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Der Kampf ums Kabel

 

Die Netflix-Zentrale in Los Gatos (© Justin Sullivan/Getty Images)
Die Netflix-Zentrale in Los Gatos (© Justin Sullivan/Getty Images)

Als Netflix am vergangenen Freitag die zweite Staffel von House of Cards veröffentlichte, dürften die US-Internetbetreiber ganz genau hingesehen haben. Die Kombination aus Valentinstag, Wochenende und schlechtem Wetter an der Ostküste versprach neue Rekorde für die Streaming-Plattform und damit einen Härtetest für die Provider. Denn längst ist Netflix eine Macht im Internet. Aber nicht alle spielen mit. Es geht schließlich um die Vorherrschaft von Streaming-Angeboten im Netz – und wer davon profitiert.

Im vergangenen Jahr zählte Netflix 31,7 Millionen Abonnenten in den USA und übertraf damit erstmals den Pay-TV-Sender HBO. Netflix-Gründer Reed Hastings glaubt, dass der Dienst eines Tages zwischen 60 und 90 Millionen US-Bürger erreichen könnte und sich damit der rückläufigen Anzahl der Kabelanschlüsse annähert. Eine Prognose, die den Kabelanbietern, die in vielen Fällen auch als Internetprovider fungieren, gar nicht gefällt.

Netflix lahmt bei vielen Providern

Der Erfolg von Netflix ist jedenfalls schon jetzt messbar. Nach Analysen des Dienstleisters Sandvine war Netflix im vergangenen Jahr in der Primetime zwischen 21 und 0 Uhr für 31,6 Prozent des gesamten Internetdownstreams in den USA verantwortlich, gemeinsam mit YouTube sogar für rund die Hälfte. In dieser Zeit sinken die Downloadgeschwindigkeiten, was bei vielen Nutzern bisweilen zum Buffering und damit zu Pausen beim Abspielen führt. Das Problem könnte noch größer werden, wenn Netflix Inhalte in datenintensiver 4K-Auflösung für die nächste Generation von Fernsehgeräten ausspielt.

Interessant ist, welche Betreiber davon am meisten betroffen sind. Nach Netflix‘ Messungen liefern mit Comcast, AT&T und Verizon drei der fünf größten amerikanischen Breitbandanbieter regelmäßig unterdurchschnittliche Geschwindigkeiten für den Dienst. An der mangelnden Bandbreite liegt es aber gar nicht: Die allgemeine Downloadgeschwindigkeit ist meist völlig normal. Lediglich Netflix und andere Videodienste scheinen gedrosselt zu sein. Wie kann das sein? Verstößt das nicht offensichtlich gegen das Prinzip der Netzneutralität, wonach sämtliche Datenpakete gleich behandelt und zugestellt werden müssen?

Alles eine Frage des Peerings

Nicht unbedingt. Ein Begriff, der in den vergangenen Monaten im Webvideo-Bereich immer wieder auftauchte, ist das sogenannte Peering. Dabei handelt es sich um eine grundlegende Funktion des Internets. Peering bedeutet nichts anderes, als den Zusammenschluss zweier Netzwerke zum Datenaustausch. Große Internetprovider geben die Daten ihrer Netzwerke untereinander entweder direkt oder an den Knotenpunkten weiter – in der Regel kostenlos im gegenseitigen Einverständnis. Das System funktioniert, denn jeder profitiert von jedem und keiner wird diskriminiert. Theoretisch.

Praktisch gibt es um diese Peering-Absprachen immer mal wieder Streit – und seit einiger Zeit geraten Webvideo-Anbieter wie YouTube, Amazon oder eben Netflix in den Mittelpunkt der Diskussion.

Etwa im vergangenen Sommer, als die Netzbetreiber Cogent und Verizon aneinandergerieten. Beide Anbieter haben eine Peering-Absprache und tauschen kostenlos Daten aus. Sollte es zu einem hohen Datenaufkommen kommen, sollten beide entsprechend mehr Kapazitäten bereitstellen. Doch das tut Verizon nicht für Cogent. Der – inoffizielle – Auslöser des Streits ist Netflix. Der Dienst liefert nämlich seit einiger Zeit einen Großteil seiner Inhalte über das Netz von Cogent aus – und Verizon möchte den Traffic offenbar nicht einfach übernehmen.

In diesem Fall verstößt Verizon nicht direkt gegen die Netzneutralität (gegen die Verizon unlängst klagte), denn der Anbieter blockiert nicht gezielt Netflix. Er gibt lediglich nicht genug Kapazitäten frei für das Netz, aus dem die Netflix-Daten kommen, die deshalb „Umwege“ nehmen müssen. Das Ergebnis? Verizons DSL gehört heute zu den langsamsten Anbietern in Sachen Netflix. Das Nachsehen haben die Kunden beider Dienste.

