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Immer noch Weihnachten

 

Am Donnerstag habe ich mit der Pressesprecherin einer großen Firma einige Räumlichkeiten besichtigt, die für eine Veranstaltung in Frage kommen. In unserer Fachterminologie heißt das: wir haben „ein paar Locations gecheckt“. Rothenburg ist reich an wunderbaren und wertvollen Bauten und Räumen. Man muss nur wissen, wo man sie findet und wie man sie für Veranstaltungen nutzbar machen kann.

Ein Juwel unter den Bauten ist das Wildbad, es liegt versteckt an einem Hang und in alten Wald eingewachsen am südlichen Ende der Stadt in einem großen Park. Gebaut als Kurhotel, betrieben von wechselnden Besitzern, war es nach dem zweiten Weltkrieg eine Polizeischule. Die hätte in den siebziger Jahren an eine Sekte verkauft werden sollen (das waren die Freaks in weißen Gewändern, die im Schneidersitz schweben konnten!). Damit das nicht passiert, hat damals geschwind die Stadt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht. Mittlerweile ist die Evangelische Kirche Besitzer der Anlage und aus dem Wildbad wurde ein wunderbares kirchliches Tagungszentrum.
Der Gebäudekomplex beeindruckt schon bei der Anfahrt durch seine Schönheit und so sind wir erwartungsfroh mit dem Leiter des Wildbads, Herrn Pfarrer Dersch, die Treppen zum Theatersaal hinuntergelaufen. In einer Ecke erblickten wir sehr zu unserem Erstaunen, den geschmückten Tannenbaum, der da immer noch rumsteht.

Immerhin war es der 25. Januar, und auch wenn mancher meint, in Rothenburg wäre sowieso Dauer-Weihnachten, so wirkte der Christbaum doch fremd, bizarr und übrig geblieben. Immerhin wird es nicht mehr lange dauern, bis der erste Bärlauch wächst…
Da Pfarrer Dersch ein lustiger Mensch ist und auch mal eine kleine Spitze verträgt, konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen, ob es denn eine Masche der Kirche sei, der Zeit immer ein bisserl hinterher zu hinken.
Das war dann sein Stichwort. Gut vorbereitet und aus der Hüfte geschossen konnten wir uns nun einen Stegreif-Vortrag über den kirchlichen Kalender und den korrekten Umgang mit Brauchtum anhören. Offensichtlich war der Christbaum um diese Zeit nicht zum ersten Mal Anlass zur Debatte. Der Christbaum bleibt so lange stehen, wie die Epiphaniaszeit dauert, also ungefähr bis Anfang Februar, um Maria Lichtmess, wo dann die Vorfastenzeit beginnt. Und der Tannenbaum hat eigentlich auch vor dem Heiligen Abend nirgends was zu suchen, davor ist nur der Adventskranz richtig. Wenn der Christbaum dann aber mal ab dem Heiligen Abend steht, hat er seine Daseinsberechtigung bis in die ersten Februartage hinein, auch wenn ein großes schwedisches Möbelhaus das anders sieht.
Also: Wer seinen Christbaum noch rumstehen hat, gleich warum und gleich wie er jetzt aussieht, hat alles richtig gemacht.