Müh‘ und Not & Ach und Krach gelang es mir gerade so, ihn zu Ende zu lesen. Weiter muss und möchte ich Ihnen als begeisterter Leser dieser Zeitung sagen, dass Ihr offen zur Schau gestelltes Suhlen in Selbstmitleid schwer zu ertragen war. Vielleicht ist es klüger, wenn Sie Ihre depressive Stimmung einem Therapeuten oder einer Therapeutin anvertrauen würden. Wohl kaum aber einem Ukrainer, der jetzt eher Zuversicht braucht. Und die Idee mit dem Bourbon ist keine gute. An einem Sonntagmorgen nehme ich mir in der Regel vor, einen gefühlvoll möglichst ausgewogenen Tag zu verleben. Bestenfalls einen schöngeistigen. Wo ist Ihnen also der dichterische Sinn geblieben? Wo das helle und strahlende Optimismus Verkündende?

Reicht es nicht schon völlig, dass wir an die Fesseln von Sterblichkeit auf immer verdammt sind? Die Moiren werden uns nicht gut und güter gewogen sein, wenn Sie uns allen nun den Weg in die Alighierische Unterwelt weisen. Ihr Schreiben besitzt für mich keinen wirklichen Mehrwert. Tragen Sie‘s mir bitte nicht nach. Jedoch komme ich nicht drum herum, Ihnen schlussendlich in all meiner nackten Ehrlichkeit mitzuteilen, dass der Brief, den Sie Schuft da verfasst haben, im Großen und Ganzen eine Beleidigung, ja, eine Verhunzung der Literatur darstellt. Fazit. Ein weinerlicher Brief eines weinerlichen Dichters.

Sehr geehrter Herr Zhadan Serhij, meinen Unmut dazu, dass Sie mit dem diesjährigen Friedenspreis ausgezeichnet werden, brachte ich in dieser Zeitung bereits an anderer Stelle zum Ausdruck. Ich sage es Ihnen gleich ganz direkt und ohne Umschweife, dass Sie nichts weiter sind als ein Scharlatan. Sie sprechen vom gemeinsamen Glauben, gar von gemeinsamen Werten. Und fragen gleich darauf äußerst ungeschickt „Was leitet uns außer dem Hass auf den Feind?“ Dass Sie sich mit solcher Fragestellung ins eigene Knie schießen, dadurch Ihre Untugend preisgeben, bemerken Sie offenbar noch nicht mal.

Virtutis est cupiditates suam continere. Gerade weil es sich in Ihrer kriegsbedingten Lebenswirklichkeit als schwere Herausforderung darstellt, sollten Sie und Ihre Mitstreiter*innen darum bemüht sein, nach Tugend zu trachten. Andernfalls setzen Sie sich der Gefahr aus, dass die sündhaften Samen von Übel und Schlechtigkeit in Ihrem Geiste auf fruchtbaren Boden stoßen werden. Und wenn das geschieht & sie dann erstmal gediehen sind und sich der geistige Paradigmenwechsel vollzogen hat, werden Sie sich in einem Raum wiederfinden, der nichts zu bieten haben wird außer düstrer Leere. Ohne Sinn, ohne Verstand. Und ohne Moral. Und dann werden Sie zu keinem Besseren werden. Im Gegenteil, Sie würden sich ihnen annähern. Den Schlächtern von Butscha. Denn wo kämen wir hin, wenn auf einmal alle Welt sich dazu entschlösse, nicht mehr der Vernunft die ihr tragenden Rolle des Bollwerk wider Bösen einzugestehen?

Dieser Zeitenumbruch, der sich in Europa, ganz deutlich aber in Ihrer Ukraine vollzieht, bietet eine Chance zur Veränderung zum Guten. Lassen Sie sich von der Vernunft leiten und nicht vom Hass. Ganz gleich was die Narren dieser Welt dazu tröten und posaunen. Denn das helle Licht der Aufklärung ist essenziell. Essentieller als das Brot, das in den Magen fällt. Wir Menschen leben nicht für den Bauch, sondern mit dem Verstand. Solange wir dies verkennen, wird die menschliche Spezies weiter bräsigen Sinns auf der Stelle treten und nicht weiter kommen. Wie das Wagenrad eines Kutschers, das tief und fest im Morast stecken geblieben ist. – Michael Ayten

 

Danke für diesen Briefwechsel. Er ist das berührendste, was ich seit langem gelesen habe. Ein Dichter aus einem Gefängnis, das ihn immer prägt, findet eine Sprache, in der der Frieden aus jedem Buchstaben atmet. Und der Dichter aus dem Krieg beschreibt das Wunder der Sprache und findet prägende Worte für den Krieg. Darauf einen Bourbon! – Christiane von Schachtmeyer

 


 

 

Leserbriefe zu „Corona. Kommen Sie, kaufen Sie!“ von Moritz Hürtgen

 

