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Einfache Wahrheiten sind schwierig

 

Es ehrt den Berufsstand des Koches ungemein, wenn mittlerweile die Messlatte für eingesetzte Produkte und Zubereitungsmethoden mit Kategorien aus Ökologie, Sozialethik und Philosophie belegt wird.
Authenzität, Bio, Nachhaltigkeit und Regionalität werden allerorten gefordert.

Manchmal wird mir das dennoch ein bisschen zu viel. Ich glaube, dass es mancher Zeitgenosse sich ein wenig einfach macht, wenn er vom Koch verlangt, was er vielleicht selbst zu Hause nicht leistet. Vielleicht noch mit dem Argument, dass er im Restaurant ja schließlich dafür bezahle.

Diejenigen, die gerne nach strengen Regeln leben (seien diese für sich oder für andere gemacht), dürfen sich über eines gewiss sein:
Oft genug wird bei Anwendung dieser selbstauferlegten Gesetze das Kind mitsamt dem Bade ausgeschüttet.
Es kann schon sein, dass die Flasche Wein von hier aus der Region den kürzeren Transportweg hat. Es ist sicher auch so, dass der Winzer ums Eck von diesem Umsatz lebt, damit sich und seine Familie ernähren kann. Aber wie sieht’s mit der Ökobilanz dieser einen Flasche aus?  60 davon in den Kofferraum des 500er gepackt, eine Stunde mit Vollgas über die Autobahn geheizt – wer kann zuverlässig die Rechnung aufmachen, ob der Rotwein aus Chile nicht vielleicht weniger Sprit pro Flasche auf dem Zähler hat?

Solche Beispiele gäbe es viele. Ökobilanz und Regionalität können in ihren Absichten kollidieren, Nachhaltigkeit und Bio ebenso. Das ist aber wurscht. Hauptsache es ist für die gute Sache, von der konkret aber auch kaum einer sagen kann, welche Ziele da genau verfolgt werden.

Der Eifer, mit dem da manche These verteidigt wird, hat was von moralin-saurem Sarrazin. Ein paar Fakten, ein paar Halbwahrheiten und der Ruf nach dem Koch als Protagonisten, der schließlich davon was verstehen muss, verbunden mit dem Apell an das schlechte Gewissen.
Das verträgt sich für meinen Geschmack so gar nicht mit Lebensart und Genuss. Gelassenheit und Kennerschaft halte ich da für angebrachter.

Der SlowFood-Bewegung sagt man nach, sie sei nicht konsequent genug in ihrem Regelwerk. Zu viel Spielraum für eigene Interpretationen, zu lasche Kriterien.
Stimmt schon, die wichtigsten Kriterien heißen: Gut. Sauber. Fair.
Ich finde, das genügt durchaus. Wenn es denn ernst genommen wird. Wenn mit gutem Willen, mit edler Absicht gearbeitet wird. Es kommt doch immer auch auf die Haltung an, mit der etwas getan wird.
Essen ist Lust, Kochen ist Liebe… müssen in diesem Fall alle Argumente auf das schlechte Gewissen zielen? Kann man sein Anliegen nicht mal positiv belegen und Qualität und Geschmack des Produkts in den Vordergrund stellen?

Ich für meinen Teil versuche, mir Mühe zu machen. Meine Arbeit so gut zu machen, wie ich es kann. Ich muss aber deshalb nicht auf jedes Frühstücksei schreiben, wie die Henne geheißen hat und wie sie sich beim Legen gefühlt hat. Was hilft es dem Gast, wenn das Lamm zwar aus der Region, dafür aber zäh ist?
Einkauf und Zubereitung von Speisen sind komplexe Themen. Einfache Lösungen dafür sind halt manchmal ein bisserl eindimensional.

Ich denke, dass die wirklich guten Lösungen für diese durchaus lebenswichtigen Themen bei jedem selbst anfangen, vor der eigenen Haustür. In dem Umfeld, das er beeinflussen kann.

Qualität im Produkt und in der Zubereitung zu erreichen ist ein langer und harter Weg. Er erfordert den Verzicht auf bequeme Artikel und Methoden, er erfordert Toleranz und Vertrauen von Gästen. Wenn wir möchten, dass zuneige gehende Ressourcen geschont werden und wenn wir dauerhaft gesunde, saubere und faire Lebensmittel verzehren wollen, wäre es hilfreich wenn jeder einzelne diese Ziele täglich lebt, seinen Kindern damit Vorbild ist. Wirklich und nicht nur als Lippenbekenntnis auch außerhalb der Restaurants.

Es sind ja tatsächlich schon bemerkenswerte Fortschritte gemacht worden. Vor zwanzig Jahren kame gerade Tamarillos und Drachenfrüchte auf, der Gourmetteller feierte Urständ und die Teller waren von quer halbierten Kirschtomaten dekoriert. Wir Köche haben uns lange davon emanzipiert und benötigen keine Exotik, um zu beeindrucken. Es ist eine Freude, vermeintlich banalen Produkten ihre Schönheit zu entlocken und ihren Wert zu zeigen.

Die Tatsache alleine, dass ein Produkt von hier ist, kann nicht hoch genug geschätzt werden. Doch als einziges Argument ist es mir einfach zu wenig. Da geht mehr.