Das Internet ist voller Skateboard-Filme. Doch nur wenige ihrer Macher glänzen mit einem eigenen Stil. Sebastian Linda gehört dazu. Der 29-Jährige ist selbst ein leidenschaftlicher Skateboarder. Sein erstes Feature Born to Skate lief mehrfach im deutschen Fernsehen und ist zurzeit in Ländern wie Japan und Brasilien zu sehen.
Seit einigen Jahren zeigt Linda seine Skate-Kurzfilme aber auch online auf YouTube und Vimeo, wo sie es regelmäßig in Blogs und in Listen von besten Clips schaffen. Gerade hat er mit Revenge of the Beasts seine jüngste Arbeit veröffentlicht. Mit uns sprach Linda über die Ästhetik des Skate-Films und die Unterschiede zwischen Online- und Offline-Vertriebswegen.
ZEIT ONLINE: Herr Linda, sind Sie in erster Linie ein Skater oder ein Filmemacher?
Sebastian Linda: Es ist eine Symbiose. Ich habe mit zwölf Jahren angefangen zu skaten und kurz darauf mit dem Filmen, weil ich das Skateboarden von mir und meinen Freunden festhalten wollte. Also habe ich meinem Vater die Videokamera abgeluchst. Beides ist eine Leidenschaft, die sich bis heute immer wieder verbindet.
ZEIT ONLINE: Im Netz gibt es beinahe wöchentlich neue Skate-Videos, die sich meist stark ähneln. Wie lässt sich in diesem Genre noch eine eigene Sprache finden?
Linda: Auch mich hat das eines Tages gelangweilt. Ich kann mir keine Skatevideos mehr anschauen, in denen bloß ein Trick auf den nächsten folgt. Ich habe zwar großen Respekt vor der Arbeit – manche filmen tagelang, um den perfekten Move einzufangen –, aber mir bedeutet Skateboarding mehr. Der Sakteboarder ist ja Teil der urbanen Welt, der Straße und dort passiert immer etwas. Die Faszination des Skatens liegt auch oft im Einfachen: Nämlich darin, dass man mit einem Holzbrett hochfliegt, es dreht und mit seinen Füßen wieder auffängt. Eine Kamera kann das auf ganz unterschiedliche Weise einfangen.
ZEIT ONLINE: Die Teile der Beasts-Serie unterscheiden sich stilistisch voneinander.
Linda: Der erste Film, Beasts from the East, ist relativ aggressiv und hart geschnitten, sehr schnell und hektisch. In The Epic & The Beasts geht es vor allem um die Freude und Freundschaft, um viel Emotionen und schönes Licht. Im neusten Clip wollte ich den Kampf gegen dunkle Mächte einarbeiten. Die Effekte wechseln sehr kontrastreich zwischen Licht und Dunkelheit. Die Geschichte handelt davon, dass man seine Kindheitswelt zurückholen möchte, der Weg dorthin aber immer wieder bedrohlich wird. Erst am Ende „fliegen“ alle und der Fluch ist gebrochen.
ZEIT ONLINE: Alle drei Kurzfilme sind sehr erfolgreich. Inwiefern hilft dieser Erfolg im Netz Ihrer Karriere?
Linda: Ich glaube, dass die Freiheit im Netz für einen ganz neuen Ansporn und letztlich auch für neue Inhalte sorgt. Für mich als kleinen Filmemacher ist es eine große Chance, wenn ein Publikum darüber entscheidet, ob es meinen Film sehen möchte, und nicht etwa die Jury eines Filmfestivals. Das fördert die kreative Arbeit, über die dann auch neue Kunden, etwa aus der Werbung, an mich herantreten.
ZEIT ONLINE: Ihre Netzfilme sind also auch eine Form der Akquise?
Linda: Zum Teil. Aber ich akquiriere meine Werbeaufträge nicht einzig dadurch. Viele möchten nämlich gerne eine Kopie dessen, was sie gesehen haben. Das funktioniert jedoch nicht, denn das Netz vergisst nicht und man darf den Zuschauer nicht für dumm halten. Sobald plötzlich ein Werbe-Zusammenhang besteht, merkt er, dass es mit dieser Arbeit nicht um Erkenntnis geht, sondern um Kommerz. Deshalb ist die Beasts-Reihe auch ohne kommerziellen Hintergrund entstanden.
ZEIT ONLINE: Was war dann die Motivation abgesehen von Ihrer Leidenschaft fürs Skaten?
Linda: Meine Motivation ist es auch, zu zeigen, dass man mit weitaus geringeren Mitteln als den GEZ-Milliarden gute Filme drehen kann. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass viele deutsche Filmemacher inzwischen vor allem auf Vimeo oder YouTube bekannt sind und mit kleinem Budget Werke zaubern, von denen sich die TV-Sender eine Scheibe abschneiden könnten. Diese und andere internationale Künstler sind sowohl Inspiration als auch Konkurrenz, die mich anspornen.
ZEIT ONLINE: Wie wichtig ist das Feedback der Zuschauer auf Plattformen wie Vimeo?
Linda: Wir haben inzwischen sogar noch ein Making-Of online gestellt, weil so viele Fragen kamen. Der gesamte Prozess ist ein Säen und Ernten. Natürlich fragt man sich immer, wie viel man von seinen filmemacherischen Tricks preisgeben möchte, aber der Trend entwickelt sich dahin, immer mehr zu teilen.
ZEIT ONLINE: Das tun Sie auch in Workshops, in denen Sie erklären, wie man mit einfachen Mittel Filme drehen kann.
Linda: Ich finde es toll, wenn ein 50-Jähriger, der noch nie gefilmt hat, Filme mit seinen Kindern dreht und diese mit der Welt teilt. Den Ansatz, den ich zu vermitteln versuche, ist, dass man seine Kamera einfach laufen lässt und im richtigen Moment „da“ ist. In meinem aktuellen Film Mr. Elektro geht es um einen balinesischen Heiler, der elektrische Stöße weiterleitet. Viele fragen, wieso ich über so ein esoterisches Thema einen Film gedreht habe. Nun, weil ich die Kamera angeschaltet habe, als dieser Typ kam.
ZEIT ONLINE: Planen Sie, Mr. Elektro auch online zu veröffentlichen, vielleicht über Vimeo-on-Demand?
Linda: Ich denke, dass ich ihn irgendwann auch online stelle. Aber Mr. Elektro ist ein schwieriger Fall. Der Film arbeitet mit einigen Überraschungen und bewegt sich zwischen Wissenschaft und Glauben. Da ist ein direktes Kinoerlebnis sowohl für den Zuschauer als auch für mich lohnender, als den Film online zu veröffentlichen. Man sieht auch an den Klickzahlen des Trailers, dass das Thema viral nicht so gut funktioniert wie ein Clip aus der Beasts-Reihe. In diesem Fall könnte ich eine 40-minütige Version erstellen, zwei Euro dafür verlangen und es würde wohl laufen.
ZEIT ONLINE: Es gibt also weiterhin gute Gründe für Online- und Offline-Vertriebswege?
Linda: Man kann die gar nicht mehr so klar trennen. Unser erstes Feature Born to Skate war auf illegalen Plattformen ziemlich erfolgreich. Wir fanden das zunächst nicht so geil, aber letztlich war es diese Fanbase, die den Film zum Fernsehen getragen hat. Denn als er das erste Mal auf ZDF Kultur lief, hatte er sogar eine messbare Quote – und das nur, weil ihn so viele bereits von Streaming-Plattformen kannten. Da denkt man natürlich hinterher schon darüber nach, welcher Weg der beste ist.