Es ist ein Aufeinandertreffen von old media und new media: Der Medien- und Filmkonzern Disney kauft das YouTube-Netzwerk Maker Studios für 500 Millionen US-Dollar. Sollten vereinbarte Geschäftsziele erreicht werden, erhöht sich der Preis um weitere 450 Millionen. Es geht also um fast eine Milliarde Dollar – und die Frage, woher die nächsten Film- und Entertainment-Stars kommen.
Mit Disney steigt die dritte Hollywood-Größe innerhalb eines Jahres ins YouTube-Geschäft ein. Dreamworks übernahm bereits im vergangenen Jahr das Netzwerk Awesomeness TV für 150 Millionen US-Dollar. Die Konkurrenz von Warner investierte vor wenigen Wochen in das Gaming-Netzwerk Machinima.
Bei allen handelt es sich um sogenannte Multi-Channel-Networks (MCN). Diese Netzwerke bündeln eine Vielzahl von Kanälen, im Fall von Maker sind es rund 55.000, die auf bis zu 5,5 Milliarden Abrufe im Monat kommen.
Die Netzwerke sorgen nicht nur für die Vermarktung und PR ihrer Partner, sondern entwickeln auch neue Formate, bieten Produktionsstätten und bringen Partner für Kollaborationen zusammen. Für diesen Service bekommen sie einen Teil der Werbeeinahmen, die YouTuber für jedes Video erhalten. Wie kürzlich der Fall von Grace Helbig zeigte, laufen diese Geschäftsbeziehungen nicht immer problemlos, aber die meisten erfolgreichen YouTuber sind inzwischen Teil von Netzwerken.
Doch was genau erhofft sich Disney von diesem Geschäft?
Der Einfluss auf Google steigt
Da wäre zum einen der Einfluss auf YouTube. Obwohl YouTube-Netzwerke aus dem Webvideo-Ökosystem nicht mehr wegzudenken sind, ist ihr Geschäftsmodell alles andere als sicher: Schließlich hat Google als Eigentümer von YouTube letztlich die Kontrolle über die Technik und die Vermarktung. Immer wieder beschweren sich die Netzwerke und YouTuber, dass die Plattform nicht genug Ressourcen in die Anzeigenvermarktung steckt und zudem einen zu großen Anteil der Werbeeinahmen für sich behält.
Netzwerke wie Maker sind deshalb weiterhin auf die Gelder von Risikokapitalisten und Investoren angewiesen, die jährlich Millionenbeträge in die Netzwerke pumpen. Maker konnte in den vergangenen Jahren zwar seine Umsätze um jährlich 300 Prozent steigern, doch Insider vermuten, dass das Unternehmen Geld verliert.
Durch den Einstieg einflussreicher Konzerne wie Disney und Dreamworks könnte die Netzwerk-Szene sowohl die dauerhafte Finanzierung garantieren, als auch mehr Druck auf Google ausüben. Michael Carney schreibt auf Pando Daily, dass die Übernahme deshalb ein positives Zeichen für die Webvideo-Szene in Los Angeles sei, die zwar professionell ist, mit den finanziellen Strukturen des Filmgeschäfts aber noch lange nicht mithalten kann. Disney wiederum könnte Makers 55.000 Kanäle in der Hinterhand für eigene Lobby-Zwecke nutzen.
YouTube = Kids
Dazu kommen die Inhalte. Obwohl Disney längst ein vielseitiger Medienkonzern ist, liegt das Kerngeschäft noch immer in der Unterhaltung junger Menschen. Und ausgerechnet diese sind inzwischen immer häufiger auf YouTube als vor dem Fernseh- oder Kinobildschirm zu finden. Für die Kleineren hat sich YouTube zwar noch nicht etabliert, doch auch das könnte sich ändern. Gerüchten zufolge könnte die Google-Tochter noch in diesem Jahr eine Videoplattform für Kinder unter 10 Jahren starten.
