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„Taktik und Rituale“ – das NSU-Medienlog vom 7. Mai 2013

 

„Auf schmalem Grat“: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fasst den ersten Tag vor Gericht als „prozesstaktische Abwehrschlacht ihrer Verteidiger“ zusammen. Die Reportage aus dem Gerichtssaal ist bereits online. Reinhard Müller kommentiert auf Seite eins: „Das Gericht wird auch künftig auf dem schmalen, ihm wohlbekannten Grat wandeln, einerseits die Rechte der Verfahrensbeteiligten gebührend zu berücksichtigen, andererseits aber den Prozess zu beschleunigen.“ Die Beteiligten hätten alle sehr verschiedene Wünsche an das Verfahren. „Doch müssen alle wissen: Der Prozess selbst ist schon ein Ziel.“

Reduzierung: Das Verfahren sei in der Öffentlichkeit „zusammengeschnurrt auf die Hauptbeschuldigte und auf ihr Verhältnis zu ihren beiden Katzen“, schreibt auch die Junge Welt. Daran sei die Presse nicht unschuldig. Die Zeitung erwartet vor Gericht „keine großen Enthüllungen“, denn Staatsanwaltschaft und Richter würden sich künftig weigern, über etwas zu verhandeln, das nicht Gegenstand der Anklage ist.

 

Nur die Spitze des Eisbergs? Der Radiosender The Voice of Russia sprach mit Nebenkläger-Verteidiger Mehmet Daimagüler. „Wir sind überzeugt, dass noch mehr Menschen in die Morde involviert sind als nur die fünf Angeklagten“ sagte er. Zudem sei die Rolle der deutschen Behörden zu klären. Hinweise seien vorsätzlich vernichtet worden, das könne man auch nicht mit „technischen Fehlern“ erklären. Internationales Interesse: Die in Abu Dhabi erscheinende Tageszeitung The National berichtete ebenfalls über den Prozessbeginn, sowie die Los Angeles Times und BBC. Die Berichte geben einen Überblick über das Verfahren. „Deutschland gepackt vom Neonazi-Mordprozess“ titelt Al Jazeera.   Taktische Spiele:  Der NSU-Prozess in München habe mit einer Verzögerungstaktik der Anwälte begonnen, schreibt die türkische Tageszeitung Zaman in ihrer Online-Ausgabe. Der Prozess werde dadurch in die Länge gezogen. Eindrücke: Die türkische Tageszeitung Evrensel beschreibt den ersten Prozesstag aus dem Gerichtssaal. In der Besucherschlange hätten auch NSU-Unterstützer gewartet.

Einschätzung: Der Bayrische Rundfunk hat mit Mikdat Karaalioğlu, dem Chefredakteur der Europa-Ausgabe der türkischsprachigen Zeitung Sabah gesprochen.

Der Tiefe Staat: Nach Ansicht von Erdal Şafak, Chefredakteur Türkei-Ausgabe der Sabah konnte der NSU nur mit der Unterstützung staatlicher Stellen agieren. Er zieht Parallelen zur türkischen Organisation Ergenekon. Die türkische Staatsanwaltschaft wirft den Ergenekon-Mitgliedern vor, mit Verbündeten in staatlichen Institutionen einen gewaltsamen Sturz der Regierung in Ankara geplant zu haben. Şafak bezeichnet den NSU als „deutschen Ergenekon“. Mehrere türkische Medien haben den Prozess schon zuvor als „tiefen Prozess“ bezeichnet. So wird die Verflechtung von Politik, Sicherheitskräften und Organisiertem Verbrechen genannt. Und so titelte die Sabah: „Der tiefe Prozess hat begonnen“. (mit AFP)

Unter Beobachtung: Die türkischen Zeitungen beobachteten das Verhalten der Angeklagten Beate Zschäpe genau. Die Tageszeitung Hürriyet schrieb, der Verhandlungssaal sei zur Bühne für eine „Show“ Zschäpes geworden. In der Zeitung Habertürk war der Auftritt Zschäpes ebenfalls Hauptthema.

Umfassende Berichte: Wir empfehlen das NSU-Watch Blog, das sich in deutscher, englischer und türkischer Sprache mit dem NSU-Prozess und den Hintergründen auseinandersetzt. Radio Lotte hat mit Eike Sanders von NSU-Watch gesprochen.