Kate Harff ist fast 30 aber fühlt sich wie 18. Sie hat exakt 428 Freunde auf Facebook und kennt nur die wenigsten. Tagsüber macht sie was mit Kunst und abends was mit Partys. In der Zwischenzeit hört sie angesagte Indie-Musik und stellt bedeutungsschwangere Bilder in ihr Blog. Und weil sie nicht mehr weiß, was das alles soll, legt sie nicht etwa ihr iPhone zur Seite, sondern weist sich kurzerhand in eine Nervenklinik ein, nur um von dort aus noch mehr im Netz abzuhängen. Klingt unlogisch? Ist es auch, macht aber nix.
Kate, gespielt von Natalia Belitski, ist die Hauptfigur der Arte-Serie About:Kate (ab Samstag 23:45 Uhr oder im Netz). In 14 Teilen, immer Samstagnachts, wird die Psyche der Berlinerin untersucht. In Gesprächen mit ihrer Therapeutin, mit Pflegern, anderen Patienten und Freunden kommen Bruchstücke aus Kates Vergangenheit ans Licht. Zusätzlich gräbt sich Kate per Laptop und Smartphone durch Facebook-Timelines und Blogs, durch Videos, Chats und Tagebucheinträge, um ihre echte Identität wiederzufinden. Doch die Suche bewirkt zunächst das Gegenteil: Die Grenzen zwischen Realität und virtueller Inszenierung verschwimmen, und das nicht nur für Kate, sondern auch für die Zuschauer.
Zuschauervideos erwünscht
Die nämlich sollen möglichst Teil des Projekts sein. „Wir geben dem Zuschauer keine Möglichkeit zu entfliehen“, sagt Christian Ulmen, dessen Produktionsfirma ulmen.tv die Serie gemeinsam mit Arte entwickelt und produziert hat. Das klingt nach einer Drohung und ist es womöglich auch. Denn About:Kate soll auf allen Kanälen unterhalten und lässt keine Gelegenheit aus, die Zuschauer daran zu erinnern: Über fiktive Facebook- und Twitter-Profile, Bilder, Playlisten und Videoclips sollen die Zuschauer möglichst eng mit der Hauptfigur verbunden werden.
Während der Sendung bekommen die Zuschauer zusätzliche Informationen über die Smartphone-App. Eine neue Technik des Fraunhofer Instituts synchronisiert das Handy oder Tablet mit dem Audiosignal des TVs oder Streams. Die App kann somit punktgenau zum Geschehen auf dem Bildschirm Informationen liefern, die Zuschauer verfolgen, auf welchen Websites Kate gerade herumsurft. Über Fragebögen können die Nutzer über den Verlauf der Serie zudem ihr eigenes psychologisches Profil erstellen.
Dazu kommen die Einsendungen der Zuschauer. Schon jetzt wird auf der Website um Material wie Bilder oder kurze Videoclips zu einem bestimmten Thema gebeten, das es später auch in die Serie und damit in Kates Bewusstseinsstrom schafft. Erzählerisch ändert sich dadurch natürlich nichts. Es verleiht den Zuschauern aber ein Gefühl der Beteiligung. Auch wenn die Zahl der Einsendungen zu einigen Themen zu wünschen lässt.
Fernsehen als Erlebniswelt
About:Kate schließt sich damit dem Trend an, Fernsehen nicht bloß als lineares Programm, sondern als transmediale Erlebniswelt feilzubieten. Ähnliche Projekte gab es bereits. Dass ZDF ließ etwa 2011 mit dem Krimi Wer rettet Dina Foxx? die Zuschauer nach der Ausstrahlung im Netz nach dem fiktiven Mörder fahnden. Aktuell versucht der Pay-TV-Kanal SyFy mit der Weltraumserie Defiance eine Geschichte gleichzeitig im Fernsehen und in einem Computerspiel zu erzählen.
Bei allen Projekten bleibt die Frage, wann man der erwünschten und bisweilen geforderten Interaktion überdrüssig wird. Denn auch About:Kate wünscht sich nicht nur Interaktion, sie ist Teil der Erzählung. Nur wer simultan zur Protagonistin ins Netz eintaucht, kann der Geschichte vom digitalen Burn-Out etwas abgewinnen. Wer sich dagegen nicht nachts um zwölf noch auf die volle Social-Media-Dröhnung einlassen möchte, bekommt ein eher diffuses Fernsehprogramm. Man fragt sich, wieso Kate nicht einfach das iPhone beiseite legt und eine Runde spazieren geht. Das wäre doch viel logischer.