Beim Lesen Ihrer Zeilen nimmt mein Mitgefühl für Sie und andere Betroffene zu. Meines Erachtens liegt das Problem nicht an Corona, nicht an den steigenden Energie- und auch nicht an den nunmehr erhöhten Lebenshaltungskosten. Es liegt daran, dass weder Bund noch Länder Investitionen in die Bildung der Menschen auf ihrer Prioritätenliste haben! Eine ungebildete und zunehmend niveaulose Gesellschaft hat immer weniger Interesse an solchen Veranstaltungen wie Sie von Ihnen und anderen angeboten werden. Die von Ihnen angesprochenen „kultivierten ZEIT-Leser“ sind ja eine kleine Minderheit. – Klaus Prinz

 

Selten dreiste Eigenwerbung – Glückwunsch zu so viel Mut. – Sven Raschke

 


 

 

Leserbriefe zu „Über die Politik der Nadelstiche“ von Marina Weisband

 

So sehr habe ich mich über Ihre Gedanken zum Handwerk Sticken in der Zeitausgabe dieser Woche gefreut. Sie haben mir aus der Seele gesprochen und kann Ihre Meinung voll unterstützen. Ich selbst bin Designerin für Textil und Mode, wie auch Grafikerin. Seit einigen Jahren arbeite ich einmal wöchentlich mit Frauen in der JVA Berlin-Lichtenberg für Frauen. Da ich in meinen Projektarbeiten nicht eingeschränkt bin, was ich sehr schätze, überlege ich mir immer wieder neue Aufgaben. So unter anderem auch das Sticken. Meine letztes Projekt habe ich von der NABU abgeleitet und wir haben heimische Vögel zunächst gezeichnet, dann aquarelliert und danach gestickt. Ich konnte mir nicht vorstellen welch eine Leidenschaft diese Frauen bei dieser Stickarbeit entwickelten.

Es ist die reinste Therapie. Während des Unterrichts in den letzten Jahren habe ich in Gesprächen mir Sprüche notiert. Diese habe ich gesammelt und nach einem Gespräch mit den Frauen über mein Vorhaben, wurden diese mit Begeisterung dann gestickt. Nebenbei im Unterricht erwähnte ich, wenn Putin bei uns im Unterricht zeichnen, malen oder sticken würde und sich auf diese handwerklichen Tätigkeiten einlassen würde, hätte er nicht solch grausame Gedanken. Ihre Überschrift „Über die Politik der Nadelstiche“ ist treffend. Ich danke Ihnen aus ganzem Herzen für Ihren Artikel. Anbei einige Fotos von einigen Sprüchen aus dem „Knast“ und unserem Vogelprojekt. – Veronika Urban

 

Ob Sticken, Stricken, Weben oder Spinnen. Sie haben mir gerade mit Ihrem Beitrag den Tag versüßt. Entzückt, Frau Weisband, ich bin entzückt. Merci Beaucoup. – Michael Ayten

 


 

 

Leserbriefe zum Thema Ukraine

 

Ich bin seit knapp 50 Jahren Abonnent der ZEIT. Zurzeit ärgere ich mich des öfteren über die meiner Meinung nach etwas einseitige Berichterstattung zum Ukraine Krieg. Ich habe den unten stehenden Artikel gelesen (ausführlicher im beigefügten Link), den ich äußerst interessant finde und wünsche mir, dass die Zeit das Thema aufgreift. Die unterschiedlichen Interessen der angelsächsichen Länder und wie ich immer dachte der EU müssten meiner Meinung nach thematisiert werden. Immerhin flößen Herr von Schulenberg als ehemaliger UN Mitarbeiter und die Konferenz im Vatikan Vertrauen ein.

Michael von der Schulenburg: Erreichen eines gerechten und dauerhaften Friedens in der Ukraine (Konferenz im Vatikan, Juni 2022). Michael von der Schulenburg ist ehemaliger Assistant Secretary-General der Vereinten Nationen. Am 7.10.2022 veröffentlichte er die Ergebnisse einer Konferenz in Vatikanstadt im Juni 2022: https://michael-von-der-schulenburg.com/frieden-in-der-ukraine/: Erreichen eines gerechten und dauerhaften Friedens in der Ukraine. Erklärung der Teilnehmer der Studiengruppe Wissenschaft und Ethik des Glücks; Treffen in der Casina Pio IV, Vatikanstadt, 6. bis 7. Juni 2022.

Michael von der Schulenburg, 07/10/2022 : Während wir uns auf die praktische Weisheit (Phronese) der gesegneten Friedensstifter stützen, basierend auf den feststellbaren Wurzeln des Konflikts, den Verhandlungen im März und den bisherigen Friedensinitiativen, schlagen wir die folgenden Richtgrößen für einen Waffenstillstand und ein positives Friedensabkommen vor: 1. Neutralität der Ukraine, d. h. der Verzicht auf den staatlichen Ehrgeiz, der Nato beizutreten, bei gleichzeitiger Anerkennung der Freiheit der Ukraine, Abkommen mit der Europäischen Union und anderen abzuschließen;

2. Sicherheitsgarantien für Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine durch die fünf ständigen Mitglieder der Vereinten Nationen (P-5: China, Frankreich, Russland, Großbritannien und Vereinigte Staaten) sowie der Europäischen Union und der Türkei, was militärische Transparenz und Beschränkungen der Stationierung von Militär und groß angelegter Übungen in Grenzgebieten unter internationaler Beobachtung im Zusammenhang mit der Aufhebung von Wirtschaftssanktionen beinhalten könnte; 3. Russische De-facto-Kontrolle der Krim für einen Zeitraum von Jahren, danach würden die Parteien auf diplomatischem Weg eine dauerhafte De-jure-Lösung anstreben, die den erleichterten Zugang für lokale Gemeinschaften sowohl zur Ukraine als auch zu Russland, eine liberale Grenzübergangspolitik für Personen und Handel, die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte und finanzielle Entschädigungen einschließen könnte;

3. Autonomie der Regionen Lugansk und Donezk innerhalb der Ukraine, die wirtschaftliche, politische und kulturelle Aspekte einschließen könnte, die kurzfristig genauer festgelegt werden; 5. Garantierter wirtschaftlicher Zugang sowohl der Ukraine als auch Russlands zu den Schwarzmeerhäfen beider Länder; 6. Die schrittweise Aufhebung der westlichen Sanktionen gegen Russland verknüpft mit dem Rückzug des russischen Militärs gemäß dem Abkommen;

4. Einen multilateralen Fonds für Wiederaufbau und Entwicklung der vom Krieg gezeichneten Regionen der Ukraine – an dem auch Russland beteiligt ist – und sofortigen Zugang für humanitäre Hilfe; 8. Eine Resolution des UN-Sicherheitsrats zur Bereitstellung internationaler Überwachungsmechanismen zur Unterstützung des Friedensabkommens.

Erstunterzeichner: Jeffrey D. Sachs, Präsident des UN Sustainable Development Solutions Network und Universitätsprofessor an der Columbia University, Anthony Annett, Gabelli Fellow an der Fordham University, Maria Paola Chiesi, Studiengruppe Wissenschaft und Ethik des Glücks, Richard Falk, Milbank Professor für Internationales Recht und Praxis, Emeritus, Princeton University, Ana Marta Gonzalez, Professorin für Moralphilosophie an der Universität von Navarra, Nina Chruschtschowa, Professorin für Internationale Angelegenheiten an der New School, Anatol Lieven, Senior Research Fellow am Quincy Institute for Responsible Statecraft, Mario Marazziti, ehemaliger Abgeordneter und Präsident des Menschenrechtsausschusses, Italienisches Parlament, Miguel Ángel Moratinos, Hoher Vertreter der Vereinten Nationen für die Allianz der Zivilisationen und ehemaliger Außenminister Spaniens,

Romano Prodi, ehemaliger Ministerpräsident Italiens und zehnter Präsident der Europäischen Kommission, Wolfgang Richter, Senior Associate für Internationale Sicherheit an der Stiftung Wissenschaft und Politik, Richard E. Rubenstein, Universitätsprofessor für Konfliktlösung und Public Affairs an der George Mason University, Michael von der Schulenburg, ehemaliger Beigeordneter Generalsekretär der Vereinten Nationen in UN-Peace Missions, Anna Sun, außerordentliche Professorin für Religionswissenschaft an der Duke University, William F. Vendley, Vizepräsident für Weltreligionen und Spiritualität am Fetzer Institute und emeritierter Generalsekretär bei Religions for Peace. – Dr. Ursula Paulus

 

Täglich informiert mir Die Zeit über die Lage des Kriegs in der Ukraine. Dabei fällt mir etwas auf: 1. Es wird von Stand der russischer Armee immer negative berichtet – von der ukrainische nie, oder sehr selten. Auch wenn – darüber soll man klar sein – Russland die Verantwortung für diesen Krieg trägt, gibt es sicherlich im russischen Heer gut funktionierende Sachen. Bei manchen Themen wird sehr grob berichtet. Beispiel: die Krim-Brücke. Sie wurde sehr schnell wieder geöffnet. Scheinbar ist die eine Spur verwendbar. Wir kennen es alle: eine Baustelle auf der Autobahn stört und bremst, aber der Verkehr geht trotzdem. Warum denn wird die Teilzerstörung als großes Problem für die russische Armee beschildert? Wir bekommen von den hiesigen Medien keine genauere Erklärung.

