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Dokumentation: „Helpyourself Manchester“

 

Manchester, die Stadt steht für große Musikgeschichte. Nach der Pop-Welle in den Sechziger und Siebziger Jahren, entwickelte sich Manchester zu einem der prägendsten Orte der britischen Punk- und Post-Punk-Revolution. Bands wie Joy Division, The Fall, The Buzzcocks, The Smiths und das legendäre Label Factory Records machten die Arbeiterstadt weltweit bekannt, und die drogengeschwängerten „Madchester„-Jahre mit den Happy Mondays, New Order und den Stones Roses sind bis heute eine Quelle zahlreicher Mythen.

Doch auch Manchester blieb von Strukturwandel und Gentrifizierung nicht verschont. In den Neunziger Jahren wurde die Szene zum Opfer ihrer eigenen Bekanntheit. Die Behörden reagierten aggressiver und immer mehr Konzertlocations verschwanden. Infolgedessen entstanden sogenannte „DIY“-Szenen, die Konzerte wieder im kleinen Rahmen und fernab finanzieller Interessen veranstalteten.

Die jungen Filmemacher des Kollektivs Castles Built in Sand haben sich auf Spurensuche gemacht. In der Dokumentation Helpyourself Manchester porträtieren sie die gleichnamige Gruppe von Freunden, die nach der Jahrtausendwende in Manchester eine neue Konzertszene aufgebaut haben. Insa Langhorst erklärt im Interview, was hinter Helpyourself steckt.

ZEIT ONLINE: Was ist eigentlich eine „DIY-Musikszene“?

Insa Langhorst: DIY steht für „Do it yourself“ und wird im Musikbereich heutzutage hauptsächlich mit Punk und Hardcore in Verbindung gebracht. Anfänge von DIY-Musik sind jedoch schon in der frühen Bluegrass-Szene in den USA zu sehen, wo die Musiker sich selbst aufnahmen, ihre Musik ohne Label oder Manager/Promoter herausbrachten und in der ganzen Organisationsweise unabhängig von der Musikindustrie agierten. In England war vor allem die 1976er Londoner Punkszene prägend für das Verständnis von einer DIY-Subkultur. Die Szene ist „not for profit“. Bands bekommen oftmals nur Fahrtkosten erstattet, die Organisatoren nur genug Geld, um die Kosten zu tragen. Somit ist ein weltweites Netzwerk entstanden von Bands und Leuten, die Gigs organisieren, Schlafplätze anbieten.

ZEIT ONLINE: Wie seid Ihr auf die Leute von Helpyourself gekommen?

Langhorst: Einige der Helpyourself-Leute sind mit uns befreundet und unser Mitglied Huw Wahl hat selbst einige der letzten Gigs besucht. In Gesprächen mit unseren Freunden über Helpyourself wurde uns schnell klar, dass diese undokumentierte Zeit und Szene in Manchester Sinnbild für Themen wie Gentrifizierung sein könnte, ein Thema das uns sehr beschäftigt. Zudem waren wir sehr daran interessiert die Gruppendynamik und Organisationsweise zu untersuchen, da wir ja selbst als Kollektiv arbeiten.

ZEIT ONLINE: Erleichtert oder erschwert das die Arbeit, wenn so viele Stimmen an einem Projekt arbeiten?

Langhorst: Als Kollektiv zusammen zu arbeiten ist sehr bereichernd, kann aber auch zu Problemen führen. Für Helpyourself Manchester hatten wir keine klare Arbeitsteilung, haben eher je nach Verfügbarkeit und Fähigkeiten gearbeitet. Das hat gut geklappt, da wir alle ziemlich ähnliche Vorstellungen davon hatten, was wir mit dem Film aussagen wollen. Es hat aber auch den gesamten Prozess verlangsamt. Wir nehmen uns Zeit Rücksprache mit den Beteiligten zu halten, Zeit, um selbst zu reflektieren, was in unseren Projekten funktioniert oder wo wir umdenken müssen, und da wir alle nebenbei auch arbeiten müssen (alle unsere bisherigen Projekte sind eigenfinanziert), dauert es natürlich, so einen Film zu produzieren.

ZEIT ONLINE: War Helpyourself auch eine Reaktion gegen die Behörden und Clubbetreiber?

Langhorst: Die DIY-Szene an sich ist schon eher als politische Bewegung einzuordnen, als Reaktion gegen große Konzerne und kommerzielle Strukturen. Helpyourself war jedoch niemals explizit politisch, auch die einzelnen Mitglieder haben Helpyourself nicht als politische Gruppe angesehen. Es war aber auf alle Fälle eine Reaktion gegen die kommerzialisierte Musikszene Manchesters und die Schwierigkeit, an Venues zu kommen, die man als kleine, unabhängige Gruppe, für Auftritte von kleinen unabhängigen Bands bezahlen konnte.

ZEIT ONLINE: Wie sieht es heute mit der Szene in Manchester aus?

Langhorst: Wir haben uns nicht intensiv mit der heutigen DIY-Musikszene in Manchester auseinander gesetzt, wissen aber, dass es immer noch Hausgigs und kleinere, selbstorganisierte Gigs gibt. Schwierig ist nur, dass die Szene sehr elitär organisiert erscheint, also in kleinen aufgesplitterten Gruppen. Da Manchester keine alternativen Sozialzentren, etwa in Form von besetzten Häusern hat, gibt es auch keine zentrale Informationsstelle, wo man von DIY-Gigs erfahren könnte – es geht also sehr viel darum, wer wen kennt. Es scheint sich in diese Richtung jedoch langsam etwas zu ändern, Freunde von uns haben etwa, angefangen Flyer mit gesammelten Gigs im Bereich experimentelle Musik zusammen zu stellen.

Insa Langhorst war Hospitantin im Videoressort von ZEIT ONLINE.