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Der Duft des Westens

 

In den Jahren 1949 bis zur Wende 1989 verließen rund drei Millionen Menschen die DDR und die sowjetische Besatzungszone. Nicht alle davon legal: Mit der Errichtung der innerdeutschen Grenze im Jahr 1961 wurde auch die sogenannte Republikflucht unter Strafe gestellt. 1.135 Menschen starben durch „Grenzzwischenfälle“.

Der Animationsfilm Der Duft Des Westens, eine Bachelorarbeit an der FH Hannover, beschreibt die Geschichte einer dieser Fluchten. Es ist die von Reinhold Huff, Vater des Mediengestalters Mark Huff, der den Film gemeinsam mit seinem Studienkollegen Arne Breusing realisiert hat.

Nicht nur die Geschichte basiert auf wahren Begebenheiten. Auch die Textelemente stammen allesamt aus Original-Druckerzeugnissen der damaligen Zeit, aus Briefen, Zeitungen und Comics, die per Computer auf die zuvor gebastelten Figuren gelegt wurden. Eine „real existierende Papierwelt“ nennen die Macher ihre Technik. Sie gibt dem Duft des Westens eine detailverliebte Optik, die belegt, wie man Inhalt und Umsetzung sinnvoll verbinden kann. Wir sprachen mit Mark Huff über die Entstehung.

ZEIT ONLINE: Der Duft des Westens basiert auf der wahren Flucht Ihres Vaters aus der DDR – wie wichtig war es Ihnen, möglichst originalgetreu die Flucht zu schildern?

Mark Huff: Mein Studienkollege Arne Breusing und ich haben die geschriebene Geschichte von meinem Vater bekommen. Ich bin mit ihr groß geworden, er hat mir schon früh davon erzählt. Da es ein Kurzfilm ist, konnten wir nicht diese neun Stunden der Flucht in fünf Minuten quetschen und mussten manche Handlungsstränge weglassen und zusammenfügen. Wir erzählen das Wichtigste der Geschichte ohne etwas Fiktives hinzu zu schreiben oder die Geschichte zu verfälschen. Uns war wichtig, die Story richtig rüberzubringen. So ist es wirklich passiert.

ZEIT ONLINE: Und Ihr Vater konnte sich an alles genau erinnern?

Huff: Er hat einige Jahre gebraucht, um alles so detailliert aufzuschreiben. Das hat auch etwas damit zu tun, dass er die Zeit brauchte, es für sich zu verarbeiten. In den ersten Jahren träumte er sehr oft davon. So ein prägendes, einschneidendes und gefährliches Erlebnis vergisst man nie richtig, denke ich.

ZEIT ONLINE: Sie verwenden für Hintergründe und Figuren Textelemente aus Papier. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Beim Texturing wurden Original-Druckerzeugnisse auf die Figuren gelegt (©: Ruff-Huff Productions)

Huff: Vor einem Jahr habe ich in Bremen einen kleinen Laden entdeckt, der ausschließlich Dinge aus Papier verkauft. Ich erstand einen kanadischen Jäger und konnte mir genau vorstellen, wie dieses Modell in 3D funktionieren würde. Von da an wollte ich einen Film im Papierlook machen. Außerdem schufen wir durch die verschiedenen Bedruckungen der Modelle eine Metaebene. Die Oberfläche meines Vaters besteht etwa aus Comics, Musikalben und Filmen die ihn geprägt haben. Die Stasizelle ist mit Verhörprotokollen bedruckt, der VW-Käfer mit Zeitschriften von 1973.

ZEIT ONLINE: Wie sind Sie an das Originalmaterial gekommen?

Huff: Der größte Teil kam von meinem Vater: Fotos, seine alten „Mosaik“-Comics, Kinoprogramme und Briefe der Staatssicherheit an meinen Opa. Wir haben uns auch Bücher aus der Bibliothek besorgt, eine alte DDR Zeitung bei eBay ersteigert und in Internetforen gesucht.

ZEIT ONLINE: Wo lagen die größten Schwierigkeiten bei der Produktion?

Huff: Darin, unseren Bachelorfilm in dem vorgegebenem halben Jahr pünktlich fertigzustellen. Ein stereoskopischer 3D-Film bedeutet sehr viel Arbeit, vor allem wenn man nur zu zweit ist und alles zu Hause macht. Arne und ich mussten uns während der Produktion neue Programme und Tools beibringen und darauf achten, dass der Film von Zuschauern, die die Geschichte gar nicht kennen, verstanden wird.

ZEIT ONLINE: Sehen Sie das Ergebnis eher als Kunstprojekt oder als persönlichen Dokumentarfilm?

Huff: Sowohl als auch. Das Projekt war Arnes und mein Abschluss in einem Designstudiengang. Natürlich wollten wir einen kunstvollen und ästhetischen Look kreieren. Gleichzeitig haben wir den Film allerdings auch gemacht, um eine Geschichte zu erzählen, die erzählt und gehört werden sollte. Es ist noch gar nicht so lange her, dass mitten durch unser Land eine todbringende Grenze verlief, an der Menschen erschossen wurden, die einfach nur in Freiheit leben wollten. Mein Vater hat manchmal noch mit seiner Zeit in der DDR und seiner Flucht zu kämpfen. Ich hoffe, er kann jetzt ein Stück mehr damit abschließen.