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PressPausePlay – Ein Film über Hoffnung und Ängste im digitalen Zeitalter

Ein Besuch auf YouTube kann durchaus unterhaltsam und informativ sein. Er kann einen aber auch an der Zukunft der Menschheit zweifeln lassen. In jedem Fall ist YouTube ein Beispiel für die Demokratisierung einer Kultur, in der es weder exklusive Mittel noch lange Vertriebswege braucht, um die eigene Kreativität einem Publikum zu präsentieren. Everyone’s an artist – oder etwa nicht? Die Dokumentation PressPausePlay geht der Frage nach: Leben wir in einer Zeit der Mittelmäßigkeit, in dem die Masse schlechter Inhalte noch die letzten Talente erstickt? Oder hat es tatsächlich nie einen bessere Gelegenheit für Kunst und Künstler gegeben?

Fast zwei Jahre lang reiste das Team um die beiden Regisseure David Dworsky und Victor Köhler für die Dokumentation um die Welt. Dabei trafen sie zahlreiche Künstler und Kulturschaffende. Zu den Gästen zählen unter anderem Musiker wie Moby, Robyn und Lykke Li, Autoren wie Seth Godin, der Napster-Co-Gründer Sean Parker, sowie mehrere Blogger und Journalisten. Sie alle sind, ob direkt oder indirekt, Teil der digitalen Kulturindustrie. Doch nicht alle teilen die gleichen Ansichten. Die einen, wie der junge isländische Komponist Ólafur Arnalds, dessen Geschichte sich durch den ganzen Film zieht, hätten es ohne YouTube und Twitter womöglich nie geschafft. Die anderen leiden unter den Auswirkungen dieser Entwicklung wie Raubkopien und finanzieller Unsicherheit.

Genau in dieser ambivalenten Haltung zum Thema liegt die Stärke von PressPausePlay. Immer wenn der Film Gefahr läuft, sich mit ästhetisch schönen Porträts, kurzweiligen Animationen und Konzertaufnahmen in Selbstgefälligkeit zu verlieren, stellen kritische Stimmen das veränderte Verständnis von Kunst und Kultur infrage. Die lauteste hat dabei der Netzkritiker Andrew Keen. Er ist der Ansicht, dass das Web 2.0 vor allem den Narzissmus seiner Nutzer bedient, während Klickzahlen immer häufiger jeglichen künstlerischen Anspruch ablösen. Nicht alle äußern sich so extrem, aber auch zwischen den Zeilen der Befürworter digitaler Kultur finden sich nachdenkliche Anmerkungen: „Wenn jeder nur mittelmäßige Musik macht, wird das Mittelmaß zur Normalität“, sagt der Elektronik-Künstler Moby.

Doch führt die Demokratisierung der Mittel wirklich unweigerlich in die Mittelmäßigkeit? Eine Antwort bleibt PressPausePlay schuldig. Der Film hinterfragt ebensowenig die Aussagen wie er sich in Analysen versucht. Das ist nicht schlimm, denn vielleicht ist der Film selbst der beste Gegenbeweis – er wäre ohne das Internet nicht möglich gewesen und ist damit selbst ein Produkt der digitalen Kultur. Und er zeigt gleichzeitig, dass nicht nur die Mittel entscheidend sind, sondern immer auch die Menschen dahinter. Und nur wenn beides aufeinander trifft, entsteht etwas Großartiges.

Nicht nur inhaltlich ist PressPausePlay gelungen, auch die Präsentation ist dem Thema und Anspruch angemessen. So gehen die Macher eben nicht die klassische Vertriebswege, sondern bieten den Film gleich im Netz an. In mehreren Auflösungen kann man ihn über Bittorrent gratis herunterladen (das passende Programm gibt es hier). Eine zweite, interaktive Version enthält zudem alle ungekürzten Interviews sowie zusätzliches Material in Form von Musikvideos und Animationen. Und wie es sich gehört, gibt es auch zahlreiche Bilder von der Entstehung.

PressPausePlay gibt es auf der Website zum Download (benötigt Bittorrent) oder als interaktive Version zum Streamen (benötigt Adobe Air).

 

No Worries: Fotograf Martin Parr in Australien

Martin Parr ist einer der bekanntesten britischen Fotografen. Zu seinen Spezialitäten zählen absurd-komische Alltagsaufnahmen, die häufig die Eigenarten seiner Landsleute abbilden. Für einen seiner letzten Aufträge verschlug es ihn allerdings nach Australien: Hier sollte er für das FotoFreo Festival drei Küstenstädte und ihre Bewohner porträtieren. Sein Berufskollege David Dare Parker hat ihn dabei begleitet. Das Ergebnis ist ein seltener Blick hinter die Kamera des Magnum-Fotografen.

