Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Was hat Integration mit Terrorismus zu tun? – das NSU-Medienlog vom 10. Mai 2013

 

An jedem Werktag fassen wir im NSU-Prozess-Blog die wichtigsten Medienberichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Ein Überblick über die Berichte der letzten 48-Stunden:

Die Sicht der Hinterbliebenen auf den NSU-Prozess schildert Özlem Topçu in der aktuellen Ausgabe der ZEIT. Schon die Verschiebung auf den 17. April sei für viele Angehörige ein schwerer Schlag gewesen. „Manchen schien es, als seien die Belange von Journalisten wichtiger als die Hinterbliebenen der Opfer“, schrieb sie. „Wochenlang wurde nicht mehr über die Taten berichtet, sondern über Fernsehsender, Akkreditierungen und Lostrommeln.“ Für die Hinterbliebenen sei ein Strafprozess schwer erträglich. Rechtsstaat heute hieße auch: geduldig zuhören wie seitenlange Anträge verlesen werden.

Fehler bei der Aufklärung: Laut Tagesspiegel sind erneut Informationen zu einem V-Mann bekannt geworden, der Kontakt zum Umfeld des NSU hatte. Demnach hätte das Berliner Landeskriminalamt versehentlich nur zwei von sieben fehlenden Berichten an den NSU-Untersuchungsausschuss geschickt. „Das ist ein ärgerlicher Fehler“, zitierte der Tagesspiegel Polizeisprecher Stefan Redlich, auch wenn es sich nur um „Randinformationen“ handele.

Verantwortungslos: Mit dem Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschusses Sebastian Edathy sprach die Tagesschau. Für ein bewusstes Wegschauen oder eine aktive Unterstützung des NSU gebe es „keinerlei Indizien“, sagte Edathy. Ursache für das Versagen der Sicherheitsbehörden seien unter anderem mangelnde Kooperation, die Behörden hätten den gewaltbereiten Rechtsextremismus massiv unterschätzt und die Mordermittlungen seien nicht vorurteilsfrei geführt worden.

Zur Vernichtung von NSU-Akten sagte Edathy: „Gänzlich ausschließen, dass bewusst Unterlagen vernichtet werden sollten, kann man zwar nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings höher, dass es sich um ein verantwortungsloses Bescheuertsein gehandelt hat.“

 

Kruzifix-Verbot: Ein türkischer Abgeordneter hatte das Oberlandesgerichts München aufgefordert, das Kruzifix aus dem Verhandlungssaal zu entfernen. Stimmen zum „Kruzfix-Verbot“ hat die taz gesammelt.

 

Empörung über einen Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: Schon am Dienstag schrieb Jasper von Altenbockum anlässlich der Islamkonferenz: „Warum es aber unzulässig gewesen sein soll, Sicherheitsfragen in den Vordergrund zu stellen, wie es muslimische Verbände und die SPD jetzt und schon früher kritisierten, ist angesichts des NSU-Terrors eine recht eigenartige Perspektive. Extremismus und Terror gehören zu den Gründen, warum eine Minderheit der Muslime nicht integrationswillig ist; das wiederum ist einer der Gründe für islamfeindlichen Extremismus und Terror.“

 

Für diese Aussage hagelte es Kritik: „Integrationsunwille als Mitgrund für NSU?“ fragte ein User der Freitag-Community.

 

 

Auf publikative.org kritisierte Patrick Gensing die „direkte Linie“ die Altenbockum von „integrationsunwilligen“ Muslimen zum NSU – und von dort weiter zur Islamkonferenz ziehe.

Besuch: Der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu reist am Wochenende nach Deutschland. Er wolle sich auch mit den Familien der NSU-Opfer treffen, meldete die türkische Zeitung Sabah.

Vertrauen in die deutsche Justiz hat Ismail Yozgat, Vater des NSU-Opfers Halit Yozgat: „Bis jetzt habe ich der deutschen Justiz immer vertraut. Ich werde ihr auch weiterhin vertrauen“, sagte er in der Feiertagsausgabe der türkischen Zeitung Sabah. Wichtiger als die Bestrafung Beate Zschäpes sei jedoch eine Antwort auf die Frage, wer noch hinter den Morden stecke. Weiter sagte Yozgat: „Nach den Morden hat uns sowohl die Türkei, als auch Deutschland schief angesehen. Jetzt behandeln uns Deutschland und die Türkei gut.“

Diskussion: Am Donnerstagabend war der NSU-Prozess Thema in einer Online-Sendung des Fernsehsenders Al Jazeera. Über Rechtsextremismus und Integration diskutierten Peter Simi, Professor an der University of Nebraska, Vural Ünlü, Vorstandsvorsitzender der türkischen Gemeinde in Bayern und Barbara John, Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer.