Am heutigen Dienstag startet der US-Streamingdienst Netflix sein Angebot in Deutschland, die Nutzer können von nun an auf das Film- und Serien-Angebot zugreifen. Der Start wurde mit viel Spannung erwartet, schließlich ist Netflix mit 50 Millionen Kunden in 40 Ländern der wohl größte Name im Video-on-Demand-Geschäft (VoD). In den USA hat sich Netflix durch seine selbstproduzierten Inhalte zu einer namhaften Konkurrenz der Kabelsender entwickelt.
In Europa und Deutschland ist Streaming noch nicht ganz so weit, doch die Aussichten sind gut. Netflix könnte Schwung in den Markt bringen, glauben die Experten. Doch bietet Netflix in Deutschland wirklich so viel mehr als die bestehenden Dienste? Was kann der US-Anbieter, das andere nicht können? Gibt es Enttäuschungen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Start.
Was kostet Netflix?
Der Dienst staffelt seine Preise nach der Qualität und der Anzahl der Streams, die gleichzeitig genutzt werden. Der Einstiegspreis beträgt 7,99 Euro monatlich. Darin enthalten ist allerdings nur ein Stream in Standard Definition (SD). Das entspricht ungefähr dem gewöhnlichen Fernsehbild. Wer einen modernen HD-Fernseher oder großen Bildschirm besitzt, sollte besser das HD-Paket buchen: Das gibt es für 8,99 Euro im Monat und unterstützt zudem zwei Streams gleichzeitig. Familien oder WGs können für 11,99 Euro auf vier parallele Streams zugreifen. In diesem Paket ist auch das Streaming in 4K-Ultra-HD-Qualität enthalten. Prinzipiell ist der erste Monat kostenlos, das Abo verlängert sich immer um einen Monat und kann jederzeit über die Website gekündigt werden.
Wie schnell muss mein Internet sein?
Generell wird zum ruckelfreien HD-Videostreaming eine Verbindung von mindestens fünf Megabit (nicht Megabyte!) pro Sekunde empfohlen. Das entspricht ungefähr einem DSL 6.000 Anschluss, dann bleibt noch etwas Bandbreite zum Surfen nebenher übrig. Für 4K-Streaming sollten es laut Netflix mindestens 25 Megabit sein. Die Geschwindigkeit des eigenen Internetanschlusses lässt sich über einen Speedtest schnell herausfinden. Bei mehreren Streams gleichzeitig steigen die Anforderungen entsprechend.
Funktioniert Netflix nur auf dem Computer?
Nein. Netflix brüstet sich gern damit, auf nahezu allen Endgeräten und Plattformen zu funktionieren, solange sie ins Internet kommen. Die Netflix-App gibt es für Android, iOS, Windows Phone, die Spielekonsolen PlayStation, Xbox und Wii, sowie die Set-Top-Boxen Apple TV, Amazons Fire TV, diverse Blu-Ray-Player und Googles Streaming-Stick Chromecast. Auch viele Smart-TVs lassen sich mit Netflix nachrüsten. Für die meisten Nutzer dürfte dennoch das Angebot über die Website die erste Wahl sein, mit dem sich die Inhalte direkt aus dem Browser abspielen lassen.
Schön und gut, aber was bekomme ich denn zu sehen?
In den USA verspricht Netflix Zehntausende Filme und Serienepisoden. In Deutschland ist das Angebot deutlich schmaler ausgefallen: Die Kategorie „Oscarprämierte Filme“ enthält gerade einmal 33 Titel, darunter Fernseh-Dauerbrenner wie Rocky oder Rain Man. Von den Top 25 der Filmdatenbank IMDb finden sich nur drei Titel in der Bibliothek, was ähnlich wenig ist wie bei anderen Angeboten. Zu den bekanntesten Serien zählen Breaking Bad, Sherlock, The Walking Dead, Sons of Anarchy und Big Bang Theory. Die gibt es zum Teil aber auch bei anderen Anbietern, zudem sind nicht alle komplett: Von Family Guy etwa sind nur fünf Staffeln verfügbar, obwohl die Serie inzwischen in der zwölften angekommen ist. Von Sons of Anarchy sind es nur die ersten drei von sieben.
Interessanter sind die exklusiven Serien, die Netflix zeigt: Die hochgelobte Serie Fargo etwa, die in diesem Sommer in den USA lief, die Krimiserie The Killing oder die Horrorserien Penny Dreadful und From Dusk Till Dawn. Better Call Saul, der Spin-Off von Breaking Bad, soll zum US-Serienstart im Februar exklusiv im Angebot landen. Mit Die Brücke, Top of the Lake, Orphan Black und Luther gibt es zumindest einige namhafte Inhalte aus Dänemark, Kanada und Großbritannien.