2. Ich spreche von den hiesigen Medien, da es – mir – unmöglich ist, auf anderen Quellen zuzugreifen. Die russischen Medien – unter ihnen RT – sind derzeit verboten. Hier auch sei es klar : sie dienen zum größten Teil der Propaganda Putins. Ist es aber einen Grund, sie zu verbieten? Es handelt sich aus meiner Sicht dabei einfach um Zensur. Unsere Länder (ich bin Franzose) haben Mechanismen, um eine Zensur durch die Executive zu vermeiden. Die europäische Kommission hat sich darauf gesetzt und den Verbot der Sender ohne klare gesetzliche Begründung verordnet. Auch dies ist ein Problem. Warum schweigen die deutschen Medien darüber? Besser als uns täglich mit den Einzelheiten vom Fronts zu füttern sollten Zeitungen und -schriften wie Die Zeit solche Vorgehen hinterfragen – und laut schreien, wenn die Freiheit der Medien in Spiel ist.

3. Ich habe erst durch den Anschlag auf die Krim-Brücke erfahren, dass diese überhaupt existiert und dass sie innerhalb drei Jahren gebaut wurde. Drei Jahre! da kann man über die Effektivität der Russen stauen. Klar, es gibt Grunde für die Geschwindigkeit der Bausstelle: Druck vom Kremlin, wenige öffentliche Ausschreibungen, wahrscheinlich keine Untersuchung über ökologische Folgen, usw. Aber davon haben wir sicherlich etwas zu lernen. Wäre es nicht ein Thema, z.B. für ein Dossier in Die Zeit? Was führt dazu, dass eine Doppelbrücke innerhalb drei Jahren gebaut wird, wo es bei uns… vielleicht acht gewesen wäre? – Olivier Faucheux

 


 

 

Leserbriefe zu „Formulare statt Pflege“ von Felix Lill

 

Seit einigen Jahren bin als Deutschlehrer für medizinische Fachkräfte an einem Zentrum für Pflegekäfte tätig und ich kenne die Sitation der philippinischen Pflegefachkräfte m.E. gut. Aber ich muss Herrn Jason Heinen widersprechen, denn ein Großteil der Pflegekräfte aus seinem Land verfügt nicht über die notwendigen Sprachkenntnisse auf dem Niveau B2 nach dem GER. Ich finde es deshalb angebracht, dass die Fachkräfte nicht nur zusätzliche praktische Erfahrung in der Grundpflege und in den anderen Pflegefächern bei dem Besuch der Anpassungslehrgänge erhalten, sondern zusätzlich auch ausreichenden Deutschunterricht bekommen. Ich bin auch nicht der Meinung, dass das in ein paar Wochen zu erledigen sei.

Die neuen Fachkräfte arbeiten in den sensiblen Bereichen der Pflege und es muss schon gewährleistet sein, dass sie sowohl fachlich als auch sprachlich unseren Standards entsprechen. Wir haben es hier nämlich mit kranken und pflegebedürftigen Menschen zu tun. M. E. geht es hierbei vor allem um Qualität vor Quantität. Oder gehen wir angesichts des großen Fachkräftemangels in vielen Berufen immer mehr dazu über, die Qualität zu reduzieren. Kann jetzt jeder jeden Job machen ? Wie sähe das dann in anderen Berufen aus?

Muss der Erzieher im Kindergarten keine ausreichenden Sprachkenntnisse mehr haben? Kann jeder mit einem medizinischen Beruf, ohne ausreichende Deutschkenntnisse, Patienten behandeln? Die Beschleunigung der Verfahren zur Aufnahme von Fachkräften ist zwingend notwendig. Schön wäre es auch gewesen, wenn der Autor des Artikels auch Personalverantwortliche und Fachkräfte, die an der Ausbildung beteiltigt sind, zu Wort hätte kommen lassen. – Michael Geier

 

Sie schreiben, dass in Deutschland zur Zeit 20.000 Pflegekräfte fehlen laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit und dass bis 2030 eine halbe Million fehlen dürfte wegen der alternden Bevölkerung. Bitte erläutern Sie mir kurz, wie Sie zu der Hochrechnung von 20.000 auf 500.000 in 8 Jahren kommen. Wie viele besetzte Pflegefachkräftestellen gibt es denn im Moment in Deutschland? Wie hoch wird der Bedarf an Pflegekräften für 2030 insgesamt geschätzt, von denen dann geschätzte 500.000 nicht besetzt sein werden? Vielen Dank für Ihre Antwort und die Information. – Rita Nicola

 


 

 

Leserbrief zu „Raubzug mit Kettensäge“ von Marcus Rohwetter

 

Zeitenwende: Holz ist das neue Kupfer! (Und Großbritannien das neue Italien.) Schießpulver als Abschreckung fand ich übrigens recht lustig, sollte man vielleicht wieder einführen. – Thomas Manthey

 


 

 

Leserbrief zu „PROMINENT IGNORIERT. Sexualallergie“ von USTO

 

Mit bassem Erstaunen lasen wir die angegebene Glosse. Leider verstehen wir weder das Zitat von Botho Strauß noch den Zusammenhang zum zweiten Teil mit der Orgasmus-Allergie. Können Sie uns bitte erhellen? Dank sei Ihnen. – Adrian Schempp

 


 

 