Ein Milliardendeal der Kabelanbieter

Hinter der Entscheidung von Verizon steckt aber mehr als die Angst vor verstopften Leitungen. Es geht um das immer attraktivere Geschäft mit Videos im Netz. Mit Redbox ist Verizon nämlich selbst Teilhaber eines Streaming-Services, der in direkter Konkurrenz zu Netflix steht. Auch andere Kabelanbieter betreiben oder planen eigene Video-on-Demand-Dienste und möchten nicht zusehen, wie Netflix ihre Angebote dominiert. Die Konkurrenz einfach auszubremsen, scheint da eine naheliegende Option.

Vor diesem Hintergrund erscheint auch der neueste Deal im US-Fernsehgeschäft in einem anderen Licht. Vor wenigen Tagen kündigte der größte amerikanische Kabelanbieter Comcast an, den Konkurrenten Time Warner Cable für 45 Milliarden US-Dollar zu schlucken. Sollte die Regulierungsbehörde FCC der Übernahme zustimmen, wäre Comcast der mit Abstand größte Kabel- und Internetanbieter des Landes.

Entsprechend nervös blicken die Kritiker auf die Übernahme. Einige vermuten, dass Comcast mit seiner quasi-Monopolstellung die Preise für Kabel- und Internetanschlüsse diktieren könnte. Andere glauben, dass der Kauf vor allem Druck auf Anbieter wie Netflix, aber auch Amazon oder Apple ausüben soll. Erste Indizien gibt es bereits: Nur wenige Tage nach der Übernahme stocken die Verhandlungen zwischen Netflix und Time Warner. Netflix hatte gehofft, seinen Dienst in die Set-Top-Box der künftigen Comcast-Tochter integrieren und somit sein Portfolio im Smart-TV-Bereich ausbauen zu können. Da aber Comcast selbst an einem Streaming-Dienst arbeitet, scheint dieser Deal nun unwahrscheinlich.

Wer hat die besseren Inhalte?

Doch Comcast verfügt nicht bloß über die technische Infrastruktur, die Netflix für seinen Service benötigt. Comcast besitzt auch Inhalte, nachdem man 2011 das Medienunternehmen NBC Universal, zu dem unter anderem das Filmstudio Universal und die Sender NBC und Syfy gehören, übernahm. In einer Auflage der Regulierungsbehörde verpflichtete sich Comcast zwar, sowohl die Prinzipien der Netzneutralität zu befolgen, als auch die Inhalte von NBC Universal anderen Anbietern zu Verfügung zu stellen. Diese Regelung gilt aber bloß noch bis zum Jahr 2018.

Der Zusammenschluss der beiden großen Kabelanbieter könnte also in absehbarer Zeit massive Folgen für Netflix haben. Comcast hätte dann mehr Einfluss auf die Peering-Absprachen mit anderen Providern, was dazu führen könnte, dass Netflix bei einem Großteil der amerikanischen Internetnutzer schlicht nicht ideal läuft.

Zudem könnte Comcast sich exklusive Inhalte aus dem NBC-Umfeld für den eigenen Kabel- und On-Demand-Service vorbehalten und gleichzeitig andere TV-Sender gängeln, ihnen und nicht Netflix die Serien und Filme zu lizensieren. Denn kein TV-Sender möchte von einem Kabelbetreiber aufgrund mieser Deals „nach Sibirien verlegt“ werden, wie es Michael Weinberg von der NGO Public Knowledge beschreibt. Netflix hätte das Nachsehen. Denn auch wenn das Unternehmen vermehrt eigene Serien wie House of Cards produziert, besteht ein Großteil des Geschäfts in der Lizensierung von Filmen und Serien Dritter.

Auch in Deutschland gibt es bereits Diskussionen. Etwa darüber, ob die Telekom in ihren DSL-Flatrates den firmeneigenen Videoservice Entertain von der Datenbegrenzung ausnimmt. Und auch Kabel Deutschland – ebenfalls Anbieter eines VoD-Services – sagt, dass man bei einer „Überlastung des Netzes“ unter Umständen priorisieren müsse. Das klingt bewusst vage, aber es zeigt: Der Kampf um die Bewegtbilder im Netz fängt gerade erst an.

Update 24.2.

Medienberichten zufolge haben sich Netflix und Comcast auf einen neuen Vertrag geeinigt, der dem Streaming-Anbieter schnellere Verbindungen im Comcast-Netz zusagt. Obwohl die Details nicht bekannt sind bedeutet das, dass mit Netflix erstmals ein Inhalte-Provider einen ISP bezahlt. Kritiker fürchten deshalb, dass der Deal die Prinzipien der Netzneutralität aushebelt.