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Einstürzende Foodbauten

 

Foodfotografie, das ist ein gute Sache. Aber Vorsicht, denn der Verführungen gibt es einige.

Bilder nähren den Wahn unserer Zeit, man könne alles eins zu eins kopieren. Wir wissen aber von den Chinesen, dass Ähnliches nicht Dasselbe ist. Man kann es an den grauenhaften Louis-Vuitton-Taschen fast täglich beobachten.

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Natürlich Das Original
©Getty Images

Jedenfalls habe ich in meiner nun 40-jährigen Küchenpraxis schon tausende von Flädle gebacken und keines war wie das andere. (Soviel zur Perfektion in der Küche, die halt ganz anders verläuft wie die Perfektion einer CNC-Fräsmaschine.) 

So gesehen ist ein Plagiat eine ziemlich perfekte Angelegenheit, könnte unter Umständen sogar das Original übertreffen, aber eines wird immer fehlen, nämlich der “Groove”.

Man kann anhand eines Fotos eine gewisse Spur halten, man weiß ungefähr, wohin die Reise geht. Wie soll jemand wissen wie eine Schwarzwälder Torte auszusehen hat, wenn er noch nie eine gesehen hat. Das Foto ist also eine gute Ergänzung zum geschriebenen Rezept.

Dem Foto aber sklavisch zu folgen wäre ein zweifelhaftes Vergnügen. Der Fotograf will nämlich ein schönes Bild herstellen. Er will Appetit machen, Lust erzeugen, auch wenn alles mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. So versucht er beispielsweise, um den Teller nicht zu überladen, einiges aufeinander zu türmen. So kam es zu den wunderbaren Schichtungen, die in Makroaufnahme dem abgebildeten Essen einen ungewöhnlichen Reiz geben.

Dass so ein Türmchen auf dem Weg von der Küche zum Essenden umfallen kann, rührt den Fotografen nicht. Auch ist es ihm egal, ob der erste Schnitt, der Versuch, einen Teil des Essens in den Mund zu bekommen, alles zum Einstürzen bringt.

Einstürzende Neubauten? Viel schlimmer ist einstürzendes Essen! Kaum ein Koch kennt die Massaker, welche die Gäste an seinen Kreationen verüben. Aus der Küche kann er diese Verwüstungen nicht beobachten. Überhaupt gehört es zur Diskretion, Essende nicht zu beobachten. Ich selbst sehe es immer nur dann, wenn ich meinen Gästen einen guten Appetit wünsche und es dabei nicht leiden kann, wenn der Teller aussieht, als wäre er ein Mahnmahl für den 11. September.

Deshalb will ich so etwas nicht sehen und die Bestandteile des Essens werden nebeneinander gelegt. Der Gast kann alles einzeln versuchen, probieren, hat aber auch die Freiheit, sich selbst einen “Sauhaufen” zusammenzurühren.

Damit nun zum Schluss: Es soll Restaurants geben, die durch Kameras den Gastraum observieren. Bei Alain Ducasse ist das so und das war sicher ein Grund, warum im Saal so eine verklemmte Stimmung herrschte. Davon ein andermal mehr.