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Steve Jobs Satire: „iSteve“

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Der Kinostart der Steve Jobs Biografie Jobs mit Ashton Kutcher in der Rolle des Apple-Gründers wurde unlängst verschoben. Nicht verschoben wurde dagegen die Parodie von Funny or Die. Das 80-minütige iSteve ist einer der ersten Spielfilmversuche des Comedy-Portals, das wie auch die Konkurrenz von College Humor seit einigen Jahren verstärkt auf Eigenproduktionen setzt.

Steve Jobs wird in iSteve von Justin Long gespielt, den viele vor allem aus den „PC vs. Mac“ Werbespots kennen dürften. Die Rolle von Steve Wozniak verkörpert Jorge Garcia, der als Hurley aus Lost bekannt wurde. Ansonsten ist der Film, wie man es von Funny or Die gewohnt ist, alles andere als eine authentische Biografie, sondern eine Satire ohne jeglichen Realitätsanspruch, die zudem innerhalb nur einer Woche entstanden ist.

(via)

 

„Wo lang?“ im Märkischen Viertel

Das Märkische Viertel in Berlin hat keinen guten Ruf. Hier im Norden der Hauptstadt heißen die Nachbarbezirke nicht Kreuzberg oder Prenzlauer Berg, sondern Wittenau, Lübars und Waidmannslust. Touristen sehen diese Ecke Berlins nur selten. Vermutlich sehen auch die meisten Berliner diese Ecke nur selten. Der Rapper Sido, der vielleicht bekannteste Sohn des Viertels, nahm zu seiner Hitsingle Mein Block vor neun Jahren ein Video auf, in dem die gängigen Vorurteile gegenüber der Trabantenstadt nur noch verstärkt wurden: Sido rappte von Kriminalität und Arbeitslosigkeit, von Jugendgangs und „Dreck und Gesocks“ zwischen Plattenbautristesse, von „dicker Luft, ein paar Bäumen, Menschen auf Drogen, geplatzten Träumen.“

Die Berliner Politiker sehen das freilich ganz anders. Das Märkische Viertel sei dank umfassender Renovierungen und Umstrukturierungen in den vergangenen Jahren viel grüner geworden als man denkt, heißt es immer wieder. Und auch die Kriminalität liege inzwischen im Berliner Durchschnitt, der Ausländeranteil sogar darunter. In Artikeln liest man immer wieder von Familien, die seit Generationen im Märkischen Viertel wohnen und dort auch gar nicht mehr weg wollen.

Was stimmt denn nun?

Die Frage stellte sich der Berliner Filmemacher Max Kerkhoff im Jahr 2007. Er ist deshalb in das Märkische Viertel gefahren und hat Bewohner gesucht, deren Stimme man in den Medien seltener hört. Die Protagonisten seiner Dokumentation Wo Lang? sind nicht die Altmieter, sondern Jugendliche. Den Sommer über begleitet er den 19-jährigen Kevin und seine Freunde bei ihrem Alltag im Viertel, der neben Biertrinken, Kiffen und dem ein oder anderen Problem mit der Polizei vor allem in der Frage besteht, was denn aus ihrem Leben werden soll.

Wo lang? bietet natürlich nur einen ausgewählten Einblick in das Leben von rund 35.000 Menschen und kann deshalb keinen Anspruch auf Vollständigkeit stellen. Und doch bleibt am Ende der Eindruck, dass auch die Probleme im Märkischen Viertel tiefer gehen als die Zahlen einer Statistik.

 

The Pirate Bay – Away from Keyboard

Fredrik Neij / CC-BY-3.0
Fredrik Neij / CC-BY-3.0

Zwei Jahre lang begleitete der schwedische Filmemacher Simon Klose die drei Verantwortlichen des Torrent-Netzwerkes The Pirate Bay für einen Dokumentarfilm, finanziert mit öffentlichen Geldern und einer Crowdfunding-Kampagne. Am Wochenende wurde The Pirate Bay – Away from Keyboard (TPB AFK) auf der Berlinale vorgestellt und dem Thema entsprechend ganz legal im Netz veröffentlicht. Innerhalb von zwei Tagen hat der Film rund 700.000 Abrufe auf YouTube bekommen – und weitere 30.000 US-Dollar durch bezahlte Downloads eingenommen.