Leserbrief zu „Alles eine Soße“ von Hanno Rauterberg

 

Es geht den Klimaaktivistinnen sicherlich nicht darum, die Macht der Bilder zu brechen, sondern ihre Macht zu nutzen. Kein Fall von Ikonoklasmus, sondern von semiologischer Guerilla. Es geht darum, in der bedeutungsaufgeladenen unberührbaren musealen Welt durch politische Intervention Zeichen zu setzen. Zeichen, die auf die Verletzung der heutigen Welt verweisen, auf die Gefährdung unserer Zivilisation. Keine künstlerische Aktion. Nur eine besondere Form der politischen Kommunikation. Darf es so etwas geben? Geschmacksache. Ich häte es nicht erfahren, wenn der Autor nicht darauf hingewiesen hätte. – Reinhard Koine

 


 

 

Leserbrief zu „Illusionen in Moskau, zum Weinen schön“ von Michael Thumann

 

Es ist erfrischend und beflügelnd, wie Michael Thumann seinen Eskapismus zur Schau stellt. Ganz nach der Art „Stell dir vor, es ist Krieg, und Keiner geht hin.“ Machen wir uns nichts vor, der derzeitige Krieg, der in Europa tobt, hat absolut nichts Gutes & Schönes, nichts Edles, schon gar nichts Heldenhaftes an sich. Er ist die Unvernunft schlechthin. Und er kommt vielen von uns einfach nur noch aus den Ohren raus.

Nach all den unvorstellbaren Katastrophen des 20. Jahrhunderts, die die Menschheit durchlitt und durchlebte, haben die großen Nationen dieser Welt immer noch nicht gelernt, an einen Tisch zu kommen und sich auf einen steten und weltweiten Frieden zu einigen. Das ist zutiefst ernüchternd. Oder um es im Jargon der Jugend auszudrücken. Einfach nur lame. – Michael Ayten

 


 

 

Leserbrief zu „Finnland an der Elbe“ von Martin Spiewak

 

Ein wichtiger Baustein für die Erfolge in Hamburg ist auch ein sehr schlüssiges Konzept der zweiten Phase der Lehrerausbildung nach der Universität. Hier ist beim nordrhein-westfälischen Referendariat sicher noch Luft nach oben. – Jürgen Schlömer Erkrath

 


 

 

Leserbrief zu „Lasst den Zombie sterben!“ von Ann-Kathrin Nezik

 

Das Todesurteil für Karstadt-Kaufhof würde den Innenstädten nicht sehr schaden. Ein tragfähiges Geschäftsmodell habe der vermeintliche Zombie nicht. Das Publikum, darf man schließen, möge sich an Kaufland und Amazon wenden, die 16.000 Kaufhaus-Beschäftigten hätten ’ne Chance woanders. Das hatte man schon den „Schlecker-Frauen“ gesagt. War aber nicht, und als letzter Treffpunkt in vielen Dörfern – Bank und Post waren weg, Apotheke weg, Schule weg – war dann auch der Schlecker weg. Zombie-haft, weil ohne Leben in Dorf und Innenstadt, erscheinen mir eher Discounter und Versender. Ein schönes Streitpaar gewesen wären die „Ganz“-Kaufhauskämpferin Steinbrenner und die Kommentarverfasserin. – Kurt Hoellger

 


 

 

Leserbrief zu „Putin will, dass sie frieren“ von Olivia Kortas

 

Wenn frau*man den Artikel über die tatsächlichen Leiden und die Tapferkeit der Ukrainer*innen liest und dann den Artikel über die bislang bloß befürchteten Leiden der Einwohner*innen von Bad Langensalza und deren aus dieser Furcht resultierende Bereitschaft, mit eben jenem Herrn Putin durch Gaskäufe und durch Verweigerung von Waffenlieferungen an die Ukrainer*innen zu kollaborieren, der den Ukrainer*innen solches Leid zufügt, kann frau*man kaum anders, als sich als Deutsche*r für diese Mitbürgerinnen und Mitbürger fremdzuschämen.

Herr Reinz sagt selbst, den Menschen in Bad Langensalza gehe es gut, und immerhin bemüht sich die Bundesregierung ziemlich, eine Gasmangelkrise abzuwenden und den tatsächlich bedürftigen Menschen in Deutschland finanziell zu helfen (und sogar nicht nur ihnen). Vielleicht sollten sich die Einwohner*innen von Bad Langensalza und ähnlich denkende Deutsche einmal fragen, was sie für ihr Land und für die Ukrainer*innen tun können, anstatt immer nur zu fordern, dass andere Menschen, insbesondere die Bundesregierung, etwas für sie tun. – Dr. Ulrich Willmes

 


 

 

Leserbrief zu „Alard von Kittlitz entdeckt: Proustschen Stinkebrei“ von Alard von Kittlitz

 

Auf einen bevorstehenden Kataklysmus (welch schön klingendes Fremdwort für eine große Katastrophe) hinzuweisen, ist eine Sache. Hätte man für den Kataklysmus nur eine physikalisch eindeutige „Ursache“, so wäre die „Weltrettung“ zwar immer noch schwierig, aber eventuell machbar. „Klimapolitik“ ist jedoch deshalb schwer, weil weltweit nicht nur CO2-Emissionen, sondern heute relevante sieben Treibhausgase und auch die großflächige Zerstörung von CO2-Senken (wie Wälder, Moore, Seegraswiesen, …) durch eine seit 1840 geradezu „explodierende“ Weltbevölkerung einzudämmen sind.

