Klassische Filmfeste gibt es heutzutage in fast jeder Kleinstadt. Anders sieht es bei Festivals aus, die ausschließlich auf Webvideos ausgerichtet sind, also Inhalte, die gezielt für das Internet produziert wurden. In Deutschland hat sich mit dem Deutschen Webvideopreis in diesem Jahr erst eine Veranstaltung dieser Form etabliert. Die USA, seit jeher führend in Sachen Webvideo, sind schon etwas weiter.
Etwa mit den Vimeo Awards. Zum zweiten Mal fand am Samstag die Verleihung im Rahmen des Vimeo Festivals in New York statt. Nicht überraschend, schließlich zählt Vimeo neben YouTube zu den bekanntesten Videoportalen und ist gerade unter professionellen Filmemachern beliebt. Und doch sind bei Vimeo viele Inhalte nicht unbedingt Webvideos im engeren Sinne: Viele Filmemacher, Agenturen und Produzenten laden ihre Arbeiten erst hoch, wenn sie bereits den traditionellen Festivallauf hinter sich hatten.
Das soll bei den Vimeo Awards anders sein: Alle teilnehmenden Arbeiten mussten ihre Premiere online feiern. „Es ist eine kleine provokative Nachricht an die Festival-Szene“, sagte der Festival-Direktor Jeremy Boxer dem Wall Street Journal. Traditionell haben Filmfestivals strikte Regularien, die eine vorherige Online-Veröffentlichung ausschließen. Eine Regelung, die mit der steigenden Popularität von Webvideos und Online-Inhalten als zunehmend antiquiert gilt.
Dieses Jahr bekamen die Veranstalter rund 15.000 Einsendungen im Vorfeld – doppelt so viele als bei der vorherigen Ausgabe. Eine Vorauswahl wurde von Internetnutzern getroffen, sie konnten über ihre Favoriten abstimmen. Anschließend wählten 39 Juroren, darunter Radiohead-Bassist Colin Greenwood, Schauspieler James Franco sowie Preisträger der vergangenen Jahre, die besten Clips aus jeweils 13 Kategorien aus. Jede Kategorie ist je mit 5.000 US-Dollar Preisgeld dotiert. Wir zeigen eine Auswahl der Gewinner.
Grand Prize / Lyrical
Sowohl der Hauptpreis als auch der Preis in der Kategorie „Lyrik“ ging an das Studio Everynone mit ihrer Arbeit Symmetry. Auf den ersten Blick eine unspektakuläre Anreihung vermeintlich kongruierender Szenen und Bilder, ist Symmetry beim genaueren Hinschauen der Versuch, die unbewussten Balancen unseres Alltags zu finden.
Narrative
In der Kategorie „Erzählung“ gewann Blinky™, eine Arbeit des früheren Oscar-Nominierten Ruairi Robinson. Mit einem Budget von 45.000 US-Dollar ist Blinky™ die teuerste Produktion unter den Gewinnern, was nicht zuletzt an der aufwändigen CGI liegt. Der Kurzfilm erzählt die Geschichte von Max, einem ängstlichen Jungen und seiner zerrütteten Familie, der zu Weihnachten den intelligenten Roboter Blinky geschenkt bekommt. Wie man sich vorstellen kann, bleibt die neue Freundschaft nicht ohne Probleme…
Motion Graphics
Titelsequenzen sind längst zu einer eigenen Kunstform geworden. Jurjen Versteegens A History of the Title Sequence huldigt diesem Handwerk. In seinem kurzen Film lässt er einen fiktionalen Künstler einige der bekanntesten Grafikdesigner und Typografen (wie Saul Bass) vorstellen.
Remix
Jeff Desom hat sich Alfred Hitchcocks Klassiker Das Fenster zum Hof vorgeknöpft und sämtliche Einzelbilder des „Hofes“ auf einer einzelnen Ebene angeordnet. Das Ergebnis ist eine neue Perspektive auf einen alten Film.
Dokumentation
Kurzdokumentationen haben dank Webvideos einen starken Aufschwung erfahren. Eine von vielen sehenswerten Arbeiten des vergangen Jahres ist Amar von Andrew Hinton. In knapp zehn Minuten folgt der Film einem Tag im Leben des Zeitungsjungen Amar im indischen Jamshedpur. Amar ist der beste Schüler seiner Klasse, er möchte gerne Profi-Cricket-Spieler werden – wenn er bloß nicht dabei helfen müsste, seine Familie zu ernähren.
Serie
Eine Dokumentation ist auch der Gewinner der Kategorie „Serie“. Often Awesome folgt dem 29-jährigen Timothy LaFollette und seiner Frau Kaylan, beginnend mit der Diagnose, dass Tim an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS erkrankt ist, bis zu seinem Tod drei Jahre später. Insgesamt wurden 34 Episoden produziert, hier ein kurzer Zusammenschnitt:
Musikvideo
Hinreichend bekannt ist der Gewinner der Kategorie „Musikvideo“. Daniel Scheinerts und Daniel Kwans Video zu Manchester Orchestras melancholischem Indierock-Stück Simple Math wurden bereits vergangenes Jahr bei den UK Music Video Awards als beste Arbeit ausgezeichnet.
Die Gewinner der weiteren Kategorien:
Action Sports: Dark Side of the Lens
Advertising: K-Swiss Kenny Powers – MFCEO
Animation: Umbra
Captured: Sweatshoppe Video Painting Europe
Experimental: Prie Dieu
Fashion: Skirt
Honorary Award for New Creators: Daniels
Honorary Award for Social Change: One Day on Earth
Honorary Award for Digital Maverick: openFrameworks