TPB AFK konzentriert sich in seinen 82 Minuten auf das Gerichtsverfahren gegen The Pirate Bay, das im Februar 2009 begann. Drei Jahre zuvor stürmten Polizisten mehrere Rechenzentren in Schweden und beschlagnahmten die Hardware der Pirate Bay. Die drei Betreiber, der Programmierer Gottfrid Svartholm Warg, der IT-Experte Fredrik Neij und der Sprecher Peter Sunde wurden daraufhin wegen der Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung angeklagt. Der Film begleitet das Trio während des Prozesses und der anschließenden Berufung, die im November 2010 mit der Bestätigung des Urteils endet: mit Haftstrafen bis zu einem Jahr für die Betreiber, sowie Schadenersatzzahlungen in Höhe von rund 5,4 Millionen Euro.

Kein Propagandafilm für The Pirate Bay

Regisseur Simon Klose
Regisseur Simon Klose / CC-BY-3.0

Soweit die Fakten. Neue Erkenntnisse darüber hinaus liefert Klose in seinem Film nicht. Stattdessen bringt er den Zuschauern die Menschen hinter dem Netzwerk näher. Abgesehen von etwas Technikpornografie in Form von Aufnahmen aus dem Pionen Serverzentrum in Stockholm und obligatorischen Nachtaufnahmen von blinkenden Computern stehen vor allem die Protagonisten im Fokus. Klose folgt ihnen in den Gerichtssaal, begleitet sie auf Pressekonferenzen und fährt sogar zu Neijs Hochzeit nach Fernost, stets bemüht, Distanz zu wahren. Denn TPB AFK ist trotz der Verbreitung auf der gleichnamigen Plattform kein Propagandafilm für The Pirate Bay, und die Frage nach den moralischen Grundsätzen des Filesharings wird nur durch die Zitate der beteiligten Parteien beantwortet.

Dazu kommt, dass TPB AFK nicht nur Sympathieträger im Kampf gegen die Justiz zeigt. Gerade in der zweiten Hälfte des Films ändert sich zunehmend der Ton: Svartholm Warg wird von Sunde als Junkie bezeichnet, Neij als rassistischer Alkoholiker. Der wiederum nennt Sunde in einem feuchtfröhlichen Interview einen Träumer, der sein Leben nicht auf die Reihe bekommt. Zwar zeigen sich die Protagonisten stets als Verfechter der Meinungsfreiheit und als Opfer der Unterhaltungsindustrie und nicht zeitgemäßer Urheberrechtspolitik. Doch hört man in den Interviews stets auch eine gewisse Selbstgefälligkeit heraus. Etwa, wenn Svartholm Warg die Frage gestellt wird, wieso man einen bekannten ehemaligen Rechtspopulisten als Geldgeber akzeptiert hat oder wenn Sunde herablassend mit einem Gerichtsboten spricht. Klose sagt in einem Interview mit Süddeutsche.de, dass er die Menschen zeigen wolle. Und so ist TPB AFK auch in den Momenten am stärksten, in denen es ihm gelingt, hinter die stets etwas lakonische Fassade des Trios zu blicken.

Kritik von Sunde

Nicht alle Beteiligten unterstützen diesen von Klose gewählten Ansatz. In seinem Blog schrieb Peter Sunde kurz vor der Veröffentlichung, dass einige Szenen des Films unglücklich geschnitten seien und einen falschen Eindruck erweckten. Nämlich den, dass er und seine Mitstreiter zunehmend deprimiert seien. Stattdessen hätte er sich gewünscht, dass der Film einen stärkeren Fokus auf die schönen Momente hätte legen sollen sowie auf die weltweite Unterstützung, die das Trio während des Prozesses erfahren habe. Klose entschloss sich letztlich gegen dieses Material, auch wenn sich der 37-jährige studierte Jurist selbst eine Urheberrechtsreform wünscht.

Am Ende bietet TPB AFK dennoch einen gelungenen Einblick in die Geschichte der größten Torrent-Seite der Welt, auch wenn der Film von der Gegenwart längst eingeholt wurde. Gottfrid Svartholm Warg wurde im vergangenen Jahr in Kambodscha verhaftet und nach Schweden abgeschoben, wo er seitdem wegen eines mutmaßlichen Hacker-Angriffs in Untersuchungshaft sitzt. Fredrik Neij lebt weiterhin mit seiner Familie in Laos, wo er ebenfalls Probleme mit den Behörden hat. Peter Sunde tingelt als Aktivist und Sprecher durch Europa. Bis heute verbüßte keiner der drei seine Haftstrafe. Mit dem Betrieb von The Pirate Bay selbst will offiziell keiner der drei mehr etwas zu tun haben. Dem Erfolg der Seite tut das offensichtlich keinen Abbruch.

