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100 Episoden: Die „Berlinfolgen“ machen Schluss

Wie Webvideo, journalistisches Erzählen und Multimedia erfolgreich aufeinandertreffen können, zeigen die Berlinfolgen. Seit April 2011 produzierten das Team des Produktionsstudios 2470media in Kooperation mit der Redaktion der taz rund 100 Folgen des Reportage-Formats. Stets auf knapp drei Minuten beschränkt, bestehen die einzelnen Berlinfolgen je aus Interviews, kurzen Videosegmenten und ausdrucksstarken Fotografien. In 100 Folgen, von denen ein Teil auch per Crowdfunding finanziert wurde, ist es den Berlinfolgen gelungen, einen ebenso bunten wie umfassenden Querschnitt des Lebens in der Hauptstadt zu geben. Denn ob Obdachlose oder Sänger, Bürgerrechtler, Parkwächter oder Wahrsager, durchgeknallt oder völlig „normal“, die Stärke der Berlinfolgen war es immer, möglichst unterschiedliche Menschen zu zeigen. Diese Leistung wurde unter anderem mit dem Grimme Online Award 2012 ausgezeichnet.

Die 100. Episode bedeutet nun gleichzeitig auch das Ende des Projekts und ein Kreis schließt sich: Zum Schluss kommt noch einmal die Aussteigerin aus der allerersten Folge vor.

Passend zum Abschluss porträtiert der ABZV Videoreporter als Teil einer neuen Webserie auch noch einmal die Köpfe hinter den Berlinfolgen.

 

Animierte Ungerechtigkeit: Das Vermögen in den USA

Passend zum aktuellen Aufmacher auf ZEIT ONLINE zeigt diese einfache Animation aus dem November, wie ungerecht das Vermögen in den US-amerikanischen Haushalten doch verteilt ist. Man hört zwar viele Zahlen über die sogenannten „99 Prozent“, aber es lohnt, sich das Ganze auch mal bildlich vorzustellen. Dazu noch ein Zitat aus dem oben verlinkten Artikel:

Die USA sind vom vermeintlichen Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu einem Paradies für Besserverdiener geworden. Und die Finanzkrise hat das Land noch weiter in eine große Verlierergruppe und einen Kreis weniger Gewinner gespalten. Jüngste Zahlen vom Januar dieses Jahres zeigen, dass der Großteil der Bürger rund zwölf Prozent weniger zur Verfügung hat als noch vor fünf Jahren. Das obere Prozent der Einkommensskala verbuchte im gleichen Zeitraum elf Prozent mehr Einkommen. Anders gesagt: Der zaghafte Aufschwung der amerikanischen Wirtschaft kam lediglich den Reichen zugute.

 

Über Integration: „[da]sein“

[da]sein ist ein experimenteller Film, der sich mit den Themen Fremdenhass, Integration und Migration befasst. Drei unterschiedliche Orte und Themenstränge zwischen Dokumentation und Satire greifen dabei gängige Vorurteile und populistische Parolen auf, mit denen Migranten regelmäßig konfrontiert werden. Die fünf Macher sind Absolventen des Multimedia Kollegs der Graphischen in Wien, der Film dreht sich deshalb auch um die österreichische Situation, ist aber in seiner Thematik fast 1:1 auch auf Deutschland übertragbar. Aus der Zusammenfassung:

[da]sein vereint diese unterschiedlichen Sichtweisen miteinander und wirft dabei existenzielle Fragen auf: Wie könnte das Zusammenleben in der pluralistischen Gesellschaft Wiens anders gestaltet werden und welche Bedeutung hat Dasein an sich? Beginnend mit einem Gedicht des Sozialarbeiters Nana-Gyan Ackwonu, welches seine eigene persönliche Erfahrung reflektiert, begibt sich der Film auf eine Reise durch die vorherrschenden Standpunkte zu Migration und Integration. Hierbei wird schnell deutlich, wer darüber bestimmt wer ein Teil der“Mehrheitsgesellschaft“ ist und wer noch Leistungen zu erbringen hat.

 

Netzfilm der Woche: „In Real Life“

Wer braucht schon Freunde, wenn man einen Spektraltiger besitzt und den Lichkönig getötet, wenn man mehr als 9.000 Achievementpunkte errungen und 50 Fraktionen angehört hat? So dachte der Brite Anthony Rosner für mehrere Jahre seines Lebens, nachdem er 2005 mit dem Online-Rollenspiel World of Warcraft begann. Er sei zu dieser Zeit depressiv gewesen, erzählt er heute, habe sich abgekapselt von seinen Freunden und sich stattdessen eine zweite Identität im Netz aufgebaut. Als Blutelf Sevrin hat Rosner in World of Warcraft in den kommenden Jahren fast alles erreicht, was es zu erreichen gilt. Er hat einen erfolgreichen Clan geführt, war unter anderen Spielern angesehen, hat zwischenzeitlich im Spiel sogar ein Mädchen aus Norwegen kennengelernt.

Nur im echten Leben, da lief es plötzlich nicht mehr so gut, und das nicht nur bei den Mädels. Bevor Rosner sein Studium begann, legte er ein freiwilliges Jahr Pause ein, um sich noch mehr dem Spiel widmen zu können. Er wurde übergewichtig, schlief schlecht, hatte kaum mehr Kontakt zu seinen Freunden. Zwischenzeitlich zahlte er mehr als 1.000 Pfund in Abogebühren und Extras. Geld, das er eigentlich nicht hatte. Bis er eines Tages merkte: Es geht nicht mehr. Rosner war videospielsüchtig.

In seinem Kurzfilm In Real Life erzählt Rosner die Geschichte von seinem Aufstieg als gefeierter Gamer bis zum Ausstieg als gebeutelter Loser. Ein Prozess, der nicht leicht war: Immer neue Erweiterungen zogen ihn ständig zurück ins Spiel. Doch Rosner schaffte es, sein Sozialleben wieder neu aufzubauen, gesünder zu leben und sich neue Ziele zu setzen. Inzwischen hat er einen Uni-Abschluss als Filmproduzent und mit In Real Life seinen ersten kleinen Erfolg in der Tasche.

Das Clevere an In Real Life ist, dass Rosner die Geschichte fast ausschließlich mit tatsächlichen Spielszenen erzählt, sein Alter Ego im Spiel damit zum Erzähler macht, der bisweilen über sich selbst lachen kann. Überhaupt ist In Real Life kein Anti-Videospiele-Pamphlet, sondern eine ehrliche, persönliche Erzählung, die andere Spieler in ähnlicher Situation nicht bloß warnen, sondern inspirieren möchte.

 

Belle & Sebastian Doku von Pitchfork

Das Album If You’re Feeling Sinister aus dem Jahr 1996 gilt als eines der Besten der britischen Indie-Pop-Band Belle & Sebastian, und heute gemeinhin als Klassiker des Genres. Das Online-Musikmagazin Pitchfork hat deshalb unlängst eine einstündige Dokumentation produziert, die hinter die Entstehungsgeschichte der Platte blickt.

 

Über Rassismus bei Baitar Jerusalem

Gestern erschien bei ZEIT ONLINE ein Artikel über Rassismus im israelischen Fußball. Konkret ging es darin um den Verein Beitar Jerusalem, bei dem nun erstmals in der Geschichte ein Muslim spielen soll – zum Unverständnis einiger Fans. Im vergangenen Jahr drehte der US-Journalist Jeremy Schaap für ESPN eine kurze Reportage über das gleiche Thema: Es geht um Baitar und seine Fans und herausgekommen ist ein erschreckender Film, der das Ausmaß der Gewalt und die tief verwurzelten rassistischen und antiarabischen Strömungen innerhalb der Ultras von Baitar aufzeigt.

(via)

 

Netzfilm der Woche: „People of the Coral Triangle“

In Südostasien, im Archipel zwischen Indonesien, Malaysia und den Philippinen leben die Bajau, ein indigenes Volk von Fischern. Sie sind sogenannte Seenomaden: Einen Großteil ihres Lebens verbringen sie in ihren Booten und haben über Generationen ihren Lebensstil an den des Meeres und seine Bewohner angepasst.

Doch inzwischen schwindet ihre Zahl, und mit ihr die Tradition. Probleme mit Behörden und von den Regierungen initiierte Projekte haben viele der ehemals nur auf See heimischen Bajau in den vergangenen Jahren aufs Festland getrieben. Die verbliebenen Familien sehen sich zunehmend dem globalen wirtschaftlichen Druck ausgesetzt. Um überleben zu können, sind die Bajau auf den Fischfang angewiesen. Davon gibt es zwar reichlich im sogenannten Korallendreieck, denn im Seegebiet mit der höchsten biologischen Vielfalt der Erde sind rund zwei Drittel aller bekannten Korallenarten und zahlreiche Fischarten beheimatet. Doch die Nachfrage und Konkurrenz sind groß. So groß, dass die Bajau immer häufiger zu Methoden greifen, die gegen ihre Tradition verstoßen.

Das musste auch der britische Fotograf James Morgan feststellen, als er vor einigen Jahren die Bajau im Korallendreieck besuchte. Er sah, wie die Bajau mit selbst gebauten Sprengkörpern die Korallenriffe sprengten, um damit die Fangquote zu erhöhen. Die Dynamitfischerei ist offiziell verboten, weil sie die Riffe und damit den Fisch- und Korallennachwuchs zerstört. Andere Bajau greifen deshalb zu Natriumcyanid , einer Chemikalie, die ganze Fischschwärme bewegungsunfähig macht und dabei oft auch die Fischer selbst körperlich schädigt. Die Bajau gehen dieses Risiko ein, denn nur wer viel Fisch liefert, wird auch bezahlt.

Um diesen Teufelskreis geht es James Morgan in seinem Film People of the Coral Triangle. Was ursprünglich als Fotoreportage geplant war, hat Morgan anschließend noch einmal mit Bewegtbildern und Animationen zu einem Film erweitert, der nicht bloß das Dilemma der Bajau offenbart, sondern auch die Frage stellt, wie nachhaltige Fischerei aussehen kann. Die eindrucksvollen Aufnahmen aus dem Leben der Bajau schneidet Morgan in der zweiten Hälfte zusammen mit Aufnahmen aus der weiten Reise, die ein Fisch aus dem Korallendreieck bis zum Markt in den USA nehmen muss. Die Botschaft ist deshalb ähnlich stark wie die Bilder: Ein Umdenken ist erforderlich, sowohl bei den Bajou, die mit den umstrittenen Fangmethoden ihre eigene Existenz zerstören, als auch bei den Industrienationen, die mit ihrer unersättlichen Nachfrage an Fisch das Problem noch verstärken.

 

Das Internet im Iran

Die inzwischen in London lebende Designerin Maral Pourkazemi hat an der FH Potsdam studiert und für ihre Masterarbeit eine sechsteilige Infografik über das Internet im Iran erstellt. Jedenfalls was davon übrig ist. Im Rahmen des sogenannten „Halal“-Internet schottet die Regierung nämlich die Nutzer systematisch vom Rest des Webs ab – und zensiert die ansässigen Nutzer heftig. Für gestalten.tv spricht die Künstlerin über ihr Projekt.