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Grenzenlose Regionalität

 

Seit vielen Jahren ist mir Regionalität ein großes Anliegen. Es erfüllt mich mit Freude, wie sehr sich Menschen dafür interessieren, woher welches Lebensmittel kommt. Deutscher Wein gewinnt mehr und mehr Akzeptanz, SlowFood und die Arche des Geschmacks sind in einer arrivierten Gästeschicht mittlerweile feststehende Begriffe geworden. Wochenmärkte werden besucht und der Zwanziger, den man der fleißigen Bauersfrau in die schwieligen Hände drückt, macht ein richtig gutes Gewissen.
Und doch beschleicht mich, wenn es um das Thema „Regionalität“ geht, mittlerweile manch leiser Zweifel. Sowohl auf Hersteller-/Händlerseite wie auch bei Verbrauchern machen sich bedenkliche Haltungen breit, die recht durchsichtig und vordergründig sind. Und ich bin sicher, dass alleine die Absicht, mit der Regionalität gelebt wird, über den langfristigen Erfolg dieses Trends entscheiden wird.
Welchen Grund haben Verbraucher, regional einzukaufen? Ist es möglich, dass die edle Gesinnung gute Produkte zu kaufen manchmal nur dem Wunsch entspringt, sich in einer immer schneller drehenden Welt einen festen Punkt zu suchen? Wird, um die Legitimität eines zur Verwendung anstehenden Produktes zu messen, die Entfernungsangabe in km als Gradmesser der Korrektheit gebraucht? Leicht nachzumessen, beweisbar und irgendwie voll zeitgeistig? Sind es dieselben Menschen, die heute den Carbon Footprint eines Apfels diskutieren und morgen als Gemeinderat der Pflasterung ihres Marktplatzes mit chinesischem Granit zustimmen (ist billiger), übermorgen ein japanisches Auto bestellen (Logo, Testsieger in der ADAC Pannenstatistik)?
Wenn Verbraucher bei Lebensmitteln so großen Wert auf Treibstoffeinsparung beim Transport legen, wieso juckt es dann bei anderen Konsumgütern nicht? Bei den Klamotten aus wasweißichwoher? Den goldigen Schuhen für die Kleinen für 18 Euro das Paar? Wieviel Prozent der in einem Baumarkt gelisteten Güter stammen aus Produktion im Umkreis von 300 Kilometern? 300 Kilometer wären für einen Apfel übrigens schon wieder ganz schön weit. Ist Regionalität der neue Protektionismus derer, die es sich leisten können?

Große Discounter und Lebensmittel-Handelsketten, denen tatsächlich die Umwelt und auch die Region piepegal ist, halten Schilder mit „Regional“ in die Höhe. Manche lieben angeblich sogar Lebensmittel. Und zwar ausschließlich nur deswegen, weil sich damit Geld verdienen lässt. Marketingstrategen ballern eingängige Slogans und Budgets durch die Region und so mancher Trittbrettfahrer steigt auf den Zug, den andere mühevoll und mit viel Einsatz über Jahre angeschoben haben. Kassiert ab und veräppelt dabei die Kundschaft.
Es wäre wirklich schade, wenn „Regionalität“ zu einer Marketing- und Lifestyle-Worthülse verkommt. Ich kaufe sehr gerne, wo ich es für richtig halte, noch immer Ware von hier. Aber ich bin skeptischer geworden und schau manches Mal genauer hin.