 

Der Ozean lebt: „The UnderWater Realm“

Im November 2011 warb der Regisseur David M. Reynolds auf Kickstarter um Unterstützung für ein Projekt namens The UnderWater Realm. Fünf kurze Filme wollte er mit der Hilfe freiwilliger Unterstützer und anderer Indie-Filmemacher produzieren. Fünf Filme, die sich, an fünf Schauplätzen gefilmt, über fünf Zeitperioden erstrecken, beginnend in der Jetztzeit bis zurück ins Jahr 149 vor Christus. 60.000 US-Dollar wollte das Team ursprünglich einsammeln, am Ende wurden es mehr als 100.000. Etwas mehr als ein Jahr später ist The UnderWater Realm online zu sehen.

Das Ergebnis ist zunächst eine vor allem visuell beeindruckende Arbeit. Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass ausschließlich Freiwillige daran beteiligt waren und das Budget verhältnismäßig klein ist für einen Film, der an mehreren Schauplätzen gefilmt wurde und Requisiten wie ein nachgebautes Kampfflugzeug erforderte. Bereits die ersten Szenen des ersten Teils zeugen von einem hohen Anspruch an die Technik und Bildqualität – so ist etwa alles in Ultra High Definition aufgenommen. Die Macher beweisen, dass auch ein kleines Team anspruchsvolle Aufnahmesituationen meistern kann und sich nicht vor professionellen Produktionen verstecken muss.

Jeder Episode verliehen sie eine eigene Ästhetik: Der erste Teil etwa wird ausschließlich in Found-Footage erzählt, im zweiten und dritten Teil dominieren Action-Sequenzen, und die beiden letzten Teile erinnern ein wenig an den Stil historischer Dramen, Pathos eingeschlossen. Was aber alle fünf Episoden gemeinsam haben sind die großartigen Unterwasseraufnahmen, für die das Team ein spezielles Kamera- und Audio-Equipment entwarf.

Eine Geschichte, viele Interpretationen

Und doch bietet The UnderWater Realm nicht bloß schöne Bilder, sondern auch eine Geschichte, die zumindest zum Denken anregt. Basierend auf der Legende von Atlantis geht es um ein antikes Unterwasservolk, das vor den Blicken der modernen Menschheit geschützt am Meeresgrund lebt. Nur wenige Außenseiter haben sie über die Jahrtausende zu Gesicht bekommen. In jeder der fünf kurzen Episoden von The UnderWater Realm findet solch eine Begegnung statt.

Diese Begegnungen scheinen zunächst bestenfalls eine loses Motiv zu sein, das den einzelnen Filmen einen gemeinsamen Rahmen gibt, eine klassische Erzählung gibt es nicht. Und doch, bei genauerem Hinsehen zeigen sich die kleinen Details, die auf eine in sich geschlossene Geschichte hindeuten. Sucht der Zuschauer, der die Episoden von der Neuzeit bis zurück in die Antike ansieht, zunächst nach einer Erklärung für die Entstehung der mysteriösen Atlanter, sieht er in Wirklichkeit ihren Verfall: Mit jeder vergangenen Epoche scheinen sie etwas verloren zu haben. Von dem stolzen Volk bleibt am Ende  nur ein kurzes Aufflackern übrig. Fast komplett ohne Dialog auskommend, bleibt es den Zuschauern am Ende selbst überlassen, eine Lesart zu finden.

(Es empfiehlt sich unbedingt das Abspielen in HD-Qualität: Dafür im Youtube-Player auf das kleine Zahnrad klicken und 720p oder 1080p auswählen. Hier der Link auf Vimeo)

The UnderWater Realm hat aber noch eine dritte Besonderheit, die einmal mehr die Stärke des Online-Mediums zeigt: Es ist vielleicht eines der bis dato am besten dokumentierten Netzfilmprojekte überhaupt. Über die gesamten Dreharbeiten dokumentierten die Macher ihren Fortschritt nahezu wöchentlich mit Behind-the-Scenes-Videos. Das summiert sich auf mehrere Stunden Material und gibt einen spannenden Einblick hinter die Kulissen einer Filmproduktion. Ob es sich um die typischen Probleme handelt, die einer Filmcrew begegnen oder um die Erklärung technischer Details vom Requisiten und Effekten, wie auch diese Zusammenfassung zeigt:

Die fünf Kurzfilme sollen übrigens nicht das Ende von The UnderWater Realm gewesen sein. Denn sollte das Projekt beim Publikum gut ankommen, sind bereits die Drehbücher für drei Spielfilme geschrieben. Einmal mehr könnte ein Online-Projekt das Sprungbrett für eine größere Produktion sein.

 

„The Story of Mojang“: Vom Klötzchenbauer zum Millionär

Markus "Notch" Persson (© 2 Player Productions/Mojang)

Als der schwedische Spieleentwickler Markus „Notch“ Persson im September 2010 mit Mojang sein eigenes Studio gründete, besaß er ein bestenfalls halbfertiges Spiel und einige Tausend treuer Fans. Mehr als ein Jahr zuvor hatte er die Alpha-Version von Minecraft veröffentlicht, einem Spiel, bei dem die Spieler ähnlich einem Lego-Baukasten aus Pixel-Klötzchen ihre eigene Welt bauen konnten. Mit Mojang wollte er das Spiel, das sich in der Szene langsam einen Namen machte, endlich weiter- und fertigentwickeln.

Zwei Jahre später ist Mojang eine erfolgreiche Firma mit über 30 Mitarbeitern. Minecraft hat sich auf allen Plattformen inzwischen mehr als 17 Millionen mal verkauft und Persson damit zum Millionär und einem der bekanntesten Gesichter und gefragtesten Sprecher der Indie-Games-Szene gemacht.

Der ideale Zeitpunkt für einen Dokumentarfilm

Die Dokumentation The Story of Mojang verfolgt den Aufstieg Mojangs im vielleicht wichtigsten Jahr seiner Entstehungsgeschichte: Durch das Jahr 2011 begleiten die Macher von 2 Player Productions Persson auf dem Weg zu seinem eigenen Studio und Minecraft auf dem Weg zu internationalem Erfolg. Es war ein Aufstieg, der nicht etwa durch Werbekampagnen und große Titelstorys in Magazinen begründet ist, sondern vor allem durch Mundpropaganda und auch durch YouTube: Hier nämlich sammelten sich schnell Videos von Fans, die so ziemlich alles in Minecraft nachbauten und das Spiel damit binnen weniger Monate einem größeren Publikum vorstellten.

The Story of Mojang erzählt diesen Aufstieg deutlich behutsamer. Bekannte Entwickler wie Peter Molyneux und Tim Schafer sprechen von ihren ersten Begegnungen mit Minecraft und erläutern den Erfolg des Spielprinzips, während angesehene Games-Journalisten erklären, wie das Spiel eine bis dato nahezu unbekannte Szene plötzlich ins Rampenlicht rückte. Dazwischen kommt immer wieder Persson zur Wort, zurückhaltend, huttragend, gleichermaßen überzeugt von seiner Idee, aber doch auch angespannt ob der Zukunft und dem Erfolg seines Studios.

Von der Crowd finanziert, zum Gratis-Download angeboten

Bereits Anfang 2011 über eine Kickstarter-Kampagne finanziert, feierte der fertige Film erst kurz vor Weihnachten diesen Jahres auf der Xbox seine Premiere. Wenig später gab es ihn auch als DRM-freien Download (für circa 6 Euro), auf DVD (circa 15 Euro) und auf einem weiteren Wege: als kostenlosen Download via Torrent auf The Pirate Bay. Dort nämlich haben ihn die Macher selbst angeboten.

„Wir wollten die ersten sein, weil wir wussten, dass der Film sowieso irgendwann hier landen würde“, schreiben sie. Und sagen weiter: „Torrents und Filesharing wird es weiterhin geben. Viele wollen Euch dafür bestrafen, aber wir haben einen realistischeren Blick auf die Dinge.“ Tatsächlich gilt die Torrentbörse der Musik- und Filmindustrie als Dorn im Auge, doch sämtliche Versuche, den Service abzuschalten blieben bisher erfolglos.

Dass sich Mojang für diesen Schritt entschieden hat, ist ebenso ungewöhnlich und doch typisch für das schwedische Studio, das seit jeher eine unkonventionelle Haltung sowohl gegenüber Filesharern als auch der Werbe- und Spieleindustrie einnimmt. Eine Einstellung, die auch den Zuschauern im Verlauf von The Story of Mojang deutlich wird und vielleicht ein weiteres Puzzleteil des Erfolgs ist: Denn bei der Kommunikation und Interaktion mit den Machern gab Minecraft seinen Spielern schon immer das Gefühl, nicht nur Käufer, sondern ein Teil der Community zu sein.

Neben dem überaus erfolgreichen Indie Game: The Movie ist The Story of Mojang bereits die zweite Feature-Dokumentation über die Indie-Games-Szene in diesem Jahr. Und beide Filme haben etwas gemeinsam. Ihnen gelingt es, selbst Außenstehenden diese blühende und immer noch recht verschlossene Szene näherzubringen. Sieht man von einigen etwas langatmigen und beweihräuchernden Passagen ab, ist The Story of Mojang nämlich mehr als die Dokumentation eines Videospiels. Es ist die Dokumentation einer Idee und Kreativität, die durch Arbeit, Leidenschaft und auch etwas Glück zu einem kulturellen Phänomen wurde.

 

„Everything is a Remix“ – endlich komplett

Die Gegner von veralteten Urheberrechtsvorstellungen und Hinterzimmerverträgen können dieser Tage zufrieden sein. Der umstrittene US-Gesetzentwurf Sopa ist vorübergehend gestoppt, gegen das internationale Handelsabkommen Acta wird aktuell europaweit demonstriert. Und doch: Patentkriege, Plagiate, Netzsperren, Abmahnwellen – die Diskussion um das sogenannte „geistige Eigentum“ ist aktueller denn je. Und damit auch die Diskussion darüber, was eigentlich genau dieses Eigentum ist, und ob man es überhaupt „stehlen“ kann, wie es die Rechteinhaber- und Verwalter so gerne behaupten.

Der New Yorker Filmemacher Kirby Ferguson versucht in seiner Webserie Everything is a Remix mit der Mär vom „Originalinhalt“ aufzuräumen. In den ersten drei Episoden zeigte er am Beispiel der Musik-, Film- und Computerbranche, dass der sogenannte „Remix“ kein neues Phänomen ist, sondern seit Jahrzehnten, wenn nicht gar Jahrhunderten, die treibende Kraft der Kulturindustrie ist: Erst wenn wir uns bestehenden Wissens angenommen haben, können wir etwas Eigenes schaffen. Etwas, das wiederum nicht neu ist, sondern vielmehr die Transformation einer Idee. Kreativität ergibt sich vor allem, so Ferguson, aus dem Verbinden von bestehenden Ideen, oder kurz: im Remix. Henry Ford hat das getan, als er zwei bestehende Ideen (das Auto und die Fließbandarbeit) kombinierte, und auch Apple hat sich während der Entwicklung des Macintosh großzügig bei der Konkurrenz bedient.

Fergusons Argumentation ist nicht neu. Aktivisten und Theoretiker wie Lawrence Lessig sprechen sich seit Jahren für eine freie Kultur aus, weil gerade das Internet die alten Konzepte von Eigentum und Urheberrecht auflöst. Und schon die poststrukturalistische Literaturtheorie um Roland Barthes sprach vom „Gewebe von Zitaten“, aus dem der Autor unwissend schöpft – eine Theorie, die sich problemlos auch auf andere kulturelle Sphären erweitern lässt. So genügt beispielsweise ein Blick auf die Kinoszene der letzten Jahre, in der vor allem Fortsetzungen und Adaptionen die größten Erfolge feierten.

Doch viele Rechteinhaber denken noch immer anders. Sie fordern einen Schutz des geistigen Eigentums, den es in dieser Form eigentlich nicht geben kann. Sie argumentieren, häufig unbewusst, gemäß dem Motto: „Kopieren, ja, aber nicht von mir!“.

