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Schwarzer Brei

 

Musmehl ist ein Lebensmittel allererster Güte. Geschrotet aus gedarrtem Weizen oder Dinkel riecht es schon in rohem Zustand nach frischem Brot. Musmehl ist kinderleicht zu verarbeiten, schon im Handumdrehen wird aus dem Schrot eine Delikatesse von hohem kulinarischen Wert und die kostet auch noch so gut wie nichts. Doch kaum einer kennt dieses Produkt, nur wenige beschäftigen sich mit ihm und so fristet Musmehl lediglich ein Schattendasein in den Kreisen engagierter SlowFood-Anhänger. Wo ist der Fehler?

Über Jahrhunderte war der schwarze Brei das Hauptnahrungsmittel auf der schwäbischen Alb. Die Bauern dort mussten so manche Ernte früher einfahren als ihnen lieb war, denn mancher Sommer war kürzer als es der Vegetationszyklus des Korns verlangt hätte (daher kommt die Tradition des Grünkerns, des unreif geernteten Dinkels, der ebenfalls gedarrt wird).
So manche Darre war wohl damals nicht so fein justierbar wie das heute möglich ist, und das Getreide wurde deshalb ungleichmäßiger erhitzt, mehr oder weniger wurde es dunkel, vielleicht sogar schwarz. Die Erhitzung der Körner war notwendig, um das Getreide haltbarer zu machen. Schädlinge wurden bei der Erhitzung vernichtet und Wasser entzogen. Die Körner wurden dann geschrotet und bei Bedarf zu einem Brei verarbeitet.

Ich war damals nicht dabei. Aber ich hab mir überlegt, wie es denn gewesen sein könnte. Mancher mag den schwarzen Brei einfach mit Wasser oder Milch gekocht haben. Vielleicht hatten die Menschen früher auch nicht immer die Wahl und mussten nehmen, was vorhanden war. Die Zeiten der Not sind heute vorbei und ich habe es eben gern mit richtig viel Geschmack. Darum setze ich einfach zuerst mal eine gute Fleischbrühe an. Ein paar Würfel Räucherspeck, Zwiebel und Knoblauch schwitze ich in einem kleinen Töpfchen an und gebe einen halben Liter Brühe dazu. Dann rühre ich das Musmehl ein, bis es anfängt einzudicken und steuere die Konsistenz unter weiterem Rühren mit der Zugabe von Brühe. Nach wenigen Minuten ist der Schrot fertig aufgequollen und ich würze mit Pfeffer nach. Wenn es mir passt, kommt noch geriebener Käse mit hinein, Bergkäse oder noch besser Weisslacker. Gegen ein paar frische Kräuter wie Thymian oder Petersilie ist nichts einzuwenden, das regle ich nach Tageslaune.

Die Brühe war im beschriebenen Fall aus einem wunderbaren Stück vom Limpurger Weideochsen. Der spezifisch reine Geschmack und die Kraft dieser Tiere kommen im Musmehl durch. Und weil das Fleisch irgendwann weichgekocht war, haben wir es gleich aufgeschnitten und mitverzehrt. Dass ich selbst diesen Hochgenuss als „italienischen Moment“ bezeichnen möchte, stimmt mich allerdings nachdenklich. Denn alle Zutaten waren von hier. Bestimmt gibt es in Italien ein ausgeprägteres Produktbewusstsein als in Deutschland. Aber wieso würdigen wir nicht das, was es hier gibt? Warum kauft alle Welt Polenta, Risotto-Reis, Couscous und sogar Kukuruz? Inka-Getreide und Körner von den alten Azteken, Hirse-Gries? Soll der Müller auf der Schwäbischen Alb „Farina nero“ auf seine Packung schreiben und ein Bild von seiner Oma und den Nachbarskindern drauf machen, die mit dem Mehl Cantucci backen? Ach ja, und dann per Telefon-Verkauf in gebrochenem Deutsch an den Mann bringen?

Auf dem Bild kann man sehen, dass es auch hohenlohische Momente gibt. Ein guter Schluck aus der Pulle von Bernulf Schlauch hat eben einen solchen perfekt gemacht.

Bernulf Schlauch, Uwe und Sabrina