In den USA investiert Netflix zudem stark in die Bereiche Dokumentation, Comedy und Kinder. Diese Segmente sind für das klassische TV weniger attraktiv als Blockbuster und Serien, weshalb VoD-Dienste sich gern in diesem Genre ausbreiten. Ins deutsche Angebot hat es ebenfalls nur wenig geschafft. Von den „50 Besten Dokus auf Netflix“, die das Portal Pastemagazine vorstellt, ist nur ein halbes Dutzend in Deutschland verfügbar, ähnlich sieht es in Sachen Stand-up-Comedy aus. Die separate „Kids“-Sektion ist dagegen im Vergleich recht gut gefüllt.
Gibt es aktuelle US-Serien?
Nein, das war auch nicht zu erwarten, jedenfalls nicht auf absehbare Zeit. In Deutschland liegen die Erstausstrahlungsrechte vieler beliebter US-Serien wie Game of Thrones, The Walking Dead, True Detective oder Mad Men nämlich im Pay-TV bei Fox oder Sky. Bei Netflix gibt es allerhöchstens die vergangenen Staffeln zum Abruf. Das könnte sich aber in den kommenden Jahren ändern. Game of Thrones gibt es seit Kurzem immerhin mit einigen Wochen Verzögerung bei Amazon und iTunes.
Was ist mit den viel zitierten Netflix-Eigenproduktionen?
Die sind ebenfalls unvollständig: Da Sky die Rechte an House of Cards in Deutschland hält, zeigt Netflix nur die ersten beiden Staffeln, aber nicht die kommende dritte. Das war bekannt. Doch die von Netflix produzierte vierte Staffel von Arrested Development sucht man ebenso vergeblich wie Lillyhammer. Für die Zukunft verspricht Netflix zumindest noch einiges: Die historische Fantasy-Serie Marco Polo wurde aufwändig an Schauplätzen auf der ganzen Welt gedreht und erscheint im Dezember. Die Science-Fiction-Serie Sense8 der Wachowski-Geschwister (Matrix) folgt 2015, beide preist Netflix auch für Deutschland an.
Gibt es die englischen Inhalte wenigstens im Original?
Ja, sämtliche englischsprachigen Inhalte gibt es sowohl mit Originalton als auch synchronisiert beziehungsweise – und das bieten nicht alle Konkurrenten an – mit deutschen Untertiteln.
Wie sieht es mit deutschen Produktionen aus?
Netflix hat sich unter anderem die Rechte an der Sendung mit der Maus, dem Hauptstadtrevier, Das Boot und Comedy wie Ladykracher, Stromberg, Pastewka oder Lerchenberg gesichert. In der Rubrik „Deutsche Filme“ gibt es zum Start etwa 70 Titel, darunter ein Paket von Til-Schweiger-Filmen, Comedy von Dieter Nuhr und einige bekannte Titel wie Sonnenallee und Lammbock.
Was sind die Alternativen?
Die bekanntesten deutschen Anbieter für Videoflatrates sind zurzeit Maxdome, Watchever, Amazon und Sky Snap. Preislich bewegen sie sich in einem ähnlichen Rahmen wie Netflix zwischen sieben und zehn Euro. Sky Snap kostet inzwischen sogar nur noch vier Euro, allerdings ohne mobile Unterstützung. Amazon verknüpft sein Prime Instant Video (ehemals Lovefilm) wahlweise mit der Premium-Versandoption, für die 49 Euro im Jahr fällig werden. Maxdome hat erst vergangene Woche sein komplettes Angebot inhaltlich und optisch überarbeitet und bietet inzwischen neben Videoflatrate und Einzelabruf auch Sport- und Liveevents. Einen Angebots- und Preisvergleich für deutsche VoD-Dienste (noch ohne Netflix) bietet übrigens die Website Vodster.
Lohnt sich Netflix?
Nach dem ersten Test scheint sich Netflix in die Reihe deutscher VoD-Angebote nahtlos einzufügen. Die unterscheiden sich in ihrer Auswahl zwar alle ein wenig und ergänzen einander, allerdings fehlen Stichproben zufolge bei allen Anbietern viele Klassiker, es gibt generell nur wenige Blockbuster vom Typ Herr Der Ringe, und teilweise sind Serien nicht komplett mit allen Staffeln verfügbar. Das Netflix-Angebot zum Start ist überschaubar und kann sich bis auf wenige interessante Serien kaum von der Konkurrenz abheben. Am Ende dürfte für die Nutzer entscheiden, wie attraktiv die exklusiven Serien sind. Viel wurde über die Zukunft des Videostreamings in Deutschland geschrieben. Zum Start scheint Netflix noch weit davon entfernt zu sein.