Am 24. Juli vergangenen Jahres riefen die Regisseure Ridley Scott (Alien, Blade Runner) und Kevin Macdonald (Der letzte König von Schottland) gemeinsam mit YouTube die Internetnutzer weltweit auf, einen kurzen Moment ihres Alltags zu filmen. Mit Erfolg: Rund 80.000 Aufnahmen aus mehr als hundert Ländern wurden in 24 Stunden hochgeladen. Im Anschluss begann die eigentliche Arbeit für die Macher: Sie mussten rund 4.500 Stunden Material sichten und zu einem 90-minütigen Film zusammenschneiden.
Das Ergebnis heißt Life in a Day und wird bereits seit Anfang des Jahres regelmäßig auf Filmfestivals gezeigt. Nun kehrt der Film auch, in den Worten der Macher, „dorthin zurück, wo alles begann“ – auf YouTube in voller Länge.
Das Format ist in diesem Fall die Message. Nicht nur das Material stammt, getreu der Idee des Crowdsourcings, direkt von den Nutzern, Life in a Day basiert auch auf der vermeintlichen Egalität des Internets: Jeder einzelne Nutzer kann Teil eines größeren kulturellen Guts sein – solange er über eine Kamera und einen Internetanschluss verfügt.
Der Film ist eine lose Aneinanderreihung von Momentaufnahmen, die einzig der zeitliche Rahmen, die 24 Stunden des 24. Juli 2010, verbindet. Trotzdem ist die Auswahl nicht willkürlich. Scott und Macdonald nutzen ihre Erfahrung als Filmemacher, um die meist sehr kurzen Clips thematisch einzuordnen und geschickt gegeneinander zu schneiden. So folgen Landschaftsaufnahmen (die teilweise von Macdonald selbst stammen) auf persönliche Schicksale, nachdenklich stimmende Momente auf heitere Episoden, Zwischenmenschliches auf Alltägliches.
Aus diesem Montage-Prinzip entwickelt Life in a Day seinen Reiz. Es ist die Frage, wohin es den Zuschauer wohl als nächstes verschlägt: an den Strand von Fidschi oder in den philippinischen Regenwald? In eine amerikanische Vorstadt oder auf die Loveparade nach Duisburg, wo am 24. Juli vergangenen Jahres 21 Menschen starben? Der unmittelbare Wechsel von Schauplätzen, Kontinenten und Personen geben dem Film gleichermaßen etwas Rastloses wie Spannendes. Eine interaktive Applikation im YouTube-Kanal ermöglicht es Zuschauern zudem, sich auch einzelne Clips aus einem Land oder zu einem bestimmten Thema anzeigen zu lassen.
Und doch: Life in a Day als ein Abbild des täglichen Lebens auf der Welt zu verstehen, wäre übertrieben. Man kann das Projekt als naiv kritisieren, als eine „Verherrlichung des Banalen“ (Süddeutsche Zeitung) abstempeln und die wirtschaftlich-programmatischen Absichten – schließlich gehört YouTube zu Google – hinterfragen.
Man kann es aber auch als eine Idee sehen, die dem Zeitalter von Crowdsourcing und kollaborativen Kunstformen entsprungen ist, als ein kulturelles Produkt, das noch vor zehn Jahren in dieser Form schlicht nicht möglich gewesen wäre. Befreit man Life in a Day von ideologischen Subtexten bleibt genau das übrig: eine gute und sehenswerte Idee.
Life in a Day gibt es in voller Länge auf YouTube (mit deutschen Untertiteln). Im November soll es mit Britain in a Day ein ähnliches Projekt geben.