Von schneebedeckten Berggipfeln zum blauen Ozean, von schillernden Metropolen hin zu staubigen Wüstenlandschaften: Other Places nennt der britische Gamesjournalist Andy Kelly eine Serie von Videos auf YouTube, die er vergangene Woche ins Leben rief, und die bereits jetzt über 150.000 Abrufe hat. Hinter dem Reiseführer der besonderen Art verstecken sich ausschließlich Szenen aus Videospielen. Und das ausnahmsweise mal ganz ohne Waffen und Kämpfe, ohne Magie und Missionen.
Für Kelly ist Other Places sowohl eine Hommage an die Entwickler der Spiele als auch eine Ode an die immer wieder faszinierenden Videospielwelten. In den kurzen Videos geht es deshalb auch nicht um das Gameplay, sondern ausschließlich um Landschaften. Gänzlich kommentarlos schwebt die Kamera durch die Welt des jeweiligen Spiels. Die besinnliche Musik verleiht den Aufnahmen etwas Beruhigendes, nahezu Kitschiges – im positiven Sinne.
Zehn dieser kleinen Reisen hat Kelly bereits unternommen. Sie führen die Zuschauer in Klassiker wie Half-Life 2 und Alan Wake, aber auch in neue Welten wie die Wolkenstadt Columbia aus Bioshock Infinite und den düsteren Moloch von Dunwall aus Dishonored. Die Idee kam Kelly, als er, wie so viele Spieler, die offene Welt von Skyrim erkundet hat. Mithilfe der Entwicklerkonsole flog er durch die Welt und erlangte so ganz neue Eindrücke über die Schönheit des Spiels.
Die Welt als aktiver Teil des Spiels
Wie Kelly dem Blog Video Game Tourism erzählt, faszinieren ihn Welten, denen man nicht ansieht, dass sie nach und nach zusammengesteckt wurden. Stattdessen sollen sie den Eindruck vermitteln, dass man tatsächlich darin leben könnte.
Die Spielewelt nicht bloß als Kulisse für die Story, sondern als aktiven Teil des Spiels zu gestalten, ist immer häufiger das Ziel der Entwickler, allen voran Open-World-Games wie GTA oder Skyrim. Dabei benötigt es gar keinen Fotorealismus, wie ihn etwa die Shooter-Reihe Crysis versucht, um Videospielwelten eindringlich zu gestalten. Indietitel wie Journey oder Proteus faszinieren gerade durch ihren Minimalismus, und auch die Klötzchenwelt von Minecraft ermöglicht beeindruckende Landschaften ohne auch nur annähernd realistisch zu sein.
Other Places folgt der Tradition der In-Game-Fotografie. Bei dieser Kunstform suchen die Spieler nach möglichst interessanten, kunstvollen oder auch experimentellen Motiven innerhalb des Spiels, die per Screenshot oder auch per Kamera abgeknipst werden. Längst ist daraus eine Szene entstanden. Der Brite Duncan Harris alias deadendthrills gilt nicht nur als Pionier, sondern sammelt auf Flickr auch besonders gelungene Exemplare, ebenso wie das Sub-Reddit GamerPorn. Auch Rainer Sigl von Video Game Tourism stellt regelmäßig Arbeiten vor.
Dass sich das Konzept auch auf Bewegtbilder übertragen lässt, hat natürlich nicht nur Andy Kelly entdeckt. Die YouTube-Kanäle Polygon Fragments und National Gameographic etwa enthalten ganz ähnliche Videoserien.
Auch der irische YouTube-User Jacksepticeye hat im vergangenen Jahr eine Serie unter dem Titel The Beauty Of… veröffentlicht. Der Unterschied zu Other Places besteht darin, dass er Szenen direkt aus den Missionen genommen hat, man die Spielfigur also sieht, was zumindest etwas von den Landschaften ablenkt.
Damit Kelly das nicht passiert, hat er für Other Places so manche Tricks angewandt. Denn nicht alle Spiele lassen sich einfach mit einer freischwebenden Kamera erkunden. Bei einigen Titeln musste er dabei auf Hacks aus der Community zugreifen oder, wie im Fall von Dishonored, viele kurze Szenen zusammenschneiden. Seine Motivation und Faszination bremst das nicht. Kelly hat bereits weitere Videos geplant.