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„Human Angle“: Die Menschen hinter Videogames

 

Die Welt von Computerspielen ist, nennen wir es, sehr ergebnisorientiert. Geschrieben und diskutiert wird vor allem über die Games, die am Ende dabei herauskommen. Sicher, es gibt Berühmtheiten wie die Entwickler-Legende Peter Molyneux, die auch jenseits ihrer Spiele bekannt sind. Und auch Filme wie Indie Game: The Movie blicken hinter die Kulissen. Doch im Gegensatz zu etwa Literatur oder Musik, wird die persönliche Biografie der Computerspiel-Entwickler allenfalls am Rande erwähnt.

Hier tritt Human Angle auf den Plan. Zwischen April und Juni präsentierte die Webserie des Online-Spieleportals Polygon in zwölf Folgen einen anderen Ansatz: Der Fokus der Serie liegt nicht auf den Spielen, sondern auf den Menschen dahinter.

Menschen wie Maksym Hryniv etwa. Der Mann aus der Ukraine ist Entwickler bei Mokus Games, das mit dem Puzzlespiel Contre Jour einen internationalen Indie-Hit hatte – entgegen aller Voraussetzungen. Denn bis heute gibt es in der Ukraine weder einen Xbox Live Service noch eine richtige Spieleindustrie. Wenn Hryniv nicht gerade Spiele programmiert, betreibt er Breakdancing. Ein Hobby, das er in Malaysia aufgriff. Es sind ungewöhnliche Biografien wie diese, die Human Angle so spannend machen.

Längst nicht in allen Episoden geht es um Entwickler. Ger Tysk etwa war lange Zeit nur passionierte Zockerin, bis sie etwas entdeckte, dass sie noch mehr begeisterte: Cosplay. Seit einigen Jahren ist die ehemalige Flugzeugmechanikerin der US Army nun professionelle Cosplayerin, und arbeitet zurzeit an einem Buch darüber. Ihr Credo lautet: Cosplay hat nichts mit gutem Aussehen zu tun, sondern ist eine Lebenseinstellung. Die Folge gibt einen guten Einblick in diese ebenso bunte wie verschworene Szene, die gerne belächelt wird.

Der Mensch hinter John Marston

Lange belächelt wurde auch Rob Wiethoff. Zehn Jahre lang hat er sich als Schauspieler in Los Angeles herumgeschlagen, mit mäßigem Erfolg. Eher zufällig landete er eines Tages bei einem Casting, dessen Auftraggeber er selbst nicht kannte. Wenige Tage später wurde er von Rockstar als Sprecher und Vorbild der Spielfigur John Marston in Red Dead Redemption gecastet – einem der erfolgreichsten Titel im Jahr 2010. Heute lebt Wiethoff mit seiner Familie in Indiana. Die Schauspielerei hat er aufgegeben.

Es sind nicht nur die Personen, die Human Angle so interessant machen. Es ist auch die Verknüpfung aus Video und Text. Prinzipiell funktioniert jedes der knapp siebenminütigen Episoden für sich. Doch zusätzlich gibt es zu jeder Episode eine lange Reportage. Text und Video gemeinsam machen Human Angle zu einem der interessanteres Projekte nicht nur im Videospiel-, sondern im gesamten Online-Journalismus.

Wie Adweek zu Beginn des Monats berichtete, hatte es Human Angle bis dato auf rund 230.000 Abrufe und fast 8.000 Twitter-Reaktionen gebracht – keine schlechte Leistung. Aber bloß der Anfang. Eine zweite Staffel sei bereits geplant, sagt Chad Mumm von Polygons Verlag Vox Media. „Hochqualitatives Webvideo ist für uns genauso wichtig wie alles andere“, sagt Mumm.