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Adrià vs Santamaría: Alles nur Schaum?

 

In der Mittagspause las ich in der Stuttgarter Zeitung den Korrespondentenbericht von Martin Dahms (Madrid) über den Streit um die beiden spanischen Dreisterneköche Ferran Adrià und Santi Santamaría.
Obwohl die beiden in Katalonien nur etwa eine Autostunde voneinander entfernt arbeiten, ist es, als ob Welten sie trennten. Dabei haben beide im letzten Jahrzehnt zweifellos viel mehr als den vielfach nachgeahmten Spumante-Schaum dazu beigetragen, der spanischen Küche mehr Leben einzuhauchen.

Ich hatte im August 2002 das Glück, bei beiden zu essen. Damals kostete das Degustationsmenu mit 25 Gängen im El Bulli von Ferran Adrià in Roses noch 115 Euro.

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8000 Gäste in sechs Monaten (die andere Hälfte des Jahres ist sein Restaurant geschlossen) reihen sich in die Warteliste ein – und zahlen heute für das Menü satte 235 Euro.
Dass er seine Karte die ganze Saison über nicht ändert, stört niemanden, denn kaum jemand hat die Chance, ein zweites Mal einzukehren.

Das Essen bei Santi Santamaría, dem Chefkoch im El Racò de Can Fabes in Sant Celoni nahe Barcelona, war deutlich teurer. Seine Küche behielt ich in ganz feiner Erinnerung: mehr traditionell mit deutlich französischem Einschlag, tolle, zweifellos teure Grundprodukte, hervorragend zubereitet. Ein wunderbarer Genuss.

Im El Bulli war es ein pausenloses Erlebnis für die Geschmacksnerven. Es war etwas Neues, oft Andersartiges. An extreme Kompositionen erinnere ich mich heute noch, als ob ich sie gerade erst gekostet hätte: Eine Köstlichkeit in einer von einer Art Pizzateig umgebenen Luftblase, die beim Zubeißen bonbonartig den Inhalt freigab und den exakten Geschmack der Tomaten-Olivenkombination direkt auf die Zunge brachte.
Aber auch an einen Algenbogen, der mich eher an einen (glücklicherweise seltenen) verschmutzten Strand an der Costa Brava erinnert, dem man seither aus dem Wege geht.

Nun hat sich der 51 Jahre alte Santi Santamaría über den fünf Jahre jüngeren Ferran Adrià in einer Art geäußert, für die der Begriff „Kollegenschelte“ zu sanft wäre. Es sei an der Zeit, „basta“ zu sagen zu so viel Blödsinn. Gemeint hat er damit nicht nur Ferran Adrià, den viele für den vielleicht besten Koch der Welt halten und der soeben von der Universität Aberdeen (Schottland) mit dem Ehrendoktortitel ausgezeichnet wurde.
Santamarías Buch „La cocina al desnudo“ (die Küche nackt) zielt auch auf Adriàs zahlreiche mehr oder weniger gute Nachahmer, die, weil es eben Mode geworden ist, Lebensmittel mit Stickstoff gefrieren, kalte Soßen oder geliertes Gemüse zu servieren oder alles mit Schaum überziehen.

Seither streiten unsere spanischen Kollegen. Da frage ich mich beim inzwischen servierten Mittagessen (Fleischküchle mit Püree und Karottengemüse) ob diese Diskussion förderlich ist. Ich hoffe darauf, dass gerade die junge spanische Küche, die nicht vergessen hat, das Bodenständige auf moderne, zeitgemäße Art zu präsentieren, dabei nicht in den Meinungs-Mixer gerät, sondern dass ihre Konturen noch schärfer werden.
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das Degustationsmenü