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Der Ozean lebt: „The UnderWater Realm“

 

Im November 2011 warb der Regisseur David M. Reynolds auf Kickstarter um Unterstützung für ein Projekt namens The UnderWater Realm. Fünf kurze Filme wollte er mit der Hilfe freiwilliger Unterstützer und anderer Indie-Filmemacher produzieren. Fünf Filme, die sich, an fünf Schauplätzen gefilmt, über fünf Zeitperioden erstrecken, beginnend in der Jetztzeit bis zurück ins Jahr 149 vor Christus. 60.000 US-Dollar wollte das Team ursprünglich einsammeln, am Ende wurden es mehr als 100.000. Etwas mehr als ein Jahr später ist The UnderWater Realm online zu sehen.

Das Ergebnis ist zunächst eine vor allem visuell beeindruckende Arbeit. Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass ausschließlich Freiwillige daran beteiligt waren und das Budget verhältnismäßig klein ist für einen Film, der an mehreren Schauplätzen gefilmt wurde und Requisiten wie ein nachgebautes Kampfflugzeug erforderte. Bereits die ersten Szenen des ersten Teils zeugen von einem hohen Anspruch an die Technik und Bildqualität – so ist etwa alles in Ultra High Definition aufgenommen. Die Macher beweisen, dass auch ein kleines Team anspruchsvolle Aufnahmesituationen meistern kann und sich nicht vor professionellen Produktionen verstecken muss.

Jeder Episode verliehen sie eine eigene Ästhetik: Der erste Teil etwa wird ausschließlich in Found-Footage erzählt, im zweiten und dritten Teil dominieren Action-Sequenzen, und die beiden letzten Teile erinnern ein wenig an den Stil historischer Dramen, Pathos eingeschlossen. Was aber alle fünf Episoden gemeinsam haben sind die großartigen Unterwasseraufnahmen, für die das Team ein spezielles Kamera- und Audio-Equipment entwarf.

Eine Geschichte, viele Interpretationen

Und doch bietet The UnderWater Realm nicht bloß schöne Bilder, sondern auch eine Geschichte, die zumindest zum Denken anregt. Basierend auf der Legende von Atlantis geht es um ein antikes Unterwasservolk, das vor den Blicken der modernen Menschheit geschützt am Meeresgrund lebt. Nur wenige Außenseiter haben sie über die Jahrtausende zu Gesicht bekommen. In jeder der fünf kurzen Episoden von The UnderWater Realm findet solch eine Begegnung statt.

Diese Begegnungen scheinen zunächst bestenfalls eine loses Motiv zu sein, das den einzelnen Filmen einen gemeinsamen Rahmen gibt, eine klassische Erzählung gibt es nicht. Und doch, bei genauerem Hinsehen zeigen sich die kleinen Details, die auf eine in sich geschlossene Geschichte hindeuten. Sucht der Zuschauer, der die Episoden von der Neuzeit bis zurück in die Antike ansieht, zunächst nach einer Erklärung für die Entstehung der mysteriösen Atlanter, sieht er in Wirklichkeit ihren Verfall: Mit jeder vergangenen Epoche scheinen sie etwas verloren zu haben. Von dem stolzen Volk bleibt am Ende  nur ein kurzes Aufflackern übrig. Fast komplett ohne Dialog auskommend, bleibt es den Zuschauern am Ende selbst überlassen, eine Lesart zu finden.

(Es empfiehlt sich unbedingt das Abspielen in HD-Qualität: Dafür im Youtube-Player auf das kleine Zahnrad klicken und 720p oder 1080p auswählen. Hier der Link auf Vimeo)

The UnderWater Realm hat aber noch eine dritte Besonderheit, die einmal mehr die Stärke des Online-Mediums zeigt: Es ist vielleicht eines der bis dato am besten dokumentierten Netzfilmprojekte überhaupt. Über die gesamten Dreharbeiten dokumentierten die Macher ihren Fortschritt nahezu wöchentlich mit Behind-the-Scenes-Videos. Das summiert sich auf mehrere Stunden Material und gibt einen spannenden Einblick hinter die Kulissen einer Filmproduktion. Ob es sich um die typischen Probleme handelt, die einer Filmcrew begegnen oder um die Erklärung technischer Details vom Requisiten und Effekten, wie auch diese Zusammenfassung zeigt:

Die fünf Kurzfilme sollen übrigens nicht das Ende von The UnderWater Realm gewesen sein. Denn sollte das Projekt beim Publikum gut ankommen, sind bereits die Drehbücher für drei Spielfilme geschrieben. Einmal mehr könnte ein Online-Projekt das Sprungbrett für eine größere Produktion sein.