Genau dieses Dilemma greift Ferguson im letzten und besten Teil von Everything is a Remix mit dem Titel System Failure auf. Auf sachliche und gut verständliche Weise erklärt er, wie Urheber- und Patentreche im vergangenen Jahrhundert auf die vermeintlich falsche Spur geraten sind. Statt, wie ursprünglich gedacht, Innovationen anzustoßen und zu fördern, hat sich die Kultur- und Kreativindustrie in eine Position gebracht, in der Geltungssucht, Profitgier und die Angst vor disruptiven Technologien überwiegt. Entwürfe wie Acta und Sopa sind dabei lediglich die aktuellsten Versuche, fehlgeleitete Annahmen durchzusetzen anstatt sich auf die ursprüngliche Idee der „soziokulturellen Evolution“ zu besinnen: dem Allgemeinwohl.

Abgesehen von dieser Feststellung bleibt Ferguson, der für dieses Jahr ein Projekt über den US-Wahlkampf plant, eine Lösung schuldig. Das ist nicht weiter schlimm und letztlich der Komplexität des Themas geschuldet. Aber auch so ist Everything is a Remix ein guter und wichtiger Beitrag, der deutlich macht, dass neue Überlegungen über unser „geistiges Eigentum“ überfällig sind.

Die ersten drei Episoden der Serie gibt es nach dem Klick.

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Möge die Crowd mit dir sein: Star Wars Uncut

Im Sommer 2009 hatte der damalige Vimeo-Entwickler Casey Pugh eine Idee: Er teilte Episode IV: Eine Neue Hoffnung, den ersten Teil der ursprünglichen Star Wars-Trilogie, in 472 je 15 Sekunden lange Segmente auf. Anschließend rief er im Internet die Fans der Weltraumsaga auf, sich jeweils einen Teil auszusuchen und zuhause zu filmen, zu animieren oder auf irgendeine andere Weise nachzustellen. Pugh nannte das Projekt Star Wars Uncut und die Resonanz war riesig.

Im April 2010 stellten Pugh und sein Team erstmals den fertigen Film auf Festivals vor. Das Projekt war so erfolgreich, dass die Macher im gleichen Jahr einen Emmy in der Kategorie „Interactive Fiction“ einheimsen konnten. Es war der erste für ein Crowdsourcing-Projekt dieser Art. Und doch gab es einen Makel: Der Film war seitdem ausgerechnet im Internet, seinem Ursprungsort, lediglich in Form der Einzelszenen zu sehen – ein wenig komfortables Filmerlebnis.

Das ändert sich nun. Rund 18 Monate nachdem der Film sein Debüt feierte, ist der „Director’s Cut“ des Projekts ab sofort offiziell im Netz verfügbar. So lange brauchten die Macher, um alle Rechte zu klären.

Nüchtern betrachtet ist das 120-minütige Endergebnis eigentlich nicht anzusehen. Es erinnert an ein zu Film gewordenes Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom: 472 Szenen bedeuten nicht zuletzt auch 472 unterschiedliche Darsteller, Konzepte und Techniken. Von Stop-Motion zu Machinima, von Trickfilm zu 3-D-Animation, von Amateur-Aufnahmen zu semi-professionellen Einstellungen und nicht zuletzt – Katzen. Star Wars Uncut ist ebenso bunt wie überambitioniert.

Natürlich kann man solch ein Projekt nicht durch die Filmkritikerbrille sehen. Im Gegensatz zu anderen Crowdsourcing-Projekten wie Ridley Scotts Life in a Day, nimmt sich Star Wars Uncut auch von Anfang an nicht allzu ernst. Es ist vielmehr ein weiteres Statement der kollaborativen Form von Kreativität, die das Internet zwar nicht erfunden hat, aber verstärkt: Es regt die Menschen an, kreativ zu werden und sich jenseits von Alter, Sprache und Herkunft einer ihrer Leidenschaften zu widmen. Das Ergebnis ist deswegen weniger ein klassisches Remake, sondern eine gänzlich neue Arbeit, in dem 472 Sichtweisen zum Vorschein kommen, die sich in zahllosen Referenzen, von den Beatles bis zu Ingmar Bergman, zeigen.

In diesem Sinne ist Star Wars Uncut ein bisschen wie das Internet selbst: Oft überraschend, manchmal an den Grenzen des guten Geschmacks aber meistens doch sehr spaßig.

 

Kohle und die USA: Eine Liebesbeziehung?

