Vergangene Woche war ich in München auf den Audiovisual Media Days. In einer Roundtable-Diskussion (siehe Video) ging es um die Frage, ob sogenannte OTT-Dienste (dazu gehören alle Videodienste im offenen, also nicht Provider-abhängigen Netz, soll heißen sämtliche Video-on-Demand-Angebote, Mediatheken, und, je nach Definition, auch YouTube) den klassischen, linearen TV-Sendern das Wasser abgraben. Die Diskussion war thematisch sehr breit angelegt, was erwartungsgemäß dazu führte, dass viele Aspekte angesprochen aber nicht alle ausdiskutiert wurden. Trotzdem war es eine interessante Runde.
Meine These bestand darin, dass sich die klassischen Fernsehanstalten in Zukunft noch stärker mit alternativen Inhalten im Netz auseinandersetzen müssen. Die Gefahr für das lineare Fernsehen besteht meiner Meinung nach nämlich nicht nur darin, dass Fernsehinhalte im Netz geguckt werden (sei es etwa Spielfilme auf Maxdome oder Lovefilm, oder aktuelle Sendungen in den Mediatheken) sondern dass junge Zuschauer auch andere Inhalte suchen, die es im Netz, aber eben nicht im Fernsehen gibt. Gerade dieser long tail kann damit dem Fernsehen Zuschauer kosten – wenn es den Medienanstalten nicht gelingt, ihr Programm mittelfristig anzupassen.
Ein Punkt der Diskussion war folglich auch die Frage nach der Zukunft des linearen Fernsehens. Eine vielzitierte Zahl der ARD/ZDF Onlinestudie 2012 besagt etwa, dass die Menschen in Deutschland im Durchschnitt nicht weniger TV gucken als vor einigen Jahren, im Gegenteil: Mit im Schnitt vier Stunden (242 Minuten) pro Tag hat man im vergangenen Jahr einen neuen Rekord aufgestellt. Man könnte also sagen, der mutmaßlich negative Effekt des Internets auf das Fernsehen existiere gar nicht.
So leicht ist es natürlich nicht. Denn wie auch die Onlinestudie am Ende feststellt, steigt der Konsum von Bewegtbildern im Netz kontinuierlich an. Zur Zeit aber eben noch vor allem als Ergänzung und nicht als Substitution von TV-Inhalten. Katharina Behrends von NBC Universal Deutschland, die mit mir an der Diskussion teilnahm, glaubt, dass sich daran so schnell nichts ändern wird.
Der lineare Konsum altert mit seinen Konsumenten
Ich bin anderer Meinung, auch wenn ich eher an eine evolutionäre Entwicklung als eine disruptive glaube. Die entscheidende Frage ist, wie sich das in den kommenden Jahren mit der steigenden Nutzung von mobilen Endgeräten entwickelt. Es ist anzunehmen, dass die Nutzergruppen, die immer häufiger online Videos gucken, sich stärker vom stationären TV-Konsum wegbewegen. Denn das sowohl der lineare Konsum stabil bleibt und der mobile Konsum weiter steigt, ist ab dem Erreichen eines bestimmten Levels unwahrscheinlich: Wir werden auch in fünf Jahre nicht zehn Stunden am Tag Videos gucken nur weil es die technischen Möglichkeiten für den „Überall-Konsum“ gibt. Stattdessen wird sich ein Verbreitungsweg langsam durchsetzen.
Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Stefanie Aßmann vom Blog We Make SocialTV. Sie besuchte unlängst den NewTV Kongress in Hamburg, auf dem ganz ähnliche Fragen diskutiert wurden wie auf den Audiovisual Media Days (und allen anderen Konferenzen zum Thema). Denn auch dort zeigten Studien, dass vor allem die 18-24 Jährigen überdurchschnittlich viele Videos online konsumieren. Eine Entwicklung, die sich fortsetzen wird und dazu führt, dass der lineare TV-Konsum weiter mit seinen Konsumenten altert.
Vier jugendliche Teilnehmer machten noch eine weitere interessante Aussage:
„Die Aussage der Teens: Die Interessen der Jugendlichen sind so heterogen, die kann ein Sender eh nicht abbilden. Wenn sie Lust auf Musik habe, möchten sie auch Musik schauen und nicht das was gerade im TV läuft. Sie stellen sich ihr TV Programm also selbst zusammen.“
Womit wir wieder bei meiner oben genannten These wären: Nicht nur das Medium wird in den kommenden Jahren im Mittelpunkt der Diskussion stehen, sondern auch die Inhalte. Darauf müssen sich die Fernsehanstalten einstellen.