 

Birma: Eine Diktatur des Absurden

© Happy World

Die Regierung Birmas hat angekündigt, demnächst Tausende Gefangene freizulassen. Es sind zaghaft gute Nachrichten aus einem Land, das zwischen 1962 und 2010 unter Militärherrschaft stand und noch immer zu den strengsten Diktaturen weltweit zählt. Neben der Einschränkung von Freiheitsrechten, strenger Propaganda- und Zensurpolitik leidet die Bevölkerung Birmas auch unter anderen, alltäglicheren Problemen. Benzin wird vonseiten der Regierung noch immer stark rationiert, SIM-Karten gelten unter den Bewohnern als exklusive Geldanlage (da sicherer als die staatlichen Banken), und eine einfache Übernachtung bei Freunden muss teilweise offiziell abgesegnet werden – all das sind Kuriositäten, denen die Macher der 30-minütigen Dokumentation Happy World während ihres Besuches begegneten.

Tatsächlich war es eine dieser vielen Absurditäten, das „Museum der Drogenbekämpfung“, das den französischen Blogger Tristan Mendès inspirierte, Birma zu besuchen. Gemeinsam mit dem Kameramann Gaël Bordier machte er sich, noch vor den ersten freien Wahlen, als Tourist getarnt auf die Reise. Herausgekommen ist mit Happy World eine Doku, die auf der Idee des Hypervideos basiert: Wer den Film auf der Website ansieht, bekommt Links und andere weiterführende Inhalte zum jeweiligen Aspekt angezeigt. Happy World ist damit kein statischer Film, sondern verbindet unterschiedliche Informationsformen sehr dynamisch – dank HTML5 auch auf dem iPad oder Smartphone.

Mendès nähert sich den Auswüchsen der Diktatur mit einer Mischung aus Neugier und Unverständnis. Das mag zunächst naiv wirken, entfaltet aber zunehmend seine Wirkung, eben weil die Herangehensweise nicht den Erwartungen der klassischen Dokumentation entspricht. Denn auch wenn Happy World, anders als die Oscar-nominierte Dokumentation Burma VJ, keine Bilder von den Unruhen im Land zeigt, täuschen die vermeintlich heitere Aufmachung des Films und seine Animationen nicht über den Ernst des Themas hinweg.

Die Zwickmühle, in der sich die beiden Macher während des Drehs befanden, wird im Making-of deutlich. Während der Aufnahmen musste Mendès eine fröhliche Miene aufsetzen, um den überall anwesenden Polizisten nicht als Journalist aufzufallen. Ähnlich wie die Bevölkerung Birmas mussten die Filmemacher sich mit den teils bizarren Gegebenheiten des Landes arrangieren. So ist Happy World auf seine eigene Weise eine sehr nachdenklich machende Dokumentation über ein Land geworden, das trotz zaghafter Reformen seine Vergangenheit nur schwer ablegen kann.

 

Bilder aus Fukushima

Unser Redakteur Sven Stockrahm befindet sich zur Zeit in Japan auf Recherchereise, um sich die Folgen des Erdbebens und Fukushima-Desasters anzuschauen. Der Fotograf Daichi Koda hat das bereits hinter sich: In einer kurzen Fotoreportage präsentiert und kommentiert er seine Bilder aus der evakuierten Zone rund um Fukushima.

 

Mit Clownmasken gegen die Tristesse

Im August dieses Jahres besuchte der Dokumentarfilmer Sean Dunne ein viertägiges Festival namens Gathering of the Juggalos, von einigen als „White-Trash-Version des Burning Manbezeichnet. Hier versammeln sich jährlich rund 20.000 Juggalos, Anhänger des Hip-Hop-Duos Insane Clown Posse, um in der Einöde unter Gleichgesinnten zu feiern.

Die Aufnahmen hat Dunne nun in American Juggalo zusammengefasst – einem Film, der weniger Musikdokumentation als vielmehr eine Gesellschaftsreportage ist: Ohne Kommentar, ohne Aufnahmen des eigentlichen Festivals und fast gänzlich ohne musikalische Untermalung richtet Dunne seinen ungefilterten Fokus auf die Besucher des Festivals. Dabei gelingt es ihm, sowohl die Philosophie der Juggalos einzufangen, als auch den Ernst hinter der ausgelassenen Party aufzuspüren.