Coal: A Love Story ist der Titel einer interaktiven Dokumentation, die elf Journalismus-Studenten der Universität North Carolina erstmals Ende Juli im Rahmen des jährlichen Energie-Reportageprojekts Powering a Nation veröffentlichten. Darin untersuchen sie die komplexe Rolle, die Kohleenergie im Leben der US-Amerikaner spielt. Das Vorhaben ist ambitioniert – umso erstaunlicher, wie gut die Umsetzung gelang.

Tatsächlich pflegen die USA, wie auch Deutschland, seit jeher eine enge Beziehung zur Kohle. Seit mehr als 150 Jahren treibt der schwarze Brennstoff die Nation an; Kohle war der Motor der Industrialisierung, des Wirtschaftswachstums und ein Symbol des Wohlstands. Ganze Bundesstaaten waren zwischenzeitlich von der Kohleindustrie abhängig. Die US-amerikanische Energiewirtschaft ist es noch immer: Mehr als 1400 Kraftwerke sind aktuell in Betrieb, rund 45 Prozent des Strombedarfs der USA wird mit Kohle gedeckt.

Doch die Beziehung bröckelt. Zwar führt an der Kohleenergie mittelfristig kein Weg vorbei, doch immer mehr Menschen bekommen die negativen Auswirkungen zu spüren. Und genau hier setzt Coal: A Love Story an. In kurzen Episoden zeigt das Team Menschen, die direkt oder indirekt mit der Kohlekraft zu tun haben. Im amerikanischen Kohlepott West Virginia erzählen zwei Familien von Minenarbeitern von tödlichen Unfällen, widrigen Arbeitsbedingungen und chronischen Gesundheitsschäden. In Montana streiten Energiekonzerne und Landwirte um kostbares Grundwasser. In Chicago ist es ein altes Kraftwerk, dessen Emissionen ganze Nachbarschaften gefährden und die Anwohner auf den Plan rufen.

Die interaktive Grafik zeigt die Luftverschmutzung in den USA. (© UNC/News21)

Und doch bilden die Filmporträts bloß den Rahmen des Projekts. Erst zwischen den Episoden entfaltet Coal: A Love Story seine Wirkung. Hier ergänzen gut recherchierte Infografiken, interaktive Karten und weiterführende Quellen die einzelnen Episoden mit Hintergrundinformationen. Ob es nun um die Kosten eines Kohlekraftwerks geht, um Luftverschmutzung, den Anteil der Kohlekraft am Energiemix bestimmter Regionen oder der Suche nach alternativen Energiequellen: Das Projekt soll vor allem die Verbraucher informieren und aktiv einbinden. So lernen die Zuschauer nicht nur Einzelschicksale kennen, sondern erfahren im Verlauf auch, woher der Strom aus ihrer eigenen Steckdose kommt.

Für Catherine Orr, der leitenden Redakteurin des Projekts, ist diese „Personalisierung“ des Themas entscheidend. Denn obwohl der Alltag der amerikanischen Bürger von der Kohleenergie abhängt, sind sich, auch dank erfolgreicher Lobbyarbeit, nur wenige der tatsächlichen Auswirkungen bewusst. Projekte wie Coal: A Love Story können das allein nicht ändern. Aber sie helfen, mit ihrem multimedialen Ansatz, komplexe Themen wie die Energiewirtschaft einem größeren Publikum zugänglich zu machen.

Das Team während der Planung (© UNC/News21)

Nicht zuletzt ist das Projekt ein gelungenes Beispiel dafür, wie sich journalistische Inhalte mit den Möglichkeiten des Internets innovativ umsetzen lassen. Von Anfang an konnten die Zuschauer die Entstehung im Blog verfolgen, auf Informationen zugreifen und am Brainstorming des Teams teilhaben. Dass hinter dem Projekt tatsächlich eine Gruppe Studenten steht, vergisst man schnell.

Wie aktuell das Thema ist, zeigt der vom Scheitern bedrohte Welt-Klimagipfel im südafrikanischen Durban. Die Hoffnungen auf ein neues Klimaschutzabkommen sind gering – auch wegen der passiven Rolle der USA. Die sind zwar für rund 18 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, zeigen aber weiterhin kaum Ambitionen, ihre Ausstöße zu reduzieren. Denn dazu bräuchte es vor allem eines: Einen Bruch mit der Kohle.

Den kompletten, interaktiven Film gibt es auf der Website des Projekts. Hier der Trailer: