In den fränkischen Dialekten wird das „r“ gern eindrucksvoll gerollt. Und in den Monaten mit einem „r“, also von September bis April, ist Karpfen-Saison in Nordbayern. Diese landwirtschaftlich geprägte Region ist jahreszeitlich getaktet und zum Herbst und zur Erntezeit gehören die Stoppelfelder, die Bäume voller Äpfel, Birnen und Zwetschgen und eben auch die Karpfen.
Ich bin nun nicht der Meinung, dass in einem Europa der offenen Grenzen alle zur Verwendung kommenden Lebensmittel ausschließlich rund um den Kirchturm wachsen müssen.
Auch den Begriff „Regionalküche“ als solches mag ich nicht. Zu oft wurde er prostituiert, wurde er von reaktionären Köchen als zeitgeistige Rechtfertigung für langweilige und einfallslose Angebotsgestaltung missbraucht. Das gehört für mich in die gleiche Kategorie wie der Aufdruck „ohne Gentechnik“ auf Schmelzkäse-Packungen.
Der Karpfen jedoch macht eine wirklich gute Figur in vielen Bereichen, die mir bei der Produkt-Beurteilung wichtig sind. Die Fische ernähren sich auf natürliche Weise in den Teichen, ihr Wachstum wird durch Zufütterung von Roggen und Weizen unterstützt. Die Transportwege sind kurz und die Fische frisch, denn in den guten Wirtshäusern werden die Karpfen erst unmittelbar vor der Zubereitung geschlachtet. Eine ordentliche Portion kostet im Wirtshaus ungefähr 10 Euro. In Franken gibt es jede Menge gute Adressen für Karpfen, meine beiden habe im „Ochsen“ in Rothenburg und bei „Oberle“ in Kosbach gegessen.
Bestimmt wird ein gebackener Karpfen und eine Halbe Bier es nicht in die Rezeptsammlung der Weight Watchers schaffen. Doch der Fisch selbst ist mager, er enthält nur ca 5% Fett und schmeckt auch „blau“. Der Karpfen wächst innerhalb von drei Jahren zur Schlachtreife. Es wäre wohl vermessen, ihm denselben Rang und dieselbe Grandezza zuzuschreiben wie einem hochwertigen Salzwasserfisch. Denn die Teiche sind flach und dadurch im Sommer oft recht warm und so klar wie der Atlantik sind sie auch nicht. Deshalb wird er einige Tage vor seiner Schlachtung nochmal in klarem Wasser gehältert, schmeckt danach sauber und rein.
Der Fisch wird vor dem Backen entweder durch einen Teig gezogen oder mit Semmelbröseln paniert. Dazu passt Endivien-, Feld- oder Kartoffelsalat. Und eine halbe Bier und hinterher ein Zwetschgenwasser.
Von der Zubereitung zuhause rate ich eher ab. Zum einen hängt sich selbst bei bestem Dunstabzug der Geruch in die Wohnung und zum anderen passt zu Karpfen, Bier und Zwetschgenwasser (jetzt hab ich aus Versehen den Salat vergessen) ganz wunderbar eine Wirtshaus-Atmosphäre mit klapperndem Besteck, klingenden Gläsern, fröhlichen Gesichtern und fröhlichem Gemurmel.