Coal: A Love Story ist der Titel einer interaktiven Dokumentation, die elf Journalismus-Studenten der Universität North Carolina erstmals Ende Juli im Rahmen des jährlichen Energie-Reportageprojekts Powering a Nation veröffentlichten. Darin untersuchen sie die komplexe Rolle, die Kohleenergie im Leben der US-Amerikaner spielt. Das Vorhaben ist ambitioniert – umso erstaunlicher, wie gut die Umsetzung gelang.
Tatsächlich pflegen die USA, wie auch Deutschland, seit jeher eine enge Beziehung zur Kohle. Seit mehr als 150 Jahren treibt der schwarze Brennstoff die Nation an; Kohle war der Motor der Industrialisierung, des Wirtschaftswachstums und ein Symbol des Wohlstands. Ganze Bundesstaaten waren zwischenzeitlich von der Kohleindustrie abhängig. Die US-amerikanische Energiewirtschaft ist es noch immer: Mehr als 1400 Kraftwerke sind aktuell in Betrieb, rund 45 Prozent des Strombedarfs der USA wird mit Kohle gedeckt.
Doch die Beziehung bröckelt. Zwar führt an der Kohleenergie mittelfristig kein Weg vorbei, doch immer mehr Menschen bekommen die negativen Auswirkungen zu spüren. Und genau hier setzt Coal: A Love Story an. In kurzen Episoden zeigt das Team Menschen, die direkt oder indirekt mit der Kohlekraft zu tun haben. Im amerikanischen Kohlepott West Virginia erzählen zwei Familien von Minenarbeitern von tödlichen Unfällen, widrigen Arbeitsbedingungen und chronischen Gesundheitsschäden. In Montana streiten Energiekonzerne und Landwirte um kostbares Grundwasser. In Chicago ist es ein altes Kraftwerk, dessen Emissionen ganze Nachbarschaften gefährden und die Anwohner auf den Plan rufen.
Und doch bilden die Filmporträts bloß den Rahmen des Projekts. Erst zwischen den Episoden entfaltet Coal: A Love Story seine Wirkung. Hier ergänzen gut recherchierte Infografiken, interaktive Karten und weiterführende Quellen die einzelnen Episoden mit Hintergrundinformationen. Ob es nun um die Kosten eines Kohlekraftwerks geht, um Luftverschmutzung, den Anteil der Kohlekraft am Energiemix bestimmter Regionen oder der Suche nach alternativen Energiequellen: Das Projekt soll vor allem die Verbraucher informieren und aktiv einbinden. So lernen die Zuschauer nicht nur Einzelschicksale kennen, sondern erfahren im Verlauf auch, woher der Strom aus ihrer eigenen Steckdose kommt.
Für Catherine Orr, der leitenden Redakteurin des Projekts, ist diese „Personalisierung“ des Themas entscheidend. Denn obwohl der Alltag der amerikanischen Bürger von der Kohleenergie abhängt, sind sich, auch dank erfolgreicher Lobbyarbeit, nur wenige der tatsächlichen Auswirkungen bewusst. Projekte wie Coal: A Love Story können das allein nicht ändern. Aber sie helfen, mit ihrem multimedialen Ansatz, komplexe Themen wie die Energiewirtschaft einem größeren Publikum zugänglich zu machen.
Nicht zuletzt ist das Projekt ein gelungenes Beispiel dafür, wie sich journalistische Inhalte mit den Möglichkeiten des Internets innovativ umsetzen lassen. Von Anfang an konnten die Zuschauer die Entstehung im Blog verfolgen, auf Informationen zugreifen und am Brainstorming des Teams teilhaben. Dass hinter dem Projekt tatsächlich eine Gruppe Studenten steht, vergisst man schnell.
Wie aktuell das Thema ist, zeigt der vom Scheitern bedrohte Welt-Klimagipfel im südafrikanischen Durban. Die Hoffnungen auf ein neues Klimaschutzabkommen sind gering – auch wegen der passiven Rolle der USA. Die sind zwar für rund 18 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, zeigen aber weiterhin kaum Ambitionen, ihre Ausstöße zu reduzieren. Denn dazu bräuchte es vor allem eines: Einen Bruch mit der Kohle.
Den kompletten, interaktiven Film gibt es auf der Website des Projekts. Hier der Trailer: