Afshin Behnia fährt für sein Leben gerne Auto, doch die beste Idee kam ihm beim Fernsehen. Jahrelang hat der Mann aus Kalifornien sein Hobby in TV-Sendungen zunehmend kritisch beobachtet: Prollige Tuning-Shows, langweilige Autotalks, den halbgaren US-Ableger der britischen Kultserie Top Gear, und die mit viel Tamtam angekündigte und nach nur einer Staffel wieder abgesetzte The Car Show. All das war nichts für den Vintage-Liebhaber Behnia. Also suchte er nach Alternativen und fand sich plötzlich mittendrin in der Spartenwelt von YouTube.
Seit einem halben Jahr ist Afshin Behnia selbst YouTube-Produzent. Petrolicious heißt der Kanal und das angeschlossene Online-Magazin, das er aktuell mit seiner Ehefrau Kika, dem Filmemacher Josh Clason und der Grafikdesignerin Becca Clason betreibt. Der Fokus von Petrolicious ist klar definiert: Es geht ausschließlich um Autoklassiker – und ihre Besitzer.
Ein Kanal für Klassikerfreunde
„Die Idee hat sich über Jahre hinweg entfaltet“, sagt Behnia, der zuvor in der Softwarebranche tätig war. Als seine Firma vor dem Verkauf stand, nahm er einen Teil seiner Ersparnisse und machte im Frühjahr vergangenen Jahres sein Hobby zum Beruf. Auf YouTube fand er zwar viele Inhalte und Formate, die sich um Autos drehten, aber auch sie entsprachen nicht seinen Vorstellungen. Er suchte nach einer Show, die sowohl „den Lebensstil als auch die Kultur von Klassikern angemessen feiert“.
Petrolicious versteht sich heute als Gegenstück zu Autosendungen, die mit leichtbekleideten Frauen, ölgetränkten Mechanikern und PS-Protz die Klischees des Genres bedienen. Jedes der knapp fünfminütigen Videos stellt genau ein Modell vor, das jeweils aus einem Privatbesitz stammt. Statt technischen Details und Tests gibt es Anekdoten der Besitzer, statt rasanten Aufnahmen schöne und unaufgeregte Bilder vor meist kalifornischer Szenerie. Auch die Website von Petrolicious setzt sich von anderen Automagazinen mit ihrem Vintage-Design und Typografie ab.
Ist Petrolicious also ein Automagazin für Hipster? In der Aufmachung vielleicht. Aber im Mittelpunkt stehen auch hier die Karossen: Ein Mercedes 220SE aus dem Jahr 1963 etwa, Isettas, Käfer, und Design-Ikonen wie der Lancia Stratos oder der Lamborghini Countach kamen bereits vor. Ihre Besitzer kennt Behnia aus seinem Freundeskreis oder von Klassikertreffen. Inzwischen melden sich aber immer mehr Enthusiasten von sich aus bei den Machern. Auf der Website stellt Petrolicious regelmäßig Bilder von Lesern und ihren Autos vor. Auch Liebhaber aus Deutschland meldeten sich bereits.
Autokanäle boomen auf YouTube
Einmal pro Woche erscheint ein neues Video auf Petrolicious. Mehr ist zurzeit nicht drin. Drei bis fünf Arbeitstage benötigt das Team für Dreh und Schnitt. Damit kann der Kanal natürlich nicht mit den führenden Automagazinen auf YouTube mithalten, hinter denen meist Verlage und große Produktionsfirmen stehen. Die junge, überwiegend männliche Zielgruppe ist attraktiv für Werbetreibende im Netz und hat damit einen regelrechten Boom an Autokanälen ausgelöst.
Die Auswahl ist entsprechend groß. Die führenden Kanäle Motor Trend, /Drive und Car and Driver gehören zu YouTubes Originalkanälen, die von Google mitfinanziert werden, ebenso wie Motorvision in Deutschland. Sie veröffentlichen täglich Inhalte: Tuningtipps, klassische Tests, Reportagen, Service und Infotainment. Andere haben sich spezialisiert: evoTV etwa steht ganz im Zeichen von Supercars, The Fast Lane und Autocar dagegen testen vorwiegend Fahrzeuge für Normalverdiener.
Ein jüngeres Publikum lockt das britische Fast, Furious & Funny: Hier werden Streiche mit Autos gespielt, Ferraris getuned und fahrbare Toiletten gebastelt. Unterhaltsam ist auch die Show von US-Talkshowmoderator und Autonarr Jay Leno, die es seit zwei Jahren gibt. Die Qualität der Kanäle ist längst vergleichbar mit den oft gescholtenen Autosendungen im Fernsehen.
Aber auch unabhängige Autoenthusiasten haben auf YouTube gute Chancen. Der erst 22-jährige Kyle Lindsay betreibt unter dem Namen Saabkyle04 inzwischen einen der erfolgreichsten Autokanäle auf der Plattform. Über Jahre hinweg hat er mit seinen nüchternen Autovorstellungen ein Millionenpublikum aufgebaut. Wie auch der als EricTheCarGuy bekannte Mechaniker, der in seinem Kanal Tipps zur Reparatur gibt.
Petrolicious plant weitere Formate
Noch fühlen sich Afshin Behnia und Petrolicious wohl in ihrer Nische. Knapp 54.000 Abonnenten haben sie inzwischen. Eine gute Leistung für einen Kanal, der erst seit einem halben Jahr aktiv ist und einen sehr speziellen Ansatz verfolgt.
Doch allzu lange möchte sich Behnia nicht auf den ersten Erfolgen ausruhen. Schon bald möchte er in Petrolicious ein zweites Format etablieren, das sich mit der Restauration und Pflege von Klassikern beschäftigt. „Wir wollen vor allem inspirieren“, sagt Behnia, „aber auch informieren.“