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Gott würfelt beim Fußball

 

„Gott würfelt nicht“, sagte Albert Einstein einst. Den Fußballgott aber kann er damit nicht gemeint haben. Wie in jedem anderen Sport kommt es im Fußball auf das Können an. Aber nicht nur. Auch der Zufall spielt eine erhebliche Rolle. Datenanalysen zeigen sogar, dass der Zufallsanteil im Fußball besonders groß ist.

Der Sportwissenschaftler Martin Lames hat Tausende von Bundesligatoren analysiert und die Häufigkeit von Zufallstoren ermittelt. Das sind solche, die unter starker Beteiligung des Faktors Glück zustande kamen. Etwa:

  • Der Schuss wurde für den Torwart unhaltbar abgefälscht
  • Der Ball sprang von Pfosten oder Latte ins Tor
  • Der Torschütze erhielt den Ball als Abpraller
  • Der Schuss aufs Tor kam aus großer Entfernung
  • Der Torwart hatte noch eine starke Berührung mit dem Ball
  • Der Torschütze hat den Ball vom Gegner bekommen

Nach dieser Definition sind im langjährigen Schnitt rund 40 Prozent aller Tore Zufallstore.

Der Zufall ist eine schwer zu fassende Größe. Doch Mathematiker haben auch für den Zufall eine Theorie entwickelt: die Wahrscheinlichkeitstheorie. In mehr als drei Jahrhunderten haben sie viele mathematische Eigenschaften des Zufalls herausgearbeitet.

Der Zufall gehorcht Gesetzen

Denn der Zufall ist nicht regellos. Auch er gehorcht Gesetzen. Selbst der Zufall im Fußball. Da benimmt er sich sogar besonders erstaunlich, weil er dort eine Struktur hat, die uns aus anderen Settings bekannt ist.

Bleiben wir einmal bei den Toren. Teilt man die gesamte Spielzeit in sehr viele kleine Zeitfenster ein, dann gilt annähernd Folgendes:

  • Tore fallen relativ selten. In den allermeisten Zeitfenstern gibt es gar kein Tor und in den anderen höchstens eins.
  • Die Wahrscheinlichkeit für ein Tor in einem Zeitintervall ist proportional zur Länge des Intervalls.
  • Ob in einem Zeitfenster ein Tor fällt, wird nicht davon beeinflusst, was in anderen Zeitfenstern geschieht.

Faszinierend ist nun, dass diese drei Eigenschaften allein zu einer ganz bestimmten Art von strukturiertem Zufall führen: Tore fallen gemäß des Poisson-Prozesses, was schon M.J. Moroney 1951 in seinem Werk Facts from Figures beschrieben hat.

Ein ähnlicher Typ von Zufall findet sich in vielen Situationen. Nämlich immer dort, wo die obigen drei Eigenschaften ungefähr erfüllt sind: etwa bei den Verkehrsunfällen in einer Stadt, den Blitzeinschlägen in einem Waldgebiet, den Geburten, Todesfällen, Eheschließungen, Scheidungen, Selbstmorden in einer Region.

Sowie beim Zerfall radioaktiver Atome: Mannschaften generieren Tore nach demselben statistischen Muster wie Atome Strahlung emittieren. Ganz ähnlich wie beim radioaktiven Zerfall kann ich mit der Poisson-Verteilung so einiges über Tore ausrechnen: Die Wahrscheinlichkeit für k Tore einer Mannschaft in einem Spiel ist e hoch (-m) multipliziert mit m hoch k durch k!.

In dieser Formel ist e = 2,718 die Eulersche Konstante, k! eine Kurzschreibweise für k x (k – 1) x (k – 2) x … x 3 x 2 x 1 und m ist die mittlere Zahl von Toren der Mannschaft pro Spiel.

In der deutschen Bundesliga erzielt die Heimmannschaft im Schnitt 1,63 Tore, die Gastmannschaft 1,25 Tore. (Werte der Spielzeiten 2008/09 bis 2012/13)

Die Poisson-Wahrscheinlichkeiten für 0, 1, 2, 3, 4, 5 Tore des Heimteams sind damit: 19,59 Prozent, 31,94 Prozent, 26,03 Prozent, 14,14 Prozent, 5,76 Prozent, 1,88 Prozent. Für das Auswärtsteam entsprechend: 28,65 Prozent, 35,81 Prozent, 22,38 Prozent, 9,33 Prozent, 2,91 Prozent, 0,73 Prozent.

Damit lässt sich die Wahrscheinlichkeit für ein konkretes Spielergebnisse angeben, etwa für 1:1. Sie beträgt 0,3194 x 0,3581 = 0,1144 = 11,44 Prozent.

Das ist übrigens das Spielergebnis mit der höchsten errechneten Wahrscheinlichkeit. Die tatsächliche Häufigkeit während der vier Spielzeiten, auf die sich diese Analyse bezieht, betrug 11,60 Prozent. Wow!

Hier ist eine Gegenüberstellung der fünf häufigsten Spielergebnisse:

Ergebnis          tatsächliche Häufigkeit (%)         Poisson-Wahrscheinlichkeit (%)

1:1                                  11,6                                                         11,4

2:1                                    9,0                                                          9,3

1:0                                   8,3                                                           9,2

2:0                                   7,4                                                           7,5

1:2                                   7,0                                                           7,1

Ferner sind die Prozent-Werte für die drei möglichen Ausgänge

Heimsieg                       45,1                                                          46,3

Unentschieden             24,7                                                          24,4

Auswärtssieg                30,2                                                          29,4

Das ist eine frappierende Übereinstimmung zwischen mathematischem Modell und Realität. Wir haben den Fußballgott durchschaut!