Denn tatsächlich geht es vielen Besuchern um mehr als die Musik. Das Gathering ist ein Zufluchtsort, um dem Alltag zwischen Arbeits- und Perspektivlosigkeit der unteren Mittelschicht zu entfliehen. Hier finden viele der Juggalos die Anerkennung, die sie nach eigenen Angaben „dort draußen“, als Außenseiter verschrien, verloren haben. In diesem Sinne ist American Juggalo nicht nur das Porträt einer Subkultur, sondern auch der Spiegel einer Gesellschaft, von der sich immer mehr Menschen ausgeschlossen fühlen. Oder, wie Forbes es unlängst zusammenfasste: „Hinter dem Make-Up, der sexuellen Freizügigkeit und dem Gefühl einer großen Familie, steckt eine Mischung aus Horror und Realität, mit der immer mehr Amerikaner nur allzu vertraut sind“.

 

Isländischen Sagas auf der Spur

Dr. Emily Lethbridge von der Universität Cambridge forscht über altnordische Literatur. Vor allem die isländische Gísla Saga faszinierte sie so sehr, dass sie ein Jahr durch Island reiste, um die in der Saga beschriebenen Orte zu besuchen. Herausgekommen ist mit Memories Of Old Awake ein Kurzfilm mit beeindruckenden Landschaftsaufnahmen, sowie die Erkenntnis, dass die Erzählung bis heute tief in den Bewohnern Islands verwurzelt ist. So sehr, dass viele von Gísli reden, als sei er ein alter Bekannter und nicht bloß eine literarische Figur.

 

Occupy Wall Street

Seit fast zwei Wochen campieren Aktivisten an der New Yorker Wall Street. Inspiriert von den Protesten in Israel, Spanien und Arabien demonstrieren sie unter dem Motto „Occupy Wall Street“ gegen die Auswüchse der Finanzbranche, Lobbyismus und soziale Missstände. Da die etablierten US-Medien die Aktion größtenteils ignorieren, hat die New Yorker Künstlerin Iva Radivojevic die Proteste kurzerhand selbst besucht und Stimmen der Teilnehmer eingefangen.

 

Prison Valley

Über kaum eine andere Web-Dokumentation wurde im Verlauf des vergangenen Jahres soviel geschrieben wie über Prison Valley; erst kürzlich wurde das Projekt mit dem Grimme Online Award 2011 ausgezeichnet: „Prison Valley ist der gelungene Versuch, dem Medium Film ein neues, interaktives Format zu geben“, lautete die Begründung der Jury. Was im Jahr 2008 in einer Pariser Bar begann, hat sich im Verlauf zu einem der Vorzeige-Projekte im Bereich der Web-Dokus entwickelt.

In Prison Valley zeigen der Fotograf Philippe Brault und der Journalist David Dufresne, wie das Leben in Cañon City, einem Städtchen im US-Bundestaat Colorado, von 13 staatlichen Gefängnissen geprägt ist. Je weiter sich die Zuschauer durch die Erzählung arbeiten, desto mehr erfahren sie über die Zustände in den Haftanstalten, die Gefängnisindustrie als Arbeitgeber und die Ausbeutung von Inhaftierten und Arbeitskräften gleichermaßen. Am Ende steht die bedrückende Erkenntnis, dass die Leute außerhalb der Mauern enger mit dem Leben hinter Gittern verbunden sind als es ihnen lieb ist.

Auf der Karte können die Zuschauer ihren Weg und den der Protagonisten verfolgen.

Entscheidend ist in Prison Valley die aktive Rolle der Zuschauer: Statt einen traditionellen Film zu schauen, können sie selbst entscheiden, über welche Aspekte und Menschen aus Cañon City sie mehr erfahren möchten. Obwohl der zentrale Erzählstrang linear ist, gibt es in interaktiven Sequenzen immer wieder Möglichkeit, mit anderen Zuschauern zu chatten, den eigenen Weg und den der Protoganisten zu verfolgen, oder weiterführende Informationen zu erhalten. Sowohl Videos, Audios als auch Fotografien fügen sich dabei nahtlos in die Erzählstruktur ein. Darüberhinaus wurde und wird das Projekt über zahlreiche weitere Kanäle begleitet: Ein Blog verfolgte die Entstehung von den ersten Entwürfen der Seite bis zum fertigen Produkt. In einem Forum können sich Zuschauer untereinander austauschen und Steckbriefe der Protagonisten und zentralen Aspekte nachlesen.

Prison Valley auf arte.tv: In Deutsch und auf Englisch