Eine weltweit notwendige internationale Kooperation bzgl. Emissionen von sieben Treibhausgasen und Zerstörung von Ökosystemen (= CO2-Senken) dank rasch wachsender Weltbevölkerung mit einer Vielzahl von Politikmaßnahmen mit rund 180 beteiligten Ländern ist deutlich schwerer herzustellen als eine Absprache in einer Zweier-WG, die wohl an einer Mischung aus Bequemlichkeit (sprich: Faulheit) und jugendlichem Unverstand scheiterte..- Prof. emer. Dr. Wolfgang Ströbele

 


 

 

Leserbrief zu „die kälte so fertig in meinem herzbeutel (…)“ von Gabriel Proedl

 

Man sollte Computer nicht dichten lassen, sondern sie besser große Datenmengen verarbeiten lassen, das können sie besser, denn wenn sie Lyrik machen sollen, kommt nur Schrott raus. – Dr. Wolf Pannitschka

 


 

 

Leserbrief zu „Was sich nicht sagen lässt“ von Florian Eichel

 

Nun also der Deutsche Buchpreis für einen Text, der verzweifelt gegen vermeintlichen Zwänge der deutschen Sprache ankämpft und sich zum Schluss ins Englische flüchtet … Den Versuchen des Autors aber scheinen einige Missverständnisse zugrundezuliegen, die sich offenbar auch im Lektorat, beim Preisgericht sowie dem Rezensenten nahtlos fortsetzen. 1. Missverständnis: dass die deutsche Sprache »alles und jedem ein Geschlecht zuweist«: Von Wörtern wie die Geisel, das Opfer, das Mitglied, die Führungskraft lässt sich nun einmal nicht auf das Geschlecht der bezeichneten Person (die Person!) schließen; auch der Gast stellt hier keine Ausnahme dar.

2. Missverständnis: dass sich durch Eingriffe in den Sprachgebrauch irgendetwas in der Realität ändern ließe. Verkürzt gesagt: Die Studienbedingungen oder Aufstiegschancen weiblicher oder anderer Studenten verbessern sich nicht dadurch, dass allenthalben das generische Maskulinum verbannt wird (schon gar nicht in einem Text, der literarisch sein soll). Ebensowenig wird sich dadurch etwas an den gesellschaftlichen Lebensbedingungen von Angehörigen der LGBT …- Minderheit ändern.

3. Missverständnis: dass man durch »korrekten» Sprachgebrauch allen gerecht werden und damit vermeiden könnte, dass sich irgendjemand auf den Schlips getreten fühlt (oder auf die Haarschleife?). Egal, welche Type man auch aus dem Setzkasten wählen würde – ob Sternchen, Unterstrich oder Binnen-I oder sonst eine –: Dass sich die Träger aller wie auch immer gearteten Geschlechtsidentitäten dadurch (mit-)gemeint zu fühlen hätten, wäre nichts als eine Setzung, so wie auch das generische Maskulinum eine überlieferte Kovention ist – die allerdings für sich hat, dass sie ökonomisch und praktisch ist, ohne unnötige Aufmerksamkeit zu erregen, den Lesefluss zu hemmen oder gleich ganz unaussprechbar zu sein.

Eichels Kollegin Passmann hat in ihrem Loblied auf das Gendersternchen (ZEITMAGAZIN 30/2021) unfreiwillig den Finger in die Wunde gelegt, indem sie vertrat, überall dort, wo von Angehörigen jeglichen Geschlechts die Rede sei, müsste sich dies im Sprachgebrauch manifestieren – nur dass es eben meistens gerade nicht um das Geschlecht oder die (gefühlte oder postulierte oder gewünschte) Geschlechtsidentität geht, sondern um ganz andere Eigenschaften oder Tätigkeiten, für die das Geschlecht in dem betreffenden Zusammenhang völlig ohne Belang ist.

Dies lässt sich an einem Beispiel aus meiner Berufspraxis verdeutlichen: Wenn mich ein Auttraggeber bittet, ich möge als Übersetzer in der Übersetzung »gendern«, und dafür das Binnen-I vorschreibt, dann kann ich den Auftrag ablehnen oder professionell ausführen, allerdings nicht ohne mich über ein minimales Zusatzhonorar zu freuen (+ Innen = 5 Anschläge mehr!) und mich über »ZigarettenschmugglerInnen und AutodiebInnen« zu amüsieren, denn im Text geht es zwar um den Vorgang des Stehlens und Schmuggelns, auch um das betreffende Gut, aber jeder Hinweis auf das Geschlecht der Ausführenden ist an dieser Stelle unerheblich und erschwert nur unnötig das Textverständnis.

4. Missverständnis: dass sich ein historisch gewachsenes Sprachsystem punktuell bereinigen ließe – mit welcher Absicht auch immer. Wer Anstoß an einem Wörtchen wie man nimmt, bei dessen Verwendung kein normaler Sprecher überhaupt einen Gedanken an Sexus oder Genus verschwendet, und es durch *mensch zu ersetzen versucht, stößt nur allzubald an Grenzen, nämlich der Grammatik (bei Kim de l’Horizon findet sich z. B. die unkorrekte Form *niemenschem) sowie der Etymologie und ihrer Beweiskraft für den tatsächlichen oder einen gewünschten heutigen Sprachgebrauch.

Dazu schrieb bereits vor Jahrzehnten der scharfsinnige Dieter E. Zimmer (Hervorhebungen im Original): »Mann war gleichzeitig Gattungsname, bedeutete also nicht nur Mann, sondern Mensch schlechthin. Tatsächlich ist auch das Wort Mensch nichts anderes als ein von Mann abgeleitetes Adjektiv, wörtlich also der Männische, und wenn die Feministinnen die Sprache auch in diesem Punkt von allem Sexismus purgieren wollten, müßten sie darauf bestehen, dem Menschen eine Weibsche an die Seite zu stellen.« Und an anderer Stelle: »Die Pronomen man, jemand und niemand sind von Mann abgeleitet. Bei man haben es die Feministinnen gemerkt, und die ganz eifrigen unter ihnen schreiben seitdem frau. Trotzdem dürfte es noch lange dauern, bis ein literarischer Text dies auftrumpfende frau erträgt. Es ist einfach ein zu grelles Signal an zu unscheinbarer Stelle, jede feinere Nuance übertönend, so als schmettere ein Schriftsteller zwischendurch immer wieder heraus, daß er Vegetarier oder Alkoholiker sei.

Jefrau aber hat wohl noch niefrau vorgeschlagen, wohl aber Efrauzipation oder verschwestern – nicht etwa vertöchtern – statt ›versöhnen‹, obwohl beide etymologisch mit dem Mann nicht das geringste zu tun haben (›versöhnen‹ kommt von ›Sühne‹, nicht von ›Sohn‹; ›emanzipieren‹ von ex + manus + capere, ›aus der Hand entlassen‹, nämlich ›aus der väterlichen oder ehelichen Gewalt freilassen‹). Diesen Feministinnen ist schon der bloße Anklang an die Wörter Mann, Herr, Sohn zuviel. Klar, dass ihnen dann auch dämlich (das sich von ›dumm‹, aber nicht von ›Dame‹ herleitet) unliebsam auffällt.« (DIE ZEIT, 17/1984, S. 62; zit. nach Dieter E. Zimmer: Redens Arten. Über Trends und Tollheiten im neudeutschen Sprachgebrauch, Zürich 1986).

Statt jemand oder jefrau finden wir bei Kim de l’Horizon nun also jemensch und Gendersternchen. Tempora mutantur … Nichts geändert hat sich jedoch an den Gesetzlichkeiten, die der Sprache inhärent und als solche neutral sind, mögen sie auch einer anderen Epoche und einem anderen Weltbild entsprungen sein als dem unseren. Und auch die Verbissenheit, mit der gewisse Absichten verfolgt werden, dürfte die gleiche geblieben sein. Allerdings wird ein Buch dadurch nicht zu guter Literatur, sondern eher zu einem Pamphlet. Das geradezu hysterische Bemühen, alle möglichen Befindlichkeiten wessen auch immer adäquat in der Sprache abzubilden, grassiert mithin nicht mehr nur in einem bestimmten linken und akademisch geprägten Milieu, sondern hat an prominenter Stelle das Buchwesen erreicht.

Das dürfte darauf hindeuten, dass die aktuelle Mode – denn um nichts anderes handelt es sich, wie ein Rückblick auf die letzten Jahrzehnte lehrt – allmählich ihren Höhepunkt überschritten hat. Vielleicht werden damit auch die Köpfe langsam wieder frei, um sich ernsthaft substanziellen Problemen zuzuwenden – nicht zuletzt den Problemen derer, die sich im eigenen Körper oder dieser Gesellschaft nicht zuhause fühlen. – Hans Gregor Njemz

 


 

 

Leserbriefe zum Wochenmarkt „EINEN APERITIF?“ von Elisabeth Raether im ZEIT Magazin

 

Schon oft habe ich Rezepte von Elisabeth Raether nachgekocht und sie sind meistens richtig gut gelungen. Den Cake mit Ziegenkäse hab ich sofort gebacken, und er ist köstlich. Mal gut, dass keine Kalorien angegeben sind! – Angelika Niesel