Für Disney ist YouTube in jedem Fall eine Möglichkeit, seine Inhalte ans Publikum zu bringen und die kommende Generation von Kindern und Teenagern noch einfacher zu erreichen. Disney-Inhalte könnten von bekannten YouTubern aufgegriffen werden, wie es etwa der virale Erfolg von Let it Go, dem Titelsong des Disney-Films Die Eiskönigin, gezeigt hat.
Doch wie Peter Kafka auf Re/Code vermutet, ist das für Disney vermutlich nur ein netter Nebenaspekt. Wenn es darum geht, eine eigene YouTube-Präsenz aufzubauen, benötigt Disney nicht die Hilfe von Maker. Der Konzern könnte bekannte Namen für eine Zusammenarbeit direkt ansprechen, wie er es mit den Muppets getan hat.
Auf der Suche nach dem Superstar
Plausibler scheint, dass Disney sich eine Beziehung in der anderen Richtung vorstellt: Also YouTube-Inhalte, die zu Disney wandern statt umgekehrt. Netzwerke wie Maker sind schließlich ein riesiger Talentpool. Mit der Übernahme holt sich Disney die Expertise gleich mit ins Haus. „Mit Maker gewinnt Disney Einblicke, wie Nutzer Webvideoinhalte finden und damit interagieren“, heißt es in einer Pressemitteilung des Konzerns.
Maker Studios könnte unter dem neuen Besitzer vermehrt Partner suchen, die kinderfreundliche Formate entwickeln. Gleichzeitig säße Disney direkt an der Quelle zu bereits etablierten Kanälen und Machern, die möglicherweise auch außerhalb der Plattform bestehen können. YouTube-Stars wie Grace Helbig, Smosh oder Ray William Johnson zeigen, dass sich Onlinepräsenz und ein Flirt mit dem vermeintlich uncoolen Fernsehgeschäft nicht ausschließen müssen.
Das naheliegende Beispiel ist der Schwede Felix Kjellberg. Unter dem Namen PewDiePie ist er das Aushängeschild von Maker Studios, und hat es mit seiner Mischung aus Videospielen und pubertärem Humor zum erfolgreichsten YouTuber der Welt gebracht: 25 Millionen Abonnenten hat PewDiePie inzwischen, jedes seiner Videos erreicht bis zu fünf Millionen Abrufe im Schnitt – das ist mehr als manche TV-Serie im Primetime-Programm. Für Kjellberg sprechen aber nicht nur die Zahlen. Er ist auch noch jung und sieht gut aus.
@pewdiepie you’re the next Disney princess
— #BrosSaveTheChildren (@pewdiepah_) March 24, 2014
Das klingt oberflächlich, ist aber sowohl in der TV- als auch der Webvideowelt kein Nachteil. Selena Larson erinnert bei ReadWrite an den Mickey Mouse Club – Disneys TV-Show, die Stars wie Ryan Gosling, Britney Spears und Justin Timberlake hervorbrachte. Für Disney könnte YouTube der nächste Mickey Mouse Club sein. Auch wenn es unvorstellbar scheint, PewDiePie abseits seines Computers in einer TV-Show zu sehen. „Nicht jeder YouTuber funktioniert auch auf anderen Plattformen“, sagt der frühere Disney-Mitarbeiter und jetzige Berater David Beebe gegenüber VideoInk. Und auch PewDiePie stellte auf Twitter klar, dass ihn niemand gekauft habe.
Disney möchte Maker Studios weiterhin als eigenständiges Unternehmen führen. Für die Macher dürfte sich deshalb nichts ändern – vorerst. Sicher ist aber, dass Disney sich von seiner Investition früher oder später Erfolge erhofft. Der 500 Millionen-Dollar-Deal ist einer der größten in der Geschichte von YouTube, und gleichzeitig eine der größten Annäherungen der traditionellen Filmwirtschaft an die Webvideo-Szene. Es wird nicht die letzte bleiben.