Das Crossmedia-Fieber geht um und hat nun auch den Tatort erwischt: Während die Stuttgarter Kommissare Lannert und Bootz erst am 26. Mai in der Folge Spiel auf Zeit auf Fahndung gehen, können die Fans schon eine Woche vorher nach dem Täter suchen. Am Samstagabend können sich die Spieler beim Tatort+ registrieren und bis zur Ausstrahlung am kommenden Sonntag das Verbrechen aufklären.
Spiel auf Zeit ist der zweite Online-Tatort des SWR. Das erste Mal hatte der Sender das Format im vergangenen Mai beim Ludwigshafener Tatort getestet. Mit mäßigem Erfolg. Statt mit Rätseln hatten die Zuschauer in den ersten Tagen vor allem mit Fehlermeldungen zu kämpfen. Die Macher hatten den Besucheransturm falsch eingeschätzt. Auch gab es Kritik, dass der Mörder in der Folge nicht enttarnt wurde. Die Zuschauer waren stattdessen dazu aufgerufen, im Internet das Fernsehverbrechen aufzuklären. Pech für alle, die dazu keine Lust oder Mittel hatten.
Das Problem soll es in diesem Jahr nicht geben. Der Film ist in sich abgeschlossen, die Ermittlungen im Netz arbeiten lediglich auf den Fall im Film hin und ergänzen die Geschichte um weitere Details. Knapp sechs Monate habe man die Aktion geplant, sagte der Social-Media-Manager des SWR, Guido Bülow, ZEIT ONLINE.
Zeugenbefragung per Google Hangout
Tatsächlich ist der Tatort+ etwas komplexer. Gab es im Vorjahr nur Audiomaterial, hat der Sender nun mit den Darstellern zusätzliche Szenen gedreht, die bei der Ermittlung vorkommen. Das Spiel selbst etwa beginnt mit einem Video, das im Internet auftaucht und ein mögliches Verbrechen zeigt. Im Browser können die Hobby-Kommissare es mit einem Tool analysieren und anschließend auf Spurensuche gehen.
Auch weitere Kanäle sollen genutzt werden: In den kommenden Tagen hat der Sender ein Zeugenverhör via Google Hangout geplant. Bis zu acht Zuschauer können dabei gemeinsam mit einem Moderator die Personen aus dem Video befragen. Die Aufzeichnung des Verhörs landet anschließend für alle anderen Spieler sichtbar auf YouTube. Die Erzählgeschwindigkeit sei insgesamt bewusst langsam gehalten, sagt Bülow: „Pro Tag kommt man ein Stückchen weiter, wie bei einer Echtzeitermittlung.“
Die Ermittlungen finden aber nicht nur im Netz statt, jedenfalls nicht für Zuschauer aus Stuttgart. Im Laufe der Woche gibt es an einem Tag ein Ereignis in der Stadt, dessen Zeitpunkt und Ort zunächst im Laufe des Spiels ermittelt werden muss, und an dem es noch weitere Indizien für die Aufklärung des Falls gibt. Hinweise dazu gibt es sowohl online als auch auf eigens verteilten Bierdeckeln in ausgewählten Tatort-Kneipen.
Auch mit der TV-Ausstrahlung am kommenden Sonntag ist die Aktion noch nicht vorbei. In einem zweiten Erzählstrang können die Zuschauer einen zweiten Mord aufklären. Selbst wenn sie den ersten Teil der Ermittlung nicht verfolgt haben. Die nötigen Hinweise soll es während der Ausstrahlung über den Second Screen, also im Internet und sozialen Netzwerken geben.
Bindung an die Marke
Überhaupt geht es dem SWR mit der Aktion vor allem um eines: Die Bindung der jüngeren Zuschauerschichten an die Marke Tatort. Schon jetzt schafft es #tatort regelmäßig in die Trending Topics der deutschen Twitter-Szene, die Zuschauer der Reihe werden insgesamt jünger – und damit netzaffiner. „Wir sehen Woche für Woche, wie viele Fans im Netz in Foren und Kommentaren über den Tatort sprechen. Ihnen wollen wir ein Stück zurückgeben, indem wir das Tatort-Erlebnis erweitern“, sagt Bülow.
Der SWR ist deshalb überzeugt, dass viele Tatort-Zuschauer den Weg ins Netz finden werden, die 100.000 Spieler aus dem vergangenen Jahr gelten als Minimalziel. Die gehen nicht leer aus: Eine/r von ihnen soll im nächsten Stuttgart-Tatort Happy Birthday, Sarah auf einem Foto auftauchen.
(mit dpa)