 

Die Konfrontation mit überflüssigen, teilweise ausgesprochen dümmlichen Anglizismen aller Art gehört mittlerweile leider zum Alltag; eine Stufe besonderer Sprachkompetenz scheint mir indes dann erreicht, wenn einer Autorin offenbar nicht einmal mehr das gute deutsche Wort „Kuchen“ zu Gebote zu stehen scheint. Das Ganze auch noch in einem als französisch präsentierten Rezept. Prost Mahlzeit! – Dr. Pasquazzo

 


 

 

Leserbriefe zu „Über die Nerven, die man haben muss, wenn man nicht mit dem Strom schwimmt“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

 

Sie werden sicher nicht abstreiten, dass Sie kolumnistisch ein öfter umherstreifender Mensch sind. Dazu gehört auch immer mal wieder ein wenig widerspenstig und aneckend zu sein. „Nichthauptstromer“ sollte Ihnen dafür zu wenig sein, deswegen mein Vorschlag situationsangemessener „Gegenstromer“. Bisher habe ich in Ihren Kolumnen und den Illustrationen von Martin Fengel fast immer Koinzidenzen gefunden. Die Diskrepanz zwischen Ihren Aussagen und den illustrierten „spermienhaften Kreaturen“ ist Ihnen offensichtlich entgangen, keine einzige Kreatur schwimmt neben oder gar gegen den Strom! Keine hat, in Ihrem Sinne einen Distinktionsgewinn. Durch diese offensichtliche Inkontingenz entziehen sich Ihrem berechtigten Anspruch mal Gegen- oder Nebenstromer sein zu können. – Dr. Heinz Mechling

 

Sie sind zwar jünger als ich, doch schon in dem Alter, in dem man keinen Knick in der Karriereleiter mehr befürchten, kein Blatt mehr vor den Mund nehmen muß! Schreiben Sie, was Sie denken, natürlich auf Ihre Weise: humorvoll, ironisch, sarkastisch! Spießen Sie mit Ihren scharf geschliffenen Wortpfeilen all die schwammigen Politiker-Worthülsen und wichtigtuerischen Journalisten- und Philosophenphrasen an den öffentlichen Pranger, damit jeder erkennen kann: es ist ein ideologisch und identitätspolitisch aufgeblasenes Geschwätz! Was die Völkereinwanderung von 2015, die ja weiter anhält, und den Ukrainekrieg betrifft, teile ich Ihre Meinung, würde sie allerdings schärfer formulieren!

Bei Corona bin ich, als Arzt, für eine Impfpflicht. An dieser Position können sich gern alle Impfverweigerer und Anti-Impfzwängler heftig reiben! Schaun mer mal, wer sich durchsetzt, sollten nach Omikron weitere Variantenwellen über uns hinwegrollen? Bis Omega hätten die Viren noch reichlich Mutationsspielraum! Stechen Sie immer wieder mit spitzer Nadel, pardon, Ihrer spitzen Kolumnenfeder so lange in den brackigen Meinungs-„Hauptstrom“, bis Sie ihm, vielleicht zusammen mit Gleichgesinnten, so viel belebenden Sauerstoff zugeführt haben, daß zwischen seinen Ufern nur noch klares, erfrischendes Wasser sprudelt! Dann erst dürfen Sie sich ins schriftstellerische Rentnerleben zurückziehen, müssen es aber nicht! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 


 

 

Leserbrief zu „OHNE STROM. SENSOBOARD ALLROUND“ von Mirko Borsche im ZEIT Magazin

 

Leider habe ich anhand Ihres Artikels überhaupt nicht verstanden, was das für ein Gerät ist bzw was es macht. Das ist bei aller Begeisterung über die vielen Leute, die darauf stehen, wohl irgendwie in Vergessenheit geraten. – Jörn Lütjens

 


 

 

Leserbrief zu „SCHREIBSTIL“ von Ilka Piepgras im ZEIT Magazin

 

Nachdem ich dank Zeitmagazin endlich erfahren konnte, was gewisse Schriftsteller beim Schreiben tragen, würde es mich brennend interessieren , was die ZEIT Redakteure bei ihrer Arbeit anhaben – und noch viel mehr, was sie eigentlich im Kopf haben, um auf derart weltbewegende, magazinfüllende Themen zu kommen, wie sie mir in den letzten vier Wochen (im Rahmen eines (inzwischen gekündigten!) Probeabos) begegneten. – Ursula Hoffmann

 


 

 

Leserbrief zu „ALS ICH KLEIN WAR“ von Etgar Keret im ZEIT Magazin

 

Gerade lese ich die schönen Erzählungen von Etgar Keret in der Ausgabe Nr. 43/2022. Es wäre mir neu, dass Keret auf Deutsch schreibt, bitte nennen Sie doch künftig auch die übersetzende Person beim Abdruck von literarischen Texten. – Johanna Schwering